MEDIENSPIEGEL 21.2.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- RaBe-Info 19.2.10
- Antirep-Demo Aarau
- Heroin wieder am kommen; Repression + Drogentod; Heroin 1970
- Big Brother Facebook: Datensammelwut
- Anti-Atom: Grenzen AKW-Renaissance; USA
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REITSCHULE
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Di 23.02.10
20.30 Uhr - Kino - Uncut - Warme Filme am
Dienstag: Escape to live, Andrea Weiss und Wieland Speck, Deutschland
2000
20.30 Uhr - Tojo - "Lustiger Dienstag 45" Mehr als
Variété! Mit der LuDi-Crew und Gästen.
Mi 24.02.10
19.00 Uhr - SousLePont - Alpen Spezialitäten
20.30 Uhr - Kino - Kulturprojekt Porta Chuisa,
Performance. Live-Konzert zu Filmen aufgeführt mit Hans Koch (CL),
Michael Thieke (CL) und Paed Conca (CL). In Anwesenheit von Giovanni Di
Stefano, Heike Fiedler, Giorgio Andreoli und Richard Werder
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne #120
Do 25.02.10
20.30 Uhr - Kino - Kulturprojekt Porta Chuisa,
Performance. Live-Konzert zu Filmen aufgeführt mit Hans Koch (CL),
Michael Thieke (CL) und Paed Conca (CL).
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Heu, Stroh und Hafer
Fr 26.02.10
19.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Jolly Roger, Beat Hirt,
Schweiz 2003
20.30 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs"
Agentenstück von Michael E. Graber. Uraufführung.
21.15 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Radio LoRA 97,5 MHz - 25
Jahre laut!, Gido Dietrich, Schweiz 2009 und RaDialoge 08, Paola Delco'
& Ricardo Dorantes, CH 2009
22.00 Uhr - SousLePont - RaBe-Fest: The Jackets, The
Dead, Loose Connection (BE)
22.00 Uhr - Dachstock - RaBe-Fest: Sofa Surfers (Klein
Rec/A), Clara Clara (F) / DJ Olive Oil (BE)
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Rabe-Fest: Disco: DJ Tom
Zoff (70/80/90 Mambo) / DJ Küse (Lost in Disco) / DJ Electric
(Ready to Rock)
23.00 Uhr - Frauenraum - Rabe-Fest: "Female D&B
Special" - DJ Flight (Play:Musik, Rinse FM, Metalheadz, Bassbin, UK) /
MC Ayah (Lucky Devil Music, Hospital, CIA, UK), DJ Lockee, DJ Ryck
& Badboy MC (RaBass 95.6), DJ Sueshi (Radio X, First Ladies, Basel)
22.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: No More Smoke Signals,
Fanny Bräuning, CH 2008
Sa 27.02.10
19.30 Uhr - Kino - RaBe-Fest: No More Smoke Signals,
Fanny Bräuning, CH 2008
20.30 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs"
Agentenstück von Michael E. Graber. Uraufführung.
21.15 Uhr - Kino - RaBe-Fest: Radio LoRA 97,5 MHz - 25
Jahre laut!, Gido Dietrich, Schweiz 2009 und RaDialoge 08, Paola Delco'
& Ricardo Dorantes, CH 2009
22.00 Uhr - SousLePont - RaBe-Fest: Lamps of Delta, My
Wolf, Overdrive Amp Explosion, Mani Porno (CH)
22.00 Uhr - Dachstock - Rabe-Fest mit MyMy (live)
(playhouse/DE); Styro2000 (motoguzzi/ZH); Racker & Brian Python
(festmacher/BE)
22.00 Uhr - Frauenraum - Rabe-Fest: Miss Trouble &
The Television Project / Anna Aaron / Dr. Minx / El Gata
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Rabe-Fest: Dee Jota
(Abnorm), Disko Dario (elastic trax), Flowbox *live!*(Abnorm), Gelber
(4dreams), Navigator (Dream Vision Media)
22.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Jolly Roger, Beat Hirt, CH
2003
So 28.02.10
19.00 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs"
Agentenstück von Michael E. Graber. Uraufführung.
20.00 Uhr - Rössli-Bar - Marta Collica & Kassette
20.30 Uhr - Kino - Kulturprojekt Porta Chuisa,
Performance. Live-Konzert aufgeführt zu Filmen mit Hans Koch (CL),
Michael Thieke (CL) und Paed Conca (CL).
Infos: http://www.reitschule.ch
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RADIO RABE
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Fr. 19. Februar 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-Info_19._Februar_2010.mp3
- Wegweisender Entscheid des Berner Verwaltungsgerichts
zugunsten der Grundrechte
- Nichtregierungsorganisationen kritisieren
Rücknahmeabkommen Schweiz - Kosovo
- Auch die öffentliche Hand soll beim Grosseinkauf auf
Fairtrade Produkte setzen
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ANTI-REP AARAU
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Sonntag 21.2.10
Friedliche Brandstifter-Demo in Aarau
Rund 200 Sympathisanten der Auto-Zeusler auf der Strasse,
bis Redaktionsschluss waren keine Vandalenakte bekannt
von Toni Widmer
Weil sie im Verdacht stehen, mehrere Autos angezündet
zu haben, wurden im November zwei Aarauer Anarchisten verhaftet.
Gestern bekundeten ihnen rund 200 Leute ihre Solidarität.
In unserem Staat darf man Polizisten öffentlich als
repressive Bullen beschimpfen, ohne dafür belangt zu werden. So
geschehen gestern in Aarau, wo am späteren Nachmittag rund 200
Autonome während rund anderthalb Stunden durch die Gassen zogen
und dabei den Verkehr stark behinderten.
Die mehrheitlich schwarz gekleideten und zum Teil
vermummten Anarchisten aus dem Aargau und angrenzenden Kantonen
solidarisierten sich auf ihrem Marsch mit zwei jungen Aarauern. Diese
waren im November 2009 unter dem dringenden Verdacht festgenommen
worden, im Zelgli-Quartier verschiedene Autos in Brand gesteckt zu
haben, und haben einen Teil dieser Brandstiftungen auch zugegeben.
Die verhassten Bullen hatten derweil mit massivem
"Begleitschutz" dafür zu sorgen, dass die unbewilligte, von Stadt
und Polizei unter strengen Auflagen aber tolerierte Demonstration nicht
in einen Saubannerzug ausartete. Das angewandte Konzept ging auf. Bis
Redaktionsschluss am frühen Abend wurden keine
Sachbeschädigungen bekannt.
Rund 200 Polizisten standen gestern Nachmittag wegen
dieser Demo im Einsatz. Leute, die laut Stefan Reinhardt, dem Chef der
Aargauer Kantonspolizei, in anderen Diensten abgezogen werden mussten.
Die Interventionsschwelle war von der Polizei laut Reinhardt sehr tief
angesetzt worden. Über ein Dutzend Leute wurden bereits bei der
Anreise angehalten und vorübergehend aus dem Verkehr gezogen. Bei
ihnen hatte die Polizei verdächtiges Material (unter anderem
Schlaggegenstände, Pfeffersprays oder Pyros) gefunden.
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Indymedia 21.2.10
Communiqué zur Kundgebung gegen Bullengewalt in Aarau
AutorIn : antirepdemo
Gestern, den 20.02.2010, haben in Aarau 150-200 Demonstrierende,
trotz eines massiven Polizeiaufgebotes, ein lautstarkes Zeichen gegen
Polizeirepression gesetzt.
