MEDIENSPIEGEL 26.2.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (RaBe)
- RaBe-Info 24.-26.2.10
- Nix Basisdemokratie in Bärn
- Demorecht: Kein Weiterzug Urteil
- Mad Wallstreet: Security-Knatsch ohne Ende
- Anti-Rauchverbot: JSVP-Herzig + die Reitschule
- Suchthilfe BE: Kanton redet mehr mit
- Kokain: Drehscheibe Venezuela
- Police vs Grenzwachkorps
- Nothilfe-Debatte Ostsschweiz
- Frontex-Watch: Festung Europa knacken
- Rassismus: Begriffs-Glossar gra.ch
- Klassenkampf: Linke haben höheren IQ :o)
- Biografie Eva Braun
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REITSCHULE
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Fr 26.02.10
19.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Jolly Roger, Beat Hirt,
Schweiz 2003
20.30 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs"
Agentenstück von Michael
E. Graber. Uraufführung.
21.15 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Radio LoRA 97,5 MHz - 25
Jahre laut!,
Gido Dietrich, Schweiz 2009 und RaDialoge 08, Paola Delco' &
Ricardo Dorantes, CH 2009
22.00 Uhr - SousLePont - RaBe-Fest: The Jackets, The
Dead, Loose
Connection (BE)
22.00 Uhr - Dachstock - RaBe-Fest: Sofa Surfers (Klein
Rec/A), Clara
Clara (F) / DJ Olive Oil (BE)
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Rabe-Fest: Disco: DJ Tom
Zoff (70/80/90
Mambo) / DJ Küse (Lost in Disco) / DJ Electric (Ready to Rock)
23.00 Uhr - Frauenraum - Rabe-Fest: "Female D&B
Special" - DJ
Flight (Play:Musik, Rinse FM, Metalheadz, Bassbin, UK) / MC Ayah (Lucky
Devil Music, Hospital, CIA, UK), DJ Lockee, DJ Ryck & Badboy MC
(RaBass 95.6), DJ Sueshi (Radio X, First Ladies, Basel)
22.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: No More Smoke Signals,
Fanny
Bräuning, CH 2008
Sa 27.02.10
19.30 Uhr - Kino - RaBe-Fest: No More Smoke Signals,
Fanny
Bräuning, CH 2008
20.30 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs"
Agentenstück von Michael
E. Graber. Uraufführung.
21.15 Uhr - Kino - RaBe-Fest: Radio LoRA 97,5 MHz - 25
Jahre laut!,
Gido Dietrich, Schweiz 2009 und RaDialoge 08, Paola Delco' &
Ricardo Dorantes, CH 2009
22.00 Uhr - SousLePont - RaBe-Fest: Lamps of Delta, My
Wolf, Overdrive
Amp Explosion, Mani Porno (CH)
22.00 Uhr - Dachstock - Rabe-Fest mit MyMy (live)
(playhouse/DE);
Styro2000 (motoguzzi/ZH); Racker & Brian Python (festmacher/BE)
22.00 Uhr - Frauenraum - Rabe-Fest: Miss Trouble &
The Television
Project / Anna Aaron / Dr. Minx / El Gata
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Rabe-Fest: Dee Jota
(Abnorm), Disko Dario
(elastic trax), Flowbox *live!*(Abnorm), Gelber (4dreams), Navigator
(Dream Vision Media)
22.30 Uhr - Kino - Rabe-Fest: Jolly Roger, Beat Hirt, CH
2003
So 28.02.10
19.00 Uhr - Tojo - "Agents Provocateurs"
Agentenstück von Michael
E. Graber. Uraufführung.
20.00 Uhr - Rössli-Bar - Marta Collica & Kassette
20.30 Uhr - Kino - Kulturprojekt Porta Chuisa,
Performance.
Live-Konzert aufgeführt zu Filmen mit Hans Koch (CL), Michael
Thieke (CL) und Paed Conca (CL).
Infos: http://www.reitschule.ch
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20 Minuten 26.2.10
Bern Nightfever
Rabe feiert seinen 14. Geburtstag
Fr, 26.2., Sa, 27.2., 22 Uhr, Rabe-Fest 2010, Dachstock.
Diverses. Dieses Wochenende begiesst Berns Alternativ-Radio
seinen
vierzehnten Geburtstag. Den Anfang macht am Freitag die
österreichische Band Sofa Surfers. Ende der 90er Jahre noch als
Downbeat-Act aus dem Umfeld von Kruder und Dorfmeister bekannt,
mutierte die Gruppe inzwischen zu einer Rockband, die in einem Monat
ein neues Album rausbringt. Morgen beherrschen dann die elektronischen
Beats den Dachstock. Am Start stehen der deutsche Minimal-Act My My mit
einem Live-Set, Styro2000, Racker und Brian Python.
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RABE-INFO
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Fr. 26. Februar 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-Info_26._Februar_2010.mp3
- Offener Brief an den Bundesrat: Die Gewerkschaften wehren sich
gegen
missbräuchliche Kündigungen
- Die kantonale Suchthilfe geht neue Wege: Die Trennung zwischen
legalen und illegalen Suchtmitteln wird aufgehoben
- Zu den Abstimmungen vom 7. März: Brauchen wir
Tieranwälte
oder genügt das geltende Tierschutzgesetz?
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Do. 25. Februar 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_25._Februar_2010.mp3
- Abstimmungsvorschau: pro und contra zum Verfassungsartikel
über
die Forschung am Menschen
- Theaterstück: Checkpoint. Israel- Palästina in
unseren
Köpfen
- Jubiläum: 40 Jahre ISC Club- ein Blick hinter die Kulissen
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Mi. 24. Februar 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_24._Feburar_2010.mp3
- Pro und Contra zu Abstimmungsvorlage über die BVG Revision
- Hintergründe zur Forschung im Bereich Musikpsychologie
- Leere Bierflaschen erklingen und werden zu Trinkgläsern
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BASISDEMOKRATIE
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Bund 26.2.10
Berner Stadtrat schafft sich nicht ab
(bro)
Gestern Abend hat der Stadtrat über seine eigene
Abschaffung
diskutiert. Anlass dazu war eine Motion von Lea Bill (ja), in der die
Einführung der Basisdemokratie in der Stadt Bern gefordert wird.
Im jetzigen System habe nicht jedermann tatsächlich dieselben
Mitgestaltungsmöglichkeiten, argumentierte Bill. Wer mehr Geld in
der Tasche habe, dessen Stimme sei gewichtiger. Unterstützung
erhielt Bill - nicht wirklich überraschend - von ganz links.
"Basisdemokratie steht für die Ausweitung der demokratischen
Rechte", sagte Rolf Zbinden (pda). Das sei zu unterstützen.
Gleicher Meinung war Luzius Theiler (gpb), der noch eine ganz
praktische Überlegung anfügte: "Die Gemeindeversammlungen
müssten dann halt im Eisstadion abgehalten werden."
Ganz anders tönte es freilich von der rechten
Ratsseite:
"Das ist jetzt ein Vorstoss, auf den man hätte verzichten
können", fand Erich Hess (svp). Die Schweiz sei eine der weltweit
besten Demokratien mit gleicher Stimmkraft für alle.
Schlussendlich überwog der Selbsterhaltungstrieb der
Parlamentarier. Die Motion wurde mit 44 zu 9 Stimmen abgelehnt.
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DEMORECHT
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Bund 26.2.10
Gemeinderat zieht Beschwerde nicht weiter
Die Stadtberner Regierung akzeptiert den Entscheid des
Verwaltungsgerichts zum Kundgebungsreglement, wonach
Demonstrationsumzüge erlaubt bleiben.
Christian Brönnimann
"Materiell fühlt sich die Stadtregierung durch das
Verwaltungsgerichtsurteil bestätigt und verzichtet daher auf alle
weiteren juristischen Schritte", schreibt der Gemeinderat in einer
Mitteilung. Dies, obwohl er selber mit einer Beschwerde an das Gericht
gelangt war. Darin focht er das Urteil des Regierungsstatthalteramtes
an. Dieses hatte den Beschluss des Stadtrats, dass Demoumzüge
grundsätzlich zu verbieten seien, für rechtswidrig
erklärt. Noch kurz nach Bekanntwerden des
Verwaltungsgerichtsurteils von letzter Woche - das Gericht lehnte die
gemeinderätliche Beschwerde mit 5 zu 0 Stimmen ab - äusserte
sich Gemeinderat Reto Nause (cvp) enttäuscht. Das Urteil sei
"etwas praxisfern", sagte der Sicherheitsdirektor (siehe "Bund" vom 19.
Februar).
Der Gemeinderat sei immer gegen ein Umzugsverbot gewesen,
sagt
nun Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp). Als
beschwerdeberechtigte Instanz sei der Gemeinderat aber politisch
verpflichtet gewesen, den Willen des Stadtrats zu respektieren und an
seiner Stelle Beschwerde einzureichen. Reto Nauses Aussage sei als
persönliche, nicht mit dem Gemeinderat abgesprochene Meinung zu
verstehen. Nicht ganz unwichtig: Die Idee eines Umzugsverbots geht
ursprünglich auf einen Vorstoss von Reto Nause - 2007 noch
Stadtrat - und Ueli Stückelberger (gfl) zurück. Nause sagt
inzwischen, der Entscheid, das Urteil nicht weiterzuziehen, sei
"folgerichtig". Dies wegen der Kosten eines weiteren Verfahrens und der
Chancenbeurteilung nach dem deutlichen Urteil des Verwaltungsgerichts.
CVP verlangt Weiterzug
Unverständnis löst der Entscheid des
Gemeinderates bei
der CVP aus. Der Verzicht auf den Weiterzug sei enttäuschend, sagt
Michael Daphinoff, Präsident der CVP Stadt Bern. Seine Partei hat
eine dringliche Motion eingereicht, in welcher der Gemeinderat
aufgefordert wird, das Verwaltungsgerichtsurteil beim Bundesgericht
anzufechten. "Wir haben eigentlich erwartet, dass die Regierung bei der
Interessenabwägung die Wirtschaftsfreiheit sowie die
öffentliche Sicherheit und Ordnung stärker gewichten
würde", sagt Daphinoff. Doch wahrscheinlich sei der Gemeinderat
froh, dass seine Beschwerde nicht gutgeheissen wurde.
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BZ 26.2.10
Umzüge an Demonstrationen
Der Gemeinderat akzeptiert das Urteil
In Bern sind an Demos weiterhin Umzüge möglich.
Der
Gemeinderat zieht das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht weiter.
Kundgebungen in Form von Umzügen darf die Stadt Bern
nicht
grundsätzlich verbieten und nur noch in Ausnahmefällen
bewilligen. Zu diesem Schluss kam die damalige Regierungsstatthalterin
Regula Mader letztes Jahr, zum gleichen Schluss das bernische
Verwaltungsgericht letzte Woche (wir berichteten).
Der umstrittene Artikel im Kundgebungsreglement der Stadt
Bern
sei "verfassungswidrig und unverhältnismässig". Er greife zu
stark in die Grundrechte ein und müsse darum gestrichen werden, so
das Urteil des Verwaltungsgerichts. Die Stadtregierung akzeptiert es
und wird es nicht ans Bundesgericht weiterziehen, wie sie gestern
bekannt gab.
Der Gemeinderat begründet seinen Verzicht damit, dass
das
Umzugsverbot im Mai 2008 gegen den Willen der Regierung von einer
Mehrheit des Stadtrates beschlossen worden sei. Dem Willen des
Parlaments sei mit der Beschwerde nach dem erstinstanzlichen Urteil der
Regierungsstatthalterin Rechnung getragen worden. "Zwar hatte die
Regierung ihre ablehnende Haltung zum Umzugsverbot nicht geändert,
war aber politisch verpflichtet, den Willen der Mehrheit des Stadtrates
zu respektieren und die Beschwerde zumindest an die nächste
Instanz weiterzuziehen", heisst es in der Mitteilung des Gemeinderates.
Anfang Woche hatte die CVP-Fraktion angekündigt,
mittels
Motion den Weiterzug der Beschwerde ans Bundesgericht zu verlangen.
Dieser Vorstoss dürfte allerdings nichts mehr bewirken. "Der
Gemeinderat ist als Exekutive berechtigt, die Stadt in
Rechtsstreitigkeiten zu vertreten und zu entscheiden", erklärt
Stadtschreiber Jürg Wichtermann. Die Motion hätte nur den
Charakter einer Richtlinie.
mm
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MAD WALLSTREET-SECURITY-KNATSCH
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Telebärn 25.2.10
Security-Mitarbeiter packt aus
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/securitymitarbeiter-packt-aus/c=84713&s=813432
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RAUCHVERBOT
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Tagesanzeiger 26.2.10
David Herzig Der SVP-Politiker lanciert eine Volksinitiative
gegen
Rauchverbote.
Von Dario Venutti
Der Anführer der Stammtisch-Rebellion
Dario Venutti
Seit in Bern vor einem halben Jahr das Rauchverbot
eingeführt wurde, rebelliert im Anker der Stammtisch.
