MEDIENSPIEGEL 4.3.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, Kino)
- Rabe-Info 3.3.10
- Narrenkraut-Anbauschlacht
- Club-Leben-Thun: Nach der Schlägerei
- Müttergruppe Bern: Kollektiv statt Vereinzelung
- Pfeifen gegen Eva Herman
- Zirkuswagen für Randstand Burgdorf?
- Fehlende Haftplätze sorgen für AusschafferInnen-Frust
- Lehrstellen für Sans-Papiers
- Rauchverbot-Regulierungswut
- Offene Kirche: Kunst trotz(t) Armut
- Glossar Rassismus
- Neonazis wüten in Liechtenstein
- Antirep Österreich: Schauprozess gegen TierrechtlerInnen
- Anti-Atom: AKW in Bündner Grenznähe geplant
- Mani Porno for Stadtpresident!

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REITSCHULE    
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Do 04.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: dampfzentrale, Text: Grazia Pergoletti "Dessert"
20.30 Uhr - Tojo - "Im Gange" von 7Elles. Choreografie: Michael Schulz.
20.30 Uhr - Kino - DOK am Donnerstag: Space Tourists, Christian Frei, CH 2009
21.00 Uhr - Rössli-Bar - Side Road Tour: Factor, Kay the Aquanaut Def 3 (Canada) und Zoën (Frankreich). Style: Alternative Hip-Hop

Fr 05.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: dampfzentrale, Text: Grazia Pergoletti "Dessert"
20.30 Uhr - Tojo - "Im Gange" von 7Elles. Choreografie: Michael Schulz.
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde: Por Amor, Isabelle Stüssi, CH 2009
21.00 Uhr - Rössli-Bar - Tsigan (BE), Remy Rem (2.Liga, Labellobby), Arte Brà und DJ Kermit (Boys on Pills), Mr. Thrillin (Cratekemistry Soundsystems). Style: Berner Hip-Hop
22.00 Uhr - Frauenraum - POPSHOP: DJ Photoeffekt (DiscoPopElektro) und DJ Lady Kane (DiscoFunk80iesPopElectro). Women only!

Sa 06.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: dampfzentrale, Text: Grazia Pergoletti "Dessert"
20.30 Uhr - Tojo - "Im Gange" von 7Elles. Choreografie: Michael Schulz.
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde: Wanakam, Thomas Isler, CH 2005
22.00 Uhr - Dachstock - 10 Years USP: Black Hole: Kindzadza (OSOM Music/RUS). Kasatka (active meditation/DE), Tallkirsch (kadesha), Tsunamix (mythos productions), Zenkatsu (USP), Milosz (USP), Stardust (USP), Bassgabe (USP), Ruff (USP), Dusky (USP), Score (plan b), Tex (plan b). Style: Darkpsy, Full Power Trance

So 07.03.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im SousLePont bis 16.00 Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi: Heidi Luigi Comencini, Schweiz 1952
19.00 Uhr - Tojo - "Im Gange" von 7Elles. Choreografie: Michael Schulz.

Infos: http://www.reitschule.ch

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kulturagenda.be 4.3.10

Daniel Kahn macht im Rössli Ringelreihen

Die Geschichte in kurz: Der Detroiter Akkordeonist Daniel Kahn spielt von der Jazz- Lounge-Lizard bis zur Punkparade alles, bevor er seine Bestimmung findet. Es ist eine schwindelerregende Mischung aus Klezmer, Folklore aus dem wilden Osten Europas, Cabaret-Chanson und scharf gebratener Gitarre, aufregend harmonisch abgeschmeckt!
Rössli in der Reitschule, Bern. Mi., 10.3., 20 Uhr

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kulturagenda.be 4.3.10

"Por Amor" von Isabelle Stüssi im Kino in der Reitschule

Im Dokumentarfilm "Por Amor" porträtiert Isabelle Stüssi drei binationale Paare: Drei Frauen haben einen Schweizer Mann geheiratet und dafür ihre Heimat verlassen, darunter Däng aus Thailand (Bild). Der Film thematisiert die Probleme und Klischees, ist aber auch eine Liebeserklärung an die Liebe selbst. Die Regisseurin ist bei der Vorführung anwesend.
Weitere Filme zum Thema Migration zeigt das Kino in der Reitschule bis Ende März.

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RABE-INFO
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Mi. 3.März 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._Maerz_2010.mp3
- Sondersession im Nationalrat1:
wichtiger Entscheid über die Zukunft jugendlicher Sans-Papiers
- Sondersession zum Zweiten: kaum Chance auf Asyl für Homosexuelle
- Kolumbianischer Rap: Los Renacientes mit politischen Botschaften

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NARRENKRAUT
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20 Minuten 4.3.10

Berner Kiffer züchten ihr Gras am liebsten selbst

 BERN. Im Kanton Bern spriesst das Gras: Immer mehr Cannabis-Freunde pflanzen im grossen Stil an. Allein im Februar deckte die Kapo zwölf Indoor-Anlagen auf.

 Über 8500 Hanfpflanzen aus zwölf Indoor-Anlagen hat die Kantonspolizei Bern im Monat Februar im Kanton sichergestellt. Grosse Fische gingen in Steffisburg mit 2000, in Biel mit 1500 und in Ipsach mit 3700 Pflanzen ins Netz. In anderen Fällen handelte es sich um kleine Plantagen zum Eigenkonsum, die etwa in einem Einbauschrank untergebracht waren.

 Szenekenner nennen den Fahndungserfolg der Kapo "einen Klacks". André Fürst von Hanf-info.ch: "In der Schweiz gibt es fast eine Viertelmillion Indoor-Anlagen - und höchstens fünf Prozent werden entdeckt." Der Boom der Pflanzungen in Kellern und Estrichen sei auf die steigende Repression zurückzuführen. "Die Polizei macht schon mit Helikoptern Jagd auf Outdoor-Felder. Darum hat sich der Anbau nach drinnen verlagert."

 Das spürt man auch im Grow-Center Fourtwenty in Bern, wo auf 200 Quadratmetern Grow-Zubehör wie Wärmelampen, Erntehilfen und Ähnliches verkauft wird: "Wir haben mehr Kunden als früher", so Inhaber Michael Mosimann. "Gras auf der Gasse ist auch in Bern immer häufiger mit gesundheitsschädigenden Stoffen wie etwa Bleiverbindungen gestreckt - darum setzen viele auf Eigenanbau."  

Nina Jecker

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Bund 4.3.10

Polizei hebt zwölf Hanf-Anlagen aus

(pkb)

 Allein im Februar hat die Polizei im Kanton Bern zwölf Hanf-Indooranlagen entdeckt. Wie sie gestern mitteilte, hat sie insgesamt über 8500 Pflanzen sowie die Betriebsstrukturen sichergestellt und teilweise bereits vernichtet, wie es in der Mitteilung heisst.

 Gestützt auf umfangreiche Ermittlungen, auf Hinweise aus der Bevölkerung oder gar nach einem Einbruchversuch stiess die Polizei auf die Anlagen. Bei ihnen handelt es sich grösstenteils um professionelle Installationen. Die meisten Hanf-Anlagen befanden sich in Keller- oder Estrichräumen mit gut getarnten Zugängen. Die grössten Anlagen, die jeweils mehrere Räume umfassten, wurden in Kellerräumen in Ipsach (gegen 3700 Pflanzen), in einem Industriegebäude in Steffisburg (rund 2000 Pflanzen) sowie in einem Club in Biel (gegen 1500 Pflanzen) entdeckt. Bei den anderen Anlagen handelt es sich um kleine oder kleinste Vorrichtungen, die beispielsweise in einem Einbauschrank untergebracht waren.

 Zwischen Polizei und Hanfpflanzern hat sich in letzter Zeit ein Katz-und-Maus-Spiel entwickelt (siehe "Bund" vom 13. Februar). In den Jahren 2008 und 2009 hat die Kantonspolizei Bern gemäss eigenen Angaben insgesamt 140 Hanf-Indooranlagen ausgehoben. In diesem Jahr sind es bereits 17.

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Langenthaler Tagblatt 4.3.10

Hanfanbau im Wohnzimmerschrank

 Indooranlagen Kantonspolizei stellt in den ersten zwei Monaten dieses Jahres 17 Anlagen sicher

 Ein Dutzend Hanf-Indooranlagen mit über 8500 Pflanzen stellte die Kantonspolizei alleine im vergangenen Februar sicher. Die Betreiber von weiteren fünf Anlagen waren ihr im Januar ins Netz gegangen.

 Im Vergleich mit den 140 Hanf- Indooranlagen, die zusammen in den beiden Vorjahren ausgehoben wurden, entspricht das in diesem Jahr einer Steigerung von fast 50Prozent. Laut Ursula Stauffer fanden aber keine besonderen Hanf-Polizeiaktionen statt. Polizeiliche Ermittlungen, Kommissar Zufall und Meldungen aus der Bevölkerung, haben gemäss der Sprecherin der Kantonspolizei zum Resultat geführt. Stauffer nennt zwei "Zufall"-Beispiele: "In einem Fall wurde der Polizei ein Einbruch gemeldet, in einem anderen führte ein Alarm wegen Rauchentwicklung zum Hanffund." Zugelangt habe die Polizei auch nach Meldungen aus der Bevölkerung wegen Geruchsimmissionen oder regem Publikumsverkehr.

 Oberaargau nicht betroffen

 Im Februar wurden die grössten Anlagen in einem Industriegebäude in Steffisburg (rund 2000 Pflanzen), in Kellerräumen in Ipsach (3700 Pflanzen) sowie in einem Klub in Biel (1500 Pflanzen) gefunden. "Aus dem Oberaargau war keine Anlage dabei", so Stauffer. Bei den anderen Hanfpflanzungen handelte es sich laut Mitteilung der Kantonspolizei und der zuständigen Untersuchungsrichterämter um kleine oder Kleinstanlagen, die manchmal nur wenige Quadratmeter umfassten. So sei eine Anlage in der Wohnung in einem Einbauschrank untergebracht gewesen.

 Die Blüten der Hanfpflanzen seien für den illegalen Drogenmarkt, für den Eigenkonsum oder als Geschenk im Bekanntenkreis bestimmt gewesen. Die meisten Pflanzen seien nach Zustimmung der Betroffenen unverzüglich vernichtet worden. Wer hat die Anlagen betrieben? "Es sind Leute aus allen Kreisen und Schichten", sagt Stauffer. Sie seien alle verzeigt worden. Das Strafmass sei Sache des Richters.

 André Fürst, der Gründer von Hanf-Info, relativiert die Erfolge der Polizei. "Wir schätzen, dass in der Schweiz etwa 2500 Indooranlagen laufen." Mit der verschärften Repression in den vergangenen Jahren hätten die Behörden nämlich genau das Gegenteil des Angestrebten erreicht. Fürst plädiert für die Legalisierung des Eigenkonsums und -anbaus. "Man sollte den Leuten ein paar Hanfpflanzen für den Eigenkonsum lassen. Dann gäbe es keinen Markt mehr für Dealer und den ‹gruusigen› Indoorhanf." Dessen Blüten wiesen einen doppelt so hohen THC-Gehalt auf wie Outdoor-Cannabis. In der Schweiz werde jährlich für eine Milliarde Franken Hanf verkauft. "Das ist eine Tatsache." (uz)

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CLUB-LEBEN
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Thuner Tagblatt 4.3.10

Nach der Blutigen Schlägerei im "Mokka"

 SVP will Schläger ausschaffen

 Die Untersuchungen nach der Schlägerei vom Samstag im "Mokka" sind umfangreich. Derweil fordert die SVP konkrete Massnahmen.

 Noch immer konnte der Mann, welcher am frühen Samstagmorgen im "Mokka" aufs Schwerste verprügelt wurde, nicht befragt werden (vgl. Ausgaben vom Montag und Dienstag). Das sagte Polizeisprecherin Ursula Stauffer gestern gegenüber dieser Zeitung. Mit konkreten Untersuchungsergebnissen sei allerdings erst in den nächsten Tagen oder Wochen zu rechnen. "Wir können erst informieren, wenn wir ein umfassendes Bild der Ereignisse haben", sagte Stauffer. Am frühen Samstagmorgen waren in der Disco des Café Mokka vier Afrikaner übel verprügelt worden. Die Polizei hat darauf vier weitere Ausländer in Untersuchungshaft genommen - wo sie derzeit immer noch sitzen. "Mokka"-Betreiber Pädu Anliker sprach in der Folge von einem gezielten "Überfall von serbischen Faschos" auf das Lokal respektive die Afrikaner, die sich in der Disco vergnügt hatten. Gleichzeitig betont er, dass es in der Geschichte des "Mokka" nur sehr wenige gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe: "Wir sind kein Hort der Gewalt!" Anliker ist überzeugt: "Diese Schlägertypen waren Profis, sie sind zum Teil über 30 Jahre alt, Familienväter. Die haben nur wenige Minuten in unserem Lokal verbracht mit dem Ziel, Angst und Schrecken zu verbreiten."

 Schliessung kein Thema

 Trotzdem bleibt das Lokal offen: "Auch wenn es eine leidige Sache ist: Wir müssen weitermachen", sagt Pädu Anliker. Als Reaktion auf die Schlägerei werde die Kasse künftig bis Ladenschluss geöffnet bleiben. "Damit keiner unkontrolliert reinkommt." Und Wodkashots werden aus dem Getränkesortiment gestrichen. "Diese aggressive Kampftrinkerei fördert alles andere als eine friedliche Stimmung", sagt der "Mokka"-Betreiber.

 Daniel Landis, Leiter der Fachstelle Kinder und Jugend im städtischen Amt für Bildung und Sport, zuständig für das "Mokka", sagt, dass derzeit Gespräche laufen, welche Massnahmen solche Vorfälle künftig verhindern sollen. "Wir stehen in einem laufenden Dialog", betont Landis, sagt aber auch: "Wir müssen auch die Ergebnisse der polizeilichen Untersuchungen abwarten, bis wir Entscheide fällen können." Diskutiert würden neben einem Sicherheitsdienst auch andere Massnahmen, mit denen kontrolliert werden könnte, wer wann ins Lokal kommt - oder eben nicht. Kein Thema ist für Landis eine Schliessung: "Zum einen bestehen gerade bei den Konzerten Verträge, die eingehalten müssen. Zum anderen würden wir so die Leute ausschliessen - anstatt das Haus für sie offen zu halten, um mit ihnen zu arbeiten."

 SVP fordert Ausschaffung

 Ihren eigenen Lösungsansatz präsentiert die Thuner SVP: Heute Abend will die SVP-Fraktion an der Stadtratssitzung einen Vorstoss einreichen. Sie fordert "die zuständigen Organe auf, alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, damit ausländische Gewalttäter ausgeschafft werden, bevor sie wiederholt brutal Leute spitalreif schlagen". Christoph Peter, Präsident der SVP-Fraktion im Stadtparlament, wird auf der Website der Partei wie folgt zitiert: "Wir haben kein Interesse daran, alle Ausländerinnen und Ausländer in die Ecke der Kriminalität zu stellen." Aber: Seine Partei wolle "konsequent gegen die kleine Minderheit von ausländischen Verbrechern vorgehen, nicht zuletzt zum Schutz derer, welche sich an das geltende Recht halten". Die Volkspartei gibt sich in ihrer Mitteilung überzeugt: "Die Mittel wären da: Polizei und Gemeinderat können mittels Anträgen an die Fremdenpolizei beeinflussen, dass gewalttätigen Ausländern die fremdenpolizeiliche Bewilligung für den Aufenthalt in der Schweiz nicht erneuert oder entzogen wird und sie demnach ausgeschafft werden."
 Marco Zysset

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MÜTTERGRUPPE BERN
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WoZ 4.3.10

Müttergruppe Bern - Sie wollten Kinder, Beruf und kollektives Leben verbinden: In Bern haben vor zwanzig Jahren neun Mütter ihre Kinder gemeinsam erzogen. Wie geht es den Frauen heute? Und was denken die Kinder von damals?

