MEDIENSPIEGEL 21.2.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- RaBe-Info 19.2.10
- Antirep-Demo Aarau
- Heroin wieder am kommen; Repression + Drogentod; Heroin 1970
- Big Brother Facebook: Datensammelwut
- Anti-Atom: Grenzen AKW-Renaissance; USA

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REITSCHULE    
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Di 23.02.10
20.30 Uhr - Kino   - Uncut - Warme Filme am Dienstag: Escape to live, Andrea Weiss und Wieland Speck, Deutschland 2000
20.30 Uhr - Tojo - "Lustiger Dienstag 45" Mehr als Variété! Mit der LuDi-Crew und Gästen.

Mi 24.02.10
19.00 Uhr - SousLePont - Alpen Spezialitäten
20.30 Uhr - Kino - Kulturprojekt Porta Chuisa, Performance. Live-Konzert zu Filmen aufgeführt mit Hans Koch (CL), Michael Thieke (CL) und Paed Conca (CL). In Anwesenheit von Giovanni Di Stefano, Heike Fiedler, Giorgio Andreoli und Richard Werder
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne #120

Do 25.02.10
20.30 Uhr - Kino - Kulturprojekt Porta Chuisa, Performance. Live-Konzert zu Filmen aufgeführt mit Hans Koch (CL), Michael Thieke (CL) und Paed Conca (CL).
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Heu, Stroh und Hafer

Fr 26.02.10
19.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Jolly Roger, Beat Hirt, Schweiz 2003
20.30 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs" Agentenstück von Michael E. Graber. Uraufführung.
21.15 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Radio LoRA 97,5 MHz - 25 Jahre laut!, Gido Dietrich, Schweiz 2009 und RaDialoge 08, Paola Delco' & Ricardo Dorantes, CH 2009
22.00 Uhr - SousLePont - RaBe-Fest: The Jackets, The Dead, Loose Connection (BE)
22.00 Uhr - Dachstock - RaBe-Fest: Sofa Surfers (Klein Rec/A), Clara Clara (F) / DJ Olive Oil (BE)
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Rabe-Fest: Disco: DJ Tom Zoff (70/80/90 Mambo) / DJ Küse (Lost in Disco) / DJ Electric (Ready to Rock)
23.00 Uhr - Frauenraum - Rabe-Fest: "Female D&B Special" - DJ Flight (Play:Musik, Rinse FM, Metalheadz, Bassbin, UK) / MC Ayah (Lucky Devil Music, Hospital, CIA, UK), DJ Lockee, DJ Ryck & Badboy MC (RaBass 95.6), DJ Sueshi (Radio X, First Ladies, Basel)
22.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: No More Smoke Signals, Fanny Bräuning, CH 2008

Sa 27.02.10
19.30 Uhr - Kino - RaBe-Fest: No More Smoke Signals, Fanny Bräuning, CH 2008
20.30 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs" Agentenstück von Michael E. Graber. Uraufführung.
21.15 Uhr - Kino - RaBe-Fest: Radio LoRA 97,5 MHz - 25 Jahre laut!, Gido Dietrich, Schweiz 2009 und RaDialoge 08, Paola Delco' & Ricardo Dorantes, CH 2009
22.00 Uhr - SousLePont - RaBe-Fest: Lamps of Delta, My Wolf, Overdrive Amp Explosion, Mani Porno (CH)
22.00 Uhr - Dachstock - Rabe-Fest mit MyMy (live) (playhouse/DE); Styro2000 (motoguzzi/ZH); Racker & Brian Python (festmacher/BE)
22.00 Uhr - Frauenraum - Rabe-Fest: Miss Trouble & The Television Project / Anna Aaron / Dr. Minx / El Gata
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Rabe-Fest: Dee Jota (Abnorm), Disko Dario (elastic trax), Flowbox *live!*(Abnorm), Gelber (4dreams), Navigator (Dream Vision Media)
22.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Jolly Roger, Beat Hirt, CH 2003

So 28.02.10
19.00 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs" Agentenstück von Michael E. Graber. Uraufführung.
20.00 Uhr - Rössli-Bar - Marta Collica & Kassette
20.30 Uhr - Kino - Kulturprojekt Porta Chuisa, Performance. Live-Konzert aufgeführt zu Filmen mit Hans Koch (CL), Michael Thieke (CL) und Paed Conca (CL).

Infos: http://www.reitschule.ch

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RADIO RABE
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Fr. 19. Februar 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-Info_19._Februar_2010.mp3
- Wegweisender Entscheid des Berner Verwaltungsgerichts zugunsten der Grundrechte
- Nichtregierungsorganisationen kritisieren Rücknahmeabkommen Schweiz - Kosovo
- Auch die öffentliche Hand soll beim Grosseinkauf auf Fairtrade Produkte setzen

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ANTI-REP AARAU
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Sonntag 21.2.10

Friedliche Brandstifter-Demo in Aarau

 Rund 200 Sympathisanten der Auto-Zeusler auf der Strasse, bis Redaktionsschluss waren keine Vandalenakte bekannt

von Toni Widmer

 Weil sie im Verdacht stehen, mehrere Autos angezündet zu haben, wurden im November zwei Aarauer Anarchisten verhaftet. Gestern bekundeten ihnen rund 200 Leute ihre Solidarität.

 In unserem Staat darf man Polizisten öffentlich als repressive Bullen beschimpfen, ohne dafür belangt zu werden. So geschehen gestern in Aarau, wo am späteren Nachmittag rund 200 Autonome während rund anderthalb Stunden durch die Gassen zogen und dabei den Verkehr stark behinderten.

 Die mehrheitlich schwarz gekleideten und zum Teil vermummten Anarchisten aus dem Aargau und angrenzenden Kantonen solidarisierten sich auf ihrem Marsch mit zwei jungen Aarauern. Diese waren im November 2009 unter dem dringenden Verdacht festgenommen worden, im Zelgli-Quartier verschiedene Autos in Brand gesteckt zu haben, und haben einen Teil dieser Brandstiftungen auch zugegeben.

 Die verhassten Bullen hatten derweil mit massivem "Begleitschutz" dafür zu sorgen, dass die unbewilligte, von Stadt und Polizei unter strengen Auflagen aber tolerierte Demonstration nicht in einen Saubannerzug ausartete. Das angewandte Konzept ging auf. Bis Redaktionsschluss am frühen Abend wurden keine Sachbeschädigungen bekannt.

 Rund 200 Polizisten standen gestern Nachmittag wegen dieser Demo im Einsatz. Leute, die laut Stefan Reinhardt, dem Chef der Aargauer Kantonspolizei, in anderen Diensten abgezogen werden mussten. Die Interventionsschwelle war von der Polizei laut Reinhardt sehr tief angesetzt worden. Über ein Dutzend Leute wurden bereits bei der Anreise angehalten und vorübergehend aus dem Verkehr gezogen. Bei ihnen hatte die Polizei verdächtiges Material (unter anderem Schlaggegenstände, Pfeffersprays oder Pyros) gefunden.