SP-Regierungsrat Andreas Rickenbacher hat Hausverbot in dem Lokal
mitten in der Altstadt, denn er ist für die Umsetzung des
Rauchverbots zuständig. Persona non grata ist auch EVP-Grossrat
Ruedi Löffel. Er erdreistete sich, im Fumoir des Restaurants im 1.
Stock "frische Luft" zu bestellen.
Im Berner Anker, wo man Cordon bleu isst, Schieber jasst
und am
Stammtisch über Politiker herzieht, ist auch die Idee einer
Volksinitiative gegen das schweizweite Rauchverbot entstanden. "Am
Stammtisch wird jetzt nicht mehr nur gepoltert. Der Stammtisch ist
aktiv geworden", sagt David Herzig, Sekretär der Jungen SVP des
Kantons Bern und Stammgast im Anker.
Der 22-Jährige ist Präsident der
Interessengemeinschaft
Freie Schweizer Wirte, die gestern die Volksinitiative lanciert hat.
Wirte, Barbesitzer und Discobetreiber sollen selber entscheiden
können, ob sie in ihren Lokalen das Rauchen zulassen wollen. "Das
Rauchverbot ist ein drastischer Eingriff des Staates in die
Gewerbefreiheit", sagt Herzig. Viele Wirte würden über
Umsatzeinbussen klagen, weil viele Büezer ihren Znüni nicht
mehr in den Beizen essen würden - und das Partyvolk über
Schikanen im Ausgang klage.
Herzig, optisch ein Verschnitt zwischen Toni Brunner und
Lukas
Reimann, liegt ganz auf der harten Linie der SVP. Seine sanfte Stimme
und sein schüchterner Charakter lassen nicht erahnen, dass er
Mitglied ist der Aktion für eine unabhängige und neutrale
Schweiz (Auns), des Bundes der Steuerzahler und von Pro Tell, der
Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht. Er sei durch
seinen Vater politisiert worden. Schon dieser hatte die erfolgreichen
SVP-Parolen verinnerlicht: Weniger Staat! Unabhängigkeit der
Schweiz! Mehr Sicherheit! Lasst die Marktkräfte spielen! David
Herzigs Vorbilder sind Winston Churchill, General Guisan und Christoph
Blocher, "dem ich einmal die Hand schütteln durfte", wie er stolz
sagt.
Politisch ist Herzig selbst im Kanton Bern ein
unbeschriebenes
Blatt. Aber vielleicht verfügt er über ähnliches Talent
für Politmarketing wie der junge St. Galler SVP-Nationalrat Lukas
Reimann. Als Testlauf für die Initiative gegen das Rauchverbot
initiierte Herzig letztes Jahr eine Petition gleichen Inhalts zuhanden
des Nationalrats. In nur zweieinhalb Monaten kamen in den Kantonen
Bern, Aargau und Zürich 64 000 Unterschriften zusammen, ohne dass
das Anliegen von Branchenverbänden unterstützt worden
wäre. Damit war klar: Eine Volksinitiative hat gute Chancen, weil
sie nicht nur SVP-Wähler anspricht. Und: Die Linke hat es
verschlafen, das populäre Anliegen aufzunehmen. Herzig Herzig auch
in den eher linken Szenenlokalen in Bern, Basel und Zürich
Unterschriften sammeln. "Ich glaube nicht, dass es die Leute
interessiert, was ich sonst denke."
Und in der Berner Reitschule? Im alternativen
Kulturzentrum wird
sehr viel geraucht, weshalb seine Initiative gerade dort auf Anklang
stossen müsste. Herzig zögert mit der Antwort und ringt sich
dann durch zu einem schüchternen: "Ja, die Reitschule kommt auch
infrage." Woher das Zögern? Seine Partei hat eben erst eine
Initiative zustande gebracht, die wieder einmal die Schliessung und den
Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden verlangt.
Weiterer Bericht Seite 17
--
Selbst der Tabakladen wird rauchfrei
Am 1. Mai tritt das Rauchverbot in Kraft. Es gilt nicht
nur in
Restaurants, sondern auch in allen Verkaufsgeschäften.
Zürcher Tabakhändler finden das grotesk und sind verunsichert.
Von Werner Schüepp
Zürich - Für René Wagner ist der kommende
1. Mai
ein Tag, den er am liebsten aus dem Kalender streichen würde. Der
letzte selbstständige Tabakhändler Zürichs wird ab
diesem Datum sein Geschäft an der Storchengasse anders führen
müssen, als er es gewohnt ist. Und das ärgert ihn gewaltig.
Am 1. Mai tritt das Bundesgesetz zum Schutz vor
Passivrauchen in
Kraft. Es sieht ein Rauchverbot für geschlossene Räume vor,
die öffentlich zugänglich sind. Betroffen sind neben
Gastrobetrieben auch Einkaufszentren und Verkaufsläden, wie das
Tabak-Lädeli, das Wagner als Familienbetrieb in der Altstadt
betreibt. Es ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt; sogar aus
Russland, Brasilien und Australien kommen die Raucher.
"Völliger Verhältnisblödsinn"
René Wagner darf seiner Kundschaft zwar noch
Zigaretten,
Zigarren und Pfeifen verkaufen, aber diese im Laden nicht mehr
anzünden. Und der Kunde darf das Geschäft nicht mehr rauchend
betreten. Wagner: "Das neue Gesetz bedeutet für mich einen
gewaltigen Einschnitt in mein Geschäftsleben." Der Einbau eines
Fumoirs ist für ihn keine Lösung. Sein Ladenlokal ist mit 20
Quadratmetern zu klein, das Haus steht unter Denkmalschutz. Er sei
nicht prinzipiell gegen das Gesetz und durchaus einverstanden, wenn in
einem Speiserestaurant nicht mehr geraucht werden dürfe, sagt
Wagner. Aber: "Die Degustation von Raucherware in Fachgeschäften
für Raucherwaren zu verbieten, ist doch ein völliger
Verhältnisblödsinn." Wagner befürchtet einen
Umsatzrückgang, denn viele Kunden wollten vor dem Kauf einer Kiste
Zigarren zuerst ein Musterexemplar zur Probe rauchen. "Wenn ich 20
Flaschen einer bestimmten Weinsorte kaufe, degustiere ich vor dem Kauf
ja auch zuerst den Wein."
Auch bei Zigarren Dürr am Bahnhofplatz, dem
grössten
Geschäft dieser Art in Zürich, löst die Neuerung keine
Freude aus. "Viele unserer Kunden wissen nichts vom neuen Gesetz und
sind völlig perplex, wenn wir sie aufklären", sagt
Filialleiter Niklaus Wilhelm. Man wolle in den ersten Wochen nach der
Einführung die Reaktionen der Kundschaft beobachten und abwarten.
Der Einbau eines Fumoirs ist vorläufig kein Thema. "Es wäre
zwar eine Lösung", so Wilhelm, "aber sie ist bautechnisch nicht
einfach zu realisieren."
Die Firma Dürr betreibt in der Schweiz 30
Tabakläden,
unter anderem in Zürich und Winterthur. Laut
Geschäftsführer Günther Muhr schiesst das Gesetz bei den
Tabakgeschäften über das Ziel hinaus. "Selbst in Amerika, wo
das Rauchergesetz viel strenger ist als in der Schweiz, darf man in
Tabakgeschäften rauchen." Er findet die Situation bizarr. Beharrt
ein Kunde darauf, eine Probezigarre zu rauchen, muss er dies draussen
vor dem Geschäft erledigen. "Das wird sich wohl auf den Umsatz
auswirken." Aber Muhr will nicht provozieren. "Wir werden das Gesetz
befolgen, obwohl unsere Kunden den Kopf schütteln." Fumoirs sind
auch für Muhr keine Option. Die meisten der 30 Filialen seien
für einen solchen Einbau zu klein.
Kanton duldet keine Ausnahme
Wenig Verständnis für die Tabakhändler
bekundet
die Zürcher Regierung. Der Kanton könne beim Vollzug kein
Auge zudrücken, sagt Walter Dietrich, Leiter der Rechtsabteilung
auf der Gesundheitsdirektion. "Ausnahmen werden keine toleriert. Wir
müssen alle Geschäfte gleich behandeln." Wer gegen das
Rauchverbot verstosse, werde verzeigt und könne mit einer Busse
bis 1000 Franken bestraft werden.
Solche Sätze sorgen bei Tabakhändler Wagner und
seinen
Kollegen für rauchende Köpfe. Ob er das Rauchverbot in seinem
Laden befolgt, lässt Wagner offen. "Garantieren kann ich das
nicht."
--
Volksinitiative
Wirte wehren sich gegen Rauchverbot
Die Interessengemeinschaft Freie Schweizer Wirte hat am
Donnerstag die Volksinitiative "Für ein liberales Rauchergesetz"
lanciert. Restaurants, Bars, Spielbanken, Discos und Nachtclubs sollen
in Zukunft selber entscheiden können, ob sie ein rauchfreier
Betrieb sein wollen oder nicht. Damit werde insbesondere die
Gewerbefreiheit in der Schweiz wiederhergestellt. Tatsache sei, dass
wenige Restaurationsbetriebe nur von Nichtrauchern leben könnten.
Seit der Einführung von Rauchverboten hätten Betriebe ihre
Tore schliessen müssen. "Wir sind überzeugt, dass die
Gäste mündig genug sind, um selber entscheiden zu
können, ob sie in ein Raucherlokal gehen wollen oder nicht",
glauben die Wirte.
Ein anderes Bild zeigt eine Erhebung des
Gläubigerverbands
Creditreform. Sie weist über die letzten zehn Jahre ein Wachstum
der Branche aus. Seit Jahren gibt es in der Schweiz rund 20 000
Gastronomieunternehmen - Tendenz steigend. Ende 2009, als in den
meisten Kantonen bereits ein Rauchverbot galt, gab es unter dem Strich
über 500 Bars und Beizen mehr im Land als Anfang Jahr. 2008 waren
fast 600 Betriebe dazugekommen. Im Tessin waren 2004 noch mehr
Gastgewerbebetriebe geschlossen als neue eröffnet worden. Seit
Einführung des Rauchverbots 2007jedoch gibt es im Südkanton
insgesamt 82 Betriebe mehr. Das gleiche Bild bietet sich im Kanton
Graubünden, ebenfalls ein Pionierkanton in Sachen Rauchverbot:
Seit der Einführung im Frühling 2008 gibt es dort insgesamt59
zusätzliche Bars und Restaurants.
Für die Initianten der Initiative "Schutz vor
Passivrauchen", zu denen die Lungenliga Schweiz gehört, ist die
Initiative der IG Freie Wirte unverantwortlich. Passivrauchen sei
massiv gesundheitsgefährdend. (DDP/SDA)
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NZZ 26.2.10
Verbots-Chaos sorgt für rauchende Köpfe
Unterschiedliche Taktiken der Wirte gegen Rauchverbote -
zwei
Volksinitiativen erschweren Investitionsentscheide
Eine Gruppe von Wirten bläst zum
gesamtschweizerischen
Angriff auf die Rauchverbote. Gastrosuisse weiss noch nicht, was davon
zu halten ist.
Davide Scruzzi
Die Rauchverbote bilden ein Lehrstück über die
verworrenen Wege des Föderalismus und der direkten Demokratie
(siehe Karte). Der jüngste Akt: die Präsentation der
eidgenössischen Volksinitiative "für ein liberales
Rauchgesetz" am Donnerstag in Bern. Eine Interessengemeinschaft (IG)
"Freier Schweizer Wirte" will damit die Aufhebung flächendeckender
Rauchverbote in der Verfassung festschreiben, insbesondere was
Gaststätten angeht. Dies nachdem vielerorts bereits
unterschiedliche Verbote eingeführt worden sind und auf den 1. Mai
hin auf Bundesebene das Gesetz über den Schutz vor Passivrauchen
seine Wirkung entfaltet. Gemäss dem Bundesgesetz ist das Rauchen
in Gaststätten nur möglich, wenn diese eine Fläche von
maximal 80 Quadratmetern haben und damit eine Bewilligung als
"Raucherbeizen" erhalten können oder über ein Fumoir
verfügen. Bestehende, strengere kantonale Bestimmungen bleiben
gültig.
Für das Bundesgesetz hat sich Gastrosuisse (der
Branchenverband) 2008 erfolgreich eingesetzt, zumal es einen Kompromiss
darstellt. Der Gastrosuisse-Vorstand mag denn nun nicht alleine
entscheiden, ob die Initiative der IG Freie Schweizer Wirte
unterstützt werden soll. Ende März werden die
Präsidenten der kantonalen Sektionen dazu konsultiert.
