MEDIENSPIEGEL 15.3.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- RaBe-Info 15.3.10
- Stadttauben sind weitergezogen
- Schnüffelstaat: fedpol vs Grundrechte
- Alkohol: Löffel gegen KomatrinkerInnen
- Sexwork BE + FR
- Rauchverbot austricksen
- Rassismus in LU-Clubs
- SG: Shut up für Shut up
- Sandkasten-Blattmann auf dem Prüfstand
- Homohass: Hiphop-Projektile für den Gayboy
- Libanon: a-films zu Nahr al-Bared

----------------------
REITSCHULE
----------------------

Mi 17.03.10
19.00 Uhr - SousLePont   - Island Spezialitäten
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
20.00 Uhr - Rössli-Bar - Kevin K. Style: Punk

Do 18.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
20.30 Uhr - Kino - Dok am Donnerstag: Space Tourists, Christian Frei, CH 2009
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Heu, Stroh und Hafer. Sonax 400 (live) (midilux, festmacher / be); Sarna (nice try records / zh) Racker (midilux, festmacher / be). Style: Minimal / Techno / House

Fr 19.03.10
19.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde: Yasmin, Kenny Gleenan, D/GB 2004
23.00 Uhr - Dachstock - Waxolutionists (Sunshine Enterprises/Supercity/A) live! & TBA!!! Style: Hiphop, Electronica

Sa 20.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: Johanna Lier "Lagos"
19.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde: Einspruch I-V, Rolando Coppola, CH 1999-2007. Nem-Nee - Asylrecht, Charles Heller, Schweiz 2005
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: RotFront (Essay Recs/D) & Gypsy Sound System (CH). Style: Emigrantski Raggamuffin, Gypsy Disco
23.00 Uhr - Frauenraum - Anklang - Streifzüge: Berybeat (Bärn), Auf Dauerwelle (Züri), Miss Melera (Holland). Für lesbisch-schwules & sonstig-tolerantes Volk

So 21.03.10
15.00 Uhr - Tojo - "do you get me?" ein Popmusical des Singtheaters Musikschule Konservatorium Bern. Regie: Katharina Vischer

Infos: http://www.reitschule.ch

--------------------
RABE-INFO
-------------------

Mo. 15. März 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._Maerz_2010.mp3
- Computerspiel mit Hintergrund: Das Serious Game "Frontiers" versetzt die Spielenden in die Lage eines Flüchtlings
- Die Regierung Revolutionieren: Der parteilose Bruno Moser fordert radikales Umdenken

--------------------------
STADTTAUBEN
--------------------------

Bund 15.3.10

"Stadttauben" vor Ablauf des Ultimatums weitergezogen

 Die alternative Wohngruppe verschmäht jedoch das von der Stadt vorgeschlagene Gelände Wankdorf City.

 Am Freitag hatte Gemeinderätin Barbara Hayoz (fdp) den "Stadttauben" ein Ultimatum zur Räumung der besetzten Brache in der Lorraine bis Montagmorgen gestellt. Bereits am Samstagnachmittag ist die alternative Wohngruppe mit ihren Wohnwagen vom Centralweg aus in Richtung Westen aufgebrochen. Gestern präsentierte sich das Gelände inmitten des Wohnquartiers leer und aufgeräumt. Am Strassenrand standen nur noch fein säuberlich aufgereiht einige blaue Abfallsäcke.

 "Ich bin fast ein bisschen traurig", sagt Catherine Weber vom Verein für ein lebendiges Lorrainequartier. Dieser hatte sich mit den "Stadttauben" solidarisiert und die Stadt dazu aufgefordert, eine einvernehmliche Lösung mit den Besetzern zu finden. In den letzten Tagen hätten sogar Leute aus dem nahen Altersheim die "Stadttauben" besucht. "Es gab im Quartier kaum Widerstand gegen diese Zwischennutzung", so Weber. Der Lorraine-Breitenrain-Leist sieht dies anders. Bereits unmittelbar nach der Besetzung am 6. März forderte er eine Räumung und drohte mit Klagen "geschädigter Nachbarn".

 Aufenthaltsort unbekannt

 Nun sind die Nomaden weitergezogen, wohin ist nicht bekannt. Das von der Stadt angebotene Gelände Wankdorf City verschmähen sie offenbar. Sie seien in den Westen Berns gezogen, sagt Weber. Genaueres weiss auch die Polizei nicht. Und SVP-Grossrat Thomas Fuchs, der im Westen der Stadt wohnt, kennt den Aufenthaltsort der "Stadttauben" ebenfalls nicht. Sie seien im Gäbelbach vorbeigekommen, sagte Fuchs. Diese Woche hätte er eine Petition zur Räumung des Geländes in der Lorraine lancieren wollen. (rw)

-------------------------------
SCHNÜFFELSTAAT
-------------------------------

Bund 15.3.10

Die Bundespolizei will ermitteln wie ein Geheimdienst

 Scharfe Kritik am Bundesamt für Polizei: Es verlangt nach Kompetenzen, die massiv in die Grundrechte der Bürger eingreifen.

 Jean-Martin Büttner

 Die Reaktionen sind heftig und kommen von allen politischen Seiten: Der bisher unbeachtete Gesetzesentwurf zum neuen Polizeiaufgabengesetz, dessen Vernehmlassung heute abläuft, stösst fast überall auf Kritik. Bürgerliche Parteien, Vertreter der Kantone und Nichtregierungsorganisationen weisen den Entwurf rundweg zurück oder formulieren zahlreiche Einwände.

 Überwachen auf Vorrat

 Am meisten zu reden gibt die Forderung des Bundesamtes für Polizei (Fedpol), Bürgerinnen und Bürger an öffentlichen Orten filmen, abhören und kontrollieren zu dürfen. Das alles soll erlaubt werden, bevor überhaupt ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird und bevor es zu einem ordentlichen Strafverfahren kommt. Damit verlangt das Fedpol Verschärfungen, die es aus dem Staatsschutzgesetz übernommen hat.

 Diese Verschärfungen hat das Parlament aber bereits im letzten Jahr an den Bundesrat zurückgewiesen; es wollte keinen grossen Lauschangriff. "Das neue Gesetz geht weit über die klassische Polizeiarbeit hinaus", kritisiert Viktor Györffy von der Organisation Grundrechte.ch; "es ruft nach Geheimdienstmethoden für die Bundeskriminalpolizei - und das ohne konkreten Verdacht und ohne Strafverfahren."

 Das Fedpol teilte auf Anfrage schriftlich mit, es werde die Vernehmlassung auswerten und dann veröffentlichen. Einzelne Stellungnahmen würden nicht kommentiert.

 Scharfe Kritik formuliert auch Rainer Schweizer, Rechtsprofessor an der Hochschule St. Gallen, im Interview mit dem "Bund". Die wachsende Zentralisierung der Polizeigewalt stehe im klaren Widerspruch zur revidierten Bundesverfassung. Zudem habe der Bund bis heute nicht abgeklärt, was die bestehenden Gesetze schon gebracht hätten: das Staatsschutzgesetz etwa oder die Sicherheitsdienste von Bund und Armee.

 Schweizer findet es auch gefährlich, dass das Grenzwachtkorps immer häufiger als Ordnungspolizei auftritt, was eigentlich die Sache der Kantone wäre. Dennoch machten verschiedene Kantone mit, weil sie bei der Polizei sparen wollten. Mit dem Grenzwachtkorps und anderen Polizeikräften des Bundes werde aber die Sicherheitsarchitektur der Schweiz völlig umgebaut. "Darüber müssten wir zuerst debattieren, bevor wir neue Gesetze erlassen. Wer soll für welche Polizeiaufgaben zuständig und verantwortlich sein?"

 Kritik an Widmer-Schlumpf

 Der Rechtsprofessor wirft Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf vor, sie habe bisher keine politische Grundsatzdiskussion über die Verfassungsrevisionen führen lassen. Eine solche sei hier aber dringend nötig.

— Seite 7

--

Die Lauscher versuchen ihren nächsten Angriff

 Das Bundesamt für Polizei will massiv mehr Kompetenzen beim Überwachen, Aushorchen und Kontrollieren. Das führt zu heftiger Kritik von allen Seiten.

 Jean-Martin Büttner

 Wer jemanden kennt, der Drogen nimmt, muss vielleicht schon bald damit rechnen, dass er in der Öffentlichkeit abgehört wird, weil sein Freund mit Drogen dealen könnte. Wer zu einer Organisation gehört, die irgendwann etwas Kriminelles anstellen könnte, wird allenfalls von der Kriminalpolizei des Bundes überwacht - ohne dass er es je erfährt. Und Privatpersonen sollen künftig als Spitzel eingesetzt und bezahlt werden, ohne dass bei einer allfälligen Klage transparent wird, wer diese Leute sind, die Informationen weitergeben.

 Vor allem aber: Das alles soll passieren dürfen, noch bevor ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird und bevor es zu einem ordentlichen Strafverfahren kommt. Die Überwachung, das Aushorchen und das Fichieren der Bürger durch den Staat bleiben somit im Dunkeln.

 Das jedenfalls fordert der Gesetzesentwurf für ein neues Polizeiaufgabengesetz, den das Justizdepartement von Eveline Widmer-Schlumpf - von den Medien unbeachtet - Ende November in die Vernehmlassung gegeben hat. Diese läuft heute Montag ab.

 Das Parlament sagte schon Nein

 Die Kritik am Entwurf kommt von allen Seiten und fällt überwiegend hart aus. Das liegt zunächst daran, dass das Bundesamt für Polizei (Fedpol) mit diesem Gesetz nach Kompetenzen und Methoden verlangt, die aus dem zweiten Entwurf zu einem verschärften Staatsschutzgesetz stammen. Einem Entwurf also, den das Parlament bereits zurückgewiesen hat. Der Nationalrat trat gar nicht erst darauf ein, der Ständerat schickte die Vorlage an den Bundesrat zurück. Verschiedentlich kritisierte man den "grossen Lauschangriff" und verlangte, die Bürger müssten besser vor solchen Eingriffen geschützt werden.

 Dennoch tauchen solche Forderungen im neuen Polizeigesetz wieder auf. So soll das Fedpol die Kompetenz erhalten, ohne konkreten Tatverdacht oder Strafverfahren Personen in der Öffentlichkeit zu überwachen, zu filmen oder abzuhören. Ohne Wissen der betreffenden Person können auch ihre Freunde oder Familie befragt werden. Die Bundespolizei soll selber und ohne externe Kontrolle entscheiden können, ob sie die überwachte Person benachrichtigen will oder nicht. Sie darf private Spitzel anwerben und auch bezahlen, ohne dass sichergestellt ist, ob deren Informationen auch stimmen.