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Indymedia 21.2.10

Communiqué zur Kundgebung gegen Bullengewalt in Aarau

AutorIn : antirepdemo         

Gestern, den 20.02.2010, haben in Aarau 150-200 Demonstrierende, trotz eines massiven Polizeiaufgebotes, ein lautstarkes Zeichen gegen Polizeirepression gesetzt.     
    
Die Demonstration startete um 15.00 Uhr in der Innenstadt und endete um 16.45 Uhr am Bahnhof Aarau. Dabei wurde, trotz eines gewaltigen, provokativen und repressiven Polizeiaufgebotes, das Ziel friedlich zu demonstrieren erreicht.

Die Polizei kontrollierte bereits im Vorfeld zahlreiche Menschen in Aarau und auf den Zufahrtstrassen. Dabei erteilte sie diverse Wegweisungsverfügungen. Ein Teil der Kontrollierten - um die 15 - wurden aus fadenscheinigen Gründen festgenommen. Die PolizistInnen handelten dabei planlos und willkürlich, sowohl bei den Begründungen für die Festnahmen, als auch bei der Behandlung der Festgenommenen. So gab es keine nachfolziehbaren Gründe; weshalb sich Personen ausziehen, fotografieren oder wegweisen lassen mussten. Das Verhalten der PolizistInnen war derart planlos, dass einzelne selbst gegenüber Inhaftierten zugeben mussten, dass sie nicht verstehen, weshalb die Betroffenen festgenommen wurden.

Doch nicht nur im Vorfeld wurden Menschen durch solches Verhalten provoziert und deutlich eingeschränkt. Auch während der Kundgebung schränkte das Verhalten der Polizei die Bewegungsfreiheit und die freie Meinungsäusserung stark ein. Dass BeamtInnen auch direkt im Umfeld der Demonstration Menschen kontrolliert haben, muss als Provokation gewertet werden. Überdies schirmten uniformierte PolizistInnen die Kundgebung nahezu vollständig ab und erschwerten es so massiv, auf die Anliegen dieser Demonstration aufmerksam zu machen. Dagegen schützte die Polizei etwa 15 Neonazis, die ihr menschenverachtendes Gedankengut - etwa mit Hitlergrüssen - offen zur Schau stellen konnten.

Solches Verhalten durch die Aargauer Polizei ist keine Ausnahme, sondern zeigte sich in letzter Zeit häufiger. Eine andere Kundgebung etwa, bewog die Polizei dazu einen ganzen Zug aus Bern im Bahnhof Aarau zu stoppen, sämtliche Insassen zum Aussteigen zu zwingen und zahlreiche zu kontrollieren. Willkürlich wurden dabei Menschen im Bahnhof festgehalten, fotografiert und mit Polizeibegleitung nach Bern gebracht, unabhängig davon ob sie dort wohnten. Auch in diesem Zusammenhang wurde oft auf das beliebte Mittel der Wegweisungsverfügung zurückgegriffen.

Dieses Ereigniss zeigt exemplarisch auf, dass die Polizei nicht dazu da ist, die Bevölkerung als Ganzes zu schützen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, nur die Mächtigen dieser Welt zu beschützen und somit auch das System, welches diese dazu macht. Hierfür muss jeglicher Widerstand erschwert, kriminalisiert und unterdrückt werden.

Falls es Leute gibt, die ihre Festnahme noch nicht gemeldet haben oder willkürlich weggewiesen wurden: Meldet euch bitte beim AntirepAarau.  antirepaarau@immerda.ch.

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ag.ch/kantonspolizei 20.2.10

Aarau: "Antirep-Demo" mit rund 150 Teilnehmenden verlief friedlich

An der von der linken Szene in der Schweiz und im Ausland aufgerufenen Demonstration in Aarau gegen staatliche Repressionen haben rund 150 Sympathisantinnen und Sympathisanten teilge-nommen. Die Demo verlief ohne Zwischenfälle. Zur Gewährung Ruhe, Ordnung und Sicherheit standen zur Hauptsache Kräfte der Kantonspolizei Aargau im Einsatz, unterstützt durch die Stadtpolizei Aarau und die Bahnpolizei.

Im Zusammenhang mit Brandstiftungen an Motorfahrzeugen, mit Schwergewicht im Zelgliquartier in Aarau, wurden am 14. November 2009 zwei junge Männer unter dem Tatverdacht der Brandstiftungen verhaftet. Nach Teilgeständnissen wurden sie nach 46 Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Während der Untersuchungshaft kam es auf dem Platz Aarau durch Angehörige der linken Szene wiederholt zu kleineren Solidaritätskundgebungen.

 Aus Solidarität mit den mutmasslichen Tätern, haben in den letzten Tagen und Wochen Angehörige der linke Szene in der Schweiz und in Deutschland für heute Samstag, 20. Februar 2010, zu einer Demonstration gegen staatliche Repressionen (Antirep-Demo) in Aarau aufgerufen.

 Auf dem Stadtgebiet Aarau wurde bereits ab 13 Uhr uniformierte Präsenz markiert. Durch Einsatzkräfte der Kantonspolizei wurden auf den Einfallsachsen zu Aarau und im Bahnhof anreisende Personen eingehenden Kontrollen unterzogen. Insgesamt 15 Personen, die Material wie Spraydosen, Schutzmasken, Schutzbrillen, Pfefferspray etc. mitführen, wurden zur weiteren Überprüfung ins Polizeikommando gebracht. Gegen sie wurden Wegweisungen ausgesprochen.

 Nach der Besammlung um 15 Uhr in der Igelweid in Aarau, formierten sie sich zu einem Demonstrationszug, der von Uniformkräften der Polizei begleitet wurde. Die von der Stadtbehörde tolerierte Route führte über die Bahnhofstrass - Laurenzenvorstadt - Metzgergasse - Rathausgasse - Obere Vorstadt zur Hintere Bahnhofstrasse, wo die Demo ca. 16.30 Uhr beendet wurde. Mit Transparenten und Parolen wie: "Freiheit für alle", "Solidarität" etc. machten sie auf sich aufmerksam.
 Die Demonstration mit rund 150 Teilnehmenden verlief als Folge der hohen Polizeipräsenz auf der ganzen Route friedlich und in geordneten Bahnen. Es kam zu keiner Zeit zu Scharmützel oder irgendwelchen Sachbeschädigungen.

 Zur Gewährung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit standen Kräfte der Kantonspolizei, unterstützt durch die Stadtpolizei Aarau und die Bahnpolizei im Einsatz.

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HEROIN
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Sonntagszeitung 21.2.10

Heroin ist bei Jungen wieder in

 Die Droge ist billig wie noch nie - eine Studie der Uni-Klinik Zürich zeigt, dass die Zahl der Konsumenten zunimmt

 Zürich Trendwende beim Heroinkonsum in der Schweiz: Eine Studie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich von 2009 zeigt, dass die Zahl der Heroinkonsumenten nicht mehr zurückgeht, sondern seit 2005 leicht angestiegen ist. Zuvor war diese Zahl seit den 90er-Jahren stets rückläufig.

