MEDIENSPIEGEL 15.2.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- RaBe-Info 15.2.10
- Aarbergergasse: Showdown vor der Abstimmung
- RTS ZH: Internetpranger geplant
- Police CH: Supported by Grenzwache
- LU-SP will Zwischennutzungen
- Zur Situation der Belgrad 6
- Auschwitz-Klau: Schwedischer Neonazi verhaftet
- Drogenkrieg: Lateinamerika will Entkrimnalisierung

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REITSCHULE    
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Mi 17.02.10
19.00 Uhr - SousLePont   -  Route66 Spezialitäten

Do 18.02.10
20.30 Uhr - Tojo - "Etwas Über Leben" von Pasta del Amore.
21.00 Uhr - Rössli-Bar - Air Waves (BROOKLYN)

Fr 19.02.10
20.30 Uhr - Tojo - "Etwas Über Leben" von Pasta del Amore.
21.00 Uhr - Kino - Baskenland: La pelota vasca - La piel contra la piedra, Julio Medem, Spanien 2003
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: Boban i Marko Markovic Orkestar (RS); Support: Djane Deeba (BE)

Sa 20.02.10
20.30 Uhr - Tojo - "Etwas Über Leben" von Pasta del Amore.
21.00 Uhr - Kino - Baskenland: La pelota vasca - La piel contra la piedra, Julio Medem, Spanien 2003
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: BTK (Renegade Hardware/BRA), Deejaymf (cryo.ch), VCA (Biotic Rec); Antart (Loud&Dirty), Submerge (beatsandpics.ch)

Infos: http://www.reitschule.ch

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RABE INFO
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Mo. 15. Februar 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15.Februar_2010.mp3
- Bessere Bedingungen für den Veloverkehr in der Stadt Bern
- Kopf der Woche: Stefan Merten von http://www.oekonux.de über das Potential der Open Source Bewegung

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AARBERGERGASSE
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Berner Oberländer/Thuner Tagblatt 15.2.10

Polizisten leben an den Wochenenden gefährlich

 Auch an diesem Wochenende standen Polizei und Sanität an der Berner Ausgehmeile Aarbergergasse wieder im Dauereinsatz.

 Fliegende Flaschen, Wodka und Whisky, Messer und Machos, Dolche und Drohungen, Küsse von Unbekannten auf Brüste von Unbekannten, nochmal Alkohol - all dies gehört zum regelmässigen Nachtprogramm in der Aarbergergasse in Berns Innenstadt. Die Polizei steht an den Wochenenden im Dauereinsatz. Sie patrouilliert in kurzen Abständen, nimmt Pöbeleien in Kauf und muss bei alledem ruhig Blut bewahren.

 Diese Zeitung begleitete eine Patrouille während einer Nacht. Auf eine Messerstecherei mit anschliessender Verhaftung in der Gasse folgte eine Massenschlägerei vor einem Club. Schläge auf den Kopf mit Flaschen waren der Lohn für die polizeiliche Intervention. Die Sanität kam ebenfalls mehrfach zum Einsatz, einmal wegen des stark blutenden Opfers aus der Messerstecherei, darüberhinaus mehrmals wegen sogenannter Alkoholleichen.

 Szenen dieser Art haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Sie gehören zu den Auslösern für die von der Stastberner FDP lancierten Sicherheitsinitiative und für den - als Reaktion darauf formulierten - Gegenvorschlag des Gemeinderats. Die Initiative fordert eine Aufstockung der Polizeiausgaben um 5,8 Millionen Franken, der Gemeinderat signalisiert mit seiner Vorlage, dass der Mehrkosten in der Höhe von 2,2 Franken in Kauf zu nehmen bereit ist. Die beiden Vorlagen werden am kommenden 7. März in der Stadt Bern zur Abstimmung kommen.

 Laut Gemeinderat und Polizeidirektor Reto Nause ist die Lage vor allem in den Nächten auf Samstag und Sonntag prekär. Neben der Aarbergergasse gehören auch die Neuengasse, die Grosse Schanze, die Schützenmatte und das Bollwerk zu den Orten in der Stadt Bern, an denen es an den Wochenenden regelmässig brenzlig wird.
 jsp/ein

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Sicherheit in Bern

 Sie saufen, schlagen, stechen

 In der Ausgehmeile Aarbergergasse vergeht kein Wochenende ohne Pöbeleien, Schlägereien und Raubüberfälle. Viele Passanten wagen sich abends nicht mehr dorthin. Ein Augenschein in der Nacht auf gestern Sonntag.

 Bar an Bar reiht sich in der Berner Aarbergergasse. Doch nicht nur drinnen in den Lokalen bechert das Partyvolk übers Wochenende zünftig, sondern auch draussen, zum Beispiel vor dem Ryfflibrunnen.

