MEDIENSPIEGEL 4.3.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, Kino)
- Rabe-Info 3.3.10
- Narrenkraut-Anbauschlacht
- Club-Leben-Thun: Nach der Schlägerei
- Müttergruppe Bern: Kollektiv statt Vereinzelung
- Pfeifen gegen Eva Herman
- Zirkuswagen für Randstand Burgdorf?
- Fehlende Haftplätze sorgen für AusschafferInnen-Frust
- Lehrstellen für Sans-Papiers
- Rauchverbot-Regulierungswut
- Offene Kirche: Kunst trotz(t) Armut
- Glossar Rassismus
- Neonazis wüten in Liechtenstein
- Antirep Österreich: Schauprozess gegen TierrechtlerInnen
- Anti-Atom: AKW in Bündner Grenznähe geplant
- Mani Porno for Stadtpresident!
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REITSCHULE
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Do 04.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche:
dampfzentrale, Text: Grazia Pergoletti "Dessert"
20.30 Uhr - Tojo - "Im Gange" von 7Elles. Choreografie:
Michael Schulz.
20.30 Uhr - Kino - DOK am Donnerstag: Space Tourists,
Christian Frei, CH 2009
21.00 Uhr - Rössli-Bar - Side Road Tour: Factor,
Kay the Aquanaut Def 3 (Canada) und Zoën (Frankreich). Style:
Alternative Hip-Hop
Fr 05.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche:
dampfzentrale, Text: Grazia Pergoletti "Dessert"
20.30 Uhr - Tojo - "Im Gange" von 7Elles. Choreografie:
Michael Schulz.
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde: Por
Amor, Isabelle Stüssi, CH 2009
21.00 Uhr - Rössli-Bar - Tsigan (BE), Remy Rem
(2.Liga, Labellobby), Arte Brà und DJ Kermit (Boys on Pills),
Mr. Thrillin (Cratekemistry Soundsystems). Style: Berner Hip-Hop
22.00 Uhr - Frauenraum - POPSHOP: DJ Photoeffekt
(DiscoPopElektro) und DJ Lady Kane (DiscoFunk80iesPopElectro). Women
only!
Sa 06.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche:
dampfzentrale, Text: Grazia Pergoletti "Dessert"
20.30 Uhr - Tojo - "Im Gange" von 7Elles. Choreografie:
Michael Schulz.
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde:
Wanakam, Thomas Isler, CH 2005
22.00 Uhr - Dachstock - 10 Years USP: Black Hole:
Kindzadza (OSOM Music/RUS). Kasatka (active meditation/DE), Tallkirsch
(kadesha), Tsunamix (mythos productions), Zenkatsu (USP), Milosz (USP),
Stardust (USP), Bassgabe (USP), Ruff (USP), Dusky (USP), Score (plan
b), Tex (plan b). Style: Darkpsy, Full Power Trance
So 07.03.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im
SousLePont bis 16.00 Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi: Heidi Luigi
Comencini, Schweiz 1952
19.00 Uhr - Tojo - "Im Gange" von 7Elles. Choreografie:
Michael Schulz.
Infos: http://www.reitschule.ch
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kulturagenda.be 4.3.10
Daniel Kahn macht im Rössli Ringelreihen
Die Geschichte in kurz: Der Detroiter Akkordeonist Daniel Kahn spielt
von der Jazz- Lounge-Lizard bis zur Punkparade alles, bevor er seine
Bestimmung findet. Es ist eine schwindelerregende Mischung aus Klezmer,
Folklore aus dem wilden Osten Europas, Cabaret-Chanson und scharf
gebratener Gitarre, aufregend harmonisch abgeschmeckt!
Rössli in der Reitschule, Bern. Mi., 10.3., 20 Uhr
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kulturagenda.be 4.3.10
"Por Amor" von Isabelle Stüssi im Kino in der Reitschule
Im Dokumentarfilm "Por Amor" porträtiert Isabelle Stüssi drei
binationale Paare: Drei Frauen haben einen Schweizer Mann geheiratet
und dafür ihre Heimat verlassen, darunter Däng aus Thailand
(Bild). Der Film thematisiert die Probleme und Klischees, ist aber auch
eine Liebeserklärung an die Liebe selbst. Die Regisseurin ist bei
der Vorführung anwesend.
Weitere Filme zum Thema Migration zeigt das Kino in der Reitschule bis
Ende März.
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RABE-INFO
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Mi. 3.März 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._Maerz_2010.mp3
- Sondersession im Nationalrat1:
wichtiger Entscheid über die Zukunft jugendlicher Sans-Papiers
- Sondersession zum Zweiten: kaum Chance auf Asyl für Homosexuelle
- Kolumbianischer Rap: Los Renacientes mit politischen Botschaften
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NARRENKRAUT
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20 Minuten 4.3.10
Berner Kiffer züchten ihr Gras am liebsten selbst
BERN. Im Kanton Bern spriesst das Gras: Immer mehr
Cannabis-Freunde pflanzen im grossen Stil an. Allein im Februar deckte
die Kapo zwölf Indoor-Anlagen auf.
Über 8500 Hanfpflanzen aus zwölf Indoor-Anlagen hat die
Kantonspolizei Bern im Monat Februar im Kanton sichergestellt. Grosse
Fische gingen in Steffisburg mit 2000, in Biel mit 1500 und in Ipsach
mit 3700 Pflanzen ins Netz. In anderen Fällen handelte es sich um
kleine Plantagen zum Eigenkonsum, die etwa in einem Einbauschrank
untergebracht waren.
Szenekenner nennen den Fahndungserfolg der Kapo "einen Klacks".
André Fürst von Hanf-info.ch: "In der Schweiz gibt es fast
eine Viertelmillion Indoor-Anlagen - und höchstens fünf
Prozent werden entdeckt." Der Boom der Pflanzungen in Kellern und
Estrichen sei auf die steigende Repression zurückzuführen.
"Die Polizei macht schon mit Helikoptern Jagd auf Outdoor-Felder. Darum
hat sich der Anbau nach drinnen verlagert."
Das spürt man auch im Grow-Center Fourtwenty in Bern, wo auf
200 Quadratmetern Grow-Zubehör wie Wärmelampen, Erntehilfen
und Ähnliches verkauft wird: "Wir haben mehr Kunden als
früher", so Inhaber Michael Mosimann. "Gras auf der Gasse ist auch
in Bern immer häufiger mit gesundheitsschädigenden Stoffen
wie etwa Bleiverbindungen gestreckt - darum setzen viele auf
Eigenanbau."
Nina Jecker
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Bund 4.3.10
Polizei hebt zwölf Hanf-Anlagen aus
(pkb)
Allein im Februar hat die Polizei im Kanton Bern zwölf
Hanf-Indooranlagen entdeckt. Wie sie gestern mitteilte, hat sie
insgesamt über 8500 Pflanzen sowie die Betriebsstrukturen
sichergestellt und teilweise bereits vernichtet, wie es in der
Mitteilung heisst.
Gestützt auf umfangreiche Ermittlungen, auf Hinweise aus der
Bevölkerung oder gar nach einem Einbruchversuch stiess die Polizei
auf die Anlagen. Bei ihnen handelt es sich grösstenteils um
professionelle Installationen. Die meisten Hanf-Anlagen befanden sich
in Keller- oder Estrichräumen mit gut getarnten Zugängen. Die
grössten Anlagen, die jeweils mehrere Räume umfassten, wurden
in Kellerräumen in Ipsach (gegen 3700 Pflanzen), in einem
Industriegebäude in Steffisburg (rund 2000 Pflanzen) sowie in
einem Club in Biel (gegen 1500 Pflanzen) entdeckt. Bei den anderen
Anlagen handelt es sich um kleine oder kleinste Vorrichtungen, die
beispielsweise in einem Einbauschrank untergebracht waren.
Zwischen Polizei und Hanfpflanzern hat sich in letzter Zeit ein
Katz-und-Maus-Spiel entwickelt (siehe "Bund" vom 13. Februar). In den
Jahren 2008 und 2009 hat die Kantonspolizei Bern gemäss eigenen
Angaben insgesamt 140 Hanf-Indooranlagen ausgehoben. In diesem Jahr
sind es bereits 17.
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Langenthaler Tagblatt 4.3.10
Hanfanbau im Wohnzimmerschrank
Indooranlagen Kantonspolizei stellt in den ersten zwei Monaten
dieses Jahres 17 Anlagen sicher
Ein Dutzend Hanf-Indooranlagen mit über 8500 Pflanzen
stellte die Kantonspolizei alleine im vergangenen Februar sicher. Die
Betreiber von weiteren fünf Anlagen waren ihr im Januar ins Netz
gegangen.
Im Vergleich mit den 140 Hanf- Indooranlagen, die zusammen in den
beiden Vorjahren ausgehoben wurden, entspricht das in diesem Jahr einer
Steigerung von fast 50Prozent. Laut Ursula Stauffer fanden aber keine
besonderen Hanf-Polizeiaktionen statt. Polizeiliche Ermittlungen,
Kommissar Zufall und Meldungen aus der Bevölkerung, haben
gemäss der Sprecherin der Kantonspolizei zum Resultat
geführt. Stauffer nennt zwei "Zufall"-Beispiele: "In einem Fall
wurde der Polizei ein Einbruch gemeldet, in einem anderen führte
ein Alarm wegen Rauchentwicklung zum Hanffund." Zugelangt habe die
Polizei auch nach Meldungen aus der Bevölkerung wegen
Geruchsimmissionen oder regem Publikumsverkehr.
Oberaargau nicht betroffen
Im Februar wurden die grössten Anlagen in einem
Industriegebäude in Steffisburg (rund 2000 Pflanzen), in
Kellerräumen in Ipsach (3700 Pflanzen) sowie in einem Klub in Biel
(1500 Pflanzen) gefunden. "Aus dem Oberaargau war keine Anlage dabei",
so Stauffer. Bei den anderen Hanfpflanzungen handelte es sich laut
Mitteilung der Kantonspolizei und der zuständigen
Untersuchungsrichterämter um kleine oder Kleinstanlagen, die
manchmal nur wenige Quadratmeter umfassten. So sei eine Anlage in der
Wohnung in einem Einbauschrank untergebracht gewesen.
Die Blüten der Hanfpflanzen seien für den illegalen
Drogenmarkt, für den Eigenkonsum oder als Geschenk im
Bekanntenkreis bestimmt gewesen. Die meisten Pflanzen seien nach
Zustimmung der Betroffenen unverzüglich vernichtet worden. Wer hat
die Anlagen betrieben? "Es sind Leute aus allen Kreisen und Schichten",
sagt Stauffer. Sie seien alle verzeigt worden. Das Strafmass sei Sache
des Richters.
André Fürst, der Gründer von Hanf-Info,
relativiert die Erfolge der Polizei. "Wir schätzen, dass in der
Schweiz etwa 2500 Indooranlagen laufen." Mit der verschärften
Repression in den vergangenen Jahren hätten die Behörden
nämlich genau das Gegenteil des Angestrebten erreicht. Fürst
plädiert für die Legalisierung des Eigenkonsums und -anbaus.
"Man sollte den Leuten ein paar Hanfpflanzen für den Eigenkonsum
lassen. Dann gäbe es keinen Markt mehr für Dealer und den
‹gruusigen› Indoorhanf." Dessen Blüten wiesen einen doppelt so
hohen THC-Gehalt auf wie Outdoor-Cannabis. In der Schweiz werde
jährlich für eine Milliarde Franken Hanf verkauft. "Das ist
eine Tatsache." (uz)
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CLUB-LEBEN
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Thuner Tagblatt 4.3.10
Nach der Blutigen Schlägerei im "Mokka"
SVP will Schläger ausschaffen
Die Untersuchungen nach der Schlägerei vom Samstag im
"Mokka" sind umfangreich. Derweil fordert die SVP konkrete Massnahmen.
Noch immer konnte der Mann, welcher am frühen Samstagmorgen
im "Mokka" aufs Schwerste verprügelt wurde, nicht befragt werden
(vgl. Ausgaben vom Montag und Dienstag). Das sagte Polizeisprecherin
Ursula Stauffer gestern gegenüber dieser Zeitung. Mit konkreten
Untersuchungsergebnissen sei allerdings erst in den nächsten Tagen
oder Wochen zu rechnen. "Wir können erst informieren, wenn wir ein
umfassendes Bild der Ereignisse haben", sagte Stauffer. Am frühen
Samstagmorgen waren in der Disco des Café Mokka vier Afrikaner
übel verprügelt worden. Die Polizei hat darauf vier weitere
Ausländer in Untersuchungshaft genommen - wo sie derzeit immer
noch sitzen. "Mokka"-Betreiber Pädu Anliker sprach in der Folge
von einem gezielten "Überfall von serbischen Faschos" auf das
Lokal respektive die Afrikaner, die sich in der Disco vergnügt
hatten. Gleichzeitig betont er, dass es in der Geschichte des "Mokka"
nur sehr wenige gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe:
"Wir sind kein Hort der Gewalt!" Anliker ist überzeugt: "Diese
Schlägertypen waren Profis, sie sind zum Teil über 30 Jahre
alt, Familienväter. Die haben nur wenige Minuten in unserem Lokal
verbracht mit dem Ziel, Angst und Schrecken zu verbreiten."
Schliessung kein Thema
Trotzdem bleibt das Lokal offen: "Auch wenn es eine leidige Sache
ist: Wir müssen weitermachen", sagt Pädu Anliker. Als
Reaktion auf die Schlägerei werde die Kasse künftig bis
Ladenschluss geöffnet bleiben. "Damit keiner unkontrolliert
reinkommt." Und Wodkashots werden aus dem Getränkesortiment
gestrichen. "Diese aggressive Kampftrinkerei fördert alles andere
als eine friedliche Stimmung", sagt der "Mokka"-Betreiber.
Daniel Landis, Leiter der Fachstelle Kinder und Jugend im
städtischen Amt für Bildung und Sport, zuständig
für das "Mokka", sagt, dass derzeit Gespräche laufen, welche
Massnahmen solche Vorfälle künftig verhindern sollen. "Wir
stehen in einem laufenden Dialog", betont Landis, sagt aber auch: "Wir
müssen auch die Ergebnisse der polizeilichen Untersuchungen
abwarten, bis wir Entscheide fällen können." Diskutiert
würden neben einem Sicherheitsdienst auch andere Massnahmen, mit
denen kontrolliert werden könnte, wer wann ins Lokal kommt - oder
eben nicht. Kein Thema ist für Landis eine Schliessung: "Zum einen
bestehen gerade bei den Konzerten Verträge, die eingehalten
müssen. Zum anderen würden wir so die Leute ausschliessen -
anstatt das Haus für sie offen zu halten, um mit ihnen zu
arbeiten."
SVP fordert Ausschaffung
Ihren eigenen Lösungsansatz präsentiert die Thuner SVP:
Heute Abend will die SVP-Fraktion an der Stadtratssitzung einen
Vorstoss einreichen. Sie fordert "die zuständigen Organe auf, alle
zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, damit
ausländische Gewalttäter ausgeschafft werden, bevor sie
wiederholt brutal Leute spitalreif schlagen". Christoph Peter,
Präsident der SVP-Fraktion im Stadtparlament, wird auf der Website
der Partei wie folgt zitiert: "Wir haben kein Interesse daran, alle
Ausländerinnen und Ausländer in die Ecke der
Kriminalität zu stellen." Aber: Seine Partei wolle "konsequent
gegen die kleine Minderheit von ausländischen Verbrechern
vorgehen, nicht zuletzt zum Schutz derer, welche sich an das geltende
Recht halten". Die Volkspartei gibt sich in ihrer Mitteilung
überzeugt: "Die Mittel wären da: Polizei und Gemeinderat
können mittels Anträgen an die Fremdenpolizei beeinflussen,
dass gewalttätigen Ausländern die fremdenpolizeiliche
Bewilligung für den Aufenthalt in der Schweiz nicht erneuert oder
entzogen wird und sie demnach ausgeschafft werden."
