MEDIENSPIEGEL 22.3.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, Tojo)
- Prozess-Beginn Schützenmatte-Toter 2008
- Grosse Schanze: City Beach
- Wagenplätze: Ein Job für Mader
- KonfliktmanagerInnen für BE
- Kino-Leben: Quo vadis Bern?
- Club Leben: Pädu Anliker rechnet
- Big Brother Thun startet durch
- Stadt Bern Antira
- Sans-Papiers-Alltag
- Ausschaffungs-Tod ZH: Gefangene im Hungerstreik
- Sandkasten: Armee-Blattman vs Demos
- Neonazis: Roche verharmlost
- Big Brother CH: Kompetenzgerangel
- Drogenszene LU: Standortbestimmung
- Gefangenen-Info: EU-Terrorliste + die Folgen
- Anti-Atom: Mühleberg-Baustelle; Asse-Atomlager-Desaster; Standort BE

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REITSCHULE
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Mi 24.03.10
19.00 Uhr - SousLePont   - Guatemala Spezialitäten
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: R. Dost / B. Rumpf "Wir sind ein Teil der Erde"
20.30 Uhr - Tojo - "Poland Polas" ein Theaterabend von formation poe:son. Regie: Sarah-Maria Bürgin.

Do 25.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: R. Dost / B. Rumpf "Wir sind ein Teil der Erde"
20.30 Uhr - Kino - Festmacher-Film
21.00 Uhr - Rössli-Bar - Capital Slam
23.00 Uhr - Rössli-Bar - chrisdubflow "LIVE DUB-TECHNO"!!! After DJ set by ZUKIE 173! Style: diggi techno dub

Fr 26.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: R. Dost / B. Rumpf "Wir sind ein Teil der Erde"
20.30 Uhr - Tojo - "Poland Polas" ein Theaterabend von formation poe:son. Regie: Sarah-Maria Bürgin.
21.00 Uhr - Kino - Migration - Leben in der Fremde: Yasmin, Kenny Gleenan, D/GB 2004
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar mit DJ Grisumel: Standard und lateinamerikanische Tänze
22.00 Uhr - Dachstock - DJ Revolution (USA), Reef the Lost Cauze (USA), Block Mc Cloud (USA), Lord Lhus (USA), Snowgoons (D), DJ?s L-Cut & Kermit, Webba Showcase. Style: Hiphop

Sa 27.03.10
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel Küche: Bio Hof Heimenhaus, Text: R. Dost / B. Rumpf "Wir sind ein Teil der Erde"
20.00 Uhr - Frauenraum - 10 Jahre Schulprojekt ABQ: Apèro
20.30 Uhr - Tojo - "Poland Polas" ein Theaterabend von formation poe:son. Regie: Sarah-Maria Bürgin.
22.00 Uhr - Frauenraum - 10 Jahre Schulprojekt ABQ: Party mit Madame Léa (Pop), Mitternachtsshow und DJ PCB (Elektro)
23.00 Uhr - Dachstock - - Dachstock Darkside: Dom & Roland (UK), Deejaymf (Unreal/CH), VCA (Biotic/CH) - Support: Ryck (Rabass), Markee (Confront) - Style: Drumnbass

Infos: http://www.reitschule.ch

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Blick am Abend 19.3.10

Nightlife Tipp

 Waxolutionists (A)

 Fr, 22 Uhr, Reitschule Dachstock, Neubrückstr. 8

 Die Waxolutionists sind ein Hip-Hop-Kollektiv aus Wien. Bereits im Jahre 1999 haben sie mit "The Smart Blip Experience"ihr erstes Album veröffentlicht. Zwei Jahre später erhielten sie den österreichischen "]]Amadeus Award"in der Kategorie Bester FM4 Alternative Act. Das aktuelle Album der Waxolutionists heisst ".We Paint Colours[[RIGHT DOUBLE ANGLE.

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Bund 19.3.10

Konsi führt eigenes Popmusical auf

(pd)

 Die Sehnsucht nach dem Geliebten, der Abwesenden, der Unerreichbaren, dem noch nicht erschienenen Traumprinzen: Das ist der Stoff, aus dem ein guter Theaterabend gemacht ist. "Do you get me?" ist von Anfang bis Schluss eine Eigenproduktion der Musikschule Konservatorium Bern. Thema ist die Sprachlosigkeit der Jugendlichen in Gefühls- und Beziehungsdingen, welche nur durch die Musik überwunden werden kann. Der Chor besingt, eingebettet in eine Rahmenhandlung, in zehn Popklassikern die eigene Befindlichkeit. Als roter Faden dient das Motiv der Sehnsucht. Die Dialoge sind in Dialekt, die Hauptrolle spielt die Musik. Regie führt Katharina Vischer, die Leitung des Chors obliegt Aramea Müller.

 Premiere im Tojo-Theater Reitschule Bern heute 19 Uhr, weitere Aufführungen: Samstag 19 Uhr, Sonntag 15 Uhr. Karten: office@konsibern.ch; 031 326 53 53.

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SCHÜTZENMATTE
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bernerzeitung.ch 22.3.10

Dealer tot geprügelt - wegen 20 Franken

Seit Montagmorgen stehen drei junge Männer vor Gericht, die im August 2008 vor der Berner Reitschule einen Dealer zu Tode geprügelt haben sollen. Bei dem Streit ging es offenbar um 20 Franken.

Für diesen Betrag hatte der 36-jährige Schweizer den drei jungen Männern Heroin verkauft, wie aus dem Überweisungsbeschluss hervorgeht. Als die drei das Heroin rauchen wollten, verbrannte es, wahrscheinlich wegen zu viel Streckmittel im Rauschgift.

Aus diesem Grund kehrten die beiden Mazedonier und der Kosovoare zum Dealer zurück und traktierten ihn mit Faustschlägen und Fusstritten - auch als der Mann bereits wehrlos am Boden lag.

Das Opfer starb mehrere Tage nach dem Vorfall im Spital an den folgen eines Milzrisses. Einen weiteren Anwesenden schlugen die drei Angreifer ebenfalls zusammen. Damit wollten sie verhindern, dass dieser die Polizei alarmiert.

Die drei zur Tatzeit 18 und 19-jährigen Angreifer stehen nun hauptsächlich wegen vorsätzlicher Tötung eventuell vorsätzlicher schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Tötung vor dem Kreisgericht Bern-Laupen.

Der Prozess soll bis Mitte nächster Woche dauern. Die Urteilseröffnung ist für kommenden Mittwoch geplant. (rdb/sda)

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20min.ch 22.3.10

Prozess in Bern

Wegen 20 Franken zu Tode geprügelt

Weil ein Dealer drei Männern schlechtes Heroin verkauft haben soll, wurde auf ihn eingedrescht - bis er starb. Ab heute stehen die Schläger in Bern vor Gericht.

Seit Montagmorgen stehen drei junge Männer vor Gericht, die im August 2008 vor der Berner Reitschule einen Dealer zu Tode geprügelt haben sollen. Bei dem Streit ging es offenbar um 20 Franken. Für diesen Betrag hatte der 36-jährige Schweizer den drei jungen Männern Heroin verkauft, wie aus dem Überweisungsbeschluss hervorgeht. Als die drei das Heroin rauchen wollten, verbrannte es, wahrscheinlich wegen zu viel Streckmittel im Rauschgift.

Aus diesem Grund kehrten die beiden Mazedonier und der Kosovare zum Dealer zurück und traktierten ihn mit Faustschlägen und Fusstritten - auch als der Mann bereits wehrlos am Boden lag.

Das Opfer starb mehrere Tage nach dem Vorfall im Spital an den Folgen eines Milzrisses. Einen weiteren Anwesenden schlugen die drei Angreifer ebenfalls zusammen. Damit wollten sie verhindern, dass dieser die Polizei alarmiert.

Die drei zur Tatzeit 18- und 19-jährigen Angreifer stehen nun hauptsächlich wegen vorsätzlicher Tötung eventuell vorsätzlicher schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Tötung vor dem Kreisgericht Bern-Laupen.

Der Prozess soll bis Mitte nächster Woche dauern. Die Urteilseröffnung ist für kommenden Mittwoch geplant.

(sda)

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http://www.jgk.be.ch/site/index/g_gerichte/g_gerichtskreis_viii/gerichte_erstinstanzliche_gk_08_strafabteilung/gerichte_erstinstanzliche_gk_verhandlungsplan.htm

MO bis MI, 22. bis 31.3.2010      **
8.15 Uhr / Audienzlokal 220

GP Hans-Peter Kiener
GS Ehrlich (031 634 32 66)
    

20-jähriger Bürger von Mazedonien
21-jähriger Bürger von Mazedonien
21-jähriger Bürger von Kosovo

wegen vorsätzlicher Tötung, evtl. vorsätzlicher schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Tötung, evtl. Unterlassens der Nothilfe, versuchter schwerer Körperverletzung, evtl. vorsätzlicher einfacher Körperverletzung an einem Wehrlosen, begangen am 29.8.2008 in Bern, Vorplatz Reithalle, sowie zusätzlich wegen Drohung und versuchter Nötigung, Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und teilweise weiterer Delikte

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GROSSE SCHANZE
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Blick am Abend 18.3.10

"Wir werten die Schanze auf"

 CITY-BEACH

 David Stampfli spricht über seinen Kampf für den Strand.

 markus.ehinger@ringier.ch

 Herr Stampfli, als SP-Vertreter der Länggasse haben Sie sich für den City-Beach stark gemacht. Warum?

 Viele Leute fühlen sich auf der Grossen Schanze unsicher. Der City-Beach wertet diesen Ort auf. Beim letzten Runden Tisch im Januar zur Problematik der Grossen Schanze sagten eigentlich alle Ja zum City-Beach: Stadt, Quartier, SBB, Kanton und Uni.

 Trotzdem gabs ein Nein.

 Man hat lange nichts mehr vom City-Beach gehört und dann machte es letzte Woche plötzlich "Peng". Ich konnte es zuerst gar nicht richtig fassen, dass es ein Nein gegeben hat. Die Uni sperrte sich plötzlich gegen den City-Beach.

 Viele Leute wehrten sich gegen dieses Nein. Überrascht Sie die heftige Reaktion?

 Das überrascht mich überhaupt nicht. Es kann doch nicht wahr sein, dass man eine so gute Sache ablehnt, die von Privaten finanziert wird.

 Der Kampf hat sich also gelohnt?

 Auf jeden Fall. Ich wusste schnell, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist und man sich einsetzen muss. Dass der City-Beach ein Bedürfnis ist, zeigt auch die Facebook-Gruppe, bei der nun schon fast 5000 Leute dabei sind. Jetzt sagt auch die Uni Ja. Ich freue mich auf den City-Beach, der die Grosse Schanze sehr beleben wird.

 Wie gehts danach auf der Grossen Schanze weiter?

 Es wird wieder einen Runden Tisch geben. Vergittern und Videoüberwachung halte ich für keine gute Idee. Am besten ist es, wenn man diesen Ort belebt.

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WAGENPLÄTZE
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Junge Alternative JA! 22.3.10

JA! zu alternativen Wohnformen - NEIN zur Burggrabenmentalität

Der Gemeinderat hat heute in einer Medienmitteilung verkündet, dass die ehemalige Regierungsstatthalterin Regula Mader damit beauftragt wurde, eine Lösung für mobile alternative Wohnformen zu suchen.

Die Junge Alternative JA! begrüsst es, dass sich der Gemeinderat anscheinend von der Abwehrhaltung, welche er seit Wochen innehatte, verabschiedet hat und zumindest bereit ist, sich dem Thema anzunehmen.

Unverständnis zeigt die JA! allerdings bezüglich der Umständlichkeit, mit welcher der Gemeinderat an das Thema herangeht. In der Medienmitteilung ist die Rede von vertraglichen Vereinbarungen, gesetzlichen Sanktionierungsmöglichkeiten und auch eine rechtliche Belehrung über die Illegalität von Besetzungen ist zu finden.

Diese Haltung zeigte sich bereits beim gemeinderätlichen Vorgehen in Zusammenhang mit der Besetzung am Centralweg durch die Stadttauben. Die Ausbaggerung eines Grabens zeugt von einer  Hilflosigkeit, welche fast schon lächerlich ist.

In Bern muss es doch möglich sein, dass leere Wohnungen und Plätze genutzt werden können. Die JA! fordert den rot-grünen Gemeinderat auf, endlich mit den Zonen für alternatives Wohnen vorwärts zu machen. Die aktuellen Ereignisse sollten auch der Präsidialdirektion klar machen, dass das Bedürfnis für solche Zonen keine Erfindung von links-aussen ist, sondern real existiert.

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bernerzeitung.ch 22.3.10

Ex-Statthalterin Mader soll mit alternativen Wohngruppen Lösung suchen

Für die Probleme der Stadt Bern mit alternativen Wohngruppen soll nun die ehemalige Regierungsstatthalterin Regula Mader eine Lösung finden.

Die Stadt hat ihr dafür ein Verhandlungsmandat erteilt. Ziel der Stadt ist ein Vertrag mit allen Gruppen, damit künftig Besetzungen verhindert werden können.

Bereits letzten Herbst trafen sich sich die Behörden an einem runden Tisch mit alternativen Wohngruppierungen. Es wurde entschieden, den Gruppen jeweils für drei Monate im Rotationsprinzip ein Grundstück der Stadt, des Kantons oder der Burgergemeine zur Verfügung zu stellen.