 Daniel Bösiger von der Kontakt- und Anlaufstelle (K & A) in Bern bestätigt die Wende: "Wir beobachten, dass es beim Heroinkonsum keinen rückläufigen Trend mehr gibt." Nun fürchten Gassenarbeiter und Suchtexperten ein Comeback des Heroins. Besonders Junge fangen mit dem Fixen an. In der K & A Bern machen die unter 25-Jährigen 15 bis 20 Prozent der Klientel aus. Adrian Kormann, Arzt bei der Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen in Zürich (Arud), sagt: "Wenn man mit Streetworkern hier in Zürich spricht, hört man, dass es vermehrt junge Neukonsumenten von Heroin gibt." René Keller vom Gesundheitsdepartement Basel-Stadt sagt: "Ich bin seit sieben Jahren an dieser Stelle. In dieser Zeit ist das Durchschnittsalter der Heroinkonsumenten gestiegen. Aber seit zwei Jahren bemerken wir, dass wieder junge Erwachsene einsteigen."

 Der Lausanner Psychiater David Knobel sagt: "Im selbstzerstörerischen Risikoverhalten junger Erwachsener ersetzt Heroin heute andere Substanzen." Der Heroinpreis für einen Schuss beträgt heute nur noch rund 15 Franken - und ist damit ungefähr viermal so günstig wie in den 80er-Jahren.  

Jean François Tanda  Seite 3

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Heroin ist billig und bei Jugendlichen wieder beliebt

 Kontakt- und Anlaufstellen registrieren wachsende Zahl von jungen Einsteigern

Von Jean François Tanda

 Zürich Gassenarbeiter und Suchtexperten fürchten ein Comeback von Heroin. In Genf sind bei der Suchtberatungsstelle Première Ligne 70 Prozent der Klienten heroinsüchtig; 30 Prozent konsumieren Kokain. 2001 sei das Verhältnis noch umgekehrt gewesen, weiss ein Gassenarbeiter. René Keller von der Abteilung Sucht im baselstädtischen Gesundheitsdepartement sagt: "Vor allem vor dem Hintergrund, dass Heroin jahrelang als Verliererdroge angesehen wurde und bei jungen Leuten absolut out war, sind Veränderungen bemerkbar." Deutlicher wird Adrian Kormann von der Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen (Arud): "Wenn man mit Streetworkern hier in Zürich spricht, hört man, dass es vermehrt junge Neukonsumenten von Heroin gibt."

 Wissenschaftlich ist der Trend bereits ansatzweise dokumentiert. Eine Studie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich von 2009 zeigt, dass es seit 2005 mehr Neueinsteiger in den Heroinkonsum gibt. Seit den Neunzigerjahren war diese Zahl stetig rückläufig. Gemäss Studie haben 2005 und 2006 jeweils mehr 21-Jährige zur Nadel gegriffen als in den Jahren zuvor.

 Vor allem Punks und Secondos sind Heroin-Einsteiger

 Die Trendwende ist europaweit zu beobachten. Die europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht schreibt in ihrem Jahresbericht 2009 zu Heroin: "Der Konsum dieser Droge war seit Ende der Neunzigerjahre insgesamt rückläufig. Heute ist die Lage jedoch sehr uneinheitlich und gibt in einigen Gebieten Anlass zur Sorge." Und: "Beunruhigend ist die Tatsache, dass in einigen wenigen Ländern Heroinprobleme in bestimmten Gruppen junger Menschen beobachtet wurden."

 In Zürich trifft dies namentlich auf Punks und Migrantenkinder zu. Christina Stücheli, Sprecherin des Sozialdepartements der Stadt Zürich: "Wir beobachten Neueinsteiger in der Punk-Szene und tendenziell bei Secondos." Bei den Punks sei der Grund das "Prinzip extensiven Mischkonsums", bei Secondos gehe es darum, nach dem Kokainkonsum wieder "runterzukommen".

 Die Jungen wissen nichts mehr vom Drogenelend am Letten

 Älteren Menschen sind die abschreckenden Bilder noch präsent: Fotos von Junkies auf dem Zürcher Platzspitz, später Bilder vom Elend am Zürcher Letten. Doch seit der Letten geräumt wurde, sind 15 Jahre vergangen. Und die neue Generation von Fixern mit Jahrgang 1985 und jünger hat diese Bilder nicht bewusst wahrgenommen, dazu waren sie damals zu jung. In der Kontakt- und Anlaufstelle Bern zum Beispiel machen die unter 25-Jährigen geschätzte 15 bis 20 Prozent der Klientel aus.

 Heroin ist billig geworden; der Preis pro Schuss beträgt rund 15 Franken - ein Viertel dessen, was in den Achtzigerjahren bezahlt wurde. Das verleitet offenbar junge Menschen dazu, Heroin als Rauschmittel zu benutzen, statt Medikamente oder andere Stoffe zu missbrauchen. David Knobel, Psychiater am Uni-Spital in Lausanne, sagt: "Im selbstzerstörerischen Risikoverhalten junger Erwachsener ersetzt heute Heroin andere Substanzen."

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 "Heroin gab mir das Gefühl von Geborgenheit und Liebe"

 Sarah konsumiert harte Drogen, seit sie 16 Jahre alt ist.

 Zuerst sniffte oder rauchte Sarah das Heroin. Ein Kollege spritzte sich den Stoff und warnte sie davor, es ebenfalls zu tun. Sie versuchte es trotzdem, weil sie sah, dass die Droge so schneller einfährt. "Heroin gab mir das Gefühl von Geborgenheit und Liebe, ich fühlte mich einfach wohl", sagt die heute 29-Jährige. Angefangen hatte sie mit Kokain im Alter von 16 Jahren. Aus Neugierde. "Den ersten Stoff erhielt ich gratis." Doch Kokain mache aggressiv, mit Heroin hingegen habe sie losgelassen und keine Gedanken an die Zukunft verschwendet. "Die Bilder vom Platzspitz, Letten oder Christiane F. , die ich in der Schule sah, hatten keine abschreckende Wirkung", sagt sie. In Winterthur, wo sie lebt, sieht Sarah immer mehr Junge, die auf Heroin sind. In den letzten zwölf Jahren hat Sarah immer wieder versucht, ihre Abhängigkeit zu überwinden. Den letzten Entzug machte sie im Januar. Seit dem Sommer 2008 dokumentierte sie ihren Alltag in einem Videotagebuch. "Ich bins Sarah!" wurde im Januar an den Solothurner Filmtagen gezeigt. Sarah wollte einst Kleinkinderzieherin werden und machte ein erstes Praktikum - bis sie abstürzte. "Ich kann es immer noch gut mit Kindern." Wenn sie gesund und nüchtern ist, hütet sie ihren Neffen. Wie sieht sie ihre Zukunft? "Ich bin motiviert, sauber zu bleiben." Wenn sie dies sagt, tönt es, als müsse sie vor allem sich selbst überzeugen. Petra Wessalowski

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uzh.ch/news 27.1.10

Drogenpolitik

Ein fataler Kreislauf

Eine Studie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich hat erstmals die Schweizer Drogenpolitik von 1975 bis 2007 untersucht. Resultat: Die kontrollierte Heroin- und Methadonabgabe vermochte die Zahl der Drogentoten stark zu senken, die gleichzeitige Repression hatte vermutlich den gegenteiligen Effekt.