Grundsätzlich glaubt der Verband, dass die politischen
Möglichkeiten für gewerbefreundliche Rauchverbote derzeit
ausgeschöpft sind. Das Hauptziel bleibe, die Volksinitiative der
Lungenliga für noch strengere Verbote erfolgreich zu
bekämpfen (siehe Zusatztext). Gastrosuisse-Direktor Anton Schmutz
hat Verständnis für die "Freien Wirte"; es stelle sich aber
die Frage, ob es nicht kontraproduktiv wäre, sich im
Abstimmungskampf zur Lungenliga-Vorlage kategorisch gegen Rauchverbote
zu stellen und die "Freien Wirte" zu unterstützen, statt einfach
die bestehende, gemässigte Lösung zu verteidigen. Die IG
ihrerseits animiert nun Wirte, über die Kantonalsektionen von
Gastrosuisse auf eine Unterstützung der Initiative hinzuwirken.
Die IG präsentiert sich als Verbund von 300 bis 400
Mitgliedern. Als Präsident amtiert der 22-jährige David
Herzig, der als Sekretär der Jungen SVP Bern im März auch bei
den Grossratswahlen antritt. Das Engagement für das Rauchen wird
dem Gelegenheitsraucher Bekanntheit verschaffen, doch will er die IG
als parteipolitisch neutral positionieren. Der Hochbauzeichner setzt
auf die Mobilisierungs-Möglichkeiten von Internet-Plattformen wie
Facebook, aber auch auf die Mundpropaganda in Gasthäusern. Als
erster Leistungsausweis werden die über 60 000 Unterschriften
genannt, die für eine Anti-Rauchverbots-Petition in einigen
Kantonen gesammelt wurden.
Als Argumente gegen die Rauchverbote nennt die IG liberale
Grundsätze, wonach jeder Wirt alleine entscheiden soll, ob in
seinem Betrieb geraucht werden darf. Mit dem Einrichten von Fumoirs
seien viele Probleme verbunden. Herzig erwähnt Umsatzeinbussen
wegen der Verbote - deren genaue Quantifizierung allerdings noch kaum
möglich ist. Beklagt wird auch ein drohender "Tod" der
Stammtisch-Kultur durch die Verbote.
Bisher waren radikale Vorstösse gegen Rauchverbote
wenig
erfolgreich, im Gegensatz zu Initiativen der kantonalen Lungenligen.
Pikant: Gastrosuisse Bern äusserte sich kürzlich gegen eine
grundlegende Aufweichung des kantonalen Verbots, unter anderem wegen
der getätigten Investitionen für Fumoirs. Die zwei nationalen
Volksinitiativen und diverse kantonale Vorstösse lassen solche
Investitionen jetzt indes unsicher erscheinen. - Kurioses, wie die
Versuche, durch die Umwandlung von Bars in Klubs das Verbot zu umgehen,
müssen ihre Bewährungsprobe vor dem Bundesgesetz ebenfalls
erst noch bestehen, denn dieses gilt auch in Vereinslokalen, wenn mehr
als eine Person dort arbeitet.
--
Schon über 100 000 für Lungenliga-Initiative
dsc. ⋅ Auch die Lungenliga ist mit der jetzigen Situation
unzufrieden und versucht mittels einer eigenen Volksinitiative die
strengsten kantonalen Rauchverbote zum nationalen Standard zu erheben.
Ausnahmebewilligungen für "Raucherbeizen" sollen demnach nicht
möglich sein, und in Fumoirs soll das Servicepersonal die
Gäste nicht bedienen. Neun Monate nach der Lancierung habe man
bereits über 100 000 Unterschriften gesammelt, so Barbara Weber
von der Lungenliga. Mit einem "Endspurt" im März sollen die
angepeilten 120 000 Unterschriften beisammen sein. Die IG Freie
Schweizer Wirte sieht ihre Vorlage als Gegenpol zur
Lungenliga-Initiative und hofft auf eine zeitgleiche Volksabstimmung.
Im Zentrum der Argumentation der Lungenliga stehen nicht so sehr die
Gäste als vielmehr die Gastro-Angestellten, die vor ständigem
Passivrauchen zu schützen seien - darum auch die Bemühungen
um ein Bedienungsverbot in den Fumoirs. Barbara Weber stört sich
an der Verordnung zum Bundesgesetz über das Passivrauchen; diese
sei "ein Kniefall vor der Tabaklobby", weil etwa den Kantonen die Art
der Fumoir-Lüftungen nicht vorgeschrieben werde - in Appenzell
Innerrhoden reichen dazu Fenster. Die Lungenliga wolle auch eine
Vereinheitlichung der unterschiedlichen kantonalen Verbote, was die
Sache etwa für Touristen leichter verständlich mache. Weber
beklagt auch neue Gegentendenzen, etwa im Kanton Solothurn mit der
dortigen Initiative zur Aufweichung des jetzigen "konsequenten Verbots".
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Telebärn 25.2.10
Wirte lancieren eine Initiative
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/wirte-lancieren-eine-initiative/c=84713&s=813431
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SUCHTHILFE
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Bund 26.2.10
Suchthilfe: Kanton will stärker mitreden
Als Geldgeber will der Kanton Bern künftig die
Angebote der
Suchthilfe stärker steuern und die Mittel besser verteilen. Dazu
erarbeitet er mit den Institutionen der Suchthilfe eine kantonale
Suchthilfestrategie. Diese soll bis Ende dieses Jahres fertiggestellt
sein.
Als erster Schritt ist gestern der Dachverband Gesundheit
und
Sucht (DGS) Bern gegründet worden, der die Stiftung Berner
Gesundheit (Beges) und Contact-Netz umfasst. Diese wollen enger
zusammenarbeiten und Synergien nutzen. (lok) - Seite 24
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Kanton will Suchthilfe besser steuern
Bei der Steuerung der Suchthilfeangebote will der Kanton
mehr
Einfluss nehmen und erarbeitet eine Suchthilfestrategie. Ein erster
Schritt ist die Gründung des Dachverbands Gesundheit und Sucht
Bern.
Rahel Bucher
Die etablierten Institutionen Stiftung Berner Gesundheit
(Beges)
und Contact-Netz arbeiten künftig enger zusammen und gründen
am ersten März den Dachverband Gesundheit und Sucht (DGS) Bern,
wie gestern an einer Medienkonferenz bekannt gegeben wurde. Mit diesem
neuen Organ hat der Kanton ab 2011 nur noch einen
Leistungsvertragspartner. "Das Anliegen existiert schon lange, auf
strategischer Ebene ist jetzt ein Schritt getan", sagt Ueli Studer,
Präsident Beges.
Mit der Gründung des Dachverbands wollen die zwei
grössten Anbieter für ambulante Suchthilfe im Kanton Bern die
Angebote besser abstimmen. Neben dem Synergiegewinn werde auch die
Trennung zwischen legalen und illegalen Suchtmitteln aufgehoben, sagt
Philippe Perrenoud (sp), Regierungsrat und Direktor der Gesundheits-
und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF).
Sechs Eckpfeiler für die Strategie
"Die Annäherung der beiden Player ist ein erster
Schritt im
Zusammenhang mit der kantonalen Suchthilfestrategie", sagt Studer. Der
Kanton als Geldgeber will künftig mehr Einfluss auf die Steuerung
der Angebote im Suchthilfebereich haben, um so die finanziellen Mittel
besser einsetzen zu können. Zusammen mit den Institutionen der
Suchthilfe erarbeitet die GEF daher eine kantonale Suchthilfestrategie.
In diesem Zusammenhang hatte der Kanton Bern die Hochschule Luzern mit
einer Bestandesaufnahme des bestehenden Angebots im Bereich der
Suchthilfe beauftragt.
Auf Basis der Ende 2009 abgeschlossenen Bestandesaufnahme
hat
Regierungsrat Perrenoud Mitte Februar folgende Eckpfeiler festgelegt,
die für die Ausgestaltung der Suchthilfestrategie wegleitend sein
sollen:
Komplementäre Stossrichtung der kantonalen
Suchthilfepolitik
und der Konzepte der übrigen sozial- und gesundheitspolitischen
Politikbereiche (insbesondere Psychiatrieplanung und Familienkonzept).
Reduktion der gewachsenen Vielfalt im Suchthilfebereich
durch den
Aufbau strategischer Partnerschaften.
Mittelfristig differenzierte organisatorische Integration
der
Suchthilfe in die medizinische und soziale Regelversorgung. Die GEF
zielt auf eine differenzierte Lösung gemäss dem Grundsatz
"Regelversorgung vor spezialisiertem Versorgungssystem".
Die Stärkung von regionalen Strukturen soll als
Zielsetzung
in der Strategie verankert werden. Der Kanton führt regionale
Plattformen, abgestimmt auf die Verwaltungsregionen.
Die Akteure der Suchthilfe im Kanton Bern bilden ein
aktives,
leistungsfähiges Netzwerk. Die GEF sieht sich bereits heute als
Netzwerkmanagerin und möchte diese Rolle noch bewusster
ausüben. Dementsprechend sind Steuerungsinstrumente zu definieren.
Auch auf Klientenebene soll das Angebot besser gesteuert
werden.
Die Orientierung an den "Behandlungspfaden" soll im Vordergrund stehen.
Dazu sollen auf regionaler Ebene standardisierte Behandlungspfade
entwickelt werden. Komplexe Fälle werden dem Case-Management
zugewiesen.
"Diese Eckpfeiler geben die Ausrichtung vor, welche ich in
der
Suchthilfestrategie zukünftig einschlagen will", sagt Perrenoud.
In einem nächsten Schritt werden diese Punkte von den
Suchthilfeinstitutionen diskutiert und auf ihre Umsetzbarkeit in der
Praxis geprüft. Die daraus resultierenden Rückmeldungen
sollen verarbeitet werden und in die abschliessende Festlegung der
Eckpfeiler durch den Direktor der GEF einfliessen. Um die Ergebnisse
der Fachdiskussion nicht vorwegzunehmen, will sich Perrenoud zu seinen
Gründen und den erwarteten Ergebnissen des eingeleiteten Vorgehens
noch nicht vertieft äussern. Laut Sabine Schläppi,
Abteilungsleiterin Gesundheitsförderung und Sucht in der GEF, soll
die Suchthilfestrategie noch in diesem Jahr fertiggestellt werden.
Kein Sparauftrag vom Kanton
Barbara Mühlheim, Grossrätin (grüne)und
Leiterin
Heroingestützte Behandlung Koda begrüsst die Erarbeitung
einer kantonalen Strategie. "Der Kanton als Geldgeber soll endlich die
Zügel in die Hand nehmen", sagt sie. In den letzten Jahren seien
in der Suchthilfe zu viele Angebote entstanden, die zu wenig geplant
und vernetzt seien. Um den Kanton in seinen Bemühungen zu
unterstützen, hat sie vorgestern eine Motion eingereicht. "Ich
will damit den Kanton stärken und signalisieren, dass er gut
vorgearbeitet hat", sagt sie. Die Gründung des Dachverbands sei
erst ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, findet sie weiter.
Die strategischen Synergiebemühungen haben im Jahr
2004
ihren Anfang genommen, als Andreas Blaser, SP-Grossrat und
Vizepräsident des Contact-Netzes, in einem Vorstoss die Aufhebung
der Trennung in legale und illegale Suchtmittel sowie ein gemeinsames
Dach für die ambulante Suchthilfe forderte. In einer Motion von
2008 forderte Blaser zudem die Schaffung einer kantonalen Plattform.
Mit der Gründung des Dachverbands könne der jahrelange
Verteilungskampf um Mittel zugunsten einer problemorientierten
Umverteilung abgelöst werden, sagt er. Er habe die Vision, dass
die Plattform auch für andere Player offen sein soll.
Fusion ohne Sparauftrag
"Die Zusammenführung der beiden Institutionen zum
Dachverband erfolgt ohne personelle Konsequenzen und ohne Sparauftrag
seitens des Kantons", sagt Studer, und Perrenoud: "Wir können mit
gleich viel Geld mehr anbieten." Allerdings fügt Studer an, dass
bedarfsorientierte Ressourcenverlagerungen im Konsens zwischen Beges
und Contact-Netz zu einem späteren Zeitpunkt vereinbart werden
können. "Der Kanton zahlt zurzeit rund 20 Millionen Franken an die
Suchthilfe", sagt Sabine Schläppi, Abteilungsleiterin
Gesundheitsförderung und Sucht in der GEF. Der Beges stehen rund
neun Millionen Franken und Contact-Netz rund elf Millionen Franken zur
Verfügung. Im Contact-Netz gehen 3,5 Millionen in die ambulante
Beratung und 7,6 Millionen in die Schadensminderung. Im Beges sind es
5,3 Millionen für die ambulante Beratung, 2,7 Millionen für
die Gesundheitsförderung und Prävention sowie 0,5 Millionen
für die Sexualpädagogik. Ob es zu Umverteilungen der Mittel
komme, werde sich erst zeigen.
Vieles bleibt trotzdem gleich
Trotz der Gründung des Dachverbands bleibt vieles
gleich.