Marco Zysset
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MÜTTERGRUPPE BERN
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WoZ 4.3.10
Müttergruppe Bern - Sie wollten Kinder, Beruf und kollektives
Leben verbinden: In Bern haben vor zwanzig Jahren neun Mütter ihre
Kinder gemeinsam erzogen. Wie geht es den Frauen heute? Und was denken
die Kinder von damals?
"Die Wahlfamilie verhebt"
Von Bettina Dyttrich (Text) und Annette Boutellier (Fotos)
Viele reden irgendwann davon, wenn sie Kinder planen: Es sollte
doch möglich sein, sich gemeinsam mit anderen Eltern zu
organisieren. Sich das Hüten zu teilen, das Kochen, die Ferien.
Das gäbe den Kindern mehr Bezugspersonen, den Eltern mehr Freiheit
und weniger Abhängigkeit von Grosseltern und dem Staat. Aber dann
bekommen die einen ihre Kinder erst zehn Jahre nach den anderen, mit
dem Job ist es kompliziert, und wer findet heute schon im gleichen
Quartier mehrere Wohnungen?
In Bern haben es neun Frauen trotzdem geschafft, gegen alle
Widerstände. Sie sind heute zwischen 45 und 60. Die Kinder gehen
längst eigene Wege. Sieben der Mütter treffen sich immer noch
viermal im Jahr.
Katrin ist 52 und arbeitet als Psychologin in Bern: "Wir wollten
alles: Kinder, gute Arbeit und politisch aktiv bleiben. Abstriche waren
die logische Konsequenz. Aber es war wichtig, dass wir unsere
Ansprüche nicht von vornher ein beschnitten." Katrins Tochter
Laura ist heute 26 Jahre alt.
"Wir wollen alles" - das war auch ein Slogan der
Achtzigerbewegung, manchmal ergänzt mit einem zackigen "und zwar
subito". Während in Zürich die Bewegung nach dem Abriss des
Autonomen Jugendzentrums (AJZ) 1982 abflaute, dauerten die wilden
Zeiten in Bern fast das ganze Jahrzehnt an. Die Reitschule wurde
besetzt, geräumt und wieder besetzt, die NomadInnen vom "Freien
Land Zaffaraya" zogen herum auf der Suche nach einer Bleibe, die
Kulturzentren Dampfzentrale und Gaskessel entstanden. Viele Frauen
begannen sich bald separat zu organisieren und besetzten 1984 ein Haus
im Mattehofquartier.
Katrin: "Ich erinnere mich, dass ich mit anderen Frauen in der
Reitschule sass, es muss 1982 gewesen sein. Wir redeten über
Kinder und waren uns einig: Alleine Kinder aufziehen, das kann es doch
nicht sein. Wir wollen das zusammen machen. Kurz darauf waren
plötzlich fünf Frauen schwanger. Ohne dass sie es geplant
hatten. Ich dachte, shit, jetzt muss ich mich beeilen. Ein halbes Jahr
später war ich dann selber schwanger, ungeplant, wieder zusammen
mit fünf anderen."
Während für die einen, die alles wollten, Kinder
selbstverständlich dazugehörten, verstanden andere Frauen
Kinderlosigkeit als Widerstand gegen das Patriarchat. "Sprengstoff
statt Sirup" war der Titel eines Artikels im Szeneblatt "Provinz":
"Statt auf gemeinsamen Forderungen zu beharren, benutzt ihr eure
Mutteridentität, um aus allem ein Privatproblem zu machen",
schrieb eine erboste Frau. "Mutter und Kind sind ein Symbol für
Leben und Kontinuität. Wir aber haben vor Jahren dem Staat den
Krieg erklärt, ich bin nicht bereit, den Fight zu verschieben."
Eine Mutter antwortete: "Wir wollen immer noch alles, und wir wollen
auch Kinder haben können, ohne dass unsere Energie vor allem in
persönlichen Fights draufgeht. Woher nimmst du die Arroganz, zu
behaupten, dass einzig deine Art zu leben die richtige ist?"
Katrin: "Ich entschied mich für das Kind, aber am Anfang
hatte ich grosse Mühe mit dieser Entscheidung. Manchmal bereute
ich sie sogar. Mein Freund war ebenfalls ziemlich überfordert.
Nach eineinhalb Jahren aber, als wir uns trennten, übernahm er die
Hälfte der Verantwortung, und wir teilten uns die Sorge um Laura.
Ich trennte mein Leben als Frau und als Mutter sehr klar. Ich
fragte mich: Wie viel Zeit brauche ich für mich, wie viel brauche
ich als Mutter, und wie viel braucht meine Tochter von mir? Für
mich ging das lange nicht auf, ich fühlte mich eingeschränkt.
‹Ich bin die schlechteste Mutter in der Gruppe›, sagte ich immer."
Schon 1982 hatten sich nach einem grossen Frauentreffen in Bern
Gruppen gebildet, die gemeinsam Kinder hüteten, eine alternative
Kinderkrippe auf die Beine stellten und sich für Alleinerziehende
starkmachten. Im Herbst 1987 schlossen sich dann neun Mütter enger
zusammen, um den Alltag gemeinsam zu organisieren. Ihre zehn
Kinder waren fast alle 1982 und 1983 geboren und kannten sich schon.
Noch fehlten die Wohnungen. Doch die Frauen waren hartnäckig:
Einen Monat lang zogen sie jeden Tag mit Kind und Kegel auf die
städtische Liegenschaftsverwal tung - bis alle eine
Wohnmöglichkeit in der Lorraine oder in der unmittelbaren Umgebung
bekamen. Die einen lebten allein mit ihrem Kind, die anderen in kleinen
und grossen Wohngemeinschaften.
Katrin: "Ganz langsam machte ich Schritte auf Laura zu. Als sie
zehn war, zog ich ein Jahr nach Berlin, um zu studieren. Laura wohnte
währenddessen bei ihrem Vater. Manchmal dachte ich, ich würde
am liebsten in Berlin bleiben. Aber ich merkte auch, ich wäre
nicht frei. Ich kam zurück, und danach stimmte es für mich."
Heidi ist 57, die Älteste der Gruppe und Mutter von Julia.
Sie führt in Bern eine naturheilkundliche Praxis: "Ich wollte ein
Kind, weil ich die ganze Vielfalt des Frauseins erleben wollte. Ich
wollte auf nichts verzichten. Und ich wusste: Da gibts ein paar Frauen,
die schwanger sind und sich trotzdem nicht aus allem ausgeklinkt haben.
Ich fühlte mich getragen. Was bei mir besonders ist: Als Julia
eins war, habe ich gewechselt zu Frauenbeziehungen. Eine lesbische
Mutter?! Das war damals noch skandalös.
Eine klassische Mutter hat die ersten drei oder vier Jahre lang
kaum Platz für etwas anderes. Das wollte ich nicht. Es war mir ein
Riesenanliegen, mich nicht im Muttersein zu verlieren. Mit der Arbeit
auf der Familienplanungsstelle fand ich eine gute Verbindung zwischen
dem Beruflichen und dem Privaten. Ich hatte vorher schon mitgeholfen
beim Aufbau des Frauengesundheitszentrums. Für mich war das alles
eng verwoben: Sexualität, Verhütung, Homosexualität,
Muttersein und Beruf. Davon konnte ich extrem profitieren. Private
Auseinandersetzungen waren für mich Weiterbildung und umgekehrt."
Heidi: Ich war viel mehr die Gluggere als du.
Katrin: Du warst viel mehr im Reinen mit dir.
Heidi: Ich weiss nicht, ob man das so sagen kann.
Katrin: Ich wollte Laura ja behalten, von Anfang an. Aber es fiel
mir schwer.
Heidi: Vielleicht ging es bei mir besser, weil ich nicht allein
mit Julia wohnte.
Katrin: Aber ich lebte ja auch mit Jeanne.
Heidi: Stimmt.
Jeanne, die Mutter von Tinu, ist 50 und Lehrerin für Wen-do,
Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen: "Ich habe mich als
freie Mutter empfunden - ich musste kaum auf etwas verzichten. Das hat
auch viel damit zu tun, dass ich einen extrem zuverlässigen
Kindsvater hatte. Wir sind immer noch befreundet. Wir gaben uns sehr
Mühe, unsere Lämpen nicht vor Tinu auszutragen. Damit er
nicht glaubt, er müsse für mich oder ihn Position ergreifen.
Tinu war nicht geplant, aber sehr willkommen. Ich lebte mit einem
schwulen Kollegen zusammen, dem besten Freund meines Partners. Er wurde
dann der Götti und meine beste Freundin die Gotte. Ich habe nie
mit dem Kindsvater zusammengewohnt.
Bald nach Tinus Geburt trennten wir uns. Wir hatten den Druck
nicht, ein Paar bleiben zu müssen, weil wir genug vernetzt waren.
Meine Familie fand es skandalös, dass ich nicht heiratete. Es
hiess, warte nur, der lässt dich sowieso sitzen. Und dann war
ausgerechnet er so ein zuverlässiger Vater.
Mir war wichtig, dass Tinu nicht nur ein 08/15-Männerbild
kennenlernt, dass er sich frei entwickeln darf. So hatte er als Kind
lange Haare, und als er sich Lackschuhe wünschte, bekam er sie
auch. Da kam allerdings sofort der Vorwurf aus der Szene, ich versuche,
ihn zu einem Mädchen zu machen. Dabei war das gar nicht so. Aber
natürlich hatte ich trotzdem ein schlechtes Gewissen. In der
Müttergruppe konnten wir uns immer gegenseitig beruhigen, wenn so
etwas vorkam.
Ich hätte wahrscheinlich mehr Angst um mein Kind gehabt,
wenn ich eine Tochter gehabt hätte. Weil ich beruflich mit
sexueller Gewalt zu tun habe, weiss ich, dass Übergriffe in den
besten Familien vorkommen. Natürlich kann es auch Buben treffen.
Es war mir sehr wichtig, aufmerksam zu sein und die Grenzen von Tinu
ernst zu nehmen."
Zwei Väter lebten im Ausland, die anderen beteiligten sich
an der Erziehung. Einzelne hätten sie etwas unter Druck setzen
müssen, erinnern sich die Frauen heute. Doch dann organisierten
sich auch die Väter, begannen gemeinsam mit den Kindern in die
Ferien zu gehen, teilten sich Hüten und Kochen.
Alle drei Wochen trafen sich die Mütter und besprachen
alles, was sie beschäftigte. Der Schutz der Kinder vor
Übergriffen, Sexualaufklärung und Schulprobleme waren genauso
Thema wie eigene berufliche Pläne und Liebesbeziehungen,
geschlechtergerechte Sprache, Umweltverschmutzung oder der 8.
März. Das Sackgeld legten sie für alle Kinder gleich hoch
fest. Und Barbiepuppen in den Kinderzimmern liessen sich schliesslich
nicht verhindern - obwohl sich Heidi lange dagegen wehrte.
Heidi: "In der Müttergruppe konnten wir unseren Krisen und
Problemen begegnen. Für mich waren die Diskussionen über
Nähe und Distanz zu den Kindern sehr wichtig. Dank der Gruppe
lernte ich, mich zurückzunehmen, als Julia in die Pubertät
kam. In diesem Alter, das weiss ich heute auch, magst du eine Gluggere
nicht ertragen.
Natürlich gab es Gruppen innerhalb der Gruppe. Jene Frauen,
die zusammenwohnten, hatten engere Beziehungen. Manche fanden wir
sympathischer, zu anderen waren wir etwas distanzierter. Und wir
gerieten uns auch in die Haare. Aber grundsätzlich waren wir
einander sehr wohlgesinnt. Wenn es einer schlecht ging, war das immer
das Thema Nummer eins. Diese Solidarität war entscheidend.
Solidarisch sein führt auf einen heilenden Weg."
Jeanne: "Lange teilte ich mit Katrin und den Kindern zwei Zimmer.
Irgendwann lebten wir uns auseinander. Ich brauchte mehr
Privatsphäre, wollte nicht mehr bis zur Unterhose alles teilen.
Ich halte das für eine normale Entwicklung. Aber wir blieben in
der Gruppe.
Ich bin sicher, wenn es heute einer von uns schlecht ginge,
wären alle da, um zu helfen. Die Wahlfamilie ‹verhebt›. Ich
glaube, entscheidend war, dass uns viel mehr verbunden hat als das
Muttersein. Das genügt nämlich nicht. Uns allen war die
feministische Bewegung wichtig, wir wollten etwas Gemeinsames
erreichen. Wir haben so viel zusammen erlebt - das verbindet. Ich
empfinde eine grosse Dankbarkeit dafür."
Tinu, Julia und Laura sitzen in der Küche von Tinus Berner
WG. Lauras zweijähriger Sohn Nia zeichnet mit Ölkreiden Autos
in ein Heft. Julia, 27, ist vor kurzem nach Zürich gezogen. Sie
arbeitet als Kostümbildnerin in der Filmbranche. Tinu, 26, wird im
Sommer sein Geschichtsstudium mit einem Bachelor abschliessen. Er
möchte arbeiten und reisen. Laura ist gleich alt wie Tinu und hat
als Kind mit ihm zusammengewohnt. Seit einiger Zeit lebt sie in Basel,
wo sie einen Bachelor als Vermittlerin von Kunst und Design gemacht
hat. Sie sucht einen Job und möchte später, wenn Nia zur
Schule geht, weiterstudieren.
Julia: Wie unüblich unsere Kindheit war, wurde mir
eigentlich erst bewusst, als ich in der fünften Klasse die Schule
wechseln musste.
Laura: Im Lorraineschulhaus waren wir ja fast in der
Überzahl. Wir hatten eine wahnsinnige Präsenz. Und wir
hielten zusammen. Für andere Kinder muss es strub gewesen sein,
wie wir einfuhren. Und für die Lehrer! Wenn jemand etwas sagte,
was uns nicht passte, gingen wir zu zehnt protestieren.
Julia: Wir setzten uns sehr fürein ander ein. Wenn andere
Kinder zum Beispiel Witze machten über Mariamas Hautfarbe, weil
ihr Vater Afrikaner ist.
Laura: Wir hatten eine Lehrerin, die noch ganz alte Schule war.
Sie benützte konsequent nur die männliche Form, obwohl in der
Klasse fast nur Mädchen waren. Da hatten wir als Neunjährige
Riesendiskussionen.
Tinu: Und wir gingen demonstrieren gegen die F/A-18.
Laura: Ich erinnere mich, wir waren auch einmal im Rathaus, und
unsere Eltern wiesen uns an, wann wir schreien sollten. Wir waren ihre
Sprachröhrli.
Julia: Sie haben Kinder produziert und in die Welt rausgeschickt,
um ihre Botschaft zu verbreiten.
Laura: Und immer trugen wir diese "Stop F/A-18"-T-Shirts, sie
reichten uns bis zu den Knien ...
Tinu: Mutter und Vater, das waren total unterschiedliche Welten
für mich. Etwa ab der sechsten Klasse habe ich das stark
wahrgenommen. Meine Mutter hatte viel Besuch, es ging manchmal laut zu
und her. Bei meinem Vater war es ruhig und geordnet, spartanisch
eingerichtet. Wenige Gäste. Ich verstand nie, dass die beiden
überhaupt etwas miteinander anfangen konnten. Meine Eltern
versuchten eine offene Beziehung zu führen, was natürlich
nicht funktioniert hat ...
Julia und Laura: "Natürlich?!"
Tinu: ... Ich glaube schon, dass sie sich geliebt haben, aber
später, als sie es nochmals ausprobieren wollten, stimmte der
Zeitpunkt nicht mehr.
