MEDIENSPIEGEL 5.1.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Widerstand gegen "CasaBlanca"
- Kleinplakate-"Kompromiss"
- Koks-Schwemme in Bern (Stadtrat 14.1.10)
- Hot Squat 2010-Kalender
- Aktion Freiraum LU: Anzeige wegen Silvesterparty
- Private Security für Rauschknast ZH
- Transportpolizei Schweiz AG
- Pnos vs Pnos-Kandidat
- Rückblick 1998: Holocaust-Leugner-Prozess Baden
- Neonazis Schweden: Auftrag zum Schild-Klau
- Widerstand gegen Stadtentwicklung Hamburg
- Gipfel-Soli-News 2.1.10
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REITSCHULE
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Do 07.01.10
20:00 Uhr - Rössli - Deine Jugend (DE) -
Elektronische Tanzmusik
Sa 09.01.10
20.30 Uhr - Tojo - Spaceboard Galuga, Originalvideo live
vertont. 20
Jahre Club 111
22.30 Uhr - Tojo - Spaceboard Galuga, Originalvideo live
vertont. 20
Jahre Club 111
So10.01.10
14.00 Uhr - Frauenraum - "Sie kam und blieb"-Stube
für
Sonntagnachmittag-Gelangweilte
16.30 - Frauenraum - Skub-Stube: Konzi mit Voicensual (BE)
20.30 Uhr - Tojo - Spaceboard Galuga, Originalvideo live
vertont. 20
Jahre Club 111
Infos: http://www.reitschule.ch
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CASA BLANCA
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BZ 5.1.10
Protest mit Bildern
Als Protest gegen die Aktion "CasaBlanca" haben Unbekannte
in der
Nacht auf Montag in der Innenstadt Bilder aufgehängt.
Die von der Stadt Bern gemeinsam mit der
Gebäudeversicherung
des Kantons Bern (GVB), dem Hauseigentümerverband Bern und
Umgebung und dem City-Verband Bern lancierte Aktion "CasaBlanca" stehe
für die Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, monierten
die anonymen Protestler gestern per Mail. Es dürfe nur sein, was
bezahlt werde, anderes werde nicht geduldet und strafrechtlich
verfolgt. Man wolle dies nicht länger dulden und für eine
"kreative, selbstbewusste und gelebte Stadt" sorgen. Als erste
Massnahme wurden in der Nacht auf Montag 16 Bilder von unbekannten
Künstlern in der Innenstadt aufgehängt. Die meisten Bilder
waren am späten Vormittag allerdings schon nicht mehr an ihrem
Platz.
Beim Verein "CasaBlanca" reagiert man gelassen auf die
Protestaktion. "Dass die Verantwortlichen anonym agieren, spricht
für sich, und auch die Vorwürfe sind falsch", stellt
Geschäftsführer Lukas Manuel Herren klar. Es seien gewisse
Regeln nötig - dazu gehöre auch der Schutz von Privateigentum.
Der Verein sorgt dafür, dass Sprayereien und
Graffitis in
der Regel innerhalb von 48 Stunden entfernt werden. 70 Prozent der
Hauseigentümer sind Mitglied bei "CasaBlanca".
js
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Bund 5.1.10
Protest gegen Casa Blanca
(pd) (pkb)
In der Nacht auf gestern hat ein Komitee namens Casa de
Vida,
bestehend aus Künstlern, Sprayern und Sympathisanten, in der
Berner Innenstadt 16 Leinwände aufgehängt. Laut Mitteilung
sei dies ein "Protest gegen Casa Blanca" - den Verein zur Entfernung
von Sprayereien. Casa Blanca stehe für die Kommerzialisierung des
öffentlichen Raums "unter dem Dogma des Neoliberalismus" und ziele
auf eine "sterile und einzig auf wirtschaftlichen Profit ausgerichtete
Innenstadt" ab.
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PLAKAT-KRIEG
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Stadtrat 14.1.10
10. Dringliche Interpellation Luzius Theiler (GPB-DA): Zur
Ausschreibung des neuen Sondernutzungsvertrages für die
Plakatierung in der Stadt Bern (TVS: Rytz) 09.000398
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2009/09.000398/gdbDownload
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Junge Alternative 4.1.10
Medienmitteilung vom 4. Januar 2009
Kompromiss bezüglich Kleinplakaten: Ein positiver Anfang
Gemäss Artikel im Bund vom 4.1.2010 hat die Stadt Bern mit
Passive
Attack einen Kompromiss geschlossen, 70 weitere Stellen für
Kleinplakate werden in Zukunft von der Stadt zur Verfügung
gestellt. Für die Junge Alternative JA! ist dies ein positiver
Anfang für die Ermöglichung von Kleinplakatierungen.
In der Stadt Bern war das Anbringen von Kleinplakaten bereits
seit
Jahren verboten, im Rahmen des Massnahmenplans "Subers Bärn -
zäme geit's" wurde schliesslich 2008 die Schraube nochmals
angezogen, die Reinigungsintervalle verkleinert und die Bussen
erhöht. Die Junge Alternative JA! hat sich stets gegen diese "der
Imagepflege verschriebenen" Massnahmen gewehrt, da auf diese Weise
nicht-kommerziellen VeranstalterInnen das Werben praktisch
verunmöglicht wurde. Dies geschah insbesondere, weil sich der
Gemeinderat trotz verschiedenen Vorstössen im Stadtrat nicht
bereit zeigte, weitere Orte zur legalen Kleinplakatierung zur
Verfügung zu stellen.
Die Junge Alternative JA! begrüsst deshalb den nun
erfolgten
Kompromiss zwischen der Stadt Bern und Passive Attack und der damit
verbundene Entscheid des Gemeinderates, weitere 70 Stellen für
Kleinplakate zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig geht die JA!
mit Passive Attack einig, dass zum einen noch abgewartet werden muss,
wo sich die Stellen genau befinden und dass zum anderen die Anzahl der
Standorte in den nächsten Jahren weitere erhöht werden muss,
wenn nicht-kommerzielle VeranstalterInnen nicht weiterhin diskriminiert
werden sollen.
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Bund 4.1.10
Stadt Bern schliesst Kompromiss mit den Kleinplakatierern
Die Stadt Bern stellt zusätzliche 70 Plätze
für
die Kleinplakatierung zur Verfügung. Die Firma Passive Attack
hatte 160 zusätzliche Standorte gefordert.
Bernhard Ott
Im jahrelangen Streit um die Kleinplakatierung in der
Stadt Bern
zeichnet sich ein Lösung ab: Zusätzlich zu den bestehenden 50
Standorten für den Aushang kleinformatiger Plakate hat das
städtische Tiefbauamt 70 weitere Stellen eruiert, welche
bewilligungsfähig wären. "Nach Möglichkeit sollte diese
Zahl zu einem späteren Zeitpunkt noch erhöht werden",
schreibt der Gemeinderat in der Antwort auf Vorstösse der SP und
der linksgrünen GPB.
Die zusätzlichen Anschlagstellen seien "nach
Konsultation
der Vorschläge der Firma Passive Attack" ergänzt worden. Die
Firma hatte im Hinblick auf 2010 den Bedarf von 160 zusätzlichen
Standorten angemeldet ("Bund" vom 17. November).
Das Scheitern der Repression
Die Kleinplakatierung wurde in den letzten Jahren als
"Wildplakatierung" bezeichnet, da die Allgemeine Plakatgesellschaft
(APG) als Inhaberin der Sondernutzungkonzession für Grossplakate
keine kleinformatigen Plakate aushängt. Zudem wurden in der bisher
gültigen Plakatkonzession keine Standorte für Kleinformate
ausgeschieden.
Bussen bis letzten Frühling
Die Stadt versuchte in der Folge der "Wildplakatiererei"
mit
repressiven Mitteln Herr zu werden. Die Firma Passive Attack wurde noch
bis zum letzten Frühjahr mit Bussen eingedeckt.
Schliesslich haben die Verantwortlichen entschieden, die
Kleinplakatierung von der Plakatkonzession zu trennen und separat zu
regeln. In einem ersten Schritt wurden 50 Stellen für Kleinplakate
bestimmt. Der Bedarf an Stellen war jedoch ungleich grösser.
Gebühr für Reinigungskosten?
Die Firma Passive Attack weiss noch nicht, wo sich die 70
neuen
Standorte befinden. Es gebe an sich immer noch zu wenig Standorte
für die Kleinplakatierung. "Wir finden es grundsätzlich aber
sehr positiv, dass die Stadt den Handlungsbedarf erkannt hat", sagt
Geschäftsleitungsmitglied Christian Jundt. Passive Attack habe bei
der Stadt gut dokumentierte Vorschläge für über 160
Standorte eingereicht. Dabei handle es sich meist um bestehende
Installationen wie Stromkasten und Kandelaber.
Bei der Beurteilung der 70 neuen Standorte spiele für
Passive Attack auch die Qualität eine Rolle.
Aushangmöglichkeiten zwischen Bahnhof und Nydeggbrücke seien
wesentlich attraktiver als solche in Aussenquartieren. Zugleich
gälten in der Innenstadt aber auch ungleich strengere Vorschriften
bezüglich Plakatierung, legt Jundt dar.
Auch Entfernung kostet Geld
Der Gemeinderat will erst anhand eines detaillierten
Kreditantrages entscheiden, ob die zusätzlichen Plakatstellen
realisiert werden können. Offen ist zurzeit, ob die
Kleinplakatierer sich an den Investitions- und Betriebskosten,
namentlich der Entfernung alter Plakate, beteiligen. Der Aufwand
für die Entfernung führt heute zu jährlichen Mehrkosten
von rund 50 000 Franken. Würde das Tiefbauamt die Entfernung
übernehmen, müssten die Kleinplakatierer künftig eine
vorgezogene Reinigungsgebühr entrichten, wie der Gemeinderat
schreibt. "Passive Attack hat es nie ausgeschlossen, sich
anteilsmässig an den Kosten zu beteiligen", sagt Jundt. Zugleich
gelte es aber zu berücksichtigen, dass jedermann Kleinplakate an
den Standorten aufhängen dürfe.
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KOKS
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Stadtrat 14.1.10
11. Kleine Anfrage Mario Imhof (FDP): Berner Nachtleben: "Koks
in
praktisch jedem Club" - Auszug aus der Berner Zeitung vom 7. November
2009 (SUE: Nause) 09.000406
09.000406 (09/395) Reg. 22/-00
Kleine Anfrage Mario Imhof (FDP): Berner Nachtleben: "Koks in
praktisch
jedem Club" - Auszug aus der Berner Zeitung vom 7. November 2009
"Koks ist salonfähig geworden. Heute kaufen Büezer bei
den
Dealern auf der Grossen Schanze ein, oder man sieht weisse Spuren in
den WCs bei den YB-Heimspielen. In praktisch jedem Berner Club bekommt
man Koks. Die Frauen in der Tübeli-Bar verkaufen das Zeug wie auch
Prostituierte in der Altstadt, 100 Franken pro Gramm "
Man stellt sich hier schon die Frage, warum das so sein kann.
Verkehrsüberschreitungen und Schwarzfahrten im ÖV werden ja
sofort rigoros gebüsst. Sogar das Rauchverbot wird strenger
verfolgt. Dass hier diese Zustände, die kriminell sind, vom
Gemeinderat geduldet werden, ist nicht nachvollziehbar. Warum haben wir
eigentlich unsere Polizei, die nicht eingreift? Oder wird sogar kein
Auftrag vom Gemeinderat an die Polizei gegeben, um hier das Gesetz
anzu-wenden. Es kommt der Gedanke auf, dass diese Zustände sogar
gewünscht sind und darum nichts passiert. Warum setzt der
Sicherheitsdirektor kein Signal?
In diesem Zusammenhang bitte ich den Gemeinderat, die folgenden
Fragen
zu beantworten.
1. Ist dem Gemeinderat die Situation auch bekannt?
2. Warum werden diese Clubs nicht sofort geschlossen?
3. Was hindert den Gemeindrat daran, hier nicht mit allen
verfügbaren Mitteln einzugreifen?