"Die Wahlfamilie verhebt"

Von Bettina Dyttrich (Text) und Annette Boutellier (Fotos)

 Viele reden irgendwann davon, wenn sie Kinder planen: Es sollte doch möglich sein, sich gemeinsam mit anderen Eltern zu organisieren. Sich das Hüten zu teilen, das Kochen, die Ferien. Das gäbe den Kindern mehr Bezugspersonen, den Eltern mehr Freiheit und weniger Abhängigkeit von Grosseltern und dem Staat. Aber dann bekommen die einen ihre Kinder erst zehn Jahre nach den anderen, mit dem Job ist es kompliziert, und wer findet heute schon im gleichen Quartier mehrere Wohnungen?

 In Bern haben es neun Frauen trotzdem geschafft, gegen alle Widerstände. Sie sind heute zwischen 45 und 60. Die Kinder gehen längst eigene Wege. Sieben der Mütter treffen sich immer noch viermal im Jahr.

 Katrin ist 52 und arbeitet als Psychologin in Bern: "Wir wollten alles: Kinder, gute Arbeit und politisch aktiv bleiben. Abstriche waren die logische Konsequenz. Aber es war wichtig, dass wir unsere Ansprüche nicht von vornher ein beschnitten." Katrins Tochter Laura ist heute 26 Jahre alt.

 "Wir wollen alles" - das war auch ein Slogan der Achtzigerbewegung, manchmal ergänzt mit einem zackigen "und zwar subito". Während in Zürich die Bewegung nach dem Abriss des Autonomen Jugendzentrums (AJZ) 1982 abflaute, dauerten die wilden Zeiten in Bern fast das ganze Jahrzehnt an. Die Reitschule wurde besetzt, geräumt und wieder besetzt, die NomadInnen vom "Freien Land Zaffaraya" zogen herum auf der Suche nach einer Bleibe, die Kulturzentren Dampfzentrale und Gaskessel entstanden. Viele Frauen begannen sich bald separat zu organisieren und besetzten 1984 ein Haus im Mattehofquartier.

 Katrin: "Ich erinnere mich, dass ich mit anderen Frauen in der Reitschule sass, es muss 1982 gewesen sein. Wir redeten über Kinder und waren uns einig: Alleine Kinder aufziehen, das kann es doch nicht sein. Wir wollen das zusammen machen. Kurz darauf waren plötzlich fünf Frauen schwanger. Ohne dass sie es geplant hatten. Ich dachte, shit, jetzt muss ich mich beeilen. Ein halbes Jahr später war ich dann selber schwanger, ungeplant, wieder zusammen mit fünf anderen."

 Während für die einen, die alles wollten, Kinder selbstverständlich dazugehörten, verstanden andere Frauen ­Kinderlosigkeit als Widerstand gegen das Patriarchat. "Sprengstoff statt Sirup" war der Titel eines Artikels im Szeneblatt "Provinz": "Statt auf gemeinsamen Forderungen zu beharren, benutzt ihr eure Mutteridentität, um aus allem ein Privatproblem zu machen", schrieb eine erboste Frau. "Mutter und Kind sind ein Symbol für Leben und Kontinuität. Wir aber haben vor Jahren dem Staat den Krieg erklärt, ich bin nicht bereit, den Fight zu verschieben." Eine Mutter antwortete: "Wir wollen immer noch alles, und wir wollen auch Kinder haben können, ohne dass unsere Energie vor allem in persönlichen Fights draufgeht. Woher nimmst du die Arroganz, zu behaupten, dass einzig deine Art zu leben die richtige ist?"

 Katrin: "Ich entschied mich für das Kind, aber am Anfang hatte ich grosse Mühe mit dieser Entscheidung. Manchmal bereute ich sie sogar. Mein Freund war ebenfalls ziemlich überfordert. Nach eineinhalb Jahren aber, als wir uns trennten, übernahm er die Hälfte der Verantwortung, und wir teilten uns die Sorge um Laura.

 Ich trennte mein Leben als Frau und als Mutter sehr klar. Ich fragte mich: Wie viel Zeit brauche ich für mich, wie viel brauche ich als Mutter, und wie viel braucht meine Tochter von mir? Für mich ging das lange nicht auf, ich fühlte mich eingeschränkt. ‹Ich bin die schlechteste Mutter in der Gruppe›, sagte ich immer."

 Schon 1982 hatten sich nach einem grossen Frauentreffen in Bern Gruppen gebildet, die gemeinsam Kinder hüteten, eine alternative Kinderkrippe auf die Beine stellten und sich für Alleinerziehende starkmachten. Im Herbst 1987 schlossen sich dann neun Mütter enger zusammen, um den Alltag gemeinsam zu organisieren. Ihre  zehn Kinder waren fast alle 1982 und 1983 geboren und kannten sich schon. Noch fehlten die Wohnungen. Doch die Frauen waren hartnäckig: Einen  Monat lang zogen sie jeden Tag mit Kind und Kegel auf die städtische Liegenschaftsverwal tung - bis alle eine Wohnmöglichkeit in der Lorraine oder in der unmittelbaren Umgebung bekamen. Die einen lebten allein mit ihrem Kind, die anderen in kleinen und grossen Wohngemeinschaften.

 Katrin: "Ganz langsam machte ich Schritte auf Laura zu. Als sie zehn war, zog ich ein Jahr nach Berlin, um zu studieren. Laura wohnte währenddessen bei ihrem Vater. Manchmal dachte ich, ich würde am liebsten in Berlin bleiben. Aber ich merkte auch, ich wäre nicht frei. Ich kam zurück, und danach stimmte es für mich."

 Heidi ist 57, die Älteste der Gruppe und Mutter von Julia. Sie führt in Bern eine naturheilkundliche Praxis: "Ich wollte ein Kind, weil ich die ganze Vielfalt des Frauseins erleben wollte. Ich wollte auf nichts verzichten. Und ich wusste: Da gibts ein paar Frauen, die schwanger sind und sich trotzdem nicht aus allem ausgeklinkt haben. Ich fühlte mich getragen. Was bei mir besonders ist: Als Julia eins war, habe ich gewechselt zu Frauenbeziehungen. Eine lesbische Mutter?! Das war damals noch skandalös.

 Eine klassische Mutter hat die ersten drei oder vier Jahre lang kaum Platz für etwas anderes. Das wollte ich nicht. Es war mir ein Riesenanliegen, mich nicht im Muttersein zu verlieren. Mit der Arbeit auf der Familienplanungsstelle fand ich eine gute Verbindung zwischen dem Beruflichen und dem Privaten. Ich hatte vorher schon mitgeholfen beim Aufbau des Frauengesundheitszentrums. Für mich war das alles eng verwoben: Sexualität, Verhütung, Homosexualität, Muttersein und Beruf. Davon konnte ich extrem profitieren. Private Auseinandersetzungen waren für mich Weiterbildung und umgekehrt."

 Heidi: Ich war viel mehr die Gluggere als du.

 Katrin: Du warst viel mehr im Reinen mit dir.

 Heidi: Ich weiss nicht, ob man das so sagen kann.

 Katrin: Ich wollte Laura ja behalten, von Anfang an. Aber es fiel mir schwer.

 Heidi: Vielleicht ging es bei mir besser, weil ich nicht allein mit Julia wohnte.

 Katrin: Aber ich lebte ja auch mit Jeanne.

 Heidi: Stimmt.

 Jeanne, die Mutter von Tinu, ist 50 und Lehrerin für Wen-do, Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen: "Ich habe mich als freie Mutter empfunden - ich musste kaum auf etwas verzichten. Das hat auch viel damit zu tun, dass ich einen extrem zuverlässigen Kindsvater hatte. Wir sind immer noch befreundet. Wir gaben uns sehr Mühe, unsere Lämpen nicht vor Tinu auszutragen. Damit er nicht glaubt, er müsse für mich oder ihn Position ergreifen. Tinu war nicht geplant, aber sehr willkommen. Ich lebte mit einem schwulen Kollegen zusammen, dem besten Freund meines Partners. Er wurde dann der Götti und meine beste Freundin die Gotte. Ich habe nie mit dem Kindsvater zusammengewohnt.

 Bald nach Tinus Geburt trennten wir uns. Wir hatten den Druck nicht, ein Paar bleiben zu müssen, weil wir genug vernetzt waren. Meine Familie fand es skandalös, dass ich nicht heiratete. Es hiess, warte nur, der lässt dich sowieso sitzen. Und dann war ausgerechnet er so ein zuverlässiger Vater.

 Mir war wichtig, dass Tinu nicht nur ein 08/15-Männerbild kennenlernt, dass er sich frei entwickeln darf. So hatte er als Kind lange Haare, und als er sich Lackschuhe wünschte, bekam er sie auch. Da kam allerdings sofort der Vorwurf aus der Szene, ich versuche, ihn zu einem Mädchen zu machen. Dabei war das gar nicht so. Aber natürlich hatte ich trotzdem ein schlechtes Gewissen. In der Müttergruppe konnten wir uns immer gegenseitig beruhigen, wenn so etwas vorkam.

 Ich hätte wahrscheinlich mehr Angst um mein Kind gehabt, wenn ich eine Tochter gehabt hätte. Weil ich beruflich mit sexueller Gewalt zu tun habe, weiss ich, dass Übergriffe in den besten Familien vorkommen. Natürlich kann es auch Buben treffen. Es war mir sehr wichtig, aufmerksam zu sein und die Grenzen von Tinu ernst zu nehmen."

 Zwei Väter lebten im Ausland, die anderen beteiligten sich an der Erziehung. Einzelne hätten sie etwas unter Druck setzen müssen, erinnern sich die Frauen heute. Doch dann organisierten sich auch die Väter, begannen gemeinsam mit den Kindern in die Ferien zu gehen, teilten sich Hüten und Kochen.

 Alle drei Wochen trafen sich die Mütter und besprachen alles, was sie beschäftigte. Der Schutz der Kinder vor Übergriffen, Sexualaufklärung und Schulprobleme waren genauso Thema wie eigene berufliche Pläne und Liebesbeziehungen, geschlechtergerechte Sprache, Umweltverschmutzung oder der 8. März. Das Sackgeld legten sie für alle Kinder gleich hoch fest. Und Barbiepuppen in den Kinderzimmern liessen sich schliesslich nicht verhindern - obwohl sich Heidi lange dagegen wehrte.

 Heidi: "In der Müttergruppe konnten wir unseren Krisen und Problemen begegnen. Für mich waren die Diskussionen über Nähe und Distanz zu den Kindern sehr wichtig. Dank der Gruppe lernte ich, mich zurückzunehmen, als Julia in die Pubertät kam. In diesem Alter, das weiss ich heute auch, magst du eine Gluggere nicht ertragen.

 Natürlich gab es Gruppen innerhalb der Gruppe. Jene Frauen, die zusammenwohnten, hatten engere Beziehungen. Manche fanden wir sympathischer, zu anderen waren wir etwas distanzierter. Und wir gerieten uns auch in die Haare. Aber grundsätzlich waren wir einander sehr wohlgesinnt. Wenn es einer schlecht ging, war das immer das Thema Nummer eins. Diese Solidarität war entscheidend. Solidarisch sein führt auf einen heilenden Weg."

 Jeanne: "Lange teilte ich mit Katrin und den Kindern zwei Zimmer. Irgendwann lebten wir uns auseinander. Ich brauchte mehr Privatsphäre, wollte nicht mehr bis zur Unterhose alles teilen. Ich halte das für eine normale Entwicklung. Aber wir blieben in der Gruppe.

 Ich bin sicher, wenn es heute einer von uns schlecht ginge, wären alle da, um zu helfen. Die Wahlfamilie ‹verhebt›. Ich glaube, entscheidend war, dass uns viel mehr verbunden hat als das Muttersein. Das genügt nämlich nicht. Uns allen war die feministische Bewegung wichtig, wir wollten etwas Gemeinsames erreichen. Wir haben so viel zusammen erlebt - das verbindet. Ich empfinde eine grosse Dankbarkeit dafür."

 Tinu, Julia und Laura sitzen in der Küche von Tinus Berner WG. Lauras zweijähriger Sohn Nia zeichnet mit Ölkreiden Autos in ein Heft. Julia, 27, ist vor kurzem nach Zürich gezogen. Sie arbeitet als Kostümbildnerin in der Filmbranche. Tinu, 26, wird im Sommer sein Geschichtsstudium mit einem Bachelor abschliessen. Er möchte arbeiten und reisen. Laura ist gleich alt wie Tinu und hat als Kind mit ihm zusammengewohnt. Seit einiger Zeit lebt sie in Basel, wo sie einen Bachelor als Vermittlerin von Kunst und Design gemacht hat. Sie sucht einen Job und möchte später, wenn Nia zur Schule geht, weiterstudieren.

 Julia: Wie unüblich unsere Kindheit war, wurde mir eigentlich erst bewusst, als ich in der fünften Klasse die Schule wechseln musste.

 Laura: Im Lorraineschulhaus waren wir ja fast in der Überzahl. Wir hatten eine wahnsinnige Präsenz. Und wir hielten zusammen. Für andere Kinder muss es strub gewesen sein, wie wir einfuhren. Und für die Lehrer! Wenn jemand etwas sagte, was uns nicht passte, gingen wir zu zehnt protestieren.

 Julia: Wir setzten uns sehr fürein ander ein. Wenn andere Kinder zum Beispiel Witze machten über Mariamas Hautfarbe, weil ihr Vater Afrikaner ist.

 Laura: Wir hatten eine Lehrerin, die noch ganz alte Schule war. Sie benützte konsequent nur die männliche Form, obwohl in der Klasse fast nur Mädchen waren. Da hatten wir als Neunjährige Riesendiskussionen.

 Tinu: Und wir gingen demonstrieren gegen die F/A-18.

 Laura: Ich erinnere mich, wir waren auch einmal im Rathaus, und unsere Eltern wiesen uns an, wann wir schreien sollten. Wir waren ihre Sprachröhrli.

 Julia: Sie haben Kinder produziert und in die Welt rausgeschickt, um ihre Botschaft zu verbreiten.

 Laura: Und immer trugen wir diese "Stop F/A-18"-T-Shirts, sie reichten uns bis zu den Knien ...

 Tinu: Mutter und Vater, das waren total unterschiedliche Welten für mich. Etwa ab der sechsten Klasse habe ich das stark wahrgenommen. Meine Mutter hatte viel Besuch, es ging manchmal laut zu und her. Bei meinem Vater war es ruhig und geordnet, spartanisch eingerichtet. Wenige Gäste. Ich verstand nie, dass die beiden überhaupt etwas miteinander anfangen konnten. Meine Eltern versuchten eine offene Beziehung zu führen, was natürlich nicht funktioniert hat ...

 Julia und Laura: "Natürlich?!"