Der Verein "Alternative", die grösste der Gruppierungen, hält sich nach Angaben der Stadt an diese Vorgabe. Andere Gruppierungen tun dies nicht, so etwa die "Stadttauben", die jüngst mit der Besetzung eines Areals am Centralweg von sich reden machten.

Gegenwärtig befindet sich die Wagenburg der Stadttauben auf einem Terrain in Bern-Brünnen, das sie Ende Mai verlassen müssen.

Lösung gesucht

Mit der Mandatierung von Mader bietet die Stadt aus ihrer Sicht Hand zu einer einvernehmlichen Lösung. Sie erwarte denn auch, dass alle Gruppen das ihnen im Rotationsprinzip zur Verfügung gestellte Grundstück gemeinsam nutzten, schreibt sie in einer Mitteilung vom Montag.

Mader verfügt aus ihrer Zeit als Regierungsstatthalterin über Erfahrungen in Verhandlungen mit alternativen Gruppierungen. (vh/sda)

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bern.ch 22.3.10

Verhandlungsmandat an Regula Mader

Die Direktion für Finanzen, Personal und Informatik hat die ehemalige Regierungsstatthalterin, Regula Mader, mit der Suche nach einer Lösung für mobile alternative Wohnformen beauftragt. Ziel ist die Verhinderung weiterer illegaler Besetzungen öffentlicher und privater Grundstücke.

Die Direktion für Finanzen, Personal und Informatik hat Frau Regula Mader mit der Suche nach einer Lösung für mobile alternative Wohnformen auf Stadtgebiet beauftragt. Frau Mader verfügt aus ihrer Zeit als Regierungsstatthalterin über einschlägige Erfahrung in Verhandlungen mit den fraglichen Gruppierungen. Im Fokus steht eine vertragliche Vereinbarung mit allen heute existierenden mobilen alternativen Gruppen.

Runder Tisch zeigt Lösung vor

Im Oktober 2008 widmete sich unter der Führung des Stadtpräsidenten ein Runder Tisch, bestehend aus Vertretenden von Stadt Bern, Stadtbauten Bern, Energie Wasser Bern, Kanton Bern und Burgergemeinde Bern dem Thema mobile alternative Wohngruppierungen. Es wurde entschieden, den betreffenden Gruppen jeweils für drei Monate im Rotationsprinzip ein Grundstück der Stadt, des Kantons oder der Burgergemeinde zur Verfügung zu stellen.

Einbindung aller Gruppierungen

Der Verein "Alternative" als grösste Gruppierung hält sich an den Kompromiss des Runden Tisches. Die "Stadttauben" haben zuletzt mit der Besetzung eines städtischen Grundstückes am Centralweg in der Lorraine Schlagzeilen gemacht. Gegenwärtig befinden sie sich auf einem Terrain in Bern-Brünnen, das als definitiver Standort nicht in Frage kommt und spätestens bis Ende Mai 2010 verlassen werden muss.

Die Stadt Bern hält fest, dass Besetzungen von Immobilien, seien es Grundstücke oder Liegenschaften, grundsätzlich illegal sind. Mit der Mandatierung von Frau Mader bietet die Stadt jedoch Hand zu einer einvernehmlichen Lösung. Die Stadt erwartet, dass alle Gruppierungen das Ihnen im Rotationsprinzip zur Verfügung gestellte Grundstück gemeinsam nutzen.

Hüttendorfzone oder gesetzliche Sanktionierungsmöglichkeiten als Fernziel

Neben der mittelfristigen Lösung, die von der Stadt, dem Kanton und der Burgergemeinde mitgetragen wird, hatte der Runde Tisch auch das Fernziel formuliert, eine Hüttendorfzone oder gesetzliche Sanktionierungsmöglichkeiten bei illegalen Besetzungen zu schaffen. Die entsprechenden Aufträge wurden erteilt, deren Umsetzung obliegt der Präsidialdirektion.
 
Direktion für Finanzen, Personal und Informatik

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KONFLIKT-MANAGEMENT
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Bund 19.3.10

Stadt schickt schnelle Konfliktmanager los

(dv)

 Bern West - Um Konflikte im öffentlichen Raum zu entschärfen, hat der Berner Gemeinderat für den Stadtteil sechs versuchsweise ein neues Beschwerdemanagement gestartet. Eine "Kerngruppe" von Angehörigen der Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem (QBB), der Kantonspolizei, der reformierten Kirche, der Vereinigung für Beratung, Integrationshilfe und Gemeinwesenarbeit (VBG), des Trägervereins für die offene Jugendarbeit in der Stadt Bern (TOJ) unter der Leitung des Pinto-Teams (Prävention, Intervention, Toleranz) soll bei Beschwerden rasch aktiv werden und mit Betroffenen eine Lösung suchen. Bei Bedarf sind auch repressive Massnahmen vorgesehen.

 Der Versuch geht auf einen Vorstoss der QBB zurück, ausgelöst durch Nutzungskonflikte im Fellergut und im Bachmätteli, wie Geschäftsführerin Natalie Herren erklärt. Rasches Handeln könne Eskalationen vermeiden.

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KINO-LEBEN
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kulturstattbern.derbund.ch 21.3.10

Roland Fischer am Sonntag den 21. März 2010 um 13:59 Uhr

Quo vadis Kinostadt Bern?

Die Nachrichten der letzten Monate waren nicht gut: Die Kinokette Quinnie ist in argen Schwierigkeiten (adieu Splendid und Cinemastar), und auch das Kino Kunstmuseum wird in Frage gestellt. Gut, dass es da noch einen cinematographischen "Leuchtturm" gibt: Das Lichtspiel hat sich in den zehn Jahren, die es den Verein nun schon gibt, einen festen Platz in der Berner Kulturlandschaft erobert. Das Jubiläum wird das ganze Jahr über gefeiert, im Programm sind einige besondere Leckerbissen - hier stellvertretend herausgepickt: Der Ur-Vampir Nosferatu von Murnau am 28. April.

Bereits heute abend gibt es eine andere runde Zahl zu feiern. Jeden Sonntagabend zeigt das Lichtspiel Filme aus dem eigenen Archiv, das inzwischen auf 14′000 Filme angewachsen ist. So hatte der Kinobetrieb im Sammlungsdurcheinder überhaupt angefangen: Die Lichtspieler visionierten die Woche über ihre Bestände, und am Sonntag zeigte man die gehobenen Schätze. Heute findet dieses archivarische Stelldichein genau zum 500. Mal statt - Anlass für ein "Best of Lichtspiel-Archiv". Gezeigt werden die komischsten Wochenschauen, die skurrilsten Werbespots und andere Absonderlichkeiten aus der Kühlkammer.

Quo vadis heisst es übrigens auch für das Lichtspiel. Das ganze Kehrichtverbrennungsareal, in dem auch die einmalige Lichtspiel-Sammlung auf gut 1000 Quadratmetern einen Platz gefunden hat, soll umgenutzt werden, sobald die neue Anlage fertig ist. Noch ist nicht klar, ob das Lichtspiel in den bisherigen Räumen bleiben kann. Ein Umzug wäre wohl eine logistische Knacknuss - würde aber auch die Chance bieten, einer zentralen Kulturinstitution den ihr gebührenden zentralen Platz in der Stadt zu verschaffen. Ob man wohl noch enger mit dem Kino Kunstmuseum zusammenspannen muss? Wieviel Raum ist eigentlich noch im Progr-Dachstock? Und wie wär's mit einem richtigen Kinomuseum in Bern?

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CLUB-LEBEN THUN
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Thuner Tagblatt 20.3.10

Kolumne

 Was uns Gewalt kosten kann!

Pädu Anliker

MC Anliker, Master of Ceremonies und Fahrradfahrer, betreibt seit 1986 das Thuner Musikkultlokal Café Bar Mokka und lebt in Thun.

 Stadtbekannt sind wir ja mit unserer Bauerndisco Café Bar Mokka schon länger, obwohl die Stadt, oder zumindest ihre Bürger im Moment oder seit Monaten zunehmend, eher keinen Gebrauch von unserem hochstehenden Konzertangebot macht und damit unsere Kassen zunehmend leerer werden. Die letzten Monate waren für die ganze Gastronomie in der Region ziemlich ruinös, obwohl das niemand wirklich zugeben mag… Warum eigentlich nicht? Dass die Krise überwunden sei, verkündeten die Konjunkturforscher dieser Tage und lösten nicht nur bei mir, mit diesen hypothetischen Aussagen, Aggressionen aus. Thun ist ziemlich am Arsch. Im Detail: Ich habe in 24 Jahren Clubgeschichte noch keinen so fetten Geschäftseinbruch erlebt, und vor lauter Zahlen anschauen vergesse ich manchmal fast, dass ich ja Konzertveranstalter und nicht Buchhalter bin. Eine Krise kommt ja meistens nicht alleine… Zunehmend hat unsere Gesellschaft auch Probleme mit entarteten Mitbürgern, und diese Probleme haben wir im Unterhaltungsgeschäft ja auch schon seit längerer Zeit. Was aber in der Nacht vom Freitag, 26.Februar, auf Samstag, 27.Februar 2010, 10 Minuten vor Feierabend bei uns in unserer aussergewöhnlich gut besuchten Disco passiert ist, sprengt jeden Rahmen einer Gesellschaft. Den meisten Lesern des "Thuner Tagblattes" ist die Geschichte bekannt, und der Rest kann die Geschichte auf www.mokka.ch unter "MC World" nachlesen. Es sind nun 20 Tage seit dieser schlimmen Nacht vergangen, und alles ist immer noch sehr präsent. In der Leidensgeschichte des Opfers werden diese 20 Tage wohl nur ein verschwindend kleiner Teil bleiben. Die in Untersuchungshaft sitzenden Schläger sitzen hoffentlich immer noch, während ich diese Zeilen schreibe…

 Das mit schwersten Hirnverletzungen liegen gelassene Opfer liegt, nach 12 Tagen Intensivstation im Inselspital Bern, nun wieder im Thuner Spital, das es ja nach gewissen Strategen auch nicht mehr wirklich braucht… Die schweren Gehirnverletzungen des Opfers führten dazu, dass der 22-jährige Mann aus Somalia nun keine Fremdsprachen mehr verstehen kann, sprechen kann er nur sehr beschränkt in seinem Dialekt, der genau von einem in der Region Thun wohnhaften Somalier verstanden wird. Nach Angaben seiner Landsleute wird er nach Basel in eine Rehaklinik überführt werden müssen, sobald sein Zustand es erlaubt. Nach Angaben der Ärzte wird er dort bis zu 18 Monate bleiben müssen, und es wird sich erst in dieser langen Zeit zeigen, was er alles wieder lernen kann und was für Schäden bleiben werden. Wir fühlen uns sehr hilflos gegenüber solchen Fakten und werden das wenige tun, was wir im Moment machen können: einen Spendenaufruf machen, um die Leute, die ihn besuchen gehen, finanziell unterstützen zu können, dies als kleiner, scheuer Beitrag zum Aufarbeiten dieser elenden Geschichte. Was aber eine solche Geschichte für Kosten verursacht, versuche ich hier einmal aufzuzeigen:

 Ausgehend von 12 Tagen Intensivstation Inselspital Bern à 12000 Franken pro Tag, Notfalleinsatzkosten von 10000 Franken, Spitalkosten für 20 Tage à 1000 Franken und eventuelle Rehabilitationskosten für 15 Monate à 1000 Franken im Tag, kommen wir auf Gesamtkosten von 624000 Franken "nur" für die Heilung des schwer verletzten Opfers! Spätere Invalidenrenten oder andere Unterstützungen sind da noch nicht mitgerechnet, sind aber zu erwarten. Es wurden aber bei dem Überfall mehrere Menschen verletzt, es waren in der Tatnacht um die 50 Polizisten involviert, Untersuchungsrichter und Kriminaltechniker wurden aufgeboten, alle mit teurer Wochenendarbeit. Die umfangreichen Untersuchungen werden wochenlang weitergehen, es werden Stapel von Aktenordnern mit Papier gefüllt, die dann in einem Jahr oder später, an einer mehrtägigen Gerichtsverhandlung mit dem Aufgebot von x Zeugen, von einem Strafgericht minuziös durchgegangen werden. Die Staatsanwaltschaft wird ihre Anklage stellen und begründen, was gute 100 Stunden Arbeit bedeuten kann, eine Gerichtsverhandlung von 5 Tagen ist auch nicht gratis zu haben… Auf der Täterseite kommen pro Inhaftierten mindestens 500 Franken pro Tag in der Untersuchungshaft, dann kommen die Pflichtverteidiger der Täter, es müssen die Frauen und Kinder der Häftlinge von den ortszuständigen Sozialdiensten unterstützt werden. Da Täter wie Opfer sicher mittellos sind, ist anzunehmen, dass die gesamten immensen Kosten von der öffentlichen Hand getragen werden müssen, und die öffentliche Hand sind wir, Sie, Ihr Nachbar, Frau Mosimann vom Meisenweg und Celine Blattmann von der Lerchenfeldstrasse. Wenn Sie keinen Taschenrechner zur Hand haben, nehmen Sie den Rechner Ihres Mobiltelefones… dann macht dieses Teil wenigstens einmal Sinn!