 Übernahme von Hooligan-Daten

 Darüber hinaus verlangt die Bundespolizei noch weitere und weitreichende Kompetenzen. Wenn sie einen "begründeten Verdacht" hegt, der im Gesetzesentwurf nicht näher präzisiert wird, will sie auch Informationen über die politische Betätigung von Bürgerinnen und Bürgern sammeln dürfen. Und sie möchte die umstrittene Hooligan-Datenbank führen, für die eigentlich die Kantone vorgesehen waren. Die wichtigsten Parteien begrüssen es, dass der Bund verstreute Artikel, Bestimmungen und Verordnungen zu einem neuen Gesetz bündeln möchte. Damit ist es mit der Zustimmung allerdings bereits weitgehend vorbei. Die meisten finden, das neue Gesetz gebe der Bundespolizei zu weitreichende Kompetenzen, deren Kontrolle mangelhaft sei und die teilweise massiv in die Grundrechte der Bürger eingriffen. Damit werde die Kantonshoheit über die Polizei hinterfragt, wenn nicht sogar ausser Kraft gesetzt.

 SVP und FDP lehnen den Entwurf in der vorliegenden Version rundweg ab. Die SVP befürchtet, dass der Bund die Polizeiaufgaben auf eine Weise zentralisiert, welche die kantonale Polizeihoheit beschneidet. Sie ist auch dagegen, dass die Schweiz internationale Polizeiorganisationen finanziell unterstützt.

 Die FDP schreibt, der Entwurf bringe dem Bürger nichts. Auch sei es nicht sinnvoll, Teile des Staatsschutzgesetzes in das Polizeigesetz auszulagern. Die CVP wiederum bedauert, dass die kantonalen Gesetze und Sicherheitsorgane nicht vom Bund abgegrenzt und koordiniert werden. Die SP teilt mit, sie werde ihren Kommentar später einreichen.

 Kantone gegen die Grenzwacht

 Für die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren regelt das Gesetz nicht, was das Grenzwachtkorps darf, macht und bekommt. Dabei habe es einen eigenen Ordnungsdienst aufgebaut, der weit mehr dürfe als andere Polizeieinheiten des Bundes.

 Der Verband der Schweizerischen Polizeibeamten stösst sich vor allem daran, dass Polizeiaufgaben zunehmend privatisiert würden. Der Bund müsse bindend und klar festlegen, wer wie in der privaten Sicherheit operieren kann - vor allem auch, welche Kompetenzen der Bund an solche Firmen delegiere und welche nicht. Zufrieden reagiert einzig die Vereinigung der Richterinnen und Richter.

 Amnesty International und die Gruppe Grundrechte.ch kritisieren den Entwurf besonders scharf und ausführlich. Bei der Beschaffung von Informationen über Bürger, schreibt die Menschrechtsorganisation, werde die Unschuldsvermutung ausgehebelt. Was die Überwachung angeht, verlangt sie eine Bewilligungspflicht durch eine unabhängige Behörde. Die wichtigsten Bestimmungen seien generell zu vage formuliert. Zudem liessen die vielen Ausnahmebestimmungen den Behörden einen grossen Ermessensspielraum.

 Die Gruppe Grundrechte.ch kritisiert zudem, dass der Entwurf sich nicht auf die unmittelbare Gefahrenabwehr beschränke, sondern auf Störungen der Sicherheit und Ordnung, die theoretisch irgendwann in der Zukunft möglich wären. Damit könne die Bundespolizei schon im Vorfeld gegen Personen vorgehen, ohne dass klar werde, ob das Vorgehen verhältnismässig, nötig und angemessen sei. Organisationen finden auch, dass der bezahlte Einsatz von Privatpersonen als Spitzel die Gefahr von Missbräuchen erhöhe. "Eine Polizei, die so operieren darf", sagt Viktor Györffy von Grundrechte.ch, "ist nicht mehr kontrollierbar."

 Kein Kommentar vom Fedpol

 Und was sagt das Bundesamt für Polizei zu dieser Kritik? Mediensprecher Stefan Kunfermann bat erst, die Fragen schriftlich einzugeben, und schrieb dann zurück, das Fedpol werde die Vernehmlassung zuhanden des Bundesrates auswerten und die Resultate später veröffentlichen. "Einzelne Stellungnahmen kommentieren wir nicht."

--

Die Lauscher versuchen ihren nächsten Angriff

 Das Bundesamt für Polizei will massiv mehr Kompetenzen beim Überwachen, Aushorchen und Kontrollieren. Das führt zu heftiger Kritik von allen Seiten.

 Jean-Martin Büttner

 Wer jemanden kennt, der Drogen nimmt, muss vielleicht schon bald damit rechnen, dass er in der Öffentlichkeit abgehört wird, weil sein Freund mit Drogen dealen könnte. Wer zu einer Organisation gehört, die irgendwann etwas Kriminelles anstellen könnte, wird allenfalls von der Kriminalpolizei des Bundes überwacht - ohne dass er es je erfährt. Und Privatpersonen sollen künftig als Spitzel eingesetzt und bezahlt werden, ohne dass bei einer allfälligen Klage transparent wird, wer diese Leute sind, die Informationen weitergeben.

 Vor allem aber: Das alles soll passieren dürfen, noch bevor ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird und bevor es zu einem ordentlichen Strafverfahren kommt. Die Überwachung, das Aushorchen und das Fichieren der Bürger durch den Staat bleiben somit im Dunkeln.

 Das jedenfalls fordert der Gesetzesentwurf für ein neues Polizeiaufgabengesetz, den das Justizdepartement von Eveline Widmer-Schlumpf - von den Medien unbeachtet - Ende November in die Vernehmlassung gegeben hat. Diese läuft heute Montag ab.

 Das Parlament sagte schon Nein

 Die Kritik am Entwurf kommt von allen Seiten und fällt überwiegend hart aus. Das liegt zunächst daran, dass das Bundesamt für Polizei (Fedpol) mit diesem Gesetz nach Kompetenzen und Methoden verlangt, die aus dem zweiten Entwurf zu einem verschärften Staatsschutzgesetz stammen. Einem Entwurf also, den das Parlament bereits zurückgewiesen hat. Der Nationalrat trat gar nicht erst darauf ein, der Ständerat schickte die Vorlage an den Bundesrat zurück. Verschiedentlich kritisierte man den "grossen Lauschangriff" und verlangte, die Bürger müssten besser vor solchen Eingriffen geschützt werden.

 Dennoch tauchen solche Forderungen im neuen Polizeigesetz wieder auf. So soll das Fedpol die Kompetenz erhalten, ohne konkreten Tatverdacht oder Strafverfahren Personen in der Öffentlichkeit zu überwachen, zu filmen oder abzuhören. Ohne Wissen der betreffenden Person können auch ihre Freunde oder Familie befragt werden. Die Bundespolizei soll selber und ohne externe Kontrolle entscheiden können, ob sie die überwachte Person benachrichtigen will oder nicht. Sie darf private Spitzel anwerben und auch bezahlen, ohne dass sichergestellt ist, ob deren Informationen auch stimmen.

 Übernahme von Hooligan-Daten

 Darüber hinaus verlangt die Bundespolizei noch weitere und weitreichende Kompetenzen. Wenn sie einen "begründeten Verdacht" hegt, der im Gesetzesentwurf nicht näher präzisiert wird, will sie auch Informationen über die politische Betätigung von Bürgerinnen und Bürgern sammeln dürfen. Und sie möchte die umstrittene Hooligan-Datenbank führen, für die eigentlich die Kantone vorgesehen waren. Die wichtigsten Parteien begrüssen es, dass der Bund verstreute Artikel, Bestimmungen und Verordnungen zu einem neuen Gesetz bündeln möchte. Damit ist es mit der Zustimmung allerdings bereits weitgehend vorbei. Die meisten finden, das neue Gesetz gebe der Bundespolizei zu weitreichende Kompetenzen, deren Kontrolle mangelhaft sei und die teilweise massiv in die Grundrechte der Bürger eingriffen. Damit werde die Kantonshoheit über die Polizei hinterfragt, wenn nicht sogar ausser Kraft gesetzt.

 SVP und FDP lehnen den Entwurf in der vorliegenden Version rundweg ab. Die SVP befürchtet, dass der Bund die Polizeiaufgaben auf eine Weise zentralisiert, welche die kantonale Polizeihoheit beschneidet. Sie ist auch dagegen, dass die Schweiz internationale Polizeiorganisationen finanziell unterstützt.

 Die FDP schreibt, der Entwurf bringe dem Bürger nichts. Auch sei es nicht sinnvoll, Teile des Staatsschutzgesetzes in das Polizeigesetz auszulagern. Die CVP wiederum bedauert, dass die kantonalen Gesetze und Sicherheitsorgane nicht vom Bund abgegrenzt und koordiniert werden. Die SP teilt mit, sie werde ihren Kommentar später einreichen.

 Kantone gegen die Grenzwacht

 Für die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren regelt das Gesetz nicht, was das Grenzwachtkorps darf, macht und bekommt. Dabei habe es einen eigenen Ordnungsdienst aufgebaut, der weit mehr dürfe als andere Polizeieinheiten des Bundes.

 Der Verband der Schweizerischen Polizeibeamten stösst sich vor allem daran, dass Polizeiaufgaben zunehmend privatisiert würden. Der Bund müsse bindend und klar festlegen, wer wie in der privaten Sicherheit operieren kann - vor allem auch, welche Kompetenzen der Bund an solche Firmen delegiere und welche nicht. Zufrieden reagiert einzig die Vereinigung der Richterinnen und Richter.

 Amnesty International und die Gruppe Grundrechte.ch kritisieren den Entwurf besonders scharf und ausführlich. Bei der Beschaffung von Informationen über Bürger, schreibt die Menschrechtsorganisation, werde die Unschuldsvermutung ausgehebelt. Was die Überwachung angeht, verlangt sie eine Bewilligungspflicht durch eine unabhängige Behörde. Die wichtigsten Bestimmungen seien generell zu vage formuliert. Zudem liessen die vielen Ausnahmebestimmungen den Behörden einen grossen Ermessensspielraum.

 Die Gruppe Grundrechte.ch kritisiert zudem, dass der Entwurf sich nicht auf die unmittelbare Gefahrenabwehr beschränke, sondern auf Störungen der Sicherheit und Ordnung, die theoretisch irgendwann in der Zukunft möglich wären. Damit könne die Bundespolizei schon im Vorfeld gegen Personen vorgehen, ohne dass klar werde, ob das Vorgehen verhältnismässig, nötig und angemessen sei. Organisationen finden auch, dass der bezahlte Einsatz von Privatpersonen als Spitzel die Gefahr von Missbräuchen erhöhe. "Eine Polizei, die so operieren darf", sagt Viktor Györffy von Grundrechte.ch, "ist nicht mehr kontrollierbar."

 Kein Kommentar vom Fedpol

 Und was sagt das Bundesamt für Polizei zu dieser Kritik? Mediensprecher Stefan Kunfermann bat erst, die Fragen schriftlich einzugeben, und schrieb dann zurück, das Fedpol werde die Vernehmlassung zuhanden des Bundesrates auswerten und die Resultate später veröffentlichen. "Einzelne Stellungnahmen kommentieren wir nicht."