Die Demonstration startete um 15.00 Uhr in der Innenstadt und
endete um 16.45 Uhr am Bahnhof Aarau. Dabei wurde, trotz eines
gewaltigen, provokativen und repressiven Polizeiaufgebotes, das Ziel
friedlich zu demonstrieren erreicht.
Die Polizei kontrollierte bereits im Vorfeld zahlreiche Menschen
in Aarau und auf den Zufahrtstrassen. Dabei erteilte sie diverse
Wegweisungsverfügungen. Ein Teil der Kontrollierten - um die 15 -
wurden aus fadenscheinigen Gründen festgenommen. Die PolizistInnen
handelten dabei planlos und willkürlich, sowohl bei den
Begründungen für die Festnahmen, als auch bei der Behandlung
der Festgenommenen. So gab es keine nachfolziehbaren Gründe;
weshalb sich Personen ausziehen, fotografieren oder wegweisen lassen
mussten. Das Verhalten der PolizistInnen war derart planlos, dass
einzelne selbst gegenüber Inhaftierten zugeben mussten, dass sie
nicht verstehen, weshalb die Betroffenen festgenommen wurden.
Doch nicht nur im Vorfeld wurden Menschen durch solches
Verhalten provoziert und deutlich eingeschränkt. Auch während
der Kundgebung schränkte das Verhalten der Polizei die
Bewegungsfreiheit und die freie Meinungsäusserung stark ein. Dass
BeamtInnen auch direkt im Umfeld der Demonstration Menschen
kontrolliert haben, muss als Provokation gewertet werden. Überdies
schirmten uniformierte PolizistInnen die Kundgebung nahezu
vollständig ab und erschwerten es so massiv, auf die Anliegen
dieser Demonstration aufmerksam zu machen. Dagegen schützte die
Polizei etwa 15 Neonazis, die ihr menschenverachtendes Gedankengut -
etwa mit Hitlergrüssen - offen zur Schau stellen konnten.
Solches Verhalten durch die Aargauer Polizei ist keine Ausnahme,
sondern zeigte sich in letzter Zeit häufiger. Eine andere
Kundgebung etwa, bewog die Polizei dazu einen ganzen Zug aus Bern im
Bahnhof Aarau zu stoppen, sämtliche Insassen zum Aussteigen zu
zwingen und zahlreiche zu kontrollieren. Willkürlich wurden dabei
Menschen im Bahnhof festgehalten, fotografiert und mit
Polizeibegleitung nach Bern gebracht, unabhängig davon ob sie dort
wohnten. Auch in diesem Zusammenhang wurde oft auf das beliebte Mittel
der Wegweisungsverfügung zurückgegriffen.
Dieses Ereigniss zeigt exemplarisch auf, dass die Polizei nicht
dazu da ist, die Bevölkerung als Ganzes zu schützen. Ihre
Aufgabe ist es vielmehr, nur die Mächtigen dieser Welt zu
beschützen und somit auch das System, welches diese dazu macht.
Hierfür muss jeglicher Widerstand erschwert, kriminalisiert und
unterdrückt werden.
Falls es Leute gibt, die ihre Festnahme noch nicht gemeldet
haben oder willkürlich weggewiesen wurden: Meldet euch bitte beim
AntirepAarau. antirepaarau@immerda.ch.
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ag.ch/kantonspolizei 20.2.10
Aarau: "Antirep-Demo" mit rund 150 Teilnehmenden verlief
friedlich
An der von der linken Szene in der Schweiz und im Ausland
aufgerufenen Demonstration in Aarau gegen staatliche Repressionen haben
rund 150 Sympathisantinnen und Sympathisanten teilge-nommen. Die Demo
verlief ohne Zwischenfälle. Zur Gewährung Ruhe, Ordnung und
Sicherheit standen zur Hauptsache Kräfte der Kantonspolizei Aargau
im Einsatz, unterstützt durch die Stadtpolizei Aarau und die
Bahnpolizei.
Im Zusammenhang mit Brandstiftungen an Motorfahrzeugen, mit
Schwergewicht im Zelgliquartier in Aarau, wurden am 14. November 2009
zwei junge Männer unter dem Tatverdacht der Brandstiftungen
verhaftet. Nach Teilgeständnissen wurden sie nach 46 Tagen aus der
Untersuchungshaft entlassen. Während der Untersuchungshaft kam es
auf dem Platz Aarau durch Angehörige der linken Szene wiederholt
zu kleineren Solidaritätskundgebungen.
Aus Solidarität mit den mutmasslichen Tätern,
haben in den letzten Tagen und Wochen Angehörige der linke Szene
in der Schweiz und in Deutschland für heute Samstag, 20. Februar
2010, zu einer Demonstration gegen staatliche Repressionen
(Antirep-Demo) in Aarau aufgerufen.
Auf dem Stadtgebiet Aarau wurde bereits ab 13 Uhr
uniformierte Präsenz markiert. Durch Einsatzkräfte der
Kantonspolizei wurden auf den Einfallsachsen zu Aarau und im Bahnhof
anreisende Personen eingehenden Kontrollen unterzogen. Insgesamt 15
Personen, die Material wie Spraydosen, Schutzmasken, Schutzbrillen,
Pfefferspray etc. mitführen, wurden zur weiteren
Überprüfung ins Polizeikommando gebracht. Gegen sie wurden
Wegweisungen ausgesprochen.
Nach der Besammlung um 15 Uhr in der Igelweid in Aarau,
formierten sie sich zu einem Demonstrationszug, der von
Uniformkräften der Polizei begleitet wurde. Die von der
Stadtbehörde tolerierte Route führte über die
Bahnhofstrass - Laurenzenvorstadt - Metzgergasse - Rathausgasse - Obere
Vorstadt zur Hintere Bahnhofstrasse, wo die Demo ca. 16.30 Uhr beendet
wurde. Mit Transparenten und Parolen wie: "Freiheit für alle",
"Solidarität" etc. machten sie auf sich aufmerksam.
Die Demonstration mit rund 150 Teilnehmenden verlief als
Folge der hohen Polizeipräsenz auf der ganzen Route friedlich und
in geordneten Bahnen. Es kam zu keiner Zeit zu Scharmützel oder
irgendwelchen Sachbeschädigungen.
Zur Gewährung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit
standen Kräfte der Kantonspolizei, unterstützt durch die
Stadtpolizei Aarau und die Bahnpolizei im Einsatz.
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HEROIN
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Sonntagszeitung 21.2.10
Heroin ist bei Jungen wieder in
Die Droge ist billig wie noch nie - eine Studie der
Uni-Klinik Zürich zeigt, dass die Zahl der Konsumenten zunimmt
Zürich Trendwende beim Heroinkonsum in der Schweiz:
Eine Studie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich von
2009 zeigt, dass die Zahl der Heroinkonsumenten nicht mehr
zurückgeht, sondern seit 2005 leicht angestiegen ist. Zuvor war
diese Zahl seit den 90er-Jahren stets rückläufig.
Daniel Bösiger von der Kontakt- und Anlaufstelle (K
& A) in Bern bestätigt die Wende: "Wir beobachten, dass es
beim Heroinkonsum keinen rückläufigen Trend mehr gibt." Nun
fürchten Gassenarbeiter und Suchtexperten ein Comeback des
Heroins. Besonders Junge fangen mit dem Fixen an. In der K & A Bern
machen die unter 25-Jährigen 15 bis 20 Prozent der Klientel aus.