Bern, 12. November 2009
Kleine Anfrage Mario Imhof (FDP)
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bernerzeitung.ch 7.11.09
Berner Nachtleben: "Koks in praktisch jedem Club"
Berner Zeitung / saz (aufgezeichnet)
Adrian Meier* konsumiert seit neun Jahren Kokain. Berns
Nachtleben hinterlasse überall weisse Spuren, sagt der
31-Jährige.
"Koks ist salonfähig geworden. Heute kaufen
Büezer bei
den Dealern auf der Grossen Schanze ein, oder man sieht weisse Spuren
in den WCs bei den YB-Heimspielen. In praktisch jedem Berner Club
bekommt man Koks. Die Frauen in der Tübeli-Bar verkaufen das Zeug
wie auch Prostituierte in der Altstadt, 100 Franken pro Gramm.
Ich konsumiere seit neun Jahren. Erst habe ich ein- bis
zweimal
im Jahr mit Freunden gekokst. Dann drei- bis viermal - immer mit
Freunden. Später begann ich alleine zu ‹rupfen›, oder mit
Kollegen. Wie ein Feierabendbier. Am Schluss zog ich mich zurück
mit einem Joint und dem ‹Faden› - alleine. Zwischen solchen Exzessen
lagen manchmal zwei Monate, dann wieder nur drei Tage. Es gab Zeiten,
da habe ich Wochenende für Wochenende gekokst. Von Donnerstag bis
Montag.
"Da brach alles auseinander"
In diesem Jahr war ich drei Monate in einer
psychiatrischen
Klinik - nicht nur, aber auch wegen meinem Suchtverhalten. Nach der
Matur habe ich mit Kollegen eine Firma geführt. Wir waren in
Zürich und Bern im Multimediabereich aktiv. Wir hatten namhafte
Kunden. Da brach alles auseinander: Es begann mit internen Differenzen,
es folgten Geldsorgen. Ich kam mit dieser Situation nicht zurecht und
fiel in ein grosses Loch.
Die Therapeuten stufen mich als manisch-depressiv ein.
Damit
verbunden sind häufig auch Suchtprobleme. Ich zweifle, dass ein
Koks-Süchtiger therapierbar ist. Heute stecke ich in einer
ähnlicher Situation wie letztes Jahr. Ich habe offene Rechnungen,
kiffe immer noch und kokse wieder. Mein Studium an der Uni Bern habe
ich inzwischen wieder aufgenommen. Kokain ist kein Genussmittel wie
etwa ein Glas Rotwein. Sieht ein Kokser Kokain, denkt er: "Es muss
weg." Man kann nicht drei Gramm vor sich haben mit Freunden und es in
einer Nacht nicht aufbrauchen. Koks betäubt nicht.
Mit Koks bist du voll dabei. Das ist das grosse Problem.
Die
Sucht nach dem weissen Pulver ist im Kopf. Ich lehnte oft ab diesen
Frühling. Immer wieder. Dann auf einmal dachte ich: ‹Jetzt
hätte ich wieder mal Lust.› Da war es schon zu spät. Du
schiebst es erst ein paar Wochen vor dich hin. Und dann nimmst du
wieder."
*Name von der Redaktion geändert.
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HOT SQUAT 2010
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20 Minuten 31.12.09
Hausbesetzer lassen für Kalender die Hüllen fallen
BIEL. Im Kampf um ihr Zuhause zeigen sich Bieler
Hausbesetzer
freizügig: Ein spezieller Kalender soll das Geld für
Renovationen bringen.
Nach den Bäuerinnen und den Studentinnen lassen jetzt
auch
Bieler Hausbesetzer die Hüllen fallen. Sie haben sich aber etwas
Spezielles einfallen lassen: Hot Squat 2010 heisst der Kalender des
Kollektivs La Biu, auf dessen Bildern Parodien etwa von Hodlers
"Holzfäller" oder der "Erschaffung Adams" von Michelangelo
inszeniert wurden. Die Idee zum Kalender entstand aus der Not: Weil die
Besitzer des Hauses nichts mehr investieren wollen, brauchen die
Besetzer Geld für Renovationsarbeiten, wie das "Bieler Tagblatt"
berichtet.
Für elf der zwölf Fotos ist der Bieler Fotograf
Antal
Thoma verantwortlich. "Modell standen die Bewohner des Hauses und
Durchreisende", so Thoma, "ich musste aber keine grosse
Überzeugungsarbeit leisten, um sie zum Mitmachen zu bewegen." Die
Arbeit am Kalender sei aufwändig gewesen. "Das Ganze hat etwa
einen Monat gedauert."
Wer noch einen Kalender ergattern will, muss sich sputen -
die
Auflage ist begrenzt. Das Werk gibts unter anderem bei La Biu im
Internet oder in Bern in der Brasserie Lorraine. Dort sind noch neun
Stück vorhanden. Nora camenisch
http://www.labiu.ch
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AKTION FREIRAUM LU
http://aktionfreiraum.ch
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NLZ 5.1.10
Aktion Freiraum wird angezeigt
Von Noémie Schafroth
Nach der illegalen Silvesterparty der Aktion Freiraum
schiesst
die Jung-SVP scharf und spricht von einem "Terrorakt". Für die
Juso "schlicht lächerlich".
Nach der Festlaune folgt jetzt der Kater: Die
Grundstückeigentümerin verklagt die Aktion Freiraum, die in
der Silvesternacht eine illegale Party in einem Emmer
Industriegebäude veranstaltet hat, wegen Hausfriedensbruchs und
Sachbeschädigung. Alfred Bosshard ist Delegierter des
Verwaltungsrates der Viscosuisse Immobilien AG, der das leer stehende
Industriegebäude "Bau 611" in Emmen gehört. "Wir haben uns
für eine Anzeige entschieden, weil wir nicht wollen, dass solche
unrechtmässigen Aktionen einreissen." Zudem sei das Gebäude
zum Abbruch bestimmt und im aktuellen Zustand für eine Nutzung
viel zu gefährlich. Gestern hat die
Grundstückeigentümerin die Schäden in der einstigen
Viscose-Fabrikhalle inspiziert. "Neben einigen Fenstern ist auch die
Umzäunung betroffen", sagt Bosshard. Die Schadenssumme belaufe
sich auf "ein paar tausend Franken".
Ebenfalls nicht gerade für Zufriedenheit sorgt bei
ihm, dass
die Viscosuisse Immobilien AG von der Polizei nicht über die
illegale Party informiert wurde - obwohl diese davon wusste. Bosshard:
"Ich kenne zwar die genauen Abläufe bei der Polizei nicht, aber
ich hoffe, dass wir noch eine Antwort bekommen werden." Richard
Huwiler, Mediensprecher der Luzerner Polizei, meint dazu: "Wir hatten
Kenntnis davon, dass die Aktion Freiraum an Silvester zu einer Party
aufgerufen hat, aber Details waren uns nicht bekannt."
Illegalität: "Nicht gesucht"
Bei der Aktion Freiraum ist man über die Anzeige
überrascht. "Uns ist unverständlich, wie ein Eigentümer
eine dermassen grosse Liegenschaft über Jahre hinweg brachliegen
lässt und sich dann darüber aufregen kann, wenn sie von
Leuten in Raumnöten genutzt wird." Die Illegalität werde von
der Gruppierung nicht gesucht, und sämtliche Aktionen seien
"friedlich und nie gewalttätig" verlaufen. An ihrer Forderung nach
mehr Räumen für die Alternativkultur hält die Aktion
Freiraum auch im neuen Jahr fest und kündigt an: "Wir starten 2010
eine Kulturoffensive." Diese umfasse weitere Veranstaltungen, einzelne
Aktionen oder Strassenfeste.
"Plattform für Ideologien"
Derweil melden sich die Jungparteien zu Wort. Die Luzerner
Jung-SVP geisselt die Silvesterparty als "Terrorakt" und wundert sich,
wie die Aktion Freiraum ernsthaft das Recht auf staatlich finanzierte
Räumlichkeiten anmelden könne, wenn sie auch vor illegalen
Aktionen nicht zurückschrecke. Zudem sei die Aktion Freiraum eine
"Randgruppe, die gewaltbereiten Ideologien eine Plattform bietet".
David Roth, bekanntestes Gesicht der Luzerner
Jungsozialisten,
kontert die Aussagen der Jung-SVP als "schlicht lächerlich". Er
äussert Verständnis für das Vorgehen der Aktion
Freiraum: "Wenn die Stadt Luzern die Schliessung eines Kulturhauses
nach dem anderen tatenlos hinnimmt, dann ist es die logische Folge,
dass man anderswo Räume in Beschlag nimmt. Der Stadtrat sollte
eine Spur seines Engagements für die Salle Modulable auch für
die nicht etablierte Kultur aufwenden."
--
Kommentar
Goodwill konsequent verspielt
Christian Bertschi
An Silvester hat die Aktion Freiraum ein Gebäude in
Emmenbrücke illegal für eine Party besetzt. Dies ist nicht
ihre erste illegale Aktion. Schon vor gut zwei Jahren hatte die Aktion
Freiraum im Vögeligärtli in Luzern eine unbewilligte
Demonstration durchgeführt, an der 245 Personen verhaftet wurden.
Daneben fordert die Aktion Freiraum Räume für
alternative
Kultur. Entsprechende Verhandlungen mit der Stadt Luzern sind
allerdings gescheitert.
Mit illegalen Aktionen verspielt sich die Gruppierung
sämtlichen
Goodwill. Auch die Alternativkultur hat sich an die Spielregeln der
Gesellschaft zu halten - erst recht, wenn man von der öffentlichen
Hand handfeste Unterstützung erwartet.
Kommt hinzu: Die Aktion Freiraum agiert nicht nur in der
Illegalität, sondern auch anonym. Das ist letztlich feige. Es ist
höchste Zeit, dass sich die Verantwortlichen der
Öffentlichkeit zu erkennen geben. Andernfalls sind Hausbesitzer
und Behörden gut beraten, die illegalen Aktionen nicht weiter zu
tolerieren und ihr Recht einzufordern.
christian.bertschi@neue-lz.ch
---
NLZ 4.1.10
Jungfreisinnige gegen illegale Party
Die Jungfreisinnigen der Stadt Luzern fordern den Stadtrat
auf,
gegen die Aktion Freiraum vorzugehen. Diese und deren
Führungspersonen müssten zwingend zur Verantwortung gezogen
werden und dürften nicht mehr als Aktionsgruppe akzeptiert werden,
heisst es in einer Mitteilung. Die Jungpartei reagiert auf die
jüngste illegale Silvesterparty, welche die Aktion Freiraum in
Emmenbrücke durchgeführt hat. (red)
---
20 Minuten 4.1.10
Illegale Party sorgt für rote Köpfe
EMMEN. Aktivisten der Aktion Freiraum sind an Silvester in
ein
leerstehendes Industriegebäude in der Emmer Krauerstrasse
eingedrungen und haben dort eine Party gefeiert. "Wir haben den Zaun
aufgeschnitten und dann Getränke und Musikutensilien
reingetragen", sagt ein Beteiligter. Es sei eine gemütliche Feier
gewesen: "Es gab zwei Floors mit DJs, dazu spielte eine Band",
erzählt er weiter. Am Ende habe man alles wieder aufgeräumt
und saubergemacht.
Die Eigentümerin Viscosuisse Immobilien AG
erwägt laut
"Zentralschweiz am Sonntag" dennoch eine Klage gegen die ungeladenen
Gäste. Auch die Jungfreisinnigen der Stadt Luzern kritisieren das
Vorgehen der Alternativen und fordern in einer Medienmitteilung die
Behörden auf, solchen "kriminellen Machenschaften" ein Ende zu
setzen. MGI
---
20 Minuten 31.12.09
Illegale Party für mehr Kulturräume
LUZERN. Auf Facebook rufen alternative Luzerner - unter
anderem
Mitglieder der Protestgruppe Aktion Freiraum - dazu auf, heute eine
Silvesterparty auf einem "zu erobernden Gelände" zu feiern. Damit
wollen sie den Kampf um ein alternatives Kulturzentrum fortsetzen. "Wir
geben uns mit der Stadtentwicklung nicht zufrieden", sagt Sandro
Hofstetter, Sprecher der Aktion Freiraum. Gemeint ist vor allem das
Ende des Kulturzentrums Boa und dessen Ersatz Südpol in Kriens
sowie die bevorstehende Schliessung des Théâtre La Fourmi.