 Samstagabend, 23.05 Uhr, Club El Presidente: Zwischen Eingangstür und Theke des "El Presidente" liegt eine junge Frau am Boden. Sie macht keinen Wank mehr. Eine starke Alkoholfahne dringt auf die Gasse heraus. Einer der Türsteher alarmiert die Sanitätspolizei (Sano). Nach drei Minuten fährt der Rettungswagen vor. Die Rauschtrinkerin wird auf der Rollbahre festgebunden. Minuten später fährt die Ambulanz weg. Gleichzeitig schlägt ein junger Mann vor der "Mixed-Lounge" das Fenster eines Schaukastens ein. Vor dem Hintereingang des Ryfflihofs fliegen Gläser und Flaschen durch die Luft und zerschmettern auf dem Asphaltpflaster. Im Viertelstundentakt fahren jetzt Polizeiautos im Schritttempo durch die Ausgehmeile.

 Mitternacht, heisse Küsse auf dem kalten Ryfflibrunnen: Auf dem vereisten Brunnenrand sitzen zwei junge Frauen, sie tragen ein knappes Top. Zwei Männer zögern nicht lange: Der eine knutscht der Kleineren am Busen herum, sein Kumpel umarmt die andere und küsst sie. Doch nach einigen Minuten haben die Männer kein Interesse mehr an den Frauen - sofort trinken sie einige kräftige Schlücke aus ihrer halb leeren Wodkaflasche.

 2.08 Uhr, "Liquid", Sanitätspolizei sucht "Alkoholleiche": Wiederum rollt ein Rettungswagen durch die Gasse und hält vor dem Liquid-Club an. Zusammen mit angerückten Polizisten sucht das Sano-Team in beiden Eingängen nach einer betrunkenen Person. Die Türsteher wollen nichts von einer alkoholisierten Person wissen. Der Sano-Teamleiter nimmt übers Handy Kontakt mit der Einsatzzentrale auf. "Entweder war das ein Falschalarm oder die uns gemeldete betrunkene Person ist aufgestanden und verschwunden". sagt der Sano-Teamleiter. Das komme oft vor.

 2.35 Uhr, Pöbelei vor dem "El Presidente": Ein grosser Mann reisst sein Hemd vom Oberkörper und fuchtelt mit den Händen vor den schwarz gekleideteten Türstehern herum. "Lasst mich wieder rein", schreit der halb nackte, muskulöse Mann. Doch die Security-Männer stellen sich ihm in den Weg. Jetzt schubst ein Mann, der aus dem Club kommt, den Schreihals zur Seite. Dieser reagiert mit Faustschlägen und Fusstritten. Das Volk, welches unmittelbar nebenan in der Schlange zum Eintreten in den "Propeller" wartet, belustigt sich an den Schlägen. Schliesslich können die Türstehern die Streithähne trennen.

 2.58 Uhr, Personenkontrolle im "Samurai": Zoff herrscht auch vor Samurai-Club, wo die Polizei eine Personenkontrolle durchführt. Ein Punkgirl kreischt: "Lasst meinen Kumpel in Ruhe." Die Frau mit vielen Ringen in der Nase schwankt, torkelt und muss sich an der Passagewand mit den Händen abstützen. Ruhig nehmen die Polizisten die Personalien des jungen Mannes in Kampfstiefeln auf und ziehen ab.

 3.33 Uhr, vor dem "Kitchener", Messerstich in den Bauch: Vor dem "El Presidente" geraten sich gut ein halbes Dutzend Männer in die Haare. Zwei Männer lösen sich aus der Gruppe und traktieren sich mit den Fäusten. Der grosse Mann im weissen Hemd will flüchten, doch der andere setzt ihm nach. Vor dem "Kitchener" kann er ihn einholen und schlägt ihm die Faust ins Gesicht. Doch nicht genug, er stosst ihm ein Messer in den Bauch. Der Messerstecher rennt zum Ryfflibrunnen hinüber. Die Securitys vom Bonsoir- und Divino-Club drücken den Täter zu Boden und halten ihn fest. Das weisse Hemd des Opfers verfärbt sich mit Blut. Die Polizei legt den Messerstecher in Handschellen. Zwei Dutzend Polizisten sind am Tatort und suchen nach dem Messer. Schliesslich finden sie es vor dem "Kitchener".

 4.30 Uhr, Polizei gerät bei Massenschlägerei in Bedrängnis: Kaum ist die Spurensicherung und Festnahme des Messerstechers abgeschlossen, schlagen sich erneut Männer vor dem "El Presidente". Die Polizisten stellen sich dazwischen. Doch die Gesetzeshüter werden mit Flaschen angegriffen. Botschaftsschützer kommen zu Hilfe. Ein Prügler liegt am Boden, ein anderer versetzt ihm einen Fusstritt ins Gesicht. Jetzt haben die Polizisten die wüste Keilerei unter Kontrolle. Sie führen zwei Männer ab.
 
