MEDIENSPIEGEL 27.1.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Das Rauchverbot im Oberaargau
- Sicherheits-Wahn im BE-Wahlkampf
- RaBe-Info 27.1.10
- Anti-WEF Basel: Feuer und Flamme
- Public Eye: Protest per Limousine
- Anti-WEF-Demo Davos bewilligt
- Anti-WEF ZH Kleindemo + Graffiti
- Polizeikosten LU
- IKU BOA LU
- Schlachtfeier Sempach fällt aus

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REITSCHULE
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Mi 27.01.10
19.00 Uhr - SousLePont - Argentinien Spezialitäten
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne #119

Do 28.01.10
20.30 Uhr - Kino - Belarus Fokus: Music Partisans, Miroslaw Dembinski. Polen 2007
21.00 Uhr- Roessli - Ching Chong Song (USA) / The Wowz (USA) - Support: The Good, The Band and No Ugly - Cabaret feat. Anti-Folk

Fr 29.01.10
20.00 Uhr Grosse Halle - INDIENFORUM: Film "Der lange Weg zum eigenen Land" von Hans-Jürg Pfaff und Kurzfilm-Premiere mit anschliessender Diskussion
20.30 Uhr - Tojo - 3. Secondo Theatertournée 3 prämierte Kurzstücke vom 3. Secondo Theaterfestival
21.00 Uhr - Kino - Belarus Fokus: Kurzfilmprogramm, 78 Min

Sa 30.01.10
20.00 Uhr - Grosse Halle - INDIENFORUM: Bharatanatyam, klassischer südindischer Tempeltanz
20.30 Uhr - Tojo - 3. Secondo Theatertournée: 3 prämierte Kurzstücke vom 3. Secondo Theaterfestival
21.00 Uhr - Kino - Belarus Fokus: 89 Millimeter - Freiheit in der letzten Diktatur Europas, Sebastian Heinzel. Deutschland 2005
23.00 Uhr - Dachstock - The Local Darkside: Axiom (Renegade Hardware/CH), VCA (Biotic Rec/CH), Lockee (Rabass/CH), Lewin (Drumandbass.ch), Romic (Berne City)

Infos: http://www.reitschule.ch

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RAUCHVERBOT
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BZ 27.1.10

Rauchverbot

 Eher positive Bilanz

 Im Oberaargau scheint das Rauchverbot in den Restaurants keine grösseren Probleme zu verursachen. Insgesamt sind gemäss dem zuständigen Untersuchungsrichter erst drei Strafanzeigen wegen Missachtung des Verbots eingegangen. Bei den angefragten Wirten wird ein differenziertes Fazit gezogen: Einerseits habe das Verbot ein besseres Raumklima bewirkt, auf der anderen Seite würden die Feierabendgäste weniger lang bleiben als früher. Insbesondere Betriebe, die mehr auf den Ausschank als auf Essen spezialisiert sind, würden das zu spüren bekommen. Finanzielle Einbussen beklagten die befragten Gastgeber aber nicht. sw

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Rauchverbot in Restaurants

 Stammtische weniger belebt

 Seit dem 1.Juli 2009 gilt im Kanton Bern das Rauchverbot. Wie ist die Situation in Oberaargauer Restaurants? Haben sich die Befürchtungen bestätigt? Trotz weniger rauchender Gäste ziehen etliche Wirte eine positive Bilanz.

 "Seit dem Verbot ist es mit dem Husten meiner Frau deutlich besser geworden." Fritz Graber, Wirt des Hotels Mohren in Huttwil, spricht Klartext. Die Zustände, wie sie vor der Einführung des Rauchverbotes geherrscht hätten, seien fast untragbar gewesen. Das Personal habe vom starken Rauch regelmässig Tränen in den Augen gehabt.

 Dies hat sich nun geändert. Seit dem 1.Juli 2009 ist das Rauchen in Restaurants im Kanton Bern verboten. Doch das Rauchverbot bleibt umstritten. Während sich die einen über die saubere Luft freuen, beklagen andere den wachsenden Gästeschwund.

 Kleinerer Stammtisch

 Zu den Gegnern des Verbotes gehört auch Wirt Thomas Brand vom Gasthof Löwen in Ursenbach. "Der Stammtisch hat sich sichtlich ausgedünnt", berichtet er. Gäste, die früher bis zu drei Stunden in der Gaststube verweilten, würden heute noch etwa eine Stunde bleiben. Dabei, so glaubt Brand, hätte sich das Problem mit dem vielen Rauch von alleine gelöst: "Bereits vor dem 1.Juli haben immer weniger Leute geraucht." Jetzt aber würden sich die Raucher diskriminiert fühlen.

 Gesundheit geht vor

 Dieser Meinung widerspricht Fritz Graber vom Huttwiler "Mohren": "Der Stammtisch ist schon vor dem Rauchverbot immer kleiner geworden. Das hat nichts zu tun mit dem Rauchen, sondern mit der sich ändernden Zeit." Heute würden die Jungen in ihrer Freizeit lieber Sport treiben und im Internet surfen, als ihre Zeit am Stammtisch zu verbringen.

 Viele Wirte im Oberaargau sehen im Rauchverbot sowohl Vor- als auch Nachteile. Matthies Stampfli vom Hotel Bären in Langenthal: "Es gibt zwei Seiten. Auf der einen Seite das Raumklima, das sich für Gäste und Personal sicherlich verbessert hat." Andererseits sei der Feierabend an der Bar schneller zu Ende als früher. So sieht das auch Elisabeth Kurth vom Gasthof Löwen in Attiswil: "Wir haben weniger Feierabendgäste als früher. Die Gesundheit der Angestellten geht jedoch vor."

 Finanziell hat sich seit dem 1.Juli 2009 bei keiner der befragten Beizen eine Einbusse bemerkbar gemacht. Trotzdem bekommt man von vielen Wirten in der Region die gleiche Meinung zu hören: "Wir hätten eine liberale Lösung bevorzugt."

 Geschwächte Gaststuben

 Es gehe jetzt aber darum, in die Zukunft zu schauen, sagt Matthies Stampfli. "Es stellt sich die Frage, was wir machen können, um keine Gäste auszugrenzen", so der Chef vom "Bären" Langenthal. Für einige Beizen könnte das heissen, künftig einen Strukturwandel anzustreben. "Gut möglich, dass es bald nur noch Restaurants gibt, die zur Essenszeit offen haben", mutmasst Thomas Brand.

 Und tatsächlich scheinen jene Beizen, die weniger auf den Gaststubenbetrieb angewiesen sind, mit dem Verbot besser zurechtzukommen. So etwa im "Bären" Madiswil, wo schon vor dem 1.Juli 2009 das Rauchen im Esssaal untersagt war. "Unsere Gäste kommen vor allem zum Essen zu uns und weniger zum Trinken", beschreibt Wirtin Eliane Ingold die Ausrichtung ihres Betriebes.