 Noch eine kleine Hilfe zu ihrer heutigen Staatskundelektion: Polizei-Einsatzstunden kosten nachts sicher 180 Franken, der Einsatz dauert pro Polizist 6 Stunden, ein Staatsanwalt kostet etwa 500 Franken die Stunde, ein Pflichtverteidiger kostet um 350 Franken die Stunde, Sozialleistungen für Familien gehen schnell in die Tausende von Franken im Monat, eine Gerichtsverhandlung kostet pro Tag, je nach Aufwand, sicher 10000 Franken. Falls Sie auf Gesamtkosten von 900000 Franken und mehr für diese einzige Gewalttat mit einer Dauer von 4 Minuten und Auswirkungen von Wochen bis Monate und Jahre kommen, werfen Sie Ihren Taschenrechner bitte nicht weg, es ist nur die Realität unserer heutigen Welt, in der alle die Verantwortung an irgendjemanden abgeben. Wählen Sie nicht SVP, die kann das Blatt auch nicht zum Guten wenden, werden Sie nicht Rassist, denn Sie wie ich wissen, dass so vieles, was unsere Lebensqualität ausmacht, aus dem Ausland kommt und dass der Kaffee, den Sie jetzt beim Lesen dieser Zeilen getrunken haben, sehr wohl aus dem Hochland von Somalia oder Eritrea kommen kann. Die Welt ist ein Dorf geworden, auf dessen Bühne zunehmend schlechteres Theater gespielt wird, das Dorfblatt wird immer dürftiger, und mit dem zunehmenden Zuckerkonsum unserer Dorfjugend, der niemand mehr irgendeine Schranke zu setzen wagt, ist anzunehmen, dass die nächste Gewalttat schon letzte Nacht passiert ist oder in der kommenden Nacht passieren wird, eventuell wird der Fall nicht ganz so teuer werden, wenn wir Dorfbewohner Glück haben.

 Der Schaden, der uns als Betreiber des betroffenen Clubs entstanden ist, wird schwer zu schätzen sein… Eins ist aber klarzustellen: Ein Konzert- oder Discobesuch im Café Bar Mokka ist immer noch ungefährlich und trotzdem spannend… Und: Wir fordern die Staatsanwaltschaft und das Untersuchungsrichteramt Thun auf, die Täter mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihrer verdienten Strafe zuzuführen, denn ihre Brutalität darf nicht verharmlost werden. Falls Sie für die Unterstützung des Opfers spenden wollen, schicken Sie uns eine E-Mail. Ich hoffe nun, Ihnen die Wochenendstimmung nicht zu sehr vermiest zu haben… Aber gerade an Wochenenden passieren auch hier in Thun Schrecklichkeiten, die uns leider alle betreffen und die uns alle sehr viel Geld kosten und die wir nicht "wegaperölen" können und dürfen.

 E-Mail: sucks@mokka.ch

 redaktion-tt@bom.ch

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BIG BROTHER THUN
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Bund 20.3.10

Bald gehören Kameras zum Thu ner Nachtleben

 Der Gemeinderat will fünf kritische Punkte in der Stadt überwachen lassen.

 Matthias Raaflaub

 Seit Langem klagen Anwohner der Thuner Altstadt über das rücksichtslose Verhalten einiger Nachtschwärmer. Lärm in den Gassen, Vandalismus und unappetitliche Abfälle vor den Haustüren hätten ein unerträgliches Mass angenommen, klagten über 300 Betroffene im vergangenen Dezember mit einer Petition. Die Botschaft ist angekommen. Gestern hat der Thuner Gemeinderat und Sicherheitsdirektor Peter Siegenthaler (sp) vor den Medien ein Massnahmenpaket der Stadtregierung vorgestellt. Dabei setzt der Gemeinderat vor allem auf Repression. Neben mehr Polizeipatrouillen sollen auch Videokameras zum Einsatz kommen.

 Fünf Orte in der Stadt werden überwacht: die obere und untere Hauptgasse, die Kyburgecke, der Kinderspielplatz hinter dem Mühleplatz sowie der Vorplatz des Schorenfriedhofs. Dort werden an Wochenenden gemäss der Kantonspolizei die Nachtruhe gestört und Vandalenakte begangen. Beim Kinderspielplatz und dem Schorenfriedhof treffen sich Jugendliche zu Trinkgelagen. Zur Überwachung der fünf Standorte muss der Kanton noch grünes Licht geben. Die Voraussetzungen dafür seien aber erfüllt, sagte Erwin Rohrbach, Abteilungsleiter Sicherheit der Stadt Thun. Die Videoüberwachung diene vorab der Prävention. Die laufende Kontrolle der Aufnahmen, die sogenannte Echtzeitüberwachung, ist für die Stadt keine Option. Die Gerichtspolizei wird die Bänder nur nach einem Vorkommnis prüfen, sagte der Thuner Polizeichef Hermann Jutzi gestern.

 Überraschend einig begrüssen die grössten Parteien diese Massnahme. Die FDP steht voll und ganz hinter der Videoüberwachung, wie Fraktionschef Peter Dütschler auf Anfrage sagte. "Ich vertraue den Institutionen, dass die gesammelten Bilder vertraulich bearbeitet werden". SVP-Parteipräsident Ueli Jost ist "zufrieden, dass unsere Forderung nach Videokameras endlich umgesetzt wird". Die SP Thun hat die Videoüberwachung in einem Positionspapier des Parteivorstands abgelehnt. Trotzdem reagiert sie auf das Massnahmenpaket des Gemeinderats versöhnlich. Parteipräsident Franz Schori schliesst nicht aus, dass die begrenzte Überwachung in der Basis eine Mehrheit finden könnte. Gemeinderat Siegenthaler stehe als Befürworter jedenfalls nicht alleine.

 Mehr Patrouillen

 Der Gemeinderat baut auch die Patrouillen in der Altstadt aus. Die Kantonspolizei wird dort häufiger anzutreffen sein und will Verstösse konsequent ahnden. Beamte des privaten Ordnungsdiensts sollen während des ganzen Jahrs patrouillieren und Nachtfahrverbote durchsetzen. An den zusätzlichen Kosten, 130 000 Franken, werden sich die Wirte beteiligen. Schliesslich müssen die von der Polizei angezeigten Ruhestörer künftig persönlich beim Gewerbeinspektor Reto Keller erscheinen, um ihre Vergehen - wortwörtlich - nüchtern zu besprechen. Tage nach ihren Vergehen seien die Jugendlichen nämlich oft kaum wiederzuerkennen, sagte Keller.

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Thuner Tagblatt 20.3.10

Gemeinderat präsentiert Massnahmen

 Kameras und mehr Polizeipräsenz in Thun

 Der Thuner Gemeinderat will verstärkt gegen Lärm und Vandalen vorgehen: mit Videoüberwachung und mehr Polizeipräsenz.

 Die Stadt Thun setzt Zeichen gegen Auswüchse des Nachtlebens in der Innenstadt: Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler (SP) präsentierte gestern vor den Medien verschiedene Massnahmen. So will die Stadtregierung in Zukunft auf Videoüberwachung setzen - und zwar an fünf Standorten. Noch fehlt dafür die Bewilligung des Kantons. Aber bereits im Sommer könnten die Kameras installiert werden. Zudem soll an den Wochenenden die sichtbare Polizeipräsenz in der Innenstadt erhöht werden, und der Ordnungsdienst wird ausgebaut. Erste Reaktionen auf die Massnahmen sind positiv.
 mik

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Massnahmenpaket des Gemeinderats für mehr Sicherheit in Thun

 Videokameras an fünf Standorten

 Der Thuner Gemeinderat will Videoüberwachung vorerst an fünf Standorten: Vier in der Innenstadt sowie beim Schorenfriedhof. Die Massnahme kostet über 100000 Franken - und muss vom Kanton noch bewilligt werden.

 Geht es nach dem Willen des Gemeinderats, werden in Thun bald Videokameras aufgestellt - und zwar an folgenden fünf Standorten: Obere Hauptgasse (Bereich "Borsalino"/"Saint Trop"), Untere Hauptgasse (Bereich Kraftstoffbar), Coop Kyburg (Bereich Ecke Aare-Kuhbrücke), Kinderspielplatz beim Stauffergässchen sowie Vorplatz der Aufbahrungshalle beim Schorenfriedhof (siehe Grafik). "Für die fünf Standorte rechnen wir mit Kosten von 100000 bis 125000 Franken", sagte Gemeinderat Peter Siegenthaler (SP) gestern an der Medienkonferenz zu den Sicherheitsmassnahmen der Stadt Thun (vgl. Seite 25).

 "Rechtlich okay"

 Laut Gesetz sind Videokameras im Kanton Bern nur an Brennpunkten möglich, wo es in der Vergangenheit bereits zu Übertretungen kam. "Das ist an diesen Standorten etwa mit den Nachtruhestörungen in rauen Mengen der Fall. Die rechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt", betonte Erwin Rohrbach, Leiter der Abteilung Sicherheit der Stadt Thun. Nicht vorgesehen sei eine Echtzeitüberwachung der Videobilder - das wäre laut Rohrbach zu personalintensiv. Allenfalls wäre ein Monitor in der Einsatzzentrale der Polizei zu einem späteren Zeitpunkt eine Option. Auswerten dürfe die Aufzeichnungen der Videokameras sowieso nur die Polizei. "Es muss sich ein konkreter Vorfall ereignet haben, der rechtfertigt, dass wir die Aufnahmen anschauen", führte Hermann Jutzi, Chef Polizei Thun, aus. Laut Erwin Rohrbach könnten die Aufzeichnungen in solchen Fällen Ermittlungsansätze bei Straftaten sein. Zudem erhoffen sich die Behörden durch die Kameras auch eine präventive Wirkung.

 Bereits ab Sommer?

 "Der Kanton muss die Standorte noch genehmigen", sagte Gewerbeinspektor Reto Keller. Zudem werden die Standorte im Amtsanzeiger publiziert - und Betroffene können Beschwerde führen. Der Gemeinderat geht laut Peter Siegenthaler davon aus, dass der Kanton die Kamerastandorte bewilligt: "Wir haben entsprechende Vorabklärungen gemacht." Auch Erwin Rohrbach rechnet damit, dass das Bewilligungsverfahren rasch abgewickelt werden kann. "Wenn es keine Beschwerden gibt, könnten wir mit der Videoüberwachung wohl etwa im Juli starten." Die technische Inbetriebnahme nehme nicht viel Zeit in Anspruch.

 Weitere Kameras?

 Macht sich der Gemeinderat Überlegungen für weitere mögliche Kamera-Standorte? "Ja", antwortete Sicherheitsvorsteher Siegenthaler. Er nennt als Beispiele die Mühlepassage zwischen Oberer Hauptgasse und Mühleplatz oder die Schlosstreppe neben dem Restaurant Metzgern. "Aber jetzt wollen wir zuerst den Versuch mit fünf Standorten machen und sauber auswerten", betonte der SP-Gemeinderat.

Michael Gurtner

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Lob von IGT, Altstadt und SVP

 Mit den Sicherheitsmassnahmen reagiert die Stadt auch auf eine Petition und ein Postulat. Die ersten Reaktionen sind positiv.

 "Die Stossrichtung stimmt, der Gemeinderat nimmt unsere Anliegen ernst", sagt Patrick Aeschbacher, Präsident der Innenstadtgenossenschaft Thun (IGT). Diese hat mit dem Altstadt-Stamm Ende 2009 die Petition für eine wohnlichere Altstadt mit 333 Unterschriften von Direktbetroffenen eingereicht (wir berichteten). Gestern präsentierte der Gemeinderat seine Antwort. Die vermehrte Polizepräsenz ist für Aeschbacher ein wichtiger Punkt. Anderes sei aber eher schwammig formuliert. "Wir bleiben am Ball und schauen, wie sich die Massnahmen auswirken", verspricht der IGT-Präsident. Er stellt die Frage, ob nicht auch im Ortspolizeireglement gewisse Verschärfungen möglich wären. Regula Saameli vom Altstadt-Stamm betont: "Es ist toll, dass jetzt etwas geht, dass sich die Stadt einsetzt und auf die Anwohner hört." Sie hoffe, dass die Massnahmen auch durchgesetzt werden könnten. Der Wille sei sicher da, aber die Stadt veweise in der Petitionsantwort auch auf Schwierigkeiten und mache zum Teil Abschwächungen.

 "Teilweise befriedigt"

 Ebenfalls Ende 2009 reichten im Stadtrat Franziska Gyger und Christine Buchs (beide FDP) ein Postulat zur Ausgehzone Innenstadt ein. Darin forderten sie etwa folgendes zu prüfen: Zusätzliche WC-Anlagen, mehr Ausgehmöglichkeiten auch für 16- bis 18-Jährige oder die Suche nach möglichen weiteren Standorten für Kulturräume am Rand der Innenstadt. Von der Antwort des Gemeinderats sind die Postulantinnen "teilweise befriedigt", wie Christine Buchs erklärt. Die Antwort sei "halbherzig". Den Nutzen von mehr öffentlichen WCs stellt die Stadt in Frage. Gut findet Buchs, dass WC-Wegweiser an neuralgischen Punkten geprüft werden. Den Punkt, dass die Stadt Einfluss nehmen soll, damit auch 16- bis 18-Jährige in Lokalen Einlass erhalten, lehnt der Gemeinderat ab. Buchs findet, hier sei das Postulat falsch verstanden worden. Sie möchte, dass Lokale speziell für diese Altersgruppe gefördert werden. "Es geht um zusätzliche Möglichkeiten für Jüngere, irgendwo drinnen sein zu können statt auf der Strasse", führt Christine Buchs aus. "Wir helfen, Räume zu vermitteln, treten aber nicht selber als Organisatoren auf", betonte Gemeinderat Peter Siegenthaler.