"Wir treffen uns um 21 Uhr zum Apéro beim Reusszopf
in
Reussbühl", so Hofstetter. Zwei Stunden später wolle man dann
zum Gelände weiterziehen, das zuerst noch "erobert" werden soll.
Die Luzerner Kantonspolizei hüllt sich in Schweigen.
Pressesprecher Richard Huwiler: "Wir nehmen es zur Kenntnis." mgi
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aktionfreiraum.ch 1.1.10
1.1.10: Mediemitteilung "Silvester für mehr kulturelle
Freiräume"
Sehr geehrte Damen und Herren
Am Abend des 31. Dezember 2009 nutzte eine lose Gruppe, welcher
auch
die Aktion Freiraum angehört, die seit längerer Zeit
leerstehenden Räumlichkeiten der Viscose in Emmenbrücke
für einen alternativen Silvester.
Seit 2 Jahren - nach der Schliessung der Boa - steht die
alternative
Kulturszene auf der Strasse. Auch nach erfolgreichen Aktionen und
Verhandlungen mit der Stadt Luzern hat in Luzern kein Umdenken
stattgefunden: Weitere Kulturhäuser wie das Frigorex-Areal
müssen schliessen, günstige Wohnräume verschwinden,
alternative Lebensformen wie der Wagenplatz Sous le pont werden von Ort
zu Ort vertrieben. Gleichzeitig ereifert sich die Stadt in der Suche
nach einem Standort für das prestigeträchtige Projekt Salle
Modulable - für Elitekultur werden alle Hebel in Gang gesetzt.
Für Alternativkultur höchstens mal
Polizei-Mehrzweckstöcke.
Als Folge dessen hat sich der Verein Kulturraum der mit der
Stadt
Luzern in Verhandlungen stand aufgelöst. Die Aktion Freiraum
kehrte wieder dort hin zurück wo sie seit der Schliessung der Boa
steht: Auf der Strasse und in den ungenutzten Gebäuden in und um
Luzern.
Was als eine weitere Reaktion gegen die hiesige Stadtentwicklung
gestartet wurde, entwickelte sich zu einem breit abgestützten
Anlass dem verschiedenste Personen aus den unterschiedlichsten Teilen
Luzerns sowie der gesamten Schweiz beiwohnten.
Der Abend begann an den Ufern der Reuss mit einem Apéro
inkl.
Feuershow. Anschliessend ging es in den Hallen des Baus 611 des
Viscose-Areals bei zwei Konzerten und DJs bis in die frühen
Morgenstunden weiter. Zusammen startete man in ein neues Jahr, in dem
der Druck für ein Umdenken in der Stadtentwicklung und der Kampf
für mehr kulturelle Freiräume erhöht werden soll. Der
alternative Silvester war also ein Start für weitere Aktionen in
diesem Jahr.
Der Abend verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle. So
feierten um
die 600 Personen friedlich zusammen einen alternativen Silvester,
fernab konsumorientierter Partyideologien.
Sandro Hofstetter
Aktion Freiraum
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aktionfreiraum.ch 1.12.09
1.12.09: Medienmitteilung "Kulturraumoffensive"
Heute vor zwei Jahren hat sich in Luzern eine breite Bewegung
formiert,
welche für mehr kulturellen Freiraum und gegen die
zerstörerische Stadtentwicklung kämpft. Nach diesen zwei
Jahren scheint in der Stadt Luzern immer noch kein Umdenken
stattgefunden zu haben: Die Verhandlungen sind auf Schwierigkeiten
gestossen, die Gowa-Halle musste die Tore schliessen, der Grossstadtrat
sperrt sich gegen eine Lösung für den Wagenplatz Sous le pont
und während der Stadtrat auf fieberhafter Suche nach einem
Standort für die Salle Modulable ist, werden weitere
Kulturbetriebe von der Schliessung bedroht. Die Aktion Freiraum ruft
deshalb zu einer erneuten Kulturoffensive auf.
Seit dem 1. Dezember vor zwei Jahren kämpft eine breite
Bewegung
gegen die offensichtlichen Missstände in der Kultur- und
Stadtentwicklungspolitik der Stadt Luzern. Sie setzt sich ein für
kulturelle Freiräume und alternative Wohn- und Lebensformen,
welche von der auf Prestigebauten und Wohnraum für
Besserverdienende fixierte Stadtentwicklung bedroht und zerstört
werden. Nun, nachdem sich die Nacht im Sonnenberggefängnis zum
zweiten Mal jährt, scheint in der Stadt Luzern noch keinerlei
Umdenken stattgefunden zu haben. Schlimmer noch: Mit der Schliessung
des Frigorex und den politischen Ränkeleien um die Salle Modulable
trübt sich das Klima in Luzern erneut. Es geht erneut vergessen,
dass Kultur im Kleinen beginnt, Lebensqualität nicht
Wirtschaftswachstum bedeutet und dass der Stadtkern nicht bloss denen
gehört, welche am meisten konsumieren und investieren.
Die Aktion Freiraum kann eine solche Entwicklung nicht weiter
dulden.
Der Verein Kulturraum hat sich deshalb dazu entschlossen, den Verein
aufzulösen und die Verhandlungen mit der Stadt Luzern als
gescheitert zu erklären. Der Verein sieht keinen Sinn, mit einer
Stadt für ein Kulturzentrum zu verhandeln, wenn dieselbe Stadt
eine Stadtentwicklung vorantreibt, welche nicht-etablierte
Kulturzentren nachhaltig bedroht (konkrete Kritiken siehe
Anhang).
Weiter leben soll jedoch die Aktion Freiraum. Sie war und ist
eine
Bewegung, welche sich nicht auf einzelne Meinungen oder Personen
reduzieren lässt. Sie ruft deshalb alle Kulturschaffenden,
Kulturinteressierten, alle bedrohten Lebens- und Wohnformen dazu auf,
sich als Teil einer Bewegung zu verstehen, welche nur gemeinsam ihre
vielfältigen Ansprüche an ein Leben in Luzern verteidigen
kann.
Noch immer steht die Alternativkultur auf der Strasse. Da es
für
uns keinen Platz in dieser Stadt zu geben scheint, müssen wir ihn
uns wieder erkämpfen. Wir rufen zu einer neuen Kulturoffensive
auf, welche sich mit vielfältigen Aktionen und Protesten gegen das
kultur- und lebensfeindliche Klima der Stadt Luzern auflehnt.
Für eine starke Bewegung, die sich auf der Strasse
zurück
holt, was ihr tagtäglich in dieser Stadt vorenthalten wird!
Für mehr kulturelle Freiräume!
-
Konkret kritisiert die Aktion Freiraum die folgenden Punkte:
1.) 2011 sollen die alten Hallen der Frigorex der Tribschenstadt
weichen. Mit dem Abriss verlieren dutzende Kleinunternehmer,
Künstlerinnen und Kulturlokale wie das Vasco da Gama oder das La
Fourmi ihre Räumlichkeiten. Für manche wird es kein Danach
mehr geben. Am stärksten trifft es solche, die auf diese
Räumlichkeiten angewiesen sind: Jene, welche in diesen Räumen
der Friogorex zu dem geworden sind was sie heute sind. Da nützt
auch der halbherzige Vorschlag von Herrn Schumacher nichts, in einer
neuen Überbauung in Littau Platz schaffen zu wollen.
2.) Seitens der Stadt: Obwohl sich ein solches Ende seit Jahren
abgezeichnet hat, sieht die Stadt Luzern diesem Ereignis ziemlich
gelassen entgegen. Auch die Kulturbeauftragte der Stadt, Rosie
Bitterli-Mucha, sieht zwar ein, dass es ein herber Verlust sein wird,
doch auch sie wehrt sich nicht dagegen, dass ein weiteres Kulturareal
in der Stadtplanung keinen Platz mehr findet! Auch unternahm die Stadt
in den letzten 5 bis 10 Jahren nie den Versuch, das Areal der Frigorex
dauerhaft für oben erwähnte Zwecke zu sichern. Lange gab es
schliesslich auch noch keinen Grund zur Sorge, denn für die
Alternativ- und Kleinkultur gab es ja noch genügend andere Orte.
Wie zum Beispiel die Boa...
3.) Der Standort der Salle Modulable den Investoren verschenkt
werden,
und wie die neuste Diskussion zeigt, wird sich die Stadt wohl mit
Millionen am jährlichen Betrieb beteiligen müssen - und das
Stadttheater soll dafür bluten.
4.) Die Alternativkultur und soziale und alternative
Wohnprojekte gehen
weiterhin leer aus: Immer noch fehlt es an einem selbstverwalteten
Kulturzentrum, immer noch fehlt es an einer Regelung für den
Verbleib der Wagenburg Sous le pont, erneut werden alternative
Kulturzentren (Gowa-Halle) geschlossen.
5.) Die Verhandlungen des für die Verhandlungen
gegründeten
"Verein Kulturraum" mit der Stadt Luzern haben sich als schwierig
erwiesen: Die Bereitschaft, für Räumlichkeiten für die
Alternativkultur zu suchen, hat sich bei der Stadt auf einem minimalen
Niveau befunden. Es hat sich gezeigt, dass sich die Stadt am liebsten
gar kein neues Kulturzentrum will, oder aber die Alternativkultur
möglichst weit weg, in Littau oder Emmenbrücke, aber sicher
nicht in der Stadt selber wünscht.
Medienmitteilung der Aktion Freiraum, 1.12.2009
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RAUSCH-KNAST ZH
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NZZ 4.1.10
Private Betreuer in Ausnüchterungszellen
Die Suche der Stadtpolizei Zürich nach privatem
Sicherheitspersonal stösst auf Kritik
-yr. ⋅In der Zentralen Ausnüchterungsstelle, die
Mitte
März in der Hauptwache Urania beim Zürcher Hauptbahnhof in
Betrieb genommen wird, sollen neben Angehörigen der Stadtpolizei
Zürich auch private Sicherheitsleute angestellt werden. Dies hat
die "NZZ am Sonntag" in der gestrigen Ausgabe gemeldet. Entsprechende
Stellen sind im "Schweizerischen Handelsamtsblatt" ausgeschrieben.
Die Zentrale Ausnüchterungsstelle ist Teil eines
Massnahmenpakets, das der Zürcher Stadtrat unter Führung von
Polizeivorsteherin Esther Maurer im vergangenen Sommer verabschiedet
hat. Dabei soll vor allem gegen alkoholisierte Jugendliche und junge
Erwachsene vorgegangen werden, welche die öffentliche Ordnung
stören beziehungsweise sich oder andere gefährden. Hiezu
können sie während 24 Stunden in eine
Ausnüchterungszelle gesteckt werden. In dieser Zeit werden sie
medizinisch betreut. Bis anhin wurde diese Massnahme dezentral in den
Regionalwachen durchgeführt.
Ursprünglich war die Zentrale
Ausnüchterungsstelle als
Erweiterung des Vermittlungs- und Rückführungszentrums
gedacht, wo vor allem Drogenabhängige betreut werden. Nun soll die
neue Einrichtung aber in der Hauptwache der Stadtpolizei untergebracht
werden. Dass für den Pilotversuch, der auf drei Jahre angelegt
ist, auch private Sicherheitsleute angeworben werden, stösst bei
einigen Staats- und Verwaltungsrechtlern auf Kritik.
In der "NZZ am Sonntag" machen sie unter anderem geltend,
damit
würden Grundrechte wie die persönliche Freiheit und das
staatliche Gewaltmonopol tangiert. Gerade bei einer derart sensiblen
Arbeit wie dem Umgang mit alkoholisierten Jugendlichen und jungen
Erwachsenen sei der Einsatz von privaten Sicherheitsleuten heikel.