 Teils neue Gäste

 Eine ähnliche Situation herrscht im Restaurant A la carte in Langenthal. Wirtin Therese Hälg schliesst ihren Betrieb ausser am Freitag bereits um 18.30 Uhr und ist deshalb nicht auf die Feierabendgäste angewiesen. "Unsere Gäste am Nachmittag kommen wegen Kaffee und Kuchen. Da passt der Rauch nicht dazu", sagt Hälg, die mit dem neuen Verbot sehr zufrieden ist. Sie habe den Eindruck, dass neuerdings viele Gäste in ihr Lokal kommen, die früher wegen des Rauches nicht gekommen seien. Von finanziellen Einbussen weiss Therese Hälg denn auch nichts zu berichten: "Ich würde sagen, wir haben heute sogar mehr Gäste als vorher."

 Erst drei Anzeigen

 Jene Restaurants, die auf ihre Gaststube angewiesen sind, werden sich aber weiterhin mit dem Rauchverbot arrangieren müssen. "Wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen", sagt Elisabeth Kurth.

 Laut Hansjürg Brodbeck, dem geschäftsleitenden Untersuchungsrichter in Burgdorf, sind Ende 2009 und zu Beginn des neuen Jahres im Oberaargau nur drei Anzeigen wegen Nichteinhaltens des Rauchverbotes eingegangen.

 Sebastian Weber

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SICHERHEITS-WAHN
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Bund 27.1.10

Wahlkampf mit Sicherheitsfrage

 Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) zeigt sich irritiert über das Engagement zweier Regierungsräte im Komitee "Für eine sichere Stadt Bern".

 Die beiden Regierungsräte Christoph Neuhaus (svp) und Urs Gasche (bdp) sind Mitglieder des bürgerlichen Komitees "Für eine sichere Stadt Bern". Während Gasche bei der Regierungsratswahl nicht mehr antritt, stellt sich der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor Neuhaus zur Wiederwahl. Neuhaus engagiert sich für das Volksbegehren, "weil wir im Sicherheitsbereich Druck aufsetzen müssen", sagt er auf Anfrage. Er sei vom Komitee angefragt worden. Als Privatperson habe er auch schon brenzlige Situationen erlebt in der Berner Innenstadt und kenne viele Leute, "die Angst haben". Er stehe im Wahlkampf, so Neuhaus, "und das Thema Sicherheit ist für mich ein wichtiges Anliegen". Die "unmotivierte Gewalt" nehme zu.

 Dass er sich damit gegen die Berner Stadtregierung stellt, erachtet Neuhaus nicht als problematisch; das Kollegialitätsprinzip sei ja hier nicht tangiert. Es fällt allerdings auf, dass der bernische Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (fdp), der ebenfalls im Wahlkampf steht, bei diesem Komitee nicht dabei ist.

 Als "stossend" erachtet Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) das regierungsrätliche Engagement, zumal weder Gasche noch Neuhaus in der Stadt wohnhaft und stimmberechtigt seien. "Was würde man wohl sagen", fragt Tschäppät, "wenn sich der Stadtpräsident von Bern in Neuhaus' Wohngemeinde Belp in Gemeindeangelegenheiten einmischte?" Das Bedürfnis nach mehr Sicherheit sei unbestritten, so Tschäppät, der Gegenvorschlag des Gemeinderats weise aber den praktikablen Weg zum Ziel.

 Neuhaus, dem oftmals Profillosigkeit vorgeworfen wurde, könne mit diesem Engagement nun zeigen, dass er auf strammem SVP-Kurs sei, monieren kritische Wahlbeobachter. (dv)

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Bund 27.1.10

SP ist für Gegenvorschlag der Sicherheitsinitiative

(sda) (pd)

 Die Delegierten der SP Stadt Bern haben sich mit grossem Mehr für den gemeinderätlichen Gegenvorschlag zur Sicherheitsinitiative ausgesprochen, über die am 7. März abgestimmt wird. Dies teilte die Partei gestern mit. Die Initiative "Für eine sichere Stadt Bern" ihrerseits schiesse weit über das Ziel hinaus. Sie gaukle vor, "mit einseitig polizeilichen Massnahmen mehr Sicherheit zu schaffen". Die Initiative bekam von den Delegierten keine Stimme. Den Baukredit zum neuen Feuerwehrstützpunkt empfiehlt die SP deutlich zur Annahme.

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RABE-INFO
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RaBe-Info 27. Januar 2010
http://www.rabe.ch/pod/audio/RaBe-Info-2010-01-27-53997.mp3
- Rasieren, Teetrinken, Silvesterklausen - moderne Männer und ihre Rituale
- Das WEF- unbestritten umstritten: ein Radio-Feature zum Auftakt des World Economic Forums

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ANTI-WEF BASEL
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Basler Zeitung 27.1.10

Auto im Gellertquartier absichtlich angezündet

 Basel. Die "unsichtbare Gruppe", die sich zum Brandanschlag auf ein Auto im Gellertquartier bekannte (BaZ von gestern), ist der Staatsanwaltschaft nicht bekannt. Das sagt deren Sprecher Markus Melzl. Aber es sei nicht unüblich, dass es im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums (WEF) zu ideologisch motivierten Sachbeschädigungen komme. Melzl bestätigte gestern, dass es sich beim Vorfall vom Montag um Brandstiftung handelte. Zunächst waren die Behörden von einem Batteriebrand ausgegangen.  daw

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Blick am Abend 26.1.10

Es brennt schon vor der Demo

 Anschlag

 Unbekannte fackeln ein Luxusauto ab. Aus Protest gegen das WEF.

 ronny.wittenwiler@ringier.ch

 Das Bekennerschreiben kam per Mail: "In der Nacht auf Montag haben wir im Gellertquartier einen Luxuswagen in Flammen gesetzt."

 Markus Melzl von der Staatsanwaltschaft bestätigt: "Ein VW Toua reg brannte. Wir gehen von Brandstiftung aus." Zum Anschlag bekannte sich die "unsichtbare gruppe". Und sie nimmt damit Bezug auf das morgen beginnende WEF. "Wieder einmal wird die globale Elite versuchen, ihr Unrechtssystem zu stabilisieren."

 Die Gruppe will am Samstag in Basel auch auf die Strasse gehen.

 Sie nimmt an der Kundgebung vom Anti-Wef-Bündnis Basel teil. Noch ist diese Demo nicht bewilligt. "Wir suchen das Gespräch mit den Gesuchsstellern", sagt Klaus Mannhart von der Polizei Basel-Stadt. Was die Polizei am Samstag erwartet, darüber gibt Mannhart keine Auskunft: "Wir wollen die Situation nicht anheizen." In der Vergangenheit kam es öfters zu Sachbeschädigungen und Krawallen.

 Zum Brandanschlag der vermeintlichen Wef-Gegner im Gellertquartier äussert sich Melzl so: "Ein solches Vorgehen ist kein demokratischer Weg. Und ich nehme nicht an, dass der Geschädigte deswegen jetzt Tram fährt."