 Genugtuung bei der SVP

 Die Thuner SVP reagierte gestern mit einer Pressemitteilung auf das Massnahmenpaket des Gemeinderats: Man nehme mit Genugtuung von der neuen Sicherheitspolitik des Gemeinderats Kenntnis: "Vermehrte sichtbare Polizeipräsenz und Videoüberwachung sind seit langem Forderungen der SVP."
 Mik

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Richtung stimmt

Michael Gurtner

 Wer in der Innenstadt wohnt, muss mehr aushalten können, als Bewohner von ländlichen Gebieten. Doch alles hat seine Grenzen. Und die wurden in Thun zuletzt mit Lärmexzessen, Vandalenakten und Verbrechen sehr oft überschritten. Darunter litt nicht zuletzt das Sicherheitsgefühl der Thunerinnen und Thuner. Die Stadt reagiert (endlich) mit griffigen Massnahmen. Dafür gebührt dem sozialdemokratischen Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler und seinen Mitstreitern ein dickes Lob: Die Richtung, welche die Stadt einschlägt, stimmt. So ist zwar Prävention wichtig - aber es ist ein Fakt, dass vor allem mehr Polizeipräsenz wirkt.

 Für Diskussionen dürfte die geplante Videoüberwachung sorgen. Da tauchen Sorgen im Sinne von George Orwells Überwachungsstaat - "Big Brother is watching you" - auf. Nur: Wir leben in einer Zeit, wo ein Grossteil der Menschen den "Grossen Bruder" freiwillig in sein Leben lässt - sei es mit Cumulus-Karten oder Websites wie Facebook, wo der halben Welt die privaten Ferienfotos unter die Nase gehalten werden. Klar muss die Videoüberwachung zurückhaltend eingesetzt werden: Nur an wirklichen "Hotspots" und mit klaren gesetzlichen Leitplanken. Dann aber können die Kameras helfen, Verbrechen aufzuklären - oder gar zu verhindern. Und wer nichts auf dem Kerbholz hat, hat durch die Videoüberwachung auch nichts zu befürchten.m.gurtner@bom.ch

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BZ 22.3.10

Stadt setzt auf Kameras

 Der Thuner Gemeinderat will verstärkt gegen Lärm und Vandalen vorgehen: Mit Videoüberwachung und mehr Polizeipräsenz.

 Im Mai 2009 hat der Berner Stadtrat den Einsatz von Videokameras im öffentlichen Raum abgelehnt. Das Thema wird in Bern aber nach wie vor heiss diskutiert. Die Stadt Thun setzt nun definitiv auf Kameras, um gegen Vandalismus und Lärm anzugehen. Der Gemeinderat will an fünf Standorten in der Stadt Kameras installieren. Noch fehlt dafür die Bewilligung des Kantons. Aber bereits im Sommer könnten die Kameras installiert sein. Thun kündigte zudem weitere Massnahmen gegen Lärm und Vandalen an. An Wochenenden soll die Polizeipräsenz erhöht werden. Zudem wird der Ordnungsdienst ausgebaut.
 mik/wrs

 Seite 38

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Kameras und mehr Polizeipräsenz

Videoüberwachung und mehr Polizisten: Thun will mehr Ruhe und Ordnung. Die erhöhte Präsenz soll mit Umorganisation erreicht werden. Der Gemeinderat kündet aber auch an, mehr Steuergeld für die Polizei bereitstellen zu wollen.

 Das Spannungsfeld ist riesig. Doch die Stadt Thun will nicht von ihrer Strategie abrücken. "In der Innenstadt muss Wohnen, Geschäften und Vergnügen gleichzeitig möglich sein", sagt Gemeinderat Peter Siegenthaler (SP). Ohne Toleranz, Respekt und Selbstverantwortung funktioniere es aber nicht. Dessen ist sich Thuns Sicherheitsvorsteher bewusst. "Die Nachtschwärmer sind in der Thuner Innenstadt. Sie haben sich aber anständig zu benehmen." Weil der Anstand in den letzten Jahren immer mehr zu wünschen übrig liess, sah sich die Stadt nun gezwungen, zu handeln.

 Verschiedene Ansätze

 Nach Gesprächen mit allen Beteiligten hat die Stadt einen Strauss an Massnahmen beschlossen, den Siegenthaler gestern mit dem Thuner Gewerbeinspektor Reto Keller, Polizeichef Hermann Jutzi und Sicherheitschef Erwin Rohrbach vorgestellt hat:Videoüberwachung. Der Thuner Gemeinderat plant eine Videoüberwachung an fünf neuralgischen Punkten. Sie könnte bereits im Sommer eingeführt werden (siehe Kasten)Sichtbare Polizeipräsenz. An den Wochenenden soll ab Mitternacht bis 5 Uhr die sichtbare Polizeipräsenz in der Innenstadt erhöht werden. "Wir werden konsequenter und repressiver vorgehen", kündigte Jutzi an. Die erhöhte Präsenz wird nicht mit mehr Personal, sondern mit einer Umorganisation erreicht. Gemeinderat Siegenthaler stellte aber in Aussicht, in Zukunft mehr Steuergelder für die Polizeiarbeit bereitstellen zu wollen. Kein Lösungsansatz ist ein Polizeiposten in der Altstadt, wie er von mehreren Seiten gefordert wurde. "Ein Posten allein bringt nicht mehr Ruhe", sagte Jutzi. Es brauche auch das Personal, um ihn zu besetzen.Ordnungsdienst. Der Ordnungsdienst in der Innenstadt wird laut Gewerbeinspektor Reto Keller ab 1.April ausgebaut. Neu patrouillieren die Sicherheitsleute das ganze Jahr - jeweils von Donnerstag bis Sonntagmorgen. Bisher waren sie nur zwischen Mai und Oktober im Einsatz. Zusätzlich wird nun auch das Nachtfahrverbot überprüft. Die Absperrgitter werden jeweils zwischen 0.30 und 4.30 Uhr bewacht. Die Kosten für diesen Überwachungsauftrag betragen 73000 Franken. Sie werden der Spezialfinanzierung Parkinggebühren belastet. Die Wirte müssen sich je nach Betriebsgrösse mit Beträgen zwischen 100 und 160 Franken pro Monat an den Kosten des erweiterten Ordnungsdienstes beteiligen. Er beläuft sich auf 131000 Franken jährlich. Die Stadt Thun wird 90000 Franken beitragen.Parkplatzkontrollen. Die nächtlichen Kontrollen der parkierten Fahrzeuge werden weitergeführt, weil nach wie vor mehrere hundert Parkbussen pro Monat ausgestellt werden.

 Im Herbst wird analysiert

 Störenfriede werden in Thun künftig nicht nur verzeigt, sondern haben sich auch vor dem Gewerbeinspektor zu erklären. Sie werden zu Gesprächen vorgeladen, die während der Arbeits- oder Unterrichtszeit stattfinden. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich die meisten renitenten Zeitgenossen unter der Woche ganz vernünftig zeigen", sagte Reto Keller. Geplant ist auch, dass auf dem Mühleplatz bis ans Aareufer bewirtet wird, damit der Raum nicht mehr derart verschmutzt wird wie bisher. Auch sollen die Reinigungszeiten der Innenstadt optimiert werden. Und nicht zuletzt will man mit einer neuen Plakataktion Nachtschwärmer sensibilisieren.Ob die Massnahmen den gewünschten Erfolg bringen, wird im Spätherbst überprüft. Dann soll es eine Analyse geben, auf Grund welcher das weitere Vorgehen beschlossen wird. Angesprochen auf die Gefahr, dass sich die Störenfriede nun an andere Orte verziehen könnten, sagte Siegenthaler: "Wir werden uns bemühen, dass es keine Verlagerung der Probleme gibt."
 Roger Probst

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 Standorte der Kameras

 In der Innenstadt und beim Friedhof

 Thun will die Videoüberwachung vorerst an fünf Standorten, vier davon liegen in der Innenstadt - an der Oberen Hauptgasse (Bereich "Borsalino"/"Saint Trop"), der Unteren Hauptgasse (Bereich Kraftstoffbar), beim Coop Kyburg (Bereich Ecke Aare/Kuhbrücke) und beim Kinderspielplatz beim Stauffergässchen. Fünfter Standort ist der Vorplatz der Aufbahrungshalle beim Schorenfriedhof. "Für die fünf Standorte rechnen wir mit Kosten von 100000 bis 125000 Franken", sagt der Thuner Gemeinderat Peter Siegenthaler (SP).

 Laut Gesetz sind Videokameras im Kanton Bern nur an Brennpunkten möglich, wo es schon zu Übertretungen kam. "Das ist an diesen Plätzen mit Nachtruhestörungen der Fall. Die rechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt", sagt Erwin Rohrbach, Leiter der Abteilung Sicherheit der Stadt Thun. Nicht vorgesehen sei eine Echtzeitüberwachung - das wäre laut Rohrbach zu personalintensiv. Auswerten dürfe die Aufzeichnungen nur die Polizei. "Es braucht Vorfälle, die rechtfertigen, dass wir die Bilder anschauen", so Hermann Jutzi, Chef Polizei Thun.

 Der Kanton muss die Standorte noch genehmigen. Zudem werden sie im Anzeiger publiziert - und Betroffene können Beschwerde führen. Im Sommer könnten die Kameras frühestens den Betrieb aufnehmen. Der Gemeinderat prüft zudem weitere Standorte, wie die Mühlepassage oder die Schlosstreppe.
 Mik

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Langenthaler Tagblatt 20.3.10

Videoüberwachung und mehr Polizei

 Thun Kontrollen und Repression sollen Oberländer Jugendliche an Wochenenden wieder zur Räson bringen

 Auch in Thun beschäftigt die Sicherheit. Aber noch mehr der nächtliche Lärm. Als Reaktion auf den Unmut von Altstadt-Bewohnern setzt die Stadt nun auf Videoüberwachung und mehr Polizei.

 Samuel Thomi

 Mit dem Stadtleben ist das so eine Sache. Läuft zu wenig, ist schnell einmal die Rede von einer "Geisterstadt". Wird aber dauernd Party gefeiert und hält sich entsprechend viel Volk in den Gassen auf, laufen dagegen nicht selten Anwohner Sturm.

 Ein gutes bernisches Anschauungsbeispiel in Sachen Lärm-streit ist die Thuner Innenstadt. Auf engem Raum leben dort Hunderte Personen zwar zentral, in schmucken Altstadtwohnungen und nahe der Aare. Doch der Quai, und besonders der beliebte und belebte Mühliplatz am lauschigen Flussufer, bietet zur wärmeren Jahreszeit fast jedes Wochenende Anlass zu Ärger. "Praktisch laufend kommt es da zu Übertretungen und Vergehen", kommentierte Hermann Jutzi gestern vor den Medien.

 Benimmregeln durchsetzen

 Mit einem Massnahmenpaket, das ab 1. April greifen soll, will der Gemeinderat nun Gegensteuer geben; zugleich Vorstösse aus dem Stadtrat umsetzen und einer Anfang Winter eingereichten Petition von Anwohnern Rechnung tragen (wir berichteten). Jutzi, Chef Region Thun der Kantonspolizei, erklärte auf Nachfrage, seine Mitarbeiter würden den neuen Auftrag des Gemeinderates - zwischen Mitternacht und 5 Uhr früh stets mit mindestens einer Patrouille in der Innenstadt präsent zu sein - im Rahmen des Leistungsvertrages umzusetzen versuchen. Im Gegensatz zur Polizei in der Stadt Bern sehe er kein Problem darin, dass sich seine Mannen und Frauen nun öfter um Benimmregeln und Littering kümmern sollten, statt auf "Verbrecherjagd" zu gehen.

 "Querulanten" vorladen

 "Uniformierte und bewaffnete Beamte haben eine grössere Glaubwürdigkeit als privates Sicherheitspersonal", sagte dazu Thuns Gewerbeinspektor Reto Keller. Dennoch wird der bisherige Ordnungsdienst in den Sommermonaten von Donnerstag- bis Samstagnacht aufs ganze Jahr und die ganze Woche mit zwei Zweierteams patrouillieren. Daran beteiligen sich auch die Wirte. Die Leistungen der Polizei dagegen sollen die Stadt nicht mehr kosten; es würden nur neue Schwerpunkte in der Polizeiarbeit gesetzt. Als Versuch will Keller zudem "Querulanten" am darauf folgenden Tag zu sich ins Büro bitten. "Da werde ich sie zur Rede stellen und sie auf grundlegende Anstandsregeln hinweisen."

 Spielplatz und Friedhof filmen

 Als weitere Direktmassnahme beantragt die Stadtregierung laut Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler Videokameras an fünf neuralgischen Standorten. Er rechnet für deren Installation mit Kosten von bis zu 135000 Franken. Echtzeit-Überwachung solls nicht geben. Als Standorte vorgesehen sind beispielsweise ein Kinderspielplatz nahe des Mühliplatzes - der nächtens als Toilette missbraucht werde - oder das Entrée einer Aufbahrungshalle auf dem etwas abseits gelegenen Schoren-Friedhof: "Da kommt es leider immer wieder zu Alkohol-Exzessen."

 Siegenthaler, der sich von der Thuner SP nächste Woche zum Stapi-Kandidaten für die Wahlen vom November aufstellen lässt, ist wichtig, dass trotzdem nicht nur auf Repression gesetzt wird: "Wir müssen auch Lokalbetreiber, Supermärkte und den Statthalter als Bewilligungsbehörde in die Verantwortung nehmen."