Julia: Aber weisst du, ich glaube, es war für unsere Eltern
eine harte Arbeit, ein gutes Verhältnis zueinander
aufrechtzuerhalten. Und sogar zusammen mit dem Kind in die Ferien zu
gehen. Das haben wir mehrmals gemacht.
Laura: Wir verbrachten nur einmal, als ich zwanzig war, ein
Wochenende zu dritt in Frankreich. Das war sehr komisch. Ich fand es
ungewohnt, nur schon zu dritt im gleichen Zimmer zu schlafen, wie eine
"richtige Familie". Dort merkte ich: Ich bin so froh, dass meine Eltern
nicht zusammen sind. Es sind für mich zwei Welten, und das ist gut
so.
Laura: Ich erlebte diese Form aufzuwachsen als extrem positiv.
Julia: Ich fand es auch super.
Laura: In der Pubertät knüpften wir dann mehr
Freundschaften nach aussen.
Julia: Wir hatten das Bedürfnis, zu sehen, was es sonst noch
gibt, und etwas Eigenes zu haben.
Tinu: Wir mussten erst erwachsen werden, um zu realisieren, wie
viel uns verbindet.
Julia: Es liegt extrem viel drin. Wenn jemand von uns etwas ganz
anders macht, als ich es machen würde, ist das kein Grund, sich
nicht mehr zu mögen.
Tinu: Und egal, wie oft man sich trifft: Wir sind sofort vertraut.
Julia: Ja, es fängt nie bei null an.
Julia: Ich fühlte mich nie benachteiligt als Frau.
Tinu: Ich glaube nicht, dass heute der Kampf auf der Strasse
notwendig ist. Wenn schon, dann eher auf Gesetzesebene.
Laura: Wir sind die Generation nach der Jugendbewegung. Wir haben
das Gefühl, wir müssten nicht mehr kämpfen. Dabei
gäbe es eigentlich noch viel zu tun.
Julia: Es wäre gelogen, zu sagen, ich sei politisch aktiv.
Tinu: Ich war schon seit Jahr und Tag an keiner Demo mehr.
Julia: Ich schon.
Tinu: Gewisse Positionen waren klar gegeben. Es wurde
beispielsweise von mir erwartet, dass ich nicht ins Militär gehen
würde. Aber wir sind nicht alle so links, wie wir vielleicht
glauben.
Laura: Ich habe kürzlich mit Tinu über Unipolitik
diskutiert, und da hatten wir sehr unterschiedliche Meinungen. Es
wäre auch irgendetwas schiefgegangen, wenn alle zehn gleich
wären!
Julia: Als kürzlich in Zürich das "Reclaim the Streets"
stattfand, kam ich mit einem Bekannten in der Nähe vorbei.
Er meinte, wir sollten lieber nicht da durchgehen. Für mich war
das überhaupt nicht bedrohlich, sondern vertraut. Demos waren
etwas völlig Normales für uns.
Laura: Auch was Politik angeht, sind wir untereinander sehr
tolerant. Ausser jemand würde extrem fremdenfeindlich oder so ...
aber auch dann würden wir nicht einfach den Kontakt abbrechen,
sondern uns bemühen, das zu ändern.
Julia: Ja. Oder wenn jemand zum Beispiel heroinsüchtig
wäre, würden wir wieder ganz stark füreinander schauen.
Tinu: Das hoffe ich. Zum Glück war es nie nötig.
Nia liebt Feuerwehrautos, Lastwagen und Baumaschinen. Als er im
Hinterhof von Tinus WG einen Bagger entdeckt, gibt es kein Halten mehr.
Laura: "Nias erstes Wort war ‹Au to› - obwohl wir versuchen,
gerade nicht geschlechterspezifisch zu erziehen. Und ein Auto nimmt er
auch ins Bett mit, nicht etwa ein Nuscheli oder ein Stofftier.
Eigentlich würde ich gern ähnlich leben, wie ich
aufgewachsen bin. Ich versuche es auch, aber unsere Generation ist
leider etwas schlapp, was das gemeinsame Organisieren angeht. Alle
reden vom Kollektiv, aber gleichzeitig chüngeln sie weiter in
ihren Dreizimmerwohnungen vor sich hin. Manchmal bin ich gefrustet,
dass es nicht so geht wie in meiner Kindheit. Aber es ist wohl eine
andere Zeit heute.
Immerhin hat Nia einen Freund und eine Freundin, mit denen er
sehr viel Zeit verbringt. Sie sind fast gleich alt. Eine
Kleinkindererzieherin hat mir gesagt, sie habe noch nie Kinder in
diesem Alter gesehen, die so eng miteinander kommunizieren. Ich finde
das sehr schön."
Dann macht sich Tinu ans Kochen. Er hat seine Eltern zum Znacht
eingeladen. Julia, Laura und Nia gehen auf den Hof, den Bagger
anschauen.
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EVA HERMAN
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sf.tv 4.3.10
Pfeifkonzert verhindert Auftritt von Eva Herman bei EDU
Eine Gruppe junger Leute hat am Dienstagabend mit Pfeifen und
Klatschen den Auftritt der deutschen Buchautorin Eva Herman an einer
Wahlveranstaltung der EDU (Eidgenössische Demokratische Union) in
Thun (BE) verhindert.
sda/fasc
Die EDU spricht von "Linksautonomen" Störern. Beim Vortrag
ging es um "die Rettung der Familie". Die ehemalige deutsche
Tagesschau-Sprecherin ist bekannt geworden mit ihrem Buch "Das
Eva-Prinzip", in dem sie die Frauen zur Rückbesinnung auf "alte
Werte" aufruft. Der Vortrag in Thun stand unter dem Titel "Warum wir
Familien retten müssen!".
Weitere Auftritte, mehr Kontrollen
In Thun trat Herman wegen der Störaktion gar nicht auf die
Bühne, wie die Sekretärin der EDU Kanton Bern, Ursula
Vögeli bestätigte. Herman tritt insgesamt sechsmal an
Veranstaltungen der EDU auf. Ihr Auftritt am Montag in Zweisimmen blieb
ungestört, so auch jener am Mittwoch in Sumiswald.
Bei weiteren Auftritten Hermans in Spiez, Langenthal und Belp
wollte nun die EDU die Türkontrollen verstärken, wie
Vögeli weiter sagte.
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BZ 4.3.10
Linksautonome verhindern Vortrag von Eva Herman
Gut 20 Linksautonome haben am Dienstag eine Wahlveranstaltung der
EDU Thun gestört. 200 Personen wollten den Vortrag der deutschen
Buchautorin Eva Herman hören. Der Anlass wurde nach wenigen
Minuten abgebrochen.
"Unglaublich, aber wahr, was wir am Dienstagabend von
intoleranten, unreifen Jungen aus dem linken Lager miterleben mussten."
Dies schreiben die beiden Homberger Delila und Lukas Gafner in einem
Leserbrief an diese Zeitung.
Die beiden wollten am Dienstagabend die Wahlveranstaltung der EDU
Kanton Bern im Thuner Burgsaal besuchen. Die EDU hat im Vorfeld der
Grossratswahlen zu mehreren Wahlveranstaltungen mit der früheren
deutschen TV-Moderatorin Eva Herman eingeladen. Die heutige Buchautorin
ist umstritten, unter anderen wegen Aussagen zur Familienpolitik. Auch
mit missverständlichen Zitaten zum Dritten Reich setzte sie sich
scharfer Kritik aus und wurde vom TV-Sender NDR fristlos entlassen.
Unter anderem hatte Herman den Umgang der Nationalsozialisten mit
Werten wie "Kinder, Mütter, Familie, Zusammenhalt" als "das, was
gut war" bezeichnet. In Thun wollte Herman einen Vortrag zum Thema
"Warum wir Familien retten müssen" halten. Herman hatte bereits am
Montag vor 150 Zuhörenden in Zweisimmen referiert. Die
Veranstaltung konnte ungestört durchgeführt werden. Nicht so
in Thun, wo gemäss Mitteilung der EDU Region Thun der Anlass "kurz
nach Beginn durch etwa 20 Linksautonome gestört wurde. Da
grössere Zwischenfälle bereits bei ähnliche
Anlässen in Winterthur und Zürich stattfanden, wurde Eva
Herman durch ihre zwei Bodyguards umgehend in Sicherheit gebracht."
Keine Handgreiflichkeiten
Samuel Kullmann, Präsident der EDU Region Thun,
bestätigte die Vorkommnisse gestern auf Anfrage. "Die jungen
Linksautonomen störten die Veranstaltung von Beginn weg mit
Pfeifen und Klatschen. Zu einem Handgemenge kam es zum Glück
nicht. Wir wollten die Situation auf keinen Fall eskalieren lassen und
haben die Veranstaltung darum sofort beendet", sagt Kullmann. Die EDU
sei besorgt über die Zwischenfälle und bedauere das fehlende
Verständnis von Werten wie Meinungsfreiheit und Toleranz
gegenüber Andersdenkenden von Seiten der linksautonomen
Störer.
Auch Delila und Lukas Gafner stört die Tatsache, dass sie
daran gehindert wurden, die Veranstaltung zu besuchen. "Wir und auch
andere haben das Gespräch mit den jungen Leuten gesucht. Mancher
von ihnen war kaum 20 Jahre alt", sagt Lukas Gafner. "Sie wussten gar
nicht, worum es in den Vorträgen von Eva Herman eigentlich geht,
und hatten keine Antworten auf unsere Fragen."
Weitere Anlässe im Kanton
Die Polizei war von der EDU bereits im Vorfeld über die
Anlässe informiert worden. "Wir hoffen auf verstärkte
Präsenz der Polizei vor und während der kommenden
Anlässe", sagt Samuel Kullmann, Präsident EDU Region Thun.
"Wir waren nicht im Thuner Burgsaal, hatten aber Kontakt mit den
privaten Sicherheitsleuten von Eva Herman", erläutert Thomas
Jauch, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern, auf Anfrage. Da die
Personen, die den Anlass offensichtlich stören wollten, den Saal
zu diesem Zeitpunkt bereits in Richtung Thuner Innenstadt verlassen
hatten, führte die Polizei entsprechende Kontrollen in der
Innenstadt durch, so Jauch: "Die Personen waren aber nicht anzutreffen."
Die Tournee von Herman mit der EDU als Organisatorin geht weiter.
Heute referiert die ehemalige TV-Moderatorin etwa im Spiezer
Lötschbergsaal. "Die Polizei wird im angemessenen Rahmen auf die
Veranstaltung reagieren", sagte Kapo-Sprecher Thomas Jauch. Für
die weiteren Auftritte werden die Sicherheitsvorkehrungen nun
überprüft.
So auch für jenen am Samstag in Belp. Dieser Auftritt werde
auf jeden Fall stattfinden, sagt Bruno Jordi, Präsident der
organisierenden EDU Belp. Heute wollen die Organisatoren besprechen, ob
und wie das Sicherheitskonzept angepasst wird.
Sarah McGrath-Fogal/wrs
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RANDSTAND BURGDORF
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BZ 4.3.10
Burgdorf
Gassenküche im Zirkuswagen?
In einem alten Zirkuswagen will der Burgdorfer Psychiatriepfleger
Martin Stäger eine Anlaufstelle für Süchtige einrichten.
Von einem konkreten Projekt zu sprechen wäre
übertrieben. Aber zu mehr als einer Idee ist die Sache bereits
gediehen: Der Burgdorfer Martin Stäger möchte einen
ausrangierten Zirkuswagen zu einer Gassenküche für die
Alkoholikerszene umbauen. Wo er die Anlaufstelle realisieren will, ist
unklar. Was er darin anbieten will, weiss er noch nicht. Und auf die
Frage, wer sich daran wie beteiligen soll, hat er noch keine Antwort
gefunden.
Neuwertig und antik
Feilgeboten wird der Wagen vom Atelier für Kommunikation aus
Kleinlützel. Bei dem Gefährt handelt es sich um einen 11
Meter langen, 3,3 Meter hohen und 2,5 Meter breiten antiken
holländischen Zirkuswagen mit neuem Chassis und altem Interieur
samt Schnitzereien und verzierten Scheiben. Ausgerüstet ist es mit
einer Kaffeemaschine, einem Geschirrspüler, einem Kühl- und
Gefrierschrank, einem Mikrowellenherd, einem Putzschränkli,
Geschirr, einer Musikanlage und einer Heizung.
Bar und Bistrotische
Innen bietet der Wagen nach Verkäuferangaben "an
Bistrotischen und Bar" 25 Personen Platz; draussen können sich
weitere 50 Menschen niederlassen. Als Regen- und Sonnenschutz steht ein
Vorzelt zur Verfügung.
50000 Franken
Als "Verhandlungsbasis" nennt der Verkäufer auf seiner
Website 50000 Franken. Martin Stäger steht insofern etwas unter
Zeitdruck, als er dem Atelier für Kommunikation "bis in drei
Wochen" sagen muss, ob er den Wagen haben will. "Wenn ich diese Frist
verstreichen lasse, ist er weg", sagt der Burgdorfer.
"Aber bevor ich eine Entscheidung treffe, will ich das Vorhaben
möglichst breit abstützen." Stäger hofft, dass sich
kirchliche Kreise genauso mit seinem Plan identifizieren können
wie Privatpersonen oder Sponsoren aus der Wirtschaft.
Stadt ist nicht abgeneigt
Zum Abstützen gehört auch, die Stadt nach ihrer Meinung
zu fragen. Dort rennt Stäger zwar nicht offene Türen ein. Auf
Ablehnung stösst er aber auch nicht. Andreas Diggelmann, der
Leiter der Burgdorfer Sozialdirektion, sagt, eine von wem auch immer
betriebene Gassenküche müsste "in das politische Konzept der
Stadt passen". Um abzuklären, ob der Zirkuswagen dieses Kriterium
erfüllen würde, habe er Stäger um ein Konzept gebeten.
Annette Wisler Albrecht, die für das Sozialwesen
zuständige Gemeinderätin, sagt, sie finde es "immer gut, wenn
sich Private um Hilfsbedürftige kümmern, statt diese Aufgabe
einfach an die Stadt zu delegieren".
Johannes Hofstetter
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AUSSCHAFFUNG
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BZ 4.3.10
Schweizer Asylwesen
Wegen Gerichtsurteil fehlen Hunderte von Haftplätzen
Abgewiesene Asylsuchende dürfen nicht mehr direkt
ausgeschafft werden. Jetzt zeigt sich: Den Kantonen fehlen
Haftplätze.
Hans-Jürg Käser (FDP), Polizeidirektor des Kantons
Bern, spricht von einem gröberen Problem: Gemäss einer
Weisung des Bundesamtes für Migration dürfen
Kantonsbehörden Asylsuchende mit einem Nichteintretensentscheid ab
sofort nicht mehr direkt ins Erstantragsland zurückführen.
Die Kantone erhielten die Weisung Ende Februar. Das BFM reagierte damit
auf ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts von Anfang
Februar (wir berichteten).
Eine Abklärung ergibt jetzt laut Käser, dass allein im
Kanton Bern bis zu 250 Asylsuchende betroffen sind. Statt sie
zurückzuschaffen, müsse man diese Leute jetzt auf freien Fuss
setzen. Alternativ könnte man sie in Ausschaffungshaft nehmen.
Doch dafür gebe es nicht ansatzweise genug Haftplätze.
Auch das Bundesamt für Migration hat gerechnet:
"Gegenwärtig sind in der Schweiz rund 2000 Asylsuchende
betroffen", sagt Amtsdirektor Alard du Bois-Reymond auf Anfrage. Auch
er befürchtet, dass Haftplätze fehlen. Ausserdem sei es
rechtlich gar nicht in jedem Fall zulässig, die betroffenen
Asylsuchenden in Haft zu nehmen. "Es braucht nun ein Gesetz, das
verhindert, dass Asylsuchende nach Eröffnung des
Nichteintretensentscheides einfach abtauchen können", sagt der
Amtsdirektor. Der schweizerische Verband der Polizei- und
Justizdirektoren hat das Thema bereits für die nächste
Sitzung traktandiert. In anderen Kantonen hat man dasselbe Problem.