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Anti-WEF-Demo Basel:
http://ch.indymedia.org/de/2010/01/73263.shtml

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PUBLIC EYE
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Pressetext 27.1.10

Public Eye: Davos im Schatten der Skandal-Elite

 Ratlosigkeit beherrscht Weltwirtschaftsforum

 Davos (pte/) - Alle Jahre wieder trifft sich die Wirtschaftselite beim World Economic Forum (WEF) in Davos. Wie jedes Jahr werden zum Startschuss skandalträchtige und unverantwortliche Unternehmen mit dem Public Eye Award gekürt und durch die Erklärung von Bern (EvB) http://www.evb.ch und Greenpeace in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/080126012/). Das WEF ist anders als sonst und mehr denn je von Ratlosigkeit überschattet. Die Nominierungen für die Skandal-Auszeichnung waren eine vergleichsweise klare Sache.

 "Bei den Nominierungen gab es letztlich eindeutige Entscheidungen", meint Oliver Classen, Mediensprecher der EvB und Koordinator der Public Eye Awards, im Gespräch mit pressetext. Zwar stehe die Jury immer vor einer schwierigen Entscheidung. "Wir müssen stets Äpfel mit Birnen vergleichen und entscheiden, welches unverantwortliche Verhalten gravierender ist als das andere", erklärt Classen. Schlussendlich sei die Wahl der nominierten Konzerne jedoch klar gewesen. Bei den betroffenen Unternehmen ist der Preis eher unbeliebt, macht er doch auf umwelt- und menschenverachtende Praktiken aufmerksam.

 Auswege aus der Krise

 Für den Public Eye "Global Award" sind drei Konzerne aus drei Kontinenten nominiert. Aus mehr als 40 Nominierungen durch NGOs wählte die Jury den Stahlgiganten Arcelor Mittal, die Royal Bank of Canada sowie GDF Suez. Letztere sind ihrerseits beispielsweise für die Finanzierung "des ökologisch wie sozial fatalen Ölsand-Abbaus in der kanadischen Provinz Alberta" bzw. für ein Großkraftwerk am brasilianischen Madeira-Fluss, "das gigantische Umweltzerstörungen und Massenvertreibungen der indigenen Bevölkerung zur Folge hat", verantwortlich.

 Darüber hinaus werden der "Greenwash Award" und der "Swiss Award" vergeben, wofür mitunter der Pharmakonzern Roche oder das International Olympic Comittee nominiert sind. Parallel zur Public-Eye-Verleihung fällt der Startschuss für das WEF, in dessen Rahmen Wirtschaftsweise und Führungskräfte schlussendlich Lösungen und Auswege aus der Krise finden sollen. Zwar scheinen die schlimmsten Folgen des bereits mehr als zwei Jahre andauernden Wirtschaftsdebakels überstanden. Statt Aufbruchsstimmung dominieren derzeit dennoch Zweifel und Unsicherheit.

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Tagesanzeiger 27.1.10

Weltwirtschaftsforum in Davos

 Der Protest fährt jetzt in Limousine vor

 Vor zehn Jahren wurde die Globalisierungskritik in Rauch und Tränengas geboren. Heute herrscht Ruhe. Dafür sind die Ideen der Bewegung mitten im Establishment gelandet. Von Constantin Seibt

Constantin Seibt

 Es waren 350 Leute, die letzten Sonntag in Luzern gegen die Globalisierung und das Weltwirtschaftsforum (WEF) demonstrierten - und nicht einmal eine Planke der Kapellbrücke ging zu Bruch. In den Zeitungen erschienen nur Kurzmeldungen über die Demonstranten.

 Dafür tun manikürte Hände jetzt ihre Arbeit. Etwa die gepflegten von Lord Adair Turner, einem stocksteifen Technokraten der britischen Bankenaufsicht: Er beschreibt das Bankensystem als "unnütz für die Gesellschaft" und fordert die Tobin-Steuer - eine Promilleabgabe auf alle Finanztransaktionen, welche die Spekulation verteuern.

 Noch vor zehn Jahren hätte man Worte wie von Lord Turner nur auf Flugblättern gelesen. Heute teilen seine Meinung die Leute, die früher Städte belagert hatten, um gegen Treffen von Merkel, Brown und Sarkozy zu protestieren. Die Globalisierungskritik findet heute nicht mehr auf der Strasse statt, sie fährt in der gepanzerten Limousine vor.

 Die Geburt eines Gespenstes

 Am 30. November 1999 in Seattle tauchte die globalisierungskritische Bewegung wie aus dem Nichts auf: 50 000 gut vorbereitete Demonstranten blockierten das Kongresszentrum der Welthandelsorganisation (WTO), die überrumpelte Polizei griff zu Knüppel und Tränengas, drei Tage Chaos und Brutalitäten folgten. Am Ende reisten die WTO-Delegierten frustriert ab - ohne sich auch nur auf eine Abschlusserklärung geeinigt zu haben.

 Die Geburt in Chaos, Triumph und Widersprüchen war typisch für die junge Bewegung: Die 50 000 Protestierenden waren nämlich nicht aus dem Nichts gekommen, sondern aus Hunderten von kleinen und kleinsten Politgruppen, die sich über das brandneue Internet vernetzt hatten. Erstmals in der Geschichte drehten in Seattle Digitalkameras, alles wurde auf einer Webseite publiziert, Indymedia.org, die in jener Woche mehr Hits verbuchte als Cnn.com.

 Der Aufruhr galt der WTO - 1995 mit dem Ziel gegründet, durch den freien Handel die Armut zu lindern, dazu benützt, die geschützten Märkte der einzelnen Länder für internationale Konzerne zu knacken. Die WTO hatte im Jahr zuvor ihre erste grosse Blamage erlitten: Sie hatte die an sich stabilen Schwellenländer Asiens dazu überredet, ihre Kapitalmärkte zu öffnen. Worauf die Finanzgemeinde Unsummen investierte - ein Tsunami aus Geld mit Immobilienblase und hektischen Konzernübernahmen folgte. Dann, als der Profit stagnierte, zog das Kapital in Panik ab. Und liess wie jede Springflut Zerstörung zurück - mit fast bankrotten Ex-Tigerstaaten und einer weltweiten Börsenkrise.

 Der spektakuläre Erfolg der Protestbewegung, das Platzen der WTO-Konferenz, war jedoch nicht auf die Einsicht der Delegierten zurückzuführen. Und auch nicht auf den Protest. Sondern darauf, dass US-Präsident Bill Clinton Minimalstandards für Arbeiterrechte durchsetzen wollte. (Weniger aus Idealismus, als um die US-Unternehmen vor Billigkonkurrenz zu schützen.) Drittweltländer, und zwar eher diktatorische, deren einziger Wettbewerbsvorteil die Hungerlöhne waren, liessen die Konferenz in der Folge abstürzen.

 Es war ein grosser Sieg - mit Widersprüchen, aber mit Schwung. Zwei Monate später eskalierte eine fröhliche Strassenschlacht am WEF - und seither war die Bewegung in der begeisterten Weltpresse ein frisches Phänomen: faszinierend heterogen, idealistisch, gewaltig und gewalttätig sowie internetbasiert: "Eine andere Welt ist möglich."