Demgegenüber hat Reto Casanova, Pressesprecher des
städtischen Polizeidepartements, am Sonntag in einer Stellungnahme
festgehalten, die privaten Kräfte seien nicht für Festnahmen
vorgesehen. Sie kämen erst innerhalb der Ausnüchterungszellen
zum Einsatz, und auch dort nur unter der Anleitung von vereidigten
Polizisten.
Die Auslagerung polizeilicher Aufgaben an private
Sicherheitsfirmen oder an nicht vereidigte Ordnungsdienste ist seit
vielen Jahren umstritten. Nicht zuletzt die Personalverbände der
Polizeiangestellten wehren sich gegen die oftmals billigere Lösung
mit Zivilpersonen. Ein Beispiel unter vielen ist die Oberländer
Gemeinde Rüti, die vor einigen Jahren zur Bekämpfung der
lokalen Drogenszene eine private Sicherheitsfirma angeheuert hat.
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20 Minuten 4.1.10
Ausnüchterungsgefängnis: Private Sicherheitsleute?
ZÜRICH. Zürich will private Sicherheitsleute im
Ausnüchterungs-gefängnis einsetzen. Kritiker laufen Sturm.
Die Stadtpolizei Zürich sucht privates
Sicherheitspersonal
für ihr Ausnüchterungsgefängnis, das im März
eröffnet wird. Dieses soll Polizisten bei der Zuführung oder
Betreuung von Betrunkenen unterstützen. Wie weit die Kompetenzen
der "Privatpolizisten" gehen, ist noch nicht klar. In der Ausschreibung
ist aber auch von der Fesselung Renitenter die Rede.
Kritiker sind alarmiert: "Wir sind klar gegen eine
Auslagerung
des Gewaltmonopols", so Daniel Graf, Mediensprecher von Amnesty
International, dazu. Man habe in solch sensiblen Bereichen mit privaten
Firmen negative Erfahrungen gemacht: "Es laufen derzeit mehrere
Prozesse, in denen sich private Sicherheitsleute wegen
Körperverletzung verantworten müssen." Private seien für
den Einsatz im Ausnüchterungsgefängnis ungeeignet, weil sie
viel schlechter ausgebildet seien und weniger Erfahrungen in
Extremsituationen hätten. Reto Casanova, Sprecher des
Stadtzürcher Polizeidepartementes, kontert: "Für uns sind das
keine Extremsituationen, da keine Waffen im Einsatz sind." Solche
Einsätze seien verantwortbar, nicht zuletzt weil die privaten
Sicherheitsleute stets unter Aufsicht von Polizisten stünden.
Grund für den Einsatz Privater sind laut Casanova
"tiefere
Kosten". Für Cédric Wermuth, Vizepräsident der SP
Schweiz, ist der Justizvollzug jedoch der "dümmste Ort zum
Sparen". Auch Rechtsexperten sind besorgt: "Aufgaben, bei denen
körperlicher Zwang angewendet wird, darf der Staat streng genommen
nicht auslagern", so Andreas Lienhard, Professor für Staats- und
Verwaltungsrecht, zur NZZ.
Felix Burch
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NZZ am Sonntag 3.1.10
Sicherheitsfirmen im Gefängnis
Stadt Zürich sucht privates Personal für
Ausnüchterungsgefängnis
Im ersten Ausnüchterungsgefängnis der Schweiz
sollen
auch private Sicherheitsleute arbeiten. Rechtsexperten sprechen von
einem "sehr problematischen" Einsatz.
Lukas Häuptli
Das erste Schweizer Ausnüchterungsgefängnis
entsteht in
der Hauptwache der Stadtpolizei Zürich und nimmt seinen Betrieb
Mitte März auf. Das geht aus einer Ausschreibung der Zürcher
Stadtpolizei im Schweizerischen Handelsamtsblatt hervor. In der
"Zentralen Ausnüchterungs-Stelle", wie die Einrichtung offiziell
heisst, nimmt die Polizei betrunkene und berauschte Personen in
Gewahrsam, welche die öffentliche Ordnung stören und dabei
sich und andere gefährden. Gemäss geltendem Recht darf die
Polizei das während 24 Stunden; die Haft kann von einem Richter
verlängert werden.
Für den Betrieb des
Ausnüchterungsgefängnisses
sucht die Stadtpolizei jetzt privates Sicherheitspersonal, wie der
Ausschreibung im Handelsamtsblatt weiter zu entnehmen ist. Die privaten
Sicherheitsleute sollen die Stadtpolizisten bei der Arbeit in der
Zentralen Ausnüchterungs-Stelle unterstützen, etwa bei der
Zuführung der Betrunkenen, bei deren Betreuung sowie bei
"Sicherheitsmassnahmen wie zum Beispiel der Fesselung von Renitenten".
Die Polizeiverantwortlichen verlangen von den privaten
Sicherheitsleuten denn auch eine "hohe physische und psychische
Belastbarkeit", "hohes Verantwortungsbewusstsein" und
"Einfühlungsvermögen im Umgang mit berauschten Personen und
sozial Randständigen".
"Grundrechte tangiert"
Der Einsatz von privatem Sicherheitspersonal in einer
staatlichen
Hafteinrichtung ist ein Novum für die Schweiz - und ist rechtlich
umstritten. "Bei einer Einrichtung, in der man betrunkene Personen in
Gewahrsam nimmt, sind Eskalationen nicht ausgeschlossen", sagt Andreas
Lienhard, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der
Universität Bern. "Gerade bei einer solch sensiblen Arbeit ist der
Einsatz von privaten Sicherheitsleuten heikel." Besonders problematisch
sei er bei der Fesselung von Renitenten. Lienhard sieht darin sogar ein
staatsrechtliches Grundsatzproblem: "Aufgaben, bei denen
körperlicher Zwang angewendet wird, darf der Staat streng genommen
nicht auslagern. Hier werden Grundrechte wie die persönliche
Freiheit und das staatliche Gewaltmonopol tangiert."
Auch Markus Mohler, Lehrbeauftragter an der
Universität
Basel und spezialisiert auf Polizei- und Sicherheitsrecht, beurteilt
den geplanten Einsatz von privatem Sicherheitspersonal in einer
staatlichen Hafteinrichtung als "sehr problematisch". "Das
Gewaltmonopol gebietet, dass unmittelbarer, also physischer Zwang
ausschliesslich von Polizeiangehörigen ausgeübt werden darf",
sagt Mohler. Zwar könnten private Sicherheitsleute in diesem
Bereich als sogenannte Erfüllungsgehilfen von der Polizei
beigezogen werden. "Meines Erachtens dürfen sie dabei aber immer
nur zusammen mit Polizisten handeln. Ob das bei einer solch
anspruchsvollen Arbeit wie derjenigen in einer Hafteinrichtung für
Betrunkene immer der Fall ist, bezweifle ich."
Zum geplanten Einsatz privater Sicherheitsleute im
Zürcher
Ausnüchterungsgefängnis wollen sich gegenwärtig weder
die Stadtpolizei noch das Polizeidepartement unter der abtretenden
Stadträtin Esther Maurer (sp.) äussern. Die Suche nach dem
Sicherheitspersonal laufe noch, und der Stadtrat werde erst in diesem
Monat über das Geschäft entscheiden, hält ein
Departementssprecher fest.
Drogenhändler verzeigen
Landesweit übertragen Gemeinden, Kantone und Bund
immer mehr
Polizeiaufgaben an private Sicherheitsfirmen, namentlich aus
finanziellen Gründen. In den letzten Jahren haben beispielsweise
viele Gemeinden ihre Ortspolizeien aufgelöst und deren Aufgaben an
private Firmen ausgegliedert. Das war namentlich im Kanton Thurgau der
Fall. In den Städtchen Weinfelden, Arbon, Romanshorn, Bischofszell
und Amriswil zum Beispiel dürfen Mitarbeiter privater
Sicherheitsfirmen mittlerweile sogar Verkehrsdelinquenten bestrafen
sowie Drogenkonsumenten und Drogenhändler verzeigen.
Grundsätzlich ist privatem Sicherheitspersonal nicht
mehr
erlaubt als allen anderen Privatpersonen: Es darf Gewalt nur in
Notwehrsituationen anwenden und andere Personen bloss so lange
festhalten, bis die Polizei eintrifft. Andere Zwangshandlungen sind
ihnen untersagt.
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TRANSPORTPOLIZEI
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NZZ am Sonntag 3.1.10
Sicherheit in Zügen
Neue Polizei für die Bahn
Seit dem 1. Januar 2010 ist für die Sicherheit in den
Zügen
nicht mehr die Securitrans, sondern die SBB Transport- polizei Schweiz
AG verantwortlich. Die Transportpolizei wurde im letzten November aus
der Securitrans ausgegliedert beziehungsweise neu gegründet und
ist im Besitz der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Sie
beschäftigt 240 Mitarbeitende, wie SBB-Sprecher Reto Kormann auf
Anfrage sagte. 200 von ihnen seien ausgebildete Polizistinnen und
Polizisten, 20 würden zurzeit eine Polizeiausbildung absolvieren,
und weitere 20 arbeiteten als sogenannte Präventions-Assistenten
in der Gewaltprävention. Damit seien alle geplanten Stellen
besetzt, sagte der Sprecher. Bei der Securitrans hatte es wiederholt
Unterbestände gegeben. (luh.)
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PNOS
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Tagesanzeiger 31.12.09
Der aufhaltsame Aufstieg des Georg J.
Georg Jaggi, Pnos-Kandidat für das Langnauer
Gemeindepräsidium, ist allein. Die Partei distanziert sich von
ihm, die Familie schämt sich.
Langnau - Zum Jahresende und bevor der Wahlkampf richtig
beginnt,
erlebt Langnau ein politisches Schmierenstück.
Georg Jaggi, 46 Jahre alt, ist ein arbeitsloser
Werkzeugmacher
und gescheiterter Unternehmer. 2008 gründete er eine Firma zur
Konstruktion von Fahrrädern und zum Verkauf von Regenkleidung. Er
ist Mitglied der vom Bund als rechtsradikale Organisation eingestuften
Partei National Orientierter Schweizer ( Pnos) und kandidiert für
das Amt des Gemeindepräsidenten.
Jaggi sammelt die erforderlichen 15 Unterschriften und
lässt
sich als Kandidat eintragen. Seit einem halben Jahr ist er Mitglied der
rechtsradikalen Pnos, und so tritt er für die Nationalisten an.
Damit tritt er eine Lawine los, der er als Erstes zum
Opfer
fällt. Seine betagten Eltern leiden unter dem Wirbel und treten
mit seiner Krankheit an die Öffentlichkeit. Selbst die
unzimperliche Pnos sieht sich veranlasst, die Notbremse zu ziehen.
Arbeitslos und krank
Doch der Reihe nach: Sowie Jaggis Kandidatur publik ist,
erkundigen sich die lokalen Medien bei dem 46-Jährigen. Bislang
war er politisch nicht in Erscheinung getreten, nun gibt er Interviews
und spricht über sein politisches Programm. Dem TA sagt er: "Ich
kandidiere, weil ich arbeitslos bin."
Im Gespräch mit der "Zürichsee-Zeitung"
offenbart er
sein rassistisches Gesicht. Er wird mit den Aussagen zitiert: "Ich
möchte die germanische Rasse vertreten" und "Ich will alle
schikanösen und unnötigen Verbotstafeln aus der Gemeinde
entfernen".
Als seine Eltern von einem Auslandsaufenthalt heimkehren
und
erfahren, was ihr Sohn während ihrer Abwesenheit getrieben hat,
trifft sie beinahe der Schlag. Sie schämen sich für die
Aussagen ihres Georg. Nach den Festtagen meldet sich Mutter Rose Jaggi
beim TA und sagt: "Mein Sohn ist psychisch krank."