Gestern fand im Parlament zudem eine lange Debatte über die
Zuwanderung statt. Dabei sprach sich der Nationalrat unter anderem
dafür aus, dass jugendliche Sans-Papiers, die in der Schweiz zur
Schule gegangen sind, eine Berufslehre absolvieren dürfen. Auf
wenig Gegenliebe bei den Vollzugsbehörden stösst die gestern
ebenfalls angenommene Motion von Lukas Reimann (SVP, SG). Diese fordert
die Beherrschung einer Landessprache als Voraussetzung für den
Erhalt einer Niederlassungsbewilligung. ma
Seite 3
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Haftplätze für Asylsuchende
Urteil bringt Kantone in Bredouille
Kantone schlagen Alarm: Hunderte Haftplätze für
abgewiesene Asylsuchende fehlen. Ursache ist ein Grundsatzurteil vom
Februar, wonach Asylsuchende nicht mehr direkt ins Erstantragsland
zurückgeschickt werden dürfen.
Die Kantone haben vom Bundesamt für Migration eine strikte
Weisung erhalten: Sie dürfen Asylsuchende, die bereits in einem
anderen EU-Land einen Antrag gestellt haben, ab sofort nicht mehr
direkt ins Erstantragsland zurück schicken. Das ergaben Recherchen
dieser Zeitung.
Das Bundesamt für Migration (BFM) reagiert damit auf das
Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Februar (wir
berichteten). Das BFM schreibt im Brief an die Kantonsbehörden,
dass sogar bereits gebuchte Flüge für die Rückschaffung
annulliert werden müssen.
Hohe Zahl Betroffener
Beim Schweizerischen Verband der kantonalen Justiz- und
Polizeidirektoren (KKJPD) ist man in Alarmstimmung: "Allein im Kanton
Bern sind bis zu 250 Asylsuchende betroffen", sagt Hans-Jürg
Käser, Polizeidirektor des Kantons Bern. Käser ist auch im
siebenköpfigen KKJPD-Vorstand. Die Angelegenheit ist dort für
die nächste Sitzung traktandiert. Laut Käser braucht es
dringend eine Lösung.
Dass Käser und die vereinigten Schweizerischen
Polizeidirektoren keineswegs übertreiben, zeigen neue
Abklärungen des Bundesamtes für Migration. Amtsdirektor Alard
du Bois-Reymond sagt auf Anfrage, gegenwärtig seien in der Schweiz
rund 2000 Asylsuchende von dem Grundsatzurteil betroffen.
Das Problem im Detail: Die Kantone müssen den betroffenen
Asylsuchenden ab sofort eine mindestens zehntägige Beschwerdefrist
einräumen, bevor sie sie zurückschaffen. Bis zu jenem
Grundsatzurteil im Februar war es möglich, dass Asylsuchende die
bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt haben,
unmittelbar zurückgeführt werden durften - so ist es auch im
Abkommen von Dublin mit der EU geregelt.
Viel zu wenig Haftplätze
Während dieser vom Bundesverwaltungsgericht neu verordneten
Zehntagefrist haben die Kantone nun noch genau zwei Möglichkeiten
- beide bedeuten für sie ein Dilemma: Entweder setzen die
Behörden die Asylsuchenden während dieser Frist auf freien
Fuss. In diesem Fall ist aber die Gefahr gross, dass sie irgendwo in
der Schweiz untertauchen, nicht mehr auffindbar sind und dann in
illegal in der Schweiz bleiben.
Oder die Kantone setzen die Asylsuchenden während jener
Frist grundsätzlich in Ausschaffungshaft. "Für eine so grosse
Zahl von Asylsuchenden haben wir aber nicht einmal ansatzweise genug
Haftplätze", sagt Käser. Nicht anders ist die Lage in anderen
Kantonen.
EU-Regelung ausgehebelt
Nach Auffassung des Polizeidirektors widerspricht das
Gerichtsurteil ganz klar dem Dubliner Abkommen. In Deutschland
dürfen jene Asylsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Land
einen Antrag gestellt haben, ohne Verzögerung ausgeschafft werden.
Migrationsamtsdirektor Du Bois-Reymond macht sich ähnliche
Sorgen wie Käser: "Es besteht das Risiko, dass der
Gerichtsentscheid einen wichtigen Effekt des Dublin-Abkommens
aushebelt", sagt er. Es brauche nun ein Gesetz, das verhindere, dass
Asylsuchende nach Eröffnung des Nichteintretensentscheides einfach
abtauchen. Auch Du Bois-Reymond befürchtet, dass es schweizweit zu
wenig Haftplätze gibt. Ein weiteres Problem: Laut dem Direktor
darf man jene Asylsuchenden gar nicht ohne weiteres voraussetzungslos
in Haft nehmen.
Mischa Aebi
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SANS-PAPIERS
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Bund 4.3.10
Nationalrat fordert Lehrstellen für junge Papierlose
Sans-Papiers sollen nach der Schule eine Lehre machen können.
Christian von Burg, Markus Brotschi
Kinder sollen nicht dafür büssen, dass sich ihre Eltern
illegal in der Schweiz aufhalten. So lautete gestern der Tenor im
Nationalrat. Das Recht auf Bildung, das auch Kinder von Sans-Papiers
haben, soll deshalb erweitert werden. Mit knappem Mehr sprach sich die
grosse Kammer dafür aus, dass jugendliche Papierlose nach der
Schule eine Lehre absolvieren dürfen. Der Besuch von Gymnasien ist
heute schon möglich.
Der überraschende Entscheid ist auf das erfolgreiche
Lobbying bürgerlicher Politiker zurückzuführen: Der
Basler Gewerbedirektor, FDP-Nationalrat Peter Malama, machte sich in
den letzten Tagen bei der FDP und der CVP stark für die Vorlage.
Junge Sans-Papiers seien oft überdurchschnittlich motiviert und
leistungsbereit, sagt Malama. Kein Gehör fand im Nationalrat aber
das Anliegen, den Sans-Papiers nach der Lehre eine
Aufenthaltsbewilligung zu garantieren.
Eigentlich stand die ausserordentliche Ausländerdebatte im
Nationalrat unter dem Eindruck der massiven Zuwanderung der letzten
Jahre. Erwartet wurde, dass einmal mehr die starke Zunahme deutscher
Arbeitskräfte thematisiert wird. Die SVP hatte im Vorfeld mehrere
Forderungen eingereicht, die sich gegen die Personenfreizügigkeit
mit der EU richten.
Härtere Regeln für EU-Bürger
Der Nationalrat lehnte aber die von der SVP verlangte
Kündigung des Abkommens mit 131 zu 56 Stimmen ab. Dafür
verlangte er vom Bundesrat, dass er mit der EU über Anpassungen
beim Freizügigkeitsabkommen verhandelt. Ziel ist es, dafür zu
sorgen, dass die Zuwanderung aus der EU die Schweizer Sozialwerke
weniger stark belastet. Allerdings dürfte die EU kaum Hand bieten
für eine Benachteiligung von EU-Bürgern gegenüber
Schweizern.
Seite 7
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Bürgerliche zeigen Herz für Sans-Papiers
Jugendliche, die mit ihren Eltern illegal in der Schweiz wohnen,
sollen künftig eine Lehre machen können.
Christian von Burg, Bern
Eigentlich war es eine ausserordentliche Session zur Zuwanderung,
durchgeführt auf Begehren der SVP. Verschärfungen in der
Asyl- und Ausländerpolitik und Einschränkungen der
Zuwanderung aus der EU standen im Zentrum. Das herausstechende Ergebnis
der gestrigen Debatte im Nationalrat ist aber nicht eine
Verschärfung, sondern ein Entgegenkommen in der
Ausländerpolitik: Jugendliche Sans-papiers, die in der Schweiz zur
Schule gegangen sind, sollen neu auch eine Berufslehre machen
können. Mit 93 zu 85 Stimmen hat die grosse Kammer eine
entsprechende Motion des Genfer CVP-Mannes Luc Barthassat angenommen.
Entscheidend beteiligt bei diesem Entscheid war der Basler
FDP-Nationalrat Peter Malama. Intensiv hat er in der FDP und bei der
CVP lobbyiert. Das Resultat: Die Hälfte der CVP-Parlamentarier hat
für die Vorlage gestimmt. Bei der FDP war es gar mehr als die
Hälfte. Zusammen mit den Stimmen der SP und der Grünen hat
das für ein Ja gereicht.
"Es geht um Gerechtigkeit"
Was treibt einen bürgerlichen Politiker an, sich für
illegal anwesende Ausländer in der Schweiz einzusetzen? "Es geht
hier nicht um rechts oder links", sagt Malama, "es geht um
Gerechtigkeit." Ihn stört, dass jugendlichen Sans-papiers nach der
obligatorischen Schulzeit der Weg in die Lehre bisher versperrt ist,
während den sehr guten Schülern der Weg ins Gymnasium
offensteht. Malama ist als Gewerbedirektor von Basel-Stadt auf das
Problem aufmerksam geworden. Immer wieder hätten Lehrmeister bei
ihm angeklopft, die Sans-papiers anstellen wollten, dabei aber auf
rechtliche Probleme gestossen seien. "Meist sind diese Jugendlichen
sehr motiviert und gut integriert", sagt Malama, "stellen sie jedoch
ein Härtefallgesuch, riskieren sie, sofort ausgeschafft zu werden."
Trotz der Hürden sind in Basel schon einige Sans-papiers zu
einer Lehre zugelassen worden, und auch die Lausanner Stadtregierung
hat Mitte Februar beschlossen, jungen Sans-papiers eine Lehre in der
Verwaltung zu ermöglichen. Seit dieser Ankündigung gehen die
Wogen in der Romandie hoch.
Der Grüne Genfer Nationalrat Antonio Hodgers fordert, dass
die Schweiz als Vertragsstaat der Uno-Kinderrechtskonvention ihre
eingegangenen Verpflichtungen wahrnehmen müsse. Kinder
dürften künftig nicht mehr für den illegalen Status
ihrer Eltern bestraft werden. Die grosse Kammer stimmte auch diesem
Ansinnen mit 108 zu 70 Stimmen zu. Die Parlamentarier forderten zudem
vom Bundesrat einen Bericht, der den Zugang von Sans-papiers zur
Gesundheitsversorgung und zur Krankenversicherung in den verschiedenen
Kantonen aufzeigt.
Klar gegen Legalisierung
In der Frage, wie es mit jungen Sans-papiers nach der Lehre
weitergehen soll, zeigte der Nationalrat kein weiteres Entgegenkommen.
Mit 101 zu 72 Stimmen lehnte er es ab, deren Aufenthalt in der Schweiz
zu legalisieren. Es mache zwar keinen Sinn, Jugendliche auszubilden und
dann ins Ausland abzuschieben, sagt Malama, aber aus humanitärer
Sicht sei es immer noch besser, sie mit einem guten Bildungsrucksack
auszuweisen als ohne. Der Bundesrat hat sich offiziell gegen die vom
Nationalrat beschlossenen Erleichterungen ausgesprochen.
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf zeigte jedoch einige Sympathie
für das Anliegen. Es sei zwar das Ziel des Bundesrates,
abgewiesene Ausländer so rasch wie möglich wieder
zurückzuführen, sagte sie. Man dürfe den Kindern jedoch
auch nicht ihr Recht auf Bildung nehmen - zumal ihre Eltern ja zum Teil
von Schweizer Arbeitgebern angestellt würden. Ob dies auch die
Mehrheit der Ständeräte so sieht, ist offen.
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BZ 4.3.10
Sondersession I
Kluge Köpfe sollen bleiben
Ausländerinnen und Ausländer mit einem Schweizer
Hochschulabschluss sollen leichter Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt
haben. Der Nationalrat will das Ausländergesetz in diesem Sinne
anpassen. Er hat gestern mit 104 gegen 36 Stimmen einer Revision
zugestimmt. Konkret sollen Ausländer, die an einer Schweizer Uni
einen Abschluss erlangten, eine Arbeitsbewilligung für Jobs
erhalten, die von hohem wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen
Interesse sind. Für eine Dauer von sechs Monaten nach dem
Abschluss ihrer Ausbildung sollen sie eine vorläufige
Aufenthaltsgenehmigung erhalten, um eine entsprechende
Erwerbstätigkeit zu finden.
Der Nationalrat setzt mit der Vorlage eine parlamentarische
Initiative von Jacques Neirynck (CVP, VD) um und nimmt ein Anliegen aus
der Wissenschaft und der Wirtschaft auf.
sda
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Sondersession II
Lehre für Sans-Papiers
Der Nationalrat nahm - unter Applaus der Linken - Motionen der
Genfer Nationalräte Luc Barthassat (CVP) und Antonio Hodgers
(Grüne) an. Beide fordern, dass jugendliche Sans-Papiers, die in
der Schweiz zur Schule gegangen sind, eine Berufslehre absolvieren
können. Hodgers möchte zusätzlich, dass Kinder von
Sans-Papiers bei ihrer Geburt in der Schweiz formell anerkannt werden.
Stimmt auch der Ständerat zu, wird der Bundesrat beauftragt, die
Gesetze entsprechend zu ändern. Die Regierung hatte die Ablehnung
der Motionen beantragt. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte,
die Kantone hätten die Möglichkeit, in Härtefällen
den Status von Sans-Papiers zu regeln. Eine generelle Legalisierung von
jugendlichen Sans-Papiers geht auch dem Nationalrat zu weit: Eine
Motion mit diesem Anliegen lehnte er ab.
sda
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20 Minuten 4.3.10
Für eine Berufsausbildung auch für Sans-Papiers
BERN. Jugendliche Sans- Papiers sollen künftig eine Lehre
machen dürfen. Dies hat der Nationalrat gestern entschieden. Wie
dies in der Praxis umgesetzt werden soll, ist aber noch unklar.
Mit 93 zu 85 Stimmen hat der Nationalrat gestern die
entsprechende Motion des Genfers Luc Barthassat gutgeheissen. "Wenn
Sans-Papiers keine Lehre absolvieren dürfen, fehlt ihnen die
Perspektive und sie rutschen schnell in die Kriminalität ab",
argumentiert Barthassat. Der CVP-Nationalrat stellt aber klare
Bedingungen: Nur diejenigen Sans-Papiers, die in der Schweiz auch die
Schule abgeschlossen haben, sollen hier eine Lehre machen dürfen.
Wie die Motion aber konkret umgesetzt werden soll, ist noch unklar:
"Denkbar wäre, dass die Daten vom Lehrbetrieb nicht an die
Behörden weitergegeben werden dürfen", so Barthassat. In der
Schweiz leben zurzeit rund 100 000 Sans-Papiers. Davon sind
schätzungsweise 10 000 Kinder oder Jugendliche.
Bruno Zanga, Leiter des Ausländeramtes St. Gallen, sieht
Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Motion: "Mit der Zulassung zu
einer Lehre ist noch nicht automatisch eine Aufenthaltsbewilligung
erteilt. Das Bundesamt für Migration oder auch die Politiker
werden uns aufzeigen müssen, wie dieses Problem zu lösen
ist." Denkbar wäre etwa eine vorübergehende
Aufenthaltsbewilligung bis zum Ende des Lehre.