 2001 fand zum ersten Mal ein Weltsozialforum (WSF) statt. Gedacht als Gegenveranstaltung zu den Gipfeln der WTO, des WEF und den Treffen der Regierungschefs der G-8-Staaten kamen die Kritiker der Globalisierung im brasilianischen Porto Alegre zusammen. Dieses Jahr, zum zehnjährigen Jubiläum, ist das Weltsozialforum dieser Tage nach Porto Alegre zurückgekehrt.

 Das grosse Auftauen

 Die Bewegung war, zersplittert, aber bunt, ein Kind ihrer Zeit: Ihre Mutter war die Revolution des Internets und der New-Economy-Blase. Ihr Vater die Enttäuschung: "Wo sind die Individualhubschrauber geblieben, die man uns immer versprochen hat?", fragte der Schriftsteller William S. Burroughs. Und die Bewegung fragte: "Wo ist die freundliche Welt geblieben, die man uns nach dem Fall des Eisernen Vorhangs versprochen hat?"

 Es folgte das Auftauen der Kritik. Man sah es auf allen möglichen Podien: Das Publikum war blutjung, neugierig und technisch auf dem neuesten Stand. (Auf den Demonstrationen gegen das WEF verband die Demonstranten mit den Topmanagern eins: Jeder zweite hatte ein Handy am Ohr.) Vor den blutjungen Aktivisten dozierten oft uralte Köpfe: ergraute Marxisten, Trotzkisten, KP-Mitglieder. Ihre Politbüro-Monologe klangen, als hätte man sie nach Jahrzehnten aus dem Gefrierfach geholt.

 Doch so muffig die aufgetaute Kapitalismuskritik oft roch, sie artikulierte sonst Ungesagtes: zur Schockliberalisierung des Ostblocks, zu den Strudeln der Finanzmärkte, zur Politik, die den Konzernen gab, was sie verlangten. Nur so konnte ein derart umständlicher Schreiber wie Ignatio Ramonet so enormen Erfolg haben: Ein einziger schwerfälliger Artikel über ein exotisches Thema wie die Tobin-Steuer rief eine Begeisterung hervor, dass sich europaweit Zehntausende zu einem Klub zusammenschlossen, der diese Steuer forderte: Attac.

 Bezaubert waren auch die Medien: Digital- und TV-Kameras verbrüderten sich. Immer mehr Leute marschierten gegen das WEF und die G-8-Gipfel auf, die sich in militärische Sperrgebiete verwandelten: Die Macht brachte Stacheldraht, Hubschrauber, Sondergesetze hervor. Als die Demonstranten 2001 von Davos nach Zürich verschoben wurden - und die Stadt brannte, titelte der "Blick": "Polizeiterror!"

 2002 floh das WEF aus Angst vor den Demonstrationen und aus Ärger über die angeblich zu nachsichtigen Behörden nach New York. Bundespräsident Kaspar Villiger eröffnete in wildem Englisch das WEF und die Gegenkonferenz Public Eye: "Diälog rekweiers spiiking änd listening. Ei wantet to give partikular attäntschion to the latter hiere!"

 Villiger log. Seine Ohren blieben Dekoration. Er ging sofort nach der Rede. Doch bei seinem Abgang machte er eine Bemerkung: "Die sind ja ganz klein hier. Die muss man ja nicht fürchten!"

 Der Tod in Genua

 Es war der Moment, als die Anti-Globalisierungs-Bewegung ihr Erpressungspotenzial verlor. Zum G-8-Gipfel im Juli 2001 in Genua kamen über 100 000 Menschen. Die Polizei griff an, prügelte, verhaftete, der Demonstrant Carlo Giuliani wurde erschossen. Die Panik in den Strassen zeigte, dass die Massendemonstration nicht mehr zu steuern waren. Dann, nach dem 11. September, fiel auch noch der Motor aus: die amerikanischen Polit-NGOs. Sie hatten in der patriotischen Stimmung nach dem Attentat keine Chance mehr, mit ihrer Kritik anzukommen.

 Am Ende: Die Profis

 Was blieb, waren die Profis, Tausende NGOs vom Einprotestbüro bis zu konzernähnlichen Organisationen, die weiter ihren Job taten: Konzerne und Regierungen einzuschüchtern, Skandal zu machen und so Spenden zu erhalten. Sie waren wieder allein. "Nachdem wir zwei Jahre ein Stück von etwas ganz Grossem, einem mächtigen Phantom gewesen waren", wie ein Aktivist erklärte.

 Die wahre Melancholie aber ergriff die Profis in der letzten Zeit: die Melancholie des Déjà-vu. Wieder brandete der Tsunami der unregulierten Finanzmärkte an, wieder hinterliess er Verwüstung. Doch diesmal nicht in Brasilien, Thailand, Russland, sondern im Zentrum der Business-Welt: in den Banken Europas und der USA.

 Nun ist die ehemals kühne Kritik an Deregulierung, Finanzströmen und falschen Anreizen Banalität geworden; der Plan einer weltweiten Tobin-Steuer kommt nun aus den Regierungspalästen - allerdings nicht, um, wie einst erträumt, die Länder des Südens zu stützen, sondern um die enormen Summen zu decken, die man den eigenen Banken in den Rachen schaufeln musste.

 Kurz: Die Globalisierungskritik ist nun, da nicht mehr die Unterschicht, sondern die Oberklasse betroffen ist, zum Gemeingut geworden. Doch auf der Reise zum Establishment verloren die Ideen das, was man auf dieser Reise immer verliert: Naivität und Hoffnung.

 Dafür wird Public Eye, das Gegen-WEF, heute vom Uno-Finanzkrisen-Sonderbeauftragten eröffnet: vom Wirtschaftsnobelpreisträger Josef Stiglitz. Er wird eine Rede halten, wie sie zehn Jahre zuvor nur Aussenseiter hielten: für die Zerlegung von Banken und gegen den "Sozialismus für Reiche"

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ANTI-WEF DAVOS
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Südostschweiz 27.1.10

Grüne können gegen WEF demonstrieren

 In Davos kann gegen das World Economic Forum demonstriert werden. Der Davoser Kleine Landrat hat das Gesuch der Grünen Partei genehmigt.

 Davos. - Am Samstag wird in Davos gegen das World Economic Forum (WEF) protestiert. Der Kleine Landrat hat gestern ein entsprechendes Demonstrationsgesuch bewilligt. Als Organisatoren treten die Grüne Partei Davos, die Juso Graubünden sowie der Verein Autonome Jugend Davos auf. Zum Protestmarsch werden rund 120 Personen erwartet.

 Der Protestmarsch wird um 13.30 Uhr beim Rathausplatz in Davos Platz beginnen. Die Route führt dann via Bahnhof- und Talstrasse zum Bahnhof nach Davos Dorf. Dort wird die Schlusskundgebung stattfinden. Das Ende der Demo ist für 17 Uhr vorgesehen.