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ANTIRASSIMUS
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bern.ch 22.3.10

In der Stadt Bern hat Rassismus keinen Platz

"Zum Bedienen bin ich ok, aber nicht als Schwiegersohn". Mit solchen Zitaten von Migrantinnen und Migranten in der Schweiz macht die Stadt Bern auf rassistische Diskriminierung aufmerksam. Gemeinsam mit der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR und dem gggfon (Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus) führt die Stadt Bern heute einen Aktionstag zum Internationalen Tag gegen Rassismus durch.

Die Stadt Bern hat sich zum Ziel gesetzt, den Internationalen Tag gegen Rassismus als wichtigen Termin im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung zu etablieren. Deshalb führt sie dieses Jahr erstmals einen Aktionstag durch: Den ganzen Tag ist heute Samstag der Stopp-Rassismus-Kiosk auf dem unteren Waisenhausplatz stationiert. Hier können Interessierte mit Fachleuten ins Gespräch kommen und sie erhalten Informationen und Unterlagen. Gleichzeitig sind mobile Equipen in der Innenstadt unterwegs. Mit filmischen Szenen machen sie Passantinnen und Passanten auf rassistische Diskriminierung aufmerksam.

Direkt und öffentlich über Rassismus reden

Am Point de Presse warnte Gemeinderätin Edith Olibet davor, das Problem Rassismus zu tabuisieren: "Auch deshalb lancieren wir die heutige Aktion - um direkt und öffentlich darüber zu sprechen, was nicht sein darf, aber doch zu häufig passiert." Es gehe dabei nicht nur um die Hautfarbe, sondern auch um die Ausgrenzung aufgrund der Sprache, der Religion, des Namens oder des Aussehens. Und Ausgrenzung sei schädlich, behindere und verhindere die Integration.

Edith Olibet erinnerte daran, dass die Stadt Bern im letzten Jahr der Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus beigetreten ist und in diesem Rahmen einen Aktionsplan gegen Rassismus umsetzt. Bern versteht das Engagement gegen Rassismus als eine langfristige Aufgabe. So soll in Zukunft der Internationale Tag gegen Rassismus genutzt werden, um die Menschen in Bern für das Thema rassistische Diskriminierung zu sensibilisieren.

 
Direktion für Bildung, Soziales und Sport

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SANS-PAPIERS
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Work 19.3.10

Die Studentin T. lebt ohne Papiere in Lausanne. Ihre Maxime:

 "Nur ja nicht auffallen!"

Sans-papiers dürfen jetzt in der Stadtverwaltung von Lausanne eine Berufslehre machen. An die Uni dürfen sie nicht. Studentin T.* geht trotzdem hin.

 Helen Brügger

 Die Erleichterung in Lausanne ist gross: Am 3. März hat der Nationalrat beschlossen, dass Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne gültige Papiere Zugang zu einer Berufslehre haben sollen. Das eidgenössische Parlament stärkt damit der Lausanner Stadtregierung den Rücken. Diese hat nämlich Mitte Februar beschlossen, jugendlichen Sans-papiers eine Lehre in der Gemeindeverwaltung zu ermöglichen. Byron Allauca vom Waadtländer Unterstützungskomitee für die Sans-papiers freut sich: "Das ist ein erster Schritt."

 Rechtlose Existenz

 Allauca war selber ein Papierloser. Und erinnert sich noch genau an diese Zeit. Das Schlimmste sei die Angst beim Verlassen der Wohnung: "Werde ich nach der Arbeit meine Familie wiedersehen?" Jahrelang sass ihm diese Angst im Nacken. Jetzt sind er und seine Familie legal in der Schweiz. Der gebürtige Ecuadorianer muss nicht mehr schwarz als Kellner arbeiten. Er ist jetzt in verantwortungsvoller Position für die Sicherheit der neuen Lausanner Métro zuständig. Seine beiden Söhne machen eine Ausbildung. Einer wird Handelsangestellter, der andere Rechtsanwalt.

 Auch T.* kennt diese Angst. Denn auch sie hat keine Papiere. Trotzdem studiert sie an der Universität Lausanne. "Die Uni drückte beide Augen zu, als ich mich ohne gültige Papiere anmeldete", erzählt sie. Die Studentin ist sich bewusst, dass es ohne die diskrete Intervention der Lehrerinnen und Lehrer nie so weit gekommen wäre. Ihr Berufswunsch? "Journalistin", sagt sie. Und zögert. Denn als Sans-papier wird sie trotz Uniabschluss keine Zukunft als Journalistin haben. Ihr droht das Schicksal aller Sans-papiers: kein Name an der Wohnungstüre, keine legale Existenz, rechtlos. Aber gefragt als Putzfrau, Babysitterin, Serviceangestellte, billige Arbeitskraft. "Man hat in meiner Situation nicht einmal den Mut, von einer Zukunft zu träumen", sagt T.

 Vorbildliches Lausanne

 Kinder von Sans-papiers sind nach der obligatorischen Schulzeit doppelt diskriminiert: Als Sans-papiers haben sie nicht die gleichen Rechte wie ihre Altersgenossen. Und jene, die nicht an die Universität gehen konnten, sind gegenüber intellektuell Begabten benachteiligt.

 Die Stadt Lausanne ist fest entschlossen, diese doppelte Diskriminierung zu beseitigen. Sie will darum papierlosen Schulabgängern die Möglichkeit geben, eine Lehre in der Gemeindeverwaltung zu machen. Rechtlich geht das eigentlich nicht. Denn ein Lehrvertrag setzt einen Arbeitsvertrag voraus. Und der wiederum ist von gültigen Papieren abhängig. Lausanne hat mit dem Beschluss, das Gesetz zu brechen, eine riesige Polemik ausgelöst. Die Kantonsregierung droht mit Sanktionen. Die SVP mobilisiert ihre Truppen. Doch die mutige Stadtregierung hat auch Unterstützung erhalten. Die Stadt Genf will im nächsten Herbst ebenfalls Sans-papiers als Lehrlinge anstellen (siehe Box).

 T. freut sich für ihre ehemaligen Schulkameraden. "Was gibt es Besseres für uns Papierlose als das Recht auf eine Ausbildung?" Ihr selbst war immer klar, dass sie studieren wollte. Wie ihr Vater. Nach dem frühen Tod des Vaters kam die Mutter mit den beiden Kindern in die Schweiz. Ohne Papiere. Die gelernte Buchhalterin kommt als "illegale" Putzfrau für die Familie auf und schafft es, den Kindern ein Studium zu ermöglichen. "Meine Mutter liebt Aufrichtigkeit und Korrektheit über alles, deshalb liebt sie auch die Schweiz", sagt die Tochter voller Hochachtung.

 Nur Teil der Lösung

 T. lebt seit neun Jahren in Lausanne. Sie fühlt sich als Schweizerin. Auch wenn es für sie nicht möglich war, einen Sprachaufenthalt in der deutschen Schweiz zu absolvieren. Auch wenn ein Studiensemester an einer europäischen Universität ausgeschlossen ist. Auch wenn Ferienreisen mit Freundinnen nicht drinliegen und sie von einem Fahrausweis nur träumen kann. "Das alles sind Dinge, auf die ich verzichten muss."

 Im Alltag fühlt sich T. nicht bedroht, weil sie perfekt französisch spricht und ihre Hautfarbe nicht verrät, woher sie kommt. Trotzdem droht stets die Gefahr einer polizeilichen Kontrolle. "Nicht auffallen!" heisst ihre Maxime, und: "Korrektes Verhalten in allen Situationen". Nicht einmal ihrer besten Studienkollegin gesteht sie, dass sie keine Papiere hat: "Das ist zu persönlich."

 Der Sicherheitsbeauftragte Byron Allauca nennt es "ein himmelschreiendes Unrecht, dass Kinder von Sans-papiers für die Situation ihrer Eltern den Kopf hinhalten müssen". Der Zugang zur Berufslehre sei für Kinder von Sans-papiers gut, aber noch keine Lösung. Allauca findet es absurd, den Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen, sie jedoch nachher auf die Strasse zu stellen. Der Staat investiere und verzichte dann auf ihre Arbeitskraft. "Wie lange geht es wohl noch, bis die Schweiz über ihren Schatten springt und Sans-papiers regularisiert, die seit Jahren hier leben und arbeiten?"

 * Name der Redaktion bekannt.

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Sans-Papiers

 Genf zieht nach

 Auch in Genf sollen junge Sans-papiers künftig eine Lehre absolvieren können. Dies sagte Sandrine Salerno (SP) von der Genfer Stadtregierung in einem Interview mit der Genfer Tageszeitung "Le Courrier". Wie Lausanne sei auch Genf vom Kanton abhängig, der die Lehrverträge unterzeichnet und die Diplome verteilt, sagte sie. Die Stadt brauche daher die Unterstützung des Kantons, der seinerseits vom Bund abhängig sei.

 Salerno kann sich vorstellen, dass den jungen Papierlosen eine provisorische Arbeitsbewilligung erteilt wird.

 Die Stadt Genf bildet zurzeit gut 60 Lehrlinge aus. Sie will die Anzahl Ausbildungsplätze nun auf 80 aufstocken.

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AUSSCHAFFUNGS-TOD ZH
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tagesanzeiger.ch 22.3.10

Nach Tod bei Ausschaffung liegen erste Obduktionsergebnisse vor

Von Maria Rodriguez

Woran der 29-jährige Nigerianer plötzlich verstarb, bleibt ein Rätsel. Einvernahmen und weitere Tests sollen Klarheit bringen.
Flughafengefängnis in Kloten: Hier war der Nigerianer vor seinem plötzlichen Tod am Flughafen.

Wie die untersuchende Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland in einer Mitteilung schreibt, wurde die Obduktion am 19. März durchgeführt. Die bisherigen Ergebnisse "erlauben keine sicheren Rückschlüsse auf vorbestehende Erkrankungen oder Fremdeinwirkung", ist im Communiqué zu lesen. Damit bleibt die Ursache, welche zum Tod des 29-jährigen Ausschaffungshäftlings geführt hat, offen. Ebenso ist die Rolle, welche die an der Ausschaffung beteiligten Polizisten gespielt haben, unklar.

Mehrere Einvernahmen seien bereits durchgeführt worden. Auch die Polizisten, die an der Zwangsausschaffung beteiligt waren, wurden durch den Staatsanwalt einvernommen. Zum Inhalt dieser Befragungen wird momentan nichts gesagt. Zudem stehen weitere Befragungen an: "Die Ermittlungen betreffen sowohl die konkreten Abläufe bei der Ausschaffung als auch die Vorgeschichte", sagt Rainer Angst, Sprecher der untersuchenden Staatsanwaltschaft.

Nigerianer rufen zu Kundgebung auf

Der Nigerianer hätte am Mittwoch dem 17. März 2010 mit weiteren Häftlingen in einem Sonderflug nach Nigeria ausgeschafft werden sollen. Er verstarb auf dem Flughafengelände, nachdem er davor in den Hungerstreik getreten war.

Der Leichnam des 29-jährigen Nigerianers befindet sich immer noch in der Schweiz. Ob der Verstorbene hier oder in seinem Heimatland bestattet wird, hängt von seiner Familie ab: "Die Kontaktaufnahme mit den Angehörigen wurde bereits vergangene Woche veranlasst. Wir werden uns nach ihren Wünschen richten", so Angst weiter.

Inzwischen kündigte die nigerianische Gemeinschaft in der Schweiz eine Demonstration an. Sie soll diesen Freitag, am 26. März 2010, auf dem Bundesplatz in Bern stattfinden. Auch Nigerianer aus dem Ausland werden aufgerufen an der Kundgebung teilzunehmen. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

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Verstorbener 29-Jähriger war "mehrere Wochen" im Hungerstreik

Maria Rodriguez

 Der nigerianische Ausschaffungshäftling, der am Flughafen verstarb, hatte offenbar schon länger nichts gegessen. Im Flughafengefängnis sind weitere Häftlinge in den Hungerstreik getreten.

 Der 29-Jährige war offenbar vor seinem Tod - anders als die Behörden in einer Mitteilung schrieben - nicht erst seit ein paar Tagen im Hungerstreik gewesen: "Wir wissen, dass das Opfer mehrere Wochen im Hungerstreik war, nicht wie von offizieller Seite behauptet, erst ein paar Tage. Wir wissen, dass er gefesselt wurde und sich gewehrt hat, das Flugzeug zu besteigen. Wir gehen davon aus, dass das Opfer in der Folge der Zwangsmassnahme erstickt ist", ist auf der Homepage des Vereins Refugees Welcome zu lesen.

 Rainer Angst, Sprecher der untersuchenden Staatsanwaltschaft Winterthur-Unterland kann diese Angaben nicht bestätigen: "Wir wissen, dass er sicher einige Tage die Nahrungsaufnahme verweigerte. Die Dauer des Hungerstreiks und die genaue Todesursache werden untersucht." Der Nigerianer verstarb am 17. März am Flughafen Zürich während der Ausschaffung durch die Polizei. Er hatte sich der Rückführung widersetzt und war gewaltsam gefesselt worden.

 Fünf bis zehn essen nichts

 Um den Häftlingen ihre Solidarität zu bekunden, versammelten sich rund 150 Menschen gestern Sonntagnachmittag zu einem spontanen Protestmarsch, der vor dem Flughafengefängnis endete. Dabei riefen gemäss einer Medienmitteilung der Menschenrechtsorganisation Augenauf verschiedene Häftlinge aus den Zellenfenstern, viele von ihnen befänden sich seit vergangenen Mittwoch im Hungerstreik - aus Protest gegen Zwangsausschaffungen.

