MEDIENSPIEGEL 21.8.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Kraak Steckweg: Besetzung bleibt
- Rabe-Info 20.8.09
- PdA zum Demorecht Bern
- Big Brother Farner vs GsoA
- AJZ Solothurn: Ultimatum am Laufen
- Big Brother Video BL
- Staatliche Überwachung: Buchtipp
- Neonazis: Pronto-Glatzen vor Gericht
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REITSCHULE
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Sa 22.08.09
22.00 Uhr - Rössli - *25*
(garaj-noise aus Marseille F)
So 23.08.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ
Di 25.08.09
22.00 Uhr - Hofkino - HOTEL VERY
WELCOME, Heiss Sonja, Deutschland, 2008, 94min, DVD, OV/d
20.30 Uhr - Tojo - "Venusfalle" von Junge Bühne Bern. Regie: Karin
Maurer.
Infos: http://www.reitschule.ch
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STECKWEG
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Bund 21.8.09
Haus in Lorraine wieder besetzt
Stadt Bern Die Liegenschaft Steckweg 13 in der Lorraine ist seit ein
paar Tagen wieder belebt. Wie im September 2008 hat die Gruppe Kraak 13
das leer stehende Haus besetzt. Das Besetzerkollektiv pocht auch
diesmal auf einen Zwischennutzungsvertrag. Ob es einen solchen
erhält,
ist aufgrund der jüngsten Entwicklung höchst ungewiss, wurde
doch das
Haus vorgestern verkauft. Für die Gruppe Kraak 13 ist dies ein
herber
Dämpfer, hatte sie doch die Liegenschaft zusammen mit der
Genossenschaft Kukuz selber erwerben wollen.
Die Vorgänge am Steckweg haben die Junge Alternative (JA) auf den
Plan
gerufen. In einer Medienmitteilung kritisiert sie das Verhalten der
Stadt: Statt Zwischennutzungen eine Chance zu geben, habe sich die
Stadt hinter geltendem Recht versteckt. Angesichts der anhaltenden
Wohnungsnot sei dies "absurd". Die JA ist gestern auch auf politischem
Parkett aktiv geworden. Sie hat im Stadtrat eine Motion eingereicht,
welche ein Reglement für Zwischennutzungen von leer stehendem
Wohnraum
fordert. Im Reglement sollen zwei zentrale Elemente festgehalten
werden: Erstens, dass Eigentümer und Eigentümerinnen
grundsätzlich
verpflichtet sind, ihren Wohnraum zu nutzen. Zweitens sollen
Instrumente genannt werden, deren sich die Stadt bedienen kann, um eine
Zwischennutzung zu ermöglichen.
Die Zwischennutzung von Leerwohnungen ist ein altes Anliegen der JA.
1995 hatte die Partei zusammen mit anderen linksgrünen
Gruppierungen
eine Initiative lanciert, die eine aktive Wohnbaupolitik der Stadt
verlangte. Die Initianten hatten die benötigten Unterschriften
innert
dreier Monate beisammen. An der Urne jedoch hatte die Wohninitiative
keine Chance. Im Juni 1999 lehnte der Stadtberner Souverän das
Wohnnutzungsreglement mit 60,1 Prozent Nein gegen 39,9 Ja ab. Das
Reglement hätte der Stadt die Möglichkeit gegeben, in Zeiten
der
Wohnungsnot leer stehenden Wohnraum per Ersatzvornahme zu vermieten.
(ruk)
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info@jungealternative.ch
20.8.09
Steckweg 13 zeigt: Zwischennutzungen müssen in der Stadt Bern
möglich sein!
Gestern morgen, 19. August 2009, wurde das Haus am Steckweg 13
verkauft. Damit scheint die Forderung der BesetzerInnen, weiter dort zu
wohnen, obsolet. Jedoch zeigt der Ablauf der Ereignisse (das Haus stand
über ein Jahr leer), dass die Stadt Bern zu einem früheren
Zeitpunkt
noch einiges bezüglich Zwischennutzung hätte erreichen
können.
Denn vor knapp einem Jahr hat sich die praktisch gleiche Situation
abgespielt: Bereits damals stand das Haus schon einige Monate leer.
Doch anstatt den BesetzerInnen die Möglichkeit zur Zwischennutzung
zu
geben, wurde vom Bauinspektorat der Stadt Bern ein Nutzungsverbot und
eine Räumungsdrohung ausgesprochen. Damals haben die BesetzerInnen
das
Haus freiwillig verlassen, mit dem Versprechen der Stadt Bern,
bezüglich des weiteren Vorgehens (u.a. Verkauf des Hauses) auf dem
Laufenden gehalten zu werden.
Dieses Versprechen wurde jedoch nicht eingehalten. In der Zwischenzeit
stand das Haus leer. Dieser Zustand ist insbesondere absurd angesichts
der anhaltenden Wohnungsnot in der Stadt Bern. Anstatt
Zwischennutzungen als Chance für günstigen Wohnraum zu
nutzen, zog es
die Stadt Bern vor, nichts zu unternehmen und auf die rechtlichen
Grundsätze zu verweisen, welche kein explizites Recht auf
Zwischennutzung von leerstehendem Wohnraum beinhalten.
Die Junge Alternative JA! bedauert das Vorgehen der Stadt Bern. Damit
solche Situationen nicht nochmals geschehen und der Gemeinderat ein
nächstes Mal klare Handlungsstrategien hat, reicht die Junge
Alternative JA! heute, 20. August 2009, einen Vorstoss ein, welcher ein
Reglement zu Zwischennutzungen in der Stadt Bern fordert. Im Reglement
sollen zwei zentrale Elemente festgehalten werden: Erstens, dass
EigentümerInnen grundsätzlich verpflichtet sind, ihren
Wohnraum zu
nutzen. Zweitens sollen Instrumente genannt werden, deren sich die
Stadt bedienen kann um eine Zwischennutzung zu ermöglichen.
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RABE-INFO 20.8.09
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RaBe- Info 20. August 2009
http://www.rabe.ch/pod/get.php?web=RaBe-Info-2009-08-20-53154.mp3
- Ausgespitzelt: schon wieder angeblicher Spitzel bei politischer
Gruppierung
- Angezeigt: Schweizer Secondos wehren sich gegen SVP Hetze
- Angeeignet: Der Brasilianische Amazonasurwald wird privatisiert
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DEMORECHT
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pdabern.ch 13.8.09
Vortrag des Gemeinderats an den Stadtrat:
Initiative "Keine gewalttätigen Demonstranten!"
Intervention der PdA Bern in der Stadtratssitzung vom 13. August 2009
Es ist fast schon rührend zu lesen, wie der Gemeinderat in seinem
Vortrag an den Stadtrat sich vorbehaltlos mit dem repressiven Geist der
Initiative identifiziert und das Effizienzbedürfnis von Police
Bern zum
obersten Gebot erhebt. Und selbst dort noch, wo der Gemeinderat sich
einige kritische Fragen zur "praktische(n) Handhabung" des Artikels 8
der Initiative (Strafbestimmungen) zu stellen wagt, verbleibt er
konsequent innerhalb der Logik polizeistaatlicher Effizienz. Gerade in
diesen Passagen meldet sich der Appetit auf ein Mehr, ein Immermehr
noch an Mitteln und Möglichkeiten der Erfassung und Abarbeitung
von
gesellschaftlichem Dissens. So verstehet die PdA Bern den Vortrag des
Gemeinderats nicht nur als Unterstützungsbotschaft für die
Initiative,
sondern auch als Warnung.
Aber: Wäre es nicht politisch naiv, vom RGM-dominierten
Gemeinderat
etwas anderes zu erwarten? Zeigt sich da nicht eine tiefe Stimmigkeit,
eine politische Übereinstimmung? Der kürzliche
Schulterschluss auf
kantonaler Ebene zwischen einem übereifrigen Polizeidirektor und
einer
Uniform-grünen Position gibt die Stossrichtung vor: "Ein Polizist
darf
an einer Demo nur noch filmen, wenn er uniformiert ist. Das wird kein
Polizist mehr machen." (Bund, 30.5.09) Und warum denn nicht? Weil er
sich so "massiven, unnötigen Gefahren" aussetze. Wer allerdings
Demonstrierende in dieser Weise dämonisiert, soll sich nicht
beklagen,
wenn seine politische Saat dann bei den Einpeitschern von Ruhe und
Ordnung toller aufgeht, als ihm - oder ihr - vielleicht lieb ist; soll
auch nicht jammern, wenn er - oder sie - darauf politisch behaftet wird.
Wenn man uns bei diesem ehrgeizigen Spiel um den Titel der
Ordentlichsten im ganzen Bernbiet wenigstens mit dem Märchen der
fehlenden rechtlichen Mittel und Möglichkeiten verschonen
würde! Da
gibt es ein Kundgebungsreglement; da gibt es ein Polizeigesetz; da gibt
es ein Strafgesetzbuch. In letzterem gibt es da z.B. den so genannten
"Landfriedensbruch" - einen Paragraphen, der in der Auslegung des
Bundesgerichts die Elastizität eines Bungee-Seils erhalten hat:
Die
"Handlung wird demnach nicht nach der Intensität der dadurch
verursachten Rechtsgutsverletzung beurteilt, sondern nach deren
aggressivem Erscheinungsbild." Man führe sich doch die
alljährlichen
Winter-Manöver rund um das WEF vor Augen und beantworte dann bitte
die
Frage: wer wen? Wer wen einschüchtert mit seinem aggressiven
Auftritt?
Wer wen jagt? Wer wen kontrolliert? Wer wen einsperrt? Wer wen
demütigt? Aber Sie haben recht: ich schweife ab. Mit reinem
Erscheinungsbild hat das nämlich schon nicht mehr viel zu tun!
Einig sind wir uns in einem Punkt: Bequemer ist es für die Polizei
alleweil, wenn es letztlich einzig und allein um ihre eigene
Einschätzung, ihr eigenes Ermessen geht. Alles andere ist viel zu
"kompliziert", wie der Gemeinderat unterstreicht - und er zeigt damit,
wie kompliziert der Umgang mit demokratischen Grundrechten sein kann.
Versammlungsfreiheit? Empört hängen wir an der Glotze, wenn
sie mit
Reizgas und Schrot losgelassen werden - anderswo ist das ganz was
anderes - anderswo! Ist doch gar nicht so kompliziert - oder?
Weniger kompliziert, schneller, effizienter: So hat noch jeder billige
Jakob getönt. Schneller und effizienter "können sowohl
bewilligte und
unbewilligte Kundgebungen als auch Spontankundgebungen aufgelöst
werden" - legal? Illegal? scheissegal! Wenn denn nur der Polizei "eine
Kundgebung auflösen kann, bevor sie eskaliert." Also schneller als
schnell - wie der Westernheld, der schneller schiesst als sein eigener
Schatten. Wäre es doch auch am effizientesten, PWs aus dem Verkehr
zu
ziehen, bevor sie sich in Unfälle verwickeln können. Sie
sehen: Ich
habe sogar begriffen, was der Gemeinderat meint, wenn er
"präventive
Wirkung" sagt.