Adrian Ritter

Die Zahl war erschreckend. Gab es in der Schweiz 1975 noch 35 Drogentote, wurde 1992 ein trauriger Höhepunkt von 419 Todesopfern erreicht. In den meisten Fällen war Heroin, alleine oder in Kombination mit anderen Substanzen, dafür verantwortlich.

Was war geschehen? Die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten von Heroin hatte sich in der Schweiz im selben Zeitraum von rund 3000 auf über 30'000 erhöht. Gleichzeitig war der Preis für Heroin zusammengebrochen: von 600 bis 800 Franken auf 30 bis 80 Franken pro Gramm.

Erfolgreiche Behandlung

Politik und Polizei in der Stadt Zürich sahen sich zum Handeln gezwungen. Sie taten dies unter anderem mit der Einführung von niederschwelligen Methadonprogrammen (ab 1991) und heroingestützten Behandlungen (ab 1994). Gleichzeitig wurden im Sinne der Repression die offenen Drogenszenen am Platzspitz (1992) und Letten (1995) geschlossen.

Den Auswirkungen dieser Politik gingen Carlos Nordt und Rudolf Stohler an der Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) in einer Studie nach, die soeben in der Zeitschrift "Drug and Alcohol Review" veröffentlicht wurde.

Erstmals untersuchten sie für den Zeitraum von 1975 bis 2007 den Zusammenhang zwischen Repression, Methadon- und Heroinbehandlungen und der Zahl der Drogentoten in der Schweiz.

Übereinstimmend mit Forschungsergebnissen aus anderen europäischen Ländern konnten sie zeigen, dass die kontrollierte Abgabe die Zahl der Drogentoten auf einen Viertel zu senken vermochte. Allerdings nahm die Zahl der Drogentoten nicht sofort ab, sondern erst nach 1996 - also fünf Jahre nachdem das Behandlungsangebot mit Methadon eingeführt worden war.

Mehr Stress für Süchtige

Die polizeiliche Repression dürfte gemäss der Studie zumindest zu dieser Zeitverzögerung beigetragen haben. Die Repression, gemessen an der Zahl der Verzeigungen von Heroin-Konsumenten, war zwischen 1991 und 1997 doppelt so hoch wie in den Jahren davor und danach. Gleichzeitig war die Zahl der Drogentoten - unter Berücksichtigung der jeweiligen Zahl der Heroinabhängigen - im selben Zeitraum um 30 Prozent höher.

Die Autoren halten sich zwar zurück, eindeutige Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zu postulieren. So hat sich gezeigt, dass die Zahl der Drogentoten über die Jahre ohnehin beachtlichen Schwankungen unterliegt. Zudem könnte die erhöhte Repression mit einer erhöhten Sensibilisierung für das Thema "Drogentote" in jener Zeit einhergegangen sein.

Dies könnte dazu geführt haben, dass Todesfälle von Drogensüchtigen häufiger auf den Drogenkonsum zurückgeführt wurden. "Der Kanton Basel-Stadt hat aufgrund solcher Unwägbarkeiten vor einigen Jahren gänzlich aufgehört, die Zahl der Drogentoten zu benennen", so Nordt.

Trotzdem: Die Studie gibt ein erstes Mal Hinweise auf mögliche Auswirkungen der Repression auf die Zahl der Drogentoten. Wie aber lässt sich der Effekt erklären? Die Verzeigung eines Drogensüchtigen führt ja nicht zu dessen Tod. Nordt erklärt sich den Zusammenhang über den erhöhten Stress, dem Drogensüchtige bei vermehrten Polizeikontrollen und Verzeigungen ausgesetzt sind. Dies könne etwa zu Überdosierungen führen.

Druck auf die Polizei

Umgekehrt konnten die beiden Wissenschaftler nachweisen, dass die Zahl der Drogentoten auch einen Einfluss auf das Ausmass der Repression hat. Die Studie zeigt, dass die Zahl der Verzeigungen wesentlich durch die Zahl der Drogentoten der beiden Vorjahre bestimmt wird. Bei einer grösseren Zahl von Drogentoten steige der gesellschaftliche und politische Druck auf die Polizei, "etwas gegen das Drogenproblem zu unternehmen", sagt Nordt.

In den 1990er Jahren könnte sich daraus ein eigentlicher Teufelskreis entwickelt haben: mehr Repression - mehr Drogentote - mehr Repression - mehr Drogentote. Der Kreislauf konnte erst Ende der 1990er Jahre durchbrochen werden - die Zahl der Konsumenten wie auch der Drogentoten ist seither leicht gesunken.

Massgeblich dazu beigetragen hat die Tatsache, dass inzwischen die Hälfte der Heroinkonsumenten an einem Behandlungsprogramm teilnehmen. Die Autoren der Studie plädieren denn auch dafür, diese beizubehalten.

Unerreichte Ziele

Was die Repression anbelangt, müsse hinterfragt werden, ob die damit anvisierten Ziele erreicht wurden. Zwar habe die Repression dazu geführt, dass es keine offenen Drogenszenen mehr gebe. Andere Ziele seien aber nicht erreicht worden, wie Nordt und Stohler in einer vorgängigen Studie in der Zeitschrift "International Journal of Drug Policy" zeigen konnten: Heroin ist nach wie vor in derselben Menge auf dem Schwarzmarkt erhältlich und der Preis konnte nicht hoch gehalten werden.

"Während medizinische Behandlungen ihre Wirksamkeit ständig in Studien nachweisen müssen, scheint dies für die Repression nicht zu gelten", so Nordt. Wenn die Repression anscheinend negative Auswirkungen hat, gleichzeitig aber einige ihrer Ziele nicht erreiche, müsse die Frage erlaubt sein, wie sinnvoll sie sei. Die beiden Autoren wollen für weitere Studien versuchen, Zahlen über Drogenkonsum, Behandlungsangebote und Repression in anderen europäischen Ländern zu sammeln und zu vergleichen.

Buchhinweis

Wie sich die schweizerische Drogenpolitik von 1968 bis 2008 entwickelte, beschreibt Peter J. Grob in seinem 2009 im Zürcher Chronos-Verlag erschienenen Buch "Zürcher Needle-Park".

Grob ist emeritierter Professor für Medizin und war Leiter der klinischen Immunologie am Zürcher Universitätsspital.

Die neuere schweizerische Drogenpolitik begann laut Grob 1975 mit der verhärtenden Revision des Betäubungsmittelgesetzes. Eine grundsätzliche Änderung erfolgte 2008 mit einer neuen Gesetzgebung im Sinne des Vier-Säulen Prinzips. Damit sei die Schweiz, was die Drogenpolitik anbelangt, zu einem der liberalsten Länder der Welt geworden.

Adrian Ritter ist Redaktor von UZH News.