 Auch der Verein Refugees Welcome hat von der Solidaritätsaktion erfahren, sagt Sprecher Michael Stegmaier: "Wir haben die Information erhalten, ein grosser Teil der Ausschaffungshäftlinge des Flughafengefängnisses sei im Hungerstreik."

 Beim Amt für Justizvollzug beobachte man die Situation genau: "Fünf bis 10 Ausschaffungshäftlinge schicken die angebotenen Mahlzeiten zurück", sagt Rebecca de Silva, Mediensprecherin des Amts für Justizvollzug Kanton Zürich auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch. Von einem flächendeckenden Hungerstreik könne jedoch nicht die Rede sein.

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Rundmail 22.3.10

http://www.facebook.com/event.php?eid=111124715567635&ref=nf

PEACEFUL MASS DEMONSTRATION FOR THE WRONGFUL DEATH OF A NIGERIAN
Date: Friday, March 26, 2010
Time: 11:30am - 2:30pm
Location: BERN HOUSE OF PARLIAMENT IN BERN, SWITZERLAND.

DescriptionPLEASE JOIN NIGERIANS ON A PEACEFUL
DEMONSTRATION CONCERNING THE
WRONGFUL DEATH OF A NIGERIAN
DEPORTEE FROM ZURICH SWITZERL
AND ON MARCH 17, 2010.

This will be held in Bern, Switzerland
on Friday March 26, 2010
at Bern House of Parliament from 11:30 – 17:30.

Be sure to dress warm! PLEASE BE SURE
TO NOT BRING ITEMS THAT WOULD BE
MISCONSTRUED AS WEAPONS.

Please bring with you posters, banners, and
even Nigerian flags! There would be
NIGERIAN AMERICANS FLYING TO SWITZERLAND
for this demonstration; hence we are expecting
that most Nigerians living in UK, IRELAND,
AND/OR other EU nations SHALL join us.

NOW IS THE TIME FOR US TO COME
TOGETHER AS ONE [AND NOT AS SEPARATE
EVENTS] TO SAY WE HAVE HAD ENOUGH!

Please RSVP this event and invite Nigerian well wishers;
we thank you in advance for your participation!

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20 Minuten 22.3.10

Proteste nach Tod von Häftling

 ZÜRICH. Am Wochenende ist es zu mehreren Protestaktionen wegen des Todes eines Ausschaffungshäftlings gekommen. 150 Personen demonstrierten gestern vor dem Zürcher Ausschaffungsgefängnis beim Flughafen, und rund 500 Personen forderten am Samstag an einer Kundgebung in Zürich einen sofortigen Ausschaffungsstopp für Flüchtlinge. Die Insassen des Ausschaffungsgefängnisses Zürich seien in einen Hungerstreik getreten, meldete Tele Top gestern. Am Mittwoch letzter Woche war ein nigerianischer Ausschaffungshäftling (29) vor der Rückführung auf dem Flughafengelände gestorben.

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Bund 22.3.10

Ausschaffungen mit unabhängigen Beobachtern

 Bei Zwangsausschaffungen von abgewiesenen Asylbewerbern kommen bald unabhängige Beobachter zum Einsatz. Grund für die Änderung des Vorgehens ist nach Angaben des Bundes nicht der Tod eines Nigerianers in der vergangenen Woche in Kloten, sondern eine EU-Richtlinie. "Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft ein unabhängiger Beobachter bei einer zwangsweisen Rückführung dabei sein wird", bestätigte Jonas Montani, Sprecher des Bundesamts für Migration, eine Meldung der "NZZ am Sonntag". Dies sehe eine Richtlinie der EU vor, welche die Schweiz als Schengen-Staat übernehme. Solche Beobachter verlangt Amnesty International seit Längerem.

 Protestkundgebung in Zürich

 Rund 500 Personen haben am Samstag an einer Kundgebung in Zürich einen sofortigen Ausschaffungsstopp für Flüchtlinge gefordert. Eine Sprecherin der Menschenrechtsorganisation Augenauf fordert die "sofortige Schliessung der Ausschaffungsgefängnisse". Die Kundgebung sei friedlich und problemlos verlaufen, sagte ein Polizeisprecher. (sda)

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refugees-welcome.ch 21.3.10

AUSSCHAFFUNG IST MORD!

Heute Nachmittag sind etwa 150 Personen zum Ausschaffungsgefängnis beim Flughafen Kloten marschiert. Wir demonstrierten gegen die Ausschaffungen von Flüchtlingen, die in der Schweiz gestrandet sind.
Wieder ist am vergangenen Mittwoch bei einem Ausschaffungsversuch ein 29-jähriger Nigerianer ums Leben gekommen. Es sind noch keine genauen Angaben zu den Umständen, den Beteiligten und den Ursachen gemacht worden. Das entspricht der gängigen Informationspraxis der Behörden. Wir wissen, dass das Opfer mehrere Wochen im Hungerstreik war, nicht wie von offizieller Seite behauptet, erst ein paar Tage. Wir wissen, dass er gefesselt wurde und sich gewehrt hat, das Flugzeug zu besteigen. Wir gehen davon aus, dass das Opfer in der Folge der Zwangsmassnahme erstickt ist.
Wir lassen uns nicht abspeisen und ablenken von den angeblichen Straftaten des Opfers. Damit soll ihm die Schuld untergeschoben werden. Tatsache ist, dass er im Anschluss an die Entscheide des Migrationsamt, der angeordneten Ausschaffungshaft und die im Vollzug angewendeten Zwangsmassnahmen gestorben ist.
Daraus wird deutlich: Es ist das rechtliche System und der behördliche Vollzug, der für diesen Tod verantwortlich ist. Die Verantwortlichen werden versuchen, sich im Dickicht von Vollzugspflicht und Bagatellisierung zu verstecken, sich sogar erdreisten, ihr Bedauern über diesen tragischen Ausnahmefall zu bekunden. Doch wir sagen, dieser Tod war absehbar. Nicht als einzelner, aber als Konsequenz der bestehenden Logik, in der mit unerwünschten Migrantinnen und Migranten verfahren wird.
Es war der Staat, der diesen Tod verursacht hat. Wir wehren uns gegen die blinde Wut, den Rassismus und den Hass, der in diesem System wütet. Wir fordern die Abschaffung der Ausschaffungshaft, den sofortigen und dauerhaften Stopp von Ausschaffungen, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für alle.
 
AUSSCHAFFUNG IST FOLTER! AUSSCHAFFUNG IST MORD!
NO BORDER, NO NATION - STOP DEPORTATION!

"" mehr Fotos
http://www.refugees-welcome.ch/index.php?option=com_phocagallery&view=categories&Itemid=13&lang=de

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NZZ am Sonntag 21.3.10

Neutrale Beobachter bei Ausschaffungen

 Bund vollzieht Vorgabe der EU - Hilfswerke kritisieren späten Zeitpunkt der Umsetzung

 Das Bundesamt für Migration will bei Zwangsausschaffungen künftig unabhängige Beobachter zulassen. Noch immer unklar ist, wie auf dem Zürcher Flughafen ein Ausschaffungshäftling ums Leben kam.

 Lukas Häuptli

 "Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft ein unabhängiger Beobachter bei einer zwangsweisen Rückführung dabei sein wird", sagt Jonas Montani, Pressesprecher des Bundesamts für Migration (BfM), auf Anfrage. "Diese Neuerung ergibt sich, weil die Schweiz die sogenannte EU-Rückführungsrichtlinie übernimmt." Die Rückführungsrichtlinie war im Juni 2008 vom Europäischen Parlament verabschiedet worden und sieht unter anderem vor, dass alle Schengen-Staaten (zu denen die Schweiz seit Dezember 2008 gehört) "ein System zur Überwachung von Ausschaffungen" einrichten müssen. Noch ist allerdings unklar, wie das BfM diese Überwachung im Einzelnen ausgestalten und wann es sie genau einführen will.

 Todesursache unklar

 Nichtregierungsorganisationen wie die Schweizerische Flüchtlingshilfe oder Amnesty International fordern seit Jahren, dass neutrale Personen bei Zwangsausschaffungen dabei sein dürfen. "Dass das Bundesamt für Migration jetzt unabhängige Beobachter zulassen will, begrüssen wir", sagt Daniel Graf, Pressesprecher von Amnesty International Schweiz. "Allerdings stellt sich die Frage, weshalb das Bundesamt das nicht schon viel früher erlaubt hat. Womöglich hätte so der Todesfall vom letzten Mittwoch verhindert werden können."

 Am Mittwoch war auf dem Zürcher Flughafen ein 29-jähriger Nigerianer bei einer Zwangsausschaffung ums Leben gekommen. Die Umstände des Todesfalls sind noch immer unklar. "Wegen der laufenden Ermittlungen kann ich dazu zurzeit nichts sagen", hält Rainer Angst, Sprecher der Staatsanwaltschaft Zürich, fest. Sicher ist lediglich, dass sich der Mann vor seinem Tod mehrere Tage im Hungerstreik befand, dass er bei der Ausschaffung gefesselt war und ein Netz tragen musste, damit er nicht um sich spucken konnte. Daneben sind zahlreiche Fragen offen. Unklar ist etwa, ob der Mann vor seinem Tod medizinisch untersucht worden war. Das sieht das Zwangsanwendungsgesetz vor, "wenn eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann". Zudem steht nicht fest, wie viel Gewalt bei der Ausschaffung angewendet wurde und ob der Einsatz des Spuck-Netzes rechtmässig war. Das Gesetz verbietet Hilfsmittel, "welche die Atemwege beeinträchtigen können".

 Beim 29-jährigen Nigerianer soll es sich um einen Asylsuchenden mit einem sogenannten Nichteintretensentscheid (NEE) handeln. Ein NEE kommt einer sofortigen Ablehnung eines Asylgesuchs gleich. Der Verstorbene war offenbar kurz vor der Ausschaffung verhaftet und ins Ausschaffungsgefängnis Zürich Flughafen gebracht worden. Am Donnerstag hatte die Kantonspolizei mitgeteilt, der Mann sei "polizeilich wegen Drogenhandels verzeichnet" gewesen. Ob er wegen eines Drogendelikts rechtskräftig verurteilt worden war, wollten am Freitag allerdings weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft bekanntgeben. Der Staatsanwaltschafts-Sprecher Angst: "Abgesehen vom Gesundheitszustand spielt das Vorleben des Verstorbenen bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Rolle."

 Drei Tote bei Ausschaffungen

 Der Nigerianer hätte am Mittwochabend zusammen mit anderen Ausschaffungshäftlingen per Sonderflug in die nigerianische Hauptstadt Lagos ausgeschafft werden sollen. Sonderflüge werden bei Häftlingen eingesetzt, die sich vehement gegen eine Ausschaffung wehren. Das Bundesamt für Migration stoppte alle Zwangsausschaffungen unmittelbar nach dem Todesfall, bis dessen Umstände abgeklärt sind. In den letzten zehn Jahren sind bei zwangsweisen Rückführungen drei Personen ums Leben gekommen.

 Seit 2001 werden jedes Jahr zwischen rund 100 und 400 Ausschaffungshäftlinge per Sonderflug aus der Schweiz ausgeschafft, unter anderem nach Afrika, nach Kosovo und in die Türkei. Das BfM beziffert die Kosten einer Zwangsausschaffung auf knapp 10 000 Franken pro Person.

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Indymedia 20.3.10

Schon wieder müssen wir von einem Tod sprechen ::

AutorIn : Flyer         

Dieser Flyer zirkulierte an der heutigen Demonstration ("Gegen Ausgrenzung") unter Teilnehmern und Passanten gemeinsam mit jenem Flyer, der schon bei anderen Gelegenheiten verteilt wurde ("Bis die Welt der Papiere in Flammen aufgeht" -  http://ch.indymedia.org/de/2010/03/74254.shtml).     
    
Flyer
http://ch.indymedia.org/media/2010/03//74485.pdf

Schon wieder müssen wir von einem Tod sprechen, von einem Menschen, der durch die Zwänge und Gesetze der Herrschenden zu Fall gebracht wurde, ermordet vom Staat und seinen Haftanstalten, in den Händen von Bullen, Gefängniswärtern und Ihren Handlangern. Am Mittwochabend ist auf dem Flughafen Kloten ein 29-jähriger Nigerianer bei einem gewaltsamen Ausschaffungsversuch gestorben. Gewiss nicht der erste und wohl kaum der letzte Tod, den die Ausschaffungsmaschinerie fordert. Doch morgen Überschwappt uns schon wieder die alltägliche Informationsflut, worin tausend Belanglosigkeiten gleichgültig jene Meldungen verjagen, die uns vielleicht noch hätten aufrütteln können. Damit wir gar nicht erst darüber nachdenken, was hier eigentlich passiert, was mit dieser erdrückenden Scheisswelt eigentlich passiert, die schon so viele Menschen unter ihrem Joch in den Tod trieb. Ganz zu schweigen von der Leblosigkeit, die den gesamten Alltag durchdringt.