Nachhilfe brauche ich allerdings beim Verständnis der folgenden
Satzes
aus dem Vortrag des Gemeinderats: "Die Entfernungspflicht erhöht
dabei
den Druck auf die Organisierenden und Teilnehmenden, sich von den
Gewaltelementen klar zu distanzieren." Ich distanziere mich - wohl
gemerkt! - vor jeder Eskalation von potentiellen Gewaltelementen, und
zwar klar: in Gedanken, Worten und Taten. Da freut sich doch der kleine
Flic aus den Tiefen der autoritären Seele. Die Übertragung
auf das
Beispiel mit den PWs schenke ich mir.
Der Gemeinderat verspricht uns "Massnahmen zur Verbesserung der
objektiven und subjektiven Sicherheit". Er tut dies zu einer Zeit, die
gekennzeichnet ist durch die finanzielle und existenzielle
Verunsicherung breiter Bevölkerungsschichten. Und er verkauft uns
ordnungspolizeiliche Aufrüstung gegen die Preisgabe demokratischer
Grundrechte. Ist das nicht ein Hohn? Die PdA Bern meint: Das ist
durchaus kein Widerspruch. Im Gegenteil: Je heftiger die
alltäglichen
Zumutungen für das Volk sich gestalten, desto wichtiger werden
Mittel,
um die Unzufriedenheit, um die Unruhe, um den lauten und
öffentlichen
Widerspruch effizient zu entsorgen. Ob wir dem dann Repression oder
Prävention sagen, tut nicht viel zur Sache. Liebe Initianten,
liebe
Kommission für Finanzen, Sicherheit und Umwelt (FSU), lieber
Gemeinderat: Wir haben Sie verstanden!
Rolf Zbinden, PdA Bern, 13.8.09
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BIG BROTHER FARNER
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Bund 21.8.09
Arbeitet PR-Büro mit Spitzel?
Eine Mitarbeiterin von Farner PR soll die Gsoa ausgehorcht haben
Eine Mitarbeiterin von Farner PR soll an einer Sitzung der Gruppe
für
eine Schweiz ohne Armee als Spitzel teilgenommen haben. Das schreibt
die linke Wochenzeitung Woz. Die PR-Agentur dementiert.
Erika Burri
Für die PR-Agentur Farner, die nach eigenen Angaben
"regelmässig für
die Belange der Schweizerischen Landesverteidigung" - aktuell gegen die
Gsoa-Initiative - Stimmung macht, ist es dicke Post, was in der
gestrigen Ausgabe der "Wochenzeitung" (Woz) zu lesen war: Die
Mitarbeiterin C. S.* soll im Auftrag ihres Arbeitgebers an einem
Strategie-Wochenende der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa)
teilgenommen haben. Ende Juni bereiteten rund 30 Personen den Kampf
für
die bevorstehende Abstimmung über die Volksinitiative gegen
Kriegsmaterial-Exporte vor. Über die Initiative befindet das
Stimmvolk
am 29. November.
Niemand kannte C. S.
Die meisten Teilnehmer kannten sich - aber niemand kannte C. S. Diese
gab sich als Berner Politologiestudentin aus, die eine Seminararbeit
über Abstimmungskämpfe schreiben wollte. C. S. fiel auf. "Sie
machte
sich als Einzige fleissig Notizen und benutzte Abkürzungen von
Kommissionen", sagt Tom Cassee, Gsoa-Sekretär. C. S. hatte
Dossierkenntnisse, das war für ihn bald klar. Nach dem Wochenende
hörten sich deshalb Berner Mitglieder der Gsoa an der
Universität Bern
um. Sie fanden heraus, dass C. S. ihr Politologie-Studium schon seit
Längerem abgeschlossen hatte. Die Gsoa spielte den Fall der Woz
zu. Vor
dem Wohnhaus von C. S. traf ein Woz-Journalist auf deren Freund. Dieser
soll gesagt haben, dass die Geschichte dumm gelaufen sei. C. S. habe
nicht gewusst, auf was sie sich eingelassen habe. Später zog er
seine
Aussagen zurück.
Naive Gsoa?
C. S. dementierte gegenüber der Woz, als "Spitzel" an der
Veranstaltung
teilgenommen zu haben. Sie sei aus persönlichem Interesse ans
Treffen
in Wallisellen gegangen. Angemeldet hat sie sich über die Website
der
Gsoa. Da war das Treffen "für alle Interessierten" ausgeschrieben.
Den Vorwurf, es sei naiv, Strategieplanungen allen zugänglich zu
machen, weist die Gsoa von sich: "Wir sind auf aktive Mitglieder
angewiesen", sagt Josef Lang, Nationalrat (Alternative) und
Vorstandsmitglied der Gsoa.
Farner weist Vorwürfe zurück
Der Gsoa ist nicht bekannt, dass sie bereits früher "ausspioniert"
worden wäre. Ausschliessen kann sie es aber nicht. Gestern
übergab sie
Farner PR einen offenen Brief. Darin verlangt die Gruppe Transparenz
über die mutmassliche Bespitzelung. Zudem fordert sie die
PR-Agentur
auf, das Mandat für die Kampagne gegen die Gsoa-Initiative
aufzugeben.
Die PR-Agentur reagiert mit einem knappen Schreiben auf die
Vorwürfe:
"Wir betrachten sie als politisch motivierten Versuch der
Verunglimpfung der Agentur im Vorfeld des Abstimmungskampfes." Farner
weist den Verdacht der verdeckten Ermittlung "in aller Form"
zurück.
Privatspionage ist nicht strafbar
Die Gsoa prüft auch rechtliche Schritte gegen die "Spitzelin"
sowie die
Agentur. Dies dürfte schwierig werden, sagt Strafrechtsprofessor
und
SP-Nationalrat Daniel Jositsch. "Privatspionage ist in der Schweiz in
dieser Form nicht strafbar, solange keine Datenbanken mit Personen
angelegt werden." C. S. sei zudem nicht in einen Geheimbereich einer
Organisation vorgedrungen. Das Strategie-Wochenende sei öffentlich
ausgeschrieben gewesen. Vom politischen Standpunkt her findet Jositsch
die Forderung nach Transparenz aber gerechtfertigt.
[i]
* Name der Redaktion bekannt
---
20min.ch 20.8.09
Schwerer Vorwurf
Hat PR-Agentur GSoA bespitzelt?
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) verdächtigt die
PR-Agentur Farner, einen weiblichen Spitzel an einen GSoA-Workshop
geschickt zu haben.
Wie die GSoA am Donnerstag gegenüber Medienvertretern in Bern
darlegte,
nahm im Juni eine angebliche Informantin der Agentur Farner an einer
Veranstaltung ihrer Organisation teil. Dort wurde der Abstimmungskampf
für die Volksinitiative "für ein Verbot von
Kriegsmaterial-Exporten"
vorbereitet, die am 29. November zur Abstimmung kommt.
Sie habe sich als Politologie-Studentin ausgegeben, die Material
für
eine Seminararbeit suchte. In Wahrheit habe sie aber das Studium schon
abgeschlossen. Als freie Mitarbeiterin der Werbeagentur Farner, die
für
die Rüstungsindustrie arbeitet, habe sie Informationen über
die
Kampagnen-Strategie der GSoA gesammelt, wie GSoA-Sekretär Tom
Cassee
darlegte.
Die "WochenZeitung" berichtete am Donnerstag ausführlich über
den
Vorfall. Nach ihren Angaben bestätigte der Freund der Informatin
zunächst, dass seine Partnerin für die Agentur Farner bei der
GSoA im
Einsatz war. Später habe er diese Aussage aber zurück gezogen.
GSoA-Protestbrief an Farner
Die GSoA kritisierte das Vorgehen und überreichte am Donnerstag
der
Agentur Farner in Zürich eine Protestnote. Darin fordert sie unter
anderem Angaben über das gesammelte Material und über dessen
allfällige
Weiterverbreitung, die Rückgabe eines "erschlichenen Ordners" mit
vertraulichen Kampagnen-Materialien sowie Informationen über die
Hintergründe der angeblichen Bespitzelung.
Die GSoA fordert ferner die Rüstungsindustrie auf, der Agentur
Farner
das Mandat für die Abstimmungskampagne zu entziehen. Zudem
verlangt sie
Transparenz im Bezug auf die Finanzierung der Gegen- Kampagne sowie die
Offenlegung aller gesammelten Informationen über die GSoA und ihre
Abstimmungskampagne.
Kein Einzelfall
GSoA-Vorstandsmitglied und Nationalrat Josef Lang sprach von einem
undemokratischen und illiberalen Vorgehen der Agentur Farner. Catherine
Weber von den Demokratischen JuristInnen betonte vor den Medien, dass
die Bespitzelung der GSoA kein Einzelfall sei.
Sie verwies unter anderem auf Unterwanderungsversuche von Attac (durch
Securitas im Auftrag von Nestlé) sowie von Greenpeace (im
Zusammenhang
mit der Sondermülldeponie in Bonfol). Die GSoA prüfe nun
rechtliche
Schritte gegen die "Spitzelin" sowie gegen Agentur Farner.
Dementis der Beschuldigten
Die angebliche Informantin dementierte gegenüber der
"WochenZeitung"
(WOZ), im Auftrag von Farner die GSoA bespitzelt zu haben. Sie
räumte
aber ein, gegenüber der Organisation ihre Tätigkeit für
Farner nicht
offen gelegt zu haben - dies weil die Agentur für die GSoA ein
Feindbild darstelle. Im übrigen sei die von ihr besuchte
Veranstaltung
öffentlich gewesen - was die GSoA aber abstreitet.
Die Agentur Farner wies den erhobenen Vorwurf der verdeckten Ermittlung
in aller Form zurück. Farner setze sich regelmässig für
die Belange der
schweizerischen Landesverteidigung ein, so auch im Abstimmungskampf
gegen die GSoA-Initiative.
"Die von der GSoA konstruierte und in der WOZ publizierte Geschichte
ist vor diesem Hintergrund zu beurteilen. Wir betrachten sie als
politisch motivierten Versuch der Verunglimpfung der Agentur im Vorfeld
des Abstimmungskampfes", teilte die Agentur auf Anfrage der
Nachrichtenagentur SDA mit.
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gsoa.ch 20.8.09
UNTERWANDERUNGSVERSUCH BEI DER GSOA
Bespitzelung: GSoA fordert Rüstungsindustrie auf, Farner PR das
Mandat zu entziehen
von GSoA | 20.08.09.
Wie die Wochenzeitung WOZ in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, hat die
PR-Agentur Farner im Juni eine Spitzelin an ein Strategietreffen der
GSoA geschickt. Farner führt im Auftrag der Rüstungslobby die
Abstimmungskampagne gegen die Initiative "für ein Verbot von
Kriegsmaterial-Exporten", die am 29. November zur Abstimmung kommt.