 Kein Protest vor Kongresszentrum

 Die Demo-Organisatoren hatten auch dieses Jahr darum ersucht, direkt vor dem Kongresszentrum demonstrieren zu können. Dies wurde aber erwartungsgemäss nicht bewilligt. Als zentrale Verkehrsachse könne die Promenade nicht für Demonstrationen freigegeben werden, hält die Davoser Exekutive in einer Mitteilung fest. (béz)

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Indymedia 26.1.10

nähere infos zur demo in davos ::

AutorIn : reVOLUTION         

Am Samstag, dem 30. Januar findet die "original DAVOSER" WEF-Demo statt. Besammlung ist um 14:00 Uhr beim Rathausplatz.

Die Demoroute führt über die Bahnhofstrasse am Bahnhof Davos Platz vorbei und über die Talstrasse nach Davos Dorf. Zwischenstopps sind vor dem Kongresszentrum und vor der Sicherheitszone beim Hotel Seehof in Davos Dorf vorgesehen. Endpunkt des Demonstrationsumzugs ist der Bahnhof Davos Dorf.

Anreise am besten zu Fuss oder mit der Bahn bis zu Bahnhof Davos Platz. Der Rathausplatz befindet sich etwas oberhalb beim Bahnhof Davos Platz. Bei der Anreise ist mit Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs zu rechnen, macht euch darum rechtzeitig auf den Weg...

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Anti-WEF-Demo Davos:
http://ch.indymedia.org/de/2010/01/73320.shtml

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ANTI-WEF ZH
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Indymedia 27.1.10

WEF:Aktion gegen "Pre-WEF-Meeting" der CH-Ind.-Handelskammer ::

AutorIn : reader         

Rund 20 Leute haben am Dienstag, 26.1.2010, mit einer kurzen Kundgebung über Mittag das Pre-WEF-Meeting der Schweizerisch-Indischen Handelskammer im Zunfthaus zur Meisen in Zürich mit Parolen und Knallern gestört. Dabei wurde folgendes Flugblatt verteilt:

Indien beutet aus, die Schweiz beutet mit...

Wenn Hunderte ArbeiterInnen in der Schweiz ihre Stelle verlieren, weil ihr Betrieb die Produktion nach Indien auslagert, wenn Hunderte Millionen Menschen in Indien ein von Hunger und Armut geprägtes Leben führen, weil kein Geld für Nahrung, Bildung oder medizinische Hilfe vorhanden ist, dann hat das sehr wenig mit "ökonomischen Notwendigkeiten", dafür umso mehr mit der Produktionsweise des Kapitalismus zu tun: In Zeiten, in welcher der Kapitalismus in einer Krise steckt, ist es für die Kapitalisten keine leichte Aufgabe, in profitable Sektoren zu investieren - wie letzthin das Erdbeben auf dem Finanzmarkt zeigte. Und so wird der Profit dort gesteigert, wo es noch möglich ist: Die Ausbeutung der ArbeiterInnen wird verstärkt - sei es durch tiefere Löhne oder durch schlechtere Arbeitsbedingungen. Oder aber, es werden neue Gebiete in die kapitalistischen Märkte einverleibt und Profit mittels dem Umstand, dass in der Dritten Welt schlechteste Arbeitsbedingungen möglich sind und damit stärker ausgebeutet werden kann, generiert. Ein Beispiel ist Indien.

Dieses Jahr veranstaltet die Schweizerisch-Indische Handelskammer, eine Interessenvereinigung des schweizer und des indischen Kapitals, einen Tag vor der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums WEF ein "Meeting" im Zunfthaus Meisen. Natürlich ist es den schweizer Konzernen nicht entgangen, wie stark sich die kapitalistische Wirtschaft in Indien entwickelt hat, sprich: dass sich im Osten ein neues Gebiet für Investitionen und Ausbeutung auftut. So sind allein seit 2004 die Exportraten jährlich um rund 35 Prozent gestiegen; die Direktinvestitionen betragen mittlerweile knapp zwei Milliarden Franken. Das staatliche Seco und die privatwirtschaftliche KPMG schufen 1997 mit der "Swiss Organisation for faciliting Investments" ein Instrument zur Optimierung von Kapitalexport. Wobei "Optimierung" im kapitalistischen Sprachgebrauch nur die Optimierung des Kosten-Nutzen-Faktors meinen kann - Billigstlöhne und Auslagerung der Produktion: So plant die schweizerische Rieter Holding AG den weiteren Ausbau ihrer Produktionsstandorte in Indien, womit Hunderte Arbeitsplätze in der Schweiz gefährdet sind - Michael Enderle, der "Kopf" von Rieter Indien, ist nicht zufällig Präsident der indischen Nordregion der Schweizerisch-Indischen Handelskammer.

Auch in einem anderen Bereich kommen schweizer Interessen ins Spiel: Gerade in diesem Monat hat die KPMG zusammen mit dem Verband der indischen Industrie eine Analyse über das Waffenarsenal der indischen Armee abgeschlossen. Ergebnis: Mindestens die Hälfte aller Waffen sind veraltet und es ist eine "Modernisierung", sprich Aufrüstung, notwendig. Rüstungskonzerne à la RUAG oder "Oerlikon" wird's freuen!

Wofür ein solch modernisiertes Waffenarsenal gebraucht wird, ist schnell klar. Mit der so genannten Aktion "Green Hunt" will der indische Staat demnächst gegen die kommunistischen RebellInnen im Land vorgehen. In einem Land, in welchem aufgrund des kapitalistischen Systems 44 Prozent in starker Armut leben, ein Viertel unterernährt ist und Zugang zu Medizin und Bildung nur den Wohlhabenden vorbehalten ist, hat die KPI (Maoistisch) erreicht, befreite Gebiete zu errichten, in welchen die Gesetze des Kapitalisten nicht gelten und Unterdrückung, Ausbeutung, Kastendiskriminierung oder Hunger nicht mehr existieren. Natürlich gefällt dies den Herrschenden nicht: mit brutalstem Vorgehen gegen die MaoistInnen selbst als auch gegen die insbesondere indigene Zivilbevölkerung wird versucht, die revolutionäre Gegenmacht zu Boden zu schlagen.

Die schweizer Konzerne helfen da tatkräftig mit - kommen sie aus der Rüstungsindustrie, seien sie Geschäftsprüfungsunternehmen wie die KPMG, oder seien es Firmen, welche im Rahmen des WEF oder der Schweizerisch-Indischen Handelskammer bessere "Investitionsbedingungen", also Sicherheit vor KommunistInnen fordern.

Es ist wichtig, dass wir uns auch hier in der Schweiz mit den Kämpfenden in Indien solidarisieren! Denn wenn das Kapital aus Profitgier Betriebe hier schliesst, um sie unter schlimmsten Bedingungen für die Belegschaft in Indien neu zu errichten, dann haben die ArbeiterInnen in der Schweiz und die ArbeiterInnen, Bäuerinnen und Bauern die gleichen Interessen: Die grundlegende, revolutionäre Veränderung des Systems!