 Tinu: ... Ich glaube schon, dass sie sich geliebt haben, aber später, als sie es nochmals ausprobieren wollten, stimmte der Zeitpunkt nicht mehr.

 Julia: Aber weisst du, ich glaube, es war für unsere Eltern eine harte Arbeit, ein gutes Verhältnis zueinander aufrechtzuerhalten. Und sogar zusammen mit dem Kind in die Ferien zu gehen. Das haben wir mehrmals gemacht.

 Laura: Wir verbrachten nur einmal, als ich zwanzig war, ein Wochenende zu dritt in Frankreich. Das war sehr komisch. Ich fand es ungewohnt, nur schon zu dritt im gleichen Zimmer zu schlafen, wie eine "richtige Familie". Dort merkte ich: Ich bin so froh, dass meine Eltern nicht zusammen sind. Es sind für mich zwei Welten, und das ist gut so.

 Laura: Ich erlebte diese Form aufzuwachsen als extrem positiv.

 Julia: Ich fand es auch super.

 Laura: In der Pubertät knüpften wir dann mehr Freundschaften nach aussen.

 Julia: Wir hatten das Bedürfnis, zu sehen, was es sonst noch gibt, und etwas Eigenes zu haben.

 Tinu: Wir mussten erst erwachsen werden, um zu realisieren, wie viel uns verbindet.

 Julia: Es liegt extrem viel drin. Wenn jemand von uns etwas ganz anders macht, als ich es machen würde, ist das kein Grund, sich nicht mehr zu mögen.

 Tinu: Und egal, wie oft man sich trifft: Wir sind sofort vertraut.

 Julia: Ja, es fängt nie bei null an.

 Julia: Ich fühlte mich nie benachteiligt als Frau.

 Tinu: Ich glaube nicht, dass heute der Kampf auf der Strasse notwendig ist. Wenn schon, dann eher auf Gesetzesebene.

 Laura: Wir sind die Generation nach der Jugendbewegung. Wir haben das Gefühl, wir müssten nicht mehr kämpfen. Dabei gäbe es eigentlich noch viel zu tun.

 Julia: Es wäre gelogen, zu sagen, ich sei politisch aktiv.

 Tinu: Ich war schon seit Jahr und Tag an keiner Demo mehr.

 Julia: Ich schon.

 Tinu: Gewisse Positionen waren klar gegeben. Es wurde beispielsweise von mir erwartet, dass ich nicht ins Militär gehen würde. Aber wir sind nicht alle so links, wie wir vielleicht glauben.

 Laura: Ich habe kürzlich mit Tinu über Unipolitik diskutiert, und da hatten wir sehr unterschiedliche Meinungen. Es wäre auch irgendetwas schiefgegangen, wenn alle zehn gleich wären!

 Julia: Als kürzlich in Zürich das "Reclaim the Streets" stattfand, kam ich mit einem Bekannten in der Nähe  vorbei. Er meinte, wir sollten lieber nicht da durchgehen. Für mich war das überhaupt nicht bedrohlich, sondern vertraut. Demos waren etwas völlig Normales für uns.

 Laura: Auch was Politik angeht, sind wir untereinander sehr tolerant. Ausser jemand würde extrem fremdenfeindlich oder so ... aber auch dann würden wir nicht einfach den Kontakt abbrechen, sondern uns bemühen, das zu ändern.

 Julia: Ja. Oder wenn jemand zum Beispiel heroinsüchtig wäre, würden wir wieder ganz stark füreinander schauen.

 Tinu: Das hoffe ich. Zum Glück war es nie nötig.

 Nia liebt Feuerwehrautos, Lastwagen und Baumaschinen. Als er im Hinterhof von Tinus WG einen Bagger entdeckt, gibt es kein Halten mehr.

 Laura: "Nias erstes Wort war ‹Au to› - obwohl wir versuchen, gerade nicht geschlechterspezifisch zu erziehen. Und ein Auto nimmt er auch ins Bett mit, nicht etwa ein Nuscheli oder ein Stofftier.

 Eigentlich würde ich gern ähnlich leben, wie ich aufgewachsen bin. Ich versuche es auch, aber unsere Generation ist leider etwas schlapp, was das gemeinsame Organisieren angeht. Alle reden vom Kollektiv, aber gleichzeitig chüngeln sie weiter in ihren Dreizimmerwohnungen vor sich hin. Manchmal bin ich gefrustet, dass es nicht so geht wie in meiner Kindheit. Aber es ist wohl eine andere Zeit heute.

 Immerhin hat Nia einen Freund und eine Freundin, mit denen er sehr viel Zeit verbringt. Sie sind fast gleich alt. Eine­ Kleinkindererzieherin hat mir gesagt, sie habe noch nie Kinder in diesem Alter gesehen, die so eng miteinander kommunizieren. Ich finde das sehr schön."

 Dann macht sich Tinu ans Kochen. Er hat seine Eltern zum Znacht eingeladen. Julia, Laura und Nia gehen auf den Hof, den Bagger anschauen.

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EVA HERMAN
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sf.tv 4.3.10

Pfeifkonzert verhindert Auftritt von Eva Herman bei EDU

 Eine Gruppe junger Leute hat am Dienstagabend mit Pfeifen und Klatschen den Auftritt der deutschen Buchautorin Eva Herman an einer Wahlveranstaltung der EDU (Eidgenössische Demokratische Union) in Thun (BE) verhindert.

sda/fasc

 Die EDU spricht von "Linksautonomen" Störern. Beim Vortrag ging es um "die Rettung der Familie". Die ehemalige deutsche Tagesschau-Sprecherin ist bekannt geworden mit ihrem Buch "Das Eva-Prinzip", in dem sie die Frauen zur Rückbesinnung auf "alte Werte" aufruft. Der Vortrag in Thun stand unter dem Titel "Warum wir Familien retten müssen!".

 Weitere Auftritte, mehr Kontrollen

 In Thun trat Herman wegen der Störaktion gar nicht auf die Bühne, wie die Sekretärin der EDU Kanton Bern, Ursula Vögeli bestätigte. Herman tritt insgesamt sechsmal an Veranstaltungen der EDU auf. Ihr Auftritt am Montag in Zweisimmen blieb ungestört, so auch jener am Mittwoch in Sumiswald.

 Bei weiteren Auftritten Hermans in Spiez, Langenthal und Belp wollte nun die EDU die Türkontrollen verstärken, wie Vögeli weiter sagte.

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BZ 4.3.10

Linksautonome verhindern Vortrag von Eva Herman

 Gut 20 Linksautonome haben am Dienstag eine Wahlveranstaltung der EDU Thun gestört. 200 Personen wollten den Vortrag der deutschen Buchautorin Eva Herman hören. Der Anlass wurde nach wenigen Minuten abgebrochen.

 "Unglaublich, aber wahr, was wir am Dienstagabend von intoleranten, unreifen Jungen aus dem linken Lager miterleben mussten." Dies schreiben die beiden Homberger Delila und Lukas Gafner in einem Leserbrief an diese Zeitung.

 Die beiden wollten am Dienstagabend die Wahlveranstaltung der EDU Kanton Bern im Thuner Burgsaal besuchen. Die EDU hat im Vorfeld der Grossratswahlen zu mehreren Wahlveranstaltungen mit der früheren deutschen TV-Moderatorin Eva Herman eingeladen. Die heutige Buchautorin ist umstritten, unter anderen wegen Aussagen zur Familienpolitik. Auch mit missverständlichen Zitaten zum Dritten Reich setzte sie sich scharfer Kritik aus und wurde vom TV-Sender NDR fristlos entlassen. Unter anderem hatte Herman den Umgang der Nationalsozialisten mit Werten wie "Kinder, Mütter, Familie, Zusammenhalt" als "das, was gut war" bezeichnet. In Thun wollte Herman einen Vortrag zum Thema "Warum wir Familien retten müssen" halten. Herman hatte bereits am Montag vor 150 Zuhörenden in Zweisimmen referiert. Die Veranstaltung konnte ungestört durchgeführt werden. Nicht so in Thun, wo gemäss Mitteilung der EDU Region Thun der Anlass "kurz nach Beginn durch etwa 20 Linksautonome gestört wurde. Da grössere Zwischenfälle bereits bei ähnliche Anlässen in Winterthur und Zürich stattfanden, wurde Eva Herman durch ihre zwei Bodyguards umgehend in Sicherheit gebracht."

 Keine Handgreiflichkeiten

 Samuel Kullmann, Präsident der EDU Region Thun, bestätigte die Vorkommnisse gestern auf Anfrage. "Die jungen Linksautonomen störten die Veranstaltung von Beginn weg mit Pfeifen und Klatschen. Zu einem Handgemenge kam es zum Glück nicht. Wir wollten die Situation auf keinen Fall eskalieren lassen und haben die Veranstaltung darum sofort beendet", sagt Kullmann. Die EDU sei besorgt über die Zwischenfälle und bedauere das fehlende Verständnis von Werten wie Meinungsfreiheit und Toleranz gegenüber Andersdenkenden von Seiten der linksautonomen Störer.

 Auch Delila und Lukas Gafner stört die Tatsache, dass sie daran gehindert wurden, die Veranstaltung zu besuchen. "Wir und auch andere haben das Gespräch mit den jungen Leuten gesucht. Mancher von ihnen war kaum 20 Jahre alt", sagt Lukas Gafner. "Sie wussten gar nicht, worum es in den Vorträgen von Eva Herman eigentlich geht, und hatten keine Antworten auf unsere Fragen."

 Weitere Anlässe im Kanton

 Die Polizei war von der EDU bereits im Vorfeld über die Anlässe informiert worden. "Wir hoffen auf verstärkte Präsenz der Polizei vor und während der kommenden Anlässe", sagt Samuel Kullmann, Präsident EDU Region Thun.

 "Wir waren nicht im Thuner Burgsaal, hatten aber Kontakt mit den privaten Sicherheitsleuten von Eva Herman", erläutert Thomas Jauch, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern, auf Anfrage. Da die Personen, die den Anlass offensichtlich stören wollten, den Saal zu diesem Zeitpunkt bereits in Richtung Thuner Innenstadt verlassen hatten, führte die Polizei entsprechende Kontrollen in der Innenstadt durch, so Jauch: "Die Personen waren aber nicht anzutreffen."

 Die Tournee von Herman mit der EDU als Organisatorin geht weiter. Heute referiert die ehemalige TV-Moderatorin etwa im Spiezer Lötschbergsaal. "Die Polizei wird im angemessenen Rahmen auf die Veranstaltung reagieren", sagte Kapo-Sprecher Thomas Jauch. Für die weiteren Auftritte werden die Sicherheitsvorkehrungen nun überprüft.

 So auch für jenen am Samstag in Belp. Dieser Auftritt werde auf jeden Fall stattfinden, sagt Bruno Jordi, Präsident der organisierenden EDU Belp. Heute wollen die Organisatoren besprechen, ob und wie das Sicherheitskonzept angepasst wird.

 Sarah McGrath-Fogal/wrs

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RANDSTAND BURGDORF
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BZ 4.3.10

Burgdorf

 Gassenküche im Zirkuswagen?

 In einem alten Zirkuswagen will der Burgdorfer Psychiatriepfleger Martin Stäger eine Anlaufstelle für Süchtige einrichten.

 Von einem konkreten Projekt zu sprechen wäre übertrieben. Aber zu mehr als einer Idee ist die Sache bereits gediehen: Der Burgdorfer Martin Stäger möchte einen ausrangierten Zirkuswagen zu einer Gassenküche für die Alkoholikerszene umbauen. Wo er die Anlaufstelle realisieren will, ist unklar. Was er darin anbieten will, weiss er noch nicht. Und auf die Frage, wer sich daran wie beteiligen soll, hat er noch keine Antwort gefunden.

 Neuwertig und antik

 Feilgeboten wird der Wagen vom Atelier für Kommunikation aus Kleinlützel. Bei dem Gefährt handelt es sich um einen 11 Meter langen, 3,3 Meter hohen und 2,5 Meter breiten antiken holländischen Zirkuswagen mit neuem Chassis und altem Interieur samt Schnitzereien und verzierten Scheiben. Ausgerüstet ist es mit einer Kaffeemaschine, einem Geschirrspüler, einem Kühl- und Gefrierschrank, einem Mikrowellenherd, einem Putzschränkli, Geschirr, einer Musikanlage und einer Heizung.

 Bar und Bistrotische

 Innen bietet der Wagen nach Verkäuferangaben "an Bistrotischen und Bar" 25 Personen Platz; draussen können sich weitere 50 Menschen niederlassen. Als Regen- und Sonnenschutz steht ein Vorzelt zur Verfügung.

 50000 Franken

 Als "Verhandlungsbasis" nennt der Verkäufer auf seiner Website 50000 Franken. Martin Stäger steht insofern etwas unter Zeitdruck, als er dem Atelier für Kommunikation "bis in drei Wochen" sagen muss, ob er den Wagen haben will. "Wenn ich diese Frist verstreichen lasse, ist er weg", sagt der Burgdorfer.

 "Aber bevor ich eine Entscheidung treffe, will ich das Vorhaben möglichst breit abstützen." Stäger hofft, dass sich kirchliche Kreise genauso mit seinem Plan identifizieren können wie Privatpersonen oder Sponsoren aus der Wirtschaft.

 Stadt ist nicht abgeneigt

 Zum Abstützen gehört auch, die Stadt nach ihrer Meinung zu fragen. Dort rennt Stäger zwar nicht offene Türen ein. Auf Ablehnung stösst er aber auch nicht. Andreas Diggelmann, der Leiter der Burgdorfer Sozialdirektion, sagt, eine von wem auch immer betriebene Gassenküche müsste "in das politische Konzept der Stadt passen". Um abzuklären, ob der Zirkuswagen dieses Kriterium erfüllen würde, habe er Stäger um ein Konzept gebeten.

 Annette Wisler Albrecht, die für das Sozialwesen zuständige Gemeinderätin, sagt, sie finde es "immer gut, wenn sich Private um Hilfsbedürftige kümmern, statt diese Aufgabe einfach an die Stadt zu delegieren".

 Johannes Hofstetter

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AUSSCHAFFUNG
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BZ 4.3.10

Schweizer Asylwesen

Wegen Gerichtsurteil fehlen Hunderte von Haftplätzen

 Abgewiesene Asylsuchende dürfen nicht mehr direkt ausgeschafft werden. Jetzt zeigt sich: Den Kantonen fehlen Haftplätze.

 Hans-Jürg Käser (FDP), Polizeidirektor des Kantons Bern, spricht von einem gröberen Problem: Gemäss einer Weisung des Bundesamtes für Migration dürfen Kantonsbehörden Asylsuchende mit einem Nichteintretensentscheid ab sofort nicht mehr direkt ins Erstantragsland zurückführen. Die Kantone erhielten die Weisung Ende Februar. Das BFM reagierte damit auf ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts von Anfang Februar (wir berichteten).

 Eine Abklärung ergibt jetzt laut Käser, dass allein im Kanton Bern bis zu 250 Asylsuchende betroffen sind. Statt sie zurückzuschaffen, müsse man diese Leute jetzt auf freien Fuss setzen. Alternativ könnte man sie in Ausschaffungshaft nehmen. Doch dafür gebe es nicht ansatzweise genug Haftplätze.