Seit Jahren sei er in psychiatrischer Behandlung. Wegen
der
Krankheit sei er nicht mehr arbeitsfähig. Ein manischer Schub sei
der Grund für die Kandidatur.
Auch die Pnos nimmt Abstand von Georg Jaggi. Auf Anfrage
erklärt derMediensprecher und Mitgliederverantwortliche Kevin
Mareque zwar noch: "Es ist jedem Mitglied freigestellt, für ein
politisches Amt zu kandidieren." Auch im Kanton Zürich, wo die
rechtsradikale Partei bislang nicht aktiv ist. Mareque bemängelt
anfangs nur, dass Jaggi mit der Parteileitung keine Rücksprache
genommen hatte. Nach einer Bedenkzeit arbeitet die Pnos aber eine
schriftliche Stellungnahme aus, in der sie sich vom Langnauer
distanziert.
Wegen Jaggis Alleingang entfalle "jegliche
Unterstützung"
der Partei.Jaggis Gedankengut decke sich nicht mit dem "modernen
völkischen" Denken der Pnos. Die Parteileitung will mit dem
Langnauer Kontakt aufnehmen und ihm nahelegen, die Kandidatur
zurückzuziehen.
Mittlerweile ist die Rückzugsfrist abgelaufen. Georg
Jaggi
bleibt Kandidat.
Daniel Stehula
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Zürichsee-Zeitung 31.12.09
Langnau Gemeinderatskandidat Georg Jaggi ohne Rückendeckung
von
seiner Partei
Jaggi sogar für Pnos zu rechts
Die Pnos will, dass der rechtsradikale Georg Jaggi seine
Kandidatur
für den Langnauer Gemeinderat zurückzieht.
Sibylle Saxer
Nach den Eltern distanziert sich nun auch die Partei von der
Kandidatur
des 46-jährigen Georg Jaggi für den Langnauer Gemeinderat und
das Gemeindepräsidium: Die Partei National Orientierter Schweizer
(Pnos) ist "überrascht" von dieser Kandidatur - sie habe aus der
Presse davon erfahren, wie sie in einer Mitteilung schreibt.
Parteisprecher Kevin Mareque sagt auf Anfrage: "Georg Jaggi ist
zwar
seit August offiziell Mitglied der Pnos. Als er sich anmeldete, hatte
ich per E-Mail Kontakt mit ihm. Seither haben wir aber nichts mehr von
ihm gehört."
Ideologische Differenzen
Georg Jaggi, dessen psychische Erkrankung vorgestern bekannt
wurde,
habe im Zusammenhang mit seiner Kandidatur nie mit den Vertretern der
Partei Kontakt aufgenommen. Da seine Kandidatur nicht in Absprache mit
der Pnos erfolgt sei, entfalle jegliche Unterstützung von ihrer
Seite. Weiter distanziert sich die Pnos explizit von Jaggis
Äusserungen bezüglich der "germanischen Rasse". Jaggi hatte
gegenüber der "Zürichsee-Zeitung" gesagt, er möchte die
germanische Rasse vertreten (Ausgabe vom 23. Dezember).
"Die Meinung, die er im Namen der Pnos äussert, ist nicht
jene der
Pnos", sagt Mareque. Er schätzt die ideologischen Differenzen als
gröber ein. Der völkische Gedanke der Pnos sei frei von
rassistischen Positionen, und die Pnos habe 2006 bewusst entschieden,
chauvinistischem, reaktionärem Gedankengut nicht noch Vorschub zu
leisten. Mareque fügt an: "Daher werden wir Georg Jaggi
auffordern, seine Kandidatur für den Langnauer Gemeinderat
zurückzuziehen - sobald wir es schaffen, mit ihm Kontakt
aufzunehmen." Nur als Privatperson dürfe Jaggi seine Meinung
äussern, aber nicht im Namen der Pnos.
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20 Minuten 31.12.09
Pnos gegen Kandidaten
Langnau. Georg Jaggi will für die Partei National
Orientierter Schweizer (Pnos) für den Gemeinderat von Langnau am
Albis kandidieren - und sorgt damit im Dorf für Unmut. Ihr Sohn
sei psychisch krank, sie habe vergeblich versucht, ihn zum Rückzug
der Kandidatur zu bewegen, sagte die Mutter des 46-Jährigen der
"Zürichsee-Zeitung". Gestern teilte auch die Pnos mit, sie
distanziere sich von Jaggi: Mit seiner Idee einer "germanischen Rasse"
widerspreche er dem "modernen völkischen Gedankengut" der Partei.
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NEONAZI-PROZESS 1998
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Aargauer Zeitung 5.1.10
Zwei einsichtslose Überzeugungstäter
Die Gerichtsreporterin blickt zurück:
Holocaust-Leugner -
ein politischer Prozess in Baden
"Wir leugnen nicht den Völkermord. Wir leugnen, dass
es
Vernichtungslager gab." Der angeklagte Jürgen Graf blieb dem
Publikum im voll besetzten Saal nichts schuldig. Und seinen
Schuldspruch nahm er gelassen entgegen.
Rosmarie Mehlin
Der Aufmarsch an jungen, kahl rasierten Männern und
Grauhaarigen in Trachtenanzügen war gross an jenem Hochsommertag
in Baden. Einmal mehr war eine Verhandlung wegen Platzmangel aus dem
ordentlichen Gerichtsgebäude ausgelagert worden. Der fensterlose
Saal im Keller vom "Roten Turm" in der Altstadt war denn auch bis auf
den letzten Platz besetzt. Draussen auf der Gasse lieferten sich in den
Verhandlungspausen Demonstranten gegen Neonazis Wortgefechte mit
Rechtsradikalen und Revisionisten.
Der 78-jährige kranke Gerhard Förster, angeklagt
der
Rassendiskriminierung, nahm im Rollstuhl an der Verhandlung teil, die
einen ganzen Tag und bis spät in den Abend hinein dauerte. Der
47-jährige des gleichen Vergehens beschuldigte Basler Jürgen
Graf gab sich betont locker und überlegen, erklärte gleich zu
Beginn seiner Befragung: "Ich antworte in Hochdeutsch, da im Saal viele
Freunde anwesend sind, die keinen Dialekt verstehen." Gemäss
seinen Aussagen hatte er sich seit 1991 mit dem Revisionismus
beschäftigt. Nachdem der im Baselbiet tätige
Französisch- und Lateinlehrer Ende 1992 im Eigenverlag das Buch
"Der Holocaust auf dem Prüfstand" herausgegeben hatte, war er
fristlos aus dem Schuldienst entlassen worden.
Was richtig, was falsch
1993 hatte Förster ihm das Buch "Auschwitz -
Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust" in Auftrag
gegeben. Er habe, so Förster an der Verhandlung, damals einen
Abzug davon an Bundesanwältin Carla Del Ponte zur Beurteilung
geschickt. "Da ich keine Antwort bekam, bin ich davon ausgegangen, dass
das Werk in Ordnung ist." Der pensionierte Physiker und ehemalige
Wehrmachtsoffizier Förster hatte in Würenlos, wo er lebte und
eingebürgert worden war, die "Neue Visionen GmbH, Verlag und
Vertrieb von Publikationen und Tonträgern jeder Art"
gegründet. Auch nachdem die Polizei in seinem Unternehmen
Hausdurchsuchungen durchführte, hatte Förster weitere
einschlägige Schriften veröffentlicht und bei Graf das Buch
"Todesursache Zeitgeschichtsforschung" in Auftrag gegeben. An der
Verhandlung sagte Förster, er habe "endlich eine Diskussion
darüber, was richtig und was falsch ist", gewollt. Beim Lesen
historischer Bücher sei er auf dermassen unterschiedliche Zahlen
über im Zweiten Weltkrieg getötete Juden gestossen, dass er
sich "wahnsinnig darüber geärgert" habe.
Technisch nicht möglich
"Ich ertrage die Lüge nicht, ich will die historische
Wahrheit", so ein Credo von Jürgen Graf. Es habe im Dritten Reich
weder einen Plan zur physischen Ausrottung der Juden gegeben noch
Vernichtungslager. Massenmorde in Gaskammern seien technisch gar nicht
möglich gewesen: "Ich habe hier 550 Franken. Die gebe ich
demjenigen, der mir Dokumente über Judenvergasungen zeigt!", rief
er, ein Bündel Banknoten schwingend, in den Saal und weiter:
"Jeder dritte Jude glaubt nicht mehr an Gott, aber an die Gaskammern.
Das ist der Kitt, der die Juden zusammenhält." Schliesslich
reklamierte Graf, dass dies ganz klar ein politischer Prozess sei,
"denn hier sind Menschen wegen ihrer Ansichten, nicht wegen Taten
angeklagt".
Höchststrafen gefordert
Staatsanwalt Dominik Aufdenblatten hatte für die
beiden
Angeklagten die höchsten bis dahin je geforderten Strafen für
Verstösse gegen das Antirassismusgesetz beantragt: 17 Monate
für Förster, 18 Monate für Graf - beide unbedingt. Die
Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert.
Das Bezirksgericht Baden unter Präsidentin Andrea
Staubli
räumte in der Begründung des Schuldspruchs zwar ein, dass das
am 1. Januar 1995 in Kraft getretene so genannte "Antirassismusgesetz"
tatsächlich - wie von einem Verteidiger moniert - in einem
gewissen Spannungsfeld mit Grundrechten wie
Meinungsäusserungsfreiheit, Wissenschafts- und Pressefreiheit
stehe. Unrichtige Informationen und unwissenschaftliche Elaborate
würden allerdings die Meinungsfreiheit nicht tangieren. Die 12
respektive 15 Monate Haft seien unbedingt, "weil Charakter und Vorleben
erwarten lassen, dass beide Beschuldigten weitermachen".
Gerhard Förster starb zwei Monate nach dem Prozess.
Jürgen Graf zog das Urteil weiter; im Juni 1999 bestätigte
das Obergericht die 15 Monate unbedingt. Graf jedoch entzog sich der
Haftstrafe durch Flucht. Er heiratete eine Russin und lebt mit ihr in
Moskau.
--
Update
Am 22. Juli 1998 hatte das Bezirksgericht Baden den
78-jährigen Gerhard Förster und den 47-jährigen
Jürgen Graf schuldig gesprochen der Rassendiskriminierung und zu
unbedingten Strafen von 12 respektive 15 Monaten Gefängnis
verurteilt. In seinem in Würenlos domizilierten Verlag hatte
Förster Bücher von Graf herausgegeben, in welchen behauptet
wurde, es habe nie eine planmässig durchgeführte
Massenvernichtung von Millionen von Juden im deutschen Einflussbereich
gegeben.
Beide Verurteilten haben ihre Strafen nie angetreten:
Förster starb wenige Wochen nach dem Prozess, Graf flüchtete
ins Ausland. (rmm)
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NEONAZIS SCHWEDEN
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Newsnetz 31.12.09
Neonazis liessen "Arbeit macht frei"-Schild klauen
cha
Hinter dem Diebstahl in Auschwitz stecken schwedische
Rechtsextreme.
Offenbar wollten sie das Schild an einen Sammler verkaufen, um
Bombenanschläge gegen Politiker finanzieren zu können.
Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren: Die polnischen
Behörden
haben Schweden gestern offiziell um Amtshilfe gebeten, damit der
Diebstahl des Schriftzugs "Arbeit macht frei" aus dem ehemaligen
Konzentrationslager Auschwitz aufgeklärt werden kann. Wie der
polnische Fernsehsender TVP berichtet, kennt die Polizei bereits die
Namen des Auftraggebers sowie des Sammlers, der das Schild kaufen
wollte: Beide sind schwedische Staatsbürger.
Pikant: Der Auftraggeber soll einer Neonazi-Gruppe nahestehen,
wie die
schwedische Zeitung "Aftonbladet" schreibt. Diese habe den Schriftzug
für umgerechnet knapp 150'000 Franken an einen Sammler verkaufen
wollen. Mit dieser Summe hätten die Vorbereitungen für
Bombenanschläge auf das schwedische Parlament, das
Aussenministerium sowie die Wohnung von Ministerpräsident Fredrik
Reinfeldt finanziert werden sollen. Die "Süddeutsche Zeitung"
schreibt, der schwedische Geheimdienst habe bestätigt, dass in
diese Richtung ermittelt werde.