Eine Mitarbeiterin der als rechtskonservativ bekannten und in der SVP
und FDP gut vernetzten Firma hatte im Juni unter Vorspiegelung falscher
Tatsachen an einem GSoA-Wochenende zur Vorbereitung des
Abstimmungskampfes teilgenommen und dabei unter anderem einen Ordner
mit vertraulichen Kampagnen-Materialien erschlichen.
An einer Pressekonferenz heute Vormittag forderte die GSoA die
Rüstungsindustrie auf, Farner PR das Mandat zu entziehen. Zudem
verlangt die Friedensorganisation Transparenz im Bezug auf die
Finanzierung der Gegen-Kampagne sowie die Offenlegung aller gesammelten
Informationen über die GSoA, ihre AktivistInnen und ihre
Abstimmungskampagne. Darunter fällt auch die Rückgabe des
erschlichenen
Ordners. Tom Cassee betonte: "Das Verhalten von Farner ist
antidemokratisch. Wenn die Rüstungskonzerne etwas auf die direkte
Demokratie halten, müssen sie Farner PR jetzt das Mandat
entziehen."
Josef Lang fügte hinzu: "Als Basisbewegung leben wir von der GSoA
Transparenz und Offenheit in der politischen Auseinandersetzung. Das
erwarten wir auch von unserem politischen Gegenüber. Deshalb muss
Farner nun ebenfalls Transparenz schaffen und ihre Auftraggeber offen
legen." Weiter forderte Tobia Schnebli: "Farner PR muss öffentlich
machen, wem sie die Informationen über die GSoA und ihre Kampagne
weitergegeben hat. Ausserdem wollen wir wissen, ob weitere Personen im
Auftrag von Farner an internen GSoA-Sitzungen teilgenommen haben."
Catherine Weber von den Demokratischen JuristInnen betonte, dass die
Bespitzelung der GSoA kein Einzelfall ist und wies unter anderem auf
die Unterwanderung von Attac durch Securitas im Auftrag von Nestle
sowie auf die Bespitzelung von Greenpeace im Zusammenhang mit einer
Aktion gegen die Sondermülldeponie in Bonfol hin. "Die
Unterwanderung
sozialer Bewegungen hat zwei wesentliche Effekte: Die geheime
Informationsbeschaffung sowie das Schüren von Misstrauen. Dabei
wird
bewusst die grobe Verletzung des Schutzes der Privatsphäre in Kauf
genommen."
Die GSoA prüft rechtliche Schritte gegen die Spitzelin sowie gegen
Farner PR. Der Sachverhalt steht aus Sicht der GSoA ausser Zweifel,
wenngleich Farner bisher bestreitet, einen Auftrag zur Bespitzelung
erteilt zu haben. Weshalb die Ausflüchte von Farner nicht
überzeugen,
ist dem Dossier auf www.gsoa.ch
zu
entnehmen.
Factsheet: Farner PR Consulting AG - die "Meinungsmacher" (45.7 KB)
http://gsoa.ch/media/filecontent/Factsheet_Farner.pdf
Protestschreiben an Farner PR (74.6 KB)
http://gsoa.ch/media/filecontent/Protestbrief_Farner.pdf
---
WoZ 20.8.09
Neuer Spitzelfall - Eine Frau, die für die Lieblings-PR-Firma der
Schweizer Waffenindustrie arbeitet, nimmt an strategischen Sitzungen
der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) teil, angeblich aus rein privatem
Interesse.
Studentin in fremdem Dienst
Von Dinu Gautier
Schickte die Rüstungslobby eine Spitzelin an ein Strategietreffen
der
Gruppe Schweiz ohne Armee ( GSoA)? Zunächst war da ein Verdacht,
der
sich allmählich erhärtete, dann gab es ein Dementi von der
Verdächtigten. Dumm nur, dass ihr Partner gegenüber der WOZ
bereits
Klartext geredet hatte. Doch der Reihe nach:
Samstag, der 20. Juni 2009, fünf Monate vor der Volksabstimmung
über
die Initiative gegen Kriegsmaterialexporte (vgl. Text "Die
Initiative"): Am Bahnhof Wallisellen besammeln sich gut dreissig
Mitglieder der GSoA. Sie wollen sich während zweier Tage in einem
Pfadiheim "gegenseitig für den Abstimmungskampf motivieren" sowie
"Aktionen und Kampagnen planen", wie es in der Einladung zu dieser
"Fitamin" genannten Retraite heisst.
Auch die 31-jährige Corinne Schweizer (Name geändert) steht
an jenem
Vormittag am Walliseller Bahnhof. Sie ist das einzige neue Gesicht, die
anderen kennen sich. Im Pfadiheim wird nach einer kurzen
Begrüssung das
Mittag essen aufgetischt. Beim Essen, so Tom Cassee von der GSoA, habe
er die Frau dann gefragt, wieso sie an dieser Retraite teilnehme. Ihre
Antwort laut Cassee: "Ich bin Politologiestudentin an der Uni Bern,
mache im Sommer meinen Bachelor und überlege mir, eine
Seminararbeit zu
Abstimmungskämpfen zu schreiben."
Kennerin der Materie
wild auf einem Notizblock mitgeschrieben." Dann seien Workshops
zu
Themen wie "Unsere Gegner und ihre Argumente" oder "Globale
Auswirkungen von Waffenexporten" auf dem Programm gestanden. In den
Workshops habe Schweizer sich alle verfügbaren Dokumente
geschnappt und
sei in den Diskussionen als sehr gute Kennerin der Materie aufgefallen,
so Ruch. "Sie kannte den Initiativtext genau und hat treffsicher genau
jene juristischen Formulierungen angesprochen, die die Waffenlobby im
Abstimmungskampf kritisieren wird. Dabei waren diese in der
Öffentlichkeit bisher kaum Thema."
Während Corinne Schweizer die Nacht zu Hause verbrachte, schliefen
die
meisten GSoA-Mitglieder im Pfadiheim. Zu diesem Zeitpunkt seien einige
GSoA-Mitglieder bereits misstrauisch geworden. Man habe angefangen,
sich entsprechende Fragen zu stellen, sagt Ruch, "etwa wieso sie noch
eine Seminararbeit schreiben muss, wenn doch ihr Bachelorabschluss
unmittelbar bevorsteht".
Die "Freelancerin"
Am nächsten Morgen war Schweizer rechtzeitig für die
anstehenden
Gruppendiskussionen wieder zurück. Es sei an diesem Tag um
Aktionen und
Kampagnenideen gegangen, so Ruch. Eine volle Präsenzliste (auf der
Schweizer sich übrigens am Vortag bereits mit echtem Namen und
Adresse
eingetragen hatte), habe Schweizer an diesem Tag intensiv studiert, bis
eine GSoA-Aktivistin ihr die Blätter weggeschnappt habe.
Wieso hat die GSoA die Frau nicht konfrontiert, ihr nicht ins Gesicht
gesagt, dass einige ein ungutes Gefühl hätten? "Wir waren uns
zu
unsicher, wollten nicht unfreundlich und para noid erscheinen", so
Rahel Ruch.
Dass Misstrauen angebracht war, zeigen WOZ-Recherchen. An der Uni Bern
ist Corinne Schweizer nicht mehr eingeschrieben. Ihren Bachelor in
Politikwissenschaften hat sie bereits im letzten Winter erhalten. Und:
Corinne Schweizer hat dieses Jahr ein Praktikum bei Farner PR in
Zürich
absolviert. Heute wird Schweizer bei der PR-Agentur als freie
Mitarbeiterin (Freelancerin) geführt. Farner ist nicht nur der
älteste
und grösste Public-Relations-Anbieter der Schweiz, sondern
vertritt
auch seit Jahren bei Volksabstimmungen die Interessen der
Waffenindustrie (vgl. Text "Für Militär und
Kartoffelsäcke").
Hat Corinne Schweizer die GSoA also im Auftrag des Waffenlobbyisten
Farner bespitzelt? Oder handelt es sich nur um einen dummen Zufall? Und
was hatte Schweizer zu verbergen, als sie der GSoA sagte, sie sei eine
rein wissenschaftlich interessierte Studentin?
Corinne Schweizer äusserte sich tele fonisch:
WOZ: Wieso haben Sie am GSoA-Wochenende in Wallisellen teilgenommen?
Corinne Schweizer: Als Politologin interessieren mich Volksinitiativen.
Ich kann mir vorstellen, künftig auf dem Gebiet von
Abstimmungskampagnen zu arbeiten, wollte also sehen, wie so was gemacht
wird. Dass die Veranstaltung stattfindet, habe ich auf der GSoA-Website
gesehen, worauf ich mich ganz normal, also per Mail, mit meinem Namen
angemeldet habe. Auf der Website stand explizit: für alle
Interessierten. Und interessiert war ich. Ohne Rückfragen zu
meiner
Person und Motivation erhielt ich danach die Details des Fitamins
zugemailt.
Farner hat Sie damit beauftragt.
Nein, es gab keinen Farner-Auftrag. Es trifft zwar zu, dass ich noch
einen Freelancevertrag mit Farner habe, wobei ich aber seit
längerer
Zeit keine Aufträge mehr erhalten habe. Mein Praktikum bei Farner
war
zum fraglichen Zeitpunkt übrigens bereits abgeschlossen.
Es ist also Zufall, dass Sie als Freelancerin derjenigen Agentur, die
den Abstimmungskampf gegen die Waffenexport-Initiative führt, an
dieser
Versammlung teilgenommen haben?
Ja. Sehen Sie: Farner ist eine grosse Agentur mit zig Mitarbeitern. Ich
habe nie an einem Mandat im Bereich Sicherheitspolitik gearbeitet. Und
dass die Rüstungsindustrie PR-Dienste in Anspruch nimmt, ist auch
nicht
weiter erstaunlich. Das machen alle Industrien.
Wieso haben Sie nicht erwähnt, dass Sie bei Farner unter Vertrag
sind?
Ich hatte zwar einen Freelancevertrag, habe jedoch in diesem Zeitraum
kaum für Farner gearbeitet. Ich weiss ja auch nicht, wo die
anderen
Teilnehmer arbeiten, und das geht mich auch nichts an. Gleich zu Beginn
der Veranstaltung wurde Farner thematisiert. Ich realisierte, dass
Farner stellvertretend für die Rüstungsindustrie ein
Feindbild der GSoA
ist. Wie wäre ich dagestanden, wenn ich erzählt hätte,
ich sei dort
Freelancerin? Da verstehen Sie doch sicher, dass ich lieber aufs Maul
gesessen bin. Im Übrigen ging es an diesem Wochenende um Slogans,
Argumente und die Ideenfindung für Aktionen. Dabei habe ich
mitgearbeitet, zum Beispiel mit überlegt, wie die Argumente der
Gegner
erwidert werden könnten. Aus meiner Sicht war da nichts Geheimes
und
Weltbewegendes, was ja auch nicht erstaunt: Die Veranstaltung war ja
öffentlich.
Die GSoA sagt, sie sei nicht öffentlich gewesen ...