Jürg Spori

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 Abstimmung

 "Problemzone" Aarbergergasse

 Am 7.März kommen die Sicherheits-Initiative der FDP und der Gegenvorschlag des Gemeinderats zur Abstimmung. Beide wollen die Polizeipräsenz vorab in den "Problemzonen" der Stadt Bern erhöhen. Laut Sicherheitsdirektor Reto Nause ist die Lage vor allem in den Nächten am Wochenende an gewissen Orten prekär. Zu diesen Orten gehören - ebenfalls gemäss Nause - neben der Grossen Schanze, der Schützenmatte und dem Bollwerk auch die Ausgehmeilen in der Aarberger- und der Neuengasse.
 azu

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RTS ZH
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NZZ 15.2.10

Private planen Pranger im Internet

 Massnahme gegen Chaoten

lob. ⋅ Nach den massiven Sachbeschädigungen an einer unbewilligten Demonstration am vorletzten Samstagabend in Zürich planen betroffene Private und Politiker Massnahmen, um die Täter aus der Anonymität zu holen und überführen zu können. Wie die Zeitung "Sonntag" berichtet, wollen die geschädigten Gewerbler Fotos und Aufnahmen von Überwachungskameras ins Internet stellen. Unterstützt werden die Gewerbler vom Stadtzürcher SVP-Fraktions-Chef Mauro Tuena.

 Mit dem geplanten virtuellen Pranger soll gemäss "Sonntag" zudem Druck auf die Polizei ausgeübt werden, ähnliche Massnahmen zu ergreifen. Ob dafür eine ausreichende gesetzliche Grundlage vorhanden ist, ist allerdings fraglich. Der Medienchef der Stadtpolizei Zürich, Marco Cortesi, zeigte sich gemäss der Zeitung "Sonntag" entsprechend skeptisch. Klar dürfte auch sein, dass die Polizei keine Prangerforen eröffnen darf, sondern das Internet nur bei gewissen Delikten zur Fahndung einsetzen kann. - Internetfahndungen durch die Polizei sind bis anhin selten: Letzte Woche veröffentlichte die Kantonspolizei das Bild eines Mannes, der mutmasslich im Mai 2009 beim Spiel FCZ - FCB eine Petarde geworfen und eine Frau erheblich verletzt hatte. In jenem Fall wird wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Gefährdung des Lebens ermittelt.

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Landbote 15.2.10

Bilder der Chaoten sollen ins Internet
 
og

 ZÜRICH - Die Stadtpolizei war vom Saubannerzug durch Zürich vor einer Woche überrascht worden. Sie hat wegen ihres zu geringen Personalbestandes keine Verhaftungen vornehmen können. Betroffenen Gewerblern und bürgerlichen Politikern stösst dies sauer auf. Sie wollen nun, dass die Aufzeichnungen der in den Geschäften installierten Überwachungskameras ins Internet gestellt werden.

 Der Zürcher SVP-Gemeinderat Mauro Tuena will an der nächsten Parlamentssitzung einen entsprechenden Vorstoss einreichen, wie die Zeitung "Sonntag" schreibt. Die Polizei soll Fotos und Videos im Internet veröffentlichen. Rechtlich ist dieser virtuelle Pranger heikel. Doch verschiedene Gewerbetreibende begrüssen die Stossrichtung. Oliver Fux (Fux AG) regt gleich die Initiierung einer Webseite an. Ein Vorschlag, den auch Juwelier Christian Celik positiv aufnimmt: "Wenn sich die Geschädigten zusammentun und Bilder ins Netz stellen, werde ich mich an dieser Aktion beteiligen." Und Coiffeuse Corinne Diggelmann gibt sich im "Sonntag" kämpferisch: Es müsse ein Zeichen gesetzt werden.

 Mauro Tuena glaubt, dass der virtuelle Pranger "den Druck auf Justiz und Polizei erhöhen" würde. Auf Bundesebene erhält der Zürcher Politiker Unterstützung. "Die Veröffentlichung von Täterfotos ist offenbar nötig", sagt Nationalrat Jakob Büchler (SVP, SG). Es könne nicht geduldet werden, dass Randalierer Sachschäden anrichten und dann einfach in einer anonymen Menge verschwinden. "Mir ist jedes Mittel recht, um solche Täter zur Verantwortung zu ziehen." (og)

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20 Minuten 15.2.10

Krawall-Brüder an den Internet-Pranger?

 ZÜRICH. Nach den schweren Krawallen in der Stadt Zürich vom 6. Februar soll ein Internet-Pranger für die Täter eingerichtet worden. Dies fordert SVP-Fraktionschef Mauro Tuena mit Unterstützung von Gewerblern, die von den Schäden betroffen sind: "Ich werde im Gemeinderat einen Vorstoss einreichen und fordere darin die Polizei auf, entsprechende Bilder und Aufnahmen im Internet zu veröffentlichen", so Tuena zur Zeitung "Sonntag". Laut Stapo-Medienchef Marco Cortesi fehlt dazu die Grundlage, solange sich nicht die Staatsanwaltschaft dafür ausspricht. Um auf spontane, gewaltsame Demonstrationen reagieren zu können, fordert Pierre Nidegger, Chef der Kapo Freiburg und Präsident der Schweizer Polizeikommandanten, in der "SonntagsZeitung" eine Aufteilung des Grenzwachtkorps auf die Kantonspolizeien, um dort den Unterbestand zu decken.

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POLICE CH
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20 Minuten 15.2.10

Grenzwache soll Polizeikorps künftig Schützenhilfe leisten

 ZÜRICH. Der "oberste" Schweizer Polizist Pierre Nidegger will den kantonalen Polizeikorps unter die Arme greifen - mit Grenzwächtern.