Was der Nationalrat für die ganze Schweiz will, ist in
Lausanne bereits entschieden: Ab 2011 stellt die Stadt auch
Sans-Papiers als Lehrlinge ein. Die Motion geht nun weiter in den
Ständerat. Deborah Rast
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Angenommene Vorstösse zur Zuwanderung
BERN. In der ausserordentlichen Session zum Thema Zuwanderung hat
der Nationalrat gestern 30 Vorstösse angenommen. Darunter folgende:
Nur wer über genügend Kenntnisse einer Landessprache
verfügt, soll eine Niederlassungsbewilligung erhalten.
Gute Kenntnisse einer Landessprache und Integration sind
Voraussetzung für eine Einbürgerung.
Imame brauchen eine staatliche Bewilligung. Diese erhalten sie
nur, wenn sie den Schweizer Rechtsstaat akzeptieren.
Wenn die Einbürgerung für nichtig erklärt wird,
bekommt der Ausgebürgerte nicht automatisch seine
Aufenthaltsbewilligung zurück.
Nach Entlassung aus der Haft müssen ausländische
Gewalttäter direkt ausgeschafft werden.
Der Bundesrat soll einen ausführlichen Bericht und Studien
zu Muslimen in der Schweiz vorlegen.
Ist ein EU-Bürger seit mehr als 12 Monaten arbeitslos, soll
seine Aufenthaltsbewilligung nur um maximal ein Jahr verlängert
werden.
Opfern von Zwangsheiraten soll effektiv geholfen werden.
Asylverfahren sollen verkürzt werden.
Der Bundesrat soll einen Bericht vorlegen, wie er die Zuwanderung
aus EU- und Drittstaaten künftig steuern will.
Transitmigrationsprogramme und die Rückkehrhilfe sollen
ausgebaut werden.
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WoZ 4.3.10
Sans-Papiers - Die links-grün regierte Stadt Lausanne will
papierlosen SchulabgängerInnen eine Lehre ermöglichen - und
löst damit eine heftige Polemik aus.
Eine Behörde bricht das Gesetz
Von Helen Brügger
Es war ein gelungener Coup: Wenige Tage vor der Sondersession des
Nationalrats zum Thema Migration machte die Stadt Lausanne Schlagzeilen
bis in die deutsche Schweiz. Sie will jugendliche Sans-Papiers als
Lehrlinge in der Gemeindeverwaltung beschäftigen, was einem
Gesetzesbruch gleichkommt. "Lausanne probt den Aufstand", titelte
die NZZ. "Wir setzen auf die Illegalität", gab der für Jugend
und Erziehung zuständige Stadtrat Oscar Tosato zu. Postwendend
drohte der liberale Waadtländer Staatsrat Philippe Leuba der
unbotmässigen Exekutive, sie mit einer Strafanzeige und
administrativen Sanktionen zur Vernunft zu bringen.
Ende mit der Heuchelei
Worum geht es? Kinder von Papierlosen dürfen zwar die Schule
besuchen, sie können jedoch keine Lehre machen. Denn Lehrstellen
setzen einen Arbeitsvertrag voraus, und ein solcher kann nur
abgeschlossen werden, wenn eine Aufenthaltsbewilligung vorliegt. In
Lausanne gehen zwischen 200 und 300 Kinder von Papierlosen zur Schule.
Wenn sie mit fünfzehn Jahren nicht das Gymnasium besuchen
können, trifft sie das Schicksal ihrer Eltern: Sie tauchen im Heer
der recht- und perspektivlosen Sans-Papiers mit prekären Jobs
unter. "Diese Kinder sind doppelt diskriminiert", sagt SP-Stadtrat
Tosato: "Als Sans-Papiers haben sie nicht die gleichen Rechte wie ihre
Altersgenossen, und als manuell Begabte sind sie gegenüber
intellektuell Begabten benachteiligt."
Das Problem besteht nicht nur Waadtland. In elf Kantonen wird
über den Zugang jugendlicher Papierloser zum Lehrstellenmarkt
diskutiert, am Mittwoch dieser Woche beschäftigte das Problem auch
den Nationalrat. Derweil ist Lausanne zur Tat geschritten und macht der
"offiziellen Heuchelei", wie es der Lausanner Stadtpräsident
Daniel Brélaz nennt, ein Ende. Das Projekt, Kinder von
Sans-Papiers in der Stadtverwaltung eine Ausbildung machen zu lassen,
ist keine Globallösung und betrifft, falls es denn realisiert
wird, nur wenige Jugendliche. Aber es ist eine Schweizer Premiere, "das
Ende einer kollektiven Weigerung, die Realität der Sans-Papiers
anzuerkennen", sagt Rechtsanwalt Jean-Michel Dolivo, Mitglied des
Unterstützungskomitees für die Sans-Papiers.
Dass Lausanne so leichten Herzens zur Gesetzesbrecherin werden
will, liegt an der links-grünen Mehrheit der Stadt. Aber auch an
einer besonderen Sensibilität für Migrationsprobleme:
Jahrelang haben sich Bevölkerung und Behörden schützend
hinter die als "Gruppe der 523" bekannt gewordenen Asylsuchenden
gestellt, die die Eidgenossenschaft nicht regularisieren wollte.
Vorbild für die Initiative ist die Erinnerung an eine
medienträchtige Szene im Nachbarkanton Genf: Dort hat, vor mehr
als zwanzig Jahren, der christdemokratische Staatsrat Dominique
Föllmi unter den Augen der Öffentlichkeit ein kleines
papierloses Mädchen an die Hand genommen und zur Schule gebracht.
Er hat damit, im Namen des höheren Rechts auf Bildung für
alle, geltendes Recht gebrochen und Kindern von "Illegalen" den Weg in
die Schule ermöglicht. Auf höheres Recht beruft sich jetzt
auch Oscar Tosato, nämlich auf die Kinderrechtskonvention der Uno,
die Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung verlangt.
Nicht mehr diskriminieren
Dennoch wirft das Lausanner Projekt einige Fragen auf. Etwa: Ist
die prekäre Existenz jugendlicher Papierloser oder gar die ihrer
Eltern nicht gefährdet, wenn sie sich in aller Öffentlichkeit
für eine Lehrstelle bei der Gemeindeverwaltung bewerben? Für
Tosato kein Problem: "Sie sind nicht mehr gefährdet, als wenn sie
zur Schule gehen!" Weiter: Bietet die Stadt da nicht einfach
Schwarzarbeit an? "Schwarzarbeit besteht nicht darin, Menschen eine
Arbeit zu geben, die keine haben, sie besteht in Schutzlosigkeit und
Tiefstlöhnen", wehrt der Stadtrat ab. Drittens: Darf eine
Behörde, auch unter Berufung auf humanitäre Werte, das Gesetz
brechen? "Das ist die wesentliche Frage", gibt Tosato zu: "Die
Diskussion über unsern Vorschlag wird weitere
Lösungsvorschläge aufzeigen, die uns möglicherweise den
Schritt in die Illegalität ersparen."
Es gebe verschiedene Möglichkeiten, skizziert Tosato. Eine
sei, dass Lehrverträge rechtlich nicht mehr mit
Arbeitsverträgen verknüpft würden, womit das Problem der
notwendigen Aufenthaltsbewilligung umgangen werden könnte.
Lehrlinge erhielten stattdessen einen Ausbildungsvertrag und somit
einen ähnlichen Status wie Schulabsolventen oder Empfänger
eines Stipendiums. Aber Tosato hält an seinem Ziel fest, die
festgestellte Diskriminierung mit allen Mitteln zu beseitigen: "Wir
lassen uns nur von Lösungen von unserm Weg abbringen, nicht von
Drohungen!", nimmt er zu Staatsrat Philippe Leubas empörter
Reaktion Stellung.
Die Geschichte sei voll von Beispielen von Ungerechtigkeit und
Verbrechen, für die man sich später nur noch entschuldigen
könne: "Wir wollen nicht, dass sich die Schweiz in fünfzig
Jahren bei den ehemaligen Sans-Papiers-Kindern entschuldigen muss."
Auch den Vorwurf, mit seinem Vorschlag Wasser auf die Mühlen der
SVP zu leiten, nimmt Tosato auf die leichte Schulter. In der Lausanner
Exekutive sitzen sechs links-grüne und ein bürgerlicher
Vertreter: "Wenn uns die Bevölkerung mit einer so grossen Mehrheit
gewählt hat, dann erwartet sie von uns, dass wir Vorschläge
machen. Nicht, dass wir uns vor der SVP in den Staub werfen."
Indirekte Schützenhilfe
Derweil haben sich die ersten harschen Reaktionen auf Tosatos
Projekt gelegt. Christliche Organisationen wie das Centre social
protestant und das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (Heks),
Sans-Papiers-Organisationen und Gewerkschaften signalisieren
Unterstützung. Dass es in der rot-grünen Lausanner
Legislative eine Mehrheit finden wird, gilt schon jetzt als ausgemacht.
Und sogar das Kantonsparlament hat bereits indirekte Schützenhilfe
geleistet: Es weigerte sich letzte Woche, das Vorgehen der Stadt zu
verurteilen, und forderte im Gegenteil Stadt und Kanton dazu auf, eine
gemeinsame Lösung zu finden.
Für Linksaussen-Kantonsrat Jean-Michel Dolivo handelt es
sich beim Lausanner Vorschlag um eine sinnvolle Ergänzung zu einem
Entscheid des Waadtländer Kantonsparlaments. Dieses hat im
vergangenen November die Regierung dazu verpflichtet, auf nationaler
Ebene mit einem Vorstoss zugunsten einer Berufsausbildung für
Jugendliche ohne legalen Status aktiv zu werden. Doch was hält der
Jurist vom angekündigten Schritt der Lausanner Regierung in die
Illegalität? "Die Mehrheit der Sans-Papiers zahlt Sozialabgaben
und Steuern, und der Staat ist sich auch nicht zu schade, vom Resultat
ihrer ‹illegalen› Tätigkeit zu profitieren", meint Dialektiker
Dolivo.
Daniel Brélaz, historische Figur der Waadtländer
Grünen, Nationalrat und Lausanner Stadtpräsident in einer
Person, müsste in seiner Funktion als Bürgermeister
eigentlich Verstösse gegen das Ausländergesetz anzeigen. Doch
Brélaz wird gar nichts anzeigen. Der Vorschlag sei
öffentlich. Wenn er umgesetzt werde, würden papierlose
Lehrlinge angestellt und bezahlt, kündigte er an. "Wir werden
nicht auf halbem Weg stehen bleiben."
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RAUCHVERBOT
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Bund 4.3.10
Meinung
Wenn Raucher selbst im Tabaklädeli nicht mehr rauchen dürfen,
ist der Staat zu weit gegangen.
Rauchverbot - Regulierungswut
Markus Eisenhut
Nach verschiedenen kantonalen Regelungen tritt am 1. Mai nun auch
noch national das Rauchverbot in Kraft. Der gesundheitsbewusste
Zeitgeist triumphiert, die Schweiz scheint gerettet. Ist sie das
wirklich?
Damit keine Missverständnisse entstehen: Rauchen ist
ungesund. Da es das Gebot des funktionierenden Staates ist, seine
Bürger vor Gefahren zu schützen, ist es vernünftig, sich
Gedanken über das Rauchen und über die Schädlichkeit des
Passivrauchens zu machen.
Der momentane Feldzug gegen den Zigarettenqualm trägt indes
hysterische Züge. Weil das Bundesgesetz zum Schutz vor
Passivrauchen ein Rauchverbot für alle geschlossenen Räume
vorsieht, die öffentlich zugänglich sind, sind auch
Tabaklädeli betroffen. Die Degustation von Raucherwaren im
Fachgeschäft ist folglich ebenfalls verboten, wenn nicht ein
Fumoir zur Verfügung steht. Ein Gesetz, das dem gesunden
Menschenverstand widerspricht, denn in einem Tabaklädeli kann es
um nichts anderes gehen als ums Rauchen.
Über die Weisheit des gesunden Menschenverstands lässt
sich streiten. Theoretiker verachten ihn. Für Hannah Arendt, eine
der bedeutendsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts, war der gesunde
Menschenverstand jedoch eine tragende Säule des sozialen und
politischen Zusammenhalts. Der gesunde Menschenverstand sorge
dafür, dass die Gesellschaft in einer gemeinsamen Wirklichkeit
lebe. Die wachsende Sinnlosigkeit in unserer Welt sei nichts anderes
als die Begleiterscheinung eines Verlusts von gesundem Menschenverstand.
"Wenn der Sachverstand in der Politik losgelassen wird, ohne die
Einsicht des Staatsmannes und ohne den gesunden Menschenverstand des
Staatsbürgers, dann glaube ich, dass dies der Demokratie und der
Freiheit sehr wohl den Garaus machen könnte", sagte Arendt 1961.
Will heissen: In einer Demokratie ist der gesunde Menschenverstand des
gewöhnlichen Bürgers unersetzlich.
Erstarren in der Bürokratie
Tatsächlich treibt aber in der Schweiz heute ein immer
engmaschigeres Netz an Regeln und Restriktionen der Bevölkerung
den gesunden Menschenverstand aus. Das Problem Tabaklädeli ist
kein grosses Problem, doch es steht für diese Entwicklung.
Zwar versteht der Staat sein proaktives Schaffen irgendwelcher
Gesetze und Verbote zur Abwehr von irgendwelchen Gefahren als Dienst an
der Gesellschaft, doch letztlich ist das Gegenteil richtig: Wenn wir
uns nicht mehr auf den gesunden Menschenverstand, sondern auf immer
neue Vorschriften verlassen, dann führt das staatliche
Regulierungs-Temperament zu bürokratischer Arroganz, zu
Durchschnittlichkeit im Denken, zum Erstarren der Gemeinschaft und zu
weniger Freiheit. Wollen wir das? Wollen wir, dass der gesunde
Menschenverstand in der Reglementierungsflut ertrinkt?
Eine missglückte Pointe
Natürlich nicht. Deshalb müssen wir einerseits
dafür sorgen, dass der Staat nicht nur munter Regeln,
Restriktionen und Gesetze schafft, sondern dass er obsolete Regeln,
Restriktionen und Gesetze systematisch abschafft. Und andererseits
müssen wir Strukturen gestalten, die in Schulen, in Wirtschaft und
in Politik den gesunden Menschenverstand belohnen. Damit wir wieder
lernen, uns selbst zu vertrauen. Und damit das Rauchverbot im
Tabaklädeli eine einmalige missglückte Pointe heimischer
Regulierungskunst bleibt.
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KUNST TROTZ(T) ARMUT
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Bund 4.3.10
In der offenen Heiliggeistkirche trotzt die Kunst der Armut
Armutszeugnisse: Künstlerinnen und Künstler
thematisieren Armut, Armutsbetroffene machen Kunst.
Walter Däpp
Wer die Kirchentür öffnet, wird im Halbdunkel des
Eingangsbereichs sogleich mit einem grossen Bild konfrontiert, das auch
Bernerinnen und Bernern nicht unvertraut ist: Es zeigt einen am Boden
kauernden Mann, der den - schemenhaft an ihm vorbeiziehenden -
Passantinnen und Passanten den Hut hinhält. Beim Bettler handelt
es sich um den Künstler Luigi Ciasullo. Er stelle sich selber so
dar, erzählt er, weil er selber von Armut betroffen sei und nie
wisse, wie lange er noch genügend Geld zum Leben habe und wann er
wieder Sozialhilfe beanspruchen müsse. "An dieser Ausstellung",
sagt er, "bin ich deshalb emotional und mit grossem Engagement dabei."
Ähnlich äussert sich die armutsbetroffene Nelly Schenker.
Ihre drei ausgestellten Bilder zeigen "das Hungertuch", "Haiti" und
"den Zukunftsfisch" - und im Gespräch sagt sie dann, Zeichnen und
Malen gebe ihr "das Gefühl, ein Mensch zu sein".