Adrian Kormann, Arzt bei der Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen
Umgang mit Drogen in Zürich (Arud), sagt: "Wenn man mit
Streetworkern hier in Zürich spricht, hört man, dass es
vermehrt junge Neukonsumenten von Heroin gibt." René Keller vom
Gesundheitsdepartement Basel-Stadt sagt: "Ich bin seit sieben Jahren an
dieser Stelle. In dieser Zeit ist das Durchschnittsalter der
Heroinkonsumenten gestiegen. Aber seit zwei Jahren bemerken wir, dass
wieder junge Erwachsene einsteigen."
Der Lausanner Psychiater David Knobel sagt: "Im
selbstzerstörerischen Risikoverhalten junger Erwachsener ersetzt
Heroin heute andere Substanzen." Der Heroinpreis für einen Schuss
beträgt heute nur noch rund 15 Franken - und ist damit
ungefähr viermal so günstig wie in den 80er-Jahren.
Jean François Tanda Seite 3
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Heroin ist billig und bei Jugendlichen wieder beliebt
Kontakt- und Anlaufstellen registrieren wachsende Zahl von
jungen Einsteigern
Von Jean François Tanda
Zürich Gassenarbeiter und Suchtexperten fürchten
ein Comeback von Heroin. In Genf sind bei der Suchtberatungsstelle
Première Ligne 70 Prozent der Klienten heroinsüchtig; 30
Prozent konsumieren Kokain. 2001 sei das Verhältnis noch umgekehrt
gewesen, weiss ein Gassenarbeiter. René Keller von der Abteilung
Sucht im baselstädtischen Gesundheitsdepartement sagt: "Vor allem
vor dem Hintergrund, dass Heroin jahrelang als Verliererdroge angesehen
wurde und bei jungen Leuten absolut out war, sind Veränderungen
bemerkbar." Deutlicher wird Adrian Kormann von der Arbeitsgemeinschaft
für risikoarmen Umgang mit Drogen (Arud): "Wenn man mit
Streetworkern hier in Zürich spricht, hört man, dass es
vermehrt junge Neukonsumenten von Heroin gibt."
Wissenschaftlich ist der Trend bereits ansatzweise
dokumentiert. Eine Studie der Psychiatrischen Universitätsklinik
Zürich von 2009 zeigt, dass es seit 2005 mehr Neueinsteiger in den
Heroinkonsum gibt. Seit den Neunzigerjahren war diese Zahl stetig
rückläufig. Gemäss Studie haben 2005 und 2006 jeweils
mehr 21-Jährige zur Nadel gegriffen als in den Jahren zuvor.
Vor allem Punks und Secondos sind Heroin-Einsteiger
Die Trendwende ist europaweit zu beobachten. Die
europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
schreibt in ihrem Jahresbericht 2009 zu Heroin: "Der Konsum dieser
Droge war seit Ende der Neunzigerjahre insgesamt rückläufig.
Heute ist die Lage jedoch sehr uneinheitlich und gibt in einigen
Gebieten Anlass zur Sorge." Und: "Beunruhigend ist die Tatsache, dass
in einigen wenigen Ländern Heroinprobleme in bestimmten Gruppen
junger Menschen beobachtet wurden."
In Zürich trifft dies namentlich auf Punks und
Migrantenkinder zu. Christina Stücheli, Sprecherin des
Sozialdepartements der Stadt Zürich: "Wir beobachten Neueinsteiger
in der Punk-Szene und tendenziell bei Secondos." Bei den Punks sei der
Grund das "Prinzip extensiven Mischkonsums", bei Secondos gehe es
darum, nach dem Kokainkonsum wieder "runterzukommen".
Die Jungen wissen nichts mehr vom Drogenelend am Letten
Älteren Menschen sind die abschreckenden Bilder noch
präsent: Fotos von Junkies auf dem Zürcher Platzspitz,
später Bilder vom Elend am Zürcher Letten. Doch seit der
Letten geräumt wurde, sind 15 Jahre vergangen. Und die neue
Generation von Fixern mit Jahrgang 1985 und jünger hat diese
Bilder nicht bewusst wahrgenommen, dazu waren sie damals zu jung. In
der Kontakt- und Anlaufstelle Bern zum Beispiel machen die unter
25-Jährigen geschätzte 15 bis 20 Prozent der Klientel aus.
Heroin ist billig geworden; der Preis pro Schuss
beträgt rund 15 Franken - ein Viertel dessen, was in den
Achtzigerjahren bezahlt wurde. Das verleitet offenbar junge Menschen
dazu, Heroin als Rauschmittel zu benutzen, statt Medikamente oder
andere Stoffe zu missbrauchen. David Knobel, Psychiater am Uni-Spital
in Lausanne, sagt: "Im selbstzerstörerischen Risikoverhalten
junger Erwachsener ersetzt heute Heroin andere Substanzen."
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"Heroin gab mir das Gefühl von Geborgenheit und Liebe"
Sarah konsumiert harte Drogen, seit sie 16 Jahre alt ist.
Zuerst sniffte oder rauchte Sarah das Heroin. Ein Kollege
spritzte sich den Stoff und warnte sie davor, es ebenfalls zu tun. Sie
versuchte es trotzdem, weil sie sah, dass die Droge so schneller
einfährt. "Heroin gab mir das Gefühl von Geborgenheit und
Liebe, ich fühlte mich einfach wohl", sagt die heute
29-Jährige. Angefangen hatte sie mit Kokain im Alter von 16
Jahren. Aus Neugierde. "Den ersten Stoff erhielt ich gratis." Doch
Kokain mache aggressiv, mit Heroin hingegen habe sie losgelassen und
keine Gedanken an die Zukunft verschwendet. "Die Bilder vom Platzspitz,
Letten oder Christiane F. , die ich in der Schule sah, hatten keine
abschreckende Wirkung", sagt sie. In Winterthur, wo sie lebt, sieht
Sarah immer mehr Junge, die auf Heroin sind. In den letzten zwölf
Jahren hat Sarah immer wieder versucht, ihre Abhängigkeit zu
überwinden. Den letzten Entzug machte sie im Januar. Seit dem
Sommer 2008 dokumentierte sie ihren Alltag in einem Videotagebuch. "Ich
bins Sarah!" wurde im Januar an den Solothurner Filmtagen gezeigt.
Sarah wollte einst Kleinkinderzieherin werden und machte ein erstes
Praktikum - bis sie abstürzte. "Ich kann es immer noch gut mit
Kindern." Wenn sie gesund und nüchtern ist, hütet sie ihren
Neffen. Wie sieht sie ihre Zukunft? "Ich bin motiviert, sauber zu
bleiben." Wenn sie dies sagt, tönt es, als müsse sie vor
allem sich selbst überzeugen. Petra Wessalowski
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uzh.ch/news 27.1.10
Drogenpolitik
Ein fataler Kreislauf
Eine Studie der Psychiatrischen Universitätsklinik
Zürich hat erstmals die Schweizer Drogenpolitik von 1975 bis 2007
untersucht. Resultat: Die kontrollierte Heroin- und Methadonabgabe
vermochte die Zahl der Drogentoten stark zu senken, die gleichzeitige
Repression hatte vermutlich den gegenteiligen Effekt.