Beges engagiert sich weiterhin in der Prävention, der ambulanten
Beratung und Therapie. Contact-Netz ist vor allem in der
Schadensminderung sowie in Beratung und Therapie für Jugendliche
tätig. Die Schnittstelle betrifft die ambulante Beratung und
Therapie sowie den Mischkonsum. Hier sollen gemeinsame Angebote
realisiert werden.
Eine wichtige Neuerung ist die Aufhebung der Trennung in
legale
(Alkohol, Tabak, Medikamente) und illegale Suchtmittel (Cannabis,
Heroin, Kokain). Bisher hat sich Beges im Bereich legale Suchtmittel
und Contact-Netz verstärkt im Bereich illegale Drogen engagiert.
"Aus fachlicher Sicht ist diese Trennung überholt", sagt
Perrenoud. Damit einher geht die Neuverteilung von Zielgruppen. Die
Beges legt den Fokus in der ambulanten Beratung und Therapie
künftig auf Erwachsene, während sich das Contact-Netz in der
ambulanten Beratung und Therapie an Jugendliche richtet. Die Beratung
von Drop-outs und Randständigen bleibt in der Zuständigkeit
des Contact-Netzes.
In der konkreten Umsetzung beginne die Arbeit erst richtig
und
hänge auch mit der Suchthilfestrategie des Kantons zusammen, sagt
Studer. Darüber, dass die operative Zusammenführung ein
langsamer Prozess der Annäherung werde, sind sich Studer und Jakob
Huber, Geschäftsleiter Contact-Netz, einig. "Wir haben zwei ganz
verschiedene Kulturen", sagt Huber, und Studer: "Es gibt einfach den
legalen und den illegalen Bereich." Trotzdem erhoffen sich beide eine
Optimierung der verschiedenen Angebote.
--
Angebote der Suchthilfe
Rechtlicher Rahmen
Den Rahmen für die Suchthilfe bildet das Modell der
Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen. Es umfasst alle
legalen und illegalen Suchtmittel und stützt sich auf die "vier
Säulen" Prävention und Gesundheitsförderung, Therapie,
Schadensminderung und Repression. Das Modell differenziert zwischen
risikoarmem Konsum, problematischem Konsum und Abhängigkeit. In
diesem Rahmen agiert auch der Dachverband DGS. Das Ko-Präsidium
wird durch Contact-Netz-Präsidentin Therese Frösch und
Beges-Präsident Ueli Studer gestellt. Die Ko-Geschäftsleitung
teilen sich Jakob Huber, Geschäftsleiter von Contact-Netz, sowie
Bruno Erni, Geschäftsführer von Beges. (reh)
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KOKAIN
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Basler Zeitung 26.2.10
Massive Kritik am Regime von Hugo Chávez
Venezuela als Drehscheibe im Drogenschmuggel
Ulrich Achermann, Santiago de Chile
Eine Menschenrechtskommission und die
UNO-Drogenbehörde
stellen Venezuela schlechte Noten aus.
Die linksgerichtete Regierung von Präsident Hugo
Chávez höhle Demokratie und Rechtsstaat aus, dazu
unternehme sie zu wenig gegen den Drogenschmuggel. So lauten die von
internationalen Gremien erhobenen Vorwürfe.
Die interamerikanische Menschenrechtskommission der
Organisation
Amerikanischer Staaten (OAS) zeigte sich "alarmiert" über den
fortschreitenden Zerfall der Rechtsstaatlichkeit. Chávez
verweigerte ihr den Zutritt auf venezolanisches Territorium, obschon
das Land Vollmitglied der OAS ist. Bereits zum zweiten Mal kritisiert
die Kommission, Polizei und Sicherheitsorgane hätten
"aussergerichtliche Hinrichtungen" zu verantworten.
Forderungskatalog
Viele Verfassungsgarantien seien ausgehöhlt, heisst es
weiter.
Menschenrechtler und Journalisten könnten ihrer Arbeit nicht
ungehindert nachgehen, demonstrierende Regimegegner würden
eingeschüchtert, geschlagen und bisweilen verfolgt. Schlecht stehe
es auch um die Medienfreiheit, nachdem die Regierung letztes Jahr 34
Radiostationen die Sendeerlaubnis entzogen habe.
Die Kommission fordert von der Regierung in Caracas
Massnahmen,
damit der Schutz der Rechte und Freiheiten verbessert werde. Auch
müssten die Gewaltentrennung und die Unabhängigkeit der
Justiz respektiert werden. Gute Noten bekam Chávez einzig
für seine Sozialpolitik. In der Armutsbekämpfung,
Alphabetisierung und Gesundheitsfürsorge gebe es Fortschritte.
Schmuggelroute
Auch wegen fehlender Zusammenarbeit gegen den Drogenschmuggel
steht
Venezuela am Pranger. Die UNO-Drogenbehörde stellt fest, dass etwa
die Hälfte des in Westeuropa gehandelten Kokains kolumbianischen
Ursprungs ist, aber über Venezuela an den Bestimmungsort gelangt.
Banden hätten seit 2007 über Venezuela eine Versorgungsroute
für Europa aufgebaut, die über Zentral- und Westafrika
führe. Die Chávez-Regierung hat die internationale Kritik
zurückgewiesen.
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POLICE CH VS GWK
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BZ 26.2.10
"Grenzwache abschaffen"
Doppelspurigkeiten zwischen Grenzwache und Polizei sorgten
für unsinnige Kosten, sagt der Berner Polizeikommandant.
Stefan Blättler, Kommandant der Kantonspolizei Bern,
braucht
im Interview mit dieser Zeitung deutliche Worte: Das Grenzwachtkorps
habe seinen grenzpolizeilichen Auftrag seit Inkrafttreten des
Schengen-Abkommens weitgehend verloren. Denn die Schweiz habe sich
damit verpflichtet, grenzpolizeiliche Aufgaben nicht mehr an der
Grenze, sondern im Landesinnern durchzuführen. Denselben Auftrag
haben laut Blättler dort aber auch die Kantonspolizeien. Das
führe zu unsinnigen und sehr kostspieligen Doppelspurigkeiten,
sagt Blättler. Der Grenzwachtkommandant versuche zudem, seinen
Leuten neue Aufträge zu verschaffen, welche aber eigentlich
Polizeiaufgaben seien.
Um solche Doppelspurigkeiten zu beseitigen, plädiert
Stefan
Blättler für die Zerschlagung des Schweizerischen
Grenzwachtkorps. Die Grenzwächter und der Grenzwachtauftrag
könnte man auf die Kantonspolizeikorps verteilen.
ma
Seite 3
--
Berner Polizeikommandant Stefan Blättler
"Die Grenzwache abschaffen"
Der Polizeikommandant des Kantons Bern redet Klartext:
Stefan
Blättler fände es gut, die Grenzwache abzuschaffen. Seit
Schengen übernehme die Grenzwache Arbeit, die die Polizei auch
verrichte. Das sei unsinnig und teuer.
Herr Blätter, sollte man das Grenzwachtkorps
auflösen?
Stefan Blättler: Ich begrüsse, dass diese
Diskussion
jetzt auch öffentlich geführt wird. Man kann sich zu Recht
fragen, ob es noch sinnvoll ist, ein nationales Grenzwachtkorps zu
führen. Den Vorschlag, die Grenzwache abzuschaffen und die
Grenzwächter auf die Kantonspolizeien zu verteilen, finde ich
nicht abwegig. Man müsste den Grenzwachtauftrag den
Kantonspolizeien übertragen. Ob man das will, ist allerdings eine
Frage, welche die Politik beantworten muss.
Warum würde die Auflösung des Grenzwachtkorps
Sinn
machen?
Seit gut einem Jahr ist das Schengen-Abkommen in Kraft.
Die
Hauptarbeit der Grenzwächter ist nicht mehr direkt an der Grenze
zu verrichten, sondern im rückwärtigen Raum. Das führte
zu unsinnigen und kostspieligen Doppelspurigkeiten.
Wo gibt es Doppelspurigkeiten?
Die Grenzwache hat immer mehr ureigene Aufgaben der
Polizei
übernommen. Sie führt Observationen durch. Das heisst, sie
beschattet verdächtige Personen in der ganzen Schweiz. Zudem macht
die Grenzwacht auch Ordnungsdienst. Sie spezialisiert sich in der
Identifikation von Personen, was eindeutig eine kriminalistische
Tätigkeit ist. In einigen Kantonen rücken Grenzwächter
zusammen mit Polizisten sogar bei Einbrüchen und häuslicher
Gewalt aus.
Warum tut die Grenzwache das, und warum in Binnenkantonen?
Das hat mehrere Gründe. Einige Kantone sind
natürlich
sehr froh darüber, dass sie Unterstützung von der Grenzwache
bekommen, weil ihre Polizei selber knapp dotiert ist.
Versucht der Grenzwachtkommandant nicht einfach, seinem
Korps
attraktive Arbeit zuzuschanzen?
Das ist ein weiterer Grund. Der Grenzwachtkommandant
versucht
natürlich, seinen Leuten abwechslungsreichere Arbeit zu
verschaffen. Es gibt für die Grenzwache sicher Interessanteres,
als an der Grenze zu stehen, um die Leute zu fragen, ob sie zu viel
Schnaps mitführen.
Etliche Polizeichefs behaupten, dass die Grenzwache seit
Schengen
ihre grenzpolizeilichen Aufgaben weitgehend verloren habe. Trifft das
zu?
Nach wie vor hat die Grenzwache den Zollauftrag. Salopp
gesagt,
heisst das: Sie muss Schmuggel verhindern. Dazu kommt, dass sie in
verschiedenen Grenzkantonen in ganz unterschiedlichem Mass
zusätzliche Aufgaben übernommen hat. Es stimmt aber, dass die
Grenzwache seit Schengen ihren grenzpolizeilichen Auftrag weitgehend
verloren hat.
Inwiefern?
Die Schweiz hat sich mit dem Schengen-Abkommen
verpflichtet,
grenzpolizeiliche Kontrollen nicht mehr an der Grenze, sondern im
sogenannten gestaffelten Raum durchzuführen - das heisst im
Landesinnern. Das Problem: Denselben Auftrag haben auch die
Kantonspolizeien.
Und das führt zu Konflikten zwischen Polizei und
Grenzwache?
Es geht nicht in erster Linie um Konflikte im operativen
Bereich.
Natürlich gibt es ab und zu Auseinandersetzungen zwischen
Grenzwächtern und Polizisten. Das Hauptproblem ist aber, dass seit
Schengen plötzlich zwei Sicherheitsorganisationen auf demselben
Gebiet operieren, ohne dass geregelt ist, wer was zu tun hat.
Zurzeit heisst es in vielen Kantonen, dass den
Polizeikorps
Mittel und Personal fehlen. Müssten Sie nicht um jede Arbeit froh
sein, die Ihnen die Grenzwächter abnehmen?
Das Problem sind nicht die Mittel und das Personal an
sich,
sondern wem die Geldmittel und wem das Personal zugeteilt ist. Das muss
geklärt werden, sonst verpuffen wegen Doppelspurigkeiten unter dem
Strich viele Steuergelder.
Ist für Sie die Verteilung der Grenzwächter auf
die
Kantonspolizeien die einzige sinnvolle Lösung?
Nein, keineswegs. Von mir aus gesehen gibt es
grundsätzlich
zwei mögliche Wege. Entweder zerschlägt man wie gesagt das
Grenzwachtkorps und überträgt den nach Schengen verbleibenden
Grenzwachtauftrag den Kantonen.
Die zweite Möglichkeit?
Sie besteht darin, dass man dazu steht, dass die
Grenzwache
eigentlich keine Grenzwache mehr ist, sondern eine nationale
Sicherheitsorganisation, eine Art Bundespolizei mit präzise
abgegrenztem Auftrag. Dafür braucht es aber eine gesetzliche
Grundlage. Und damit ist diese Frage eine politische Frage.
Interview: Mischa Aebi
--
Grenzwache
Kontrollen ohne Erlaubnis
Mehrere kantonale Polizeikommandanten und
Polizeidirektoren
können dem Beschaffungsdrang der Grenzwächter wenig Gutes
abgewinnen (siehe gestrige Ausgabe). Seit Schengen übernehmen die
Grenzwächter dankbar allerlei Polizeiaufgaben. Manchmal sogar ohne
Befugnis. Beispiel: Im Kanton St.Gallen hatten Grenzwächter
vergangenes Jahr auf einem Autobahnabschnitt entgegen der offiziellen
Vereinbarung mit dem Kanton Verkehrskontrollen durchgeführt. Das
sorgte für Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Viele Polizeichefs äussern ihre Kritik bis jetzt vor
allem
in Hintergrundgesprächen. In der Öffentlichkeit zogen sie bis
jetzt diplomatische Worte vor. Insbesondere die St.Galler
Polizeidirektorin Karin Keller Sutter plädierte aber auch
öffentlich für die Zerschlagung des Grenzwachtkorps.
ma
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NOTHILFE
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St. Galler Tagblatt 26.2.10
Nothilfe-Debatte neu lanciert
Trotz Sozialhilfestop und Nothilfe bleiben immer mehr
Personen
mit Nichteintretensentscheid (NEE) in der Schweiz, auch in St. Gallen.