--

"Das führt zu einer gefährlichen Entwicklung"

 Der Rechtsprofessor Rainer Schweizer kritisiert, dass der Bund immer stärker in die Polizeiarbeit eingreift. Das verstosse gegen die Verfassung.

 Interview: Jean-Martin Büttner

 Was halten Sie vom neuen Polizeigesetz?

 Ich begrüsse, dass der Bund mit diesem neuen Polizeigesetz das Recht bereinigen will. Doch das Bundesamt für Polizei will jetzt zum Teil auch Methoden und Mittel anwenden dürfen, die stark in die Grundrechte und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen, gesetzlich aber nicht präzise gefasst sind.

 Lässt sich das mit der Bundesverfassung vereinbaren?

 Ich stelle seit einigen Jahren zunehmende und schwere Missstände im Umgang mit der Verfassung fest. Der Bund beschliesst immer mehr Gesetze über die innere Sicherheit, für die er nach der Bundesverfassung gar nicht zuständig ist. Darin sind sich alle Juristen einig, auch beim Bund selber. Leider hat die Justizministerin - Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf - bislang keine politische Grundsatzdiskussion führen lassen.

 Das neue Polizeigesetz greift einiges auf, was vom Parlament oder in den Kantonen abgelehnt wurde.

 Ja, nehmen wir zum Beispiel die Datenbank über die Hooligans, die wegen der Euro 08 im Schnellverfahren eingeführt wurde. Die Kantone taten danach nichts, also unterstellte der Bund diese Datenbank dem Staatsschutz. Dann beschloss man, dass die Kantone sie in einem Konkordat verwalten sollten. Und jetzt kommt wieder der Bund und möchte diese Datenbank als Aufgabe des Bundesamts für Polizei definieren. Dabei war von Anfang an klar, dass gerade der Bund für eine solche Aufgabe nicht kompetent ist. Die Gewalt von Hooligans zu bekämpfen, ist reine Ordnungspolizei-Sache und damit ausschliesslich Sache der Kantone.

 Das Bundesamt für Polizei argumentiert, es müsse namentlich schwere Delikte wie die organisierte Kriminalität oder den Terrorismus bekämpfen. Sind die Kantone damit nicht überfordert?

 Die Kantone arbeiten bei der Strafverfolgung seit längerem zusammen. Und erzielen dabei häufig bessere Resultate als der Bund. Bei der Bundeskriminalpolizei arbeiten gegen tausend Leute. Dennoch haben sie bis heute nicht beweisen können, dass sie besser sind als die Kantone. Klar ist: Fahndungslisten und bestimmte Kriminaldatenbanken muss der Bund gesamtschweizerisch führen - erst recht im europaweiten Informationsaustausch.

 Das Problem mit diesem neuen Polizeigesetz ist aber: Es verlangt zum Teil nach Kompetenzen und Methoden, für die der Staatsschutz zuständig ist. Damit überschneidet sich die Polizeiarbeit mit der präventiven Arbeit des Staatsschutzes, der schon jetzt im Vorfeld der organisierten Kriminalität und des Terrorismus arbeitet. Dort sind seine Kompetenzen aber klar geregelt und einigermassen eingegrenzt. Dass auch die Kriminalpolizei des Bundes auf diese Weise ermitteln soll, finde ich sehr bedenklich.

 Dies, obwohl das Schweizer Volk Ende der Siebzigerjahre eine Bundessicherheitspolizei ablehnte.

 Was das Stimmvolk damals nicht wollte, haben wir schon längst überschritten. Mit dem Grenzwachtkorps und mit seinen verschiedenen Sicherheitsdiensten darf der Bund heute wesentlich mehr als das, was man damals für undenkbar hielt. Das Grenzwachtkorps tritt im ganzen Land als Ordnungs- und Sicherheitspolizei auf. Und verschiedene Kantone machen mit, weil sie bei der Polizei sparen wollen. In den Kantonen fehlen etwa 2500 Polizisten. Gleichzeitig sucht das Grenzwachtkorps seit der Grenzöffnung durch Schengen eine neue Aufgabe. Und lässt sich im Grenzpolizeidienst von der Armeepolizei noch unterstützen. Das führt zu einer gefährlichen Entwicklung.

 Was soll daran gefährlich sein?

 Das Grenzwachtkorps hat weit mehr Befugnisse zum Eingreifen als die Kantonspolizei, trägt viel potentere Waffen und kann den kantonalen Datenschutz aufheben. Es geht aber auch um den Respekt vor der Demokratie und der Verfassung: Mit dem Grenzwachtkorps und anderen Polizeikräften des Bundes wird die Sicherheitsarchitektur der Schweiz völlig umgebaut. Darüber müssten wir zuerst debattieren, bevor wir neue Gesetze erlassen. Wer soll für welche Polizeiaufgaben zuständig und verantwortlich sein? Ich habe nichts dagegen, dass der Bund bei der inneren Sicherheit eine wichtige Rolle spielt. Aber das darf nicht einfach portionsweise vom Parlament durchgewinkt oder vom Bundesrat beschlossen werden.

 Der 66-jährige Rainer Schweizer ist Professor für öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Universität St. Gallen sowie Rechtsanwalt und Rechtsberater.

---

Tagesanzeiger 15.3.10

Kommentar

 Wenn aus Sicherheit Bedrohung wird

Jean-Martin Büttner

 Jean-Martin Büttner über die Zentralisierung der Polizeigewalt - und die fehlende Diskussion darüber.

 Kurt Furgler würde sich freuen. Im Dezember 1978 wollte das Volk noch gar nichts von seiner Forderung wissen, in der Schweiz eine bundeseigene Sicherheitspolizei zu installieren. Ohne dass die Bevölkerung es gemerkt hat, hat der Bund seither viel mehr erreicht als das, womit der damalige Justizminister gescheitert war. Der Staat übernimmt immer mehr Polizeiaufgaben, obwohl dafür die Kantone zuständig sind. Er setzt dazu das Grenzwachtkorps ein, die Bahnpolizei, die Armee und sogar private Sicherheitsfirmen. Und er verlangt Kompetenzen und Methoden, die ihm von der Verfassung her gar nicht zustehen.

 Letzte Etappe dieser schleichenden polizeilichen Zentralisierung: Der neue, bislang unbeachtete Gesetzesentwurf, der die Aufgaben der Bundeskriminalpolizei neu regelt. Ohne angemessene Kontrolle und teilweise mit Geheimdienstmethoden möchte die Bundeskriminalpolizei massiv in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Sie soll Leute überwachen, abhören, bespitzeln und kontrollieren dürfen, selbst wenn kein konkreter Tatverdacht gegen sie besteht.

 Das Bundesamt für Polizei begründet seinen Wunschkatalog mit der Gefahr, die von der organisierten Kriminalität und dem Terrorismus ausgeht. Allerdings ist bis heute nicht klar, wie viel besser Polizisten des Bundes solche Fälle lösen als die Kollegen in den Kantonen. Die spektakulären Ankündigungen standen oft in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Erfolg der Ermittlungen.

 Selbstverständlich soll der Bund bei komplex organisierten, international vernetzten Kriminalfällen mithelfen und koordinieren. Das aber darf nicht an der Verfassung vorbei entschieden werden. Es braucht klar geregelte Zuständigkeiten und eine rechtsstaatliche Kontrolle. Statt immer neue Gesetze zu erlassen, müsste der Bundesrat sich diesen Fragen einmal gründlich stellen. Dass das Justizdepartement von Eveline Widmer-Schlumpf eine dermassen brisante Vorlage unter dem Radar hindurch in die Vernehmlassung schickte, zeugt nicht von Diskussionskultur. Die breite Kritik, die der Bundesrätin jetzt entgegenschlägt, liefert dafür die Quittung.

---

grundrechte.ch 15.3.10

Polizeiaufgabengesetz unzumutbar

15. März 2010

Die Lauscher versuchen ihren nächsten Angriff

 Das Bundesamt für Polizei will massiv mehr Kompetenzen beim Überwachen, Aushorchen und Kontrollieren. Der geplante Eingriff in die Grundrechte der Bürger führt zu heftiger Kritik.

 Die Kritik am Entwurf kommt von allen Seiten und fällt überwiegend hart aus. Das liegt zunächst daran, dass das Bundesamt für Polizei (Fedpol) mit diesem Gesetz nach Kompetenzen und Methoden verlangt, die aus dem zweiten Entwurf zu einem verschärften Staatsschutzgesetz stammen. Einem Entwurf also, den das Parlament bereits zurückgewiesen hat. Der NationaIrat trat gar nicht erst darauf ein, der Ständerat schickte die Vorlage an den Bundesrat zurück. Verschiedentlich kritisierte man den "grossen Lauschangriff" und verlangte, die Bürger müssten besser vor solchen Eingriffen geschützt werden.

 Dennoch tauchen solche Forderungen im neuen Polizeigesetz wieder auf. So soll die Fedpol die Kompetenz erhalten, ohne konkreten Tatverdacht oder Strafverfahren Personen in der Öffentlichkeit zu überwachen, filmen oder abzuhören. Ohne Wissen der betreffenden Person können auch ihre Freunde oder Familie befragt werden. Die Bundespolizei soll selber und ohne externe Kontrolle entscheiden können, ob sie die überwachte Person benachrichtigen will oder nicht. Sie darf private Spitzel anwerben und auch bezahlen, ohne dass sichergestellt ist, ob deren Informationen auch stimmen.

 Amnesty International und die Gruppe grundreche.ch kritisieren den Entwurf besonders scharf und ausführlich. Bei der Beschaffung von Informationen über Bürger, schreibt die Menschrechtsorganisation, werde die Unschuldsvermutung ausgehebelt. Was die Überwachung angeht, verlangt sie eine Bewilligungspflicht durch eine unabhängige Behörde. Die wichtigsten Bestimmungen seien generell zu vage formuliert. Zudem liessen die vielen Ausnahmebestimmungen den Behörden einen grossen Ermessensspielraum.

 Die Gruppe grundrechte.ch kritisiert zudem, dass der Entwurf sich nicht auf die unmittelbare Gefahrenabwehr beschränke, sondern auf Störungen der Sicherheit und Ordnung, die theoretisch irgendwann in der Zukunft möglich wären. Damit könne die Bundespolizei schon im Vorfeld gegen Personen vorgehen, ohne dass klar werde, ob das Vorgehen verhältnismässig, nötig und angemessen sei.

 Beide Organisationen finden auch, dass der bezahlte Einsatz von Privatpersonen als Spitzel die Gefahr von Missbräuchen erhöhe. "Eine Polizei, die so operieren darf", sagt Viktor Györffy von grundrechte.ch, "ist nicht mehr kontrollierbar".