Links

Medienmitteilung der UZH vom 27.1.2010
http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2010/repression-und-heroinbehandlungen-beeinflussen-zahl-der-drogentoten.html
Artikel in "Drug and Alcohol Review"
http://www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/fulltext/123246719/HTMLSTART?CRETRY=1&SRETRY=0
Artikel in "International Journal of Drug Policy"
http://www.ijdp.org/article/S0955-3959%2809%2900051-6/abstract
Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie (Substanzstörungen)
http://www.puk-west.uzh.ch/research/substanzstoerungen.html

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mediadesk.uzh.ch 27.1.10
http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2010/repression-und-heroinbehandlungen-beeinflussen-zahl-der-drogentoten.html

Medienmitteilung vom 27.01.2010

Repression und Heroinbehandlungen beeinflussen Zahl der Drogentoten

Die polizeiliche Repression gegen Heroinkonsumenten war in den neunziger Jahren besonders hoch. Damals wurden etwa 30 Prozent mehr Drogentote registriert. Das Behandlungsangebot mit Methadon und Heroin führte dagegen dazu, dass die Drogenmortalität auf einen Viertel sank. Diesen Zusammenhang haben Forscher der Universität Zürich in einer neuen Studie festgestellt.  

Carlos Nordt und Rudolf Stohler von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich untersuchten in einer in "Drug and Alcohol Review" publizierten Studie den Zusammenhang zwischen Polizeirepression gegen Heroinkonsumenten, der Verfügbarkeit von Methadon- und Heroinbehandlungen und der Anzahl Drogentoter in der Schweiz in den Jahren 1975 bis 2007. Bekanntlich ist Heroin, allein oder in Kombination mit anderen Substanzen, für die überwiegende Mehrheit der Drogentodesfälle verantwortlich. Die Anzahl Drogentoter lag 1975 bei 35 Fällen, stieg dann stark an und erreichte 1992 mit 419 Drogentoten ihren Höhepunkt. Seit 1998 schwankt diese Zahl nun um jährlich ca. 190 Fälle.

 Das Ausmass polizeilicher Repression gegen Heroinkonsumenten berechneten die Autoren anhand der jährlichen Anzahl polizeilicher Verzeigungen wegen Heroinkonsums, bezogen auf die jeweilige geschätzte Anzahl von Heroinkonsumenten. Dabei berücksichtigten sie, dass die Verzeigungswahrscheinlichkeit für Heroinabhängige in Methadon- und Heroinbehandlungen tiefer ist. So berechnet war die polizeiliche Repression gegen Heroinkonsumenten in den 90er-Jahren doppelt so intensiv wie in der Zeit davor und danach. In den 90er-Jahren war aber ebenfalls die Anzahl der Drogentoten - wiederum unter Berücksichtigung der jeweiligen Anzahl Heroinabhängiger - um 30 Prozent höher.

Die Autoren bezogen in ihre Berechnungen zudem den Einfluss verschiedener anderer Faktoren auf die Mortalität mit ein. So reduzierte die Einführung niederschwelliger Methadonbehandlungen und heroingestützter Behandlungen die Anzahl der Drogentoten um rund einen Faktor 4. Auch in anderen Ländern konnten solche Substitutionsbehandlungen die Drogenmortalität im gleichen Ausmass reduzieren, wie Ergebnissen verschiedener anderer Studien aus Europa zeigen.

Carlos Nordt und Rudolf Stohler interpretieren ihre Ergebnisse als Hinweis darauf, dass die Beziehung zwischen Polizeirepression und Drogenmortalität zumindest zum Teil kausal sein könnte.

 Zahl der Drogentote beeinflusst künftige Polizeiarbeit

Wie die Autoren zudem überzeugend nachweisen, wird die Zahl der Verzeigungen wegen Heroinkonsums eines jeweiligen Jahres wesentlich durch die Zahl der Drogentoten zwei Jahre zuvor bestimmt. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Zahl der Drogentoten entscheidend ist für den Grad des gesellschaftlichen und politischen Drucks auf die Polizei, "etwas gegen das Drogenproblem zu unternehmen".

Die polizeiliche Repression mag dazu geführt haben, dass es keine offenen Drogenszenen mehr gibt. Andere Ziele der Repression - etwa dass weniger Heroin verfügbar war oder der Heroinpreis hoch blieb - sind jedoch nicht erreicht worden, wie Nordt und Stohler in einer vorgängigen Studie zeigten.


Originalbeiträge:

Carlos Nordt, Rudolf Stohler: Combined effects of law enforcement and substitution treatment on heroin mortality, Drug and Alcohol Review (2010), doi:10.1111/j.1465-3362.2009.00167.x

Carlos Nordt, Rudolf Stohler: Low-threshold methadone treatment, heroin price, police activity and incidence of heroin use: The Zurich experience, International Journal of Drug Policy (2009) 20: 497-501, doi:10.1016/j.drugpo.2009.02.009

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Der Spiegel 23.2.1970
http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=45202916&aref=image035/0601/PPM-SP197000901830186.pdf&thumb=false

GESELLSCHAFT / HEROIN-SUCHT

Tödlicher Furt

Das siebzehnjährige Neger-Mädchen hatte Schaum vor Mund und Nase. Vergebens versuchten die Teilnehmer der nächtlichen Party, es um zehn Uhr morgens zu wecken -- Toni Dishman, Studentin im ersten Semester am New Yorker Barnard College, war tot.

Sie starb am 31. Januar dieses Jahres, in einem Apartment zweier Studenten in der College-Avenue 1205 im New Yorker Mittelklassen-Stadtteil Bronx. Als Todesursache diagnostizierte Amtsarzt Dr. Milton Helpern nach der Autopsie ("Ihre Lungen sahen aus wie bei einem Ertrunkenen") eine Überdosis Heroin. Die attraktive Studentin, die ihr Haar im Afro-Look trug, war das dritte Heroin-Opfer unter den New Yorker Teens und Twens an einem einzigen Wochenende.

Nach der LSD- und Marihuana-Welle entdecken, wie es scheint, amerikanische Jugendliche Heroin als neues Rauschmittel. Zwar sind US-Wissenschaftler und -Behörden noch uneins, ob es sich, vergleichbar mit der Marihuana-Mode, schon um seuchenartige Ausbreitung oder nur um allmähliches Vordringen der Sucht handelt.

Sicher ist: Die Zahl der Heroin-Süchtigen nimmt zu, und immer mehr Jugendliche sind darunter. So wuchs beispielsweise in New York die Zahl der Heroin-Toten, die jünger als 20 Jahre waren, von 15 im Jahr 1960 auf 224 im letzten Jahr. Und ein Viertel der New Yorker Heroin-Toten im Jahr 1969 war 16 Jahre und jünger.

Bisher stützt sich der Eindruck, Heroin-Sucht sei in den USA auf breiter Front im Vormarsch, vornehmlich "auf die Schilderung der vielen Einzelfälle", wie ein Beamter der US-Arzneimittelbehörde formulierte. Exakte statistische Unterlagen fehlen; aber die Schätzungen einiger New Yorker Heroin-Experten sind pessimistisch: 25 000 jugendliche Heroin-Süchtige gibt es gegenwärtig schon in New York, und bis zum Sommer dieses Jahres würden es schon viermal so viele sein. Und Dr. Donald Louria, Präsident des New Yorker Rauschgift-Komitees, warnte Anfang dieses Monats auf einer Tagung von Schuldirektoren: "In wenigen Jahren wird jede High-School, jedes College mit Heroin überschwemmt sein."