Für das Solidaritätsnetz Ostschweiz ist die
Nothilfe-Strategie gescheitert, für den Kanton hat sie sich
bewährt.
Daniel Klingenberg
St. Gallen. Vor zwei Wochen lud das kantonale Justiz- und
Polizeidepartement zur Medienorientierung. Dabei wurde eine
integrations- und asylpolitische Bilanz samt Massnahmen und Zahlen
präsentiert (Tagblatt vom 12. Februar). Nachzulesen ist sie auch
im Internet unter dem Titel "Erfolgreiche Umsetzung der Neuerungen im
Ausländer- und Asylwesen".
Verdoppelung in der Stadt
Zu dieser Erfolgsmeldung gehört allerdings auch eine
Problematik: Die Zahl der Nothilfebezüger - Personen mit
Nichteintretensentscheid (NEE) und abgewiesene Asylbewerber - ist im
vergangenen Jahr schweizweit deutlich gestiegen. Dies bestätigt
Marie Avet, Pressesprecherin des Bundesamtes für Migration (BFM).
Hauptgrund ist der Anstieg der Zahl der Asylsuchenden seit Mitte 2008.
Die Zunahme ist auch im Kanton St. Gallen laut dem Ausländeramt
massiv. Rund 200 Personen bezogen 2009 Nothilfe, ein Viertel von ihnen
in der Stadt St. Gallen. Die Fallzahl hat sich hier innerhalb eines
Jahres verdoppelt (Tagblatt vom 22. Februar).
Ein nicht bezifferbarer Anteil dieser Personen rutscht
dabei nach
BFM-Angaben in die Langzeit-Nothilfe. Diese Menschen leben seit zwei
Jahren von acht Franken pro Tag, haben eine
Übernachtungsmöglichkeit und im Bedarfsfall medizinische
Versorgung. Unter ihnen sind nach Auskunft des Solidaritätsnetzes
Ostschweiz auch Familien, deren Kinder in städtischen Schulen den
Unterricht besuchen.
Nothilfe-Erfolg wird untersucht
Das aber bedeutet: Statt auszureisen (wie sie rechtlich
verpflichtet wären), schlagen sich immer mehr
Nothilfeempfänger irgendwie durch - und bleiben im Land. Genau das
gegenteilige Ziel wollte man aber mit der Nothilfe-Strategie erreichen.
Seit April 2004 gilt für NEE-Personen und seit Januar 2008
für abgewiesene Asylbewerber ein Sozialhilfestop. Sie erhalten nur
noch Nothilfe. Der Aufenthalt hier soll damit so unattraktiv werden,
dass sich ihre Ausreise beschleunigt.
Nun hat das BFM im Auftrag von Bundesrätin Eveline
Widmer-Schlumpf einen Fachausschuss eingesetzt, der untersucht, ob "das
Ziel der freiwilligen Ausreise" erreicht wird. Offensichtlich tauchen
Zweifel über den Erfolg der Nothilfe-Strategie auf. Geliefert
werden sollen auch Zahlen, wie viele Personen wie lange in der Nothilfe
bleiben und was die Gründe dafür sind. Der Ausschuss setzt
sich aus Bundes- und Kantonsvertretern zusammen und soll bis im
Frühling einen Bericht abliefern.
Keller-Sutter: "Unbefriedigend"
Die Vorsteherin des Sicherheits- und Justizdepartements,
Karin
Keller-Sutter, bestätigte gestern auf Anfrage, dass im Bereich der
freiwilligen Ausreise von NEE-Personen eine "unbefriedigende" Situation
vorliege und ein "Nebeneffekt" auftrete. Bevor man aber Massnahmen
ergreife, seien die Resultate der BFM-Untersuchung abzuwarten. Trotz
dem Anstieg der Nothilfefälle hält Karin Keller-Sutter daran
fest, dass sich Nothilfe und Sozialhilfestop "vom Grundsatz her
bewährt" hätten und man keine Alternative habe.
FDP-Ständerätin dabei
Anders sieht dies Andreas Nufer vom Solidaritätsnetz
Ostschweiz. Die Nothilfe sei vom Konzept her für eine kurze
Aufenthaltsdauer ausgelegt. Eine Langzeit-Nothilfe sei nicht die "Idee
des Instruments". Lasse man jemanden längere Zeit in der Nothilfe,
werde er in die Vereinsamung und Verarmung getrieben. So entstehe eine
Schicht sozial geächteter Personen. Für ihn ist die Nothilfe
als "Abschreckungspolitik" des Bundes gescheitert.
Das Solidaritätsnetz will daher voraussichtlich im
April in
einer grossen Veranstaltung in St. Gallen auf dieses Thema aufmerksam
machen. Mit dabei ist auch FDP-Ständerätin Erika Forster. Was
zeigt, dass die Sache auch für bürgerliche Politiker und
nicht nur für das eher linkspolitisch orientierte Solinetz ein
Thema ist.
--
KOMMENTAR
Fragen stellen reicht nicht
Der Kanton St. Gallen setzt sich gerne als asylpolitischer
Musterschüler in Szene. So geschehen an einer Pressekonferenz
Anfang Februar: Bei den Integrationsvereinbarungen sieht man sich
schweizweit als Spitzenreiter.
Das Thema der Stunde im Asylbereich setzt aber das
Solidaritätsnetz Ostschweiz auf die Agenda. Die Zahl der
Nothilfe-Empfänger ist in den letzten eineinhalb Jahren massiv
gestiegen. Das Solinetz stellt die Frage, die man aufgrund dieses
Sachverhalts stellen muss: Funktioniert die Nothilfe-Strategie des
Bundes wirklich? Statt auszureisen, schlagen sich Nothilfe-Bezüger
wie abgewiesene Asylbewerber und Personen mit Nichteintretensentscheid
(NEE) offensichtlich lieber mit acht Franken pro Tag durch. In der
Stadt St. Gallen verdoppelte sich ihre Zahl innerhalb eines Jahres von
27 auf 54, darunter Familien mit Schulkindern.
Es gibt dabei aber keine einfache Wahrheit. Solinetz und
Ausländeramt haben mit derselben Klientel zu tun. Während die
einen von deren "renitenter Haltung" sprechen, sehen die anderen eine
Schicht geächteter Personen entstehen. Bei Verlautbarungen klingt
gegenseitige Kritik an.
Letztlich sitzen aber Kanton und Gemeinden sowie
Solidaritätsnetz im selben Boot. Sie sehen sich vor Entscheide des
Bundes gestellt, "vollziehen" diese oder setzen sich für eine
"humane Migrationspolitik" ein. An der geplanten Tagung im April kann
es daher nicht darum gehen, dass nur über die Sache geredet wird.
Soll etwas bewegt werden, müssen Solinetz und Politik miteinander
reden. Daniel Klingenberg
d.klingenberg@tagblatt.ch
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FRONTEX-WATCH
http://frontex.antira.info
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Radio LoRa München 25.2.10
FRONTEX darf noch mehr
Die EU-Grenzschutzagentur bekommt größere Befugnisse,
mehr
Kriegsgerät und eine "Schulung" in Menschenrechtsfragen. Zudem
dürfen sie möglicherweise bald IN noch mehr Staaten
außerhalb der EU "präventiv" operieren.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100225-frontexdarf-32385.mp3
---
frontex.antira.info 11.1.08
http://frontex.antira.info/2008/01/11/frontex-broschuere/
Frontex-Broschüre
Mittlerweile ist zu Frontex eine 52-seitige Broschüre
erschienen,
die entweder als pdf huntergeladen oder auch gegen Porto bestellt
werden kann. Inhalt:
* Der Kontext der Europäischen Agentur für die
operative
Zusammenarbeit an den Außengrenzen - FRONTEX
* "Die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins
Töpfchen",
Interview in: Der Standard.at, 16.11.2007
* Struktur und Aufgaben der FRONTEX-Agentur
* FRONTEX und die Europäischen Außengrenzen
* FRONTEX - Die Vernetzungsmaschine an den Randzonen des Rechtes
und
der Staaten
* Gutachten: Die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX
* Die Folgen der Abschottung auf See - das Mittelmeer
* Flüchtlingsrechte gelten auch auf hoher See!
* Stichworte: Seerecht / Vernetzte Sicherheit / Deutsche Rolle
* Glossar
http://frontex.antira.info/wp-content/uploads/2008/01/frontex-broschuere.pdf
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http://frontex.antira.info/frontex
Was ist Frontex
Frontex ist die Europäische Agentur für die operative
Zusammenarbeit an den Außengrenzen. Grundlage ihrer Arbeit ist
die Verordnung (EG) 2007/2004 des Rates der Europäischen Union. Am
26. Oktober 2004 verabschiedet der Rat der Europäischen Union
besagte Verordnung zur Schaffung der Agentur Frontex. Ihre
Hauptaufgabe, so sieht es die Verordnung vor, sollte in der
Verbesserung der Koordinierung der operativen Zusammenarbeit zwischen
den Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenze der
Mitgliedstaaten liegen. Gleichzeitig wird aber auch die
Unterstützung der Mitgliedsstaaten in ihrer hoheitlichen Aufgabe
der Grenzsicherung sowie der Abschiebung von nicht
aufenthaltsberechtigten Ausländern hervorgehoben. Weiter werden
der Agentur spezifischere Aufgaben gestellt. Im Mai 2005 nahm Frontex
seine Arbeit auf, im September 2007 wurde das Hauptquartier in
Warschau, Polen bezogen. Seitdem ist Frontex schnell gewachsen und
arbeitet auf den verschiedensten Feldern einer Praxis der
Flüchtlingsabwehr und der Sicherung von Grenzen. Die
Mitarbeiterzahl ist von 44 (2005), 72 (2006) auf mittlerweile 87 (2007)
gestiegen, Ende 2007 sollen es sogar 140 MitarbeiterInnen sein. 2005
verfügte die Agentur über 6,2 Millionen Euro, 2006 über
19,2 Millionen Euro und 2007 über insgesamt 35 Millionen Euro.
Für 2008 wird das Budget auf 70 Mio Euro verdoppelt. Der Haushalt
der Agentur setzt sich aus Zuschüssen der EU, Beiträgen der
Schengen-Staaten sowie aus Gebühren für Dienstleistungen und
freiwilligen Beiträgen zusammen.
Für die von deutscher Seite zu Frontex entsandten
nationalen
Experten werden die inländischen Dienstbezüge von deutscher
Seite weiter gezahlt. Frontex finanziert die einsatzbedingten
Mehrkosten für Einsatzkräfte und Sachmittel im Rahmen
gemeinsamer Operationen bis zu einer Höhe von 80%. Dem Haushalt
der EU und damit auch den Zuschüssen für Frontex muss das
Europäische Parlament zustimmen. Hierauf beschränkt sich die
parlamentarische Kontrolle der Agentur.
Oberstes Gremium von Frontex ist der Verwaltungsrat. Er setzt
sich aus
zwei Vertretern der EU- Kommission und jeweils einem Vertreter der
EU-Mitgliedstaaten sowie der Schengen-assoziierten Länder Island
und Norwegen (mit eingeschränktem Stimmrecht ebenso wie die den
Schengen-Besitzstand bisher nicht voll anwendenden Mitgliedstaaten
Großbritannien und Irland) zusammen. Rumänien und Bulgarien
sowie die Schweiz, die Schengen noch nicht voll beigetreten sind,
nehmen mit Beobachterstatus an den Sitzungen des Verwaltungsrates teil.
Der Verwaltungsrat ernennt auf Empfehlung der Kommission den
Exekutivdirektor und seinen Stellvertreter. Zu seinen Aufgaben
zählt ferner die Festlegung des Arbeitsprogramms, welches der
Exekutivdirektor vorschlägt, sowie Entscheidungen über Budget
und Personal. Bei den Vertretern der Mitgliedstaaten handelt es sich
meist um die höchsten Beamten der nationalen Grenzpolizeien.
Der Exekutivdirektor und sein Stellvertreter sind bei der
Wahrnehmung
ihrer Aufgaben hochgradig unabhängig. Sie dürfen Weisungen
von Regierungen oder sonstigen Stelle weder anfordern noch
entgegennehmen. Dem Exekutivdirektor obliegt die Dienstaufsicht und
Disziplinargewalt über die Mitarbeiter von Frontex. Seit der
konstituierenden Sitzung des Verwaltungsrats am 25. Mai 2005 in
Warschau ist der Finne Brigadiergeneral Ilkka Laitinen, zuvor Direktor
des Risk Analysis Centre (RAC) in Helsinki, Exekutivdirektor. Als
Stellvertreter fungiert der Spanier Gil Arias. Beide haben eine
Amtszeit von fünf Jahren und können einmal auf drei Jahre
wieder gewählt werden.