Polizeiaufgabengesetz (Entwurf)
http://grundrechte.ch/2010/Polizeiaufgabengesetz.pdf
Erläuternder Bericht (Fedpol)
http://grundrechte.ch/2010/Bericht_Fedpol.pdf
Vernehmlassung von grundrechte.ch
http://grundrechte.ch/2010/Vernehmlassung_Polizeiaufgabengesetz.pdf

siehe auch
BWIS II kommt erst 2013 ins Parlament
http://grundrechte.ch/2009/aktuell30122009.shtml

---

ejpd.admin.ch 27.11.09

Polizeiliche Aufgaben des Bundes: Vernehmlassung zu neuem Bundesgesetz
http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2009/2009-11-273.html

-------------------
ALKOHOL
-------------------

Blick am Abend 15.3.10

Betrunkene zur Kasse bitten

 IDEE

 Ruedi Löffel will wie Zürich eine Zentrale Ausnüchterungsstelle - zur Entlastung der Spitäler.

 markus.ehinger@ringier.ch

 Seit dem Wochenende sammelt die Stadtpolizei in Zürich Leute ein, die betrunken oder drogenberauscht negativ auffallen und bringt sie in die Zentrale Ausnüchterungsstelle (ZAS). Dort betreuen geschultes medizinisches Personal und Sicherheitleute die Berauschten. Die Betrunkenen aber müssen das Ausnüchtern selbst berappen. Wer innert dreier Stunden wieder auf den Beinen ist, bezahlt 600 Franken. Dauert es länger als drei Stunden, stellt die Stadt 950 Franken in Rechnung.

 "Die Zentrale Ausnüchterungsstelle ist für Bern nachahmenswert", sagt EVP-Grossrat Ruedi Löffel. "Sind die Betrunkenen minderjährig, werden die Eltern zum Abholen ihrer Sprösslinge in die ZAS bestellt, wo auch ein Gespräch mit Mitarbeitern des Sozialdepartementes auf sie wartet", sagt Löffel. "Ich sehe den Vorteil vor allem darin, dass die Eltern die Kosten übernehmen müssen und so in die Pflicht genommen werden." Das habe einen erzieherischen Effekt. Ausserdem könnten so die Notfallaufnahmen der Spitäler entlastet werden, welche die Betrunkenen bisher grösstenteils betreuen mussten.

 Löffel will in der Fragestunde des Parlaments deshalb vom Regierungsrat wissen, was er von der Idee einer ZAS hält und welche rechtlichen Grundlagen bereits vorhanden sind, um eine Ausnüchterungsstelle auch in Bern einzurichten.

---

BZ 15.3.10

Mehr ältere Komatrinker

 Nicht nur Jugendliche, sondern vor allem Erwachsene trinken bis zum Umfallen. Dies zeigt eine neue Studie des Inselspitals.

 Die Notfallstation des Inselspitals behandelt immer öfter Patienten mit Alkoholvergiftungen. Wurden im Jahr 2000 noch 134 Fälle registriert, waren es 2007 bereits 373. Dies besagt eine neue Studie des Spitals. Zwar stieg die Zahl der jugendlichen mit Alkoholvergiftung an. Laut Studienleiterin Monika Haberkern sind die "Wiederholungstäter" jedoch meist Männer im Alter zwischen 25 und 55 Jahren.

 Während in Bern die Krankenkassen für die Ausnüchterung aufkommen, müssen die Patienten in Zürich ihre Behandlung selber bezahlen. as

 Seite 21

--

Neue Alkoholstudie des Inselspitals

 Trinken bis zur Vergiftung

 Immer mehr Patienten mit Alkoholvergiftung landen in der Notaufnahme. Allerdings sind es nicht nur Jugendliche, sondern immer mehr Erwachsene, die sich bis zu Bewusstlosigkeit betrinken. Dies zeigt eine Studie des Inselspitals.

 In der Notaufnahme des Inselspitals wurden allein in der Nacht von Samstag auf Sonntag vier Patienten mit Alkoholvergiftung behandelt. Bei ihnen handelt es sich allerdings nicht um Jugendliche Komatrinker, sondern um erwachsene Männer. Der jüngste ist 18 Jahre alt, die drei andern sind 26 und 27 Jahre alt. Dass Erwachsene immer öfter bis zum Umfallen trinken, ist denn auch das Ergebnis einer neuen, noch unveröffentlichten Studie des Inselspitals.

 Mit 4,4 Promille in der Insel

 Von 2000 bis 2007 behandelte das Universitäre Notfallzentrum für Erwachsene am Inselspital 1763 Patienten mit Alkoholvergiftung. Davon waren 1422 Erstdiagnosen und 341 "Wiederholungstäter". Zwar nahmen laut der Studie die Fälle von Alkoholvergiftung bei 16- bis 25-Jährigen von 29 Fällen im Jahr 2000 auf 74 Fälle im Jahr 2007 zu.

 Gestiegen ist jedoch auch die Zahl jener Patienten, die wiederholt mit einer Alkoholvergiftung ins Spital eingewiesen wurden. Laut Monika Haberkern, Co-Leiterin der medizinischen Notfallstation des Inselspitals und Leiterin der Alkoholstudie, handelt es sich dabei meist um Erwachsene im Alter von 25 bis 55 Jahren. Unter ihnen sind eineinhalb Mal so viele Männer wie Frauen, und sie werden im Durchschnitt mit 2,25 Promille eingeliefert.

 Der höchste im Insel-Notfall gemessene Blutalkoholwert betrug 4,4 Promille. Solche Werte erreichten typischerweise 30- bis 40-jährige alkoholkranke Männer, sagt Haberkern. "Am fraglichen Abend trinken sie noch massiver als sonst. Häufig sind sie bereits arbeitslos und verwahrlost."

 Drogencocktail bei Jungen

 Bei den jugendlichen Komatrinkern ist der durchschnittliche Promillewert mit 1,67 zwar tiefer. Dafür kommen sie oft mit Mischvergiftungen in den Notfall, weil sie Alkohol zusammen mit Drogen oder Medikamenten konsumiert haben. "96 der 418 erfassten Jugendlichen hatten neben Alkohol Drogen wie Cannabis und Kokain konsumiert", sagt Haberkern. Typische Partydrogen wie Ecstasy seien nur in 2,4 Prozent der untersuchten Fälle nachgewiesen worden. Laut Haberkern liegt dies daran, dass der Nachweis von Partydrogen, hauptsächlich von Liquid Ecstasy, schwierig sei.

 Das Schweigen der Ärzte

 Problematisch bei Minderjährigen, die wegen Drogen- und Alkoholmissbrauchs im Insel-Notfall landen, ist auch, dass die Ärzte die Eltern oft nicht informieren dürfen. "Ist der Patient noch ansprechbar, dann müssen wir uns an unsere Schweigepflicht halten", sagt Haberkern. Zwar erhalten die Eltern die Rechnung für die Behandlung ihrer betrunkenen Kinder - bezahlen tut sie in der Regel aber die Krankenkasse. Einzig in Zürich müssen die Komatrinker selber für das überwachte Ausnüchtern aufkommen (siehe Zweittext).

 Die kantonale Gesundheits- und Fürsorgedirektion hat darauf reagiert, dass das Komatrinken bei Jugendlichen zugenommen hat, und der Stiftung Berner Gesundheit den Auftrag erteilt, Früherfassungsangebote zu entwickeln (siehe Box).

 Behandlung mit Polizeihilfe

 Die Gründe, die zum Komatrinken führen, sind laut Haberkern vielfältig. Während Jugendliche trinken, weil sie Spass haben wollten, sei bei Erwachsenen oft Einsamkeit oder der Stellenverlust der Grund für den übermässigen Alkoholkonsum. Es gebe jedoch auch Geschäftsleute, die sich bis zur Besinnungslosigkeit betränken, weil sie mit dem beruflichen Druck nicht klarkämen, so Haberkern.

 Für die Spitäler sind alkoholisierte Notfallpatienten eine Belastung, sagt Haberkern. Bei der Einweisung seien sie oft äusserst aggressiv, würden verbal ausfällig oder sogar gewalttätig und könnten nur mit Hilfe von Polizei oder Securitas behandelt werden. "Manchmal sind fünf bis acht Leute nötig, um einem Patienten die nötigen Medikamente zu verabreichen."
 
Andrea Sommer

--

 Teures Ausnüchtern in Zürich

 In Zürich landen stark Betrunkene nicht mehr auf einer Notfallstation, sondern in der neuen Ausnüchterungsstelle.

 Wer in Zürich betrunken oder im Drogenrausch von der Polizei aufgegriffen wird, landet seit letzten Freitag in der Zentralen Ausnüchterungsstelle. Dort kümmern sich drei Sicherheitsleute und zwei medizinische Fachkräfte um die Berauschten. Damit reagiert Zürich darauf, dass Betrunkene regelmässig in den Notaufnahmen der Spitäler randalieren. Das Ausnüchtern in einer der zwölf Zellen geht dabei erstmals in der Schweiz voll zu Lasten der Patienten. Dauert es länger als drei Stunden, werden 950 Franken fällig. Die sogenannte Kurzzeitpauschale (bis 3 Stunden) beträgt 600 Franken.

 In Bern werden viele Betrunkene ins Inselspital eingeliefert. Für Aris Exadaktylos, leitender Arzt am Notfallzentrums, ist dies die sicherere Lösung. "Viele der Patienten haben eine sehr starke Alkohlvergiftung oder eine Mischvergiftung mit Medikamenten oder Drogen und müssen medizinisch sehr intensiv überwacht werden." Dafür stünden in der Insel Fachärzte und die Intensivstation zur Verfügung. Leichter Betrunkene, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, landen in den Arrestzellen der Kantonspolizei. Dies allerdings erst, nachdem ein Arzt ihnen Hafterstehungsfähigkeit attestiert hat.
 jsp/as

--

 Jugendliche Rauschtrinker

 Der Jüngste war 10-jährig

 Die Spitäler im Kanton Bern behandelten im Jahr 2008 insgesamt 462 Jugendliche und junge Erwachsene wegen Alkoholmissbrauchs und gegen dadurch entstandene Verletzungen. Im Jahr 2002 waren es noch 174 Fälle.

 Dass das Rauschtrinken bei Jugendlichen zugenommen hat, bereitet der kantonalen Gesundheits- und Fürsorgedirektion Sorgen. Deshalb erteilte sie der Stiftung für Gesundheitsförderung und Suchtfragen, Berner Gesundheit, den Auftrag, Früherfassungsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 12 und 25 Jahren zu entwickeln.

 Unter dem Titel "vollRausch" und "AlcoFlop" startete die Berner Gesundheit vom Mai 2007 bis Dezember 2008 ein Pilotprojekt. Während dieser Zeit wurden insgesamt 34 Jugendliche und junge Erwachsene beraten. Die grösste Gruppe bilden die 16- bis 19-Jährigen. Der jüngste Patient mit Alkoholvergiftung war 2008 ein 10-jähriger Knabe.