Schild abgeschraubt
Das fast fünf Meter lange und 30 Kilogramm schwere
Schriftzug, der
am Haupttor des KZ hing, wurde Mitte Dezember gestohlen. Nach einer
Grossfahndung wurden die Bruchstücke im Norden Polens
wiedergefunden. Fünf Männer wurden festgenommen. Es handelt
sich bei ihnen um Kleinkriminelle.
---
Süddeutsche Zeitung 31.12.09
Spur nach Schweden
Medien: Neonazis stecken hinter Diebstahl in Auschwitz
Von Thomas Urban
Warschau— Die polnischen Behörden haben am Mittwoch
Schweden
offiziell um Amtshilfe bei den Ermittlungen wegen des im ehemaligen
Konzentrationslager Auschwitz gestohlenen Schriftzuges "Arbeit macht
frei" gebeten. Die Staatsanwaltschaft in Krakau teilte mit, dass die
mutmaßlichen Auftraggeber für den Diebstahl vor knapp zwei
Wochen in Schweden leben, es handle sich nicht um einen polnischen
Staatsbürger. Warschauer Medien berichteten, die Spuren
führten zu einer rechtsextremen Gruppe in Schweden. Schon drei
Tage nach dem aufsehenerregenden Diebstahl hatte die Polizei den
viereinhalb Meter langen und mehr als 30 Kilogramm schweren Schriftzug
auf einem Baustellengrundstück bei Thorn (Torun) entdeckt und
fünf Männer verhaftet. Bei vieren von ihnen handelt sich nach
Angaben der Behörden um "gewöhnliche Kriminelle", die alle
wegen Eigentumsdelikten oder Körperverletzung vorbestraft sind.
Der fünfte, der als Hauptverdächtiger gilt, betrieb zuletzt
eine Baufirma. Der Diebstahl hatte weltweit Empörung hervorgerufen.
Die Stockholmer Boulevardzeitung Aftonb ladet berichtete,
dass
eine rechtsextreme Gruppe den Schriftzug an einen ausländischen
Sammler habe verkaufen wollen. Dieser habe weit mehr als eine Million
schwedische Kronen (etwa 100 000 Euro) geboten. Mit dieser Summe
hätten die Vorbereitungen für Bombenanschläge auf den
Reichstag, das Au-ßenministerium sowie die Wohnung von
Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt finanziert werden sollen. Ein
Sprecher des Geheimdienstes Säpo in Stockholm bestätigte,
dass in der Tat in diese Richtung ermittelt werde, nannte aber keine
Einzelheiten. Nach anderen Presseberichten wollten die Auftraggeber mit
dem Erlös aus dem Verkauf ihren Wahlkampf im kommenden Jahr
finanzieren.
Die Ermittlungen in Auschwitz ergaben unterdessen schwere
Versäumnisse des Wachdienstes der Gedenkstätte. Zunächst
hatte es geheißen, der Diebstahl habe am frühen Morgen
stattgefunden.
Wegen dichten Schneefalls seien die Uberwachungskameras
praktisch
ausgefallen. Die Verhöre ergaben jedoch, dass die Täter
bereits am Vorabend gegen 18 Uhr unbehelligt auf das Gelände des
ehemaligen KZ ge1~ngt seien. Sie hätten festgestellt, dass sie
unzureichend ausgerüstet gewesen seien, und hätten in einem
nahegelegenen Baumarkt noch eine Metallsäge sowie eine Leiter
besorgt. Sie hätten den Schriftzug noch an Ort und Stelle in drei
Teile zersägt. Dabei haben sie allerdings den Buchstaben "i" am
Ende verloren. Er wurde erst am folgenden Tag im Schnee entdeckt. Durch
ein Loch in der Umzäunung hätten sie die schweren Metallteile
zu einem Lieferwagen gebracht.
Die ganze Aktion sei gegen 21 Uhr abgeschlossen worden.
Die
Wachleute aus der betreffenden Schicht wurden mittlerweile vom Dienst
suspendiert. Laut Polizei gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass
einer der Wachmänner mit den Dieben zusammengearbeitet haben
könnte. Die Regierung hat fast 100 000 Euro für die
Installation eines moderneren Überwachungssystems zur
Verfügung gestellt.
Die Täter wurden ermittelt, nachdem die polnische
Regierung
eine Belohnung für ihre Ergreifung in Höhe von umgerechnet 28
000 Euro ausgesetzt und möglichen Informanten absolute
Anonymität zugesichert hatte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft
wird diese Summe vermutlich unter mehreren Tippgebern aufgeteilt. Einer
der Festgenommenen führte die Ermittler zu dem Grundstück,
auf dem die drei Teile des Schriftzuges vergraben waren. Diesen hatten
1940 polnische Häftlinge auf Befehl der deutschen Lagerleitung
angefertigt.
In dem Lager Auschwitz 1 waren zunächst
Angehörige der
polnischen Führungsschicht interniert, später kamen vor allem
sowjetische Kriegsgefangene hinzu. Die Zahl der Toten von Auschwitz 1
wird auf bis zu 70 000 geschätzt. In Polen gilt die zynische
Parole "Arbeit macht frei" vor allem als Symbol für den Kampf der
deutschen Besatzer gegen die polnische Elite. Das Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau oder Auschwitz II, in dem wohl mehr als eine Million
Juden aus ganz Europa, meist Polen, von der SS ermordet wurden,
befindet sich knapp drei Kilometer davon entfernt.
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STADTENTWICKLUNG
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Spiegel 4.1.10
Stadt der Gespenster
Hamburgs Milliardeninvestitionen und der Widerstand der
Bürger
Philipp Oehmke
Hamburg investiert Milliarden in seine Zukunft. Doch viele
Projekte
stoßen auf Widerstand: Künstler besetzen leere Gebäude,
nachts brennen Autos und Barrikaden. Es geht um die Frage, wie man eine
Stadt verändert, ohne eine Revolte ihrer Bürger
auszulösen. Von Philipp Oehmke
Es sind nur drei Seiten, ausgedruckt aus dem Internet, und da
liegen
sie auf seinem Schreibtisch. Richard Florida hat sie kurz
überflogen, doch schon nach dem ersten Satz hat es ihm gereicht.
Es geht wieder gegen ihn.
Er liest dort: "Ein Gespenst geht um in Europa, seit der
US-Ökonom
Richard Florida vorgerechnet hat, dass nur die Städte
prosperieren, in denen sich die ,kreative Klasse' wohl fühlt." Die
"kreative Klasse", ja, das ist sein Begriff. Er legt die Seiten weg. Er
versucht ein Lächeln.
Der Satz, den er gelesen hat, kommt vom anderen Ende der Welt.
Er kommt
aus Hamburg in Deutschland, und mit ihm beginnt ein Manifest, das
Hamburger Künstler, Musiker und soziale Aktivisten im Oktober 2009
veröffentlicht haben. Dieses Manifest hat in den vergangenen
Wochen viel Aufsehen erregt in Hamburg und auch in Deutschland, es
richtet sich gegen eine Stadtentwicklungspolitik, die auf einer Theorie
aufbaut, die Richard Florida in den letzten Jahren entwickelt hat.
Floridas Theorie besagt, dass Städte sich neu erfinden
müssen. Dass sie nicht mehr wie in den neunziger Jahren versuchen
sollen, Unternehmen anzuwerben, sondern Menschen, und zwar die
richtigen: die, die etwas erfinden, die, die etwas voranbringen und der
Stadt ein Image geben. Er hat diese Menschen die "kreative Klasse"
genannt.
Und er hat damit einen Kampf um Menschen ausgerufen.
Diese Theorie hat ihn berühmt und reich gemacht und zu
einem der
gefragtesten Redner in Nordamerika. Tausend Anfragen, sagt er, hatte er
allein im Jahr 2009. Seine Bücher über die "kreative Klasse"
und darüber, warum diese überlebenswichtig ist für jede
Stadt, wurden zu Bestsellern, seine Theorie zum kaum angefochtenen
Axiom moderner Stadtentwicklung. Richard Florida ist eine Art Guru
für die Stadtplaner.
In Europa hat sich kaum eine Stadt so auf Florida verlassen wie
die
alte Kaufmannsstadt Hamburg. Vor ein paar Jahren kam der damalige
Wissenschaftssenator Jörg Dräger plötzlich mit den
Büchern von Florida unterm Arm in den Senatsbehörden an. Es
war kurz vor der Sommerpause, und Draeger verteilte die Bücher
unter den Senatsmitgliedern: Bitte über den Sommer lesen. Darin
stehe, wie es gehen kann. Wenig später hat die Stadt Hamburg dann
die Unternehmensberater von Roland Berger losgeschickt, um
herauszufinden, wie sich Floridas Lehre für Hamburg umsetzen
lässt. "Wir wollten ihm nicht blind hinterherrennen, aber seine
Überlegungen waren der Ausgangspunkt für die
Weiterentwicklung unserer Metropolstrategie", sagt Dräger heute.
Das Ergebnis hieß "Talentstadt Hamburg", und Florida kam
damals
in seiner Eigenschaft als Guru sogar höchstpersönlich in die
Stadt und hielt Vorträge.
Und jetzt soll das alles gegen ihn zurückschlagen? Ein
Gespenst
geht um? Und er soll dieses Gespenst losgelassen haben? Ein Manifest?
Was hat sich denn dort plötzlich verändert in Hamburg?
Was sich verändert hat, hätte Richard Florida gut
sehen
können an einem Abend vor ein paar Wochen, als ein Bündnis
von Aktivisten, das sich "Recht auf Stadt" nennt, in der Jupi-Bar traf,
einer provisorischen Sperrmüllkneipe im Gängeviertel. "Recht
auf Stadt" ist ein Zusammenschluss von knapp 20 Initiativen, die im
Einzelnen sehr verschiedene Ziele verfolgen, doch vereint sind in ihrem
Kampf gegen jene Stadtteilveränderungen, die die Stadtgeografie
inzwischen Gentrifizierung nennt: die politisch gewollte, gezielte
Aufwertung ärmerer Wohngegenden, die meist zu einem Austausch der
Bevölkerung führt. Arm geht, Reich kommt.
An diesem Abend ist das Gängeviertel seit gut drei Monaten
besetzt. Einst ein Wohnquartier für Handwerker, Arbeiter und
Tagelöhner, das sich vom Hafen bis weit in die Innenstadt zog,
gehörten diese Häuser zu den ältesten in Hamburg, ein
letzter Rest von ihnen blieb stehen in einem besonders toten Teil der
ohnehin grandios toten Hamburger Innenstadt, ausgerechnet im Schatten
der Hochhäuser des Axel-Springer-Verlags.
Die Häuser gehörten der Stadt, die meisten standen
leer, die
Stadt ließ sie verfallen und war glücklich, als sie vor
über einem Jahr endlich einen Käufer fand. Der
holländische Investor Hanzevast erwarb die Häuser, wollte ein
paar Fassaden erhalten, aber ansonsten Glas- und Stahlarchitektur da
hinstellen, Büros und hochpreisige Wohnungen. Solche Anlagen
gehören zum Geschäft einer Firma wie Hanzevast, und deshalb
war das ein logischer Plan, doch die Wirtschaftskrise brachte Hanzevast
in Nöte, der Baubeginn verzögerte sich, und im August 2009
besetzten rund 200 Künstler die Häuser.
"Die Stadt gehört ja eigentlich allen" soll an diesem Abend
das
Thema der Diskussion heißen, doch sie kann nicht beginnen, weil
zu viele gekommen sind. Die meisten von ihnen wissen nicht viel
über Stadtsoziologie, plötzlich gibt es all diese Begriffe,
"Gentrifizierung", die "Stadt als Unternehmen" oder "wachsende Stadt".