Wir sagen deshalb:

Solidarität mit dem Volkskrieg in Indien!

Kampf gegen Armut und Unterdrückung in Indien!

Kampf gegen Verlagerungen und Entlassungen aus Profitgier!

Für den Kommunismus!

26.1.2010, Revolutionärer Aufbau Schweiz


(Gefunden auf: www.aufbau.org)

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Landbote 27.1.10

Mehr Polit-Sprayereien vor dem WEF

 Winterthurs Wände sind zurzeit stärker versprayt als auch schon. Der Stadtrat ruft dazu auf, Graffiti zu melden.

 "Revoltieren, ihr Depressiven", "Bildet euch - bildet Banden" oder "Vive la peinture et la revolte" ("Es lebe die Malerei und die Revolte"). Und immer wieder "Dister". Graffiti, Sprayereien und Schmierereien sind an sich nichts Neues im Stadtbild. Doch es scheint, als seien die Sprayer zurzeit wieder aktiver in Winterthur.

 Das ist auch der lokalen SVP aufgefallen. Sie stört sich vor allem an den diversen Aufrufen zur Revolte. Da sie vermutlich aus linken Kreisen stammen, spricht die Partei in einer Mitteilung von einem "beispiellosen Saubannerzug linker Chaoten". Beispiellos? Michael Gubler, einer der zwei Graffitispezialisten im Jugenddienst der Stadtpolizei, bestätigt zwar, dass sich die politischen Botschaften seit letztem Herbst häufen. Doch das komme sporadisch vor, wenn Ereignisse, wie etwa das Weltwirtschaftsforum, der 1. Mai oder Wahlen bevorstünden, sagt Gubler. Sieben Anzeigen sind seit Dezember bei der Stadtpolizei wegen dieser Parolen eingegangen. Gubler vermutet, dass eine Gruppe dahintersteckt, doch sicher sei das nicht: "Wir sind am Ermitteln."

 Anzeigen sind auch wegen der rund 70 "Dister"-Graffiti eingegangen. Laut Gubler wurden sie zwischen Weihnachten und Neujahr gesprayt. Mit Politik habe dies nichts zu tun. Hier handle es sich wohl um eine Einzelperson, die sich mit diesem Wort breit bemerkbar machen wollte. "Auch das kommt immer wieder vor."

 Über 200 Anzeigen

 Insgesamt gingen im letzten Jahr 214 Anzeigen wegen Graffiti ein. 25 Personen wurden deswegen verhaftet. In 260 Fällen konnte die Stadtpolizei herausfinden, wer dahintersteckt. Der Sachschaden summierte sich auf 150 000 Franken. Darunter sind auch Graffiti, die vor 2009 gemeldet wurden. "Manchmal dauert es zwei bis drei Jahre, bis wir einem Täter auf die Spur kommen", so der Graffitispezialist. Die Zahl der Anzeigen deckt sich bei Weitem nicht mit der tatsächlichen Zahl der Graffiti. Das liege daran, dass viele Liegenschaftenbesitzer erst gar keine Anzeige machen. Der Stadtrat ruft nun die Nutzer städtischer Liegenschaften dazu auf, solche "Sachbeschädigungen" - in diese Kategorie fallen Graffiti - immer anzuzeigen.

 Gleichzeitig soll auch der Fachstelle Signalisation, die zum Tiefbauamt gehört, Meldung erstattet werden. Diese kümmert sich dann darum, dass die Graffiti und Wandschriften weggeputzt werden. Denn: "Eine Wand, die öfters gereinigt wird, ist für Sprayer weniger interessant, als eine, auf der die Graffiti lange lesbar sind", sagt Gubler.

 Wie es mit den erwischten Sprayern weitergeht, liegt je nach Alter des Täters in den Händen der Jugend- oder der Staatsanwaltschaft. (pfr)

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POLIZEIKOSTEN LU
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NLZ 27.1.10

Sicherheit

 Veranstalter sollen Polizeikosten mitzahlen

Von Andreas Töns

 Wer Polizeieinsätze nötig macht, soll an die Kasse kommen. Das Parlament bestellt griffige Regeln.

 Ob Fussballmatch oder Anti-WEF-Demo: Ohne teils massiven Polizeiaufmarsch geht nichts, oder es geht schief. Die Kosten trägt zu Unrecht die Allgemeinheit. Das fand der Luzerner Kantonsrat. Er hiess gestern ein Postulat Hans Areggers (CVP, Buttisholz) gut: "Die verantwortliche Organisation soll nach einem transparenten Schlüssel an die effektiven aufgelaufenen Vollkosten für die öffentliche Sicherheit bezahlen."

 Soll auch für Demos gelten

 Aregger stellte im Plenum klar: "Es geht mir nicht nur um Sportanlässe, sondern um alle Veranstaltungen": Niemand dürfe sich der Kosten-Mitverantwortung entziehen, etwa weil er sich auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufe. Deutlicher wurde Guido Durrer (FDP, Luzern): "Befremdend und unakzeptabel für uns ist die heutige Auslegung des Polizeigesetzes, wonach die Polizeikosten bei Demonstrationen vollumfänglich von der Öffentlichkeit zu übernehmen sind." Diese Praxis benachteilige kommerzielle Veranstalter gegenüber Organisatoren von Kundgebungen. Die FDP unterstützte das Postulat Aregger.

 "Nulltoleranz gegen Chaoten"

 Opposition gegen die harte Linie kam von SP und SVP, durchsetzen konnte sie sich in der Schlussausmarchung nicht. Ein Ablehnungsantrag Moritz Bachmanns (SVP, Malters) etwa hatte keine Chance. Bachmann argumentierte: Es gehe nicht an, dass 7000 Sportfreunde mitzahlen müssten, weil einige wenige Chaoten dreinschlügen. "Der Hebel muss beim Strafrecht angesetzt werden." Parteikollege Hanspeter Bucher (Römerswil): "Man muss die Randalierer härter drannehmen, nicht die Veranstalter." "Nulltoleranz gegen Chaoten", forderte Rolf Hermetschweiler (SVP, Luzern).

 Die Skepsis der Linken hatte andere Gründe. Monique Frey (Grüne, Kriens) sagte: Dass auch ideelle Veranstaltungen - wie politische Kundgebungen - unter die Kostenpflicht fallen sollen, sei irritierend. Auch Trudi Lötscher (SP, Hitzkirch) fürchtete: Durch polizeiliche Kostenforderungen könnte die Kundgebungs- und Meinungsäusserungsfreiheit faktisch eingeschränkt werden. Zum FCL sagte Lötscher: "Dem Verein Kosten von 800 000 Franken aufzubürden: Das schiesst übers Ziel hinaus." Grüne und SP wollten Areggers Vorstoss nur teilweise erheblich erklären.