Nein, wir vergessen diese durch den "normalen" Verlauf des kapitalistischen Elends Zurückgelassenen nicht; auf dass sich die Wut in Revolte verwandelt; auf dass sie sich gegen alles wendet, was uns unterdrückt und einschliesst! Was die Medien sagen, interessiert uns einen Dreck. Es interessiert uns einen Dreck, ob dieser Mann kriminell war oder nicht, ob juristisch bewiesen werden kann, inwiefern zu seinem Tod aktiv beigetragen wurde (die Umstände sind ziemlich offensichtlich), oder ob es schlicht die Folgen einer auf wenige Quadratmeter reduzierten Existenz sind, die ihn letztendlich umgebracht haben. Es ist eine ganze Gesellschaftsordnung, die diesen Mann erstickt hat, es ist die akzeptierte Existenz von Ausschaffungen und Knästen, von Bullen und Funktionären, von Staaten und Grenzen. Nur zu gut sehen wir immer wieder, wie mit Leuten umgegangen wird, die nicht resignieren, die diesen bedrohlichen Drang nach Revolte verspühren, vor dem sich die Herrschenden so fürchten. Dieses ewige Potential mit ihrem Zugriff auf uns zu brechen, um die bestehenden Verhältnisse im Denken und im Handeln in Frage zu stellen.

Auch jener Ausschaffungshäftling gab sich seinem Schicksal nicht einfach hin, schon Tage zuvor trat er in Hungerstreik und noch während man ihn gefesselt ins Flugzeug zerren wollte, setzte er sich zur Wehr. Gesundheitlich geschwächt, in Fesseln liegend und umgeben von Bullen fand er den Tod. Die Vorstellung ist grausam und verächtlich...
Ja, in diesem klimatisierten Warenparadies der verallgemeinerten Belanglosigkeit:
Wir sind wütend!

Und gerade weil es hierzulande so fern scheint dies zu sagen, ist es umso notwendiger: Unter der heuchlerischen Oberfläche des sozialen Friedens schwelt ein rieg. Jener seit jeher andauernde Krieg zwischen den Eignern dieser Welt und denjenigen, die sie zu ertragen haben; zwischen den Reichen und Mächtigen, die ihre Privilegien zu verlieren haben, und den Armen und Unterdrückten, die, in einem Aufstand voller Wut und Liebe, alles zu gewinnen haben.

MÖGEN DIE AUSSCHAFFUNGSKNÄSTE GEMEINSAM MIT DER ORDNUNG, DIE SIE BENÖTIGT, IN UNSEREM MEER AUS VERACHTUNG UNTERGEHEN! FREIHEIT FÜR ALLE!

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Tagesschau 20.3.10

Aussschaffungspolitik

In Zürich haben etwa 700 Menschen gegen Unterdrückung und Ausgrenzung demonstriert. Die Demonstranten forderten einen Ausschaffungsstopp für Flüchtlinge.
http://videoportal.sf.tv/video?id=2200897f-94da-4972-af3f-af8c27c677df

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sf.tv.ch 20.3.10

Demonstration gegen die Aussschaffungspolitik

sf/hjw

 Einige Hundert Personen haben im Rahmen einer Demonstration gegen die "Repressions- und Ausgrenzungsmaschinerie" friedlich in der Zürcher Innenstadt demonstriert. Der Anlass erhielt durch den tragischen Tod eines nigerianischen Flüchtlings auf dem Zürcher Flughafen eine sehr aktuelle Komponente.

 Zu der Kundgebung aufgerufen hatten mehrere Organisationen, darunter das Kollektiv Bleiberecht Zürich und die Autonome Schule Zürich/Bildung für alle. Etwa 700 Personen, darunter auch einige aus dem sogenannten schwarzen Block folgten dem Aufruf und versammelten sich um 14 Uhr beim Landesmuseum.

 Aktueller Anlass

 Mit dem Tod des 29-jährigen Flüchtlings aus Nigeria am Abend des 17. März auf dem Zürcher Flughafen, erhielt die Demonstration einen aktuellen Anlass. Für die Veranstalter "ein Grund mehr, gemeinsam unseren Widerstand gegen Repression und Ausgrenzung auf die Strasse zu tragen", wie in einem Communiqué zu lesen ist. Der Vorfall auf dem Flughafen zeige einmal mehr "die Brutalität und Skrupellosigkeit der staatlichen Repressionsmaschinerie".

 Alle sollen bleiben dürfen

 Unter anderem forderten die Demonstranten einen sofortigen Ausschaffungsstopp, Schluss mit dem Nothilferegime und die kollektive Regularisierung alles Sans-Papiers mit einem Bleiberecht für alle. Die Schlusskundgebung der Demonstration fand ihren friedlichen Abschluss auf dem Helvetiaplatz statt.

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NZZ 20.3.10

Fragen nach Tod von Ausschaffungshäftling

 Medizinische Verantwortung im Fokus der staatsanwaltschaftlichen Abklärungen

 Wie sich die verweigerte Nahrungsaufnahme auf den Gesundheitszustand des am Mittwoch gestorbenen Ausschaffungshäftlings ausgewirkt hat, wird untersucht. Für die medizinische Betreuung ist der Kanton zuständig.

 -yr. ⋅ Pikanterweise war der neue Direktor des Bundesamts für Migration, Alain du Bois-Reymond, am Mittwochabend zugegen, als am Flughafen Zürich ein 29-jähriger Ausschaffungshäftling aus Nigeria tot zusammenbrach. Er habe sich ein Bild machen wollen über Zwangsausschaffungen, erklärte du Bois-Reymond gegenüber einzelnen Medien. In einem Fernsehinterview sagte er, nur gesunde Personen sollten ausgeschafft werden. Trotz dem Hungerstreik gehe er davon aus, dass der Nigerianer gesund gewesen sei. Dieser hatte seit einigen Tagen die Nahrungsaufnahme verweigert.

 Kanton Zürich zuständig

 Für die Abklärungen zum aussergewöhnlichen Todesfall ist Christian Philipp von der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland zuständig. Bis zum Vorliegen des Berichts des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich über die exakte Todesursache will sich der Staatsanwalt nicht äussern. Die Abklärung der medizinischen Verantwortlichkeit dürfte aber eine zentrale Stellung in den Ermittlungen einnehmen.

 Koordiniert werden die sogenannten Sonderflüge, die als letzte Stufe bei besonders renitenten Ausschaffungshäftlingen zur Anwendung kommen, vom Bundesamt für Migration. Es sammelt die Bedürfnisse der Kantone und organisiert die entsprechenden Flüge. Verantwortlich für die einzelnen Ausschaffungshäftlinge bleiben aber die zuständigen Kantone. Der verstorbene Nigerianer befand sich in der Obhut des Kantons Zürich.

 Laut Auskunft von Urs von Arb, dem Chef Rückkehr im Bundesamt für Migration, ist vorgesehen, dass die Auszuschaffenden an ihrem letzten Standort, zumeist in einem Ausschaffungsgefängnis, medizinisch kontrolliert werden. Im konkreten Fall handelte es sich um das Flughafengefängnis. Informationen über medizinische Unregelmässigkeiten, aber auch über Depressionen oder Suizidversuche werden an die Verantwortlichen des Sonderflugs weitergeleitet. Im Flugzeug wiederum ist neben den Polizisten aus den verschiedenen kantonalen Korps immer auch ein Arzt dabei. Dieser wird vom Bundesamt für Migration gestellt. Auf dem Flughafengelände selber hingegen, wo in einem Hangar die erforderlichen Zwangsmassnahmen für den Einstieg ins Flugzeug vorgenommen werden, ist laut von Arb keine reguläre medizinische Versorgung vorgesehen. Als sich am Mittwochabend der Gesundheitszustand des Nigerianers plötzlich rapide verschlechterte, wurde die Ambulanz des Flughafens zu Hilfe gerufen.

 Im Interview mit der "Aargauer Zeitung" sagte Amtsdirektor du Bois-Reymond, er habe nicht gesehen, wie der Häftling gestorben sei, auch habe er keine Gewalttätigkeiten feststellen können. Andere Quellen besagen, der später Verstorbene sei wegen seines besonders lauten und aggressiven Verhaltens von der übrigen Gruppe separiert worden. Es wurden ihm Hand- und Fussfesseln angelegt sowie ein Kopfschutz mit einer Art Bienennetz, wie es Imker tragen. Dieses sollte die Polizisten vor Spuckattacken schützen.

 Im vergangenen Jahr wurden laut Auskunft des Bundesamts für Migration 43 Sonderflüge mit insgesamt 360 Ausschaffungshäftlingen durchgeführt. In diesem Jahr waren es bis anhin 5 Flüge mit insgesamt 27 Personen. Bis die Todesursache geklärt ist, sind keine weiteren Sonderflüge geplant. Für die Charterflüge werden verschiedene Fluggesellschaften beauftragt, am Mittwoch war es Hello von Moritz Suter.

 Letztmals zu einem Todesfall bei einer Zwangsausschaffung war es 1999 gekommen. Damals erstickte ein 27-jähriger Palästinenser, als ihm der Mund mit einem Pflaster zugeklebt wurde. Der zuständige Arzt wurde später wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Hingegen wurden drei von der Staatsanwaltschaft ebenfalls angeklagte Polizisten aus dem Kanton Bern freigesprochen. Als Konsequenz des damaligen Vorfalls wurde die Mundknebelung verboten.

 Unabhängige Beobachter

 Wie Urs von Arb erläutert, soll die Forderung verschiedener Organisationen nach einer Anwesenheit unabhängiger Beobachter bei Zwangsausschaffungen Anfang nächsten Jahres umgesetzt werden. Dies geschehe aufgrund von verbindlichen Richtlinien der EU. Noch offen ist, welche Institutionen diese Funktion wahrnehmen werden. In Frage kommen etwa das Rote Kreuz oder kantonale Ombudsstellen.

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Zürichsee-Zeitung 20.3.10

Ausschaffungshaft

Der Amtschef war vor Ort

 Der Tod eines Ausschaffungshäftlings am Flughafen wird genau untersucht. Die Ergebnisse werden die Ausschaffungspraxis beeinflussen.

 Der Direktor des Bundesamts für Migration (BFM) war anwesend, als ein nigerianischer Ausschaffungshäftling am Mittwochabend auf dem Flughafen Zürich starb. Er habe dabei keine Gewalttätigkeiten der Polizei feststellen können, sagte Alard Du Bois-Reymond.

 In einem Interview in der "Mittelland-Zeitung" vom Freitag erklärte der BFM-Chef, seine Anwesenheit beim tragischen Tod des 29-Jährigen sei rein zufällig gewesen. Er habe sich "eine Zwangsausschaffung genau ansehen" wollen.

 Massnahmen eventuell anpassen

 "Ich habe nicht gesehen, wie der Häftling gestorben ist. Ich habe aber gesehen, wie sie die Leute, und auch den später Verstorbenen, gefesselt und für den Flug vorbereitet haben." Nur diese eine Person habe offenbar Probleme verursacht. Dann sei alles sehr schnell gegangen. Gleich vor Ort habe er zusammen mit dem Chef der Flughafenpolizei die ganze Ausschaffung gestoppt, sagte Du Bois-Reymond weiter. Dass der Ausschaffungshäftling möglicherweise durch seinen Hungerstreik geschwächt war, sei Spekulation. Das müssten die Staatsanwaltschaft und die Gerichtsmedizin jetzt genau abklären.

 Wenn nun die Untersuchungen zeigten, dass der Tod nicht durch die Fesselung an Händen und Füssen mit Manschetten verursacht wurde, werde man die Ausschaffungen wieder aufnehmen. "Dann wäre es einfach ein unglücklicher Unfall gewesen." Wenn sich aber zeige, dass der Tod als Folge der Zwangsmassnahmen eintrat, dann müssten diese Massnahmen angepasst werden. Sollten Fehler im Ablauf geschehen sein, werde das BFM die Weisungen zusammen mit der Polizei "so anpassen, dass solche tragischen Vorfälle nicht mehr passieren können".

 Keine schnellen Ergebnisse

 "10 vor 10" des Schweizer Fernsehens hatte am Donnerstagabend berichtet, dass der BFM-Chef bei der Ausschaffung vor Ort war. Die Polizei habe diese "sehr professionell gehandhabt", sagte er in der TV-Sendung. Trotz des Hungerstreiks gehe er "davon aus, dass die Person gesund war. Es sollte so sein, dass nur gesunde Personen ausgeschafft werden."

 Wie lange der Stopp für die Ausschaffung per Sonderflüge dauert, hänge davon ab, wie lange die Untersuchung des Todesfalls dauere, sagte Montani. Marcel Strebel, Chef der Informationsabteilung der Kantonspolizei Zürich, sagte gestern auf Anfrage, er rechne nicht mit einem schnellen Ergebnis. 2009 wurden laut BFM-Sprecher Montani 360 besonders renitente Personen in 43 Sonderflügen aus der Schweiz ausgeschafft. Zu den für 2010 geplanten Rückführungen auf Sonderflügen gebe es keine Zahlen. (sda

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Indymedia 19.3.10

"Lagebedingter Erstickungstod"

* Bleiberecht-Demo, 20.3., 14.00 Uhr beim Landesmuseum *

Gestern Abend: Abgewiesener Flüchtling stirbt durch "lagebedingten Erstickungstod" vor der Ausschaffung

Die Gruppe augenauf ist schockiert über den Tod eines Nigerianers, der am Abend des 17. März auf dem Zürcher Flughafengelände während der Zwangsausschaffung sein Leben lassen musste. Wie so oft wurde in den ersten Presseberichten als erstes das Bild eines kriminellen, renitenten Asylbewerbers und Drogendealers gezeichnet. Zwar steht in der offiziellen Bekanntgabe der Kantonspolizei, dass der 29 jährige Mann polizeilich lediglich wegen Drogenhandels "verzeichnet" - also nicht verurteilt gewesen sei. Aber der Bericht der KAPO und des Bundesamt für Migration zeigt einmal mehr auf - wie gezielt man ein Opfer zum Täter macht, um damit den gewaltsamen Tod eines afrikanischen Flüchtlings in den Hintergrund zu verdrängen.

augenauf weist seit Jahren darauf hin, dass bei Level 3 und 4 Zwangsausschaffungen polizeiliche Zwangsmassnahmen angewendet werden, die sehr schnell zum Tod eines Ausschaffungsgefangenen führen können und die leider auch billigend in Kauf genommen werden.