Ein Grund für die Zunahme des Heroin-Konsums in amerikanischen Großstädten, so fanden die Rauschgiftexperten heraus, sei die massive Anti-Marihuana-Kampagne der Nixon-Regierung im Herbst letzten Jahres gewesen. Vor allem die illegale Einfuhr aus Mexiko wurde durch scharfe Grenzkontrollen weitgehend unterbunden. Die Heroin-Händler nützten die dadurch entstandene Marktlücke: Sie glichen den Heroin-Preis dem des Marihuana an und erhöhten so ihren Umsatz.

Aber im Gegensatz zu Marihuana oder Haschisch besteht beim Heroin kein Zweifel an der Gefährlichkeit der Droge: Das Rauschgift, ein chemisch veredelter Abkömmling des Opiums, führt fast immer zu süchtiger Abhängigkeit -- und bei längerem Gebrauch zwangsläufig zu körperlichem und geistigem Verfall. Der Heroin-Süchtige verliert Ehrgeiz und Lebenswillen. Und wenn die Dosis einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, kommt es zum Kreislaufkollaps und zu tödlicher Atemlähmung.

Früher war die bewußtseinsverändernde Droge, die das Leid vergessen macht, allenfalls unter den Drop-outs der amerikanischen Gesellschaft verbreitet: bei Getto-Bewohnern, alternden Schauspielern oder bedrängten Homosexuellen. Nun aber konstatieren Rauschgift-Experten Heroin-Konsum vor allem bei den Jugendlichen des amerikanischen Mittelstandes -- häufig im Wechsel mit anderen Spezialitäten des Rauschmarktes. "Ich nehme sie -- kleine blaue Pillen, orangefarbene, grüne und weiße -- sooft ich kann, Tag und Nacht", bekundete Isabel Salazar, 12, Tochter eines prominenten New Yorker Psychiaters. Nach einem dreitägigen Drogentrip erklärte die Zwölfjährige, verwirrt und mit blutunterlaufenen Augen: "Ich nehme Hasch, Pot, LSD, Heroin alles, was ich kriegen kann."

Erhältlich ist die neue Mode-Droge Heroin nahezu an jeder Großstadt-Straßenecke. "Es ist so leicht zu kaufen wie Kaugummi", bezeugte der Washingtoner Richter Alfred Burka schon im März letzten Jahres vor einem Senatskomitee. Und in einigen Straßen der Slumviertel blüht ein so umfangreicher Handel mit Heroin, daß sie im Süchtigen-Jargon als Supermärkte bezeichnet werden.

Gehandelt wird das Heroin meist von Jugendlichen, die sich einen Nebenverdienst verschaffen wollen und oft den Verdienst für den eigenen Bedarf ausgeben. In der Mermaid Avenue auf Coney Island sprengte New Yorks Polizei Anfang dieses Monats einen Händlerring, der wöchentlich Rauschgift im Wert von rund dreieinhalbtausend Mark umsetzte. Unter den acht Teenager-Verkäufern, im Heroin-Jargon "Runner" (Renner), "Pusher" (Schieber) oder auch "Lieutenant" (Leutnant) genannt, waren drei jünger als 16 Jahre, der jüngste war elf.

Rund 2500 Kilogramm reines Heroin, so errechneten die bis in den Orient ausschwärmenden Rauschgift-Agenten der US-Behörden, seien im letzten Jahr in die Vereinigten Staaten gelangt. Achtzig Prozent des Giftes (Verkaufswert: 1,5 Milliarden Mark) stammten von den rund 200 000 Mohnfarmen in der Türkei. In Frankreich, neuerdings auch in der Bundesrepublik veredelt, gelangt das Rauschgift in die New Yorker Unterwelt; namentlich das kapitalkräftige Gangster-Syndikat "Cosa Nostra" ist mit dem Weiterverkauf der harten Droge befaßt.

Jeder Abnehmer setzt dem gekauften Stoff weitere Mittel zu, um ihn zu strecken und so einen höheren Gewinn zu erzielen. Im Verhältnis drei zu eins wird das Heroin mit Milchzucker, Kreide, Aspirin oder Chinin verschnitten. Das von den Endverkäufern angebotene Heroin (Preis je Dosis: ein bis fünf Dollar) enthält dann lediglich noch zwei bis drei Prozent reines Heroin,

Daß mithin die Käufer nicht feststellen können, in welcher Dosis sie sich das Gift einspritzen, erhöht die Gefahr -- auch für solche, die nur einmal mit der Droge experimentieren wollen. Toni Dishman beispielsweise, die New Yorker Studentin, starb nach ihrem ersten Heroin-Trip.

Und in welchem Maße amerikanische Jugendliche die Gefahren des Mohngiftes unterschätzen, bestätigte eine Umfrage, die der New Yorker Amtsarzt Helpern jüngst vornahm: Heroin, meinten die meisten Jugendlichen, sei nicht gefährlicher als Marihuana und mache auch nicht süchtig.

Die häufigste Antwort auf die Frage, warum sie Heroin versucht hätten, lautete: "Weil die anderen es auch nehmen." Eine andere offenbar verbreitete Motivation zum Heroin-Genuß deutete das US-Nachrichtenmagazin "Time" an, als es den Reiz, den das Rauschgift auf Teenager und Twens ausübe, mit der "prickelnden Wirkung verglich", die "das russische Roulett ausübt: ein Turnier mit dem Tod".

Bislang haben die US-Behörden noch nicht annähernd ausreichende Maßnahmen treffen können, den tödlichen Furt der amerikanischen Jugendlichen einzudämmen. Ohne staatliche Hilfe hat beispielsweise die New Yorker Psychiaterin Dr. Judianne Densen-Gerber drei Zentren zur Entwöhnung und Behandlung jugendlicher Heroin-Süchtiger eingerichtet. Aber ihre Klientel ist mittlerweile nicht mehr auf die Millionenstadt beschränkt; die Ärztin erhält "Hilferufe aus Orten, die nicht einmal auf einer Landkarte zu finden sind".

Neuerdings hat die hilfswillige Psychiaterin noch dazu mit dem Widerstand der New Yorker Behörden zu rechnen. Ihr wurde Gefängnis angedroht, weil sie noch weitere Jugendliche in die drei Heroin-Hospitäler aufnahm, obwohl die Gebäude nach den Vorschriften der Bau- und Gesundheitspolizei längst überfüllt sind.

"Die Behörde hat recht, die Häuser sind überfüllt, und das ist eine Schande", kommentierte Dr. Densen-Gerber. "Aber es ist für die Kinder immer noch besser, hier zu sein ... als im Leichenschauhaus."

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BIG BROTHER FACEBOOK
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Sonntagszeitung 21.2.10

Facebook im Visier

 Das soziale Netzwerk sammelt Daten von Nichtmitgliedern - jetzt regt sich auch in der Schweiz Widerstand

 Von David Bauer

 Bern Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte, Hanspeter Thür, will Facebook verbieten, im grossen Stil Daten von Nichtmitgliedern zu sammeln. Er prüft derzeit, wie er konkret gegen die amerikanische Firma vorgehen kann. Stein des Anstosses: Selbst wer nicht bei Facebook angemeldet ist, muss damit rechnen, dass sein Name zusammen mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse in der Datenbank gespeichert wird.