Weder bei der Anmeldung noch während der Veranstaltung wurde je
erwähnt, dass es sich um eine geschlossene Gesellschaft handle.
Ich
habe bereits beim Treffpunkt erwähnt, ich sei das erste Mal bei
einem
Fitamin dabei und sei auch nicht Mitglied der GSoA. Fragen Sie die GSoA
mal, wieso sie auf ihrer Website auf eine Veranstaltung für alle
Interessierten hinweist, die nicht öffentlich ist. Wie hätte
ich mich
dann anmelden können? Und fragen Sie sie, was denn Geheimes
besprochen
worden sei.
Nachfragen bei der GSoA: Was wurde am Fitamin-Wochenende Geheimes
besprochen, Rahel Ruch? "Es liegt doch in der Natur der Sache, dass die
Strategiefindung im Hinblick auf einen Abstimmungskampf geheim ist. Es
gibt ja auch keine Partei, die ihre Strategie für die
Bundesratswahl
auf ihrer Website veröffentlicht." Und wieso hiess es dann in der
Einladung, alle Interessierten seien eingeladen? "Damit waren Leute
gemeint, die interessiert daran sind, sich zu engagieren, mitzuhelfen.
Wir gehen von einer gewissen Ehrlichkeit aus und rechnen nicht damit,
bespitzelt zu werden." Aber wieso war die Einladung auf der Website?
Ruch: "Die GSoA ist eine soziale Bewegung, lebt vom Engagement vieler
Leute und ist darauf angewiesen, dass auch neue Leute unkompliziert
hinzustossen können. Offenbar müssen wir künftig unter
jede Einladung
schreiben, Spitzel seien nicht willkommen."
Farner beobachtet "passiv"
Die WOZ wollte von Daniel Heller, Mitinhaber, Direktor und
Verwaltungsrat von Farner wissen, ob er von Corinne Schweizers
Teilnahme am GSoA- Wochenende gewusst habe. "Der Vorfall ist mir im
Einzelnen nicht bekannt. Die Agentur nimmt generell zu ihrer
Auftragstätigkeit nicht öffentlich Stellung", so Hellers
Antwort. Es
stehe den Farner-MitarbeiterInnen frei, öffentliche politische
Veranstaltungen aller Art zu besuchen. "Im Rahmen unserer
Tätigkeiten
werden selbstverständlich Medienberichte und öffentliche
Meinungsäusserungen beobachtet und analysiert, Beobachtung und
Analyse
geschieht in der Regel passiv", so der auf politische PR spezialisierte
Heller. Und kann Letzteres auch verdeckt erfolgen, also ohne dass
Mitarbeitende gegenüber den Beob achteten offenlegen, für wen
sie
arbeiten? "Wie erwähnt erfolgen Beobachtung und Analyse in der
Regel
passiv und nicht aktiv", so Heller.
Zeit für eine kurze Zwischenbilanz: Es steht Aussage gegen
Aussage. Die
Leute von der GSoA glauben nicht an Zufälle, Corinne Schweizer
spricht
genau davon. Und der Farner-Vertreter sagt "generell" wenig. Doch das
ist noch nicht die ganze Geschichte, denn es hat sich auch einer
geäussert, der kein PR-Profi ist: Corinne Schweizers Freund.
Der Freund
Die WOZ war ihm drei Tage vor dem Telefoninterview mit Schweizer vor
deren gemeinsamer Haustür im Grossraum Zürich begegnet, als
sie
Schweizer ein erstes Mal mit den GSoA-Vorwürfen zu
konfrontieren
versuchte, sie aber nicht antraf. Die Übergabe einer
WOZ-Visitenkarte
und das Stichwort " GSoA" genügten, und schon gab Schweizers
Freund
Auskunft: Er dürfe von der Sache eigentlich gar nicht wissen,
dennoch
habe ihm Corinne davon erzählt: Die Geschichte sei dumm gelaufen,
Farner habe Corinne vor ihrem Einsatz schlecht "gebrieft". Sie habe
geglaubt, es sei eine öffentliche Veranstaltung, sie habe nicht
gewusst, auf was sie sich da einlasse. Selbstverständlich habe sie
dort
nicht erzählen können, für wen sie arbeite. Am zweiten
Tag habe sie
sich "schwer überlegt", ob sie sich das wirklich nochmals antun
wolle,
aber als Politologin in Zürich gebe es, anders als in Bern, nicht
sonderlich viele Jobs. Da könne sie es sich mit der grossen und
mächtigen Farner PR nicht verspielen.
Von diesen Aussagen gegenüber der WOZ will Corinnes Freund heute
freilich nichts mehr wissen. Er habe sich da in etwas verrannt, sagt
er. Bis kurz vor Redaktionsschluss bleibt die Nervosität
Schweizers und
ihres Freunds deutlich spürbar. Sie fragen mehrmals, ob man ihnen
"Beweisdokumente" vorenthalten habe oder ob das Gespräch vor der
Haustür aufgezeichnet worden sei.
--
Die Initiative
Die von einem linken Komitee unter Federführung der Gruppe Schweiz
ohne
Armee (GsoA) eingereichte Volksinitiative sieht ein Verbot des Exports
von "Kriegsmaterial" (beispielsweise Panzern) und "besonderen
militärischen Gütern" (beispielsweise
Pilatus-Trainingsflugzeugen) vor.
Nicht betroffen von einem Verbot wären Dual-Use-Güter, also
Produkte,
die sowohl militärisch wie auch zivil genutzt werden können.
Abgestimmt
wird am 29. November.
http://www.kriegsmaterial.ch
--
Für Militär und Kartoffelsäcke
"Gebt mir eine Million, und ich mache aus jedem Kartoffelsack einen
Bundesrat", soll Rudolf Farner einst gesagt haben. 1951 gründete
er
Farner PR.
Die Firma mit ihren rund fünfzig MitarbeiterInnen ist heute mit
über
vierzehn Millionen Franken Umsatz das grösste inländische
PR-Unternehmen. Etwa ein Viertel der Geschäfts tätigkeit
entfalle auf
politische Mandate, hiess es 2001 in der "Weltwoche".
Farner-Direktor Daniel Heller zur WOZ: "Farner war massgeblich an der
Bekämpfung aller armeefeindlichen Volksinitiativen seit 1984
beteiligt." 1997 setzte sich Farner gegen die letzte
Kriegsmaterialexport-Initiative ein - und gewann die Abstimmung mit 77
Prozent Stimmenanteil. Auch die "wirtschafts- und armeefeindliche"
Initiative in diesem Jahr werde Farner helfen zu bekämpfen, so
Daniel
Heller.
Freilich tut dies Farner diskret: Die Kampagnenarbeit wird im Namen von
Organisationen geleistet, die das Wort Farner nicht im Namen tragen.
Sie heis sen etwa Verein Sicherheitspolitik und Wehrwirtschaft (VSWW),
Arbeitskreis Sicherheit und Wehrtechnik (ASUW) oder Arbeitsgemeinschaft
für eine wirksame und friedenssichernde Milizarmee (AWM). Die
Geschäftsführung wird in allen drei Fällen von Farner PR
besorgt.
Die rechtskonservative PR-Firma gibt grundsätzlich nicht bekannt,
welche Auftraggeber sie im Mandat vertritt.
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AJZ SOLOTHURN
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Solothurner Zeitung 21.8.09
Man hüllt sich in Schweigen
Das Ultimatum der Stadt bringt Hausbesetzer nicht aus dem Konzept
Die seit dem Wochenende besetzte ehemalige Drogenanlaufstelle soll bis
am Mittwoch um 12 Uhr mittags geräumt werden. Noch haben sich die
Besetzer nicht entschieden, ob sie sich an diese Frist halten. Nicht
klar ist auch, was die Stadt tut, wenn diese das Haus nicht verlassen.
Regula Bättig
Was ist, wenn das von der Stadt anberäumte Auszugsultimatum nicht
eingehalten wird? Wird gestürmt oder wird verhandelt? Dazu
könne er
sich nicht äussern, sagt Stadtpräsident Kurt Fluri auf
Anfrage.
Stadtschreiber Hansjörg Boll lässt zumindest durchschimmern,
dass man
wenn immer möglich auf eine Eskalation verzichten wolle. Er
bekräftigt
jedoch auch, dass die Stadt nicht über ein Autonomes Jugendzentrum
(AJZ) verhandle, solange das Haus besetzt ist.
Was Stadt kann, kann auch Gegenseite
Auf der Gegenseite sieht die Situation ähnlich aus: Ob das Haus am
Mittwoch um 12 Uhr leer ist - in tadellosem Zustand und blitzblank
geputzt, wie dies eine der Jugendlichen möchte - oder ob noch
immer ein
Holzkeil das Gittertor blockiert und der Banner "Besetzt" an der
Fassade hängt, war bis gestern Abend nicht klar. "Die Stadt
hüllt sich
in Schweigen, also tun wir das auch", erklärt ein junger Mann
bestimmt.
Und: "Wenns knallen muss, dann knallts eben."
Die Ansichten über das weitere Vorgehen seien sehr
unterschiedlich,
hatte einer seiner Kollegen am Vormittag erzählt. So
unterschiedlich,
wie die Leute, die sich im Haus versammelt hätten, "um eine gute
Zeit
und Raum für ihre Ideen zu haben". Während sich die "gute
Zeit" in den
Spuren der Party der letzten Nacht zeigt, sind die Ideen noch
theoretischer Art: Man träumt von Ateliers, Proberäumen,
einer
Bibliothek, von Lesungen, Kursen und Konzerten. Wie es in der Roten
Fabrik in Zürich oder der Berner Reithalle zu finden sei. Aber
kleiner,
"angepasst an Solothurner Verhältnisse".
Dass es am Samstag auch in Baden zu einer Hausbesetzung gekommen
ist -
die nach einem kurzfristig angesetzten Ultimatum längst
geräumt ist -
sei keine koordinierte Aktion gewesen, sagt die junge Frau. "Im
Gegenteil: Sonst hätte man sich gegenseitig unterstützen
können." Denn
man kennt sich in der Szene, hat Kontakt. Beide Jugendlichen
erzählen
dann auch, dass sie schon andernorts in besetzten Häusern zu
Besuch
gewesen seien. Etwas überrascht zeigen sie sich dann auch von der
Tatsache, dass Strom und Wasser nach wie vor fliessen. "Das Paradies"
sei das, sie hätten es anders erwartet.
Die Zeit, die bleibt, möglichst gut nutzen
Noch sind an der Dornacherstrasse vor allem Leute aus Solothurn und der
näheren Umgebung anzutreffen. Studenten, Schüler,
Arbeitslose. "Manche
arbeiten und haben eigens Ferien genommen, um hier mitzumachen",
erklärt der etwa 22-Jährige. Damit ist er altersmässig
im "Schnitt", so
zwischen 18 und 30 seien die meisten. Wie viele Leute das Haus
bevölkern, wollen die Jugendlichen allerdings nicht sagen. Es sei
ein
Kommen und Gehen, mehr ist von ihnen nicht zu erfahren.