 Auch das Bundesamt für Migration hat gerechnet: "Gegenwärtig sind in der Schweiz rund 2000 Asylsuchende betroffen", sagt Amtsdirektor Alard du Bois-Reymond auf Anfrage. Auch er befürchtet, dass Haftplätze fehlen. Ausserdem sei es rechtlich gar nicht in jedem Fall zulässig, die betroffenen Asylsuchenden in Haft zu nehmen. "Es braucht nun ein Gesetz, das verhindert, dass Asylsuchende nach Eröffnung des Nichteintretensentscheides einfach abtauchen können", sagt der Amtsdirektor. Der schweizerische Verband der Polizei- und Justizdirektoren hat das Thema bereits für die nächste Sitzung traktandiert. In anderen Kantonen hat man dasselbe Problem.

 Gestern fand im Parlament zudem eine lange Debatte über die Zuwanderung statt. Dabei sprach sich der Nationalrat unter anderem dafür aus, dass jugendliche Sans-Papiers, die in der Schweiz zur Schule gegangen sind, eine Berufslehre absolvieren dürfen. Auf wenig Gegenliebe bei den Vollzugsbehörden stösst die gestern ebenfalls angenommene Motion von Lukas Reimann (SVP, SG). Diese fordert die Beherrschung einer Landessprache als Voraussetzung für den Erhalt einer Niederlassungsbewilligung. ma

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Haftplätze für Asylsuchende

 Urteil bringt Kantone in Bredouille

 Kantone schlagen Alarm: Hunderte Haftplätze für abgewiesene Asylsuchende fehlen. Ursache ist ein Grundsatzurteil vom Februar, wonach Asylsuchende nicht mehr direkt ins Erstantragsland zurückgeschickt werden dürfen.

 Die Kantone haben vom Bundesamt für Migration eine strikte Weisung erhalten: Sie dürfen Asylsuchende, die bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt haben, ab sofort nicht mehr direkt ins Erstantragsland zurück schicken. Das ergaben Recherchen dieser Zeitung.

 Das Bundesamt für Migration (BFM) reagiert damit auf das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Februar (wir berichteten). Das BFM schreibt im Brief an die Kantonsbehörden, dass sogar bereits gebuchte Flüge für die Rückschaffung annulliert werden müssen.

 Hohe Zahl Betroffener

 Beim Schweizerischen Verband der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) ist man in Alarmstimmung: "Allein im Kanton Bern sind bis zu 250 Asylsuchende betroffen", sagt Hans-Jürg Käser, Polizeidirektor des Kantons Bern. Käser ist auch im siebenköpfigen KKJPD-Vorstand. Die Angelegenheit ist dort für die nächste Sitzung traktandiert. Laut Käser braucht es dringend eine Lösung.

 Dass Käser und die vereinigten Schweizerischen Polizeidirektoren keineswegs übertreiben, zeigen neue Abklärungen des Bundesamtes für Migration. Amtsdirektor Alard du Bois-Reymond sagt auf Anfrage, gegenwärtig seien in der Schweiz rund 2000 Asylsuchende von dem Grundsatzurteil betroffen.

 Das Problem im Detail: Die Kantone müssen den betroffenen Asylsuchenden ab sofort eine mindestens zehntägige Beschwerdefrist einräumen, bevor sie sie zurückschaffen. Bis zu jenem Grundsatzurteil im Februar war es möglich, dass Asylsuchende die bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt haben, unmittelbar zurückgeführt werden durften - so ist es auch im Abkommen von Dublin mit der EU geregelt.

 Viel zu wenig Haftplätze

 Während dieser vom Bundesverwaltungsgericht neu verordneten Zehntagefrist haben die Kantone nun noch genau zwei Möglichkeiten - beide bedeuten für sie ein Dilemma: Entweder setzen die Behörden die Asylsuchenden während dieser Frist auf freien Fuss. In diesem Fall ist aber die Gefahr gross, dass sie irgendwo in der Schweiz untertauchen, nicht mehr auffindbar sind und dann in illegal in der Schweiz bleiben.

 Oder die Kantone setzen die Asylsuchenden während jener Frist grundsätzlich in Ausschaffungshaft. "Für eine so grosse Zahl von Asylsuchenden haben wir aber nicht einmal ansatzweise genug Haftplätze", sagt Käser. Nicht anders ist die Lage in anderen Kantonen.

 EU-Regelung ausgehebelt

 Nach Auffassung des Polizeidirektors widerspricht das Gerichtsurteil ganz klar dem Dubliner Abkommen. In Deutschland dürfen jene Asylsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt haben, ohne Verzögerung ausgeschafft werden.

 Migrationsamtsdirektor Du Bois-Reymond macht sich ähnliche Sorgen wie Käser: "Es besteht das Risiko, dass der Gerichtsentscheid einen wichtigen Effekt des Dublin-Abkommens aushebelt", sagt er. Es brauche nun ein Gesetz, das verhindere, dass Asylsuchende nach Eröffnung des Nichteintretensentscheides einfach abtauchen. Auch Du Bois-Reymond befürchtet, dass es schweizweit zu wenig Haftplätze gibt. Ein weiteres Problem: Laut dem Direktor darf man jene Asylsuchenden gar nicht ohne weiteres voraussetzungslos in Haft nehmen.

 Mischa Aebi

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SANS-PAPIERS
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Bund 4.3.10

Nationalrat fordert Lehrstellen für junge Papierlose

 Sans-Papiers sollen nach der Schule eine Lehre machen können.

 Christian von Burg, Markus Brotschi

 Kinder sollen nicht dafür büssen, dass sich ihre Eltern illegal in der Schweiz aufhalten. So lautete gestern der Tenor im Nationalrat. Das Recht auf Bildung, das auch Kinder von Sans-Papiers haben, soll deshalb erweitert werden. Mit knappem Mehr sprach sich die grosse Kammer dafür aus, dass jugendliche Papierlose nach der Schule eine Lehre absolvieren dürfen. Der Besuch von Gymnasien ist heute schon möglich.

 Der überraschende Entscheid ist auf das erfolgreiche Lobbying bürgerlicher Politiker zurückzuführen: Der Basler Gewerbedirektor, FDP-Nationalrat Peter Malama, machte sich in den letzten Tagen bei der FDP und der CVP stark für die Vorlage. Junge Sans-Papiers seien oft überdurchschnittlich motiviert und leistungsbereit, sagt Malama. Kein Gehör fand im Nationalrat aber das Anliegen, den Sans-Papiers nach der Lehre eine Aufenthaltsbewilligung zu garantieren.

 Eigentlich stand die ausserordentliche Ausländerdebatte im Nationalrat unter dem Eindruck der massiven Zuwanderung der letzten Jahre. Erwartet wurde, dass einmal mehr die starke Zunahme deutscher Arbeitskräfte thematisiert wird. Die SVP hatte im Vorfeld mehrere Forderungen eingereicht, die sich gegen die Personenfreizügigkeit mit der EU richten.

 Härtere Regeln für EU-Bürger

 Der Nationalrat lehnte aber die von der SVP verlangte Kündigung des Abkommens mit 131 zu 56 Stimmen ab. Dafür verlangte er vom Bundesrat, dass er mit der EU über Anpassungen beim Freizügigkeitsabkommen verhandelt. Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass die Zuwanderung aus der EU die Schweizer Sozialwerke weniger stark belastet. Allerdings dürfte die EU kaum Hand bieten für eine Benachteiligung von EU-Bürgern gegenüber Schweizern.

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Bürgerliche zeigen Herz für Sans-Papiers

 Jugendliche, die mit ihren Eltern illegal in der Schweiz wohnen, sollen künftig eine Lehre machen können.

 Christian von Burg, Bern

 Eigentlich war es eine ausserordentliche Session zur Zuwanderung, durchgeführt auf Begehren der SVP. Verschärfungen in der Asyl- und Ausländerpolitik und Einschränkungen der Zuwanderung aus der EU standen im Zentrum. Das herausstechende Ergebnis der gestrigen Debatte im Nationalrat ist aber nicht eine Verschärfung, sondern ein Entgegenkommen in der Ausländerpolitik: Jugendliche Sans-papiers, die in der Schweiz zur Schule gegangen sind, sollen neu auch eine Berufslehre machen können. Mit 93 zu 85 Stimmen hat die grosse Kammer eine entsprechende Motion des Genfer CVP-Mannes Luc Barthassat angenommen.

 Entscheidend beteiligt bei diesem Entscheid war der Basler FDP-Nationalrat Peter Malama. Intensiv hat er in der FDP und bei der CVP lobbyiert. Das Resultat: Die Hälfte der CVP-Parlamentarier hat für die Vorlage gestimmt. Bei der FDP war es gar mehr als die Hälfte. Zusammen mit den Stimmen der SP und der Grünen hat das für ein Ja gereicht.

 "Es geht um Gerechtigkeit"

 Was treibt einen bürgerlichen Politiker an, sich für illegal anwesende Ausländer in der Schweiz einzusetzen? "Es geht hier nicht um rechts oder links", sagt Malama, "es geht um Gerechtigkeit." Ihn stört, dass jugendlichen Sans-papiers nach der obligatorischen Schulzeit der Weg in die Lehre bisher versperrt ist, während den sehr guten Schülern der Weg ins Gymnasium offensteht. Malama ist als Gewerbedirektor von Basel-Stadt auf das Problem aufmerksam geworden. Immer wieder hätten Lehrmeister bei ihm angeklopft, die Sans-papiers anstellen wollten, dabei aber auf rechtliche Probleme gestossen seien. "Meist sind diese Jugendlichen sehr motiviert und gut integriert", sagt Malama, "stellen sie jedoch ein Härtefallgesuch, riskieren sie, sofort ausgeschafft zu werden."

 Trotz der Hürden sind in Basel schon einige Sans-papiers zu einer Lehre zugelassen worden, und auch die Lausanner Stadtregierung hat Mitte Februar beschlossen, jungen Sans-papiers eine Lehre in der Verwaltung zu ermöglichen. Seit dieser Ankündigung gehen die Wogen in der Romandie hoch.

 Der Grüne Genfer Nationalrat Antonio Hodgers fordert, dass die Schweiz als Vertragsstaat der Uno-Kinderrechtskonvention ihre eingegangenen Verpflichtungen wahrnehmen müsse. Kinder dürften künftig nicht mehr für den illegalen Status ihrer Eltern bestraft werden. Die grosse Kammer stimmte auch diesem Ansinnen mit 108 zu 70 Stimmen zu. Die Parlamentarier forderten zudem vom Bundesrat einen Bericht, der den Zugang von Sans-papiers zur Gesundheitsversorgung und zur Krankenversicherung in den verschiedenen Kantonen aufzeigt.

 Klar gegen Legalisierung

 In der Frage, wie es mit jungen Sans-papiers nach der Lehre weitergehen soll, zeigte der Nationalrat kein weiteres Entgegenkommen. Mit 101 zu 72 Stimmen lehnte er es ab, deren Aufenthalt in der Schweiz zu legalisieren. Es mache zwar keinen Sinn, Jugendliche auszubilden und dann ins Ausland abzuschieben, sagt Malama, aber aus humanitärer Sicht sei es immer noch besser, sie mit einem guten Bildungsrucksack auszuweisen als ohne. Der Bundesrat hat sich offiziell gegen die vom Nationalrat beschlossenen Erleichterungen ausgesprochen. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf zeigte jedoch einige Sympathie für das Anliegen. Es sei zwar das Ziel des Bundesrates, abgewiesene Ausländer so rasch wie möglich wieder zurückzuführen, sagte sie. Man dürfe den Kindern jedoch auch nicht ihr Recht auf Bildung nehmen - zumal ihre Eltern ja zum Teil von Schweizer Arbeitgebern angestellt würden. Ob dies auch die Mehrheit der Ständeräte so sieht, ist offen.

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BZ 4.3.10

 Sondersession I

 Kluge Köpfe sollen bleiben

 Ausländerinnen und Ausländer mit einem Schweizer Hochschulabschluss sollen leichter Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt haben. Der Nationalrat will das Ausländergesetz in diesem Sinne anpassen. Er hat gestern mit 104 gegen 36 Stimmen einer Revision zugestimmt. Konkret sollen Ausländer, die an einer Schweizer Uni einen Abschluss erlangten, eine Arbeitsbewilligung für Jobs erhalten, die von hohem wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Interesse sind. Für eine Dauer von sechs Monaten nach dem Abschluss ihrer Ausbildung sollen sie eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung erhalten, um eine entsprechende Erwerbstätigkeit zu finden.

 Der Nationalrat setzt mit der Vorlage eine parlamentarische Initiative von Jacques Neirynck (CVP, VD) um und nimmt ein Anliegen aus der Wissenschaft und der Wirtschaft auf.
 sda

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 Sondersession II

 Lehre für Sans-Papiers

 Der Nationalrat nahm - unter Applaus der Linken - Motionen der Genfer Nationalräte Luc Barthassat (CVP) und Antonio Hodgers (Grüne) an. Beide fordern, dass jugendliche Sans-Papiers, die in der Schweiz zur Schule gegangen sind, eine Berufslehre absolvieren können. Hodgers möchte zusätzlich, dass Kinder von Sans-Papiers bei ihrer Geburt in der Schweiz formell anerkannt werden. Stimmt auch der Ständerat zu, wird der Bundesrat beauftragt, die Gesetze entsprechend zu ändern. Die Regierung hatte die Ablehnung der Motionen beantragt. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte, die Kantone hätten die Möglichkeit, in Härtefällen den Status von Sans-Papiers zu regeln. Eine generelle Legalisierung von jugendlichen Sans-Papiers geht auch dem Nationalrat zu weit: Eine Motion mit diesem Anliegen lehnte er ab.
 sda

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20 Minuten 4.3.10

Für eine Berufsausbildung auch für Sans-Papiers

 BERN. Jugendliche Sans- Papiers sollen künftig eine Lehre machen dürfen. Dies hat der Nationalrat gestern entschieden. Wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll, ist aber noch unklar.

 Mit 93 zu 85 Stimmen hat der Nationalrat gestern die entsprechende Motion des Genfers Luc Barthassat gutgeheissen. "Wenn Sans-Papiers keine Lehre absolvieren dürfen, fehlt ihnen die Perspektive und sie rutschen schnell in die Kriminalität ab", argumentiert Barthassat. Der CVP-Nationalrat stellt aber klare Bedingungen: Nur diejenigen Sans-Papiers, die in der Schweiz auch die Schule abgeschlossen haben, sollen hier eine Lehre machen dürfen. Wie die Motion aber konkret umgesetzt werden soll, ist noch unklar: "Denkbar wäre, dass die Daten vom Lehrbetrieb nicht an die Behörden weitergegeben werden dürfen", so Barthassat. In der Schweiz leben zurzeit rund 100 000 Sans-Papiers. Davon sind schätzungsweise 10 000 Kinder oder Jugendliche.

 Bruno Zanga, Leiter des Ausländeramtes St. Gallen, sieht Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Motion: "Mit der Zulassung zu einer Lehre ist noch nicht automatisch eine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Das Bundesamt für Migration oder auch die Politiker werden uns aufzeigen müssen, wie dieses Problem zu lösen ist." Denkbar wäre etwa eine vorübergehende Aufenthaltsbewilligung bis zum Ende des Lehre.