Adrian Ritter
Die Zahl war erschreckend. Gab es in der Schweiz 1975 noch 35
Drogentote, wurde 1992 ein trauriger Höhepunkt von 419 Todesopfern
erreicht. In den meisten Fällen war Heroin, alleine oder in
Kombination mit anderen Substanzen, dafür verantwortlich.
Was war geschehen? Die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten
von Heroin hatte sich in der Schweiz im selben Zeitraum von rund 3000
auf über 30'000 erhöht. Gleichzeitig war der Preis für
Heroin zusammengebrochen: von 600 bis 800 Franken auf 30 bis 80 Franken
pro Gramm.
Erfolgreiche Behandlung
Politik und Polizei in der Stadt Zürich sahen sich zum
Handeln gezwungen. Sie taten dies unter anderem mit der Einführung
von niederschwelligen Methadonprogrammen (ab 1991) und
heroingestützten Behandlungen (ab 1994). Gleichzeitig wurden im
Sinne der Repression die offenen Drogenszenen am Platzspitz (1992) und
Letten (1995) geschlossen.
Den Auswirkungen dieser Politik gingen Carlos Nordt und Rudolf
Stohler an der Klinik für Soziale Psychiatrie und
Allgemeinpsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik
Zürich (PUK) in einer Studie nach, die soeben in der Zeitschrift
"Drug and Alcohol Review" veröffentlicht wurde.
Erstmals untersuchten sie für den Zeitraum von 1975 bis
2007 den Zusammenhang zwischen Repression, Methadon- und
Heroinbehandlungen und der Zahl der Drogentoten in der Schweiz.
Übereinstimmend mit Forschungsergebnissen aus anderen
europäischen Ländern konnten sie zeigen, dass die
kontrollierte Abgabe die Zahl der Drogentoten auf einen Viertel zu
senken vermochte. Allerdings nahm die Zahl der Drogentoten nicht sofort
ab, sondern erst nach 1996 - also fünf Jahre nachdem das
Behandlungsangebot mit Methadon eingeführt worden war.
Mehr Stress für Süchtige
Die polizeiliche Repression dürfte gemäss der Studie
zumindest zu dieser Zeitverzögerung beigetragen haben. Die
Repression, gemessen an der Zahl der Verzeigungen von
Heroin-Konsumenten, war zwischen 1991 und 1997 doppelt so hoch wie in
den Jahren davor und danach. Gleichzeitig war die Zahl der Drogentoten
- unter Berücksichtigung der jeweiligen Zahl der
Heroinabhängigen - im selben Zeitraum um 30 Prozent höher.
Die Autoren halten sich zwar zurück, eindeutige
Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zu postulieren. So hat sich gezeigt,
dass die Zahl der Drogentoten über die Jahre ohnehin beachtlichen
Schwankungen unterliegt. Zudem könnte die erhöhte Repression
mit einer erhöhten Sensibilisierung für das Thema
"Drogentote" in jener Zeit einhergegangen sein.
Dies könnte dazu geführt haben, dass Todesfälle
von Drogensüchtigen häufiger auf den Drogenkonsum
zurückgeführt wurden. "Der Kanton Basel-Stadt hat aufgrund
solcher Unwägbarkeiten vor einigen Jahren gänzlich
aufgehört, die Zahl der Drogentoten zu benennen", so Nordt.
Trotzdem: Die Studie gibt ein erstes Mal Hinweise auf
mögliche Auswirkungen der Repression auf die Zahl der Drogentoten.
Wie aber lässt sich der Effekt erklären? Die Verzeigung eines
Drogensüchtigen führt ja nicht zu dessen Tod. Nordt
erklärt sich den Zusammenhang über den erhöhten Stress,
dem Drogensüchtige bei vermehrten Polizeikontrollen und
Verzeigungen ausgesetzt sind. Dies könne etwa zu
Überdosierungen führen.
Druck auf die Polizei
Umgekehrt konnten die beiden Wissenschaftler nachweisen, dass
die Zahl der Drogentoten auch einen Einfluss auf das Ausmass der
Repression hat. Die Studie zeigt, dass die Zahl der Verzeigungen
wesentlich durch die Zahl der Drogentoten der beiden Vorjahre bestimmt
wird. Bei einer grösseren Zahl von Drogentoten steige der
gesellschaftliche und politische Druck auf die Polizei, "etwas gegen
das Drogenproblem zu unternehmen", sagt Nordt.
In den 1990er Jahren könnte sich daraus ein eigentlicher
Teufelskreis entwickelt haben: mehr Repression - mehr Drogentote - mehr
Repression - mehr Drogentote. Der Kreislauf konnte erst Ende der 1990er
Jahre durchbrochen werden - die Zahl der Konsumenten wie auch der
Drogentoten ist seither leicht gesunken.
Massgeblich dazu beigetragen hat die Tatsache, dass inzwischen
die Hälfte der Heroinkonsumenten an einem Behandlungsprogramm
teilnehmen. Die Autoren der Studie plädieren denn auch dafür,
diese beizubehalten.
Unerreichte Ziele
Was die Repression anbelangt, müsse hinterfragt werden, ob
die damit anvisierten Ziele erreicht wurden. Zwar habe die Repression
dazu geführt, dass es keine offenen Drogenszenen mehr gebe. Andere
Ziele seien aber nicht erreicht worden, wie Nordt und Stohler in einer
vorgängigen Studie in der Zeitschrift "International Journal of
Drug Policy" zeigen konnten: Heroin ist nach wie vor in derselben Menge
auf dem Schwarzmarkt erhältlich und der Preis konnte nicht hoch
gehalten werden.
"Während medizinische Behandlungen ihre Wirksamkeit
ständig in Studien nachweisen müssen, scheint dies für
die Repression nicht zu gelten", so Nordt. Wenn die Repression
anscheinend negative Auswirkungen hat, gleichzeitig aber einige ihrer
Ziele nicht erreiche, müsse die Frage erlaubt sein, wie sinnvoll
sie sei. Die beiden Autoren wollen für weitere Studien versuchen,
Zahlen über Drogenkonsum, Behandlungsangebote und Repression in
anderen europäischen Ländern zu sammeln und zu vergleichen.
Buchhinweis
Wie sich die schweizerische Drogenpolitik von 1968 bis 2008
entwickelte, beschreibt Peter J. Grob in seinem 2009 im Zürcher
Chronos-Verlag erschienenen Buch "Zürcher Needle-Park".
Grob ist emeritierter Professor für Medizin und war Leiter
der klinischen Immunologie am Zürcher Universitätsspital.
Die neuere schweizerische Drogenpolitik begann laut Grob 1975
mit der verhärtenden Revision des Betäubungsmittelgesetzes.
Eine grundsätzliche Änderung erfolgte 2008 mit einer neuen
Gesetzgebung im Sinne des Vier-Säulen Prinzips. Damit sei die
Schweiz, was die Drogenpolitik anbelangt, zu einem der liberalsten
Länder der Welt geworden.
Adrian Ritter ist Redaktor von UZH News.