 Die Ausschreitungen nach der nächtlichen Spontandemo in Zürich vom vorletzten Wochenende (20 Minuten berichtete) zeigten, dass die Kantonspolizei personell nicht für eine solche Situation gerüstet ist. Zürich scheint damit kein Einzelfall zu sein: Der neue Präsident der Polizeikommandanten und damit "oberster" Schweizer Polizist, Pierre Nidegger, bezweifelt, dass überhaupt ein kantonales Polizeikorps in der Lage wäre, genügend Personal aufzubieten, um eine solche Situation in den Griff zu bekommen. Er rechnet zudem mit einer Zunahme von dergleichen spontanen und extrem gewalttätigen Ausschreitungen, wie er gegenüber der "SonntagsZeitung" sagte.

 Nidegger will diese personellen Lücken deshalb mit Grenzwächtern auffüllen und fordert die Aufteilung des Grenzwachtkorps (GWK): "Aus meiner Sicht sollten 1000 bis 1200 Grenzwächter proportional auf die Kantonspolizeikorps verteilt werden."

 Seine Forderung begründet Nidegger damit, dass das GWK mit dem Beitritt der Schweiz zu Schengen einen Teil seiner Aufgaben verloren hat. Auf der anderen Seite seien die Polizeikorps durch die immer häufiger stattfindenden Grossanlässe - zum Beispiel das Wef - zusätzlich belastet. Nideggers Konzeption sieht deshalb vor, dass die GWK-Polizisten bei diesen Anlässen einspringen: "So würde die Grundversorgung in den Kantonen durch die Grosseinsätze nicht mehr beeinträchtigt", sagt Nidegger. In der restlichen Zeit könnten sie die Unterbestände füllen.

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ZWISCHENNUTZUNG LU
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20 Minuten 15.2.10

SP will leere Häuser nutzen

 LUZERN. In leerstehenden Gebäuden soll nach einer bestimmten Zeit eine Zwischennutzung möglich sein. Dies fordert die SP/Juso-Fraktion in einem Vorstoss im Grossen Stadtrat. Einerseits gebe es immer wieder Gebäude, die während Jahren nicht genutzt würden, andererseits beklagten sich verschiedenste Gruppen über Raumnot. Dies könnten zum Beispiel Musikstudenten, Künstler, Jungunternehmer oder Menschen sein, die keine Ateliers, Büros oder Wohnungen finden würden. Weil die Stadt selber über verhältnismässig wenig Immobilien verfüge, müsse auch nach Möglichkeiten gesucht werden, um private Eigentümer miteinzubeziehen, so die Fraktion weiter.  MFE

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BELGRAD 6
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Freies Sender Kombinat (Hamburg) 12.2.10

Interview zur aktuellen Situation der "Belgrad6"

Das Interview wurde am 10.02.2010 mit Paul aus einer internationalen Soligruppe für die sogenannten Belgrad6 geführt.

In dem interview wird auf die Hintergründe des Verfahrens, die Haftbedingungen, den zu erwartenden Prozess, Solidarität, ... eingegangen.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100212-interviewzu-32129.mp3

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NEONAZIS SCHWEDEN
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Süddeutsche Zeitung 15.2.10

Ex-Neonazi als Drahtzieher

Schwede soll hinter Diebstahl von Auschwitz-Schriftzug stecken

Von Gunnar Herrmann

 Stockholm Die Handschellen schnappten am Donnerstagabend in Stockholm zu nur wenige Stunden nachdem Polen einen europäischen Haftbefehl gegen Anders Högström ausgestellt hatte. Der Schwede wird verdächtigt, Drahtzieher hinter dem Diebstahl des eisernen Schriftzugs "Arbeit macht frei" aus dem ehemaligen KZ Auschwitz zu sein.

 Uberraschend kam der Zugriff für den 34-Jährigen wohl nicht: Uber seine Verwicklungen in den Diebstahl war zuvor bereits ausführlich in der Presse berichtet worden. Högström selbst hatte sich sogar ausführlich in langen Interviews zu den Vorwürfen geäußert. In seinem Heimatland ist der mutmaßliche Dieb seit Jahren eine Berühmtheit. Högström war ehemals einer der führenden Köpfe in der gewaittätigen Neonazi-Szene Schwedens. Im Jahr 1999 verließ er aber die von ihm gegründete "Nationalsozialistische Front" unter großem Medienrummel, Seitdem galt er als Vorzeige-Aussteiger.

 Er war in der Organisation Exit aktiv, die jungen Menschen dabei hilft, sich aus der rechten Szene zu lösen. Seinen bislang größten Auftritt hatte Högström im Januar 2001, als er in der Stockholmer Konzerthalle Globen bei der Fernsehgala "Künstler gegen Nazis" neben der ersten Promiriege des Landes auf der Bühne stand. Unter den Gästen im Globen waren auch Kronprinzessin Victoria und Ministerpräsident Göran Persson. Nun fragen sich viele Schweden, ob das alles nur Show gewesen ist.