 Seit 2009 gehören "vollRausch" und "AlcoFlop" zum festen Beratungsangebot der Berner Gesundheit. Aktuelle Zahlen zu den Beratungen sind nicht erhältlich. Laut Berner Gesundheit bleibe jedoch bei jungen Männern die Zahl der Spitaleinweisungen auf hohem Niveau. Bei den Frauen sei die Entwicklung rückläufig.

 Das Angebot wurde laut Berner Gesundheit vor allem von Jugendgerichten und Heimen genutzt. Sie wiesen die jungen Leute der Beratungsstelle zu. Die Beratung steht jedoch allen, auch Eltern, offen und ist gratis. Die Kosten trägt der Kanton.
 as

 http://www.bernergesundheit.ch

---

20 Minuten 15.3.10

Ausnüchterungsstelle: Erste Betrunkene eingeliefert

 ZÜRICH. Die neue Zentrale Ausnüchterungsstelle wurde am Startwochenende bereits rege genutzt: "Es lief wie erwartet an - wir mussten verschiedene Personen medizinisch versorgen", sagt Stapo-Medienchef Marco Cortesi. Wie viele stark betrunkene Jugendliche wie lange betreut wurden, konnte er noch nicht sagen. Die schweizweit einmalige Einrichtung verfügt über 12 Zellen und soll die Notfallstationen der Spitäler und die Polizei entlasten.

-------------------
SEXWORK
-------------------

20 Minuten 15.3.10

Regierung will keine Wohnwagen-Bordelle

 BERN. Statt auf der Strasse sollen Prostituierte in Wohnwagen anschaffen. Die Berner Stadtregierung lehnt diese Forderung ab, sucht aber nach geeigneten Liegenschaften, um Bordelle einzurichten.

 "Die Situation auf dem Berner Strassenstrich ist unhaltbar und menschenunwürdig", sagt CVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat. Zudem sei die Sexmeile bei der Dreifaltigkeitskirche illegal. Mit einer Motion möchte er den Gemeinderat verpflichten, den Strich aufzulösen und dafür Puff-Parkplätze zu schaffen, damit die Prostituierten ihre Kundschaft in Campern und Wohnwagen empfangen könnten. Für eine solche Zone eigne sich etwa der Lorraine-Brückenkopf. Die käuflichen Damen könnten dort polizeilich kontrolliert, aber auch beraten werden.

 Doch der Gemeinderat sträubt sich: "Sexarbeiterinnen, die auf dem Strassenstrich anschaffen, haben in der Regel nicht die nötigen finanziellen Mittel, um ein Wohnmobil zu kaufen." Zwar wäre die Stadt gemäss der Prostitutionsverordnung verpflichtet, einen geschützten Rahmen zu schaffen, findet aber keine Häuser für solche legalen Puffs.

 Auf Beuchats Vorstoss hat sich ein Unterstützungskomitee gebildet, das mit einem Brief an die Stadt die Auflösung des Strassenstrichs verlangt. Für Anwohnerin Therese Kleinert ist klar: "Dieser Tummelplatz für Freier, Spanner und ausgebeutete Frauen gehört nicht in ein Wohnquartier."  

Patrick Marbach

---

Freiburger Nachrichten 15.3.10

Das neue Gesetz über die Prostitution ist in Fachkreisen sehr umstritten

 Der Grosse Rat berät am Dienstag ein umstrittenes Gesetz über die Ausübung der Prostitution.

 freiburg Rund 150 Sex Anbietende gibt es laut Schätzung der Kantonspolizei im Kanton Freiburg. Dank einem neuen Gesetz sollen sie besser vor Ausbeutung und Zwangsprostitution geschützt werden. Die parlamentarische Kommission stellt gar den Antrag, dass sich alle Prostituierten bei der Polizei anmelden müssen.

 Darüber sind die Fachfrauen von "Fri-Santé", die sich für bessere Bedingungen der Sex Anbietenden einsetzen, nicht glücklich. Sie sind überzeugt, dass jene, die sich illegal in der Schweiz aufhalten, sich nicht melden werden und sich ihre Lage noch verschlechtert, da sie so leichter zu Opfern der Ausbeutung werden. az

 Bericht Seite 3

--

Schwerpunkt

 "Ein Gesetz schützt Sex Anbietende nicht vor Ausbeutung - im Gegenteil"

 Der Grosse Rat debattiert morgen Dienstag über das neue Gesetz über die Prostitution. Fachfrauen der Szene warnen aber.

 Arthur Zurkinden

 Die Gefahren für die Prostituierten haben gemäss Staatsrat in den letzten Jahren stark zugenommen. Er hofft deshalb, mit einem Gesetz die Sex Anbietenden besser vor der Zwangsprostitution und der Ausbeutung zu schützen. Er ist überzeugt, dass dies am besten möglich ist, wenn die Polizei möglichst viele Angaben über sie besitzt. Diese erfahre so nicht nur, wo die betreffende Person arbeite, sondern vernehme auch einiges über ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen. Deshalb sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Polizei alle im Milieu tätigen Personen registriert.

 Obligatorische oder freiwillige Anmeldung?

 Viel zu diskutieren gab im Vorfeld die Frage, ob die Anmeldung obligatorisch oder freiwillig erfolgen soll. Im Gesetzesentwurf hat sich der Staatsrat für eine freiwillige Anmeldung entschieden die parlamentarische Kommission beantragt aber dem Grossen Rat eine obligatorische (vgl. Kasten).

 Gesetz kann leicht umgangen werden

 So oder so nicht glücklich über ein Gesetz ist die Vereinigung "Fri-Santé", die sich mit ihrem Programm "Grisélidis" für bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Hygiene einsetzen. So wird u. a. einmal wöchentlich in einem Info-Bus in der Grand-Fontaine das Gespräch mit den Sex Anbietenden gesucht (vgl. Kasten).

 "Nicht alle Sex Anbietende haben eine Aufenthaltsbewilligung. Sie melden sich also nicht bei der Polizei. Im Gegenteil, die Pflicht, sich anmelden zu müssen, birgt die Gefahr in sich, dass sich ihre sonst schon sehr prekäre Lage noch verschlechtert und sie sich aus der Stadt entfernen. So ist es für Grisélidis und andere Organisationen, die schützen und helfen wollen, noch schwieriger, mit ihnen in Kontakt zu treten", sagen Anne Roth, Präsidentin von Fri-Santé, und Sandra Modica, Vorstandsmitglied, in einem Gespräch mit den FN. "Mit einem solchen Gesetz kann man die Sex Anbietenden nicht schützen, im Gegenteil. Es gibt viele Möglichkeiten, das Gesetz zu umgehen", stellen sie weiter fest.

 Polizei ja, sofern ...

 Sie hätten eigentlich nichts dagegen, wenn die Polizei das Milieu kontrolliert und dafür sorgen würde, dass die Arbeitsbedingungen stimmen und keine Wucherzinse verlangt werden, wenn sie nicht gleichzeitig die Aufenthaltsbewilligungen überprüfen müsste. Aber sie sind sich auch bewusst, dass eine solche Forderung kaum Chancen hätte, gesetzlich verankert zu werden.

 Nicht alle sind Opfer

 Anne Roth und Sandra Modica weisen auch darauf hin, dass sich nicht alle Sex Anbietenden einig sind über die Anmeldepflicht. "Jene, die Schweizer sind oder eine Aufenthaltsbewilligung besitzen, haben keine Probleme mit einer Anmeldung bei der Polizei. Aber die Anmeldepflicht kann eine gewisse Rivalität unter ihnen auslösen und andere Probleme schaffen."

 Negativ wirkt sich die obligatorische Anmeldung gegenüber jenen aus, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. "Es gibt aber auch welche, die sich gelegentlich anbieten, um den finanziellen Engpass am Ende des Monats zu überbrücken oder um das Studium zu finanzieren usw.", sagt Sandra Modica. "Auch sie haben kein Interesse an einer Anmeldung, denn sie wollen den Nebenjob diskret ausüben und nicht in einem Register geführt sein. Und ohne Anmeldung müssten sie ihrer Arbeit auch illegal nachgehen, obwohl die Prostitution als Metier ja legal ist", ergänzt sie.

 Die Nähe als Lösung?

 Welche Lösung sehen aber Anne Roth und Sandra Modica? "Prekär ist die Situation vor allem für diejenigen Sex Anbietenden, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Sie sind aber da. Wir können diese Tatsache nicht einfach verdrängen und die Augen schliessen. Der Bundesrat will ja den jugendlichen Sans-Papiers auch die Möglichkeit bieten, eine Berufslehre zu absolvieren", sagen sie.

 Sie sind überzeugt, dass die Situation dieser Kategorie von Prostituierten verbessert werden kann, wenn man den Zugang zu ihnen findet und mit ihnen diskutieren und ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Und diskutieren möchten sie mit ihnen über die Arbeitsbedingungen, Hygiene, Gesundheit, Versicherungen, Gewalt, Zwangsprostitution oder gar Menschenhandel. "Ja, die Nähe zu ihnen ist wichtig."

 Grisélidis: Im Einsatz zum Schutz der Sex Anbietenden

 Seit 2007 gibt es "Grisélidis", ein Programm der Vereinigung "Fri-Santé". Ziel ist es, die Nähe der Professionellen des Sexgewerbes zu suchen und ihnen Informationen über die Gefahren des Berufs zu vermitteln. So sollen sie vor allem beraten werden, wie sie sich gegen Krankheiten (Aids usw.) zu schützen Können. Aber auch die allgemeine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes der Prostituierten (Alkohol- und Drogenkonsum, Gewalt) wird thematisiert. Die Sex Anbietenden können dank Grisélidis die sanitären Strukturen (Ärzte, Prävention) in Anspruch nehmen, aber auch die sozialen und juristischen. In diesem Zusammenhang wird ihnen z. B. auch beigebracht, wie sie besser mit den Freiern und Vermietern verhandeln können.

 Mit Info-Bus auf der Strasse präsent sein

 Diese Ziele sollen vor allem erreicht werden, indem Grisélidis einmal pro Woche mit einem Info-Bus an der Rue Grand-Fontaine in Freiburg präsent ist. Zwei Frauen, darunter eine Gesundheitsfachfrau, geben dabei kompetent Auskunft. Im vergangenen Jahr wurden 1284 Besuche registriert.

 Weiter hat Grisélidis 50 Besuche in Salons abgestattet und mit 44 Sex Anbietenden das Gespräch gefunden. "In der Regel halten sich die Frauen in den Salons legal in der Schweiz auf und geniessen auch bessere Arbeitsbedingungen", hält Anne Roth, Präsidentin von Fri-Santé, fest.

 Keine Studie über die Situation in Freiburg

 Anne Roth und Sandra Modica, Vorstandsmitglied, bedauern im Übrigen, dass das Gesetz ausgearbeitet wurde, ohne vorgängig die Situation im Kanton Freiburg zu studieren. Nach ihren Worten kann sie nicht einfach so mit jenen in andern Kantonen verglichen werden. Gemäss ihrer Kenntnis ist z. B. der Menschenhandel in Freiburg ein weniger vordringliches Problem als anderswo.