Am Wochenende soll es eher ein Kommen sein: "Wir veranstalten ein
grosses Fest", sagt die junge Frau und kramt einen Flyer hervor. Denn
die Zeit, die man habe, wolle man ausnützen. Für die junge
Frau ist die
Dornacherstrasse allerdings nicht der perfekte Standort für ein
AJZ.
"Zu nah an den Nachbarn dran, das gäbe nur Ärger."
---
Solothurner Tagblatt 20.8.09
Hausbesetzer
Stadt setzt Aktivisten Ultimatum
Bis am nächsten Mittwoch müssen die Hausbesetzer die
Liegenschaft verlassen. Dafür bietet ihnen die Stadt Straffreiheit.
Kurz vor 16 Uhr gestern Nachmittag hat ein Stadtpolizist den
Hausbesetzern an der Dornacherstrasse das Ultimatum überreicht. Im
Wesentlichen verspricht die Stadt den Aktivisten auf eine
Strafverfolgung zu verzichten, sofern sie das Haus ohne jegliche
Sachbeschädigung bis am nächsten Mittwoch um 12 Uhr verlassen
würden
(siehe Kasten).
"Es ist ein sehr grosszügiges Angebot", sagt Stadtpräsident
Kurt Fluri.
Den Entscheid, das Ultimatum zu stellen, hat das Stadtpräsidium
gemeinsam mit der Liegenschaftsverwaltung, den Sozialen Diensten und
dem Stadtbauamt gefällt. "Wir wollen keinen zu grossen Druck
ausüben,
damit es zu keiner Trotzreaktion kommt", so Fluri.
"Kein rechtsfreier Raum"
Sollten die Hausbesetzer die Liegenschaft ohne Sachbeschädigungen
verlassen, dann wäre die Stadt auch zum Dialog bereit. Zu diesem
Zweck
fordert sie die Besetzer auf, von ihrer Seite Personen zu melden, die
zu einem Gespräch bereit wären.
"Ich würde es selbst übernehmen, diese Gespräche
mit der
Jugendkommission, Jugendorganisationen und Vertretern der Region zu
organisieren", versichert Fluri. Man könne über ein weiteres
Jugendzentrum in der Region, welches sich zum Beispiel an dem Vorbild
der Kulturfabrik Kofmehl orientiere, diskutieren. Aber: "Ein autonomes
Jugendzentrum im Sinne eines rechtsfreien Raumes steht nicht zur
Diskussion."
Aktivisten unvermummt
Seit gestern sind die Aktivisten in der ehemaligen Drogenanlaufstelle
nicht mehr vermummt. "Wir haben unsere Masken auch deshalb abgelegt, um
auf Passanten nicht bedrohlich zu wirken", sagt einer der Hausbesetzer.
Die Vermummung sei aber auch langsam zu unbequem geworden. Er
bestätigt
zudem, dass man das Ultimatum der Stadt erhalten habe und zeigt sich
vorderhand zufrieden. "Wir hätten eigentlich nicht mit so viel
Entgegenkommen gerechnet." Einen definitiven Entscheid habe man im Haus
zwar noch nicht gefällt, im Verlauf des heutigen Tages soll dies
aber
geschehen.
Strom und Wasser
Wie Stadtschreiber Hansjörg Boll bestätigt, hat die Stadt
darauf
verzichtet, den Hausbesetzern Strom und Wasser abzustellen. "Es ist auf
diese Weise sicherer für das Gebäude, als wenn die Besetzer
zum
Beispiel die Räume mit Kerzen beleuchten würden."
Ralph Heiniger
--
Auszüge
Der Brief an die Besetzer im Wortlaut
Auszüge aus dem Brief der Stadt: "Sehr geehrte Damen und Herren -
In
der Nacht auf vergangenen Samstag haben Sie die Liegenschaft
Dornacherstrasse 10 besetzt (….). Dies können wir keinesfalls so
tolerieren. Solange Sie eine städtische Liegenschaft
widerrechtlich
besetzt halten, ist die Stadt Solothurn nicht zu Gesprächen
bereit. Da
wir zudem die Liegenschaft für einen anderen Zweck benötigen
(…),
bitten wir Sie, die Liegenschaft zu räumen bis Mittwoch, 26.
August
2009, 12 Uhr.
(…) Sollten Sie die Liegenschaft bis zum angegebenen Termin friedlich
und ohne Sachbeschädigung verlassen, wird die Stadt auf eine
Strafverfolgung verzichten. Gleichzeitig signalisieren wir Ihnen, dass
sich das Stadtpräsidium bereit erklärt, zusammen mit der
Jugendkommission der Stadt sowie Vertretern der Jugendorganisationen
und der Region mit Ihnen über mögliche Wege zu einem
‹autonomen
Jugendzentrum› zu sprechen (…)."
---
Solothurner Zeitung 20.8.09
Eine ganze Woche für den Auszug
Stadt stellt Haus-besetzern Ultimatum
Seit der Nacht auf Samstag ist die ehemalige Drogenanlaufstelle
besetzt. Die Stadt - Besitzerin der Liegenschaft - liess die
Jugendlichen bislang gewähren, erst gestern wandte man sich mit
einem
von der Stadtpolizei persönlich übergebenen
"Auszugsultimatum" an die
"Besetzerinnen und Besetzer, <Autonomes Jugendzentrum>,
Dornacherstrasse 10". Korrekt ist nicht nur die Anschrift: "Da wir die
Liegenschaft für einen anderen Zweck benötigen, verbunden mit
einer
dringenden Renovation, bitten wir Sie, diese zu räumen bis
Mittwoch,
26. August 2009, 12 Uhr." Wenn das Haus bis zu diesem Zeitpunkt
friedlich und ohne Sachbeschädigungen verlassen werde, "wird die
Stadt
auf eine Strafverfolgung verzichten".
Dass man bis Dienstag mit einer Reaktion zugewartet habe, liege daran,
dass interne Absprachen nötig gewesen seien, sagt
Stadtpräsident Kurt
Fluri auf Anfrage. Dass eine ganze Woche Zeit bleibt, das Haus zu
räumen, habe ebenfalls Gründe: "Wir haben bewusst eine
grosszügige
Frist angesetzt, damit die Besetzer Zeit haben, in Ruhe zu handeln. Wir
wollen keine Trotzreaktionen provozieren." Dahingehend ist wohl auch
die Äusserung zu verstehen, dass die Stadt im Falle einer
friedlichen
Räumung bereit sei, "über mögliche Wege zu einem
<Autonomen
Jugendzentrum> zu sprechen".
Nicht äussern wollte sich Fluri zum Umstand, dass die Stadt die
Wasser-
und Stromversorgung der Liegenschaft nicht abgedreht hatte - was bei
Hausbesetzungen durchaus ein übliches Vorgehen ist. Und auch nicht
dazu, was am Mittwoch passiert, wenn das Haus nicht geräumt ist:
"Die
Entscheidung, wie wir dann vorgehen, müssen Sie schon uns
überlassen."
(rb)
---
20min.ch 19.8.09
Solothurn
Stadt stellt Hausbesetzern Ultimatum
Das Stadtpräsidium von Solothurn hat jungen Hausbesetzern, die ein
autonomes Jugendzentrum verlangen, ein Ultimatum bis zum kommenden
Mittwoch gesetzt. Die Stadt will auf eine Strafverfolgung verzichten,
wenn die Besetzer der Aufforderung Folge leisten.
Die Stadt sei jedoch nicht zu Gesprächen bereit, so lange die
städtische Liegenschaft widerrechtlich besetzt sei, schrieb der
Stadtpräsident Kurt Fluri (FDP) in einem Brief an die Besetzer.
Die
Stadt veröffentlichte das Schreiben am Mittwoch.
Das Haus an der Dornacherstrasse, das früher als
Drogenanlaufstelle
genutzt wurde, ist seit der Nacht auf Samstag besetzt. Im Brief
signalisiert der Stadtpräsident die Bereitschaft, mit den
Besetzern
über mögliche Wege zu einem autonomen Jugendzentrum zu
sprechen.
Das Angebot knüpft die Stadt an das Ultimatum, die Liegenschaft
friedlich und ohne Sachbeschädigungen bis Mittwoch, 26. August, 12
Uhr,
zu verlassen.
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BIG BROTHER VIDEO
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Basler Zeitung 21.8.09
Die Überwacher werden nicht überwacht
Im Kanton Baselland gibt es keine Rechtsgrundlage für die
Videoüberwachung im öffentlichen Raum
Susanna Petrin
Niemand hat den Überblick darüber, wie viele
Überwachungskameras im
Baselbiet installiert sind. Nicht nur Private, auch Gemeinden haben bei
deren Installation viel Spielraum. Anders als in Basel-Stadt braucht es
dafür weder eine Bewilligung noch wird im Gesetz konkret auf
Videoüberwachung eingegangen.
In Basel-Stadt stehen derzeit gegen 70 neue Überwachungskameras an
20
Orten der Innenstadt zur Debatte. Noch muss das Parlament über den
nötigen Kredit entscheiden, allenfalls kommt das Anliegen gar vors
Volk, und der Datenschützer muss jede Kamera im öffentlichen
Raum
bewilligen - Letzteres verlangt das Basler Datenschutzgesetz.
Im Kanton Baselland werden öffentliche Überwachungskameras
weit weniger
streng gehandhabt. Weder gibt es hier dazu einen konkreten
Gesetzespassus noch sind die Gemeinden verpflichtet, bei der kantonalen
Datenschützerin um Erlaubnis zu fragen. Diese stellt den Gemeinden
zwar
online ein Musterreglement sowie eine Checkliste für
Videoüberwachungs-Projekte zur Verfügung. Doch deren Nutzung
ist
fakultativ. Das heisst: Jede Gemeinde kann im Prinzip überall
Kameras
aufstellen, wo sie es gerade für nötig hält.
Freiwillig
Ein Albtraum für die Datenschützerin des Kantons Baselland?
Ursula
Stucki verneint: "Ich habe den Eindruck, dass die Gemeinden
verantwortlich mit Videoüberwachung umgehen." Viele legten ihr das
eigene Reglement freiwillig zur Überprüfung vor.
Reklamationen aus der
Bevölkerung habe sie bisher keine erhalten. Wichtig sei, dass die
Kameras verhältnismässig eingesetzt würden. Und auf
Verhältnismässigkeit bei Datenverarbeitungen aller Art poche
auch das
Baselbieter Datenschutzgesetz - "dieses Gesetz genügt als
rechtliche
Grundlage", findet deshalb Stucki.