Nelly Schenker und Luigi Ciasullo sind zwei von sechs
armutsbetroffenen Schweizer Kunstschaffenden, die der
eindrücklichen deutschen Wanderausstellung "Kunst trotz(t) Armut"
ein helvetisches Gepräge geben. Die offene Kirche Bern hat diese
Ausstellung, die zuvor bereits in neunzehn deutschen Städten zu
sehen war, nach Bern geholt, um "der Armut ein Gesicht zu geben", wie
Projektleiter Hans-Ulrich Stoller sagt. Denn gerade im
europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer
Ausgrenzung ("ein Jahr, das es eigentlich gar nicht geben dürfte")
sei es auch Aufgabe der Kirche, "die Armut in der reichen Schweiz"
sichtbar zu machen.
90 000 Arme im Kanton Bern
Die Tatsache, dass es allein im Kanton Bern über 90 000 arme
oder armutsgefährdete Menschen gibt, darunter über 20 000
Kinder, ist für Gesundheits- und Fürsorgedirektor Philippe
Perrenoud "unerträglich". An einer Podiumsdiskussion zur
Ausstellungseröffnung in der Heiliggeistkirche rief er dazu auf,
"die Augen vor dem Armutsproblem nicht zu verschliessen". Armut
könne "plötzlich jeden treffen". Das Thema stehe deshalb in
seiner politischen Agenda ganz oben - zum Beispiel wenn es um die Frage
von Ergänzungsleistungen für Familien gehe. Nach den in der
Öffentlichkeit heftig diskutierten Missbrauchsfällen
müsse auch das Vertrauen in die Sozialhilfe wieder gestärkt
werden.
Unternehmen unterschätzt?
Für die freisinnige Grossrätin Susanne Bommeli sind
"Wohnung, Nahrung, Gesundheit und Bildung" Rechte, die in der Schweiz
allen zustehen. Deshalb müsse der Kanton beim Geldverteilen
"andere Prioritäten" setzen. Beim Bekämpfen der Armut
dürfe auch "die Bedeutung der Unternehmen, die Arbeitsstellen
schaffen, nicht unterschätzt werden", mahnte sie - und bedauerte,
dass "heute die Boni-Diskussion davon ablenkt". Für Hans-Peter
Furrer, den Präsidenten der Bewegung ATD Vierte Welt, ist vor
allem die Früherfassung armutsgefährdeter Kinder wichtig -
"damit Armut nicht vererbt wird", wie er sagt, "damit die Kinder nicht
auch wieder in die Armutsspirale der Eltern geraten". Bei der
Armutsbekämpfung gehe es aber nicht nur um Geld, mahnte Furrer:
"Es geht auch um Anerkennung. Um den Respekt der Menschenwürde. Um
Akzeptanz. Wenn man Armutsbetroffene stigmatisiert, macht man den
sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft kaputt."
Sichtbare und unsichtbare Armut
Um diese Anerkennung und um diese Akzeptanz geht es in der
Ausstellung - mit Bildern, Skulpturen und Installationen von
Künstlern, die die Armut thematisieren, und von Armutsbetroffenen,
die sich künstlerisch ausdrücken. Auf den ersten Blick sind
Armutsformen wie Obdachlosigkeit sichtbarer als verborgenere Formen.
Doch gerade deshalb lohnt sich ein zweiter Besuch - ein zweiter Blick
auf die eindrücklichen und nachdenklich stimmenden
künstlerischen Armutszeugnisse, die die offene Kirche in
Zusammenarbeit mit der Wohnkonferenz Bern, dem Contact-Netz und der
deutschen Wanderausstellung "Kunst trotz(t) Armut" zeigt.
"Kunst trotz(t) Armut", Passionsausstellung in der
Heiliggeistkirche, bis 9. April. In der Museumsnacht am 19. März
findet gleichenorts eine Theateraufführung mit Armutsbetroffenen
statt.
--
"offene kirche" kann vier weitere Jahre offen bleiben
Nachdem auch der Grosse Kirchenrat der evangelisch-reformierten
Gesamtkirchgemeinde Bern einen Verpflichtungskredit genehmigt hat, kann
die "offene kirche" in der Berner Heiliggeistkirche bis 2014
weitergeführt werden. Gemäss Mitteilung von gestern Abend
handelt es sich um einen Kredit von 1,252 Millionen Franken. Die
römisch-katholische Gesamtkirchgemeinde hat ihren Beitrag bereits
am 24. Februar bewilligt. Die Institution "offene kirche" (siehe
Artikel nebenan) gibt es seit 1999. (pd)
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GLOSSAR RASSISMUS
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Bund 4.3.10
Achtung, verfängliche Begriffe!
"Überfremdung", "Neger", "Sonderbehandlung": Ein
Internet-Glossar erläutert die Herkunft historisch belasteter
Begriffe.
Michael Meier
"Sonderbehandlung für die Deutschen". So betitelte die "NZZ
am Sonntag" im Juni 2004 einen Artikel über die Mediation zur
Fluglärmverteilung unfreiwillig ironisch. Offenbar war ihr nicht
bewusst, dass "Sonderbehandlung" bei den Nationalsozialisten ein
Tarnbegriff für Mord war. Diesen historischen Kontext des Wortes
aber sollte man nicht vergessen, fand die Stiftung gegen Rassismus und
Antisemitismus (GRA) und gab ein Glossar historisch belasteter Begriffe
in Auftrag.
Nun ist das Internet-Glossar auf der Website der GRA
aufgeschaltet (http://www.gra.ch).
Es
sind Kurzerläuterungen zu 80 Begriffen mit rassistischen Inhalten,
aber auch zu anderen Wörtern, die oft missverständlich
verwendet werden. Insbesondere Journalisten, Lehrkräfte und
Politiker sollen dank dem Glossar deren Herkunft, aktuelle Bedeutung
und politische Verwendung abfragen können. Das Glossar ist vor
allem auch an Studierende und Schüler adressiert, also an die
jüngere Generation, wie GRA-Geschäftsführer Michael
Chiller-Glaus sagt.
Mit den nationalsozialistisch geprägten Begriffen sei die
ältere Generation noch vertraut. Jüngere indessen
sprächen mitunter arglos von Endlösungen für gewisse
Probleme. So forderte neulich eine junge Autorin in einer Schweizer
Zeitung eine Endlösung für den Nahostkonflikt. Ohne böse
Absicht, aber im Unwissen darum, dass "Endlösung" die Vernichtung
der Juden meint.
Liste wird laufend erweitert
Das Wort "Endlösung" ist für Chiller indexiert und in
keinem Kontext ausserhalb der Schoah gestattet. Insgesamt aber sei das
Glossar kein Index, keine Zensur. Alle Begriffe seien verwendbar, wenn
deren Bedeutung verstanden und sie im richtigen Kontext verwendet
würden.
Erklärt werden auch vermeintlich verletzende Wörter.
Etwa der Begriff "Jude/Jüdin", der bei Juden selber
gebräuchlich ist, in Deutschland aber mit "Menschen jüdischer
Abstammung" umschrieben und kaschiert wird, als wäre er ein
Schimpfwort.
Eine Pionierleistung sind die Erläuterungen zum bisher
unerforschten Begriff "gestampfter Jude". Dieser nämlich war in
der Soldatensprache eine gängige Bezeichnung für die
Fleischkonserven der Schweizer Armee. Der Begriff war bis in die
90er-Jahre gebräuchlich.
Das Glossar beinhaltet nicht nur antisemitische Begriffe oder
Nazi-Codewörter. Es sind auch Wörter wie "Islamismus" oder
"Überfremdung" zu finden, die im Sprachgebrauch häufig
auftauchen, über deren genaue Bedeutung aber oft Unklarheit
herrscht. Erarbeitet vom Journalisten Daniel Suter und der Historikerin
Shelley Berlowitz, sind die Einträge knapp und eingängig
gehalten. Weitere Begriffe sollen laufend aufgeschaltet werden. Neue
Vorschläge kann jedermann auf der Website einreichen.
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NEONAZIS FL
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St. Galler Tagblatt 4.3.10
Rechtsradikale Schatten über dem Fürstentum
Mehrere Brandanschläge und die Gründung einer
rechtsradikalen Gruppierung: Im Fürstentum Liechtenstein ist die
heile Welt aus den Fugen geraten.
Jara Uhricek/SDA
Vaduz. Erst letzten Freitag wurde ein Kebab-Bistro in Nendeln durch
Molotowcocktails verwüstet. Es handelt sich um den zweiten
Brandanschlag im gleichen Ort innert dreier Monate. Bereits Ende
November 2009 hatten Unbekannte Molotowcocktails gegen zwei
Wohnhäuser in Nendeln geworfen. Hausbewohner konnten die Flammen
löschen, bevor grösserer Schaden entstand.
Schafskopf vor der Türe
Ein weiterer Anschlag ereignete sich vergangenen September in
Triesen: Unbekannte sprengten den Briefkasten einer liechtensteinischen
Familie und deponierten vor den Trümmern einen abgeschnittenen
Schafskopf. In allen Fällen fand die Polizei keine Hinweise auf
die Täterschaft, wie Sprecherin Tina Enz sagt. Daher könne
man weder eine Verbindung zwischen den drei Fällen noch eine zu
rechtsextremen Kreisen bestätigen. Der Verdacht auf rechtsradikale
Täter ist laut der Tageszeitung "Liechtensteiner Volksblatt"
zumindest beim ausgebrannten Kebab-Bistro naheliegend. Die Tendenz zu
Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund und zur Diskriminierung von
Minderheiten sei unverkennbar, so die Zeitung.
Rechtsradikale rekrutieren
So zirkulieren im "Ländle" Flugblätter mit
ausländerfeindlichem Inhalt. Plakate, die für Respekt
gegenüber Schwulen und Lesben werben, wurden zerstört. "Man
darf es nicht unter den Tisch kehren. Es gibt Rechtsradikale in
Liechtenstein", so Polizeisprecherin Enz. Erst kürzlich habe die
Polizei von einer rechtsradikalen Vereinigung in Eschen erfahren.
Mitglieder seien regelrecht rekrutiert worden. Der jüngste Vorfall
mit dem Anschlag auf das Bistro in Nendeln ist auch in der Regierung
ein Thema. Regierungsrat Hugo Quaderer sagt: "Wir wissen, dass
rechtsextreme Einstellungen bis weit in die Mitte der Gesellschaft in
Liechtenstein verbreitet sind." Er rief dazu auf, Rechtsextremismus in
keiner Form zu tolerieren. "Wir sind jeden Tag aufs neue gefordert, Mut
und Zivilcourage zu zeigen", so Quaderer.
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Liechtensteiner Vaterland 4.3.10
Brandanschlag aufs Schärfste verurteilt
Den Brandanschlag mit Molotow-Cocktails auf ein kurz vor der
Eröffnung stehendes Kebab-Bistro in Nendeln vom vergangenen
Freitag verurteilt die liechtensteinische Regierung auf Schärfste.
Von Günther Fritz
Es handelt sich um den dritten Anschlag mit einfach herstellbaren
Brandsätzen im gleichen Ort innert dreier Monate. Ende November
2009 hatten Unbekannte Molotow-Cocktails gegen zwei Wohnhäuser in
Nendeln geworfen. Hausbewohner konnten die Flammen löschen, bevor
grösserer Schaden entstand.
Obwohl noch nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass diese
Gewaltakte von einer Täterschaft verübt worden sind, die
einem rechtsextremen Gedankengut anhängt, sprechen die
Umstände für solche Motive.
"Absolut nicht entschuldbar"
Innenminister Hugo Quaderer erklärte anlässlich des
gestrigen Mediengesprächs zu dieser Gewalttat: "Von der
politischen Seite lassen wir keine Zweifel offen. Die Regierung
verurteilt solche Vorfälle aufs Schärfste. Das ist absolut
nicht entschuldbar."
Die Regierung wisse, dass rechtsextreme Einstellungen tief in der
liechtensteinischen Gesellschaft verbreitet seien. "Vielfach wird
dieser Bereich leider immer noch verharmlost", sagte Regierungsrat Hugo
Quaderer. Das aktuelle Gewaltdelikt in Nendeln, bei dem eine noch
unbekannte Täterschaft zuerst die Fenster des kurz vor der
Eröffnung stehenden Cafés mit Steinen eingeschlagen und
anschliessend Molotow-Cocktails ins Innere geworfen hatte, werde von
der Landespolizei mit grossem personellen und auch materiellen Einsatz
konsequent verfolgt.
Beherzt hinschauen
Dazu Innenminister Hugo Quaderer weiter: "Die jeweilige
Rechtsgrundlagen werden entsprechend klar, zusammen mit der
Staatsanwaltschaft, angewendet. Wir sind uns auch einig, dass die
Justiz mit allen rechtsstaatlichen Mitteln durchgreifen wird."
Regierungsrat Hugo Quaderer appellierte an die Bevölkerung,
solche Gewalttaten nicht zu verharmlosen und beherzt und engagiert
"gegen jede noch so kleine rechtsextremistische Ideologie" vorzugehen.
"Ohne das Engagement der Zivilgesellschaft können wir keinen
nachhaltigen Erfolg erzielen", sagte Quaderer. Die Regierung bittet die
Bevölkerung, bei solchen Vorfällen hin- statt wegzusehen.
"Wir sind jeden Tag aufs Neue gefordert, Mut und Zivilcourage zu
zeigen."
Seite 3 und Kommentar
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"In keiner Form zu tolerieren"
"Rechtsextremismus ist in keiner Form zu tolerieren", sagte
Innenminister Hugo Quaderer am gestrigen Mediengespräch der
Regierung. Den jüngsten Brandanschlag auf ein Kebab-Bistro in
Nendeln verurteilte er aufs Schärfste.
Von Günther Fritz
Das aktuelle Gewaltdelikt in Nendeln vom vergangenen Freitag, bei
dem eine noch unbekannte Täterschaft zuerst die Fenster des kurz
vor der Eröffnung stehenden Cafés mit Steinen eingeschlagen
und anschliessend Molotow-Cocktails ins Innere geworfen hatte, werde
von der Landespolizei mit grossem personellen und auch materiellen
Einsatz konsequent verfolgt. "Die Abklärungen und Untersuchungen
laufen auf Hochtouren", sagte Innenminister Hugo Quaderer gestern vor
den Medien in Vaduz. Der Anschlag sei auch unmittelbar nach der
Tatbestandsaufnahme von der Landespolizei bei der Staatsanwaltschaft
zur Anzeige gebracht worden.
Reihe von Gewalttaten
Der jüngste Brandanschlag ist nicht der erste dieser Art in
Nendeln. Bereits Ende November 2009 gab es gleich zwei
Brandanschläge mit Molotow-Cocktails in einer Nacht. Damals wurde
zuerst ein Molotow-Cocktail gegen ein Haus geworfen. Der Wurfbrandsatz
prallte damals am Fenster ab und brannte ausserhalb des Gebäudes
ab. Trotzdem entstand erheblicher Sachschaden an der Hausfassade. Kurze
Zeit später wurde ein weiterer Brandsatz auf einen Balkon eines
Wohnhauses geworfen. Dadurch gerieten mehrere Objekte in Brand. Die
Hausbewohner konnten das Feuer rechtzeitig löschen. Auch hier
entstand erheblicher Sachschaden. Ein weiterer Anschlag ereignete sich
vergangenen September in Triesen: Unbekannte sprengten den Briefkasten
einer liechtensteinischen Familie und deponierten vor den Trümmern
einen abgeschnittenen Schafskopf. In allen Fällen fand die
Landespolizei keine Hinweise auf die Täterschaft, wie Sprecherin
Tina Enz der Nachrichtenagentur SDA sagte. Daher könne man weder
eine Verbindung zwischen den drei Fällen noch eine zu
rechtsextremen Kreisen bestätigen.
Benzinkanister: Heisse Spur?