 Facebook verleitet seine Nutzer dazu, die Daten von Bekannten weiterzugeben. Es bietet die Möglichkeit an, das eigene Adressbuch via Computer oder Handy hochzuladen, um leichter Bekannte im sozialen Netzwerk zu finden. Dabei werden alle Kontakte in die Datenbank von Facebook kopiert. Die Firma bestätigt dies. Wozu die Daten verwendet werden, erklärt sie nicht näher.

 Das Ausmass der Datensammlerei ist beträchtlich. Facebook hat in der Schweiz über 2 Millionen Mitglieder. Vorsichtig geschätzt, haben Zehntausende ihr Adressbuch abgeglichen und damit die Kontaktdaten von Hunderttausenden anderer Schweizer ohne deren Wissen an Facebook weitergegeben.

 Datenschützer in Deutschland haben bereits interveniert

 "Das ist ein riesiges Problem", sagt Thür, als er von der SonntagsZeitung auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht wird. "Wir müssen nun prüfen, ob wir gegen Facebook vorgehen können. Es ist noch unklar, ob Facebook tatsächlich eine Datenschutzverletzung begeht." Da Facebook keinen Sitz in der Schweiz hat, sei ausserdem fraglich, ob Schweizer Gerichte zuständig seien.

 Für die Zürcher Juristin und Datenschutzexpertin Vera Delnon ist hingegen klar: Facebook verletzt das Datenschutzgesetz. Und Thür hat es in der Hand, dagegen vorzugehen. Da die Daten in der Schweiz erhoben werden, kann vor Schweizer Gerichten dagegen geklagt werden. Bruno Baeriswyl, Präsident der schweizerischen Datenschützer, kommt zum gleichen Schluss und fordert: "Als Garant für die Datenschutzrechte hat der eidgenössische Datenschützer tätig zu werden." Die betroffenen Personen selbst seien kaum in der Lage, ihre Rechte wahrzunehmen. Auch die Stiftung für Konsumentenschutz findet das Vorgehen von Facebook stossend und erwartet, dass Thür sich der Sache annimmt.

 Dieser hat inzwischen mit den Datenschützern von Schleswig-Holstein Kontakt aufgenommen. Die Kollegen in Deutschland sind bereits einen Schritt weiter. Anfang Monat wandten sie sich an Facebook und verlangten in sieben Punkten Auskunft, wie die Firma die Privatsphäre von Nichtmitgliedern schütze. Fallen die Antworten nicht zufriedenstellend aus, werden die Datenschützer rechtliche Schritte prüfen.

 Thür will abwarten, wie Facebook auf die Intervention aus Deutschland reagiert, und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. In der Zwischenzeit nimmt das Geschäft bei Facebook seinen Gang: Gestern wurde bekannt, dass die Amerikaner eine Softwarefirma aus Malaysia gekauft haben, die darauf spezialisiert ist, im Netz ohne Einwilligung Benutzerdaten zu sammeln.

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ANTI-ATOM
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NZZ am Sonntag 21.2.10

Die Grenzen der AKW-Renaissance

 Selbst mit finanzieller Hilfe des Staates lassen sich neue Atomkraftwerke nur schwer realisieren

 Zurzeit werden weltweit mehr Reaktoren abgeschaltet als in Betrieb genommen. Trotz vielen Neubauprojekten wird sich dieser Trend fortsetzen.

Gabriela Weiss

 US-Präsident Barack Obama kündigte diese Woche für den Bau neuer AKW staatliche Kreditzusagen in der Höhe von 8 Mrd. $ an. "Das ist ein politisches Signal für neue Kernkraftwerke", sagt Stefan Hirschberg, Leiter des Labors für Energiesystem-Analysen am Paul-Scherrer-Institut. Er sieht Obamas Plan als Teil einer klimafreundlichen Energiepolitik. Auch die Schweizer Stromfirmen planen neue AKW, die dereinst zwei alte ersetzen sollen. Hirschberg will zwar nicht von einer Renaissance der Atomenergie reden, beobachtet aber eine Belebung in Westeuropa und den USA, "begleitet von einer Expansion in Asien".

 Weniger optimistisch ist der unabhängige Energieexperte Mycle Schneider. "Die Atomindustrie suggeriert einen massiven Neu- und Ausbau von AKW. Die Fakten sehen aber anders aus." Schneider hat im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit den "Welt-Statusreport Atomindustrie 2009" erstellt. Allein um die weltweite AKW-Leistung konstant zu halten, müssten zusätzlich zu den 52 im letzten Herbst im Bau befindlichen Reaktoren bis 2015 insgesamt 42 neue Reaktoren - etwa 16 000 Megawatt (MW) neue Atomenergie-Kapazität - geplant, gebaut und in Betrieb genommen werden. Und im darauffolgenden Jahrzehnt noch einmal 192 Reaktoren oder 170 000 MW Leistung. "Das hiesse alle 19 Tage ein neuer Reaktor ans Netz", veranschaulicht Schneider. Zum gleichen Schluss kommt das Basler Forschungsinstitut Prognos: "Bis zum Jahr 2020 reduziert sich die Zahl der weltweit betriebenen Kernkraftwerke voraussichtlich um 22%, bis zum Jahr 2030 um 29% gegenüber dem Ausgangsniveau im März 2009", heisst es in der Studie "Renaissance der Kernenergie?", die vom gleichen deutschen Bundesministerium in Auftrag gegeben wurde.

 Junge Fachkräfte fehlen

 Die zitierten Studien, so kritisiert PSI-Experte Hirschberg, würden nur die Schwächen der Nuklearenergie hervorheben und deren Stärken ausser Acht lassen. "Sie kümmern sich zudem nicht um Fragen, wie der Energiehunger künftig gestillt werden soll."

 Dabei scheitert der zügige Neubau bereits an praktischen Problemen, am fehlenden gut ausgebildeten Nachwuchs zum Beispiel. Die Babyboomer erreichen nach und nach das Rentenalter. Der 2008 lancierte Master of Science in Nuclear Engineering an den ETH Zürich und Lausanne ist da nur ein Tropfen auf den heissen Stein. "Junge Hochschulabsolventen bevorzugen Branchen wie Kommunikation, Finanzwesen, Biotechnologie oder Elektronik", stellt Schneider fest.

 Jahrzehntealte Baustellen

 Tatsache ist aber auch: Die Probleme auf den Baustellen sind gross. So verzeichnet das Vorzeigeprojekt Olkiluoto in Finnland technische Bauprobleme sowie Streitereien zwischen Herstellerin Areva und Betreiberin TVO. Die Folgen sind eine dreijährige Verspätung und eine Gesamtkosten-Prognose, die inzwischen bei 5,3 Mrd. € liegt - 75% höher als ursprünglich geplant. Weltweit stehen 13 der 52 AKW-Baustellen seit über zwanzig Jahren in der Statistik, an vielen wird seit Jahren nicht mehr gebaut, zum Beispiel in Bulgarien, der Slowakei oder Rumänien. "In den meisten Fällen wegen Finanzierungsproblemen", sagt Schneider.