 Sie anerkennen aber, dass dank einem Gesetz ihr Einsatz im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention besser finanziell unterstützt wird. az

 Kommission: Im Hinblick auf gesamtschweizerische Lösung

 Alle Personen, die im Kanton die Prostitution ausüben, melden dies vorher bei der Kantonspolizei. Diesen Satz will die parlamentarische Kommission unter dem Präsidium von Emmanuelle Kaelin Murith (CVP, Bulle) im Gesetz verankert haben. Und genau diese obligatorische Anmeldung ist laut "Grisélidis" sehr problematisch.

 Keine Jagd auf Illegale

 "Wir wollen nicht, dass nun die Polizei Jagd auf die illegalen Prostituierten macht. Ziel des Gesetzes ist aber in erster Linie der Schutz vor der Zwangsprostitution und der Ausbeutung. Die Anmeldung ist eher als eine Begegnung gedacht, die es erlaubt, in einem bevorzugten Rahmen Kontakt aufzunehmen und ein Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und den Sex Anbietenden zu schaffen. Und wir wollen eine gesetzliche Basis schaffen, damit die Polizei in den Salons intervenieren kann. Im Kanton Neuenburg, der die obligatorische Anmeldung kennt, hat sich die Situation verbessert. In der Waadt mit einer freiwiligen Anmeldung ist man nicht glücklich", hält Emmanuelle Kaelin fest und vertritt die Ansicht, dass in Zukunft nur eine gesamtschweizerische, einheitliche Lösung Sinn macht, um Netzwerke zu zerschlagen. Und so soll auch vermieden werden, dass sich die illegalen Prostituierten vor allem in den Kantonen ohne obligatorische Anmeldung niederlassen.

 Eine obligatorische Anmeldung mache das ganze Gesetz auch kohärenter. So ruft sie in Erinnerung, dass die Personen, die Räumlichkeiten für die Prostitution zur Verfügung stellen, eine Bewilligung einholen müssen. Eine solche wird nur an Personen mit einem guten Leumund erteilt, und die Räumlichkeiten müssen gewissen Anforderungen an Sicherheit und Sauberkeit genügen. Zudem müssen die Inhaber der Bewilligung Auskunft über die Personen, die dort als Prostituierte arbeiten, sowie über die Höhe der Miete geben. So wäre es ihrer Ansicht nach nicht logisch, wenn für die Sex Anbietenden die Anmeldung nicht obligatorisch wäre. "Zudem erlaubt die Sammlung all dieser Daten, inklusive Anmeldung, einen wirksameren Kampf gegen die Zwangsprostitution, wenn dies auch die anderen Kantone so handhaben und zusammenarbeiten." az

--------------------------
RAUCHVERBOT
--------------------------

St. Galler Tagblatt 15.3.10

Wie Wirte das Rauchverbot umgehen

 Wo das Rauchen in Gaststätten verboten wird, gibt es Versuche, das Verbot zum umgehen. Zum Beispiel in Basel, wo Beizer den Verein "Fümoar" gegründet haben.

 Das Prinzip von "Fümoar" ist simpel: Mit einem Beitrag von zehn Franken erhalten Raucherinnen und Raucher einen Mitgliederausweis. Er öffnet ihnen Tor und Tür zu Bars und Restaurants, die zurzeit zu privaten Clubs mutieren. Als solche gilt für sie das kantonale Gesetz nicht. Zwischen 20 und 30 Lokale hätten sich dem jüngst gegründeten Verein bereits angeschlossen, erklärte Präsidentin Lotti Weber. "Die Stammkunden dieser Beizen haben sehr positiv darauf reagiert. Wir haben schon fast 10 000 Mitgliederausweise drucken lassen", sagt Weber, die im Restaurant Torstübli wirtet. Die wundersamen Türöffner finden übrigens nicht nur bei Rauchern Anklang. Überlebensstrategie der Kleinen.

 Restaurants, Cafés und Bars

 "Fümoar" vereint Lokale unterschiedlicher Art und Grösse: Restaurants, Cafés, Bars und andere. Den Betreibern steht es frei, ihre Räumlichkeiten ganz oder nur teilweise in einen Raucher-Club umzuwandeln. Im "Torstübli" etwa wird ab 1. April eine Etage öffentlich, heisst rauchfrei, und eine Etage wird Klubmitgliedern vorbehalten sein. Weder Menü noch Preise werden sich ändern. Das "Hahn" wiederum wird tagsüber ein Nichtraucher-Restaurant sein und sich erst abends in ein Raucher-Etablissement verwandeln, wie Wirtin Claudia Tonin ausführt.

 Tonin ist überzeugt, dass der Verein für kleine Lokale die einzige Überlebenschance ist. Wer vor allem mit Bier, Wein und Drinks sein Geld verdiene, habe oft über 80 Prozent rauchende Klientel. Lotti Weber versichert, dass nur Personal in den Clubs arbeiten werde, das einverstanden sei, im blauen Dunst zu servieren. Das baselstädtische Rauchverbot erlaubt es Gastbetrieben, sich in Raucher-Clubs umzuwandeln - unter der Bedingung, dass nur Mitglieder Zutritt haben und dass die Vorkehrungen nicht nur dazu dienen, das Rauchverbot zu umgehen. Möglich, dass die Raucher-Clubs in Basel die Behörden schon bald dazu veranlassen, strenger zu werden. "Ich glaube nicht, dass wir mehr als zwei Jahre durchhalten können", sagt die Betreiberin des "Hahn".

 Von Kanton zu Kanton anders

 Kantonal wird der Schutz vor dem Passivrauchen sehr unterschiedlich gehandhabt. In Uri gibt es seit dessen Einführung im September 2009 ebenfalls etwa ein halbes Dutzend private Raucher- Clubs, darunter eine grosse Diskothek, wie Roland Hartmann von der Gesundheitsdirektion auf Anfrage sagte. Im Kanton Zürich - mit Rauchverbot ab 1. Mai in öffentlich zugänglichen Lokalen - werden Privat-Clubs strenge Vorschriften auferlegt. Sie müssen konsequent durchsetzen, dass nur Mitglieder Zutritt erhalten und dass kein Personal eingesetzt wird, wie es bei der Volkswirtschaftsdirektion heisst.

 Personal nicht erlaubt

 Restriktiver sind die Kantone Waadt, Freiburg und Bern. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Lokalen. Wo Getränk ausgeschenkt wird, ist das Rauchen verboten. Die Lungenliga Schweiz, die sich für Rauchverbote engagiert, wehrt den Vorwurf ab, dass sie auch in privaten Clubs das Rauchen verbieten will. Sie fordert aber, dass kein Servicepersonal angestellt werden darf. (sda)

--

 Fumoir auf Rädern

 Das Rauchverbot regt Phantasie und Kreativität der helvetischen Restaurantbetreiber und Barbesitzer an. Im "Couronne d'Or" in Lausanne bieten an die 40 mit "Fumoir" bedruckte Regenschirme Raucherinnen und Rauchern Schutz vor Regen und Wind. Und wer wirklich friert, bekommt eine Decke.

 Ein "Freiluft-Fumoir" hatte der Wirt des "Caravelle" in Bösingen FR installiert: Ein Brett am Fenster mit Löchern auf Kopf- und in Armhöhe erlaubte es den Rauchern, drinnen zu stehen und draussen zu rauchen. Berner Raucherinnen und Raucher konnten im Dezember und Januar in Gondeln ihrer Sucht frönen. Die drei Gondeln vor dem Restaurant "Lötschberg" boten ausserdem Platz für ein Fondue-Caquelon.

 In Biel gibt es das "Fumoir auf Rädern": ein massives Holzfass, das auf zwei Parkfeldern steht. Darin finden 18 Personen Platz. (sda)

---

20 Minuten 15.3.10

Schon Tausende Basler sind Mitglieder von Raucherclubs

 BASEL. Private Clubs sagen dem Rauchverbot den Kampf an: Ihre Mitgliederzahlen schnellen rasant in die Höhe.

 Noch zweieinhalb Wochen, dann hat es sich in allen Basler Lokalen ausgepafft. Doch rund 60 Baizen, Cafés und Bars umgehen das Verbot und werden dann zu Raucherclubs.

 "Bei uns kommen täglich Anfragen von Lokalen rein", sagt Lotti Weber, Präsidentin des Vereins Fümoar und Wirtin des Torstüblis im Kleinbasel. Grosse Namen wie das Restaurant Eintracht oder die Bar Grenzwert seien auch dabei.

 Das Prinzip des Vereins ist simpel: Mit einem Beitrag von zehn Franken erhalten Raucher einen Mitgliederausweis. Er öffnet den Mitgliedern Türen zu allen Clubs, die bei Fümoar mitmachen. "Wir haben auch viele Nichtraucher, die einfach genug von der Bevormundung haben", so Weber. Mehrere tausend Basler besitzen die Fümoar-Karte bereits - über die genaue Zahl hat Weber den Überblick verloren.

 Das baselstädtische Rauchverbot erlaubt es Gastbetrieben, sich in Raucherclubs umzuwandeln. "Es muss aber wirklich ein Verein sein und darf keinen öffentlichen Charakter haben", so Regierungsrat Hans-Peter Wessels. Er betrachtet den Fümoar-Boom gelassen: "Momentan herrscht ein ziemlicher Raucherclub-Hype. Die Situation wird sich rasch klären, wenn das Verbot in Kraft ist", sagt er.  

Anna Luethi

--

Schon Tausende Basler sind Mitglieder von Raucherclubs

 BASEL. Private Clubs sagen dem Rauchverbot den Kampf an. Ihre Mitgliederzahlen schnellen rasant in die Höhe.

 Wenn am 1. Mai das nationale Rauchverbot in Gastro-Betrieben in Kraft tritt, werden rund 60 Beizen, Cafés und Bars in Basel zu Raucherclubs.

 "Bei uns kommen täglich Anfragen von Lokalen rein", sagt Lotti Weber, Präsidentin des Vereins Fümoar und Wirtin des Torstüblis im Kleinbasel. Das Prinzip des Vereins ist simpel: Mit einem Beitrag von zehn Franken erhalten Raucher einen Mitgliederausweis. Er öffnet den Mitgliedern die Türen zu allen Clubs, die bei Fümoar mitmachen. "Wir haben auch viele Nichtraucher, die einfach genug von der Bevormundung haben", so Weber. Mehrere tausend Basler besitzen die Fümoar-Karte bereits - über die genaue Mitgliederzahl hat Weber den Überblick verloren.

 Das baselstädtische Rauchverbot erlaubt es Gastbetrieben, sich in Raucherclubs umzuwandeln. "Es muss aber wirklich ein Verein sein und darf keinen öffentlichen Charakter haben", so Regierungsrat Hans-Peter Wessels.