Ohne zum Baselbieter Umgang mit Videoüberwachung Stellung nehmen
zu
wollen, ist der städtische Datenschutzbeauftragte Beat Rudin froh,
dass
Basel-Stadt eine klare gesetzliche Regelung kennt: "Das zähmt den
möglichen Wildwuchs in diesem Bereich, der doch stark in die
Privatsphäre der Leute eingreift." Das geplante neue Informations-
und
Datenschutzgesetz soll die Problematik in Basel-Stadt laut Rudin sogar
bald noch griffiger handhaben. Tritt es in Kraft, wird der
Datenschützer die Anlagen nicht mehr zur Bewilligung, sondern zur
Vorabkontrolle erhalten. Aber wichtiger sei: "Im Mittelpunkt wird der
Zweck der Videoüberwachung stehen", sagt Rudin. Dieser müsse
wohl
überlegt, gut begründet und angemessen sein.
Damit würde man in Basel auch den Verschiedenheiten von
Videoüberwachungs-Systemen gerechter. Vor allem mache es einen
grossen
Unterschied, ob ein Raum von einem Menschen live überwacht werde -
nur
so könne ein Verbrechen wirklich verhindert werden - oder ob ein
Gerät
passiv Bilder aufnehme, die nur erst im Nachhinein angeschaut werden,
wenn etwas vorgefallen ist.
Weniger Schäden
Im öffentlichen Raum im Kanton Baselland gibt es fast nur den
zweiten
Aufzeichnungstyp. Das Grimassenschneiden vor Kameras ärgert oder
erfreut also keinen - ausser ein Vandalenakt oder Ärgeres macht
das
nachträgliche Anschauen des Bandes notwendig. Das sei aber selten
der
Fall, sagt Marcel Schaub, Leiter der Abteilung Dienste Sicherheit in
Pratteln. Vor rund vier Jahren hat die Gemeinde eine mobile Kamera
angeschafft, die abwechslungsweise 15 Plätze filmt. Vor zwei
Jahren ist
eine fixe Kamera vor dem Schulhaus hinzugekommen. Seither seien die
Vandalenakte an diesen Orten markant zurückgegangen, sagt Schaub:
"Die
Kameras haben vor allem eine präventive Wirkung." In zwei, drei
Fällen
habe man zudem dank der Aufnahmen die Täter finden können,
darunter
einen Sprayer und einen "Prügler". Zum Erfolg beigetragen
hätten aber
weitere Massnahmen, etwa Streetworker.
Begeistert vom Nutzen der Kameras ist der Direktor der Baselland
Transport AG (BLT), Andreas Büttiker: "Die Schäden durch
Vandalismus
sind um 90 Prozent zurückgegangen." Früher hätten
Vandalenakte die BLT
im Jahr rund 250 000 Franken gekostet - bis vor rund sechs Jahren
sämtliche hintere Waggons mit Videokameras bestückt wurden;
die neuen
Tango-Trams seien durchgängig videoüberwacht. Die Technik
werde
verhältnismässig eingesetzt, wegen einer weggeworfenen Dose
schaue
keiner die Bänder durch. "Wir hätten am liebsten gar keine
Kameras",
sagt Büttiker, "aber leider sind sie nötig."
--
Tausende von Kameras
40 Bewilligungen in Basel. Die Wahrscheinlichkeit, täglich
mehrmals
gefilmt zu werden, ist hoch. Im Laden, in der Bank, auf Plätzen,
in
Badis, im Zug - in der Schweiz sind mehrere Zehntausend Videokameras
aufgestellt. Wie viele es genau in Baselland gibt, wissen weder die
Polizei noch die Datenschützerin. In Basel-Stadt sind laut
Datenschützer Beat Rudin bisher etwa 40 Bewilligungen für
Überwachungen
öffentlicher Orte erteilt worden - doch darunter befänden
sich ganze
Gebiete mit vielen Kameras. Überwachungs-Spitzenreiter ist
Grossbritannien mit über einer Million Kameras. Dort kann es gar
passieren, dass plötzlich eine Stimme ertönt und den
Überwachten tadelt
- Kameras in England sind oft mit einem Lautsprecher
ausgerüstet. spe
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BIG BROTHER
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Die Zeit 6.8.09
Staatliche Überwachung
Sicherheit total
DIE ZEIT, Ausgabe 33, 6.8.09
Von Ilija Trojanow und Juli Zeh
Unter dem Vorwand, uns vor terroristischen Gefahren schützen zu
wollen,
späht der Staat seine Bürger aus. Von dieser Politik der
Angst dürfen
wir uns nicht verrückt machen lassen
Früh raus. Der Wecker klingelt. Es ist noch dunkel. Nicht gleich
Licht
machen, eine Minute auf dem Bettrand sitzen bleiben. Die Morgenluft
einatmen. Das Fenster ist gekippt, die Tür zum Flur offen. In der
Küche
wartet die Espressomaschine. Wo sind die Hausschuhe? Sich strecken,
aufstehen, das Licht anknipsen.
Sie ziehen den Vorhang am Küchenfenster zu, damit der Nachbar von
gegenüber nicht hereinschauen kann. Sie kochen sich einen
doppelten
Espresso und nehmen einen Schluck. Jetzt kann der Tag beginnen. Sie
setzen die Tasse auf dem Tisch ab. Am Rand haben Sie zwei
wunderschöne
Fingerabdrücke hinterlassen. So scharf konturiert und
vollständig wie
die in Ihrem Reisepass. Oder die in den Datenbanken der U. S. Customs
and Border Protection seit Ihrem letzten Sommerurlaub in Florida.
Beruflich sind Sie viel unterwegs? Dann kennt man das Muster auf der
Kaffeetasse, die Sie gerade ins Arbeitszimmer tragen, auch in Schweden,
Georgien und im Jemen.
Wie jeden Morgen rufen Sie Ihre privaten E-Mails ab. Die sind schon
überprüft worden - nicht nur von Ihrem Virenscanner. Sie
rufen noch die
eine oder andere Webseite auf - die Kripo weiß, welche, wenn sie
möchte, und kann das auch in sechs Monaten noch
überprüfen. Sie nehmen
schnell noch eine Überweisung vor - die Behörden wissen, an
wen. Zum
Glück heißen Sie Müller, das schützt ein wenig.
Bei Ihrem Kollegen
Tarik al-Sultan, der neulich zum Bergsteigen in Kaschmir war,
verschickt der Computer gerade den gesamten Inhalt der Festplatte an
den Verfassungsschutz. Greifen Sie etwa gerade nach dem Telefon, um mit
Tarik etwas Vertrauliches zu besprechen, das nicht ins Büro
gehört?
Lassen Sie es lieber sein. Besuchen Sie ihn zu Hause, wenn Sie
ungestört reden wollen. Es sei denn, Tarik wurde als
Gefährder
eingestuft, weil er regelmäßig Geld an seinen arbeitslosen
Cousin in
Pakistan schickt. Dann ist seine Wohnung ohnehin verwanzt.
Sie eilen zur Haustür hinaus. Die Überwachungskamera Ihres
Wohnkomplexes beobachtet jeden Ihrer Schritte. Auch beim Betreten der
U-Bahn-Station werden Sie gefilmt, ebenso auf dem Bahnsteig und in der
Einkaufspassage, wo Sie eine Zeitung kaufen. Haben Sie schon mal
versucht, vor einer Überwachungskamera unschuldig zu wirken? Das
ist
noch schwieriger, als auf einem gestellten Foto natürlich zu
lächeln.
Warum wandert Ihr Blick ständig nach oben? Zweimal haben Sie
direkt in
die Kamera geschaut. Und jetzt greifen Sie sich schon wieder ins Haar.
Wenn das noch einmal passiert, wird die biometrische Verhaltensanalyse
den Alarm auslösen. Warum sind Sie so nervös? Laut Ihrer
Patientenkarte
bekommen Sie seit Neuestem Beruhigungsmittel verschrieben. Und die
Pay-back-Karte verzeichnet einen erhöhten Alkoholkonsum. Sie haben
am
Bankautomaten wieder 1000 Euro abgehoben. Wozu brauchen Sie so viel
Bargeld? Außerdem ist Ihr Stromverbrauch im letzten Monat um 12,4
Prozent gestiegen. Verstecken Sie jemanden? In der Stadtbibliothek
leihen Sie sich in letzter Zeit merkwürdige Bücher aus,
über zivilen
Ungehorsam und die Pariser Kommune. Reichen Ihnen die historischen
Schmöker nicht? Und diese regelmäßigen
Zahlungstransfers nach
Südfrankreich? Wofür? Warum sind Sie letzte Nacht eigentlich
so lange
um den Block gelaufen? Sie hatten Ihr Handy nicht ausgeschaltet - da
weiß man, wo Sie sind.
Nach der Arbeit steigen Sie ins Auto, um etwas Persönliches zu
erledigen. Verzichten Sie auf die Verwendung Ihres Navigationssystems.
Andernfalls lässt sich leicht herausfinden, wohin Sie fahren.
Machen
Sie einen Umweg, meiden Sie die Autobahn mit den ganzen Mautstationen!
Sie fragen sich bestimmt schon, warum Ihnen so hartnäckig
aufgelauert
wird? Warum gerade Ihnen? Es gibt doch keinen Grund, aus dem sich
irgendjemand für Sie interessieren könnte.
Sicherheit
Sind Sie sicher? Sind Sie absolut sicher?
Haben Sie nicht neulich gegen den G-8-Gipfel demonstriert? Dann
verfügt
die Polizei sogar über Ihre Geruchsprobe. Haben Sie nicht bis vor
Kurzem in jenem Studentenwohnheim gelebt, in dem auch ein gewisser Abu
Mehsud untergekommen war? Das waren gar nicht Sie, das muss ein anderer
Müller gewesen sein? Na, wenn man so heißt, liegt eine
Verwechslung
nahe, selber schuld. Und wie steht es mit Ihrer Lebensgefährtin,
die
kauft jede Menge Haarfärber, Fleckenlöser und Batterien. Das
bedeutet:
Wasserstoffperoxid, Azeton, Schwefelsäure! Halten Sie uns für
blöd?
Daraus kann jeder Idiot eine Bombe bauen. Natürlich behaupten Sie,
Ihre
Lebensgefährtin habe nicht vor, eine Bombe zu bauen. Das
würde jeder
antworten. Sollten Sie allerdings die Wahrheit sagen - wo liegt dann
das Problem? Wir helfen Ihnen doch nur, diesen Verdacht aus der Welt zu
schaffen, indem wir genau hinschauen. Das muss auch für Sie eine
Erleichterung sein.
Kein Grund zur Beunruhigung also. Alles geschieht zu Ihrem Besten. Der
Staat ist Ihr Vater und Ihr Beschützer. Er muss wissen, was seine
Kinder treiben. Wenn Sie nichts Schlimmes verbergen, haben Sie auch
nichts zu befürchten. Die Entscheidung aber, was schlimm ist,
überlassen Sie bitte den Spezialisten. Wenn Sie mitspielen,
müssen Sie
keine Angst haben. Wir sind nicht die Stasi oder das FBI. Sie leben in
einer gesunden Demokratie. Da kann man schon ein bisschen Vertrauen von
Ihnen erwarten. Was? Der Staat soll Ihnen vertrauen? Wo kämen wir
da
hin! Schon das Grundgesetz sagt, dass alle Gewalt vom Volke ausgeht.