Links
Medienmitteilung der UZH vom 27.1.2010
http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2010/repression-und-heroinbehandlungen-beeinflussen-zahl-der-drogentoten.html
Artikel in "Drug and Alcohol Review"
http://www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/fulltext/123246719/HTMLSTART?CRETRY=1&SRETRY=0
Artikel in "International Journal of Drug Policy"
http://www.ijdp.org/article/S0955-3959%2809%2900051-6/abstract
Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie
(Substanzstörungen)
http://www.puk-west.uzh.ch/research/substanzstoerungen.html
---
mediadesk.uzh.ch 27.1.10
http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2010/repression-und-heroinbehandlungen-beeinflussen-zahl-der-drogentoten.html
Medienmitteilung vom 27.01.2010
Repression und Heroinbehandlungen beeinflussen Zahl der
Drogentoten
Die polizeiliche Repression gegen Heroinkonsumenten war in den
neunziger Jahren besonders hoch. Damals wurden etwa 30 Prozent mehr
Drogentote registriert. Das Behandlungsangebot mit Methadon und Heroin
führte dagegen dazu, dass die Drogenmortalität auf einen
Viertel sank. Diesen Zusammenhang haben Forscher der Universität
Zürich in einer neuen Studie festgestellt.
Carlos Nordt und Rudolf Stohler von der Psychiatrischen
Universitätsklinik Zürich untersuchten in einer in "Drug and
Alcohol Review" publizierten Studie den Zusammenhang zwischen
Polizeirepression gegen Heroinkonsumenten, der Verfügbarkeit von
Methadon- und Heroinbehandlungen und der Anzahl Drogentoter in der
Schweiz in den Jahren 1975 bis 2007. Bekanntlich ist Heroin, allein
oder in Kombination mit anderen Substanzen, für die
überwiegende Mehrheit der Drogentodesfälle verantwortlich.
Die Anzahl Drogentoter lag 1975 bei 35 Fällen, stieg dann stark an
und erreichte 1992 mit 419 Drogentoten ihren Höhepunkt. Seit 1998
schwankt diese Zahl nun um jährlich ca. 190 Fälle.
Das Ausmass polizeilicher Repression gegen
Heroinkonsumenten berechneten die Autoren anhand der jährlichen
Anzahl polizeilicher Verzeigungen wegen Heroinkonsums, bezogen auf die
jeweilige geschätzte Anzahl von Heroinkonsumenten. Dabei
berücksichtigten sie, dass die Verzeigungswahrscheinlichkeit
für Heroinabhängige in Methadon- und Heroinbehandlungen
tiefer ist. So berechnet war die polizeiliche Repression gegen
Heroinkonsumenten in den 90er-Jahren doppelt so intensiv wie in der
Zeit davor und danach. In den 90er-Jahren war aber ebenfalls die Anzahl
der Drogentoten - wiederum unter Berücksichtigung der jeweiligen
Anzahl Heroinabhängiger - um 30 Prozent höher.
Die Autoren bezogen in ihre Berechnungen zudem den Einfluss
verschiedener anderer Faktoren auf die Mortalität mit ein. So
reduzierte die Einführung niederschwelliger Methadonbehandlungen
und heroingestützter Behandlungen die Anzahl der Drogentoten um
rund einen Faktor 4. Auch in anderen Ländern konnten solche
Substitutionsbehandlungen die Drogenmortalität im gleichen Ausmass
reduzieren, wie Ergebnissen verschiedener anderer Studien aus Europa
zeigen.
Carlos Nordt und Rudolf Stohler interpretieren ihre Ergebnisse
als Hinweis darauf, dass die Beziehung zwischen Polizeirepression und
Drogenmortalität zumindest zum Teil kausal sein könnte.
Zahl der Drogentote beeinflusst künftige Polizeiarbeit
Wie die Autoren zudem überzeugend nachweisen, wird die Zahl
der Verzeigungen wegen Heroinkonsums eines jeweiligen Jahres wesentlich
durch die Zahl der Drogentoten zwei Jahre zuvor bestimmt. Dieses
Ergebnis deutet darauf hin, dass die Zahl der Drogentoten entscheidend
ist für den Grad des gesellschaftlichen und politischen Drucks auf
die Polizei, "etwas gegen das Drogenproblem zu unternehmen".
Die polizeiliche Repression mag dazu geführt haben, dass es
keine offenen Drogenszenen mehr gibt. Andere Ziele der Repression -
etwa dass weniger Heroin verfügbar war oder der Heroinpreis hoch
blieb - sind jedoch nicht erreicht worden, wie Nordt und Stohler in
einer vorgängigen Studie zeigten.
Originalbeiträge:
Carlos Nordt, Rudolf Stohler: Combined effects of law
enforcement and substitution treatment on heroin mortality, Drug and
Alcohol Review (2010), doi:10.1111/j.1465-3362.2009.00167.x
Carlos Nordt, Rudolf Stohler: Low-threshold methadone treatment,
heroin price, police activity and incidence of heroin use: The Zurich
experience, International Journal of Drug Policy (2009) 20: 497-501,
doi:10.1016/j.drugpo.2009.02.009
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Der Spiegel 23.2.1970
http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=45202916&aref=image035/0601/PPM-SP197000901830186.pdf&thumb=false
GESELLSCHAFT / HEROIN-SUCHT
Tödlicher Furt
Das siebzehnjährige Neger-Mädchen hatte Schaum vor
Mund und Nase. Vergebens versuchten die Teilnehmer der nächtlichen
Party, es um zehn Uhr morgens zu wecken -- Toni Dishman, Studentin im
ersten Semester am New Yorker Barnard College, war tot.
Sie starb am 31. Januar dieses Jahres, in einem Apartment zweier
Studenten in der College-Avenue 1205 im New Yorker
Mittelklassen-Stadtteil Bronx. Als Todesursache diagnostizierte
Amtsarzt Dr. Milton Helpern nach der Autopsie ("Ihre Lungen sahen aus
wie bei einem Ertrunkenen") eine Überdosis Heroin. Die attraktive
Studentin, die ihr Haar im Afro-Look trug, war das dritte Heroin-Opfer
unter den New Yorker Teens und Twens an einem einzigen Wochenende.
Nach der LSD- und Marihuana-Welle entdecken, wie es scheint,
amerikanische Jugendliche Heroin als neues Rauschmittel. Zwar sind
US-Wissenschaftler und -Behörden noch uneins, ob es sich,
vergleichbar mit der Marihuana-Mode, schon um seuchenartige Ausbreitung
oder nur um allmähliches Vordringen der Sucht handelt.
Sicher ist: Die Zahl der Heroin-Süchtigen nimmt zu, und
immer mehr Jugendliche sind darunter. So wuchs beispielsweise in New
York die Zahl der Heroin-Toten, die jünger als 20 Jahre waren, von
15 im Jahr 1960 auf 224 im letzten Jahr. Und ein Viertel der New Yorker
Heroin-Toten im Jahr 1969 war 16 Jahre und jünger.
Bisher stützt sich der Eindruck, Heroin-Sucht sei in den
USA auf breiter Front im Vormarsch, vornehmlich "auf die Schilderung
der vielen Einzelfälle", wie ein Beamter der
US-Arzneimittelbehörde formulierte. Exakte statistische Unterlagen
fehlen; aber die Schätzungen einiger New Yorker Heroin-Experten
sind pessimistisch: 25 000 jugendliche Heroin-Süchtige gibt es
gegenwärtig schon in New York, und bis zum Sommer dieses Jahres
würden es schon viermal so viele sein. Und Dr. Donald Louria,
Präsident des New Yorker Rauschgift-Komitees, warnte Anfang dieses
Monats auf einer Tagung von Schuldirektoren: "In wenigen Jahren wird
jede High-School, jedes College mit Heroin überschwemmt sein."