 Kantonal wird der Schutz vor dem Passivrauchen sehr unterschiedlich gehandhabt. In Uri gibt es seit September 2009 ebenfalls etwa ein halbes Dutzend private Raucherclubs, darunter eine grosse Disco.

 Im Kanton Zürich werden Privatclubs strenge Vorschriften auferlegt. Sie müssen konsequent durchsetzen, dass nur Mitglieder Zutritt erhalten und dass kein Personal eingesetzt wird.

Anna Luethi

-----------------------
RASSISMUS
------------------------

NLZ 15.3.10

Stadt Luzern

Rassismus-Vorwürfe gegen Luzerner Clubs

 Kleidung sei wichtiger als die Nationalität, sagen Clubbetreiber in der Stadt Luzern. Abgewiesene Gäste glauben ihnen nicht. Sie sprechen von Rassismus.

 red. Die Vorwürfe sind happig: Weil sie ursprünglich aus Balkanländern stammten, würde den Partygästen der Zutritt zu Nachtclubs in der Stadt Luzern verweigert. "Ich habe es oft schwer, in einen Club zu kommen", sagt ein junger Mann gegenüber unserer Zeitung. Für den Schweizer mit kosovarischen Wurzeln ist klar, dass er wegen seiner Herkunft abgewiesen wird. Die gleiche Beobachtung macht ein Musik-DJ, der regelmässig in einem Luzerner Lokal hinter dem Plattenteller steht. Kundschaft aus dem Balkan dürfe in diesen Club nicht mehr rein, sagt er.

 Betrunkene werden abgewiesen

 Solche Diskriminierungsvorwürfe lassen die Clubbesitzer nicht gelten. Nationalitäten würden nicht ausgeschlossen, lautet der Tenor bei einer Umfrage. Betrunkene und "offensichtlich aggressive Leute", wie es Casineum-Geschäftsführer Wolfgang Bliem formuliert, würden vom Sicherheitsteam abgewiesen. Entscheidender für den Zutritt seien ein gepflegtes Erscheinungsbild und passende Kleidung.

 Seite 19

--

 Diskriminierung

 Securitas verweigert Türsteherdienst

 Eine der grössten privaten Sicherheitsfirmen der Schweiz, die Securitas AG, hat sich bereits vor einiger Zeit aus dem Türstehergeschäft zurückgezogen. "Es gab Fälle, wo wir gebeten wurden, gewisse Personen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft abzuweisen", sagt Firmensprecher Urs Stadler. Solche Aufträge habe man nicht mehr annehmen wollen, weil sie nicht dem geltenden Recht (Antirassismus und Diskriminierung) entsprochen hätten.

--

Stadt Luzern

 Clubs verwehren Ausländern den Zutritt

Von Daniel Schriber und Barbara Inglin

 Partygänger aus dem Balkan haben es schwierig, in Luzerner Clubs eingelassen zu werden. Die Clubbetreiber kontern die Vorwürfe.

 Vitim K.* hat es schon öfter erlebt. Der junge Schweizer, der ursprünglich aus dem Kosovo stammt, will mit Freunden feiern gehen. Doch dann ist für ihn die Party schon an der Clubtür zu Ende. "Ich habe es oft schwer, in einen Club zu kommen", sagt Vitim, der sich in einem Mail an unsere Zeitung als "normal und gut integriert" beschreibt. "Obwohl ich aus dem Kosovo komme, fühle ich mich mehr als Schweizer." Dennoch ist Vitim überzeugt, dass er oft nur aufgrund seiner Herkunft abgewiesen wird. "Das ist Rassismus."

 Schlägereien im Lokal

 Ein DJ*, der regelmässig in einem Luzerner Lokal auflegt, berichtet von ähnlichen Problemen. Unlängst hat er sich mit einem Schreiben an seine Facebook-Fangemeinde gewandt. Dabei berichtet er von einem Luzerner Club, der erst kürzlich "zu drastischen Massnahmen greifen musste und keine Kundschaft aus dem Balkan mehr reinlässt". Nicht betroffen sei einzig die langjährige Kundschaft. Diese "tragische Entwicklung" sei nötig geworden, nachdem es in dem besagten Club innert weniger Wochen zu mehreren Schlägereien kam, in die jeweils Leute aus dem Balkan involviert waren. "Diese Prügeleien haben das Image des Clubs stark in Mitleidenschaft gezogen und ihm Umsatzeinbussen von bis zu 10 000 Franken eingebrockt", so der DJ. Dies habe den Klubbesitzer derart in Rage versetzt, dass er bis auf weiteres an der Einlasssperre festhalten werde.

 Vom Club, der von den Diskriminierungsvorwürfen betroffen ist, erhielt unsere Zeitung trotz Anfrage keine Stellungnahme. Selbst Türsteher, die nicht namentlich genannt werden wollen, bestätigen indirekt die gegen die Luzerner Clubs gestreuten Vorwürfe, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen gleich behandelt werden. "Bei bestimmten Nationalitäten sind wir schon etwas strenger", sagt ein Luzerner Türsteher, ohne konkreter zu werden.

 Luzerner Clubs wehren sich

 Eine Umfrage bei Luzerner Clubchefs hat ergeben, dass sie sich von Diskriminierung distanzieren. "In unserem Club unterscheiden wir prinzipiell nicht nach der Zugehörigkeit zu einer Nationalität", sagt Philipp Waldis, Pächter des Clubs Pravda beim Hotel Astoria. Wichtig sei vielmehr ein gepflegtes Erscheinungsbild und ein gutes Auftreten. "Und natürlich haben es Stammgäste leichter, in den Club zu kommen", so Waldis. Ebenso werde an der Tür konsequent auf die Mischung zwischen Männern und Frauen geachtet.

 Im Opera am Hallwilerweg und im Casineum an der Haldenstrasse werden gemäss Eigendeklaration keine Nationalitäten ausgeschlossen. Dafür werden betrunkene oder "offensichtlich aggressive Leute" vom Sicherheitsteam abgewiesen, erklärt Wolfgang Bliem, Geschäftsführer des Grand Casino Luzern. Ausserdem werde sowohl im Opera als auch im Casineum auf die Kleidung geachtet. Kommt es zu gewalttätigen Zwischenfällen - "und das passiert leider ab und zu" (Bliem) - verteilt das Casineum konsequent unbefristete Hausverbote.

 Securitas berichtet von Rassismus

 Brisante Aussagen machte hingegen der Generalsekretär der Securitas AG kürzlich gegenüber "20 Minuten". Die Securitas AG habe sich mittlerweile fast ganz aus dem Türstehergeschäft zurückgezogen. Die Firmenleitung störte sich daran, dass die Aufträge der Clubs offenbar nicht immer geltendem Recht entsprochen haben - und zwar im Bereich Diskriminierung und Antirassismus.

 "Es gab Fälle, wo wir gebeten wurden, gewisse Personen aufgrund ihrer Hautfarbe oder der Herkunft abzuweisen", sagt Securitas-Sprecher Urs Stadler auf Anfrage unserer Zeitung. "Solche Aufträge können wir nicht annehmen." Die Securitas hat in der ganzen Schweiz Türsteherdienste wahrgenommen. Ob sie auch in Luzern Türsteher stellte, weiss Stadler nicht - heute sei dies aber definitiv nicht mehr der Fall.

 Trotz den happigen Vorwürfen der Securitas hat die Luzerner Polizei keine Kenntnis von Rassendiskriminierungen vor Luzerner Bars oder Clubs. In den Jahren 2007 und 2008 hat es keine entsprechenden Anzeigen gegeben, sagt Polizeisprecher Richard Huwiler auf Anfrage. Die Zahlen von 2009 liegen noch nicht vor.

 * Namen der Redaktion bekannt.

-----------------
SHUT UP
----------------

Blick am Abend 15.3.10

"Ein Stadion darf so etwas verbieten"

 HALTS MAUL

 Stadion bannt Träger des "Shut up"-T-Shirts - Juristen stützen den Entscheid.

 daniel.steiner@ringier.ch

 Das T-Shirt zeigt die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter. Mit zugeklebtem Mund und der Aufschrift "Shut up". Halts Maul. Den Verantwortlichen in der Rapperswiler Eishockeyarena geht das zu weit. Sie haben das T-Shirt im Stadionverboten und drohen den Trägern mit zwei Jahren Stadionverbot. "Das Tragen solcher Leibchen verstösst gegen das Reglement der Schweizer Eishockey-Nationalliga und gegen unsere Stadion-Vorschriften", heisst es beim Verwaltungsrat der Rapperswil-Jona Lakers. Man wolle Sport betreiben und lehne Fans ab, die Menschen angreifen und beleidigen.

 HSG-Professor Thomas Geiser sagt dazu: "Die Stadionverantwortlichen haben gute Gründe, dieses T-Shirt zu verbieten, weil es beleidigend und wohl auch persönlichkeitsverletzend ist." Der Professor für Privat- und Handelsrecht wirf jedoch eine andere Frage auf. "Man kann jetzt darüber diskutieren, ob das Verbot geschickt ist.".

 Die Vertreter der Fanvereinigung "Szene Rappi" haben am Samstag gegen diese Zensur demonstriert. "Wir fragen uns, wohin die steigenden Repressionen führen und was ein Verbot nach dem anderen bewirken soll." Das Leibchen sei kein persönlicher Angriff gegen Karin Keller-Sutter, sondern eine Kritik an ihren Plänen, welche die Fankultur zerstören würde.

 Was sagt Karin Keller-Sutter zu den Hass-Shirts? "No Comment", heisst es in ihrem Departement. Sie wolle sich zu solchen Dingen nicht äussern.

--

 "Was sollen diese Verbote bewirken?"

 Fackel hat mehr Fans als sie

 Die sicherheitspolitische Hardlinerin zieht mit ihrem Kurs auch im Internet den Zorn auf sich. Am 23. Februar wurde auf Facebook ein Fackel-Profil eröffnet mit dem Titel "Kann diese Pyrofackel mehr Fans haben als Karin Keller-Sutter". Heute morgen konnte die Fackel 1798 Fans für sich verbuchen - die Gruppe "Karin Keller-Sutter in den Bundesrat" bringt es auf 21 Fans.

--------------------------
SANDKASTEN
--------------------------

Blick am Abend 15.3.10

Blattmanns Karte zerpflückt

 BEDROHUNG

 Experten halten das Szenario der Armee für völlig unrealistisch.