Und Gewalt gilt es einzudämmen. Da sind Sie ja wohl einer Meinung
mit
dem Innenministerium.
Achtung bitte, wir unterbrechen diesen Text für eine wichtige
Durchsage: Dies ist keine Science-Fiction! Wir wiederholen: keine
Science-Fiction! Dies ist nicht 1984 in Ozeanien, sondern das Jahr 2009
in der Bundesrepublik. Falls Sie sich immer noch nicht verdächtig
fühlen - herzlichen Glückwunsch. Sie sind ein unbeugsamer
Optimist.
Es gibt auf diesem Planeten keinen Zustand vollkommener Sicherheit, es
sei denn, man wollte den Tod als eine sichere Sache betrachten. "Sicher
ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht", lautet ein beliebtes
Graffito. Leben ist angewandte Unsicherheit. Wir gehen täglich
Risiken
ein, im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz, im Umgang mit unseren
Mitmenschen, beim Verzehr von Nahrungsmitteln. Würden wir unseren
Ängsten freien Lauf lassen, wären wir handlungsunfähig.
Gerade
Tätigkeiten, die wir besonders gern ausführen, weil sie
unsere
Lebensqualität steigern, sind oft mit einem hohen Risiko behaftet.
In
unserer Freizeit stürzen wir uns schneebedeckte Abhänge hinab
oder
springen von Klippen, rasen mit 200 Stundenkilometern über die
Autobahn, verreisen in ungesunde Länder und kriminelle
Städte. Der
mutigste Kerl von allen ist, statistisch gesehen, der Heimwerker - ein
kolossaler Draufgänger in Anbetracht der hohen Wahrscheinlichkeit,
sich
im eigenen Haushalt zu verletzen oder gar einen tödlichen Unfall
zu
erleiden. Im Alltag sublimieren wir souverän die Risiken, denen
wir uns
andauernd aussetzen, und stürzen uns mit Bravour in Gefahren.
Dessen ungeachtet, ist "Sicherheit" zu einem Lieblingsschlagwort der
politischen Debatte geworden. Jede zweite Maßnahme wird mit dem
Hinweis
auf unsere "Sicherheit" begründet. Autos sollen auch bei
Sonnenschein
mit Licht fahren, was die Umwelt belastet und die Kassen der
Glühbirnenhersteller klingeln lässt: Sicherheit. Der
Nacktscanner am
Flughafen soll Röntgenaufnahmen von Quadratschädeln und
krummen Beinen
machen: Sicherheit. Hunde an die Leine, Raucher vor die Tür,
Computerspiele auf den Index: Sicherheit. Der vermeintlich abgesicherte
Bürger ist der regulierte Bürger.
Der Staat will möglichst viel über seine Bürger wissen,
um sie wirksam
gegen alle erdenklichen Bedrohungen schützen zu können. Warum
auch
nicht? Schützt uns nicht gerade die umfassende Informiertheit der
Behörden davor, Opfer eines Polizei- oder Justizirrtums zu werden?
Denn
ein Staat, der alles weiß, wird doch nicht versehentlich einen
Unschuldigen belangen. Je länger Sie überlegen, desto mehr
wirkt eine
Welt, in der Sie keiner Bedrohung mehr durch Kriminelle, Leichtsinnige
oder auch nur durch Gesundheitsrisiken ausgesetzt wären, wie das
Paradies auf Erden. Dafür wären Sie durchaus bereit, den
Preis
allumfassender staatlicher Kontrolle zu bezahlen.
Sind Sie sicher?
Nehmen wir einmal an, Verbrechen könnten tatsächlich mithilfe
von
Überwachung und anderen präventiven Maßnahmen des
Staates
flächendeckend unterbunden werden. Zuerst würden Terrorismus,
Mord und
Totschlag abgeschafft. Für eine Weile würden Sie sich
erleichtert
fühlen, dann fiele Ihnen das Organisierte Verbrechen wieder ein,
das
dem Land schlaflose Nächte bereitete, bevor es vom Terrorismus
abgelöst
wurde. Drogenkartelle, Mafiafamilien, Schlepperbanden - weg damit.
Wenig später würden Sie in der Zeitung lesen, wie viele
Vergewaltigungen, Raubüberfälle und schwere
Körperverletzungen im Jahr
begangen werden. Beängstigend. Unerträglich. Nicht zu
vergessen die
ausufernde Steuerkriminalität, durch die sich der Staat in seinem
Bestand bedroht sieht. Genügend Gründe für weitere,
immer weiter
reichende Maßnahmen. Und was ist mit Kindesentführungen? Was
bedeutet
der Diebstahl von 1000 Euro für eine alte Frau, die auf jeden
einzelnen
Cent angewiesen ist? Kann man seine achtjährige Tochter ruhigen
Gewissens zur Schule gehen lassen, solange Verkehrssünder mit 80
Sachen
durch Wohngebiete rasen? Steuerbetrüger, Diebe, Verkehrsrowdies -
alle
ausschalten. Sind Sie jetzt sicher? Vielleicht. Fühlen Sie sich
sicherer? Wahrscheinlich nicht.
Bedrohung ist subjektiv und damit relativ. Sie bestimmt sich nicht im
Verhältnis zu einem irgendwie messbaren Gefahrenpotenzial, sondern
anhand der Risiken, die jeder von uns wahrnimmt. In einer zunehmend
sicheren Welt richtet sich die Angst auf immer kleinere oder
unwahrscheinlichere Szenarien. Während etwa die Kriminalität
in
Deutschland im Bereich schwerer Delikte wie Mord, Totschlag und
Vergewaltigung seit Jahren sinkt, sind die Menschen notorisch vom
Gegenteil überzeugt. Ähnlich empfand es Donald Rumsfeld, der
ehemalige
Verteidigungsminister der USA: "Wir sind heute sicherer vor der
Bedrohung durch einen großen Atomkrieg (…) und dennoch
verwundbarer
durch Kofferbomben."
Großer Atomkrieg versus Kofferbombe: Durch diese Aussage wird
klar,
dass Sicherheit nichts mit der Größe realer Gefahren zu tun
hat.
Sicherheit ist keine Tatsache, sondern ein Gefühl. Wer in den
letzten
Jahren die massenmedialen Hysterien um BSE, Vogelgrippe und
natürlich
immer wieder Terrorismus mitverfolgt hat, wird nicht auf den Gedanken
kommen, dass man die Welt heute als sicherer empfindet als vor hundert
Jahren. Dabei standen den Menschen damals zwei Weltkriege bevor, von
der Spanischen Grippe, die 25 Millionen Menschen dahinraffte, ganz zu
schweigen. Wenn die Politik also behauptet, "Sicherheit" für die
Bürger
gewährleisten zu wollen, nährt sie einen gefährlichen
Irrglauben. Wann
wären Sie denn sicher? Wenn es keine Terroristen mehr gäbe?
Oder keine
Krankheiten? Wenn Sie das Haus nicht verließen? Wenn Sie
monatlich 3000
Euro Staatsrente erhielten? Wenn kein Freund Sie verriete, kein
Geliebter Sie verletzte? Oder wenn der Tod endlich abgeschafft
würde?
Sicherheit lässt sich nicht herstellen, weil kein Risiko
völlig
ausgeschaltet werden kann. Im Grunde wissen wir das alle. Aber wir
vergessen es, sobald uns Politiker und Journalisten die nächste
Horrorvision vor Augen führen. Wir wissen, dass wir nach aller
berechenbaren Wahrscheinlichkeit am ehesten beim Putzen des Bads oder
im Auto eines unnatürlichen Todes sterben werden. Trotzdem
bekommen wir
keine Gänsehaut beim Anblick unseres Badezimmers. Autohersteller
werden
nicht von der Polizei überwacht, obwohl es, gemessen an den
Todeszahlen, naheliegender wäre, einen "Krieg gegen den
internationalen
Straßenverkehr" auszurufen.
Es entspricht der Natur des Menschen, vor unwahrscheinlichen
Ereignissen mehr Angst zu haben als vor wahrscheinlichen. Wir
fürchten
uns am meisten vor Dingen, die uns selten bis nie begegnen und die wir
deshalb nicht einschätzen können. Das ist wohl gut so. Es
gibt eine
Theorie, die besagt, dass uns die Evolution dieses Missverständnis
antrainiert habe. Dem Überleben sei es dienlicher, das Risiko von
Situationen falsch zu bewerten. Andernfalls würden wir
nämlich in kein
Auto mehr steigen und keine Treppe hinuntergehen. Um lebensfähig
zu
bleiben, ist es wichtig, "kein Gefühl" für
Wahrscheinlichkeiten zu
haben, jedenfalls kein zutreffendes.
Diese Unfähigkeit kann man leicht am eigenen Leib
überprüfen. Sie sind
auf einer Party mit gut vierzig Gästen. Wie hoch, glauben Sie,
liegt
die Wahrscheinlichkeit, dass zwei dieser Personen am selben Tag
Geburtstag haben? Zehn Prozent? Oder nur fünf? Sie liegt bei 90
Prozent, weshalb sich eine Wette auf diesen Umstand lohnen würde.
Das
hätten Sie nie gedacht? Eben. Wie hoch liegt seit dem 11.
September die
Wahrscheinlichkeit, dass Sie Opfer eines Terroranschlags werden? 0,01
Prozent? Weniger? Mehr? Selbst wenn wir davon ausgingen, die
"Kofferbomber von Köln" hätten Erfolg gehabt, bedroht Sie das
mit einem
Risiko von eins zu vier Millionen. Rund siebenmal wahrscheinlicher ist
es, als Kind zu ertrinken. Natürlich kommt trotzdem niemand auf
die
Idee, Schwimmbäder oder Badeteiche zu verbieten. Aber 76 Prozent
der
Deutschen geben an, dass sie Angst haben, Opfer eines terroristischen
Anschlags zu werden. Die Angst ist - im Gegensatz zur nützlichen
Vorsicht - eine der größten Geißeln des Menschen. Hat
sie sich einmal
eingenistet, beginnt sie zu wuchern, lähmt uns, lässt sich
durch kein
vernünftiges Wort und keine passende Geste eindämmen. Wer
jemals einen
Menschen gesehen hat, der in Panik gerät, weil ihm ein giftiges
Insekt
über den Fuß kriecht, der weiß, dass wir aus Angst -
gegen die eigenen
Interessen - um uns schlagen und uns dadurch nur umso mehr
gefährden.
Die scheinbar unübersichtliche, unverständliche Gegenwart und
nicht
zuletzt ihre technischen Innovationen tragen zu einem Gefühl der
Verängstigung bei, das paradoxerweise durch ein Mehr an Technik
und
Entmündigung gelindert werden soll. Ein typisches Beispiel, wie
der
Teufel mithilfe des Beelzebubs ausgetrieben wird. Das Gefühl der
Unsicherheit existiert losgelöst von tatsächlichen
Bedrohungen.