 Högström wurde bereits früh als einer der Hauptverdächtigen bei dem Diebstahl genannt. Kurz vor Weihnachten hatten Diebe in Polen den Schriftzug "Arbeit macht frei" über dem Eingang zur Gedenkstätte Auschwitz abmontiert.

 Die Polizei fand das Schild einen Monat später, schwer beschädigt. Gerüchten zufolge sollte es für einen Millionenbetrag an einen bislang unbekannten Käufer veräußert werden. Mit dem Geld sollten demnach unter anderem Gewaltaktionen der rechten Szene in Schweden finanziert werden. Högström wird verdächtigt, die ganze Aktion geplant und den Verkauf eingefädelt zu haben.

 Er selbst hatte Anfang Januar in Zeitungsinterviews zugegeben, an dem Diebstahl beteiligt gewesen zu sein. Allerdings behauptet Högström, er habe alles, was er über die Sache wusste, umgehend der Polizei mitgeteilt. Er habe somit dafür gesorgt, dass die Diebe festgenommen werden konnten und Terroranschlä-ge verhindert, sagte der 34-Jährige. Die polnischen Ermittler beurteilen die Rolle Högströms offenbar anders.

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DROGENKRIEG
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Basler Zeitung 15.2.10

Widerstand gegen eine ineffektive Drogenbekämpfung wächst

 In Lateinamerika fordern immer mehr Politiker und Intellektuelle die Entkriminalisierung des Anbaus von Coca-Pflanzen
 
Ulrich Achermann, Santiago de Chile

 Weil der Kampf gegen Drogen mehr Opfer fordert als Ergebnisse zeitigt, stellen sich immer mehr lateinamerikanische Länder gegen die von den USA beanspruchte Vorherrschaft bei der Drogenbekämpfung.

 In Mexiko hat die von Drogenhändlern ausgehende Kriminalität letztes Jahr über 6000 Tote gefordert. Gleichzeitig wird immer sichtbarer, dass der von Staatspräsident Felipe Calderón ausgerufene Krieg gegen die Drogenmafia das Geschäft mit dem Kokain allenfalls beeinträchtigen, keinesfalls aber stoppen kann.

 Der hohe Blutzoll und die dürftigen Ergebnisse bei der Drogenbekämpfung stehen in einem so krassen Missverhältnis zum Aufwand, dass die Zahl der Kritiker des Anti-Drogen-Krieges rasch wächst.

 Zu diesem Lager zählt auch der mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes. Der Krieg gegen die Mafias sei zwecklos, sagt der Intellektuelle aus Mexiko-Stadt. Solange mit Kokain derart viel Geld zu machen sei wie heute, werde es immer Banden geben, die vom Geschäft mit Drogen lebten. "Es geht um so viel Geld, dass es immer Leute geben wird, die das Risiko eingehen, einen illegalen Markt zu versorgen", sagt Fuentes. Um den Sumpf trockenzulegen, müsse man das Verbot von Kokain aufheben, "dann gibt es auch all die Al Capones nicht mehr".

 Auch Alonso Salazar, Bürgermeister der Drogenhochburg Medellín in Kolumbien, sieht die Sache ähnlich. "Die Mafias und die Supergewinne existieren, weil die Droge Kokain in der Illegalität angesiedelt ist." Namentlich die USA und Europa, die grossen Absatzmärkte, müssten sich endlich hinterfragen, was 30 Jahre Krieg gegen die Drogen gebracht hätten und was nicht.

Export wie eh und je

Im Falle von Lateinamerika fällt die Antwort auf diese Frage ernüchternd aus. "Wir Latinos haben die Mafias, den Krieg und die Toten", sagt Salazar. "Doch trotz des Kampfes gegen die Drogen exportiert Kolumbien jedes Jahr 60 Tonnen Kokain." Dabei ist gerade in Kolumbien der Aufwand gegen die Drogenkartelle riesig. Die USA, die das Übel Kokain an der Wurzel bekämpfen wollen - nämlich im Andenraum, wo die Coca-Staude wächst -, haben bis heute etwa fünf Milliarden Dollar in den "Plan Colombia" investiert. Kritiker wie Alsonso Salazar sehen darin einen gigantischen Leerlauf. "Die Sprühflugzeuge vernichten zwar kolumbianische Anbauflächen für Coca, doch in Peru oder Bolivien, wo die Amerikaner viel weniger aktiv sind, entstehen sofort neue."

 Dass diese Politik ein Flop sei, zeige sich auch daran, dass die Menge des in Kolumbien aus den Coca-Pflanzen produzierten Kokains immer gleich hoch bleibe und die Droge auf der Strasse zu seit Jahren konstanten Preisen gehandelt werde.

 Trotzdem kommt die Debatte über die Legalisierung des Kokains in Lateinamerika nur schleppend in Gang. Die drei ehemaligen Staatspräsidenten Fernando Henrique Cardoso (Brasilien), César Gaviria (Kolumbien) und Ernesto Zedillo (Mexiko) setzen sich neuerdings für die Legalisierung von Drogen ein. Sie schlagen vor, mit Marihuana zu beginnen. Renommierte Schriftsteller wie Mario Vargas Llosa oder Carlos Fuentes unterstützen das Postulat. Amtierende Politiker und Regierungsverantwortliche aber wollen das heisse Eisen nicht anfassen.