Ein Grund für die Zunahme des Heroin-Konsums in
amerikanischen Großstädten, so fanden die Rauschgiftexperten
heraus, sei die massive Anti-Marihuana-Kampagne der Nixon-Regierung im
Herbst letzten Jahres gewesen. Vor allem die illegale Einfuhr aus
Mexiko wurde durch scharfe Grenzkontrollen weitgehend unterbunden. Die
Heroin-Händler nützten die dadurch entstandene
Marktlücke: Sie glichen den Heroin-Preis dem des Marihuana an und
erhöhten so ihren Umsatz.
Aber im Gegensatz zu Marihuana oder Haschisch besteht beim
Heroin kein Zweifel an der Gefährlichkeit der Droge: Das
Rauschgift, ein chemisch veredelter Abkömmling des Opiums,
führt fast immer zu süchtiger Abhängigkeit -- und bei
längerem Gebrauch zwangsläufig zu körperlichem und
geistigem Verfall. Der Heroin-Süchtige verliert Ehrgeiz und
Lebenswillen. Und wenn die Dosis einen bestimmten Schwellenwert
überschreitet, kommt es zum Kreislaufkollaps und zu tödlicher
Atemlähmung.
Früher war die bewußtseinsverändernde Droge, die
das Leid vergessen macht, allenfalls unter den Drop-outs der
amerikanischen Gesellschaft verbreitet: bei Getto-Bewohnern, alternden
Schauspielern oder bedrängten Homosexuellen. Nun aber konstatieren
Rauschgift-Experten Heroin-Konsum vor allem bei den Jugendlichen des
amerikanischen Mittelstandes -- häufig im Wechsel mit anderen
Spezialitäten des Rauschmarktes. "Ich nehme sie -- kleine blaue
Pillen, orangefarbene, grüne und weiße -- sooft ich kann,
Tag und Nacht", bekundete Isabel Salazar, 12, Tochter eines prominenten
New Yorker Psychiaters. Nach einem dreitägigen Drogentrip
erklärte die Zwölfjährige, verwirrt und mit
blutunterlaufenen Augen: "Ich nehme Hasch, Pot, LSD, Heroin alles, was
ich kriegen kann."
Erhältlich ist die neue Mode-Droge Heroin nahezu an jeder
Großstadt-Straßenecke. "Es ist so leicht zu kaufen wie
Kaugummi", bezeugte der Washingtoner Richter Alfred Burka schon im
März letzten Jahres vor einem Senatskomitee. Und in einigen
Straßen der Slumviertel blüht ein so umfangreicher Handel
mit Heroin, daß sie im Süchtigen-Jargon als Supermärkte
bezeichnet werden.
Gehandelt wird das Heroin meist von Jugendlichen, die sich einen
Nebenverdienst verschaffen wollen und oft den Verdienst für den
eigenen Bedarf ausgeben. In der Mermaid Avenue auf Coney Island
sprengte New Yorks Polizei Anfang dieses Monats einen Händlerring,
der wöchentlich Rauschgift im Wert von rund dreieinhalbtausend
Mark umsetzte. Unter den acht Teenager-Verkäufern, im
Heroin-Jargon "Runner" (Renner), "Pusher" (Schieber) oder auch
"Lieutenant" (Leutnant) genannt, waren drei jünger als 16 Jahre,
der jüngste war elf.
Rund 2500 Kilogramm reines Heroin, so errechneten die bis in den
Orient ausschwärmenden Rauschgift-Agenten der US-Behörden,
seien im letzten Jahr in die Vereinigten Staaten gelangt. Achtzig
Prozent des Giftes (Verkaufswert: 1,5 Milliarden Mark) stammten von den
rund 200 000 Mohnfarmen in der Türkei. In Frankreich, neuerdings
auch in der Bundesrepublik veredelt, gelangt das Rauschgift in die New
Yorker Unterwelt; namentlich das kapitalkräftige Gangster-Syndikat
"Cosa Nostra" ist mit dem Weiterverkauf der harten Droge befaßt.
Jeder Abnehmer setzt dem gekauften Stoff weitere Mittel zu, um
ihn zu strecken und so einen höheren Gewinn zu erzielen. Im
Verhältnis drei zu eins wird das Heroin mit Milchzucker, Kreide,
Aspirin oder Chinin verschnitten. Das von den Endverkäufern
angebotene Heroin (Preis je Dosis: ein bis fünf Dollar)
enthält dann lediglich noch zwei bis drei Prozent reines Heroin,
Daß mithin die Käufer nicht feststellen können,
in welcher Dosis sie sich das Gift einspritzen, erhöht die Gefahr
-- auch für solche, die nur einmal mit der Droge experimentieren
wollen. Toni Dishman beispielsweise, die New Yorker Studentin, starb
nach ihrem ersten Heroin-Trip.
Und in welchem Maße amerikanische Jugendliche die Gefahren
des Mohngiftes unterschätzen, bestätigte eine Umfrage, die
der New Yorker Amtsarzt Helpern jüngst vornahm: Heroin, meinten
die meisten Jugendlichen, sei nicht gefährlicher als Marihuana und
mache auch nicht süchtig.
Die häufigste Antwort auf die Frage, warum sie Heroin
versucht hätten, lautete: "Weil die anderen es auch nehmen." Eine
andere offenbar verbreitete Motivation zum Heroin-Genuß deutete
das US-Nachrichtenmagazin "Time" an, als es den Reiz, den das
Rauschgift auf Teenager und Twens ausübe, mit der "prickelnden
Wirkung verglich", die "das russische Roulett ausübt: ein Turnier
mit dem Tod".
Bislang haben die US-Behörden noch nicht annähernd
ausreichende Maßnahmen treffen können, den tödlichen
Furt der amerikanischen Jugendlichen einzudämmen. Ohne staatliche
Hilfe hat beispielsweise die New Yorker Psychiaterin Dr. Judianne
Densen-Gerber drei Zentren zur Entwöhnung und Behandlung
jugendlicher Heroin-Süchtiger eingerichtet. Aber ihre Klientel ist
mittlerweile nicht mehr auf die Millionenstadt beschränkt; die
Ärztin erhält "Hilferufe aus Orten, die nicht einmal auf
einer Landkarte zu finden sind".
Neuerdings hat die hilfswillige Psychiaterin noch dazu mit dem
Widerstand der New Yorker Behörden zu rechnen. Ihr wurde
Gefängnis angedroht, weil sie noch weitere Jugendliche in die drei
Heroin-Hospitäler aufnahm, obwohl die Gebäude nach den
Vorschriften der Bau- und Gesundheitspolizei längst
überfüllt sind.
"Die Behörde hat recht, die Häuser sind
überfüllt, und das ist eine Schande", kommentierte Dr.
Densen-Gerber. "Aber es ist für die Kinder immer noch besser, hier
zu sein ... als im Leichenschauhaus."
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BIG BROTHER FACEBOOK
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Sonntagszeitung 21.2.10
Facebook im Visier
Das soziale Netzwerk sammelt Daten von Nichtmitgliedern -
jetzt regt sich auch in der Schweiz Widerstand
Von David Bauer
Bern Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte,
Hanspeter Thür, will Facebook verbieten, im grossen Stil Daten von
Nichtmitgliedern zu sammeln. Er prüft derzeit, wie er konkret
gegen die amerikanische Firma vorgehen kann. Stein des Anstosses:
Selbst wer nicht bei Facebook angemeldet ist, muss damit rechnen, dass
sein Name zusammen mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse in der
Datenbank gespeichert wird.