 Was der Nationalrat für die ganze Schweiz will, ist in Lausanne bereits entschieden: Ab 2011 stellt die Stadt auch Sans-Papiers als Lehrlinge ein. Die Motion geht nun weiter in den Ständerat. Deborah Rast

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 Angenommene Vorstösse zur Zuwanderung

 BERN. In der ausserordentlichen Session zum Thema Zuwanderung hat der Nationalrat gestern 30 Vorstösse angenommen. Darunter folgende:

 Nur wer über genügend Kenntnisse einer Landessprache verfügt, soll eine Niederlassungsbewilligung erhalten.

 Gute Kenntnisse einer Landessprache und Integration sind Voraussetzung für eine Einbürgerung.

 Imame brauchen eine staatliche Bewilligung. Diese erhalten sie nur, wenn sie den Schweizer Rechtsstaat akzeptieren.

 Wenn die Einbürgerung für nichtig erklärt wird, bekommt der Ausgebürgerte nicht automatisch seine Aufenthaltsbewilligung zurück.

 Nach Entlassung aus der Haft müssen ausländische Gewalttäter direkt ausgeschafft werden.

 Der Bundesrat soll einen ausführlichen Bericht und Studien zu Muslimen in der Schweiz vorlegen.

 Ist ein EU-Bürger seit mehr als 12 Monaten arbeitslos, soll seine Aufenthaltsbewilligung nur um maximal ein Jahr verlängert werden.

 Opfern von Zwangsheiraten soll effektiv geholfen werden.

 Asylverfahren sollen verkürzt werden.

 Der Bundesrat soll einen Bericht vorlegen, wie er die Zuwanderung aus EU- und Drittstaaten künftig steuern will.

 Transitmigrationsprogramme und die Rückkehrhilfe sollen ausgebaut werden.

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WoZ 4.3.10

Sans-Papiers - Die links-grün regierte Stadt Lausanne will papierlosen SchulabgängerInnen eine Lehre ermöglichen - und löst damit eine heftige Polemik aus.

Eine Behörde bricht das Gesetz

Von Helen Brügger

 Es war ein gelungener Coup: Wenige Tage vor der Sondersession des Nationalrats zum Thema Migration machte die Stadt Lausanne Schlagzeilen bis in die deutsche Schweiz. Sie will jugendliche Sans-Papiers als Lehrlinge in der Gemeindeverwaltung beschäftigen, was einem Gesetzesbruch ­gleichkommt. "Lausanne probt den Aufstand", titelte die NZZ. "Wir setzen auf die Illegalität", gab der für Jugend und Erziehung zuständige Stadtrat Oscar Tosato zu. Postwendend drohte der liberale Waadtländer Staatsrat Philippe Leuba der unbotmässigen Exekutive, sie mit einer Strafanzeige und administrativen Sanktionen zur Vernunft zu bringen.

 Ende mit der Heuchelei

 Worum geht es? Kinder von Papierlosen dürfen zwar die Schule besuchen, sie können jedoch keine Lehre machen. Denn Lehrstellen setzen einen Arbeitsvertrag voraus, und ein solcher kann nur abgeschlossen werden, wenn eine Aufenthaltsbewilligung vorliegt. In Lausanne gehen zwischen 200 und 300 Kinder von Papierlosen zur Schule. Wenn sie mit fünfzehn Jahren nicht das Gymnasium besuchen können, trifft sie das Schicksal ihrer Eltern: Sie tauchen im Heer der recht- und perspektivlosen Sans-Papiers mit prekären Jobs unter. "Diese Kinder sind doppelt diskriminiert", sagt SP-Stadtrat Tosato: "Als Sans-Papiers haben sie nicht die gleichen Rechte wie ihre Altersgenossen, und als manuell Begabte sind sie gegenüber intellektuell Begabten benachteiligt."

 Das Problem besteht nicht nur Waadtland. In elf Kantonen wird über den Zugang jugendlicher Papierloser zum Lehrstellenmarkt diskutiert, am Mittwoch dieser Woche beschäftigte das Problem auch den Nationalrat. Derweil ist Lausanne zur Tat geschritten und macht der "offiziellen Heuchelei", wie es der Lausanner Stadtpräsident Daniel Brélaz nennt, ein Ende. Das Projekt, Kinder von Sans-Papiers in der Stadtverwaltung eine Ausbildung machen zu lassen, ist keine Globallösung und betrifft, falls es denn realisiert wird, nur wenige Jugendliche. Aber es ist eine Schweizer Premiere, "das Ende einer kollektiven Weigerung, die Realität der Sans-Papiers anzuerkennen", sagt Rechtsanwalt Jean-Michel Dolivo, Mitglied des Unterstützungskomitees für die Sans-Papiers.

 Dass Lausanne so leichten Herzens zur Gesetzesbrecherin werden will, liegt an der links-grünen Mehrheit der Stadt. Aber auch an einer besonderen Sensibilität für Migrationsprobleme: Jahrelang haben sich Bevölkerung und Behörden schützend hinter die als "Gruppe der 523" bekannt gewordenen Asylsuchenden gestellt, die die Eidgenossenschaft nicht regularisieren wollte. Vorbild für die Initiative ist die Erinnerung an eine medienträchtige Szene im Nachbarkanton Genf: Dort hat, vor mehr als zwanzig Jahren, der christdemokratische Staatsrat Dominique Föllmi unter den Augen der Öffentlichkeit ein kleines papierloses Mädchen an die Hand genommen und zur Schule gebracht. Er hat damit, im Namen des höheren Rechts auf Bildung für alle, geltendes Recht gebrochen und Kindern von "Illegalen" den Weg in die Schule ermöglicht. Auf höheres Recht beruft sich jetzt auch Oscar Tosato, nämlich auf die Kinderrechtskonvention der Uno, die Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung verlangt.

 Nicht mehr diskriminieren

 Dennoch wirft das Lausanner Projekt einige Fragen auf. Etwa: Ist die prekäre Existenz jugendlicher Papierloser oder gar die ihrer Eltern nicht gefährdet, wenn sie sich in aller Öffentlichkeit für eine Lehrstelle bei der Gemeindeverwaltung bewerben? Für Tosato kein Problem: "Sie sind nicht mehr gefährdet, als wenn sie zur Schule gehen!" Weiter: Bietet die Stadt da nicht einfach Schwarzarbeit an? "Schwarzarbeit besteht nicht darin, Menschen eine Arbeit zu geben, die keine haben, sie besteht in Schutzlosigkeit und Tiefstlöhnen", wehrt der Stadtrat ab. Drittens: Darf eine Behörde, auch unter Berufung auf humanitäre Werte, das Gesetz brechen? "Das ist die wesentliche Frage", gibt Tosato zu: "Die Diskussion über unsern Vorschlag wird weitere Lösungsvorschläge aufzeigen, die uns möglicherweise den Schritt in die Illegalität ersparen."

 Es gebe verschiedene Möglichkeiten, skizziert Tosato. Eine sei, dass Lehrverträge rechtlich nicht mehr mit Arbeitsverträgen verknüpft würden, womit das Problem der notwendigen Aufenthaltsbewilligung umgangen werden könnte. Lehrlinge erhielten stattdessen einen Ausbildungsvertrag und somit einen ähnlichen Status wie Schulabsolventen oder Empfänger eines Stipendiums. Aber Tosato hält an seinem Ziel fest, die festgestellte Diskriminierung mit allen Mitteln zu beseitigen: "Wir lassen uns nur von Lösungen von unserm Weg abbringen, nicht von Drohungen!", nimmt er zu Staatsrat Philippe Leubas empörter Reaktion Stellung.

 Die Geschichte sei voll von Beispielen von Ungerechtigkeit und Verbrechen, für die man sich später nur noch entschuldigen könne: "Wir wollen nicht, dass sich die Schweiz in fünfzig Jahren bei den ehemaligen Sans-Papiers-Kindern entschuldigen muss." Auch den Vorwurf, mit seinem Vorschlag Wasser auf die Mühlen der SVP zu leiten, nimmt Tosato auf die leichte Schulter. In der Lausanner Exekutive sitzen sechs links-grüne und ein bürgerlicher Vertreter: "Wenn uns die Bevölkerung mit einer so grossen Mehrheit gewählt hat, dann erwartet sie von uns, dass wir Vorschläge machen. Nicht, dass wir uns vor der SVP in den Staub werfen."

 Indirekte Schützenhilfe

 Derweil haben sich die ersten harschen Reaktionen auf Tosatos Projekt gelegt. Christliche Organisationen wie das Centre social protestant und das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (Heks), Sans-Papiers-Organisationen und Gewerkschaften signalisieren Unterstützung. Dass es in der rot-grünen Lausanner Legislative eine Mehrheit finden wird, gilt schon jetzt als ausgemacht. Und sogar das Kantonsparlament hat bereits indirekte Schützenhilfe geleistet: Es weigerte sich letzte Woche, das Vorgehen der Stadt zu verurteilen, und forderte im Gegenteil Stadt und Kanton dazu auf, eine gemeinsame Lösung zu finden.

 Für Linksaussen-Kantonsrat Jean-Michel Dolivo handelt es sich beim Lausanner Vorschlag um eine sinnvolle Ergänzung zu einem Entscheid des Waadtländer Kantonsparlaments. Dieses hat im vergangenen November die Regierung dazu verpflichtet, auf nationaler Ebene mit einem Vorstoss zugunsten einer Berufsausbildung für Jugendliche ohne legalen Status aktiv zu werden. Doch was hält der Jurist vom angekündigten Schritt der Lausanner Regierung in die Illegalität? "Die Mehrheit der Sans-Papiers zahlt Sozialabgaben und Steuern, und der Staat ist sich auch nicht zu schade, vom Resultat ihrer ‹illegalen› Tätigkeit zu profitieren", meint Dialektiker Dolivo.

 Daniel Brélaz, historische Figur der Waadtländer Grünen, Nationalrat und Lausanner Stadtpräsident in einer Person, müsste in seiner Funktion als Bürgermeister eigentlich Verstösse gegen das Ausländergesetz anzeigen. Doch Brélaz wird gar nichts anzeigen. Der Vorschlag sei öffentlich. Wenn er umgesetzt werde, würden papierlose Lehrlinge angestellt und bezahlt, kündigte er an. "Wir werden nicht auf halbem Weg stehen bleiben."

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RAUCHVERBOT
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Bund 4.3.10

Meinung

Wenn Raucher selbst im Tabaklädeli nicht mehr rauchen dürfen, ist der Staat zu weit gegangen.

Rauchverbot - Regulierungswut

Markus Eisenhut

 Nach verschiedenen kantonalen Regelungen tritt am 1. Mai nun auch noch national das Rauchverbot in Kraft. Der gesundheitsbewusste Zeitgeist triumphiert, die Schweiz scheint gerettet. Ist sie das wirklich?

 Damit keine Missverständnisse entstehen: Rauchen ist ungesund. Da es das Gebot des funktionierenden Staates ist, seine Bürger vor Gefahren zu schützen, ist es vernünftig, sich Gedanken über das Rauchen und über die Schädlichkeit des Passivrauchens zu machen.

 Der momentane Feldzug gegen den Zigarettenqualm trägt indes hysterische Züge. Weil das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen ein Rauchverbot für alle geschlossenen Räume vorsieht, die öffentlich zugänglich sind, sind auch Tabaklädeli betroffen. Die Degustation von Raucherwaren im Fachgeschäft ist folglich ebenfalls verboten, wenn nicht ein Fumoir zur Verfügung steht. Ein Gesetz, das dem gesunden Menschenverstand widerspricht, denn in einem Tabaklädeli kann es um nichts anderes gehen als ums Rauchen.

 Über die Weisheit des gesunden Menschenverstands lässt sich streiten. Theoretiker verachten ihn. Für Hannah Arendt, eine der bedeutendsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts, war der gesunde Menschenverstand jedoch eine tragende Säule des sozialen und politischen Zusammenhalts. Der gesunde Menschenverstand sorge dafür, dass die Gesellschaft in einer gemeinsamen Wirklichkeit lebe. Die wachsende Sinnlosigkeit in unserer Welt sei nichts anderes als die Begleiterscheinung eines Verlusts von gesundem Menschenverstand.

 "Wenn der Sachverstand in der Politik losgelassen wird, ohne die Einsicht des Staatsmannes und ohne den gesunden Menschenverstand des Staatsbürgers, dann glaube ich, dass dies der Demokratie und der Freiheit sehr wohl den Garaus machen könnte", sagte Arendt 1961. Will heissen: In einer Demokratie ist der gesunde Menschenverstand des gewöhnlichen Bürgers unersetzlich.

 Erstarren in der Bürokratie

 Tatsächlich treibt aber in der Schweiz heute ein immer engmaschigeres Netz an Regeln und Restriktionen der Bevölkerung den gesunden Menschenverstand aus. Das Problem Tabaklädeli ist kein grosses Problem, doch es steht für diese Entwicklung.

 Zwar versteht der Staat sein proaktives Schaffen irgendwelcher Gesetze und Verbote zur Abwehr von irgendwelchen Gefahren als Dienst an der Gesellschaft, doch letztlich ist das Gegenteil richtig: Wenn wir uns nicht mehr auf den gesunden Menschenverstand, sondern auf immer neue Vorschriften verlassen, dann führt das staatliche Regulierungs-Temperament zu bürokratischer Arroganz, zu Durchschnittlichkeit im Denken, zum Erstarren der Gemeinschaft und zu weniger Freiheit. Wollen wir das? Wollen wir, dass der gesunde Menschenverstand in der Reglementierungsflut ertrinkt?

 Eine missglückte Pointe

 Natürlich nicht. Deshalb müssen wir einerseits dafür sorgen, dass der Staat nicht nur munter Regeln, Restriktionen und Gesetze schafft, sondern dass er obsolete Regeln, Restriktionen und Gesetze systematisch abschafft. Und andererseits müssen wir Strukturen gestalten, die in Schulen, in Wirtschaft und in Politik den gesunden Menschenverstand belohnen. Damit wir wieder lernen, uns selbst zu vertrauen. Und damit das Rauchverbot im Tabaklädeli eine einmalige missglückte Pointe heimischer Regulierungskunst bleibt.

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KUNST TROTZ(T) ARMUT
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Bund 4.3.10

In der offenen Heiliggeistkirche trotzt die Kunst der Armut

 Armutszeugnisse: Künstlerinnen und Künstler thematisieren Armut, Armutsbetroffene machen Kunst.

 Walter Däpp

 Wer die Kirchentür öffnet, wird im Halbdunkel des Eingangsbereichs sogleich mit einem grossen Bild konfrontiert, das auch Bernerinnen und Bernern nicht unvertraut ist: Es zeigt einen am Boden kauernden Mann, der den - schemenhaft an ihm vorbeiziehenden - Passantinnen und Passanten den Hut hinhält. Beim Bettler handelt es sich um den Künstler Luigi Ciasullo. Er stelle sich selber so dar, erzählt er, weil er selber von Armut betroffen sei und nie wisse, wie lange er noch genügend Geld zum Leben habe und wann er wieder Sozialhilfe beanspruchen müsse. "An dieser Ausstellung", sagt er, "bin ich deshalb emotional und mit grossem Engagement dabei." Ähnlich äussert sich die armutsbetroffene Nelly Schenker. Ihre drei ausgestellten Bilder zeigen "das Hungertuch", "Haiti" und "den Zukunftsfisch" - und im Gespräch sagt sie dann, Zeichnen und Malen gebe ihr "das Gefühl, ein Mensch zu sein".