Gegen US-Vorherrschaft

In der Praxis hat sich trotzdem schon einiges verändert. Die Vorherrschaft der USA in der Drogenbekämpfung wird herausgefordert. Bolivien und Venezuela kündigten der US-Drogenbekämpfungsbehörde (DEA) die Zusammenarbeit auf und handeln auf eigene Faust. Ecuador liess vor zwei Jahren 2000 verurteilte Kleindealer frei und ist zudem nicht mehr bereit, der US-Drogenbekämpfung den Luftwaffenstützpunkt in Manta zu überlassen. Und in Argentinien entschied das oberste Gericht, dass die Kriminalisierung von Drogen zum persönlichen Konsum verfassungswidrig sei.

 Die Zeit drängt, auch die Politiker müssen Farbe bekennen: Der illegale Drogenhandel hat die lateinamerikanischen Grossstädte längst fest im Griff und ist mit ein Grund für die miserable Lage der öffentlichen Sicherheit.

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Süddeutsche Zeitung 15.2.10

Mexikos Drogenkrieg

 Die verlorene Schlacht

Im mexikanischen Drogenkrieg sterben mehr Menschen als bei den Gefechten in Afghanistan und im Irak

Von Peter Burghardt

 Felipe Calderón hat den Drogenbossen den Krieg erklärt. Der mexikanische Präsident setzte 45 000 Soldaten in Bewegung, um die mächtigen Kartelle zu schleifen - bisher jedoch ohne Erfolg. Der Handel mit Kokain und Marihuana blüht noch immer. Auf den Straßen herrscht der Terror. Jährlich sterben im Drogenkrieg bis zu 10000 Menschen. Deshalb ist jetzt eine Debatte über die Legalisierung einiger Drogen entbrannt.

 Um sieben Uhr morgens wurden die drei Köpfe vors Restaurant geworfen, in Palmillas war gerade die Sonne aufgegangen. "Das passiert mit Verrätern", stand auf Zetteln neben den Köpfen. Die Täter hatte natürlich niemand gesehen. In den folgenden Stunden wurden allein in dieser Gegend 15 weitere Menschen ermordet. In Guerrero fand man vier Leichen, eine von ihnen enthauptet. In Reynosa starben bei einer Schießerei drei Soldaten und drei Söldner, ein Handyvideo davon lief sogleich auf You-Tube. Und in Michoacän gab es vier Totö durch Schusswaffen. Ein ganz normaler Tag in Mexikos Drogenkrieg.

 2009 zählte die Zeitung El Universal in dem Land 7724 solche Morde. Im Januar 2010 waren es fast tausend. Rechnet man das hoch, könnte es dieses Jahr mehr als 10 000 Opfer geben. Seit dem Amtsantritt von Präsident Felipe Calderón 2006 hat die Schlacht um Kokain, Marihuana, Heroin und Pillen bereits 17 000 Leben gekostet, mehr als die Kriege in Irak und Afghanistan. Ahnlich heftig tobt der Kampf um Routen und Märkte in Guatemala, Honduras und El Salvador. Der Rohstoff für das Geschäft kommt größtenteils aus den Andenländern, vor allem aus Kolumbien. Die Drogen sind zumeist für die USA und Europa bestimmt, aber auch Lateinamerika schnupft, schluckt und raucht immer mehr. "Ein gescheiterter Krieg ohne Ende", schreibt Mexikos früherer Außenminister Jorge Castafieda.

 Calderón begann die Offensive gegen die Narcos, wi~ die Kartelle aus Cfudad Juarez, Tijuana, Sinaloa, dem Golf von Mexiko oder Michoacdn genannt werden.

 Der konservative Staatschef schickte mit US-Hilfe 45 000 Soldaten auf die Straße.

 Doch Milliardengeschäft und Terror breiteten sich immer weiter aus, auch Erpressungen und Entführungen nahmen erheblich zu. Gangs aus oft einfachen Familien wuchsen zu Konzernen, mit Ablegern in Buenos Aires, Rio, Los Angeles, Madrid.

 Die Kriminellen kaufen Waffen, Polizisten, Bürgermeister. "Plata o Plomo" - Geld oder Kugel. Ihr Symbol sind Schnellfeuergewehre wie das AK 47. Das heißt in der Branche Cuerno de Chivo, Ziegenhorn. Welcher Polizist mit einem Monatsgehalt von maximal tausend Dollar kann da widerstehen? Ordnungshüter laufen über oder quittieren den Dienst. Die Zetas, zunächst Privatheer des Golf-Kartells, stammen aus Elitetruppen. Justiz und Politik sind unterwandert. Und den Experte Edgardo Buscaglia glaubt, zwei Drittel der Wirtschaftssektoren hätten mit dem Drogenhandel zu tun. 25 Milliarden Dollar werden pro Jahr gewaschen.