Facebook verleitet seine Nutzer dazu, die Daten von
Bekannten weiterzugeben. Es bietet die Möglichkeit an, das eigene
Adressbuch via Computer oder Handy hochzuladen, um leichter Bekannte im
sozialen Netzwerk zu finden. Dabei werden alle Kontakte in die
Datenbank von Facebook kopiert. Die Firma bestätigt dies. Wozu die
Daten verwendet werden, erklärt sie nicht näher.
Das Ausmass der Datensammlerei ist beträchtlich.
Facebook hat in der Schweiz über 2 Millionen Mitglieder.
Vorsichtig geschätzt, haben Zehntausende ihr Adressbuch
abgeglichen und damit die Kontaktdaten von Hunderttausenden anderer
Schweizer ohne deren Wissen an Facebook weitergegeben.
Datenschützer in Deutschland haben bereits
interveniert
"Das ist ein riesiges Problem", sagt Thür, als er von
der SonntagsZeitung auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht wird. "Wir
müssen nun prüfen, ob wir gegen Facebook vorgehen
können. Es ist noch unklar, ob Facebook tatsächlich eine
Datenschutzverletzung begeht." Da Facebook keinen Sitz in der Schweiz
hat, sei ausserdem fraglich, ob Schweizer Gerichte zuständig seien.
Für die Zürcher Juristin und Datenschutzexpertin
Vera Delnon ist hingegen klar: Facebook verletzt das Datenschutzgesetz.
Und Thür hat es in der Hand, dagegen vorzugehen. Da die Daten in
der Schweiz erhoben werden, kann vor Schweizer Gerichten dagegen
geklagt werden. Bruno Baeriswyl, Präsident der schweizerischen
Datenschützer, kommt zum gleichen Schluss und fordert: "Als Garant
für die Datenschutzrechte hat der eidgenössische
Datenschützer tätig zu werden." Die betroffenen Personen
selbst seien kaum in der Lage, ihre Rechte wahrzunehmen. Auch die
Stiftung für Konsumentenschutz findet das Vorgehen von Facebook
stossend und erwartet, dass Thür sich der Sache annimmt.
Dieser hat inzwischen mit den Datenschützern von
Schleswig-Holstein Kontakt aufgenommen. Die Kollegen in Deutschland
sind bereits einen Schritt weiter. Anfang Monat wandten sie sich an
Facebook und verlangten in sieben Punkten Auskunft, wie die Firma die
Privatsphäre von Nichtmitgliedern schütze. Fallen die
Antworten nicht zufriedenstellend aus, werden die Datenschützer
rechtliche Schritte prüfen.
Thür will abwarten, wie Facebook auf die Intervention
aus Deutschland reagiert, und dann über das weitere Vorgehen
entscheiden. In der Zwischenzeit nimmt das Geschäft bei Facebook
seinen Gang: Gestern wurde bekannt, dass die Amerikaner eine
Softwarefirma aus Malaysia gekauft haben, die darauf spezialisiert ist,
im Netz ohne Einwilligung Benutzerdaten zu sammeln.
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ANTI-ATOM
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NZZ am Sonntag 21.2.10
Die Grenzen der AKW-Renaissance
Selbst mit finanzieller Hilfe des Staates lassen sich neue
Atomkraftwerke nur schwer realisieren
Zurzeit werden weltweit mehr Reaktoren abgeschaltet als in
Betrieb genommen. Trotz vielen Neubauprojekten wird sich dieser Trend
fortsetzen.
Gabriela Weiss
US-Präsident Barack Obama kündigte diese Woche
für den Bau neuer AKW staatliche Kreditzusagen in der Höhe
von 8 Mrd. $ an. "Das ist ein politisches Signal für neue
Kernkraftwerke", sagt Stefan Hirschberg, Leiter des Labors für
Energiesystem-Analysen am Paul-Scherrer-Institut. Er sieht Obamas Plan
als Teil einer klimafreundlichen Energiepolitik. Auch die Schweizer
Stromfirmen planen neue AKW, die dereinst zwei alte ersetzen sollen.
Hirschberg will zwar nicht von einer Renaissance der Atomenergie reden,
beobachtet aber eine Belebung in Westeuropa und den USA, "begleitet von
einer Expansion in Asien".
Weniger optimistisch ist der unabhängige
Energieexperte Mycle Schneider. "Die Atomindustrie suggeriert einen
massiven Neu- und Ausbau von AKW. Die Fakten sehen aber anders aus."
Schneider hat im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit den "Welt-Statusreport
Atomindustrie 2009" erstellt. Allein um die weltweite AKW-Leistung
konstant zu halten, müssten zusätzlich zu den 52 im letzten
Herbst im Bau befindlichen Reaktoren bis 2015 insgesamt 42 neue
Reaktoren - etwa 16 000 Megawatt (MW) neue Atomenergie-Kapazität -
geplant, gebaut und in Betrieb genommen werden. Und im darauffolgenden
Jahrzehnt noch einmal 192 Reaktoren oder 170 000 MW Leistung. "Das
hiesse alle 19 Tage ein neuer Reaktor ans Netz", veranschaulicht
Schneider. Zum gleichen Schluss kommt das Basler Forschungsinstitut
Prognos: "Bis zum Jahr 2020 reduziert sich die Zahl der weltweit
betriebenen Kernkraftwerke voraussichtlich um 22%, bis zum Jahr 2030 um
29% gegenüber dem Ausgangsniveau im März 2009", heisst es in
der Studie "Renaissance der Kernenergie?", die vom gleichen deutschen
Bundesministerium in Auftrag gegeben wurde.
Junge Fachkräfte fehlen
Die zitierten Studien, so kritisiert PSI-Experte
Hirschberg, würden nur die Schwächen der Nuklearenergie
hervorheben und deren Stärken ausser Acht lassen. "Sie
kümmern sich zudem nicht um Fragen, wie der Energiehunger
künftig gestillt werden soll."
Dabei scheitert der zügige Neubau bereits an
praktischen Problemen, am fehlenden gut ausgebildeten Nachwuchs zum
Beispiel. Die Babyboomer erreichen nach und nach das Rentenalter. Der
2008 lancierte Master of Science in Nuclear Engineering an den ETH
Zürich und Lausanne ist da nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
"Junge Hochschulabsolventen bevorzugen Branchen wie Kommunikation,
Finanzwesen, Biotechnologie oder Elektronik", stellt Schneider fest.
Jahrzehntealte Baustellen
Tatsache ist aber auch: Die Probleme auf den Baustellen
sind gross. So verzeichnet das Vorzeigeprojekt Olkiluoto in Finnland
technische Bauprobleme sowie Streitereien zwischen Herstellerin Areva
und Betreiberin TVO. Die Folgen sind eine dreijährige
Verspätung und eine Gesamtkosten-Prognose, die inzwischen bei 5,3
Mrd. € liegt - 75% höher als ursprünglich geplant. Weltweit
stehen 13 der 52 AKW-Baustellen seit über zwanzig Jahren in der
Statistik, an vielen wird seit Jahren nicht mehr gebaut, zum Beispiel
in Bulgarien, der Slowakei oder Rumänien. "In den meisten
Fällen wegen Finanzierungsproblemen", sagt Schneider.