 Nelly Schenker und Luigi Ciasullo sind zwei von sechs armutsbetroffenen Schweizer Kunstschaffenden, die der eindrücklichen deutschen Wanderausstellung "Kunst trotz(t) Armut" ein helvetisches Gepräge geben. Die offene Kirche Bern hat diese Ausstellung, die zuvor bereits in neunzehn deutschen Städten zu sehen war, nach Bern geholt, um "der Armut ein Gesicht zu geben", wie Projektleiter Hans-Ulrich Stoller sagt. Denn gerade im europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ("ein Jahr, das es eigentlich gar nicht geben dürfte") sei es auch Aufgabe der Kirche, "die Armut in der reichen Schweiz" sichtbar zu machen.

 90 000 Arme im Kanton Bern

 Die Tatsache, dass es allein im Kanton Bern über 90 000 arme oder armutsgefährdete Menschen gibt, darunter über 20 000 Kinder, ist für Gesundheits- und Fürsorgedirektor Philippe Perrenoud "unerträglich". An einer Podiumsdiskussion zur Ausstellungseröffnung in der Heiliggeistkirche rief er dazu auf, "die Augen vor dem Armutsproblem nicht zu verschliessen". Armut könne "plötzlich jeden treffen". Das Thema stehe deshalb in seiner politischen Agenda ganz oben - zum Beispiel wenn es um die Frage von Ergänzungsleistungen für Familien gehe. Nach den in der Öffentlichkeit heftig diskutierten Missbrauchsfällen müsse auch das Vertrauen in die Sozialhilfe wieder gestärkt werden.

 Unternehmen unterschätzt?

 Für die freisinnige Grossrätin Susanne Bommeli sind "Wohnung, Nahrung, Gesundheit und Bildung" Rechte, die in der Schweiz allen zustehen. Deshalb müsse der Kanton beim Geldverteilen "andere Prioritäten" setzen. Beim Bekämpfen der Armut dürfe auch "die Bedeutung der Unternehmen, die Arbeitsstellen schaffen, nicht unterschätzt werden", mahnte sie - und bedauerte, dass "heute die Boni-Diskussion davon ablenkt". Für Hans-Peter Furrer, den Präsidenten der Bewegung ATD Vierte Welt, ist vor allem die Früherfassung armutsgefährdeter Kinder wichtig - "damit Armut nicht vererbt wird", wie er sagt, "damit die Kinder nicht auch wieder in die Armutsspirale der Eltern geraten". Bei der Armutsbekämpfung gehe es aber nicht nur um Geld, mahnte Furrer: "Es geht auch um Anerkennung. Um den Respekt der Menschenwürde. Um Akzeptanz. Wenn man Armutsbetroffene stigmatisiert, macht man den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft kaputt."

 Sichtbare und unsichtbare Armut

 Um diese Anerkennung und um diese Akzeptanz geht es in der Ausstellung - mit Bildern, Skulpturen und Installationen von Künstlern, die die Armut thematisieren, und von Armutsbetroffenen, die sich künstlerisch ausdrücken. Auf den ersten Blick sind Armutsformen wie Obdachlosigkeit sichtbarer als verborgenere Formen. Doch gerade deshalb lohnt sich ein zweiter Besuch - ein zweiter Blick auf die eindrücklichen und nachdenklich stimmenden künstlerischen Armutszeugnisse, die die offene Kirche in Zusammenarbeit mit der Wohnkonferenz Bern, dem Contact-Netz und der deutschen Wanderausstellung "Kunst trotz(t) Armut" zeigt.

 "Kunst trotz(t) Armut", Passionsausstellung in der Heiliggeistkirche, bis 9. April. In der Museumsnacht am 19. März findet gleichenorts eine Theateraufführung mit Armutsbetroffenen statt.

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"offene kirche" kann vier weitere Jahre offen bleiben

 Nachdem auch der Grosse Kirchenrat der evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern einen Verpflichtungskredit genehmigt hat, kann die "offene kirche" in der Berner Heiliggeistkirche bis 2014 weitergeführt werden. Gemäss Mitteilung von gestern Abend handelt es sich um einen Kredit von 1,252 Millionen Franken. Die römisch-katholische Gesamtkirchgemeinde hat ihren Beitrag bereits am 24. Februar bewilligt. Die Institution "offene kirche" (siehe Artikel nebenan) gibt es seit 1999. (pd)

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GLOSSAR RASSISMUS
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Bund 4.3.10

Achtung, verfängliche Begriffe!

 "Überfremdung", "Neger", "Sonderbehandlung": Ein Internet-Glossar erläutert die Herkunft historisch belasteter Begriffe.

 Michael Meier

 "Sonderbehandlung für die Deutschen". So betitelte die "NZZ am Sonntag" im Juni 2004 einen Artikel über die Mediation zur Fluglärmverteilung unfreiwillig ironisch. Offenbar war ihr nicht bewusst, dass "Sonderbehandlung" bei den Nationalsozialisten ein Tarnbegriff für Mord war. Diesen historischen Kontext des Wortes aber sollte man nicht vergessen, fand die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) und gab ein Glossar historisch belasteter Begriffe in Auftrag.

 Nun ist das Internet-Glossar auf der Website der GRA aufgeschaltet (http://www.gra.ch). Es sind Kurzerläuterungen zu 80 Begriffen mit rassistischen Inhalten, aber auch zu anderen Wörtern, die oft missverständlich verwendet werden. Insbesondere Journalisten, Lehrkräfte und Politiker sollen dank dem Glossar deren Herkunft, aktuelle Bedeutung und politische Verwendung abfragen können. Das Glossar ist vor allem auch an Studierende und Schüler adressiert, also an die jüngere Generation, wie GRA-Geschäftsführer Michael Chiller-Glaus sagt.

 Mit den nationalsozialistisch geprägten Begriffen sei die ältere Generation noch vertraut. Jüngere indessen sprächen mitunter arglos von Endlösungen für gewisse Probleme. So forderte neulich eine junge Autorin in einer Schweizer Zeitung eine Endlösung für den Nahostkonflikt. Ohne böse Absicht, aber im Unwissen darum, dass "Endlösung" die Vernichtung der Juden meint.

 Liste wird laufend erweitert

 Das Wort "Endlösung" ist für Chiller indexiert und in keinem Kontext ausserhalb der Schoah gestattet. Insgesamt aber sei das Glossar kein Index, keine Zensur. Alle Begriffe seien verwendbar, wenn deren Bedeutung verstanden und sie im richtigen Kontext verwendet würden.

 Erklärt werden auch vermeintlich verletzende Wörter. Etwa der Begriff "Jude/Jüdin", der bei Juden selber gebräuchlich ist, in Deutschland aber mit "Menschen jüdischer Abstammung" umschrieben und kaschiert wird, als wäre er ein Schimpfwort.

 Eine Pionierleistung sind die Erläuterungen zum bisher unerforschten Begriff "gestampfter Jude". Dieser nämlich war in der Soldatensprache eine gängige Bezeichnung für die Fleischkonserven der Schweizer Armee. Der Begriff war bis in die 90er-Jahre gebräuchlich.

 Das Glossar beinhaltet nicht nur antisemitische Begriffe oder Nazi-Codewörter. Es sind auch Wörter wie "Islamismus" oder "Überfremdung" zu finden, die im Sprachgebrauch häufig auftauchen, über deren genaue Bedeutung aber oft Unklarheit herrscht. Erarbeitet vom Journalisten Daniel Suter und der Historikerin Shelley Berlowitz, sind die Einträge knapp und eingängig gehalten. Weitere Begriffe sollen laufend aufgeschaltet werden. Neue Vorschläge kann jedermann auf der Website einreichen.

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NEONAZIS FL
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St. Galler Tagblatt 4.3.10

Rechtsradikale Schatten über dem Fürstentum

 Mehrere Brandanschläge und die Gründung einer rechtsradikalen Gruppierung: Im Fürstentum Liechtenstein ist die heile Welt aus den Fugen geraten.

Jara Uhricek/SDA

Vaduz. Erst letzten Freitag wurde ein Kebab-Bistro in Nendeln durch Molotowcocktails verwüstet. Es handelt sich um den zweiten Brandanschlag im gleichen Ort innert dreier Monate. Bereits Ende November 2009 hatten Unbekannte Molotowcocktails gegen zwei Wohnhäuser in Nendeln geworfen. Hausbewohner konnten die Flammen löschen, bevor grösserer Schaden entstand.

 Schafskopf vor der Türe

 Ein weiterer Anschlag ereignete sich vergangenen September in Triesen: Unbekannte sprengten den Briefkasten einer liechtensteinischen Familie und deponierten vor den Trümmern einen abgeschnittenen Schafskopf. In allen Fällen fand die Polizei keine Hinweise auf die Täterschaft, wie Sprecherin Tina Enz sagt. Daher könne man weder eine Verbindung zwischen den drei Fällen noch eine zu rechtsextremen Kreisen bestätigen. Der Verdacht auf rechtsradikale Täter ist laut der Tageszeitung "Liechtensteiner Volksblatt" zumindest beim ausgebrannten Kebab-Bistro naheliegend. Die Tendenz zu Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund und zur Diskriminierung von Minderheiten sei unverkennbar, so die Zeitung.

 Rechtsradikale rekrutieren

 So zirkulieren im "Ländle" Flugblätter mit ausländerfeindlichem Inhalt. Plakate, die für Respekt gegenüber Schwulen und Lesben werben, wurden zerstört. "Man darf es nicht unter den Tisch kehren. Es gibt Rechtsradikale in Liechtenstein", so Polizeisprecherin Enz. Erst kürzlich habe die Polizei von einer rechtsradikalen Vereinigung in Eschen erfahren. Mitglieder seien regelrecht rekrutiert worden. Der jüngste Vorfall mit dem Anschlag auf das Bistro in Nendeln ist auch in der Regierung ein Thema. Regierungsrat Hugo Quaderer sagt: "Wir wissen, dass rechtsextreme Einstellungen bis weit in die Mitte der Gesellschaft in Liechtenstein verbreitet sind." Er rief dazu auf, Rechtsextremismus in keiner Form zu tolerieren. "Wir sind jeden Tag aufs neue gefordert, Mut und Zivilcourage zu zeigen", so Quaderer.

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Liechtensteiner Vaterland 4.3.10

Brandanschlag aufs Schärfste verurteilt

 Den Brandanschlag mit Molotow-Cocktails auf ein kurz vor der Eröffnung stehendes Kebab-Bistro in Nendeln vom vergangenen Freitag verurteilt die liechtensteinische Regierung auf Schärfste.

 Von Günther Fritz

 Es handelt sich um den dritten Anschlag mit einfach herstellbaren Brandsätzen im gleichen Ort innert dreier Monate. Ende November 2009 hatten Unbekannte Molotow-Cocktails gegen zwei Wohnhäuser in Nendeln geworfen. Hausbewohner konnten die Flammen löschen, bevor grösserer Schaden entstand.

 Obwohl noch nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass diese Gewaltakte von einer Täterschaft verübt worden sind, die einem rechtsextremen Gedankengut anhängt, sprechen die Umstände für solche Motive.

 "Absolut nicht entschuldbar"

 Innenminister Hugo Quaderer erklärte anlässlich des gestrigen Mediengesprächs zu dieser Gewalttat: "Von der politischen Seite lassen wir keine Zweifel offen. Die Regierung verurteilt solche Vorfälle aufs Schärfste. Das ist absolut nicht entschuldbar."

 Die Regierung wisse, dass rechtsextreme Einstellungen tief in der liechtensteinischen Gesellschaft verbreitet seien. "Vielfach wird dieser Bereich leider immer noch verharmlost", sagte Regierungsrat Hugo Quaderer. Das aktuelle Gewaltdelikt in Nendeln, bei dem eine noch unbekannte Täterschaft zuerst die Fenster des kurz vor der Eröffnung stehenden Cafés mit Steinen eingeschlagen und anschliessend Molotow-Cocktails ins Innere geworfen hatte, werde von der Landespolizei mit grossem personellen und auch materiellen Einsatz konsequent verfolgt.

 Beherzt hinschauen

 Dazu Innenminister Hugo Quaderer weiter: "Die jeweilige Rechtsgrundlagen werden entsprechend klar, zusammen mit der Staatsanwaltschaft, angewendet. Wir sind uns auch einig, dass die Justiz mit allen rechtsstaatlichen Mitteln durchgreifen wird."

 Regierungsrat Hugo Quaderer appellierte an die Bevölkerung, solche Gewalttaten nicht zu verharmlosen und beherzt und engagiert "gegen jede noch so kleine rechtsextremistische Ideologie" vorzugehen. "Ohne das Engagement der Zivilgesellschaft können wir keinen nachhaltigen Erfolg erzielen", sagte Quaderer. Die Regierung bittet die Bevölkerung, bei solchen Vorfällen hin- statt wegzusehen. "Wir sind jeden Tag aufs Neue gefordert, Mut und Zivilcourage zu zeigen."

 Seite 3 und Kommentar

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"In keiner Form zu tolerieren"

 "Rechtsextremismus ist in keiner Form zu tolerieren", sagte Innenminister Hugo Quaderer am gestrigen Mediengespräch der Regierung. Den jüngsten Brandanschlag auf ein Kebab-Bistro in Nendeln verurteilte er aufs Schärfste.

 Von Günther Fritz

 Das aktuelle Gewaltdelikt in Nendeln vom vergangenen Freitag, bei dem eine noch unbekannte Täterschaft zuerst die Fenster des kurz vor der Eröffnung stehenden Cafés mit Steinen eingeschlagen und anschliessend Molotow-Cocktails ins Innere geworfen hatte, werde von der Landespolizei mit grossem personellen und auch materiellen Einsatz konsequent verfolgt. "Die Abklärungen und Untersuchungen laufen auf Hochtouren", sagte Innenminister Hugo Quaderer gestern vor den Medien in Vaduz. Der Anschlag sei auch unmittelbar nach der Tatbestandsaufnahme von der Landespolizei bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht worden.

 Reihe von Gewalttaten

 Der jüngste Brandanschlag ist nicht der erste dieser Art in Nendeln. Bereits Ende November 2009 gab es gleich zwei Brandanschläge mit Molotow-Cocktails in einer Nacht. Damals wurde zuerst ein Molotow-Cocktail gegen ein Haus geworfen. Der Wurfbrandsatz prallte damals am Fenster ab und brannte ausserhalb des Gebäudes ab. Trotzdem entstand erheblicher Sachschaden an der Hausfassade. Kurze Zeit später wurde ein weiterer Brandsatz auf einen Balkon eines Wohnhauses geworfen. Dadurch gerieten mehrere Objekte in Brand. Die Hausbewohner konnten das Feuer rechtzeitig löschen. Auch hier entstand erheblicher Sachschaden. Ein weiterer Anschlag ereignete sich vergangenen September in Triesen: Unbekannte sprengten den Briefkasten einer liechtensteinischen Familie und deponierten vor den Trümmern einen abgeschnittenen Schafskopf. In allen Fällen fand die Landespolizei keine Hinweise auf die Täterschaft, wie Sprecherin Tina Enz der Nachrichtenagentur SDA sagte. Daher könne man weder eine Verbindung zwischen den drei Fällen noch eine zu rechtsextremen Kreisen bestätigen.

 Benzinkanister: Heisse Spur?