Inzwischen wurde in Nendeln ein Benzinkanister gefunden, der
möglicherweise im Zusammenhang mit dem Brandanschlag vom Freitag
auf das türkische Bistro stehen könnte. Gemäss
Landespolizei könnte ein Tatzusammenhang bestehen.
Hinschauen und nicht wegschauen
Obwohl noch nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass die
Brandanschläge mit Molotow-Cocktails von einer Täterschaft
mit rechtsextremem Gedankengut verübt worden sind, sprechen die
Umstände für solche Motive. Regierungsrat Hugo Quaderer
appellierte an der Medienkonferenz an die Bevölkerung, solche
Gewalttaten nicht zu verharmlosen und beherzt und engagiert "gegen jede
noch so kleine rechtsextremistische Ideologie" vorzugehen. "Ohne das
Engagement der Zivilgesellschaft können wir keinen nachhaltigen
Erfolg erzielen", sagte Quaderer. Die Regierung bitte die
Bevölkerung, bei solchen Vorfällen hin- statt wegzusehen.
"Wir sind jeden Tag aufs Neue gefordert, Mut und Zivilcourage zu
zeigen."
Keine Patentrezepte
Einen richtigen Königsweg bei der präventiven
Bekämpfung extremistischen Gedankenguts gebe es leider nicht. Doch
stehe fest, so Regierungsrat Quaderer vor den Medien, "dass nicht nur
der Staat, sondern auch alle Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner
aufgefordert sind, engagiert vorzugehen, wenn es darum geht,
fremdenfeindlichen Äusserungen und Handlungen Einhalt zu gebieten."
Verstärkte Aufklärung über Formen von
Rechtsextremismus und breite bürgerschaftliche Netzwerkbildung
würden helfen, rechte und gewalttätige Tendenzen im Keim zu
ersticken. Das zeigten die Erfahrungen aus der Praxis. "Es gibt
durchaus bewährte Aktionen gegen Rechtsextremismus, wenn auch
keine Patentrezepte", führte Innenminister Hugo Quaderer weiter
aus.
Massnahmenkatalog in Arbeit
Anfang November 2009 hat die Regierung zusammen mit der
Gewaltschutzkommission die Ergebnisse der Studie "Rechtsextremismus in
Liechtenstein" präsentiert. Auf der Basis der Studienergebnisse
wird die Gewaltschutzkommission bis Ende dieses Monats einen konkreten
Massnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus erarbeiten. Wie Regierungsrat
Hugo Quaderer vor den Medien weiter ausführte, waren Vorfälle
aus den Jahren 2004 (Massenschlägerei Monsterkonzert) und 2008
(Oktoberfest in Mauren) der Grund für die Studie und die daraus
abzuleitenden Massnahmen.
Aufklärungsarbeit notwendig
Nach Ansicht von Regierungsrat Hugo Quaderer wäre es
unzureichend, bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nur auf
repressive Massnahmen zu setzen. Insbesondere junge Menschen
müssten im Umgang mit rechtsextremistischen Inhalten ausreichend
sensibilisiert sein. Deshalb habe die geistig-politische
Auseinandersetzung und die gesellschaftliche Aufklärung Vorrang.
Toleranz und Weltoffenheit seien grundlegende staatliche Werte in
Liechtenstein. "Deshalb dürfen Extremismus, Rassismus und
Antisemitismus keine Chance in Liechtenstein haben."
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ANTIREP ÖSTERREICH
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Basler Zeitung 4.3.10
Prozess sorgt für Proteste in Wien
Tierschützer fallen unter Mafia-Artikel
Gelächter
Schmunzelnde Angeklagte vor Gericht sieht man nicht oft. Im
Landesgericht von Wiener Neustadt gab es aber zum Auftakt eines
aufsehenerregenden Prozesses gegen 13 Tierschützer gleich mehrmals
Gelächter. Als schliesslich die Klänge von Edith Piafs "Je ne
regrette rien" (Ich bereue nichts) von einer Protestkundgebung in das
Gebäude drangen - dies gerade als die Anklage Straftaten
auflistete -, musste selbst der Staatsanwalt grinsen. Grund für
die Aufregung und die Proteste gegen den Prozess: Sechs der
beschuldigten Tierschützer sind nach dem sogenannten Mafia-Artikel
wegen der Beteiligung an einer "kriminellen Organisation" angeklagt.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Sabotage und Brandanschläge
gegen die Pelz- und Fleischindustrie vor. Die Angeklagten beteuern
jedoch ihre Unschuld.
Keine Beweise
Es gebe keine Beweise für die Existenz einer kriminellen
Organisation, kritisierte die Tierrechtsorganisation Peta Deutschland
das Verfahren, das noch 34 Tage dauert. Die Demonstranten
befürchten, dass der Tierschutz durch die Härte des
Verfahrens mundtot gemacht werden soll. "Lästige Zivilgesellschaft
und organisierte Kriminalität sind zwei Dinge, die sauber
auseinanderzuhalten sind", sagte der Generalsekretär von Amnesty
International Österreich. DPA
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Blick 4.3.10
13 Tierterroristen in Wien vor Gericht
Spätestens seit den Anschlägen gegen Novartis-Chef
Daniel Vasella gelten einige österreichische Tierschützer als
kriminell.
Jetzt wird einer Aktivisten-Gruppe der Prozess gemacht. Insgesamt
13 Tierschützer stehen seit Dienstag in Wien vor Gericht.
Sie sollen einen Zirkus in Brand gesteckt und
Buttersäure-Anschläge auf mehrere Modeketten verübt
haben.
Dabei seien laut Staatsanwaltschaft Schäden in
Millionenhöhe entstanden.
Die radikalen Tierschützer gehören ursprünglich
verschiedenen Organisationen an. Sie sollen sich aber zu einer
"kriminellen Organisation" zusammengefunden haben, so Staatsanwalt
Wolfgang Handler, und eine "perfide Doppelstrategie" verfolgt haben:
nach aussen legales Engagement für den Tierschutz, daneben
Organisation von Anschlägen, Drohungen und Stalking, um Firmen in
die Knie zu zwingen.
Ziel der militanten Tierschützer sei es unter anderem, die
Modeindustrie zum Verkaufsstopp von Pelzen zu zwingen.
Alle Beschuldigten haben sich am ersten Prozesstag für nicht
schuldig erklärt. Der Hauptangeklagte Martin Balluch (45)ist
Geschäftsführer des "Vereins gegen Tierfabriken" und sitzt
bereits seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft.
Ob einer der Angeklagten Kontakt zur militanten
Tierschutzorganisation MFAH (Militant Forces against Huntingdon Life
Science) hat, ist nicht bekannt. Aktivisten der MFAH Austria hatten
sich im August 2009 zu dem Brandanschlag auf das Tiroler Jagdhaus von
Novartis-Chef Daniel Vasella (56) bekannt.
In ihrem Schreiben forderten die Tier-Terroristen damals, dass
sich Novartis vom Tierversuchslabor Huntingdon Life Science (HLS)
zurückzieht.
Der Prozess gegen die 13 militanten Tierschützer in Wien
wird heute fortgesetzt. Den Angeklagten drohen bis zu 5 Jahre Haft.
Anna Vonhoff
---
Radio Orange (Wien) 3.3.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20100303-wirsindall-32541.mp3
Wir sind alle §278a! Kriminalisierung von politischen
Aktivist_innen und NGO in Österreich. Beginn des Prozesses gegen
Tierrechtler_innen.
Kurze Information über den am 2. März begonnenen Prozess
gegen Tierrechtler_innen in Österreich, Ausschnitte aus einem
Interview mit Betroffenen, Ausschnitte aus Solidemo.
Art
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Radiofabrik (Salzburg) 3.3.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20100303-prozessgege-32539.mp3
Prozess gegen TierrechtsaktivistInnen in Österreich
In Wiener Neustadt hat diese Woche der umstrittene und auf ein halbes
Jahr anberaumte Prozess gegen insgesamt 13 Tierrechtler begonnen.
Umstritten ist der Prozess deshalb, weil nach dem so genannten
Mafia-Paragrafen 278 verhandelt wird. Den Angeklagten wird unter
anderem die Gründung einer kriminellen Organisation vorgeworfen.
Im österreichischen Konsulat in München haben sich
unterdessen AktivistInnen angekettet, um auch im Ausland auf die
Vorgänge in Österreich aufmerksam zu machen. Thomas
Putzgruber vom Verein Respektiere war einer dieser Aktivisten, auch
gegen ihn wurde im Vorfeld des Prozesses ermittelt. Im Inteview mit der
Radiofabrik berichtet er über die Hintergründe der
Protestaktion in München.
http://www.respektiere.at
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ANTI-ATOM
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Südostschweiz 4.3.10
Italien plant AKW an Bündner Grenze
Die Bündner Regierung wünscht Auskunft über ein
italienisches Atomkraftwerkprojekt. Grund für das Interesse ist
der AKW-Standort nahe der Grenze zu Graubünden.
Chur/Rom. - In Italien gibt es heute keine Atomkraftwerke, das
letzte italienische AKW wurde vor genau 20 Jahren abgeschaltet. Nun
will das Land aber zur Atomkraft zurückkehren. Als AKW-Standort
steht Colico am nördlichen Comersee zur Diskussion, wie Radio
Grischa gestern vermeldete. Der Standort befindet sich in unmittelbarer
Nähe zum Kanton Graubünden. Für den Standort Colico
spricht die Nähe zu Hochspannungsleitungen und zum grössten
Uranvorkommen Europas in Val Vedello sowie der See wegen des
Kühlwassers.
Graubünden will Informationen
In Italien wird derzeit eine intensive Kontroverse über die
AKW-Pläne geführt. In der Schweiz und in Graubünden ist
das Thema noch kaum bekannt. Die Bündner Regierung wolle sich
darüber informieren, wie weit der Vorschlag bereits gediehen sei,
sagte Regierungsrat Stefan Engler auf Anfrage. In der Schweiz gibt es
die fünf Atomkraftwerke Beznau 1 und 2, Mühleberg, Leibstadt
und Gösgen. (so)
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MANI PORNO FOR STADTPRESIDENT
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Bund 4.3.10
Misstöne Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp)
singt wüste Lieder über Christoph Blocher und löst eine
kleine Affäre aus.
Tschäppäts heimliche Schwäche
Bernhard Ott
Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp)
ist in letzter Zeit fast in Vergessenheit geraten. Die lokale
Bühne wird von FDP-Stadtrat Philippe Müller und seiner
Initiative zur Erhöhung der Polizeipräsenz dominiert. Aber
Tschäppät hat sich zurückgemeldet - und sorgt mit einem
fulminanten Auftritt gleich für nationales Aufsehen, wie gestern
auf Newsnetz.ch nachzulesen war. Offensichtlich trunken -
natürlich vor Euphorie über den YB-Sieg gegen den FCZ -, ist
er letzten Samstag auf die Bühne des linken Quartierschuppens
"Luna Llena" gestolpert, um dort in einer Art Heimspiel Lieder von
nicht zitierfähigem Inhalt über SVP-Aushängeschild
Christoph Blocher zu singen. Assistiert wurde er dabei von der
komödiantischen Trashband Mani Porno, die auf die Enthemmung des
Stadtpräsidenten spezialisiert ist. So tanzte Tschäppät
vor zwei Jahren an einer Late-Night-Show spontan zu den Klängen
des Duos auf. Die Show stand unter dem Motto "Elder Statesmen".
Vom Staatsmännischen ist nach dem letzten Samstag allerdings
nicht mehr viel übrig. Tschäppäts Auftritt sei
"unwürdig" und schade dem Ansehen der Stadt, liess ebenjener
Philippe Müller verlauten, der zurzeit nicht nur eine Abstimmung
gewinnen, sondern auch ins Kantonsparlament gewählt werden will.
Dankbar für den Steilpass zeigte sich auch SVP-Grossratskandidat
Erich Hess, der Tschäppät zum Rücktritt aufforderte. Die
SP tut, was sie tun muss, und gibt sich zerknirscht ob der
"unüberlegten Aktion". Tschäppäts Partei vermutet, dass
ihr Aushängeschild der Euphorie anheimgefallen sei, die im "Luna
Llena" geherrscht habe. Schliesslich nahm sogar Blocher selber Stellung
und liess über sein Sekretariat ausrichten, dass er keine
"primitiven Aussagen" kommentiere.
Tschäppät selber bekannte, er habe "teilweise
mitgesungen", und entschuldigte sich schon mal präventiv. Dabei
hat Berns starker Mann doch seit Jahren eine heimliche Schwäche
für den starken Mann der SVP. Als Tschäppät der
Eröffnungsfeier der Hodler-Ausstellung im Kunstmuseum Bern
fernblieb, weil Hodler-Sammler Blocher im Patronatskomitee sass,
stimmte die Tonlage, und der Applaus kam vom "richtigen" Publikum.
Hodler sei "kein Reaktionär" gewesen, wetterte Tschäppät
und brach eine Lanze für die Kunstförderung, die im
rot-grünen Bern doch so vorbildlich gepflegt werde. "Diese Haltung
unterscheidet uns von jener Partei, die für sich Respekt verlangt
und den anderen Respekt verweigert", sagte der Berner
Stadtpräsident.
---
BZ 4.3.10
Tschäppäts Entgleisung
Ein Fehltritt Alexander Tschäppäts (SP) nach dem
YB-Match am vergangenen Samstag sorgt für heftige Kritik,
Rücktrittsforderungen - und eine Entschuldigung seitens des Berner
Stadtpräsidenten. Nach dem Last-Minute-Sieg der Gelb-Schwarzen
gegen Zürich fand im Restaurant Luna Llena eine YB-Fan-Party
statt. Dort mischte sich Tschäppät gut gelaunt unter die
Gäste. Als die Kultband Mani Porno einen Anti-SVP-Song anstimmte,
sang Alexander Tschäppät auf der Bühne mit - und
diffamierte öffentlich die beiden alt Bundesräte Christoph
Blocher sowie Sämi Schmid. tob
Seite 19+32
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Nach YB-Sieg
Tschäppäts Fehltritt beim Feiern
Bei einer Fanfeier nach dem YB-Sieg gegen Zürich hat
Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) Christoph
Blocher und die SVP öffentlich diffamiert: Beim Song "Sämi
Schmid Motherfucker" der Band Mani Porno sang er mit.
Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) hat
nach dem Heimsieg von YB gegen Zürich am letzten Samstag auf den
Putz gehauen. Im Berner Restaurant Luna Llena stieg nach dem Spiel die
Party. Die Stimmung nach dem wichtigen Erfolg im Meisterrennen war
euphorisch, der Alkohol floss in Strömen.
Die Mundart-Trashband Mani Porno heizte den rund 100 Anwesenden
ein. Wie Augenzeugen sowie der "Berner Bär" berichten, wurde
Tschäppät während des Konzerts auf die Bühne
gerufen. Zusammen mit den Musikern stimmte er zur Belustigung des
Publikums in den Gesang ein. Damit man Tschäppät auch gut
hören konnte, hielt ihm der Mani-Porno-Sänger das Mikrofon
hin. Mani Porno stimmten ihren Politsong mit der Zeile "Sämi
Schmid Motherfucker" an - und Stadtpräsident Tschäppät
sang mit. Den Refrain schmückte er schliesslich mit dem Namen von
SVP-Aushängeschild Christoph Blocher aus.
Das Publikum honorierte den Auftritt des Berner Politpromis mit
Sprechchören: "Allez, allez, üse Stapi isch okay!" Von der
Euphorie des Publikums angestachelt, setzte der volksnahe
Stadtpräsident noch einen drauf: Für den Fall einer
YB-Meisterfeier versprach er ein Konzert von Mani Porno auf der
Terrasse des Bundeshauses.