 Die bisherige Praxis im Kanton Luzern sieht so aus: Kommerzielle Veranstalter wie die Tour de Suisse oder das Lucerne Festival tragen die anfallenden Polizeikosten zu 100 Prozent. Teilweise ideell motivierte Veranstalter (GP Tell, Rollstuhlmarathon) werden je nach Einzelfall und Abmachung mit dem Justizdepartement zur Kasse gebeten. Der FCL leistet an den Sicherheitsaufwand der Polizei jährlich einen Beitrag von 250 000 Franken; dem gegenüber stehen effektive Polizeikosten von 1,44 Millionen. Justiz- und Sicherheitsdirektorin Yvonne Schärli sagte, man sei dabei, mit dem FCL eine neue Vereinbarung abzuschliessen. Per 2011 soll die endgültige Regelung stehen. Im Entlastungspaket 2011 ist bereits ein FCL-Polizeikostenbeitrag von 800 000 Franken vorgesehen.

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IKU BOA LU
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Blick am Abend 26.1.10

Alternativ-Kultur soll ins Theater

Idee

 Auf der Suche nach mehr Platz werfen Kulturschaff ende einen Blick aufs Luzerner Theater.

 pascal.imbach@ringier.ch

 Eifrig suchen Stadt und private Investoren derzeit nach einem geeigneten Standort für das millionenteure Konzerthaus "Salle Modulable". Werden sie fündig, wäre dies nicht nur ein grosser Schritt für etablierte Kulturschaffende in Luzern - es könnte auch zum Glücksfall für die alternative Kulturszene werden. Denn es ist denkbar, dass das Luzerner Theater künftig in die "Salle Modulable" integriert wird. Hier sieht die "Iku Boa" ihre Chance. Die Interessengemeinschaft, die sich seit der Schliessung des Kulturzentrums Boa für mehr alternativen Kulturraum einsetzt, möchte aus dem Theatergebäude das "Luzerner Volkshaus" machen. Für Thomas Burri von der "Iku Boa" liegen die Vorteile des Gebäudes auf der Hand: "Das Haus liegt zentral, eignet sich für Konzerte und Veranstaltungen und könnte Bands und der freien Theaterszene ideale Proberäume bieten. Zudem könnte das Gebäude als Kulturhaus erhalten bleiben und müsste nicht zweckentfremdet werden."

 Die "Iku Boa" hat ihre Idee in einem Bericht ausgearbeitet und diesen den Stadtbehörden unterbreitet. Hier freut man sich über die Eigeninitiative. "Das ist ein sehr origineller Vorschlag, den wir ernst nehmen", sagt Kulturchefi n Rosie Bitterli auf Anfrage.

 Noch sei es zu früh, um die Chancen des Projekts beurteilen zu können. "Letztlich wird wohl aber die Finanzierung über den Erfolg des Projekts entscheiden, denn ohne Subventionen ist es nicht realisierbar."

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SEMPACH
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NLZ 27.1.10

Schlachtfeier fällt dieses Jahr aus

 In Sempach gibts im Juni nur einen Gottesdienst. Extreme politische Gruppen und hohe Polizeikosten zwangen die Regierung zum Umdenken.

 kwi. Die Sempacher Schlachtjahrzeit findet erst 2011 wieder statt. Dieses Jahr legt die Luzerner Regierung eine "kreative Denkpause" ein - um fürs 625. Jubiläum 2011 ein neues Konzept präsentieren zu können. Der Gefallenen der Schlacht bei Sempach von 1386 will die Regierung dieses Jahr nur in einem schlichten Gottesdienst gedenken. Sie stört sich insbesondere daran, dass die Feier "zunehmend von extremen politischen Gruppierungen für ihre eigenen Zwecke missbraucht worden" sei. Letztes Jahr betrugen die Sicherheitskosten 300 000 Franken.

 Parlamentarier aller Fraktionen ausser der SVP begrüssten gestern im Luzerner Kantonsrat die Neuausrichtung der Feier - auch wenn manche kritisierten, die Regierung kapituliere vor extremen Kreisen.

 Seite 27, Kommentar 5. Spalte

 kwi. Das Sempacher Schlachtjahrzeit findet erst nächstes Jahr wieder statt. Dieses Jahr legt die Regierung eine "kreative Denkpause" ein - um fürs 625. Jubiläum im nächsten Jahr ein grundsätzlich neues Konzept präsentieren zu können. Der Gefallenen der Schlacht bei Sempach von 1386 will die Regierung dieses Jahr nur in einem schlichten Gottesdienst gedenken. Die Regierung stört sich insbesondere daran, dass die Feier "zunehmend von extremen politischen Gruppierungen für ihre eigenen Zwecke missbraucht worden" sei. Letztes Jahr haben die Sicherheitskosten 300 000 Franken betragen.

 Vorwurf: Kapitulation

 Parlamentarier aller Fraktionen ausser der SVP begrüssten gestern im Kantonsrat die Neuausrichtung der Feier - auch wenn manche kritisierten, mit der Reduktion auf einen Gottesdienst in diesem Jahr kapituliere die Regierung vor extremen Kreisen. Die SVP schob die Schuld den Linken zu, insbesondere der Juso, die 2009 gegen die Präsenz der Rechtsextremen demonstriert hatte.

 Seite 19, Kommentar 5. Spalte

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Sempach

 Schlachtfeier: Marschhalt verordnet

Von Karin Winistörfer

 Die Regierung hat entschieden: Eine Schlachtfeier gibts erst 2011 wieder. Das führte im Parlament zu heftigen Diskussionen.

 Ein schlichter ökumenischer Gedenkgottesdienst ersetzt dieses Jahr die Sempacher Schlachtjahrzeit. Das hat die Luzerner Regierung entschieden. Diese "kreative Denkpause" sei nötig, um das Konzept der Veranstaltung grundlegend zu überprüfen und für 2011 gerüstet zu sein. Denn dann jährt sich die Schlacht zum 625. Mal, und dies soll würdig gefeiert werden. Wie, tüftelt nun eine Projektgruppe aus. Wann der Gottesdienst genau stattfindet, ist noch nicht festgelegt.

 Kosten: 300 000 Franken

 Der Anlass für die Denkpause: "Die Schlachtjahrzeit ist zunehmend von extremen politischen Gruppierungen für ihre eigenen Zwecke missbraucht worden", teilte die Regierung als Organisatorin gestern mit. Nicht das Gedenken an 1386 stand im Vordergrund. Hinzu kamen hohe Sicherheitskosten - 2009 rund 300 000 Franken. "Die Jahrzeit darf keine kostspielige Plattform für politisch extreme Gruppierungen mehr sein", so die Regierung.

 Die Feier war gestern wegen einem hängigen Vorstoss von Albert Vitali (FDP, Oberkirch) Thema im Kantonsrat. Regierungspräsident Anton Schwingruber: "Die Regierung will am traditionellen Gedenkanlass festhalten. 2011 gibt es wieder eine würdige Feier. Diese wollen wir uns nicht vergraulen lassen, falls der Anlass 2010 eskalieren sollte." In einem geschichtlichen Rückblick zeigte er auf, dass der Tag immer wieder anders begangen wurde - als arbeitsfreier Feiertag, als Gottesdienst in der Kirche oder als patriotische Feier.