Kein Wunder, halten sich angesichts dieser Beispiele
private Investoren zurück. Die Studie "New Nuclear - The Economics
Say No" der US-Grossbank Citigroup gibt ihnen recht. Die Ökonomen
orten fünf "grosse Risiken", denen AKW-Bauer gegenüberstehen:
Planung, Bau, Energiepreis, Betrieb und Stilllegung. Also eigentlich
alles, was zu einem Leben eines AKW gehört. "Allein die Risiken
Bau, Energiepreis und Betrieb könnten die grössten
Energiekonzerne finanziell in die Knie zwingen", schreiben die
Citigroup-Ökonomen. Sie gehen deshalb davon aus, dass in
Grossbritannien nur mit Privatinvestoren kein neues AKW gebaut wird.
Auch die Rating-Agentur Moody's warnt: Aus der Perspektive der
Kreditgeber sei der Bau neuer AKW mit hohen Risiken verbunden.
Die pessimistische Einschätzung ändert nichts
daran, dass ehrgeizige Klimaziele das Interesse der Regierungen an der
CO2-armen Atomenergie steigen lässt. Was schliesslich auch gebaut
wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt, denn die Autoren der
Prognos-Studie halten fest: "Ein erheblicher Teil der in der
Vergangenheit angekündigten Reaktorbauten wurde später nie
realisiert."
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Zentralschweiz am Sonntag 21.2.10
Neue Atomkraftwerke in den USA
Obama geht zurück in die Zukunft
Von Rita Neubauer, San Francisco
Ausgerechnet ein linker Präsident will in den USA
neue Atomkraftwerke bauen. Doch was in Europa irritiert, gefällt
in den USA - selbst im grünen Kalifornien.
Kalifornien scheint auf den ersten Blick ein schlechter
Kandidat für neue Atomkraftwerke zu sein. Seit 1976 gibt es dort
ein Moratorium für neue Anlagen, der Golden State ist zudem ein
Vorreiter für alternative Energien.
Umso grösser das Erstaunen im Januar, als der
französische Atomkonzern Areva und die Fresno Nuclear Energy Group
eine Absichtserklärung unterzeichneten: Sie wollen gemeinsam neue
Meiler in Kaliforniens Central Valley bauen. Nie und nimmer, lauteten
damals die Kommentare, sei doch die Inbetriebnahme neuer Kraftwerke
nicht zuletzt an Massnahmen in Washington geknüpft. Nämlich
für den radioaktiven Abfall der 104 Atomkraftwerke in den USA ein
Endlager zu finden.
Und dieses Ziel rückte vor einem Jahr erneut in weite
Ferne, als Präsident Barack Obama das Yucca-Mountain-Projekt in
Nevada einstweilig stoppte. Dort sollte das erste unterirdische
Endlager in den USA entstehen für rund 77 000 Tonnen radioaktiven
Abfall, davon 63 000 Tonnen abgebrannte Brennelemente aus kommerziellen
Kernkraftwerken. Obama hält den Standort für ungeeignet und
will eine neue Strategie für die Endlagerung erarbeiten. Die Zeit
drängt, denn den Kraftwerken geht der Platz für oberirdische
Zwischenlager aus.
Der lange Stopp nach dem Unfall
Areva, das zu 91 Prozent dem französischen Staat
gehört, bewies trotz allem einen guten Riecher. Letzte Woche sagte
Obama nämlich staatliche Bürgschaften in der Höhe von
8,3 Milliarden Dollar für den Bau zweier Atomkraftwerke im
Bundesstaat Georgia zu. Das ist ein klares Signal für Atomkraft in
einem Land, das vor mehr als 30 Jahren den letzten Reaktor in Betrieb
nahm. Mit ein Grund für den Ausstieg war 1979 der Unfall im
Kernkraftwerk Three Mile Island im Bundesstaat Pennsylvania, wo der
Reaktorkern schmolz.
Der überraschenden Ankündigung, mit der Obama
vor allem den Republikanern die Hand reicht, ging weder eine politische
Debatte voraus, noch folgte grosser Protest. Der Sierra Club, die
grösste Naturschutzorganisation in den USA, schimpfte zwar, dass
"Atomkraft weder sauber noch billig, schnell oder sicher" sei. Und
konservative Gruppierungen wie die Heritage Foundation und die National
Taxpayers Union protestierten eher aus Angst um Steuergelder, werden
die Kosten für einen neuen Reaktor inzwischen doch auf über 8
Milliarden Dollar geschätzt.
Als grün gilt, was CO2 reduziert
Die Mehrheit der Bevölkerung nimmt jedoch anders als
in Europa Atomkraft und Ökologie nicht zwangsläufig als
Gegensätze wahr. Es gilt: Grün ist, was Treibhausgase
reduziert. Und das auch in Kalifornien, wo es ehrgeizige Pläne
gibt, grosse Kraftwerke aus erneuerbarer Energie zu entwickeln.
Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat fast 3 Milliarden Dollar für
den Solarstrombereich bereitgestellt. Bis zum Jahr 2016 sollen damit
zusätzliche 3000 Megawatt Strom generiert werden. Doch
während der Sonnenstaat bislang etwa 12 Prozent seines Stroms aus
erneuerbaren Energiequellen gewinnt, werden 20 Prozent von den zwei
Atommeilern San Onofre südlich und Diablo Canyon nördlich von
Los Angeles produziert.
Dieser Atomstrom spiele nicht nur eine wichtige Rolle,
sagen die Lobbyisten. Sie warnen, dass der bevölkerungsreichste
Bundesstaat ohne Kernkraft seine Ziele zur Reduktion der Treibhausgase
verfehlen könnte: Bis 2020 muss der Ausstoss auf das Niveau von
1990 gesenkt werden. Für Gil Alexander vom Energieversorger
Southern California Edison ist es deshalb "unklug, vom Atomstrom
weiterhin abzurücken". Um die Stromversorgung der 36 Millionen
Einwohner zu sichern, "gibt es nicht genug Alternativen", sagt
Alexander.
"Sparen ist billiger"
Dem widerspricht Energieexperte Mark Bernstein von der
University of Southern California. Bernstein setzt auf Effizienz und
Energiesparprogramme, um Treibhausgase langfristig zu reduzieren. 20
bis 25 Prozent könnten durch bessere Haushaltgeräte, neuere
Technologie und mehr Umweltbewusstsein erzielt werden, schätzt er.
Erst dann sollte über eine Rückkehr zum Atomstrom diskutiert
werden. "Sparen ist billiger, als mehr Energie zu produzieren."
Bei Areva setzt man auf beide Pferde: Atomstrom und
alternative Energiequellen. Der Konzern führte bereits
Gespräche mit Regierungsvertretern in Arizona und ist beteiligt an
Plänen für ein 1600-Megawatt-Atomkraftwerk in Ohio.
Gleichzeitig übernahm er für geschätzte 200 Millionen
Dollar den Solarthermie-Spezialisten Ausra. Diese Technologie gilt als
einer der zukunftsträchtigsten Wachstumsmärkte - dabei wird
mit Hilfe von Spiegeln Sonnenenergie auf eine Flüssigkeit wie etwa
Öl gelenkt und erhitzt, und damit werden Turbinen in
Stromgeneratoren betrieben.