Risikoanalyse: Das Wissen über das Feld
Frontex ist beauftragt, ein gemeinsames integriertes
Risikoanalysemodell (CIRAM - Common Integrated Risk Analysis Model) zu
erstellen. Ziel soll es sein, die EU sowie die Mitgliedsstaaten mit
ausreichenden Informationen zu versehen, damit diese auf Situationen
vermehrter irregulärer Einwanderung reagieren und diese verhindern
können. Diese Aufgabe ist keine neue, zu diesem Zwecke existierte
das Risk Analysis Center (RAC) mit Sitz in Helsinki, welches in Frontex
aufgegangen ist. Da sich Frontex auch als Agentur an der Schnittstelle
von Grenzpolizei und Geheimdiensten sieht, werden diese Informationen
nicht veröffentlicht, sondern nur an die Grenzbehörden der
Mitgliedsstaaten und Institutionen wie etwa Europol übermittelt.
2005 begann Frontex, eine allgemeine jährliche
Risikoanalyse mit
dem Anspruch, die gesamte Außengrenze der EU abzudecken, zu
erarbeiten und zu evaluieren. Desweiteren erarbeitete Frontex
spezifische Risikoanalysen für bestimmte Gebiete oder
Transitländer der Migration nach Europa, 2005 etwa eine
Länderstudie zu Libyen. Für 2006 und 2007 hatte sich Frontex
das Ziel gesetzt, vier Länderstudien zu erstellen. Desweiteren
werden diverse öffentliche und nichtöffentliche Bulletins
publiziert.
Im Jahresbericht 2006 werden ein paar Andeutungen gemacht,
welche
Erkenntnisse das CIRAM gebracht haben könnte. Frontex führt
an, dass die Landgrenzen zwischen der Slowakei und der Ukraine,
Slowenien und Kroatien, Griechenland und Albanien, Griechenland und der
Türkei und der österreichische Teil der Außengrenze
Orte der vermehrten Migration nach Europa sind, verbunden mit
erhöhten Aufgriffen von irregulären MigrantInnen. Hinzu
kommen Ceuta und Melilla, die Kanarischen Inseln, Sizilien, Lampedusa,
und Großbritannien. Außerdem werden mehrere internationale
Flughäfen aufgezählt. Alles in allem Erkenntnisse, die wenig
überraschen.
Nach der Selbsteinschätzung von Frontex ist das CIRAM die
Grundlage aller operativen Einsätze. Dahingehend verfolgt Frontex
das Ziel, Risikoanalyse und Einsatzplanung noch gezielter zu
verknüpfen und möglichst aktuell an Frontex-Operationen, aber
auch an die Mitgliedsstaaten weiterzugeben. Mittel ist der Aufbau des
so genannten ICOnet, einem Informations- und Kommunikationsnetzwerk, in
dem möglichst in Echtzeit Daten über die Lage an der Grenze
abgerufen und eingespeist werden sollen. Spätestens 2008 will
Frontex das BorderTechNet in Betrieb nehmen, welches die
Möglichkeiten des ICOnet erweitern soll.
Zur Erstellung der Risikoanalyse unterhält Frontex eine
Risk
Analysis Unit mit 12 Mitgliedern sowie das Risk Analysis Network, in
welchem mit Experten der Mitgliedsstaaten zusammengearbeitet wird. Aus
Deutschland sind dies Experten der Bundespolizeidirektion.
Gemeinsame Operationen: Von der Theorie zur Praxis
Größeren Bekanntheitsgrad erlangte Frontex im
Zusammenhang
mit den Operationen Hera und Nautilus im Jahr 2006. Angesichts des
öffentlichen Bewusstseins über die Ankunft, aber auch das
Sterben vieler MigrantInnen, die sich mit Booten Richtung Lampedusa und
Malta sowie zu den Kanarischen Inseln bewegten, inszenierte sich
Frontex als paramilitärische Truppe, die mit Kriegsschiffen,
Hubschraubern und Flugzeugen gegen die Flüchtlingsflut stellt und
den überforderten Mitgliedsstaaten Solidarität zukommen
lässt. Dieses öffentliche, wohl auch teilweise bewusst
inszenierte Bild ist allerdings keineswegs repräsentativ für
die Operationen, die Frontex durchführt. Um zu einem
Verständnis über die Arbeitsweise Frontex' zu gelangen, muss
sich noch einmal die spezifische Regierungsart der EU und die Aufgabe
Frontex' darin vor Augen gerufen werden.
Die EU ist kein neu entstehender Nationalstaat klassischer
Prägung
und vielleicht unterscheidet sie sich auch ganz entschieden von einem
Nationalstaat. Dennoch benötigt sie Institutionen wie etwa
Grenzschutzbehörden. Dies ist vor allem den nationalen
Mitgliedsstaaten geschuldet. Daher wird Frontex nicht neu geschaffen,
sondern im Rahmen eines so genannten best practice Verfahrens quasi aus
den existierenden Behörden der Mitgliedsstaaten und ihren
Praktiken synthetisiert, ein Prozess, der normalerweise unter dem
Stichwort Harmonisierung läuft. Dies beinhaltet meistens zum einen
ein Operieren auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, der Schaffung von
nationalen Schnittstellen und einer zunehmenden Zentralisierung. Vor
diesem Hintergrund ist der Auftrag Frontex', die nationalen
Grenzschutzmaßnahmen zu koordinieren, zu verstehen.
Eine erste Maßnahme Frontex war die Einrichtung dieser
Schnittstelle zu den nationalen Grenzschutzbehörden. In jedem
Mitgliedsstaat wurde ein National Frontex Point of Contact (NFPOC)
eingerichtet. Die Kommunikation erfolgt ausschließlich über
diesen Verbindungsoffizier und zwar über ein verschlüsseltes
Mail-Service. Außerdem bemüht sich Frontex um Verbindungen
zu den Grenzschutzbehörden in verschiedenen Drittstaaten.
Für Operationen stützt sich Frontex neben der Zentrale
in
Warschau auf so genannte FJST (Frontex Joint Support Teams), Teams aus
einem Pool von Experten der nationalen Grenzschutzbehörden.
Aufgrund der Prognosen des CIRAM werden diese in gemeinsamen
Operationen mit den Mitgliedsstaaten eingesetzt. Die Mitglieder eines
FJST sind Frontex unterstellt, gemeinsame Einsätze werden von den
Mitgliedsstaaten befehligt. Die FJSTs werden außerdem an der
Vorbereitung von operationellen Einsätzen, Pilotprogrammen wie
auch Ausbildungsmaßnahme beteiligt und bilden daher das
personelle Rückgrat der Grenzschutzabteilung von Frontex. Zur Zeit
(2007) scheint Frontex insgesamt 14 FJST zu unterhalten, wobei sechs
Landgrenzen-FJST an der europäischen Ostgrenze stationiert sind,
sieben Seegrenzen-FJST im Nordmeer, Atlantik, Schwarzen Meer und
Mittelmeer operieren und ein Luftgrenzen-FJST im
deutsch-österreichisch-tschechischen Grenzgebiet angesiedelt ist.
2005 führte Frontex nur zwei gemeinsame Operationen aus,
und es
kann davon ausgegangen werden, dass diese lediglich Pilotprojekte
waren, um die Möglichkeiten einer Koordinierung auszuloten.
Generell ist die Sprache Frontex' durchsetzt von Begriffen wie etwa
Pilotprojekt, best practice Verfahren und Evaluierung, die immer als
Hinweis auf eine Harmonisierung und Vereinheitlichung von
Grenzschutzpraktiken zu lesen sind. Dahinter ist zu sehen, dass sich
Frontex' auf einem Feld, auf dem es schon viele Spieler gibt,
zurechtfinden und gegen die nationalen und behördlichen
Eitelkeiten der anderen durchsetzen muss. Anfangs wurde schon die
Entsendung von Frontex-Beobachtern als Gemeinsame Operation ausgegeben
und die Arbeitsberichte der ersten Jahren sprechen davon, dass
Frontexmitarbeiter auf vielen Kongressen waren, um die Agentur bekannt
zu machen.
2006 hat Frontex insgesamt 15 gemeinsame Operationen
durchgeführt,
die auf die Land-, See- und Luftgrenzen der Mitgliedsstaaten verteilt
waren. Damit blieb Frontex hinter seinem eigenen Plan (16-26
Operationen 2006) zurück. Die bekanntesten Operationen waren
sicherlich die verschiedenen Etappen von Hera (Abschottung der
Kanarischen Inseln) und Nautilus (Abschottung von Malta), die auch bis
2007 fortdauerten, es fanden aber auch Einsätze an Flughäfen
statt (bspw. Amazon), kombinierte Land- und Seegrenzeneinsätze
(bspw. Poseidon) und Kontrollen zu internationalen
Großereignissen (Turin und FIFA2006). Besonders entlang der Ost-
und Südostgrenze der EU ist Frontex vielfache Kooperationen mit
Grenzstaaten auf beiden Seiten eingegangen, und auch die Flughäfen
sind im Fokus von Frontex. Für 2007 hat sich Frontex die
Fortführung und Ausweitung dieser Operationen vorgenommen1.
RABITs, CRATE, Abschiebecharter: der Weg zur Grenzschutzagentur
Schon die ursprüngliche Frontex-Verordnung sah vor, einen
zentralisierten Katalog von Grenzschutzmaterialien bereitzuhalten
(CRATE - Centralised Records of Available Technical Equipment for
control and surveillance of external borders). Diese Materialien sollen
den Mitgliedsstaaten über das ICOnet bereitgestellt werden. Die
Verordnung (EG) 863/2007 des Rates der Europäischen Union vom 11.
Juli 2007 ergänzt die ursprüngliche Frontex-VO um das Element
der so genannten RABITs (Rapid Border Intervention Team), also ein Pool
von Grenzschutzpersonal, die in Krisensituationen eingesetzt werden
können. Mit dieser Verordnung findet eine wichtige Verschiebung
der Ausrichtung von Frontex statt. Denn mit dem Aufbau der RABITs
befindet sich Frontex zum ersten Mal auf dem Weg, eine
eigenständige Grenzschutzbehörde mit eigenen Truppen und
Ausrüstung zu werden, ein Ziel, das schon lange vor der
Einrichtung von Frontex gefordert wurde und das auch der derzeitige
leitende Direktor von Frontex, Ilkka Laitinen, etwa auf der
Herbsttagung des BKA 2006 bekräftigt hat. Noch ist es allerdings
nicht so weit, denn weiterhin liegt die dauernde Verantwortung für
die Sicherung der Grenze bei den Mitgliedsstaaten. RABIT-Personal sowie
CRATE-Material ist auch weiterhin von den Mitgliedsstaaten finanziert
und wird von Frontex lediglich verwaltet und in Situation, in denen
Mitgliedsstaaten die Unterstützung von Frontex anfordern,
eingesetzt. Dennoch bewegt sich Frontex damit von einer Agentur, die
Beobachter zu Einsätzen schickt und dies als gemeinsame Operation
ausgibt hin zur Koordinierung, Planung und Ausführung von gesamten
Einsätzen unter Frontex-Kommando.
Im September 2007 hatte Frontex offiziell 572 Einsatzkräfte
für RABITs verfügbar. Das CRATE umfasste nach eigenen
Aussagen 115 Schiffe, 27 Hubschrauber, 21 Flugzeuge, 3 mobile
Radareinheiten, 23 Fahrzeuge sowie weiteres Material. Dennoch klagte
Ilkka Laitinen im Sommer 2007 angesichts der scheiternden Nautilus II
Mission, dass diese Posten nur auf dem Papier existierten, in Wahrheit
aber gar nicht abgerufen werden könnten. Angesichts des
ausdrücklichen Willens der EU, Frontex zu einer
einsatzfähigen Agentur zu machen, scheint es nur eine Frage der
Zeit bis Frontex den Mitgliedsstaaten ihr Material abringen wird. Die
RABITs sind zur Zeit noch nicht einsetzbar. Im November 2007 fand eine
erste Übung eines RABITs in Porto, Portugal statt.
In dieser Hinsicht mausert sich Frontex rapide zu einer
Grenzschutzagentur, die ihre eigenständige Handlungsfähigkeit
unter Beweis stellen will. Dies mag, neben einem eigenen Ego, auch mit
einer ausstehenden Evaluation Frontex' durch die EU
zusammenhängen, die über die weitere Entwicklung von Frontex
entscheiden wird. Außerdem steht mit dem EU-Programm
Solidarität und Steuerung der Migrationsströme 2007 - 2013
die Realisierung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an, in
dessen Rahmen insgesamt 5.866 Mio Euro verteilt werden. Dass Programm
umfasst Fonds für Flüchtlingsschutz, Integration,
Rückkehr und Schutz der Außengrenzen. Zumindest bei den
letzten beiden Töpfen will Frontex sicherlich mitspielen, auch
wenn das Programm immerhin schon 285,1 Mio Euro für Frontex
vorsieht. Weitere 900 Mio Euro gehen in den Ausbau von
IT-Großsystemen, was in diesem Kontext auf europaweite
Datenbanken wie EuroDAC, SIS II und geplante Visadatenbanken verweisen
kann sowie 62,3 Mio Euro für die Schaffung einer Europäischen
Beobachtungsstelle für Wanderungsbewegungen.