"Gentrifidingsbums" steht auf einem Plakat in der Sperrmüllkneipe.
Lautsprecher werden nach draußen getragen auf den
Bürgersteig, damit die gewaltige Menschentraube, die hier noch auf
Einlass wartet, zumindest mithören kann.
Es stehen hier junge Frauen mit etwas unordentlichen Haaren, gut
möglich, dass sie letzte Woche noch in Kambodscha ein soziales
Jahr beendet haben. Genauso stehen dort Damen über sechzig, die
beigefarbene Blousons tragen und silbern glänzende
Kurzhaarfrisuren. Die Menschen hier sind sehr verschieden, manche sind
reich, andere haben kein Geld, einige kommen aus der linken Subkultur,
andere aus dem Bürgertum. Aber sie alle eint wohl ein Unbehagen an
dieser Stadt, deren Erscheinungsbild sie in den letzten Jahren nicht
mitbestimmen konnten, als überall alte Häuser modernen
Bürokomplexen aus Glas und Stahl weichen mussten, viele von ihnen
stehen auch heute noch leer.
Da ist jemand wie der Superstar-Maler Daniel Richter, der sich
und
seine mediale Macht als Schirmherr des Gängeviertels zur
Verfügung stellte und den Protest bis tief in das Hamburger
Bürgertum an die Alsterufer trug. Da ist Rocko Schamoni, der einen
neuen Lebenssinn gefunden hat und kurzzeitig seine Karriere als
Bestsellerautor und Theaterregisseur aussetzt und seine Zeit nur noch
dem Kampf gegen jenen "bunten, frechen Stadtteil" widmet, zu dem die
Stadt das alte St. Pauli machen will. Oder da sind junge Menschen, die
bis vor kurzem in New York oder in Südamerika gelebt haben, aber
nun nachts im Gängeviertel die Wände streichen und dort ein
neues New York und Südamerika gefunden haben. Sie alle bilden eine
gewaltige neue Protestbewegung, und sie erklären die Stadt zu
einer Art Laboratorium.
"Die Stadt", so schreibt es die US-amerikanische Soziologin
Saskia
Sassen, "ist schon lange ein strategischer Schauplatz für die
Erkundung der dringendsten Themen, mit denen die Gesellschaft zu
kämpfen hat." Und so könnte man sagen, dass Hamburg in diesen
Wochen wie ein Brennglas funktioniert, in dem die Konflikte des
kommenden Jahrzehnts schon jetzt zu erkennen sind. Es geht um
Verändern gegen Bewahren, um Eigentum gegen Gemeinwesen und vor
allem um Wirtschaftlichkeit gegen Soziales.
Diese Gegensätze sind überall sichtbar. Wer genau
hinsieht,
erkennt die Konfliktlinien, die sich wie rote Äderchen durch die
Stadt ziehen und zusammengenommen einen ziemlichen Wahnsinn ergeben: Da
wird mit Milliardeninvestitionen ein neuer Stadtteil hochgezogen, die
HafenCity, ein weltweit beachtetes Prestigeobjekt; in ihr wächst
gerade der Rohbau der Elbphilharmonie, sie soll das vielleicht
spektakulärste Konzerthaus der Welt werden, doch sie ist jetzt
schon dreimal teurer als geplant; in St. Pauli sind die ehemals
besetzten Häuser der Hafenstraße inzwischen umzingelt von
neuen gläsernen Türmen, der sogenannten Perlenkette, die sich
kilometerlang am Elbufer erstreckt, doch auf Plakaten steht
"Perlenkette zerbeißen"; der Besetzung des Gängeviertels
folgte sogleich ein zweite, 130 Künstler weigerten sich, ein
heruntergekommenes ehemaliges Karstadt-Gebäude im Stadtteil Altona
zu verlassen, an dessen Stelle eine Ikea-Filiale entstehen soll; die
"Rote Flora", ein von Autonomen besetztes Kulturzentrum, gehört
einem Investor, der mit Verkauf droht, was eine Räumung nach sich
ziehen würde und bürgerkriegsartige Straßenschlachten.
Es brennen ja ohnehin in Hamburg wöchentlich Autos,
angezündet von Unbekannten, und neulich wurde erstmals in der
Geschichte dieses Landes eine Polizeiwache mit Molotowcocktails
angegriffen, Streifenwagen brannten.
Seit ein paar Monaten brodelt es in dieser Stadt, und dazu passt
auch,
dass 184 500 Bürger der Stadt aus dem Nichts heraus ein
Volksbegehren gegen eine Schulreform unterschrieben. All das findet
statt unter den Versuchsbedingungen einer schwarz-grünen
Koalition, der ersten auf Landesebene: Eine Stadt kämpft um ihre
Identität, und in ihrem Aufbegehren gegen die Gentrifizierung sind
es interessanterweise die Linken, die das Bestehende verteidigen.
Zu Beginn dieses Jahrzehnts sah es so aus, als würden die
großen Kämpfe auf dem Feld der Weltwirtschaft ausgetragen,
gegen die Globalisierung, gegen den Klimawandel, gegen die
Überschuldung der afrikanischen Länder. Doch diese
Protestströmung ist fast verschwunden. Stattdessen gibt es eine,
die ihre Aufmerksamkeit auf das Gegenteil von Globalisierung richtet.
Sie zielt nicht auf die große Perspektive, nicht auf die Frage:
Wie sollen die Afrikaner in Afrika leben, sondern: Wie wollen wir in
unserer kleinsten Einheit, in unserer Stadt, in unserem Viertel, leben?
In der Sperrmüllkneipe im Gängeviertel herrscht an
diesem
Abend Einigkeit darüber, dass diese Frage die Stadt Hamburg in den
letzten Jahrzehnten nicht interessiert hat. Christoph Schäfer
spricht, er ist einer der Anführer von "Recht auf Stadt" und der
Gründer von Park Fiction, einer Initiative gegen Gentrifizierung
in St. Pauli. Er trägt eine grüne Trainingsjacke unter seinem
Cordsakko und redet von Walter Benjamin und Georg Simmel, die schon zu
Beginn des letzten Jahrhunderts die Stadt als Nukleus für die
großen sozialen Kämpfe des Jahrhunderts erkannt haben.
Später spricht er von dem linken Soziologen Henri Lefebvre, der in
den sechziger Jahren am Beispiel der Pariser Vororte das "Recht auf
Stadt" formuliert hat, und von David Harvey, dem marxistischen
Sozialtheoretiker, der die Wurzeln der Finanzkrise in einer
neoliberalen Stadtpolitik entdeckte. Schnell wird klar, immer geht es
um den gleichen Gegensatz: Die Stadt ist der Kapitalist, der Profit
machen will, die Bürger sind die Arbeiter, die dafür
ausgenutzt werden.
Und die Künstler sollen dabei die Marionetten sein:
"Zwischenbeleber", wie einer sagt, die einem Stadtteil ein buntes Image
geben, damit er besser vermarktet werden kann.
Deswegen haben sie dieses Manifest geschrieben und "Not in Our
Name,
Marke Hamburg!" genannt. Die "Zeit" hat es abgedruckt und auch das
"Hamburger Abendblatt" aus dem Axel-Springer-Verlag.
Doch es gibt ein Problem: Die Stadt hat nicht so reagiert, wie
es die
Besetzer von ihr erwartet hatten. Und das wiederum liegt mittelbar an
diesem Mann in Toronto, an Richard Florida. Jahrelang hat die Stadt
überlegt, wie sie Floridas "kreative Klasse" in Hamburg ansiedeln
könnte. Sogar Unternehmensberater hat sie losgeschickt. Und jetzt
kommt die kreative Klasse von ganz allein. 200 Künstler. Und das
mitten in der Stadt, eigentlich ein Glücksfall.
Also hat die Stadt am 22. August, dem ersten Tag der Besetzung,
nicht
die Polizei losgeschickt, damit sie die Hausbesetzer vertreibt, wie sie
das früher getan hätte. Die Stadt hat stattdessen Dirk Petrat
geschickt, damit er mit den Künstlern redet. Vielleicht haben die
Künstler ja ein berechtigtes Anliegen.
Dirk Petrat ist Jurist, er ist Amtsleiter für Medien,
Tourismus
und Marketing in der Kulturbehörde, an die Schränke in seinem
Büro hat er selbstgemalte Gemälde seiner Kinder geheftet, der
Bildschirmschoner seines Rechners zeigt Postkartenansichten von
Hamburg. Er ist ein Mann eiserner Prinzipien und trägt gern
farbenfrohe Krawatten.
Petrat ist aus seinem Büro in der Hanseviertel-Passage ins
Gängeviertel gegangen, zehn Minuten zu Fuß. Er stand dann in
einem der Höfe dort und fragte herum, wer denn hier etwas zu sagen
habe. Er sei von der Stadt, er wolle verhandeln. Und er wolle bitte
schön überprüfen lassen, dass hier nichts
einstürzt, er wolle nicht, dass hier jemandem etwas passiert.
Die Besetzer waren sprachlos. Einige hatten sich zuvor von
ehemaligen
Hafenstraßen-Autonomen Rat geholt. Die hatten sie auf einen
knallharten Häuserkampf eingeschworen. Und dann kommt so ein
freundlicher Mann von der Stadt und hat erst mal Verständnis
für so vieles?
Petrat wollte Nutzungsvereinbarungen schließen. Die
Besetzer
könnten doch erst mal dort bleiben, nur müsse alles seine
Ordnung haben. Dem Abteilungsleiter begann seine neue Aufgabe
Spaß zu machen. Auf jede Absprache mit den Besetzern könne
man sich verlassen, sagt er und klingt dabei wie ein Vater, dessen
Kinder manchmal ein bisschen übermütig sind, auf deren guten
Kern man aber doch zählen kann.
Dann beschlossen Petrat und der Senat, die Häuser von den
Holländern zurückzukaufen. 2,8 Millionen Euro hat das
gekostet, plus der Summe, die die Holländer ohnehin schon bezahlt
hatten. Wenn man so will, hat diese 2,8 Millionen Richard Florida der
Stadt eingebrockt.
In Toronto sagt Richard Florida, man solle ihn Rich nennen, er
trägt ein helles Jeanshemd, Motorradstiefel und hat eine
Gesichtsbräune frisch aus Miami. Er brüht doppelte Espressi
auf in der großen offenen Küche seines Instituts und
hält ein Kurzreferat über Karl Marx. Durch die riesigen
Fensterfronten hat man einen Blick über die Stadt Toronto im
Schnee.
Die Fakultät, die der Universität angegliedert ist,
hat
Florida vor drei Jahren aufgebaut, und er hat sie Prosperity Institute
genannt. Ein Institut für den Wohlstand. Es soll hier um die
Fragen des Zusammenlebens gehen. Wie müssen wir das organisieren,
dass Städte sich häuten können, ohne dass es zu
Aufständen kommt?
Er hat 20 Mitarbeiter, Geologen, Ökonomen,
Sozialwissenschaftler.
Sie forschen über den Kapitalismus, wie sich dessen Bedingungen
verändert haben in einer Zeit, in der die westliche Wirtschaft
nicht mehr durch körperliche Arbeit in den Fabriken vorangetrieben
wird, sondern durch intellektuelle, durch kreative Arbeit.
Florida hat den Städten einiges an Instrumenten an die Hand
gegeben, er hat die Drei-T-Formel erfunden, die die Städte nie aus
den Augen verlieren sollten: Technologie, Talent und Toleranz. Er hat
einen "Creativity Index" gebildet, einen "Gay Index" und einen
"Bohemian Index", nach denen Städte zu beurteilen seien.
"Doch es geht nicht darum, diese Werte zu simulieren. Es geht
darum,
sie zu haben. Sie können auch einem dicken Mann kein T-Shirt mit
einem flotten Aufdruck überziehen und sagen, der Typ sei jetzt
plötzlich cool. Ich habe in all meinen Büchern nie von
Marketing gesprochen. Und ich möchte auch keine Rezepte für
Gentrification liefern."