 Im Parlament löste dies eine engagierte Debatte aus. Albert Vitali betonte, die FDP wolle keine Verpolitisierung des Anlasses. "Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass Lösungsansätze fehlen." Die Sempacherin Heidi Frey (CVP) sagte: "Unsere Gesellschaft kapituliert vor radikalen Gruppierungen." Die Feier sei für Sempach "wichtig, damit sich die Leute mit dem Ort identifizieren können, an dem sie leben." Ein Marschhalt sei akzeptabel, sofern für 2011 ein neues Konzept vorgelegt werde.

 SP: "Anlass ist ziemlich verstaubt"

 Als "Akt der Vernunft und der staatspolitischen Verantwortung" wertete Nino Froelicher (Grüne, Kriens) den Entscheid. Fraktionskollege Adrian Borgula (Luzern) meinte, in den letzten Jahren hätten sich Rechtsextreme als korrekt und gesetzestreu präsentiert - und der Kanton sei indirekt Mitorganisator einer rechtsextremen Kundgebung geworden. Erleichtert ist SP-Fraktionschefin Silvana Beeler (Luzern): "Wir sind froh um die kreative Denkpause." Die SP führt diese auch auf die Juso zurück, die letztes Jahr mit ihrer bewilligten Demonstration "die stillschweigende Tolerierung von rechtsextremen Gruppierungen" politisch neu lanciert habe. Daniela Kiener (SP, Kriens) fügte an: "Der Anlass ist ziemlich verstaubt. Es braucht ein neues Konzept."

 Kritik hagelte es von der SVP. "Die Linken haben gewonnen. Man hat die letzte patriotische Feier im Kanton gebodigt", so Guido Luternauer (Schenkon), der nicht von Rechtsextremen, sondern von "jungen Eidgenossen" sprach. Guido Müller (Honau) sagte, 2009 seien "kriegsähnliche Zustände" ums Städtli entstanden, wegen der Linken. "Sie wollen provozieren, randalieren, demolieren."

 Die Voten ändern am Entscheid nichts: Die Regierung ist als Organisatorin für die Feier zuständig.

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Sempach

 Eine eigene Feier?

 Der Stadtrat von Sempach bedauert, dass die Schlachtfeier 2010 entfällt. Stadtpräsident Franz Schwegler sagte auf Anfrage: "Die Feier ist für Sempach ein wichtiger, historischer Anlass, der die Identität der Bevölkerung stärkt. Die Regierung entschied ohne unsere Mitwirkung. Wir wünschen, in die Planung der Feier 2011 einbezogen zu werden."

 Der Hellebardenlauf, die Serenade Kirchbühl und das Städtlifest finden auch dieses Jahr statt: am 26. Juni. Eine Arbeitsgruppe prüft nun, ob ein lokaler, besinnlicher Anlass durchgeführt werden soll. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass an diesem auch politische Gruppen aufkreuzen", sagt Schwegler. Wichtig sei auch, zu überlegen, was am Gedenktag auf dem Schlachtfeld geschieht. "Überlässt man es den extremen Polen, lassen diese die Gelegenheit kaum ungenutzt verstreichen."

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Kommentar

 Richtig, aber bedenklich

Benno Mattli

 Kein Umzug, nur noch ein schlichter Gedenkgottesdienst: Die Sempacher Schlachtjahrzeit wird in diesem Jahr nicht mehr so durchgeführt wie in den vergangenen Jahren. Dies hat die Luzerner Regierung so entschieden, nachdem die Feier in den vergangenen Jahren zunehmend von extremen politischen Gruppierungen für ihre eigenen Zwecke missbraucht worden war. Allein im letzten Jahr, als rund 260 Rechtsextreme und 100 Linke aufmarschierten, betrug der Sicherheitsaufwand zu Lasten des Kantons 300 000 Franken.

 Dass die Regierung deswegen nun eine "kreative Denkpause" einschalten und das Veranstaltungskonzept "grundlegend überprüfen" will, ist richtig, vor allem auch im Hinblick auf die 625. Feier im Jahr 2011. Denn es kann nicht sein, dass die Luzerner Steuerzahler wegen ein paar Rechten und Linken zur Kasse gebeten werden. Zudem störten sich viele Festbesucher daran, dass das ganze Städtchen hermetisch abgeriegelt werden musste.

 Traurig ist, dass es diese Gruppierungen einmal mehr schaffen, die Durchführung einer traditionellen Feier massiv zu beeinträchtigen, ja sogar in Frage zu stellen. Das Gleiche kennen wir ja bereits von der Rütlifeier her. Dort mussten die Organisatoren ein Ticketsystem einführen, um die Rechtsextremen von der Wiese über dem Urnersee fernzuhalten. Seither ist auf dem Rütli zwar Ruhe eingekehrt, aber ein spontaner Besuch der Feier ist nicht mehr möglich: Die Tickets müssen Wochen im Voraus bestellt werden.

 Auch wenn es in Sempach jetzt nur noch einen schlichten Gedenkgottesdienst gibt: Es ist trotzdem zu befürchten, dass die Extremen auch heuer wieder ins Städtchen pilgern. Und was dann?

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20 Minuten 27.1.10

Sempach: Regierung will 2010 keine Schlachtfeier

Sempach. Die Luzerner Regierung verzichtet dieses Jahr auf eine grosse Schlachtfeier. Dieser Entscheid wurde gestern zum Teil harsch kritisiert.

 Die Sempacher Schlachtfeier soll künftig nicht mehr von politischen Gruppen missbraucht werden. In den letzten Jahren waren immer mehr Rechtsextreme vor Ort. Weil im letzten Jahr gleichzeitig linke Gruppierungen dagegen protestierten, war ein Polizeiaufgebot nötig, das 300 000 Franken kostete.

 "Wir wollen nicht länger mit Steuergeldern einen Anlass finanzieren, der dann Rechten und Linken als Plattform dient", so Regierungsrat Anton Schwingruber. Die Regierung will deshalb für die Schlachtfeier 2011 ein neues Konzept erarbeiten lassen. Dieses Jahr beschränkt sie den Anlass auf einen schlichten Gottesdienst - der Festzug zum Schlachtfeld wird gestrichen.

 Die Ankündigung löste gestern im Kantonsparlament heftige Reaktionen aus. "Es fehlen Lösungsansätze - die Regierung kapituliert", sagte etwa FDP-Fraktionschef Albert Vitali. Er fordert eine Feier, zu der jedermann Zutritt hat. Kritik kam auch von der CVP und der SVP. Die linken Parteien dagegen begrüssten die Entscheidung der Regierung.

 Der Sempacher Stadtpräsident Franz Schwegler ist "nicht glücklich" darüber, dass die diesjährige Feier ausfällt. "Wir hätten am bisherigen Konzept festgehalten." Ein Zwischenstopp könne allerdings auch positiv sein. "Wir wollen aber sicher in die Gestaltung fürs Jahr 2011 miteinbezogen werden", sagt er.
 
Markus Fehlmann