 "Es gibt eine soziale Basis für die Narcos", sagt Buscaglia. Eine Kultur des schnellen Geldes und frühen Todes, mit Drogenheiligen und Drogeniledern, schö-nen Frauen, teuren Autos, pompösen Häusern, vergoldeten Pistolen - und unauffälligen Strategen.

 Die US-Grenze wurde so zur Frönt, Ciudad Juärez zum Zentrum des Schreckens. Inder staubigen Miffionenstadt gegenüber von El Paso verschwinden Frauen, Männer werden abgeschiachtet. 2632 Morde gab es 2009 allein hier, obwohl das Militär mit 8000 Mann wacht.

 Besonderes Entsetzen löste kürzlich das Massaker an 15 Jugendlichen bei einem Geburtstagsfest aus. Die Einwohner rufen inzwischen nach UN-Blauhelmen, sie misstrauen ihren Streitkräften. Menschenrechtler werfen Mexikos Uniformierten Missbrauch vor. Castafieda sagt, die Armee sei für manche der Toten verantwortlich. die sie den Narcos vorwerfe.

 Zwar stellt die Staatsgewalt regelmä-ßig Drogenbarone, beschiagnahmt Kokain und Waffen. In Cuernavaca streckten Spezialeinheiten Arturo Belträn Leyva nieder, er hatte dort lange ungestört dem Luxus gefrönt. Bei der Aktion starben auch Soldaten, ein Name sickerte durch. Beitrans Rächer metzelten danach dessen Familie nieder. Im Gefängnis landeten auch Massenmörder wie El Teo, El Muletas oder El Pozolero, "der Suppenkoch". Er löste 300 Körper in Säure auf.

 Der Clan der Arellano Fölix in Tijuana erlitt ebenfalls Verluste. Aber der Hydra wachsen ständig Köpfe nach. Es gedeiht vor allem das Sinaloa-Kartell unter Joaquin El ChapoGuzman.

 Präsident Calderón verlangt Härte und Beharrlichkeit. Gerade besuchte er Ciudad Juärez und versprach Bevölkerung und Militär seine Unterstützung. Im Dorf Pälmillas, dem mit den drei abgetrennten Köpfen, wurde derweil die für Sonntag geplante Tanzveranstaltung abgesagt.

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Aus der Prohibition lernen

Al Capone ging erst mit der Legalisierung des Alkohols unter - Lateinamerika diskutiert deshalb jetzt über eine Freigabe von Drogen

Vor 90 Jahren wurde in den USA der Alkohol verboten. Am 16. Januar 1920 trat der 18. Zusatzartikel zur Verfassung in Kraft - und mit ihm die Prohibition. Es begann der Kampf um den Schwarzmarkt, die schießwütige Ara des Al Capone. Schmuggierbanden verdienten Vermögen, Chicago wurde zum Schlachtfeld mit durchlöcherten Autos und geheimen Brennereien. Zehntausende Menschen starben durch Kugeln oder gepanschten Schnaps. 1933 beendete Präsident Franklin D. Roosevelt das Experiment. Das war zwar nicht das Ende der Betrunkenen in den USA, wie der argentinische Schriftsteller Tomas Eloy Martinez schrieb. "Aber es verschwanden die Al Capones." Das gleiche Schicksal könnte auch den Bossen des Drogenhandels bevorstehen, glauben immer mehr Wissenschaftler und Politiker. Die Strukturen des ifiegalen Rauschgifthandels ähneln denen der Prohibition ja verdächtig. Washington steckt Milliarden in den war on drugs, den Drogerikrieg, doch die Zahl der Konsumenten und Toten wird immer größer. In Mexiko, Guatemala oder Brasilien wird trotz Po]izei und Armee gemetzelt, es geht um gewaltige Summen. Allein in die USA liefert Südamerika lährlich Rauschmittel für 36 Milliarden Dollar, hat die "Lateinamerikanische Kommission für Drogen und Demokratie" 2009 errechnet. Kornmissionsmitglieder wie die früheren Staatschefs Fernando Henrique Cardoso aus Brasilien, Ernesto Zedillo aus Mexiko und Cäsar Gaviria aus Kolumbien empfehlen deshalb "einen Strategiewechsel".

 Legalize it? Das Trio regt an, fürs Erste zumindest Marihuana zu entkriminalisieren. um den Preis zu senken. Cardoso will "das Tabu brechen, das eine ehrliche Debatte verhindert". Zahlreiche Studien zeigen, dass der Schaden von Marihuana dem von Alkohol oder Tabak ähnlich ist.

 Erfahrungen in Spanien, Portugal oder Holland beweisen, dass der Konsum nach Freigabe oder Duldung zwar kurzfristig zunahm, sich dann aber stabilisierte. Argentirilen erlaubt inzwischen ebenfalls den Besitz von Cannabis für den privaten Genuss.