 Kein Wunder, halten sich angesichts dieser Beispiele private Investoren zurück. Die Studie "New Nuclear - The Economics Say No" der US-Grossbank Citigroup gibt ihnen recht. Die Ökonomen orten fünf "grosse Risiken", denen AKW-Bauer gegenüberstehen: Planung, Bau, Energiepreis, Betrieb und Stilllegung. Also eigentlich alles, was zu einem Leben eines AKW gehört. "Allein die Risiken Bau, Energiepreis und Betrieb könnten die grössten Energiekonzerne finanziell in die Knie zwingen", schreiben die Citigroup-Ökonomen. Sie gehen deshalb davon aus, dass in Grossbritannien nur mit Privatinvestoren kein neues AKW gebaut wird. Auch die Rating-Agentur Moody's warnt: Aus der Perspektive der Kreditgeber sei der Bau neuer AKW mit hohen Risiken verbunden.

 Die pessimistische Einschätzung ändert nichts daran, dass ehrgeizige Klimaziele das Interesse der Regierungen an der CO2-armen Atomenergie steigen lässt. Was schliesslich auch gebaut wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt, denn die Autoren der Prognos-Studie halten fest: "Ein erheblicher Teil der in der Vergangenheit angekündigten Reaktorbauten wurde später nie realisiert."

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Zentralschweiz am Sonntag 21.2.10

Neue Atomkraftwerke in den USA

 Obama geht zurück in die Zukunft

Von Rita Neubauer, San Francisco

 Ausgerechnet ein linker Präsident will in den USA neue Atomkraftwerke bauen. Doch was in Europa irritiert, gefällt in den USA - selbst im grünen Kalifornien.

 Kalifornien scheint auf den ersten Blick ein schlechter Kandidat für neue Atomkraftwerke zu sein. Seit 1976 gibt es dort ein Moratorium für neue Anlagen, der Golden State ist zudem ein Vorreiter für alternative Energien.

 Umso grösser das Erstaunen im Januar, als der französische Atomkonzern Areva und die Fresno Nuclear Energy Group eine Absichtserklärung unterzeichneten: Sie wollen gemeinsam neue Meiler in Kaliforniens Central Valley bauen. Nie und nimmer, lauteten damals die Kommentare, sei doch die Inbetriebnahme neuer Kraftwerke nicht zuletzt an Massnahmen in Washington geknüpft. Nämlich für den radioaktiven Abfall der 104 Atomkraftwerke in den USA ein Endlager zu finden.

 Und dieses Ziel rückte vor einem Jahr erneut in weite Ferne, als Präsident Barack Obama das Yucca-Mountain-Projekt in Nevada einstweilig stoppte. Dort sollte das erste unterirdische Endlager in den USA entstehen für rund 77 000 Tonnen radioaktiven Abfall, davon 63 000 Tonnen abgebrannte Brennelemente aus kommerziellen Kernkraftwerken. Obama hält den Standort für ungeeignet und will eine neue Strategie für die Endlagerung erarbeiten. Die Zeit drängt, denn den Kraftwerken geht der Platz für oberirdische Zwischenlager aus.

 Der lange Stopp nach dem Unfall

 Areva, das zu 91 Prozent dem französischen Staat gehört, bewies trotz allem einen guten Riecher. Letzte Woche sagte Obama nämlich staatliche Bürgschaften in der Höhe von 8,3 Milliarden Dollar für den Bau zweier Atomkraftwerke im Bundesstaat Georgia zu. Das ist ein klares Signal für Atomkraft in einem Land, das vor mehr als 30 Jahren den letzten Reaktor in Betrieb nahm. Mit ein Grund für den Ausstieg war 1979 der Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island im Bundesstaat Pennsylvania, wo der Reaktorkern schmolz.

 Der überraschenden Ankündigung, mit der Obama vor allem den Republikanern die Hand reicht, ging weder eine politische Debatte voraus, noch folgte grosser Protest. Der Sierra Club, die grösste Naturschutzorganisation in den USA, schimpfte zwar, dass "Atomkraft weder sauber noch billig, schnell oder sicher" sei. Und konservative Gruppierungen wie die Heritage Foundation und die National Taxpayers Union protestierten eher aus Angst um Steuergelder, werden die Kosten für einen neuen Reaktor inzwischen doch auf über 8 Milliarden Dollar geschätzt.

 Als grün gilt, was CO2 reduziert

 Die Mehrheit der Bevölkerung nimmt jedoch anders als in Europa Atomkraft und Ökologie nicht zwangsläufig als Gegensätze wahr. Es gilt: Grün ist, was Treibhausgase reduziert. Und das auch in Kalifornien, wo es ehrgeizige Pläne gibt, grosse Kraftwerke aus erneuerbarer Energie zu entwickeln. Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat fast 3 Milliarden Dollar für den Solarstrombereich bereitgestellt. Bis zum Jahr 2016 sollen damit zusätzliche 3000 Megawatt Strom generiert werden. Doch während der Sonnenstaat bislang etwa 12 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen gewinnt, werden 20 Prozent von den zwei Atommeilern San Onofre südlich und Diablo Canyon nördlich von Los Angeles produziert.

 Dieser Atomstrom spiele nicht nur eine wichtige Rolle, sagen die Lobbyisten. Sie warnen, dass der bevölkerungsreichste Bundesstaat ohne Kernkraft seine Ziele zur Reduktion der Treibhausgase verfehlen könnte: Bis 2020 muss der Ausstoss auf das Niveau von 1990 gesenkt werden. Für Gil Alexander vom Energieversorger Southern California Edison ist es deshalb "unklug, vom Atomstrom weiterhin abzurücken". Um die Stromversorgung der 36 Millionen Einwohner zu sichern, "gibt es nicht genug Alternativen", sagt Alexander.

 "Sparen ist billiger"

 Dem widerspricht Energieexperte Mark Bernstein von der University of Southern California. Bernstein setzt auf Effizienz und Energiesparprogramme, um Treibhausgase langfristig zu reduzieren. 20 bis 25 Prozent könnten durch bessere Haushaltgeräte, neuere Technologie und mehr Umweltbewusstsein erzielt werden, schätzt er. Erst dann sollte über eine Rückkehr zum Atomstrom diskutiert werden. "Sparen ist billiger, als mehr Energie zu produzieren."

 Bei Areva setzt man auf beide Pferde: Atomstrom und alternative Energiequellen. Der Konzern führte bereits Gespräche mit Regierungsvertretern in Arizona und ist beteiligt an Plänen für ein 1600-Megawatt-Atomkraftwerk in Ohio. Gleichzeitig übernahm er für geschätzte 200 Millionen Dollar den Solarthermie-Spezialisten Ausra. Diese Technologie gilt als einer der zukunftsträchtigsten Wachstumsmärkte - dabei wird mit Hilfe von Spiegeln Sonnenenergie auf eine Flüssigkeit wie etwa Öl gelenkt und erhitzt, und damit werden Turbinen in Stromgeneratoren betrieben.