 Sicherheitsexperten zerpflücken die Analyse von Armeechef André Blattmann gnadenlos. Der frühere ETH-Professor Kurt Spillmann: "Das ist ein rabenschwarz überzeichnetes, völligunrealistisches Szenario. Wir haben doch von unseren Nachbarn militärisch nichts zu befürchten!" Selbst wenn sich die Lage in Griechenland zuspitze, könne daraus niemals eine Bedrohung für die Schweiz erwachsen. Eine Bedrohungskarte sorgt am Wochenende für Wirbel: Selbst in Ländern wie Deutschland oder Schweden rechnet unsere Armee offenbar mit Unruhen, welche die Sicherheit der Schweiz gefährden könnten. Besonders die Situation im krisengebeutelten Griechenland bereitet Blattmann Bauchweh. Mehr Verständnis für den Armeechef hat der ehemalige Uni-Professor Albert Stahel. "Es ist seine Aufgabe, die Lage in Europa zu analysieren." Doch solche Erwägungen dürften nicht in den Medien landen, betont Stahel. hhs

---

BZ 15.3.10

André Blattmann

 Armeechef unter Beschuss

 Armeechef André Blattmann erntet heftige Kritik: Seine Risikoplanung sorgt sogar im Ausland für Irritation.

 Vor der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) des Nationalrats zeigte Armeechef André Blattmann eine Karte, die folgende EU-Staaten als Risikozonen ausweist: Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich und Portugal. Die Karte sorgte für Furore, nachdem Blattmann in einem Interview mit dem "Tages-Anzeiger" gesagt hatte: "Auch grosse Migrationsströme könnten einen Einsatz nötig machen. Denken Sie nur an die wirtschaftliche Situation in Griechenland!" Darüber scheint Griechenland alles andere als erfreut zu sein. "Wir sind überrascht über diese Aussage", sagte Achilles Paparsenos, Sprecher der griechischen UNO-Mission in Genf. Auch andere EU-Staaten befänden sich derzeit in einer schwierigen finanziellen Lage. "Niemand erwartet, dass Bürger dieser Länder allenfalls in die Schweiz kommen möchten." Zudem soll die umstrittene Aussage Blattmanns ebenfalls im Parlament ein Nachspiel haben: Linke Kreise verlangten eine Aussprache an der nächsten Sitzung der SiK. Zudem werde das Gespräch mit Armeeminister Ueli Maurer gesucht.

 Zusätzlich erntet Armeechef André Blattmann Kritik aus den eigenen Reihen. Der Grund: Im erwähnten Interview schlug Blattmann auch einen "Pikett-WK" vor. Soldaten gewisser Waffengattungen sollen in Zukunft nicht mehr in den WK einrücken, sondern stattdessen ihrer Arbeit nachgehen und auf Pikett bleiben. Hans Schatzmann, Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG), reagierte darauf scharf. Mit dieser Aussage habe Blattmann "die allgemeine Wehrpflicht und das Milizsystem unnötig unter Druck gesetzt", sagte er an der Delegiertenversammlung der SOG vom Samstag, wie die "SonntagsZeitung" berichtete.
 ki

----------------------
HOMOHASS
-----------------------

queer.de 13.3.10
http://www.queer.de/detail.php?article_id=11883

Berliner Rapper: "Projektile für den Gayboy"

Der 26-jährige Kaisa gibt ein unzitierbares Interview und singt über den bewaffneten Kampf gegen "schwule Missgeburten".

Von Norbert Blech

Das Interview (http://rap.de/features/935/t1) und das neue Album sind bereits eine Woche alt, aber die Wellen der Empörung stehen noch aus: Gegenüber dem Online-Magazin "rap.de" hat der Berliner Rapper Kaisa seinem Hass gegen Schwulen freien Lauf gelassen. "Wenn ich schwul wäre, würde ich wahrscheinlich aufwachen und mich ankotzen müssen, weil ich mich einfach nicht dabei gut fühle", sagt der 27-Jährige an einer Stelle.

Auf Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit bezogen meint Kaisa: "Muss ich auch wiederum sagen: Respekt dafür, wenn jemand sagt: 'Ich bin schwul. Ich steh dazu.' Wenn der dann auch noch, nicht dieses primitive Schwulsein propagiert, sondern einfach sagt: Okay ich bin Arzt, der ist Anwalt, die heiraten damit die ihre ganzen Steuergeschichten und ihre Sachen da machen können..."

Bevor der Gedanke sich zu einer Art von Akzeptanz entwickeln kann, sagt er allerdings im direkten Anschluss: "Mann ey, Freunde von meiner Mutter, das ist auch ein schwules Pärchen und die sagen selber, dass die das überhaupt nicht abkönnen, wenn andere Schwule so tuntig rumlaufen und Männer sich wie Frauen anziehen. Weißt Du, was ich meine, das ist kranke Scheiße einfach, kranke Scheiße, ob du das jetzt aus Spaß machst oder ob du's machst, weil du einen Fetisch hast."

Werteverfall als Grund für Homosexualität

Kaisa, der an anderer Stelle Eva Herman lobt, kritisiert einen Werteverfall in der Gesellschaft, der auch zu Homosexualität führe: "Ich glaub, das hat mit dem ganzen Wandel der Welt zu tun. Es ist die komplette Kommerzialisierung, das ständige: 'Ja, es ist alles normal'." Schwule würden "da draußen mittlerweile richtig gepusht", es gebe "schon richtige Schwulenghettos zum Beispiel in Schöneberg", die, wenn man das Interview richtig versteht, Homophobie begründen: "Wenn das so ist, dann kann ich das auch auf meine Art und Weise machen und Sachen machen, die ihr jetzt vielleicht eklig findet. So wie ich, wenn ich da jeden Tag vorbei fahre und die ganzen Schwulen da sehe, die sich da Massenweise in ihren Lederhosen die Ärsche lecken."

In dem Interview, das aufgrund von Sprüngen in Gedanken und Satzbau kaum zitierbar ist und weitere Passagen zum Thema Homosexualität enthält, bezeichnet Kaiser ansonsten Juden noch als Rasse, vergleicht den Holocaust mit der Sklaventreiberei und bezweifelt die Anzahl der ermordeten Juden. Und man weiß gar nicht, was man noch alles erwähnen soll.

"Ne Kugel in Dein Face, Boy"

Kaisa, auch Kaisaschnitt, ist bereits seit acht Jahren aktiv und hat mehrere Alben veröffentlicht, ohne bisher der Schwulenbewegung groß aufgefallen zu sein. Dabei hat er von Anfang an auf Homophobie gesetzt mit Lyrics wie "Komm du Schwanzlutscher, bell wie ein Hundesohn / Schmink dir weiter das Gesicht und lauf wie eine Tunte rum".

Zumeist sind "Kollegen" gemeint, und nicht Schwule, doch die Grenzen sind fließend: "Wer will ein schwulen Sohn in seiner Company / Er kommt vom andern Ufer wie man auf dem Koffer sieht". In dem kürzlich kostenlos auf Myspace veröffentlichten Song "Ladyboykilla" (!) heißt es "Ladyboy, zeig uns Deine Fotze, Du Sau / Du schwule Missgeburt (...)"

Doch wie das Interview richten sich mittlerweile einige Lyrics direkt gegen Schwule: Anfang März erschien das Album "K.M.K.". In einem Song werden Menschen und Dinge aufgezählt und als Hurensohn bezeichnet, darunter auch Gayboys und CSDs, aber auch NPD und Adolf Hitler (Eva Herman wird hingegen ausdrücklich gelobt und Jörg Tauss als Kinderficker bezeichnet). Refrain des Lieds: "Alles ist so Hurensohn / Ja du bist ein Schwulensohn / Dein Vater fickt nen anderen Mann / so wie Wowereit, ja Du tust mir leid." Das Lied lässt sich so interpretieren, dass es in einem Amoklauf endet.

Vor allem in dem "K.M.K."-Song "Endlich Klartext" steht Kaisa jamaikanischen Hass-Sängern in nichts nach: "Ne Kugel in Dein Face, Boy / Neun-Millimeter-Projektile für den Gayboy / und wenn der Sack hat zu viel gelutscht / er muss kotzen, immer wieder, wenn er in den Spiegel guckt". Feinde hätten nicht viel zu lachen: "Keine Chance / so wie im KZ / die neue Weltordnung / alles klingt perfekt".

Die Alben von Kaisa sind unter anderem bei Amazon erhältlich, indiziert wurde bisher nur eins aus dem Jahr 2003. Die zitierten Passagen finden sich in Songs von anderen Alben, sie sind auch größtenteils bei Youtube verfügbar (Queer.de hat nur in einige Lieder reingehört). "K.M.K." ist bei Soulfood Music, einem Label aus Hamburg, erschienen.

Nachtrag, 14.3., 10h: Da er in den Lyrics eine Aufforderung zum Mord sieht, hat der Grünenpolitiker Volker Beck noch am Samstag Strafanzeige gegen den Sänger gestellt. "Das kann man weder bei deutschen Rappern noch bei jamaikanischen Dancehall-Sängern durchgehen lassen," sagte er. "Wir gehen davon aus, dass Bundesministerin Köhler darüber hinaus einen Antrag auf Indizierung einzelner Liedtexte wegen Aufruf zum Mord und Leugnung des Holocaust stellen wird. Ich werde sie hierzu in der kommenden Woche brieflich auffordern."

--

Kaisa - Endlich Klartext. Die zitierte Passage findet sich ab 1:18.
http://www.youtube.com/watch?v=_0vUiDB7dPI

Homepage von Kaisa
http://www.kaisa030.de

-----------------
LIBANON
----------------

Indymedia 15.3.10

Libanon: Checkpoints und mehr (Film) ::

AutorIn : a-films: http://a-films.blogspot.com     

Film Still aus "Nahr al-Bared: Checkpoints und mehr" Das Flüchtlingslager Nahr al-Bared hat sich bis heute nicht vom verheerenden Krieg 2007 erholt.

Die libanesische Armee hält das Camp und die 20.000 zurückgekehrten PalästinenserInnen nach wie vor fest im Griff. Die militärische Belagerung behindert den wirtschaftlichen Wiederaufbau Nahr al-Bareds stark, da der Zugang enorm restriktiv ist und das Gebiet zur Militärzone erklärt wurde. Nach einer kürzlich erschienenen Studie werden die Präsenz und Maßnahmen der Armee von 98 Prozent der palästinensischen GeschäftsbesitzerInnen als Problem bezeichnet. Das Militär begründet seine Präsenz derweil mit der Garantie der Sicherheit der Flüchtlinge.

Ein 30-minütiger Film dokumentiert nun die Konsequenzen der Belagerung Nahr al-Bareds. HändlerInnen und Handwerker erklären ihre spezifischen Probleme und der zuständige UNRWA-Projektmanager, eine Projektkoordinatorin der Palästinensisch-Arabischen Frauenliga, der Präsident des lokalen Händlerkomitees und ein Wissenschaftler schildern ihre Perspektiven und Gedanken zum Thema.

Der Kurzfilm kann hier angeschaut und/oder heruntergeladen werden:
http://a-films.blogspot.com/2010/03/10mar15de.html#1

Das autonome Medienkollektiv 'a-films' dokumentiert seit zweieinhalb Jahren die Nachkriegs-Entwicklungen in Nahr al-Bared. Die Gruppe hat zahlreiche Reportagen publiziert und etwa ein Dutzend Kurzfilme produziert und veröffentlicht:
http://a-films.blogspot.com