Der Fonds Schutz der Außengrenzen wird über 2.152 Mio
Euro
verfügen und soll eine Verbesserung der Effizienz der Kontrollen
an den Grenzen, Beschleunigung der Einreise autorisierter Personen,
Erreichung einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch
die Mitgliedsstaaten und eine Verbesserung der Effizienz bei der
Visumerteilung und der Durchführung von Vorfeldkontrollen bewirken.
Interessanter ist jedoch der Fonds Rückkehr, der über
759 Mio
Euro verfügen wird. Er soll die Einführung eines integrierten
Rückkehrmanagements, eine Intensivierung der Zusammenarbeit der
Mitgliedstaaten und die Förderung einer effektiven und
einheitlichen Anwendung gemeinsamer Rückkehrnormen bewirken, und
dies sind Felder, auf denen Frontex schon aktiv ist.
Frontex hat im Jahresbericht 2006 angegeben, dass die Agentur an
vier
gemeinsamen Abschiebeoperationen teilgenommen hat und Standards
für gemeinsame Abschiebeflüge erarbeitet. Zudem
unterhält sie zwei Expertengruppen zu diesem Thema. Vorgesehen
ist, eine virtuelle Abschiebeagentur über das ICOnet zu
etablieren, in denen Mitgliedsstaaten quasi Plätze auf
Abschiebeflügen buchen können. Für 2007 hat Frontex
geplant, bis zu sechs gemeinsame Abschiebeflüge zu organisieren
und in ebenso vielen mitzuwirken.
Pilotprojekte, Training, Forschung und Entwicklung: Wie Frontex
die
Grenzschutzpraxis ändert
Neben den bisher skizzierten Felder agiert Frontex auch auf
weiteren
Feldern, die die Praxis des Grenzregimes beeinflußen. Ein
herausragendes Beispiel dafür ist die Einrichtung des so genannten
European Patrols Networks zum Schutz der südlichen Meeresgrenzen
der EU. 2006 hat Frontex die Machbarkeitsstudie MEDSEA
veröffentlicht, die eine Organisations- und Kommunikationsstruktur
für eine gemeinsamen Überwachung der südlichen
Meeresgrenzen vorschlägt. Daraus resultierte das European Patrols
Network, in welchem zuerst sechs Zonen gemeinsamer Patroullienfahrten
im Mittelmeer mit den Grenzschutzbehörden der angrenzenden
Mitgliedsstaaten festgelegt und in einer zweiten Stufe durch Gemeinsame
Operationen von Frontex ergänzt worden sind (Hera, Minerva,
Nautilus, Hermes und Poseidon). Das European Patrols Network ist ein
gutes Beispiel für die vernetzende Tätigkeit Frontex' in zwei
Dimensionen, zum einen zwischen den Mitgliedsstaaten, aber auch
zwischen den verschiedenen Institutionen der Mitgliedsstaaten
(Grenzschutz, Polizei, Geheimdienste, Militär).
In weiteren Studien (Bortec, Borsec, Bsuav und Sobcah)
erforschte
Frontex in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und
Rüstungsunternehmen verschiedene Aspekte des Ausbaus von
Grenzschutzmaßnahmen. Dabei hatte Bortec einen Fokus auf die
Möglichkeiten einer Vernetzung aller nationalen
Uberwachungstechnologien (Radar, Satelliten) zu einer lückenlosen
Überwachung von Meeresgrenzen und ist Teil des EUROSUR (European
Surveillance System). Borsec beschäftigt sich mit
Biogrenzsicherungstechnologien (Biometrie, Identität), Sobcah mit
den Überwachungsmöglichkeiten von Küsten und Häfen
(Radar, Infrarot) und Bsuav mit dem Einsatz von Drohnen.
Im Zusammenspiel mit den RABITs bietet Frontex damit eine
Komplettlösung (integrated border management im Frontexsprech) zum
Grenzschutz. Frontex selber scheint zuversichtlich zu sein, mit dem
Aufbau des European Patrols Networks und den genannten
Überwachungstechnologien die Ankunft von MigrantInnen über
das Mittelmeer und den Atlantik in den nächsten Jahren effektiv
unterbinden zu können und plant, sich nun auf die Landgrenzen im
Osten und Südosten der EU zu konzentrieren, wobei ähnliche
Programme mit Forschung, Gemeinsamen Operationen und
länderübergreifenden Grenzschutzunternehmungen zu erwarten
sind.
Als ebenso wichtig stuft Frontex das Training von
Grenzschutztruppen
ein. Dabei wurde wieder in einem best practice Verfahren ein
sogenanntes Common Core Curriculum geschaffen, das in Zusammenarbeit
mit einem Netzwerk europäischer Grenzschutzpolizeischulen
vermittelt und weiterentwickelt werden soll (European Training Day) und
zu einer Vereinheitlichung europäischer Grenzschutzstandards
führen wird. Ein erster Fokus lag auf der Erkennung von
gefälschten Dokumenten, Standards für
Abschiebemaßnahmen, Erkennung gestohlener Autos, Training
für Hubschrauberpiloten und Sprachkurse. Langfristig will Frontex
eine Europäische Grenzschutzschule einrichten. Aufbauend auf dem
Common Core Curriculum entwickelt Frontex nun das Common Mid-Level
Curriculum. Dabei hat 2007 schon ein erster European Mid-Level Course
in Lübeck an der Bundespolizeiakademie stattgefunden, an dem 60
Border Guards aus 27 Staaten teilgenommen haben. 2008 sollen schon vier
solcher Trainings stattfinden.
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RASSISMUS
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Tacheles 26.2.10
GRA-Glossar
Von "Mauscheln" und "Mischlingen"
Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus hat ein
Glossar
auf ihrer Website aufgeschaltet, in dem Begriffe erklärt werden,
die immer wieder — auch missverständlich — in Journalismus und
Wissenschaft verwendet werden.
Valerie Wendenburg
Die rund 80 Begriffe, die im Glossar auf der Website der
Stiftung
gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) zu finden sind, haben wohl
alle Lesenden schon oft gehört — ihre genaue Herkunft und
Verwendung ist aber vielfach unbekannt, Kurz, prägnant und doch
umfassend werden auf der Site www.gra.ch Worte erklärt, deren
Bedeutung sich zu wissen lohnt — nicht nur im Sinne der eigenen
korrekten und adäquaten Ausdrucksweise, sondern auch im Wissen um
den Kontext und die Geschichte, der manche der betreffenden Wörter
entsprungen sind. So wird beispielsweise gerade in der aktuellen
Debatte der Begriff Islamismus oftmals gebraucht, auch wenn über
die genaue Bedeutung des Wortes teilweise Unklarheit herrscht.
Journalisten, Lehrkräfte, Schüler, Studierende, Politiker und
politisch Interessierte können nun neu im GRA-Glossar Herkunft und
aktuelle Bedeutung von historisch belasteten oder vermeintlich
belasteten Wörtern schnell und einfach abfragen.
Prägnante Informationen
GRA-Geschäftsführer Michael Chiller-Glaus betont
gegenüber tachles: "Das GRA-Glossar soll Journalisten und allen
Interes -sierten als Unterstützung dienen. Es ist wichtig, dass
die betreffenden Begriffe mit Sorgfalt und im richtigen Kontext
verwendet werden." Daniel Suter, ehemals langjähriger Redaktor
beim "Tages-Anzeiger" und mit journalistischem Schreiben daher
vertraut, hat die meisten Beiträge zu den Begriffe in
Zusammenarbeit mit der Historikerin Shelley Berlowitz verfasst. Suter
ist seit einigen Jahren Vorstandsmitglied der Gesellschaft Minderheiten
in der Schweiz - in dieser Funktion wurde er von Ronnie Bernheim, den
Präsident der GRA, angefragt, am Glossar zu arbeiten. Suter
erklärt: "Wir haben im vergangenen November mit der Arbeit
begonnen und seither jeder rund 40 Begriffe beschrieben." Ziel ist es,
keinen Begriff ausführlicher als auf einer Din-A4-Seite zu
erklären, da die Informationen prägnant sein sollen. Daher
werde innerhalb der Erklärungen bewusst auch auf Fussnoten und
meistens auch auf Quellenangaben verzichtet, auch wenn diese den
Autoren selbstverständlich alle vorliegen.
Teilweise ist die Recherche aufwändig — am
Längsten
habe er, so Suter, an der Recherche des Begriffs "gestampfter Jude"
gesessen. Er hat sich sogar an das Schweizerische Idiotikon und an die
Bibliothek des Schweizerischen Verteidigungsdepartements gewandt. Das
Ergebnis der Recherche ist nun online im GRA-Glossar zu lesen:
"Gestampfter Jude" war in der Soldatensprache eine der gängigen
Bezeichnungen für die Fleischkonserven der Schweizer Armee. Der
Begriff kam im Zweiten Weltkrieg auf und war bis in die neunziger Jahre
gebräuchlich. Sein antisemitischer Gehalt wurde meist
übersehen oder verharmlost.
"Semiten" und "mauscheln"
Shelley Berlowitz betont gegenüber tachles, was sie an dem
Auftrag, das GRA-Glossar zu erstellen, besonders reizvoll findet:
"Spannend ist, nicht nur die Herkunft der Begriffe, sondern auch ihre
Verwendung zu erklären.‘> So sei es zum Beispiel wichtig zu
wissen, wie der Begriff Semiten (und somit auch der Begriff
Antisemiten) verwendet werde. So werde in der Öffentlichkeit
teilweise der Einwand laut, Antisemiten würden sich auch gegen
Araber wenden — oder Araber könnten keine Antisemiten sein, weil
sie selber zu den Semiten gehörten. Im GRA-Glossar aber wird aber
erklärt, dass sich die Menschen, die die Wortschöpfung
Antisemitismus und die damit verbundene Ideologie gebrauchten, immer
konkret gegen Juden und Jüdinnen gerichtet haben.
Interessant zu lesen ist unter anderem auch die Herkunft
des
Verbs mauscheln: So war "Mauschel" vom 17. Jahrhundert an der
antijüdische Spottname für einen Juden (abgeleitet vom Namen
Moische). Mauschein bedeutete zuerst abfällig die undeutliche Art,
wie ein "Mauschel" spricht, womit die jiddische Sprache gemeint war.
Daraus entwickelte sich als zweite Bedeutung für mauschein "wie
ein Schacherjude handeln", also betrügen. Dieses unsaubere
Gesci~äft "nach Judenart" nannte man dann Mauschelei. Somit ist
das Wort mauscheln nicht — wie oftmals angenommen — jiddischer
Herkunft, sondern eine Wortprägung der Antisemiten.
Missverständliche Verwendungen
Heikel ist besonders auch die Verwendung des Wortes
"Sonderbehandlung",
von dem — erstaunlicherweise — in Deutschland immer wieder gerne
Gebrauch gemacht wird.
So war im vergangenen Jahr zum Beispiel im "Fokus" der
Titel zu
lesen: "Keine Sonderbehandlung für Opel". Dem verantwortlichen
Journalisten war offenbar nicht ausreichend bewusst, dass
"Sonderbehandlung" ein nationalsozialistischer Tarnbegriff für
Mord war. Der Begriff wurde zunächst von der SS, später auch
von zivilen Behörden verwendet.
Die rund 80 Wörter, die bislang von Suter und
Berlowitz
beschrieben worden sind, werden weiter ergänzt. So haben die
beiden bereits Vorschläge mit weiteren Begriffen aus Judentum und
Islam vorgeschlagen, die sie im März mit Michael Chiller-Glaus
diskutieren. Der GRA-Geschäftsführer weist auch darauf hin,
dass das GRA-Glossar ständig erweitert wird — auf der Liste
stünden unter anderem auch die Begriffe Beschneidung und
Genitalverstümmelung.
Bereits online, aber noch nicht bearbeitet sind Begriffe
wie
Terrorist, Übermensch, Ungeziefer, Mischling, Nazi oder
"auserwähltes Volk". Mitmachen kann jeder, der das Projekt
unterstützen möchte: Auf der Homepage befindet sich ein
Formular, auf dem Kommentare und Vorschläge für weitere
Begriffe eingereicht werden können — mit dem Ziel, das GRA-Glossar
beständig zu erweitern und es zu einem nicht mehr wegzudenkenden
Werkzeug vor allem für Medienschaffende zu machen.
---
http://gra.ch/lang-de/gra-glossar
GRA-Glossar
Bildung
Journalisten, Lehrkräfte, Schüler, Studierende,
Politiker und
politisch Interessierte können mittels des GRA-Glossars Herkunft,
aktuelle Bedeutung und Konnotationen von historisch belasteten oder
vermeintlich belasteten Wörtern schnell und einfach abfragen. Das
GRA-Glossar erörtert auch die Bedeutung von Begriffen wie
"Islamismus", die in der aktuellen Debatte zwar häufig auftauchen,
über deren genaue Bedeutung jedoch oft Unklarheit herrscht. Die
Einträge sind kurz und knapp gehalten und beschränken sich
auf die wesentlichsten Angaben zum jeweiligen Begriff. Die Definitionen
werden von erfahrenen Medienschaffenden, Historikern und in
Zusammenarbeit mit der Universität Basel erstellt.
© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2009
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Begriffsverzeichnis
* Antijudaismus
* Antisemitismus
* Araber
* Arier
* Aschkenase/Aschkenasim
* Asylant
* Auserwähltes Volk
* braun / braune Gesinnung
* Chuzpe
* Endlösung
* Faschismus
* Freimaurer
* Genozid
* Gestampfter Jude
* Gestapo
* Ghetto
* Holocaust
* Imam
* Islamismus
* israelisch
* israelitisch
* Jenische / Fahrende
* Jude / Jüdin
* Judenschule
* Jüdische Schweizer / Schweizer Juden
* Kosmopolit
* KZ / Konzentrationslager
* KZ-Nummer
* Mauscheln
* Mischling
* Misrachim
* Nationalsozialismus
* Nazi
* Neger
* Neofaschist / Neonazi
* Orthodox
* Pastor
* Porajmos / Völkermord an den Sinti und Roma
* Protokolle der Weisen von Zion
* Rampe
* Rasse
* Rassismus
* Rassismus-Strafnorm
* Roma und Sinti
* SA und SS
* Säuberung
* Schtetl
* Selektion / selektieren
* Semiten
* Sepharde / Sephardim
* Shoah
* Sonderbehandlung
* Der Stürmer / Stürmerjude
* Talmudjuden
* Terrorist
* Testament
* Thora
* Überfremdung
* Übermensch
* Ungeziefer
* Vergasung
* Weltjudentum / Jüdische Weltverschwörung
* Volk
* Zigeuner
* Zionismus / Anti-Zionismus / Post-Zionismus
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KLASSENKAMPF
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Süddeutsche Zeitung 26.2.10
Hirn und Haltung
Politisch links stehende Menschen haben etwas höheren
IQ
Welche politische Einstellung Menschen haben, lässt
sich
auch an ihrem Intelligenz-Quotienten ablesen — jedenfalls im
Durchschnitt. In einer amerikanischen Langzeit-Studie mit 15 000
Teilnehmern haben junge Leute, die sich als "sehr konservativ"
bezeichnen, im Schnitt einen IQ von 95-fünf Punkte unter dem
Durchschnitt. Ihre Altersgenossen~,die sich als "sehr liberal" (im
amerikanischen Verständnis des Wortes, also nach hiesigem
Verständnis progressiv) bekennen, kommen auf 106 IQ-Punkte.
Für den Psychologen Satoshi Kanazawa, der an der
London
School of Economics lehrt, passen die Daten ins Bild: Intelligenz
erlaube es den Menschen, sich anders zu verhalten, als es die Evolution
in ihnen angelegt habe, argumentiert er in Social Psychology Quarterly.
Ihre hö-here Geistesleistung gibt ihnen die Freiheit, neue Wege im
sozialen Zusammenleben zu suchen. Sie können wegen ihrer
Intelligenz eher Ressourcen für Menschen aufwenden, die nicht mit
ihnen verwandt sind, und sind eher für staatliche Wohlfahrt, die
höhere Steuern erfordert.
Kanazawas Daten passen gut zu einer britischen
Langzeitstudie:
Unter gut 6000 Menschen, die im April 1970 zur Welt kamen und von
Forschern seither begleitet werden, neigen die intelligenteren eher
dazu, Grüne oder Liberaidemokraten zu wählen als Konservative
oder die Labour Party. Der Psychologe lan Deary von der
Universität Edinburgh hat den Unterschied in einer Studie 2008
beziffert. Die Grünen-Wähler in der Stichprobe hatten als
Kinder einen mittleren IQ von 108, Anhänger der Konservativen 104
und Labour-Unterstützer 1~03.
Nichtwähler und Anhänger einer rechtsextremen
Partei
lagen jeweils unter 100.
"Diese Unterschiede sind nicht groß, aber sie lassen
sich
auch nicht durch Zufälle erklären", sagt Detlef Rost,
Intelligenz-Forscher an der Universität Marburg. "Um progressiv zu
sein, brauchen Menschen kognitive Leistungsfähigkeit.
Wer immer im Bekannten bleibt, muss nicht viel
überlegen."
Ahnlich erklärt der Londoner Forscher Kanazawa die Ergebnisse. Mit
Intelligenz könne sich der Mensch von Traditionen abwenden. Dazu
zählt er auch die historisch neue Idee, nicht an einen Gott zu
glauben. Unter den befragten Amerikanern hatten die "überhaupt
nicht religiösen" einen IQ von 103 und die "sehr religiösen"
einen IQ von 97.
Christopher Schrader
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EVA BRAUN
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Bund 26.2.10
Die Gefährtin des Führers
Von der Lehrerstochter zur einflussreichen Mätresse
Adolf
Hitlers, mit der sich alle gut stellen mussten. Eine spektakuläre
Biografie über Eva Braun räumt auf mit alten Vorurteilen.
Von der Lehrerstochter zur einflussreichen Mätresse
Adolf
Hitlers, mit der sich alle gut stellen mussten. Eine spektakuläre
Biografie über Eva Braun räumt auf mit alten Vorurteilen.
Volker Ulrich
In der Nacht vom 28. auf den 29. April 1945, als das
Regierungsviertel bereits im Dauerhagel russischer Granaten lag, fand
im Führerbunker eine gespenstische Zeremonie statt. Adolf Hitler
heiratete seine 23 Jahre jüngere Geliebte Eva Braun. 40 Stunden
später nahm sich das frisch getraute Paar das Leben. Ihre Leichen
wurden in den Garten der Reichskanzlei geschafft, mit Benzin
übergossen und angezündet. Die verkohlten Überreste
wurden am Abend in einem Bombentrichter vergraben.
In der wissenschaftlichen Literatur über Hitler hat
die
Frau, die durch den gemeinsamen Selbstmord ihren Namen untrennbar mit
dem seinen verband, nur wenig Aufmerksamkeit gefunden. Das
überrascht nicht, denn alle grossen Biografen - von Alan Bullock
über Joachim Fest bis Ian Kershaw - gingen davon aus, dass der
Diktator entweder zu persönlichen Bindungen unfähig gewesen
sei oder dass er überhaupt kein Privatleben besessen habe. Vor
diesem Hintergrund konnte seiner Gefährtin nur eine
Schattenexistenz, bestenfalls die Rolle einer historisch
bedeutungslosen Randfigur zugebilligt werden.
Die Berliner Historikerin Heike Görtemaker hat sich
nun
vorgenommen, dieses Bild zu korrigieren. Ihr Buch über Eva Braun
hat sofort ein ungewöhnlich grosses Medieninteresse auf sich
gezogen. Und dies zu Recht. Es handelt sich um die erste seriöse
Biografie der Frau an Hitlers Seite. Dabei geht es der Autorin nicht
nur darum, zu klären, wer Eva Braun war, sondern über die
Beschäftigung mit ihr auch neue Perspektiven auf Hitler zu
gewinnen.
Erste Begegnung im Fotoatelier
Freilich stand Heike Görtemaker vor einem schwer zu
überwindenden Hindernis. Noch vor seinem Selbstmord liess Hitler
alle privaten Dokumente in den Tresoren seiner Domizile in München
und auf dem Obersalzberg vernichten, darunter vermutlich auch seine
Korrespondenz mit Eva Braun. Um Aufschluss über die Beziehung
zwischen Hitler und seiner Lebensgefährtin zu erlangen, war Heike
Görtemaker auf andere Quellen angewiesen, auf gelegentliche Briefe
Eva Brauns an Freundinnen und Bekannte, vor allem aber auf die Aussagen
und Erinnerungen von Mitgliedern der engeren Umgebung Hitlers. Es ist
ein besonderer Vorzug dieser Biografie, dass jedes Zeugnis
sorgfältig auf seinen Wahrheitsgehalt abgeklopft wird. Und
dennoch: Auch Görtemakers akribische Recherche kann nicht alle
Fragen beantworten.
Das gilt schon für den Anfang der Beziehung.
Vermutlich
begegnete Hitler Eva Braun, Tochter eines Münchner
Berufsschullehrers, zum ersten Mal im Oktober 1929 im Atelier seines
"Leibfotografen" Heinrich Hoffmann - also zu einem Zeitpunkt, als die
NSDAP kurz vor ihrem Durchbruch zur entscheidenden politischen Kraft
stand. Der 40-jährige Junggeselle fand offenbar Gefallen an der
17-jährigen Fotolaborantin und lud sie zum Essen und zu
gemeinsamen Opern- und Kinobesuchen ein.
Eheähnliches Liebesleben
Wann wurde aus dem Flirt eine intime Beziehung? Heike
Görtemaker vertraut den Beobachtungen von Hitlers Münchner
Haushälterin, die nach dem Krieg ausgesagt hat, dass Eva Braun zu
Beginn des Jahres 1932 die Geliebte Hitlers geworden sei. Allerdings
musste sie sich den Platz an der Seite des NS-Führers, der auch
nach der Machtübernahme 1933 zunächst seinen bohemehaften
Lebensstil beibehielt, hart erkämpfen. Zweimal unternahm sie wohl
nicht ganz ernst gemeinte Selbstmordversuche, um Hitler fester an sich
zu binden.
1936 war sie endlich am Ziel: Sie bezog eine von Hoffmann
im
Auftrag Hitlers gekaufte kleine Villa im noblen Münchner Stadtteil
Bogenhausen, und sie gehörte nun zur ständigen Begleitung des
Diktators in seinem Refugium auf dem Obersalzberg. Ihre Position im
inneren Zirkel war damit, wie die Autorin hervorhebt, "praktisch
unangreifbar" geworden. Wer die Gunst Hitlers suchte, musste sich mit
seiner Geliebten gutstellen. Wer es, wie Hitlers Halbschwester Angela
Raubal, wagte, Eva Braun zu kritisieren, der wurde mit der Verbannung
vom Berghof bestraft.
Keine arische Musterfrau
Bewusst hat Heike Görtemaker darauf verzichtet,
Schlüssellochfantasien zu reizen. Was sich womöglich im
Schlafzimmer Hitlers zugetragen hat, darüber verliert sie kein
Wort. Aber sie geht davon aus, dass die beiden ein eheähnliches
Liebesleben führten. Nach aussen freilich musste die Beziehung
geheimgehalten werden. Denn Hitler fürchtete, dass ein
Bekanntwerden seinem Nimbus als "Führer", der sein Privatleben dem
Dienst an der Nation opferte, abträglich sein könne.
Deshalb durfte Eva Braun öffentlich nicht in
Erscheinung
treten. Beim Eintreffen offizieller Besucher auf dem Berghof blieb sie
unsichtbar. Und wenn sie Hitler auf Staatsbesuchen begleitete, reiste
sie stets abseits des offiziellen Gefolges. Die deutsche
Öffentlichkeit erfuhr erst nach Kriegsende von der Existenz der
Hitler-Geliebten.
Aus vielen Bruchstücken setzt Heike Görtemaker
das
Porträt einer Frau zusammen, die so gar nicht dem
nationalsozialistischen Idealbild einer deutschen Frau entsprach. Sie
rauchte, schminkte sich, trug teure Kleider, fotografierte und filmte,
trieb exzessiv Sport und feierte, sobald Hitler den Berghof verlassen
hatte, Champagner-Partys. Vor allem aber war sie nicht das politisch
unbedarfte Blondchen, als das sie immer wieder dargestellt worden ist.
Heike Görtemaker korrigiert das von Albert Speer in
seinen
"Erinnerungen" gezeichnete Bild der Berghof-Gesellschaft, in der
angeblich in Anwesenheit von Frauen über Politik nicht gesprochen
werden durfte. Auch die Frauen im inneren Zirkel, allen voran Eva
Braun, identifizierten sich mit dem antisemitischen
Vernichtungsprogramm Hitlers und seiner aggressiven
"Lebensraum"-Politik.
Ruhig, klug, sachlich
Allerdings: Über die Ermordung der Juden durfte auch
im
allerengsten Kreis niemals offen gesprochen werden. Wieweit Eva Braun
davon wusste, bleibt ungeklärt. Im Zweiten Weltkrieg nahm, wie die
Autorin nachweist, Eva Brauns Bedeutung für Hitler noch zu.
Während sich nach der Niederlage von Stalingrad auch auf dem
Berghof Untergangsstimmungen breitmachten, blieb sie scheinbar
unbeeindruckt. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte im August
1943: "Der Führer hebt demgegenüber auf das Lobendste die
ruhige, kluge und sachliche Art von Eva Braun hervor."
Heike B. Görtemaker: Eva Braun. Leben mit Hitler.
Verlag C.
H. Beck, München 2010. 366 S., mit 40 Abb., ca. 42 Franken.