 Die USA und andere Staaten bleiben jedoch trotz der schlechten Erfahrungen stur. "Es hat keinen Sinn, mit einer Politik der moralischen Prinzipien weiterzumachen, ohne die gewünschten Ergebnisse zu erzielen", findet der ehemalige kolumbianische Präsident Gaviria, der es einst mit Escobars Medellin-Kartell zu tun hatte. "Obama ist pragmatisch und sollte das anerkennen." -Mit Armeen ist die Drogenmafia nicht zu besiegen, sagen Kritiker. Soldaten sind für solche Einsätze auch gar nicht ausgebildet. Bolivien und Venezuela haben die US-Aritidrogenbehörde DEA bereits ihrer Länder verwiesen. Ecuador entließ Kleinhändler aus der Haft und schloss die US-Basis Manta. In den USA dagegen sitzen 500 000 Süchtige und unbedeutende Dealer in Zellen. "Die repressive Politik ist teuer und unnütz", klagt der peruamsche Autor Mario Vargas Llosa, beileibe kein Linker. Es wäre besser, das Geld für Aufklärungskampagnen zu nutzen. Aber der Schriftsteller ahnt, wer das verhindert: "Diejenigen Organisationen und Personen, die von der Repression des Rauschgifts leben." Lateinamerikanische Produzenten und Exportländer teilen die Verantwortung mit dem wichtigsten Verbraucherland: mit den USA. Aber auch mit Europa. Der vor wenigen Wochen gestorbene Argentinier Eloy Martinez hinterließ seinen Landsleuten diesen Rat: "Der effektivste Kampf gegen den Drogenhandel ist es, das Geschäft zu ruinieren. Und der einzig mögliche Weg dafür ist, den Konsum zu legalisieren." Peter Burghardt

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"Das Ass der Sierra"

El Chapo führt das größte Kartell

Die Juniors de Culiaccin sind eine typische Musikgruppe aus dem Norden Mexikos: Sie tragen riesige Cowboyhüte, Anzüge mit grellen Mustern und spielen auf Akkordeon und Gitarre sogenannte Narcocorridos im Walzertakt. Das sind Lieder, die Drogenhändler verherrlichen. Man hört sie nachts in Cantinas, wenn der Wirt die Tür zur Straße zusperrt - oder auf Taxifahrten durch finstere Vorstädte. Die meisten Lieder gibt es derzeit über Joaquin Guzman, genannt "El Chapo", was im Slang Mexikos "der Kurze" bedeutet. Bei US-Drogenfahndern heißt er "Shorty". Er ist Herr über das mächtigste Drogenkartell Mexikos.

 Der Aufstieg des 1,67 Meter kleinen ehemaligen Orangenverkäufers beflügelt den makabren Romantizismus der Sänger. Für sie ist der gerissene Gangster das "Ass der Sierra". Er kontrolliert fast die Hälfte des Drogentransports aus Kolumbien in die USA, er nutzt dafür eine Flotte eigener Kleinflugzeuge und Schiffe. 45 000 Soldaten hat Präsident Felipe Calderón zur Bekämpfung des Drogenhandels aufgeboten, doch den "Kurzen" haben sie nicht fassen können.

 Er soll inzwischen eine Milliarde Dollar besitzen. Das Magazin Forbes führte ihn 2009 auf der Liste der einflussreichsten Männer auf Platz 41, vor dem Präsidenten Frankreichs und hinter Irans geistlichem Führer. Ob diese Einschätzung sinnig ist, sei dahingestellt. Mexikos Regierung protestierte jedenfalls heftig: Die Aufnahme in die Forbes-Liste rechtfertige Verbrechen und beleidige alle, die gegen Drogen kämpften. Vor allem aber war die Platzierung eine Schmach für Präsident Calderón, der in der Liste gar nicht auftaucht.

 Auf Fotos posiert "El Chapo" gerne mit riesigen Gewehren oder mit Baseballkappen, die nach oben hin ausgebeult sind, möglicherweise um größer zu wirken. Ein einziges Bild gibt es von ihm in Gefangenenkleidung. Da bekamen sie Guzman im Nachbarland Guatemala zu fassen. Er wurde in ein Hochsicherheitsgefängnis in Mexiko verlegt - und entkam 2001, angeblich in einem Wäschereiwagen. Dass es dabei keine Toten gab, wird in Narcocorridos ausdrücklich gewürdigt. Dabei hat Chapo Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen auf dem Gewissen - und auch selber teuer bezahlt. Sein Sohn starb im Kugelhagel von Rivalen.

 Bei Chapos filmreifer Flucht sollen 80 Leute geholfen haben - ein Zeichen, dass er mit den Behörden im Bunde stehen könnte. Die jüngste Verhaftungswelle traf sein Sinaloa-Kartell jedenfalls weit weniger als andere. Die Regierung versuche, andere zu schwächen, auf dass sich das organisierte Verbrechen konzentriere, sagte der mexikanische Mafia-Experte Eduardo Buscaglia dem Economist. Man hoffe wohl, dann mit der siegreichen Gruppe über einen Waffenstillstand verhandeln zu können. Möglicherweise werden sie sich dann an einen neuen Anblick Chapos gewöhnen müssen.

 Die Band Jumors de Culiacan jedenfalls hat ihre Erklärung dafür, warum Guzman bisher nicht gefasst ist: "Sucht nicht sein Gesicht, denn es ist längst nicht mehr dasselbe."

Sebastian Schoepp