 Inzwischen wurde in Nendeln ein Benzinkanister gefunden, der möglicherweise im Zusammenhang mit dem Brandanschlag vom Freitag auf das türkische Bistro stehen könnte. Gemäss Landespolizei könnte ein Tatzusammenhang bestehen.

 Hinschauen und nicht wegschauen

 Obwohl noch nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass die Brandanschläge mit Molotow-Cocktails von einer Täterschaft mit rechtsextremem Gedankengut verübt worden sind, sprechen die Umstände für solche Motive. Regierungsrat Hugo Quaderer appellierte an der Medienkonferenz an die Bevölkerung, solche Gewalttaten nicht zu verharmlosen und beherzt und engagiert "gegen jede noch so kleine rechtsextremistische Ideologie" vorzugehen. "Ohne das Engagement der Zivilgesellschaft können wir keinen nachhaltigen Erfolg erzielen", sagte Quaderer. Die Regierung bitte die Bevölkerung, bei solchen Vorfällen hin- statt wegzusehen. "Wir sind jeden Tag aufs Neue gefordert, Mut und Zivilcourage zu zeigen."

 Keine Patentrezepte

 Einen richtigen Königsweg bei der präventiven Bekämpfung extremistischen Gedankenguts gebe es leider nicht. Doch stehe fest, so Regierungsrat Quaderer vor den Medien, "dass nicht nur der Staat, sondern auch alle Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner aufgefordert sind, engagiert vorzugehen, wenn es darum geht, fremdenfeindlichen Äusserungen und Handlungen Einhalt zu gebieten."

 Verstärkte Aufklärung über Formen von Rechtsextremismus und breite bürgerschaftliche Netzwerkbildung würden helfen, rechte und gewalttätige Tendenzen im Keim zu ersticken. Das zeigten die Erfahrungen aus der Praxis. "Es gibt durchaus bewährte Aktionen gegen Rechtsextremismus, wenn auch keine Patentrezepte", führte Innenminister Hugo Quaderer weiter aus.

 Massnahmenkatalog in Arbeit

 Anfang November 2009 hat die Regierung zusammen mit der Gewaltschutzkommission die Ergebnisse der Studie "Rechtsextremismus in Liechtenstein" präsentiert. Auf der Basis der Studienergebnisse wird die Gewaltschutzkommission bis Ende dieses Monats einen konkreten Massnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus erarbeiten. Wie Regierungsrat Hugo Quaderer vor den Medien weiter ausführte, waren Vorfälle aus den Jahren 2004 (Massenschlägerei Monsterkonzert) und 2008 (Oktoberfest in Mauren) der Grund für die Studie und die daraus abzuleitenden Massnahmen.

 Aufklärungsarbeit notwendig

 Nach Ansicht von Regierungsrat Hugo Quaderer wäre es unzureichend, bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nur auf repressive Massnahmen zu setzen. Insbesondere junge Menschen müssten im Umgang mit rechtsextremistischen Inhalten ausreichend sensibilisiert sein. Deshalb habe die geistig-politische Auseinandersetzung und die gesellschaftliche Aufklärung Vorrang. Toleranz und Weltoffenheit seien grundlegende staatliche Werte in Liechtenstein. "Deshalb dürfen Extremismus, Rassismus und Antisemitismus keine Chance in Liechtenstein haben."

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ANTIREP ÖSTERREICH
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Basler Zeitung 4.3.10

Prozess sorgt für Proteste in Wien

 Tierschützer fallen unter Mafia-Artikel

 Gelächter

Schmunzelnde Angeklagte vor Gericht sieht man nicht oft. Im Landesgericht von Wiener Neustadt gab es aber zum Auftakt eines aufsehenerregenden Prozesses gegen 13 Tierschützer gleich mehrmals Gelächter. Als schliesslich die Klänge von Edith Piafs "Je ne regrette rien" (Ich bereue nichts) von einer Protestkundgebung in das Gebäude drangen - dies gerade als die Anklage Straftaten auflistete -, musste selbst der Staatsanwalt grinsen. Grund für die Aufregung und die Proteste gegen den Prozess: Sechs der beschuldigten Tierschützer sind nach dem sogenannten Mafia-Artikel wegen der Beteiligung an einer "kriminellen Organisation" angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Sabotage und Brandanschläge gegen die Pelz- und Fleischindustrie vor. Die Angeklagten beteuern jedoch ihre Unschuld.

 Keine Beweise

Es gebe keine Beweise für die Existenz einer kriminellen Organisation, kritisierte die Tierrechtsorganisation Peta Deutschland das Verfahren, das noch 34 Tage dauert. Die Demonstranten befürchten, dass der Tierschutz durch die Härte des Verfahrens mundtot gemacht werden soll. "Lästige Zivilgesellschaft und organisierte Kriminalität sind zwei Dinge, die sauber auseinanderzuhalten sind", sagte der Generalsekretär von Amnesty International Österreich.  DPA

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Blick 4.3.10

13 Tierterroristen in Wien vor Gericht

 Spätestens seit den Anschlägen gegen Novartis-Chef Daniel Vasella gelten einige österreichische Tierschützer als kriminell.

 Jetzt wird einer Aktivisten-Gruppe der Prozess gemacht. Insgesamt 13 Tierschützer stehen seit Dienstag in Wien vor Gericht.

 Sie sollen einen Zirkus in Brand gesteckt und Buttersäure-Anschläge auf mehrere Modeketten verübt haben.

 Dabei seien laut Staatsanwaltschaft Schäden in Millionenhöhe entstanden.

 Die radikalen Tierschützer gehören ursprünglich verschiedenen Organisationen an. Sie sollen sich aber zu einer "kriminellen Organisation" zusammengefunden haben, so Staatsanwalt Wolfgang Handler, und eine "perfide Doppelstrategie" verfolgt haben: nach aussen legales Engagement für den Tierschutz, daneben Organisation von Anschlägen, Drohungen und Stalking, um Firmen in die Knie zu zwingen.

 Ziel der militanten Tierschützer sei es unter anderem, die Modeindustrie zum Verkaufsstopp von Pelzen zu zwingen.

 Alle Beschuldigten haben sich am ersten Prozesstag für nicht schuldig erklärt. Der Hauptangeklagte Martin Balluch (45)ist Geschäftsführer des "Vereins gegen Tierfabriken" und sitzt bereits seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft.

 Ob einer der Angeklagten Kontakt zur militanten Tierschutzorganisation MFAH (Militant Forces against Huntingdon Life Science) hat, ist nicht bekannt. Aktivisten der MFAH Austria hatten sich im August 2009 zu dem Brandanschlag auf das Tiroler Jagdhaus von Novartis-Chef Daniel Vasella (56) bekannt.

 In ihrem Schreiben forderten die Tier-Terroristen damals, dass sich Novartis vom Tierversuchslabor Huntingdon Life Science (HLS) zurückzieht.

 Der Prozess gegen die 13 militanten Tierschützer in Wien wird heute fortgesetzt. Den Angeklagten drohen bis zu 5 Jahre Haft.

 Anna Vonhoff

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Radio Orange (Wien) 3.3.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20100303-wirsindall-32541.mp3

Wir sind alle §278a! Kriminalisierung von politischen Aktivist_innen und NGO in Österreich. Beginn des Prozesses gegen Tierrechtler_innen.

Kurze Information über den am 2. März begonnenen Prozess gegen Tierrechtler_innen in Österreich, Ausschnitte aus einem Interview mit Betroffenen, Ausschnitte aus Solidemo.
Art

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Radiofabrik (Salzburg) 3.3.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20100303-prozessgege-32539.mp3

Prozess gegen TierrechtsaktivistInnen in Österreich

In Wiener Neustadt hat diese Woche der umstrittene und auf ein halbes Jahr anberaumte Prozess gegen insgesamt 13 Tierrechtler begonnen. Umstritten ist der Prozess deshalb, weil nach dem so genannten Mafia-Paragrafen 278 verhandelt wird. Den Angeklagten wird unter anderem die Gründung einer kriminellen Organisation vorgeworfen.
Im österreichischen Konsulat in München haben sich unterdessen AktivistInnen angekettet, um auch im Ausland auf die Vorgänge in Österreich aufmerksam zu machen. Thomas Putzgruber vom Verein Respektiere war einer dieser Aktivisten, auch gegen ihn wurde im Vorfeld des Prozesses ermittelt. Im Inteview mit der Radiofabrik berichtet er über die Hintergründe der Protestaktion in München.

http://www.respektiere.at

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ANTI-ATOM
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Südostschweiz 4.3.10

Italien plant AKW an Bündner Grenze

 Die Bündner Regierung wünscht Auskunft über ein italienisches Atomkraftwerkprojekt. Grund für das Interesse ist der AKW-Standort nahe der Grenze zu Graubünden.

 Chur/Rom. - In Italien gibt es heute keine Atomkraftwerke, das letzte italienische AKW wurde vor genau 20 Jahren abgeschaltet. Nun will das Land aber zur Atomkraft zurückkehren. Als AKW-Standort steht Colico am nördlichen Comersee zur Diskussion, wie Radio Grischa gestern vermeldete. Der Standort befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Kanton Graubünden. Für den Standort Colico spricht die Nähe zu Hochspannungsleitungen und zum grössten Uranvorkommen Europas in Val Vedello sowie der See wegen des Kühlwassers.

 Graubünden will Informationen

 In Italien wird derzeit eine intensive Kontroverse über die AKW-Pläne geführt. In der Schweiz und in Graubünden ist das Thema noch kaum bekannt. Die Bündner Regierung wolle sich darüber informieren, wie weit der Vorschlag bereits gediehen sei, sagte Regierungsrat Stefan Engler auf Anfrage. In der Schweiz gibt es die fünf Atomkraftwerke Beznau 1 und 2, Mühleberg, Leibstadt und Gösgen. (so)

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MANI PORNO FOR STADTPRESIDENT
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Bund 4.3.10

Misstöne Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) singt wüste Lieder über Christoph Blocher und löst eine kleine Affäre aus.

Tschäppäts heimliche Schwäche

Bernhard Ott

 Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) ist in letzter Zeit fast in Vergessenheit geraten. Die lokale Bühne wird von FDP-Stadtrat Philippe Müller und seiner Initiative zur Erhöhung der Polizeipräsenz dominiert. Aber Tschäppät hat sich zurückgemeldet - und sorgt mit einem fulminanten Auftritt gleich für nationales Aufsehen, wie gestern auf Newsnetz.ch nachzulesen war. Offensichtlich trunken - natürlich vor Euphorie über den YB-Sieg gegen den FCZ -, ist er letzten Samstag auf die Bühne des linken Quartierschuppens "Luna Llena" gestolpert, um dort in einer Art Heimspiel Lieder von nicht zitierfähigem Inhalt über SVP-Aushängeschild Christoph Blocher zu singen. Assistiert wurde er dabei von der komödiantischen Trashband Mani Porno, die auf die Enthemmung des Stadtpräsidenten spezialisiert ist. So tanzte Tschäppät vor zwei Jahren an einer Late-Night-Show spontan zu den Klängen des Duos auf. Die Show stand unter dem Motto "Elder Statesmen".

 Vom Staatsmännischen ist nach dem letzten Samstag allerdings nicht mehr viel übrig. Tschäppäts Auftritt sei "unwürdig" und schade dem Ansehen der Stadt, liess ebenjener Philippe Müller verlauten, der zurzeit nicht nur eine Abstimmung gewinnen, sondern auch ins Kantonsparlament gewählt werden will. Dankbar für den Steilpass zeigte sich auch SVP-Grossratskandidat Erich Hess, der Tschäppät zum Rücktritt aufforderte. Die SP tut, was sie tun muss, und gibt sich zerknirscht ob der "unüberlegten Aktion". Tschäppäts Partei vermutet, dass ihr Aushängeschild der Euphorie anheimgefallen sei, die im "Luna Llena" geherrscht habe. Schliesslich nahm sogar Blocher selber Stellung und liess über sein Sekretariat ausrichten, dass er keine "primitiven Aussagen" kommentiere.

 Tschäppät selber bekannte, er habe "teilweise mitgesungen", und entschuldigte sich schon mal präventiv. Dabei hat Berns starker Mann doch seit Jahren eine heimliche Schwäche für den starken Mann der SVP. Als Tschäppät der Eröffnungsfeier der Hodler-Ausstellung im Kunstmuseum Bern fernblieb, weil Hodler-Sammler Blocher im Patronatskomitee sass, stimmte die Tonlage, und der Applaus kam vom "richtigen" Publikum. Hodler sei "kein Reaktionär" gewesen, wetterte Tschäppät und brach eine Lanze für die Kunstförderung, die im rot-grünen Bern doch so vorbildlich gepflegt werde. "Diese Haltung unterscheidet uns von jener Partei, die für sich Respekt verlangt und den anderen Respekt verweigert", sagte der Berner Stadtpräsident.

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BZ 4.3.10

Tschäppäts Entgleisung

 Ein Fehltritt Alexander Tschäppäts (SP) nach dem YB-Match am vergangenen Samstag sorgt für heftige Kritik, Rücktrittsforderungen - und eine Entschuldigung seitens des Berner Stadtpräsidenten. Nach dem Last-Minute-Sieg der Gelb-Schwarzen gegen Zürich fand im Restaurant Luna Llena eine YB-Fan-Party statt. Dort mischte sich Tschäppät gut gelaunt unter die Gäste. Als die Kultband Mani Porno einen Anti-SVP-Song anstimmte, sang Alexander Tschäppät auf der Bühne mit - und diffamierte öffentlich die beiden alt Bundesräte Christoph Blocher sowie Sämi Schmid. tob

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Nach YB-Sieg

Tschäppäts Fehltritt beim Feiern

 Bei einer Fanfeier nach dem YB-Sieg gegen Zürich hat Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) Christoph Blocher und die SVP öffentlich diffamiert: Beim Song "Sämi Schmid Motherfucker" der Band Mani Porno sang er mit.

 Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) hat nach dem Heimsieg von YB gegen Zürich am letzten Samstag auf den Putz gehauen. Im Berner Restaurant Luna Llena stieg nach dem Spiel die Party. Die Stimmung nach dem wichtigen Erfolg im Meisterrennen war euphorisch, der Alkohol floss in Strömen.

 Die Mundart-Trashband Mani Porno heizte den rund 100 Anwesenden ein. Wie Augenzeugen sowie der "Berner Bär" berichten, wurde Tschäppät während des Konzerts auf die Bühne gerufen. Zusammen mit den Musikern stimmte er zur Belustigung des Publikums in den Gesang ein. Damit man Tschäppät auch gut hören konnte, hielt ihm der Mani-Porno-Sänger das Mikrofon hin. Mani Porno stimmten ihren Politsong mit der Zeile "Sämi Schmid Motherfucker" an - und Stadtpräsident Tschäppät sang mit. Den Refrain schmückte er schliesslich mit dem Namen von SVP-Aushängeschild Christoph Blocher aus.

 Das Publikum honorierte den Auftritt des Berner Politpromis mit Sprechchören: "Allez, allez, üse Stapi isch okay!" Von der Euphorie des Publikums angestachelt, setzte der volksnahe Stadtpräsident noch einen drauf: Für den Fall einer YB-Meisterfeier versprach er ein Konzert von Mani Porno auf der Terrasse des Bundeshauses.