Wer etwas annähernd Objektives über unsere Sicherheit
erfahren möchte,
sollte nicht den staatlichen Sicherheitsexperten oder den medialen
Angstprofiteuren zuhören, sondern lieber einen Blick in die
Statistiken
werfen. Er wird erkennen, dass Deutschland von Jahr zu Jahr sicherer
wird, was nicht an Schäubles Anstrengungen liegt, sondern zum
Beispiel
an der verbesserten Automobiltechnologie. Natürlich können
wir nicht
wissen, was die Zukunft bringt. Solange der Trend aber ein positiver
ist, besteht wahrlich kein Anlass für den aussichtslosen Versuch,
Bollwerke gegen eine unbekannte Zukunft zu errichten. Konkrete
Beispiele beweisen, dass gesellschaftliche Strategien der
Verständigung, der Integration, des sozialen Ausgleichs und der
Bildung
keineswegs versagt haben, wie die Verunsicherungspropheten
verkünden.
Vielmehr sind die Erfolge dieser Strategien zum einzig wahren Fundament
unserer Sicherheit geworden. Alle rationalen Argumente sprechen
dafür,
Kurs zu halten und den Weg der Vernunft nicht zu verlassen. Um mit Karl
Popper zu sprechen: "Wir müssen für Frieden sorgen und nicht
für die
Sicherheit, einzig aus dem Grund, weil nur der Frieden Sicherheit
sicher machen kann."
--
Angriff auf die Freiheit
"Sicherheit" ist das politische Schlagwort, mit dem nach den
Anschlägen
vom 11. September zahlreiche Bürgerrechte auch in Deutschland
eingeschränkt wurden. In ihrem neuen Buch, dem politischen
Pamphlet
"Angriff auf die Freiheit - Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und
der
Abbau bürgerlicher Rechte" zeigen Juli Zeh und Ilija Trojanow,
dass
sich viele Antiterrormaßnahmen gar nicht gegen Terroristen,
sondern
gegen normale Bürger richten. Die beiden Autoren gehören zu
den
profiliertesten und engagiertesten deutschen Schriftstellern.
Dieser Text ist ein Ausschnitt aus dem gemeinsamen Buch "Angriff auf
die Freiheit". Es erscheint am 17. August im Carl Hanser Verlag,
München (180 Seiten, 14,90 Euro)
Juli Zeh
Zeh, geboren 1974, hat Jura studiert und das Deutsche Literaturinstitut
in Leipzig besucht; zuletzt veröffentlichte sie den Roman "Corpus
Delicti".
Ilja Trojanow
Trojanow, 1965 in Sofia geboren, aufgewachsen in Deutschland und Kenia,
studierte Jura und Ethnologie, arbeitete als Verleger und
Weltreisender; zuletzt erschien sein Reportagenband "Der entfesselte
Globus".
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NEONAZIS
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Basellandschaftliche Zeitung 21.8.09
Intolerante und gewaltbereite Täter
Grosse Mängel im polizeilichen Ermittlungsverfahren gegen die
sieben rechtsextremen "Glatzen"
Während die Anklage teilbedingte Gefängnisstrafen gefordert
hat,
plädierten die Anwälte der gewaltbereiten "Glatzen" auf
teilweise
Freisprüche.
Rolf Schenk
Kontroverser hätten die Plädo- yers im Prozess gegen die
sieben
ehemaligen Skins, "Glatzen" oder Rechtsextreme (je nach Wahl) nicht
sein können. Mitschuld daran tragen die "teilweise chaotischen
Untersuchungen" der Polizei, wie Staatsanwalt Jörg Rudolf gestern
in
seinem sehr sachlichen, ausgewogenen, aber auch klaren Plädo- yer
freimütig bekannte.
Dürftige Ermittlungen
Für ihn steht aber fest, dass sich alle Angeklagten zwischen Mai
2005
und Anfang 2007 an rechtsextremen Ausschreitungen (bz vom Dienstag)
beteiligt haben, bei denen mehrere Personen erheblich verletzt worden
sind. Dass einzelne dieser Körperverletzungen nicht hieb- und
stichfest
einzelnen Personen zugeordnet werden können, liegt nicht nur an
der ›
Entschuldigung › lausigen Polizeiarbeit, sondern auch an den doch eher
dürftigen Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden. Sie
haben auch
einigen Anteil daran, dass das Verfahren so lange gedauert hat und
deswegen verschiedene Fälle bereits verjährt sind.
Doch die jetzt entstandenen juristischen Haarspaltereien
täuschen
nicht darüber hinweg, dass die sieben › mit einer Ausnahme ›
zumindest
in ihrer Schlägermontur mit Bomberjacke und Springerstiefeln
allesamt
sehr intolerant und gewaltbereit waren.
"Das Verschulden aller wiegt sehr schwer", sagte Jörg Rudolf
in seinem
knapp zweistündigen Plädoyer. Ihre Taten könnten weder
durch ihren
schweren Alkoholmissbrauch noch mit "jugendlichem Leichtsinn"
entschuldigt werden. Gegen diese These spreche auch, dass sie in der
Voruntersuchung versucht hätten, die Schuld den Opfern zuzuweisen.
Für den Jüngsten, aber aktivsten der
Schlägertruppe, der mehrfach
einschlägig vorbestraft ist, forderte der Staatsanwalt unter
Einbezug
dieser und noch hängiger Verfahren eine Gesamtstrafe von
dreieinhalb
Jahren, davon 21 Monate für die ihm im Baselbiet zur Last gelegten
Straftaten. Zwei weitere Schläger will er › teilbedingt › für
zweieinhalb Jahre, davon sechs Monate unbedingt, im Gefängnis
sehen.
Ein weiterer, bei dem nicht nur viel Nazi-Propagandamaterial,
sondern
auch ein ganzes Waffenarsenal beschlagnahmt worden war, soll für
zwei
Jahre ins Gefängnis. Seine Strafe, wie auch jene der beiden, die
Rudolf
für 18 respektive 16 Monate ins Gefängnis stecken will,
sollen bedingt
ausgesprochen werden. Das bekennende Pnos-Mitglied, das sich aber an
den Schlägereien nicht beteiligt hat, solle zu 330
Tagessätzen à 30
Franken verurteilt werden, forderte Jörg Rudolf.
Halbherzige Reue
Letzterer sagte zu der unter dem Vorsitz von
Strafgerichtspräsidentin
Jacqueline Kiss tagenden Kammer des Baselbieter Strafgerichts, dass er
nicht einsehe, warum er überhaupt vor Gericht stehe. Drei der vier
Verteidiger weiterer Angeklagten forderten für ihre Mandanten
weitgehende Freisprüche, weil sie ihre Beteiligung an den
Gewaltexzessen bestreiten und ihnen auch nicht nachzuweisen sei, dass
sie die angeklagten Straftaten begangen haben.
Die Täter wiederum haben ihre Taten mehr oder weniger
deutlich bereut
und sich von ihren Monturen verabschiedet. Ob sie allerdings so
geläutert sind, wie sie das in der Hauptverhandlung dem Gericht
weis
machen wollten, bleibt dahin gestellt.
Das Gericht wird sich nun zur Beratung zurückziehen. Sein
Urteil wird am 2. September eröffnet.
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Tagesanzeiger 21.8.09
Pronto-"Glatzen" wüteten weiter
Rechtsextreme, die den Liestaler Bahnhof-Shop verwüstet hatten,
fielen erneut durch brutale Angriffe auf.
Von Thomas Knellwolf, Liestal
Die nicht so glorreichen Sieben auf der Anklagebank bekamen gestern
etwas zu hören vom Staatsanwalt. "Blinde Gewalt" hätten sie
wiederholt
ausgeübt, "ohne zu überlegen, was die Konsequenzen für
die zahlreichen
Opfer sein könnten". Die fünf Muskelpakete, der etwas
Fülligere und der
schlaksige Kahlgeschorene mit dem Hemd, das aussah, als hätte er
es nur
für den Gerichtstermin angezogen, blickten mal finster, mal
betreten,
mal empört drein. Dabei hätten sie wissen müssen, dass
das Plädoyer der
Anklage für sie nicht zum Heimspiel wird.
Die beiden Jüngsten hatten bereits im Frühling 2004
schweizweit
Aufsehen erregt. Vor laufenden Überwachungskameras
verwüsteten sie mit
anderen Neonazis den Coop-Pronto-Laden im Liestaler Bahnhof und
schlugen drei Unbeteiligte nieder. Wegen ihres zarten Alters von 17 und
knapp 16 Jahren kamen sie damals mit bedingten Strafen davon. Doch ihre
letzte Chance haben beide nicht genutzt. Sonst sässen der heute
23-Jährige, der demnächst Vater wird, und der
21-Jährige, der bereits
ein Kind hat, diese Woche nicht vor dem Baselbieter Strafgericht.
"Da machen wir Juden kalt"
Die "Glatzen" haben schon im Frühling 2005 erneut gewütet.
Die Anklage
listet 26 Einzeltaten auf, begangen nachts, in wechselnder
Zusammensetzung. Die Rechtsextremen schlugen am Liestaler Bahnhof zu
oder bei "ihrem"nahen Pub. In einem Grenchner Musikklub attackierten
sie einen Afrikaner mit Barhockern und Flaschen. Am Stephansball in
Herznach brachen sie einem Opfer das Nasenbein. An der Beachparty im
nahen Gansingen schlugen sieeinem jungen Mann die Zähne aus. Nach
einem
Grümpelturnier in Muttenz sollen mehrere Tätereinen Mann noch
mit
Springerstiefeln traktiert haben, als er amBoden lag. An einer
Silvesterparty sangen sie: "In Buchenwald, inBuchenwald, da machen wir
die Juden kalt." Einen "Kameradengeburtstag" feierten sie mit
Hitlergrüssen und Sieg-Heil-Rufen.
"Ich bin kein Kind der Freundlichkeit", sagte der untersetzte
Muskulöse, der gestand, einen Polizisten gegen ein Auto
"getätscht" und
einen anderen mit blossen Fäusten "weggeknallt" zu haben. Bei ihm
fand
die Polizeineben einer Hakenkreuz-Flagge und der Fahne eines
rechtsradikalen Netzwerks ein kleines Waffenarsenal mit
Bärentötern,
einem Revolver, einem Samurai-Schwert und einem Morgenstern.
Der vergleichsweise glimpflich ausgegangene Angriff auf die Polizisten
ist eine der wenigen zugegebenen Attacken. Die Angeklagten beteuern
sonst meist, gerade zur Tatzeit nicht vor Ort gewesen zu sein oder sich
bei den Schlägereien zurückgehalten zu haben. Gleichzeitig
hätten sie,
stark betrunken, nicht gesehen, wer zuschlug. Der Staatsanwalt nahm
ihnen das ebenso wenig ab wie die Beteuerung, sie hätten sich von
der
rechtsextremen Szene distanziert. Er forderte bedingte und unbedingte
Geld- und Haftstrafen von bis zu drei Jahren. Die Verteidiger
plädierten überall dort, wo es leise Zweifel an der
Täterschaft gibt,
auf Freispruch. Das Urteil erfolgt am 2. September.