Dass eben die genauen Handlungsanweisungen bei Florida fehlen,
hat
Björn Bloching von Anfang an gestört. Also hat er sich mit
seinen Unternehmensberatern hingesetzt und versucht, die Lehren des
Gurus aus Toronto für Hamburg anwendbar zu machen. Bloching ist
der Hamburg-Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, und er hat im
Jahr 2007 das Gutachten verantwortet, das Hamburg zur Talentstadt
machen sollte. Es ist nichts daraus geworden, inzwischen hat Hamburg
das Leitbild "Talentstadt" schon längst wieder aufgegeben. Die
Moden in der Stadtökonomie wechseln schnell. "Das war doch letzte
Legislatur", sagt einer aus der Stadtverwaltung. Das neue Leitbild der
schwarz-grünen Koalition lautet: "Wachsen mit Weitsicht". Das
Wachsen für die CDU, die Weitsicht für die Grünen.
Bloching fand das schade, er glaubte, Hamburg als Talentstadt
voranbringen zu können. Doch dann hatte er schon wieder eine neue
Idee.
Morgens um acht Uhr kommt er zu einem Frühstück in ein
scheußliches Hamburger Designhotel. Draußen vor dem Hotel
steht sein Fahrrad, er trägt einen groben schwarzen Wollpullover
und wirkt, als wäre er direkt aus dem Gängeviertel
hierhergeradelt: Die Grenzen zwischen Protest und Establishment sind
inzwischen verwaschen, gut 40 Jahre nachdem in den späten
sechziger Jahren linke Protestkultur in Deutschland erstmals
identifizierbar wurde.
Das sieht man auch an der Sprecherin des Gängeviertels, an
Christine Ebeling. Sie würde man wiederum eher bei Roland Berger
in der HafenCity vermuten. Sie trägt meistens High Heels, schwarze
Nylonstrümpfe und Businessrock.
Bloching hat sie neulich getroffen, erzählt er, bei einem
Spaghetti-Arrabiata-Essen, das regelmäßig stattfindet, das
eine Institution in Hamburger Kulturkreisen ist. Bloching und Ebeling
sind formal Gegner: er, der Unternehmensberater, der Turbokapitalist,
der die Stadt berät, wie sie Stadtteile aufwerten kann; sie, die
Künstlerin, die Hausbesetzerin, die die Stadt gezwungen hat, ihre
Pläne im Gängeviertel zu ändern.
"Aber die scheint ja ganz vernünftig zu sein", sagt
Bloching und
erzählt dann, wie er ihr vorschlug, dass die Unternehmensberatung
Roland Berger in das Gängeviertel einziehe. Das wäre doch
was! Es war nur ein Gedankenspiel, das er inzwischen wieder verworfen
hat, doch es zeigt, wie verschwommen die Grenzen geworden sind zwischen
Superkapitalismus und Hausbesetzung. "Es wäre genial gewesen im
Gängeviertel", sagt Bloching. "Wir hätten einen Open Space
errichtet, Stipendien für die Künstler vergeben, Artists in
Residence gehabt. Und wir hätten durch unsere Kunden einen
Absatzmarkt für die Künstler geschaffen, die wiederum unsere
Berater inspiriert hätten." Außerdem, fügt er an, komme
man vom Gängeviertel schnell zum Flughafen.
Doch irgendwie ist er mit diesem Vorschlag nicht durchgedrungen,
nicht
bei der Kultursenatorin und erst recht nicht bei Christine Ebeling,
natürlich nicht.
"Mag sein, dass die das indiskutabel finden", sagt Bloching.
"Aber sie
sollten moralisch nicht auf einem zu hohen Ross sitzen."
Tatsächlich kann man sich fragen, was eigentlich den
Künstlern das Recht verleiht, mehr oder weniger umsonst in bester
Innenstadtlage Ateliers zu fordern. Gerade wer sozial denkt, und das
ist der Kern der Gentrifizierungskritik, könnte auch sagen, es
gibt Bedürftigere, die in diesen Häusern eine Bleibe finden
sollten, als ein paar Bürgerkinder, für die eine
Hausbesetzung sich im Grunde nicht besonders von einer Rucksacktour
durch Asien unterscheidet.
"Ich habe bei dem Abendessen gesagt: Warum gehen die
Künstler
nicht nach Dulsberg, wo es billig ist?" Dulsberg ist ein grauer,
kriegszerstörter Stadtteil im Osten von Hamburg.
In Dulsberg könne man doch nicht kreativ sein, habe ihm
einer
geantwortet.
"Das ist natürlich eine schwierige Argumentation", sagt
Bloching.
Denn in Wahrheit hat ja Kunst immer genau so funktioniert.
Künstler gehen eben doch nach Dulsberg, wie sie in New York auch
mittlerweile nach Queens ziehen, weil sie nicht darauf hoffen
können, einen Hinterhof in SoHo zu beziehen.
Die Hamburger Künstler aber gehen nicht nach Dulsberg. Sie
gehen
lieber nach Altona. Dort in der Fußgängerzone, die aussieht,
wie man sich in den siebziger Jahren die Moderne vorgestellt hat, und
die mittlerweile ein Relikt des Waschbeton-Wahnsinns dieser Ära
ist, findet seit einigen Wochen die nächste Besetzung statt: ein
altes Karstadt-Gebäude, das seit sechs Jahren leer steht. Der
Erfolg im Gängeviertel hat Mut gemacht.
Dirk Petrat aus der Kulturbehörde macht das Sorgen. "Der
Gängeviertel-Nachahmer-Effekt ist gefährlich", sagt er. Die
Stadt will den Altonaer Künstlern für ein Jahr eine ehemalige
Polizeikaserne anbieten, danach einen Bunker. Die Künstler
reagierten reserviert. Irgendwie könne man mit den Besetzern nicht
so gut reden wie mit denen im Gängeviertel, sagt Dirk Petrat und
klingt tatsächlich ein bisschen enttäuscht.
Viele Menschen in Altona finden es gut, dass der alte
Karstadt-Kasten
abgerissen wird und stattdessen ein blau-gelber Ikea-Quader dorthin
kommt. Sie haben eine Unterschriftenliste für Ikea ausgelegt. Aber
es gibt noch ein zweite Unterschriftenliste - gegen Ikea. Die ist aber
nicht ganz so lang. Es steht 9380 gegen 1800. Das war die letzte Zahl,
die die Gegner veröffentlicht haben, sie können allerdings
noch bis Februar sammeln.
Altona ist ein schwieriger Stadtteil, die Arbeitslosigkeit ist
hoch,
der Anteil der Ausländer ebenso, aber in den niedlichen
Straßen des Altonaer Viertels Ottensen hat die Gentrifizierung
schon längst begonnen.
Die Fronten in der Schlacht der Argumente sind ziemlich
verworren:
Nichts an dieser Fußgängerzone scheint erhaltenswert, aber
die Anwohner befürchten ein erhöhtes Verkehrsaufkommen durch
Ikea, ein Unternehmen, das auch ein paar Arbeitsplätze nach Altona
bringen würde; mal ganz davon abgesehen, dass die meisten
Besucher, die zu diesen Diskussionsveranstaltungen kommen, zu Hause
ihre Bücher in Billy-Regale gestellt haben.
An diesem Abend geht es um das Thema: Probleme und Perspektiven
von
Hausbesetzungen früher und heute. Frank moderiert. Frank ist einer
der ehemaligen Autonomen der Hafenstraße, heute trägt er
einen anthrazitfarbenen Rollkragenpullover, ordentliche Jeans, seine
Haare haben einen Graustich. Drei Frauen sind aus dem Gängeviertel
geladen, unter ihnen Christine Ebeling, die Sprecherin. Die anderen
beiden sind deutlich jünger und vor allem verwirrter. Sie
verbessern sich gegenseitig, fallen sich immer wieder ins Wort. Ja, sie
sind erschöpft.
"Besetzung ist ein Fulltime-Job", sagt die eine.
Man will sich austauschen über die Erfahrungen bei der
Hausbesetzung. Vielleicht können die Gängeviertel-Frauen ja
noch etwas lernen. Andererseits ist das unwahrscheinlich, denn sie sind
ja die Shootingstars der Hausbesetzer, wie es der
Hafenstraßen-Mann Frank formuliert. Sie haben es geschafft,
zwölf Häuser zu besetzen, zu konsolidieren, und können
nach nur vier Monaten sogar bleiben. Dafür haben die
Hafenstraßen-Besetzer in den achtziger und neunziger Jahren zehn
Jahre und unzählige Straßenschlachten gebraucht.
"Gut, ihr habt es auch etwas einfacher", sagt Frank. "Ihr habt
keine
Leute aus dem RAF-Umfeld und keine Junkies."
Und das ist, zumindest auf dieser Podiumsdiskussion in der
Sperrmüllkneipe, gleichzeitig auch das Problem der drei
Gängeviertel-Vertreterinnen: Sie sind zu brav.
Ob das in Ordnung ist, so eng mit der Stadt zu kooperieren? Ist
es in
Ordnung, sich, wie es heißt, "institutionalisieren zu lassen"?
Muss es nicht irgendwann auch mal einen Polizeieinsatz geben?
"Everybody's Darling ist irgendwann auch everybody's Depp", sagt
Frank
aus der Hafenstraße.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute sehen Besetzer
aus wie
Unternehmensberater und umgekehrt. Die Springer-Presse druckt Manifeste
aus der linken Subkultur, ein Guru in Toronto fängt an, Marx zu
zitieren, damit er nicht in Verdacht gerät, die Rezepte für
Gentrifizierung zu liefern; der Unterhändler der Stadt spricht
über die Künstler wie über seine Kinder, während
sich die Stadt inoffiziell mit den Besetzern verbündet. Der alte
Verbündete, ein Finanzinvestor, den die Städte bis vor kurzem
niemals verprellt hätten, ist zum Gegner geworden.
Und all dies scheint plötzlich auf in einer Situation, die
sich an
einem späten Nachmittag im Gängeviertel abspielt. Marc, ein
Künstler, der dort ein Atelier hat, ist im Stress. Die Saga, eine
der Hausverwaltungen der Stadt, war da. Die Saga-Leute drohten, das
obere Stockwerk eines Hauses zu sperren, zu viel Bauschutt,
Einsturzgefahr. Marc bimmelt mit seinem Handy schnell einige Leute
herbei, zum Aufräumen. Dann muss er weg. Er soll eine Führung
machen. Die Volkshochschule ist wieder da.
"Die kommen ständig", sagt er.
Und so führt er an diesem Abend neun Hamburger Damen in
bunten
Blousons durch die besetzten Häuser. Er zeigt ihnen die Ateliers,
die Höfe, die Galerien. Die Damen sind begeistert. Eine von ihnen
fühlt sich an die Zeit in Hamburg nach dem Krieg erinnert, an die
Aufbruchstimmung damals, eine andere sagt: "Ich lebe seit 60 Jahren in
Hamburg. Das ist das erste Mal, dass sich hier Widerstand regt gegen
die Stadtpolitik, die hier immer üblich war, bei der wir nicht
gefragt wurden."
Den Damen wird das Manifest ausgehändigt, dasselbe, das bei
Richard Florida in Toronto auf dem Schreibtisch liegt. Sie lesen laut.
Sie finden alles sehr richtig. So weit ist es schon. Womöglich hat
die Stadt tatsächlich ein Problem.
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GIPFEL-SOLI-NEWS
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gipfelsoli.org/Newsletter 2.1.10
2.1.2010 Kopenhagen -- Toronto -- Paris -- Strasbourg/
Baden-Baden
- Action against the Danish police and the power of attorney
- Statement from our friends who are still imprisoned in Denmark
- COP-enhagen.net: net-working to tackle repression, police
brutality
and civil rights violations
- Protest gegen Inhaftierung von Greenpeacern geht weiter
- Farbanschlag auf die dän. Botschaft in Berlin
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meiner Demo
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- Burn the borders, Paris calling
- Zur Repression nach den Anti-Nato-Protesten in Strasbourg
- Nah am Wasser gebaut...
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