"Ich habe mitgesungen"
"Ja, ich habe mit der Band auf der Bühne mitgesungen",
räumt Alexander Tschäppät ein. Das Lied sei gegen die
SVP gerichtet gewesen. "Die Band hat den Text vorgegeben. Ich habe
teilweise mitgesungen." Tschäppät sagte, er habe sich von der
Jubelstimmung nach dem YB-Sieg anstecken lassen. Die Bar sei voller
YB-Fans gewesen, es sei geblödelt worden, und viele Lieder wurden
angestimmt. "Dabei wurde auch ich von den Leuten hochgenommen."
Er sei ob des politisch unkorrekten Verhaltens des
Stadtpräsidenten erschrocken, sagte ein Zuschauer gegenüber
der Onlineplattform www.bernerzeitung.ch "Der Auftritt war einfach
daneben", so der 34-Jährige.
Öffentliche Entschuldigung
Berner Politiker verurteilen Alexander Tschäppäts
Auftritt. "Er macht dauernd den Pausenclown, statt in Bern die Probleme
zu lösen", ärgert sich FDP-Fraktionspräsident Philippe
Müller. Sich so in der Öffentlichkeit zu verhalten sei eines
Stadtpräsidenten "unwürdig". Die städtische SVP fordert
gar den Rücktritt von Tschäppät als Stadtpräsident.
"Langsam, aber sicher wird er untragbar", sagt Fraktionspräsident
Erich J.Hess.
Selbst aus dem linken Lager kommt leise Kritik: Stéphanie
Penher, Co-Fraktionspräsidentin des Grünen Bündnisses,
bezeichnet Tschäppäts Verhalten als "unglücklich, jedoch
als kein Politikum". In Bern müsste über andere Probleme
diskutiert werden. Als eine "unüberlegte Aktion" taxiert die SP,
Tschäppäts Partei, den Vorfall. Er habe sich von der Euphorie
mitreissen lassen, sagt SP-Fraktionspräsidentin Giovanna
Battagliero. "Zum Glück zählt als Stadtpräsident jedoch
der politische Leistungsausweis."
Alexander Tschäppät selber hat sich gestern
öffentlich für seine Entgleisung entschuldigt: "Falls sich
jemand angegriffen fühlt, dann tut mir das leid. Es war unsensibel
von mir, dass ich mich auf die Bühne bitten liess."
Christian Liechti/tob
Umfrage: Darf ein Stadtpräsident öffentlich bei einem
solchen Lied mitsingen? Bei einer Umfrage auf Bernerzeitung.ch sagten
68 Prozent von 343 Personen Nein.
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Nachtleben
YB-Spieler belästigt Frau
Auch die YB-Spieler haben ihren Last-Minute-Sieg gegen
Zürich ausgelassen gefeiert. Zwar nicht im gleichen Lokal wie
Stadtpräsident Alexander Tschäppät, aber ebenfalls mit
einer Entgleisung. Gemäss "Blick am Abend" hat YB-Jungstar
François Affolter im Berner Club Du Théâtre der
She-DJ Carol Fernandez unter den Rock gegriffen. Affolters Strafe: eine
"schallende Ohrfeige", ausgeteilt von der Belästigten. Die Young
Boys sprachen zudem eine Busse aus, wie Pressesprecher Albert
Staudenmann auf Anfrage bestätigt.
pd
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20 Minuten 4.3.10
Berns Stapi grölt Anti-Blocher-Song
BERN. Nach dem Sieg von YB gegen Zürich letzten Samstag
leistete sich der Berner Stadtpräsident Alexander
Tschäppät einen Fauxpas: Er schwang sich beim Feiern im Lokal
Luna Llena zur Band auf die Bühne und grölte vor hundert
YB-Fans "Sämi Schmid Motherfucker" und "Christoph Blocher
Motherfucker". Berner Politiker sind entrüstet. Erich Hess,
SVP-Fraktionspräsident im Stadtrat: "Diese Aktion bringt das Fass
zum Überlaufen. Rücktritt!"
Seite 6
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"Stapi Tschäppät ist faktisch nicht haltbar"
BERN. Der Berner Stapi Alexander Tschäppät besang die
Ex-Bundesräte Blocher und Schmid als "Motherfuckers".
Politiker-Reaktionen fallen heftig aus.
Fast schon zügellose Euphorie erfasste den Berner Stapi
Alexander Tschäppät nach dem YB-Sieg über den FC
Zürich am Samstag: Nach dem Match schwang er sich laut
News-netz.ch auf die Bühne des Berner Lokals Luna Llena und besang
gemeinsam mit der Band Mani Porno die Ex-Bundesräte Christoph
Blocher und Samuel Schmid als "Motherfuckers".
Der Stadtpräsident erklärte sich gestern gegenüber
20 Minuten online: "Es war so ein schwerer Match gegen Zürich: Als
wir gewonnen haben, sind mir kurz die Sicherungen durchgebrannt." Er
wolle sich für sein Mitsingen bei den Beleidigten entschuldigen,
"vielleicht nicht gerade mit Blumen und Pralinen".
Berner Politiker reagieren harsch auf die Eskapade des Stapis:
"Es ist beschämend für ihn selbst und schlicht daneben
für einen Stadtpräsidenten. Tschäppät ist faktisch
nicht haltbar", so der Berner BDP-Stadtrat Thomas Begert. Auch Adrian
Amstutz, Berner Nationalrat und Vizepräsident der SVP Schweiz, hat
kein Verständnis: "Herr Tschäppät hat sich mit dieser
Aktion selber disqualifiziert. Vom Präsidenten der
Bundeshauptstadt erwarte ich ein vorbildliches Verhalten."
FDP-Nationalrat und Ex-Berner-Stadtrat Christian Wasserfallen geht noch
weiter: "Der Rücktritt wird jetzt immer dringlicher. Mit
Tschäppät sitzt eine sehr schwache Person an der Spitze. Er
zieht unsere Stadt ins Lächerliche." Giovanna Battagliero,
SP/Juso-Fraktionspräsidentin im Stadtrat, bezeichnet den Auftritt
als "unüberlegt". gSC
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Weltwoche 4.3.10
Personenkontrolle
Gross, Lumengo, Tschäppät, Schawinski, Lebrument
(...)
Für zotige Sprüche und billige Anmache von Frauen jeglichen
Alters ist Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät
("Ich habe den schnellsten Finger von ganz Europa") weit über den
Perimeter der Hauptstadt hinaus bekannt. Die jüngste Novelle im
rauschenden Leben des Berner Stapi ereignete sich vergangenes
Wochenende unweit des Stade de Suisse. Beschwingt durch den
2:1-Zittersieg der Young Boys über den FCZ verschlug es den
feuchtfröhlichen Magistraten in die Quartierbeiz "Luna Llena", wo
die Berner Guerilla-Band Mani Porno aufspielte. Unaufgefordert
stürmte Tschäppät die Bühne und grölte den
Refrain ihres Gassenhauers: "Sämi Schmid Motherfucker", wie im
Fussball-Blog "Zum Runden Leder" mit Begeisterung protokolliert wurde.
Der Herr Stapi bewies Ausdauer, kämpfte sich Strophe für
Strophe durch die Volksweise, bis zum ominösen "Christoph Blo . .
.". Da packte "Tschäppu" offenbar das schlechte Gewissen:
"Christoph Blocher Motherfucker . . . nei, das darfi nid singe!"
geh
(...)
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bernerzeitung.ch 3.3.10
Tschäppäts Auftritt lässt Christoph Blocher kalt
Christian Liechti
Das Spiel YB gegen Meister Zürich hat für Berns
Stadtpräsident Alexander Tschäppät ein Nachspiel: Die
Berner Parteien verurteilen, dass Tschäppät an einer Party
nach dem Spiel Christoph Blocher (SVP) diffamierte. Der Alt-Bundesrat
äussert sich nicht.
"Alexander Tschäppät macht dauernd den Pausenclown,
statt in Bern die Probleme zu lösen", ärgert sich
FDP-Fraktionspräsident Philippe Müller über den Auftritt
des Stadtpräsidenten nach dem YB-Heimspiel gegen Zürich. Sich
so in der Öffentlichkeit zu verhalten sei eines
Stadtpräsidenten "unwürdig" und schade dem Ansehen der ganzen
Stadt. "Tschäppät muss sich überlegen", so Müller,
"ob er Eventmanager oder Stadtpräsident ist."
SVP Bern fordert Rücktritt
Für die SVP der Stadt Bern ist der Auftritt ein gefundenes
Fressen: Fraktionspräsident Erich J. Hess fordert gar den
Rückritt von Tschäppät als Stadtpräsident. "Langsam
aber sicher wird er untragbar", sagt Hess.
Stéphanie Penher, Co-Fraktionspräsidentin GB/Ja,
bezeichnet Tschäppäts Verhalten als "unglücklich, jedoch
als kein Politikum". In Bern müssten über andere Probleme
diskutiert werden als über den Auftritt des Stapis nach einem
YB-Spiel. Penher gibt jedoch zu bedenken, dass es nicht immer einfach
sei, die Rolle des Stadtpräsidenten mit der des Privatmanns zu
trennen.
SP: "eine unüberlegte Aktion"
Als eine "unüberlegte Aktion" taxiert Tschäppäts
Partei den Vorfall. Er habe sich von der Euphorie mitreissen lassen,
sagt SP/Juso-Fraktionspräsidentin Giovanna Battagliero. "Zum
Glück zählt als Stadtpräsident jedoch der politische
Leistungsausweis."
Kein Kommentar zu "primitiven Aussagen"
Und was sagt der betroffene Alt-Bundesrat Christoph Blocher (SVP)
zum Bühnenauftritt von Stadtpräsident Alexander
Tschäppät? Blocher - lässt sein Sprecher ausrichten -
nehme zu "primitiven Aussagen" keine Stellung.
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20min.ch 3.3.10
Tschäppäts wilde Siegesfeier
"Mir sind die Sicherungen durchgebrannt "
von Joel Bedetti
Nach dem samstäglichen YB-Sieg gegen den FC Zürich schwang
sich der YB-Fan und Berner Stapi Alexander Tschäppät auf die
Bühne und besang SVP-Grössen als "Motherfuckers".
Gegenüber 20 Minuten Online erklärt er, was ihn dazu bewogen
hat.
http://www.20min.ch/news/bern/story/26108355
Immer für einen guten Spass zu haben: Berner Stapi Alexander
Tschäppät (unter der Bierdose) mit FC-Sion Fans.
(Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Wie die Berner Zeitung Online gestützt auf Blogs heute berichtet,
leistete sich der fussballbegeisterte Berner Stapi Alexander
Tschäppät (SP) am vergangenen Samstag einen kleineren
Fehltritt.
Nach dem 2:1-Sieg der Young Boys gegen den FC Zürich feierten
hundert YB-Fans im Lokal Luna Llena. Dort spielte die Kultband Mani
Porno auf. Der Sänger bat den populären Tschäppät
auf die Bühne, wo er das Mikrofon in die Hand nahm und einen Song
mit dem Refrain "Sämi Schmid Motherfucker" respektive "Christoph
Blocher Motherfucker" mitgrölte.
Obwohl er am Telefon nicht so jovial wie auch schon klang, nahm sich
Alexander Tschäppät ein paar Sekunden Zeit, sich
gegenüber 20 Minuten Online zu erklären.
20 Minuten Online: Herr Tschäppät, wie fühlen Sie sich
heute? Irgendwie verkatert?
Alexander Tschäppät: Nein. Das war Euphorie, es war Party,
ich habe über die Stränge geschlagen. Ich muss aber sagen:
Das Lied war nicht von mir, ich habe lediglich mitgesungen.
Haben Sie sich bei den "Motherfuckers" Blocher und Schmid schon
entschuldigt?
Nein, derzeit noch nicht, aber das werde ich bald nachholen.
Schicken Sie denen Blumen oder Pralinen?
Nein, das vielleicht nicht gerade, aber in irgendeiner Form werde ich
mich mit ihnen in Verbindung setzen.
Eigentlich schon erstaunlich: Wie kann man mit so viel politischer
Erfahrung in ein solches Fettnäpfchen treten?
Ich sage nochmals: Ich war euphorisch, das war nicht böse gemeint.
Es war so ein schwerer Match gegen Zürich, als wir gewonnen haben,
sind mir kurz die Sicherungen durchgebrannt.
Glauben Sie, die Berner werden Ihnen den Auftritt verzeihen?
Ja. Ich denke nicht, dass das jetzt zum politischen Thema wird. Sie
dürfen auch nicht vergessen, was Blocher schon an Tiraden
ausgeteilt hat. Trotzdem: Es war unnötig.
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Tschäppät entschuldigt sich für heikle Aussage zu Blocher
Christian Liechti/tob
Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) hat
nach dem Meisterschaftsspiel YB gegen Zürich an einer Party
Christoph Blocher öffentlich diffamiert. Jetzt entschuldigt sich
Tschäppät.
Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät hat nach
dem Heimsieg von YB gegen Zürich mächtig auf den Putz
gehauen. Im Berner Restaurant Luna Llena stieg nach dem Spiel die
Party. Die Stimmung nach dem wichtigen Erfolg im Meisterrennen war am
Kochen, der Alkohol floss in Strömen.
Die Mundart-Trash-Band Mani Porno heizte den rund 100 Anwesenden
zusätzlich ein. Wie mehrere Augenzeugen berichten, wurde
Stadtpräsident Tschäppät im Verlauf des Konzerts auf die
Bühne gerufen. Zusammen mit den Musikern stimmte er zur
Belustigung des Publikums in den Gesang mit ein.
Der Stadtpräsident am Mikrofon
Damit man Tschäppät auch gut hören konnte, hielt
ihm der Mani Porno-Sänger das Mikrofon hin. Mani Porno stimmten
ihren Polit-Song mit der Zeile "Sämi Schmid motherfucker" an und
Stadtpräsident Tschäppät sang mit. Den Refrain
schmückte er schliesslich mit dem Namen von
SVP-Aushängeschild Christoph Blocher aus. Und dies gleich
mehrmals, wie mehrere unabhängige Quellen bestätigen.
Sprechchor für Tschäppäts Leistung
Das Publikum honorierte den Auftritt des Berner Polit-Promis mit
Sprechchören: "Allez, allez, üse Stapi isch okay!". Von der
Euphorie des Publikums angestachelt, setzte der volksnahe Stapi noch
einen drauf: Für den Fall einer YB-Meisterfeier versprach er ein
Konzert von Mani Porno auf der Terrasse des Bundeshauses.
Er sei ob des politisch unkorrekten Verhaltens des
Stadtpräsidenten erschrocken, sagte ein Zuschauer gegenüber
bernerzeitung.ch "Der Auftritt war einfach daneben", so der
34-Jährige. Der Vorfall wird inzwischen schon in Weblogs
thematisiert.
Tschäppät bittet um Entschuldigung
"Ja, ich habe mit der Band auf der Bühne mitgesungen", gibt
Alexander Tschäppät zu. "Ich liess mich von der Jubelstimmung
nach dem YB-Sieg anstecken." Die Bar sei voller YB-Fans gewesen, es sei
geblödelt worden und viele Lieder wurden angestimmt. "Dabei wurde
auch ich von den Leuten hoch genommen."
Gegen die SVP gerichtet
"Das angesprochene Lied war gegen die SVP gerichtet. Die Band hat
den Text vorgegeben. Ich habe teilweise mitgesungen."
Nachdem bernerzeitung.ch am Mittwoch den Vorfall mit dem
singenden Stadtpräsidenten publik gemacht hat, entschuldigte sich
Alexander Tschäppät: "Falls sich jemand angegriffen
fühlt, dann tut mir das leid. Es war unsensibel von mir, dass ich
mich auf die Bühne bitten liess."
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Video zum Lied mit der Zeile "Sämi Schmid motherfucker"
http://www.maniporno.ch/movie42.html
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Mani Porno :o)
http://www.maniporno.ch