 "Ich habe mitgesungen"

 "Ja, ich habe mit der Band auf der Bühne mitgesungen", räumt Alexander Tschäppät ein. Das Lied sei gegen die SVP gerichtet gewesen. "Die Band hat den Text vorgegeben. Ich habe teilweise mitgesungen." Tschäppät sagte, er habe sich von der Jubelstimmung nach dem YB-Sieg anstecken lassen. Die Bar sei voller YB-Fans gewesen, es sei geblödelt worden, und viele Lieder wurden angestimmt. "Dabei wurde auch ich von den Leuten hochgenommen."

 Er sei ob des politisch unkorrekten Verhaltens des Stadtpräsidenten erschrocken, sagte ein Zuschauer gegenüber der Onlineplattform www.bernerzeitung.ch "Der Auftritt war einfach daneben", so der 34-Jährige.

 Öffentliche Entschuldigung

 Berner Politiker verurteilen Alexander Tschäppäts Auftritt. "Er macht dauernd den Pausenclown, statt in Bern die Probleme zu lösen", ärgert sich FDP-Fraktionspräsident Philippe Müller. Sich so in der Öffentlichkeit zu verhalten sei eines Stadtpräsidenten "unwürdig". Die städtische SVP fordert gar den Rücktritt von Tschäppät als Stadtpräsident. "Langsam, aber sicher wird er untragbar", sagt Fraktionspräsident Erich J.Hess.

 Selbst aus dem linken Lager kommt leise Kritik: Stéphanie Penher, Co-Fraktionspräsidentin des Grünen Bündnisses, bezeichnet Tschäppäts Verhalten als "unglücklich, jedoch als kein Politikum". In Bern müsste über andere Probleme diskutiert werden. Als eine "unüberlegte Aktion" taxiert die SP, Tschäppäts Partei, den Vorfall. Er habe sich von der Euphorie mitreissen lassen, sagt SP-Fraktionspräsidentin Giovanna Battagliero. "Zum Glück zählt als Stadtpräsident jedoch der politische Leistungsausweis."

 Alexander Tschäppät selber hat sich gestern öffentlich für seine Entgleisung entschuldigt: "Falls sich jemand angegriffen fühlt, dann tut mir das leid. Es war unsensibel von mir, dass ich mich auf die Bühne bitten liess."
 
Christian Liechti/tob

 Umfrage: Darf ein Stadtpräsident öffentlich bei einem solchen Lied mitsingen? Bei einer Umfrage auf Bernerzeitung.ch sagten 68 Prozent von 343 Personen Nein.

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 Nachtleben

 YB-Spieler belästigt Frau

 Auch die YB-Spieler haben ihren Last-Minute-Sieg gegen Zürich ausgelassen gefeiert. Zwar nicht im gleichen Lokal wie Stadtpräsident Alexander Tschäppät, aber ebenfalls mit einer Entgleisung. Gemäss "Blick am Abend" hat YB-Jungstar François Affolter im Berner Club Du Théâtre der She-DJ Carol Fernandez unter den Rock gegriffen. Affolters Strafe: eine "schallende Ohrfeige", ausgeteilt von der Belästigten. Die Young Boys sprachen zudem eine Busse aus, wie Pressesprecher Albert Staudenmann auf Anfrage bestätigt.
 pd

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20 Minuten 4.3.10

Berns Stapi grölt Anti-Blocher-Song

 BERN. Nach dem Sieg von YB gegen Zürich letzten Samstag leistete sich der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät einen Fauxpas: Er schwang sich beim Feiern im Lokal Luna Llena zur Band auf die Bühne und grölte vor hundert YB-Fans "Sämi Schmid Motherfucker" und "Christoph Blocher Motherfucker". Berner Politiker sind entrüstet. Erich Hess, SVP-Fraktionspräsident im Stadtrat: "Diese Aktion bringt das Fass zum Überlaufen. Rücktritt!"

 Seite 6

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"Stapi Tschäppät ist faktisch nicht haltbar"

 BERN. Der Berner Stapi Alexander Tschäppät besang die Ex-Bundesräte Blocher und Schmid als "Motherfuckers". Politiker-Reaktionen fallen heftig aus.

 Fast schon zügellose Euphorie erfasste den Berner Stapi Alexander Tschäppät nach dem YB-Sieg über den FC Zürich am Samstag: Nach dem Match schwang er sich laut News-netz.ch auf die Bühne des Berner Lokals Luna Llena und besang gemeinsam mit der Band Mani Porno die Ex-Bundesräte Christoph Blocher und Samuel Schmid als "Motherfuckers".

 Der Stadtpräsident erklärte sich gestern gegenüber 20 Minuten online: "Es war so ein schwerer Match gegen Zürich: Als wir gewonnen haben, sind mir kurz die Sicherungen durchgebrannt." Er wolle sich für sein Mitsingen bei den Beleidigten entschuldigen, "vielleicht nicht gerade mit Blumen und Pralinen".

 Berner Politiker reagieren harsch auf die Eskapade des Stapis: "Es ist beschämend für ihn selbst und schlicht daneben für einen Stadtpräsidenten. Tschäppät ist faktisch nicht haltbar", so der Berner BDP-Stadtrat Thomas Begert. Auch Adrian Amstutz, Berner Nationalrat und Vizepräsident der SVP Schweiz, hat kein Verständnis: "Herr Tschäppät hat sich mit dieser Aktion selber disqualifiziert. Vom Präsidenten der Bundeshauptstadt erwarte ich ein vorbildliches Verhalten." FDP-Nationalrat und Ex-Berner-Stadtrat Christian Wasserfallen geht noch weiter: "Der Rücktritt wird jetzt immer dringlicher. Mit Tschäppät sitzt eine sehr schwache Person an der Spitze. Er zieht unsere Stadt ins Lächerliche." Giovanna Battagliero, SP/Juso-Fraktionspräsidentin im Stadtrat, bezeichnet den Auftritt als "unüberlegt".  gSC

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Weltwoche 4.3.10

Personenkontrolle

Gross, Lumengo, Tschäppät, Schawinski, Lebrument

(...)

Für zotige Sprüche und billige Anmache von Frauen jeglichen Alters ist Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät ("Ich habe den schnellsten Finger von ganz Europa") weit über den Perimeter der Hauptstadt hinaus bekannt. Die jüngste Novelle im rauschenden Leben des Berner Stapi ereignete sich vergangenes Wochenende unweit des Stade de Suisse. Beschwingt durch den 2:1-Zittersieg der Young Boys über den FCZ verschlug es den feuchtfröhlichen Magistraten in die Quartierbeiz "Luna Llena", wo die Berner Guerilla-Band Mani Porno aufspielte. Unaufgefordert stürmte Tschäppät die Bühne und grölte den Refrain ihres Gassenhauers: "Sämi Schmid Motherfucker", wie im Fussball-Blog "Zum Runden Leder" mit Begeisterung protokolliert wurde. Der Herr Stapi bewies Ausdauer, kämpfte sich Strophe für Strophe durch die Volksweise, bis zum ominösen "Christoph Blo . . .". Da packte "Tschäppu" offenbar das schlechte Gewissen: "Christoph Blocher Motherfucker . . . nei, das darfi nid singe!"
geh

(...)

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bernerzeitung.ch 3.3.10

Tschäppäts Auftritt lässt Christoph Blocher kalt

Christian Liechti

 Das Spiel YB gegen Meister Zürich hat für Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät ein Nachspiel: Die Berner Parteien verurteilen, dass Tschäppät an einer Party nach dem Spiel Christoph Blocher (SVP) diffamierte. Der Alt-Bundesrat äussert sich nicht.

 "Alexander Tschäppät macht dauernd den Pausenclown, statt in Bern die Probleme zu lösen", ärgert sich FDP-Fraktionspräsident Philippe Müller über den Auftritt des Stadtpräsidenten nach dem YB-Heimspiel gegen Zürich. Sich so in der Öffentlichkeit zu verhalten sei eines Stadtpräsidenten "unwürdig" und schade dem Ansehen der ganzen Stadt. "Tschäppät muss sich überlegen", so Müller, "ob er Eventmanager oder Stadtpräsident ist."

 SVP Bern fordert Rücktritt

 Für die SVP der Stadt Bern ist der Auftritt ein gefundenes Fressen: Fraktionspräsident Erich J. Hess fordert gar den Rückritt von Tschäppät als Stadtpräsident. "Langsam aber sicher wird er untragbar", sagt Hess.

 Stéphanie Penher, Co-Fraktionspräsidentin GB/Ja, bezeichnet Tschäppäts Verhalten als "unglücklich, jedoch als kein Politikum". In Bern müssten über andere Probleme diskutiert werden als über den Auftritt des Stapis nach einem YB-Spiel. Penher gibt jedoch zu bedenken, dass es nicht immer einfach sei, die Rolle des Stadtpräsidenten mit der des Privatmanns zu trennen.

 SP: "eine unüberlegte Aktion"

 Als eine "unüberlegte Aktion" taxiert Tschäppäts Partei den Vorfall. Er habe sich von der Euphorie mitreissen lassen, sagt SP/Juso-Fraktionspräsidentin Giovanna Battagliero. "Zum Glück zählt als Stadtpräsident jedoch der politische Leistungsausweis."

 Kein Kommentar zu "primitiven Aussagen"

 Und was sagt der betroffene Alt-Bundesrat Christoph Blocher (SVP) zum Bühnenauftritt von Stadtpräsident Alexander Tschäppät? Blocher - lässt sein Sprecher ausrichten - nehme zu "primitiven Aussagen" keine Stellung.

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20min.ch 3.3.10

Tschäppäts wilde Siegesfeier

"Mir sind die Sicherungen durchgebrannt "

von Joel Bedetti

Nach dem samstäglichen YB-Sieg gegen den FC Zürich schwang sich der YB-Fan und Berner Stapi Alexander Tschäppät auf die Bühne und besang SVP-Grössen als "Motherfuckers". Gegenüber 20 Minuten Online erklärt er, was ihn dazu bewogen hat.
 
http://www.20min.ch/news/bern/story/26108355
Immer für einen guten Spass zu haben: Berner Stapi Alexander Tschäppät (unter der Bierdose) mit FC-Sion Fans.
(Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)

Wie die Berner Zeitung Online gestützt auf Blogs heute berichtet, leistete sich der fussballbegeisterte Berner Stapi Alexander Tschäppät (SP) am vergangenen Samstag einen kleineren Fehltritt.

Nach dem 2:1-Sieg der Young Boys gegen den FC Zürich feierten hundert YB-Fans im Lokal Luna Llena. Dort spielte die Kultband Mani Porno auf. Der Sänger bat den populären Tschäppät auf die Bühne, wo er das Mikrofon in die Hand nahm und einen Song mit dem Refrain "Sämi Schmid Motherfucker" respektive "Christoph Blocher Motherfucker" mitgrölte.

Obwohl er am Telefon nicht so jovial wie auch schon klang, nahm sich Alexander Tschäppät ein paar Sekunden Zeit, sich gegenüber 20 Minuten Online zu erklären.

20 Minuten Online: Herr Tschäppät, wie fühlen Sie sich heute? Irgendwie verkatert?

Alexander Tschäppät: Nein. Das war Euphorie, es war Party, ich habe über die Stränge geschlagen. Ich muss aber sagen: Das Lied war nicht von mir, ich habe lediglich mitgesungen.

Haben Sie sich bei den "Motherfuckers" Blocher und Schmid schon entschuldigt?

Nein, derzeit noch nicht, aber das werde ich bald nachholen.

Schicken Sie denen Blumen oder Pralinen?

Nein, das vielleicht nicht gerade, aber in irgendeiner Form werde ich mich mit ihnen in Verbindung setzen.

Eigentlich schon erstaunlich: Wie kann man mit so viel politischer Erfahrung in ein solches Fettnäpfchen treten?

Ich sage nochmals: Ich war euphorisch, das war nicht böse gemeint. Es war so ein schwerer Match gegen Zürich, als wir gewonnen haben, sind mir kurz die Sicherungen durchgebrannt.

Glauben Sie, die Berner werden Ihnen den Auftritt verzeihen?

Ja. Ich denke nicht, dass das jetzt zum politischen Thema wird. Sie dürfen auch nicht vergessen, was Blocher schon an Tiraden ausgeteilt hat. Trotzdem: Es war unnötig.

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Tschäppät entschuldigt sich für heikle Aussage zu Blocher

Christian Liechti/tob

 Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) hat nach dem Meisterschaftsspiel YB gegen Zürich an einer Party Christoph Blocher öffentlich diffamiert. Jetzt entschuldigt sich Tschäppät.

 Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät hat nach dem Heimsieg von YB gegen Zürich mächtig auf den Putz gehauen. Im Berner Restaurant Luna Llena stieg nach dem Spiel die Party. Die Stimmung nach dem wichtigen Erfolg im Meisterrennen war am Kochen, der Alkohol floss in Strömen.

 Die Mundart-Trash-Band Mani Porno heizte den rund 100 Anwesenden zusätzlich ein. Wie mehrere Augenzeugen berichten, wurde Stadtpräsident Tschäppät im Verlauf des Konzerts auf die Bühne gerufen. Zusammen mit den Musikern stimmte er zur Belustigung des Publikums in den Gesang mit ein.

 Der Stadtpräsident am Mikrofon

 Damit man Tschäppät auch gut hören konnte, hielt ihm der Mani Porno-Sänger das Mikrofon hin. Mani Porno stimmten ihren Polit-Song mit der Zeile "Sämi Schmid motherfucker" an und Stadtpräsident Tschäppät sang mit. Den Refrain schmückte er schliesslich mit dem Namen von SVP-Aushängeschild Christoph Blocher aus. Und dies gleich mehrmals, wie mehrere unabhängige Quellen bestätigen.

 Sprechchor für Tschäppäts Leistung

 Das Publikum honorierte den Auftritt des Berner Polit-Promis mit Sprechchören: "Allez, allez, üse Stapi isch okay!". Von der Euphorie des Publikums angestachelt, setzte der volksnahe Stapi noch einen drauf: Für den Fall einer YB-Meisterfeier versprach er ein Konzert von Mani Porno auf der Terrasse des Bundeshauses.

 Er sei ob des politisch unkorrekten Verhaltens des Stadtpräsidenten erschrocken, sagte ein Zuschauer gegenüber bernerzeitung.ch "Der Auftritt war einfach daneben", so der 34-Jährige. Der Vorfall wird inzwischen schon in Weblogs thematisiert.

Tschäppät bittet um Entschuldigung

 "Ja, ich habe mit der Band auf der Bühne mitgesungen", gibt Alexander Tschäppät zu. "Ich liess mich von der Jubelstimmung nach dem YB-Sieg anstecken." Die Bar sei voller YB-Fans gewesen, es sei geblödelt worden und viele Lieder wurden angestimmt. "Dabei wurde auch ich von den Leuten hoch genommen."

 Gegen die SVP gerichtet

 "Das angesprochene Lied war gegen die SVP gerichtet. Die Band hat den Text vorgegeben. Ich habe teilweise mitgesungen."

 Nachdem bernerzeitung.ch am Mittwoch den Vorfall mit dem singenden Stadtpräsidenten publik gemacht hat, entschuldigte sich Alexander Tschäppät: "Falls sich jemand angegriffen fühlt, dann tut mir das leid. Es war unsensibel von mir, dass ich mich auf die Bühne bitten liess."

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Video zum Lied mit der Zeile "Sämi Schmid motherfucker"
http://www.maniporno.ch/movie42.html

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Mani Porno :o)
http://www.maniporno.ch