* Bereits am 3. März 1999 starb Khaled Abuzarifeh beim zweiten Ausschaffungsversuch. Auch dem 27-Jährigen Palästinenser waren Beruhigungsmittel verabreicht worden, um ihn dann gefesselt und mit Klebeband geknebelt in einem Rollstuhl festzuschnallen.
Er erlitt beim Transport zum Flugzeug eine Panikattacke und erstickte qualvoll. Im Prozess wurden die beteiligten Polizisten freigesprochen. Gegen den Arzt, der anstatt sofort die Atemwege frei zu machen und die Mundfesseln zu entfernen die Zeit mit Blutdruckmessen vergeudet hatte, wurde eine dreimonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt.

* Am 1. Mai 2001 erlag im Wallis der Nigerianer Samson Chukwu noch in der Ausschaffungshaft an den ihm von Beamten einer Anti-Terror-Einheit zugefügten Misshandlungen. Einer der Polizisten setzte sich auf den Oberkörper des am Boden liegenden Asylbewerbers und verdrehte die Arme auf den Rücken um ihm Handschellen anzulegen. Durch diese Lage bekam Samson Chukwu nicht genügend Luft und erstickte.
Der 27-Jährige starb noch in seiner Zelle an Positionsasphyxie - am lagebedingten Erstickungstod. Zu diesem Schluss kam auch die gerichtsmedizinische Untersuchung dieses Todesfalls im Walliser Ausschaffungszentrum von Granges. Das Ermittlungsverfahren gegen die beiden Polizisten wegen fahrlässiger Tötung wurde vom Untersuchungsrichter im Oktober 2001 eingestellt. Die Polizeibeamten hätten nicht wissen können, dass die von ihnen angewendeten Griffe gefährlich sein könnten, so die Begründung!

Seit 1991 sind im europäischen Raum weitere Flüchtlinge bei ihrer Ausschaffung durch massive Polizeigewalt getötet worden.

Erschreckende Beispiele sind hierfür die Fälle von Aamir Ageebs aus Deutschland, Marcus Omofuma aus Österreich, Joy Gardner aus Grossbritannien und Semira Adamu aus Belgien.

* Am 28. Juli 1993 erstickte die Jamaikanerin Joy Gardner in ihrer Wohnung, als sie zur Erzwingung ihrer Ausschaffung von fünf Polizisten und einem Beamten der Einwanderungsbehörde auf den Boden geschleudert, mit Handschellen und einem Ledergürtel gefesselt und bewegungsunfähig gemacht, sowie mit vier Meter Klebeband geknebelt wurde. Ihr fünfjähriger Sohn musste mit ansehen wie seine Mutter misshandelt wurde und qualvoll erstickte.

* Der 25-jährige Nigerianer Marcus Omofuma wurde am 1. Mai 1999 mit Handschellen und Klebeband gefesselt und geknebelt auf dem Wiener Flughafen an Bord eines Flugzeugs gebracht. Dort wurde er nochmals mit zehn Meter Klebeband an den Sitz fest angegurtet und festgeklebt.

*Hamid Bakiri, gab sich einen Tag vor der Ausschaffung im Gefängnis Chur selbst den Tod. Seine Angst vor der Rückkehr nach Algerien war zu gross, er musste in seinem Herkunftsland mit sofortiger Inhaftierung rechnen.

* Ein Mann aus Sierre Leone, wohnhaft gewesen in St. Gallen, starb nach einem 24-stündigen Hin-und-wieder-zurück-Flug einen qualvollen Tod im Zürcher Polizeigefängnis.

* Abdi Daud starb im März 2008 mangels medizinischer Betreuung nach mehreren Monaten Ausschaffungshaft in einem Zürcher Spital.

* Der 23 jährige sudanesische Flüchtling Aamir Ageeb starb am 28. Mai 1999 an Bord einer Lufthansa-Maschine von Frankfurt nach Khartum. Im Flugzeug wurden ihm noch zusätzlich zur Fesselung seine Beine an dem Sitz mit Klettband fixiert und man setzte ihm einen Motorradhelm auf.

* Der Tamile Arumugan Kanapathipillai kollabierte 1991 auf dem Pariser Flughafen Roissy infolge seiner Fesselung und Knebelung und verstarb kurze Zeit später in einem Krankenhaus. Gegen die Polizisten, die die Ausschaffung durchführten, wurde nie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

* Am 30. August 1994 erstickte in Deutschland der Nigerianer Kola Bankole an Bord einer Lufthansamaschine an einem Knebel. Dem Nigerianer waren zuvor Beruhigungsmittel gespritzt worden. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da die Staatsanwaltschaft meinte, die getroffenen Massnahmen hätten im Einklang mit den Gesetzen gestanden.

* Am 18. Dezember 2000 starb der Kameruner Christian Ecole Ebune in Ungarn nach einem gescheiterten Abschiebungsversuch. Der Pilot der Linienmaschine hatte sich geweigert, den an Händen und Füssen gefesselten und auf einem Gepäckwagen zum Flugzeug transportierten Kameruner mitzunehmen da er sich gegen seine Abschiebung wehrte. Zurück im Flughafengebäude soll der 31-Jährige von den Polizisten geschlagen worden sein und eine durch Panik und Stress ausgelöste tödliche Herzattacke erlitten haben.

* Am 30. Dezember 2002 starb in Frankreich der Argentinier Ricardo Barrientos, als die ihn begleitenden Beamten während des Fluges seinen Oberkörper zwischen seine Knie drückten und seine Hände hinter dem Rücken mit Handschellen fesselten, um seinen Widerstand gegen die Ausschaffung zu brechen.

* Keine drei Wochen später wurde ebenfalls in Frankreich der 24-jährige Somalier Mariame Getu Hagos auf die gleiche Weise gefesselt und verbogen wie Ricardo Barrientos. Dabei fiel er ins Koma und starb zwei Stunden nach seiner Einlieferung in ein Krankenhaus.


Wir verlangen nach wie vor:
- Sofortiger Ausschaffungsstopp
- Keine Zwangsausschaffungen
- Unabhängige Untersuchung gegen die betroffenen Ämter und Polizeien

Des weiteren:
- Kollektive Regularisierung der Sans-Papiers
- sofortige Umsetzung des Härtefallartikels und das Recht auf Familienzusammenführung
- Keine Ausschaffungsknäste - Bleiberecht für alle

DEMO: SAMSTAG 14:00 LANDESMUSEUM - KOMMT ALLE!!!!!!!!!!!!!!!

AutorIn: Mail-Leser

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Bund 19.3.10

Nach Tod am Flughafen fordern Hilfswerke mehr Kontrolle

 Die Ausschaffung endete für einen 29-jährigen Nigerianer tödlich. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

 René Donzé

 Ein 29-jähriger Nigerianer ist am Mittwochabend auf dem Flughafen Zürich verstorben. Er war eine von 16 Personen, die mit einem Sonderflug nach Nigeria ausgeflogen werden sollten. Wie die Kantonspolizei mitteilte, befand sich der Mann seit Tagen im Hungerstreik und widersetzte sich der Ausschaffung.

 Laut Polizeisprecher Marcel Strebel konnte er nur "unter Anwendung von Gewalt" gefesselt werden. "Er muss sich ziemlich stark gewehrt haben." Die Kantonspolizisten mussten den Mann daraufhin mit Kunststoffmanschetten und Kabelbindern an Händen und Füssen fesseln. Sie setzten ihm eine Art Boxer-Trainingshelm auf, um seinen Kopf zu schützen. Und sie stülpten ihm ein Netz über, weil er um sich spuckte.

 Kurz bevor die Polizisten mit ihrem Häftling das Gebäude verlassen wollten, stellten sie fest, dass er "nicht mehr richtig ansprechbar war", so Strebel. "Sein Zustand hat sich rapide verschlechtert." Ein Sanitäter versuchte, den Mann zu reanimieren - vergeblich: Er starb auf dem Flughafengelände. Die Todesursache ist noch unklar. Aufschlüsse soll eine Obduktion ergeben. Der Vorfall wird von der Staatsanwaltschaft untersucht. Das Bundesamt für Migration hat alle Sonderflüge bis auf Weiteres gestoppt.

 Regierungsrat wartet ab

 Menschenrechtsorganisationen haben scharf auf den Vorfall reagiert. Amnesty International fordert, dass der Zürcher Regierungsrat eine unabhängige Person einsetzt, welche die Untersuchung begleitet. "Es ist heikel, wenn die Staatsanwaltschaft gegen die Polizei ermittelt, mit der sie sonst eng zusammenarbeitet", sagt Amnesty-Sprecher Daniel Graf. Doch Justizdirektor Markus Notter (sp) und Polizeidirektor Hans Hollenstein (cvp) gehen auf die Forderung nicht ein. In einer gemeinsamen Mitteilung bedauern sie den Vorfall zwar, wollen aber die Untersuchung abwarten, bevor sie sich weiter dazu äussern.

 "Polizei geht an die Grenzen"

 Laut Daniel Graf werden bei Zwangsausschaffungen sehr oft Massnahmen eingesetzt, die Menschenleben gefährden. "Oft gehen Polizisten an die Grenzen oder darüber." Im Jahre 1999 erstickte auf dem Flughafen ein Palästinenser, dem die begleitenden Berner Kantonspolizisten den Mund mit Klebeband zugeklebt hatten. 2001 starb ein Nigerianer im Wallis an lagebedingter Erstickung: Ein Polizist hatte sich auf den liegenden Mann gesetzt und ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt.

 Unter anderem wegen dieser Vorfälle hat der Bund das Zwangsanwendungsgesetz erlassen. Es ist seit einem Jahr in Kraft. Für die Flüchtlingshilfe und für Amnesty bietet es zu wenig Schutz. Sie fordern, dass jede Zwangsausschaffung von einer unabhängigen Person begleitet wird. 2009 wurden 360 Personen mit Sonderflügen ausgeflogen. "Eine Begleitperson könnte den Polizisten helfen, in heiklen Fällen eine Ausschaffung abzubrechen", sagt Graf. Die Organisation Solidarité sans frontières will sogar, dass ganz auf Zwangsausschaffungen verzichtet wird, und hat für heute Freitag zu einer Kundgebung auf dem Bundesplatz aufgerufen.

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NZZ 19.3.10

Ausschaffungshäftling am Flughafen gestorben

 Nigerianer hat vor Sonderflug in die Heimat die Nahrungsaufnahme verweigert

 Nach dem Tod eines 29-jährigen Ausschaffungshäftlings am Flughafen Zürich sind die problembeladenen Sonderflüge bis auf weiteres gestoppt worden.

 -yr. ⋅ Am Mittwochabend ist auf dem Flughafen Zürich ein 29-jähriger Nigerianer kurz vor der zwangsweisen Ausschaffung in seine Heimat gestorben. Der Nigerianer hatte einige Tage vor dem Sonderflug die Nahrungsaufnahme verweigert. Laut Kantonspolizei versuchte er sich bis zuletzt der Ausschaffung zu widersetzen und konnte nur unter Anwendung von Gewalt gefesselt werden. Gecharterte Sonderflüge werden bei Ausschaffungen als letzte von vier Stufen bei besonders renitenten Häftlingen angewendet.

 Welche Zwangsmittel bei einem Sonderflug eingesetzt werden dürfen, ist im Zwangsanwendungsgesetz geregelt. Seit dem Erstickungstod eines Palästinensers 1999, ebenfalls am Flughafen Zürich, ist die Mundknebelung nicht mehr erlaubt. Nachdem 2001 im Kanton Wallis ein nigerianischer Ausschaffungshäftling wegen lagebedingter Erstickung starb, ist die Bauchlage bei der Fesselung untersagt. Beim aktuellen Todesfall vom Mittwochabend wurde der Nigerianer laut Auskunft der Kantonspolizei mit Manschetten an Händen und Füssen gefesselt. Zudem wurde ihm zum Schutz vor Selbstverletzungen ein Kopfschutz aufgesetzt. Die Manschetten wurden wieder gelöst, als der Ausschaffungshäftling plötzlich gesundheitliche Probleme zeigte. Er sei von Sanitätern sofort reanimiert worden, starb aber wenig später noch auf dem Flughafengelände. Die genaue Todesursache wird vom Zürcher Institut für Rechtsmedizin abgeklärt.

 Marcel Strebel, Kommunikationschef der Kantonspolizei, bedauert den tragischen Vorfall, der alle Beteiligten sehr betroffen mache. Bei einem Sonderflug stehen pro Ausschaffungshäftling mindestens zwei Polizisten aus verschiedenen Korps im Einsatz. Insgesamt belaufen sich die Kosten für eine solche Ausschaffung auf gegen 10 000 Franken. Mit dem Charterflug nach Lagos hätten am Mittwoch 16 Nigerianer in ihre Heimat zurückgeführt werden sollen. Nach dem Todesfall wurde der Flug abgesagt, bis auf weiteres sind sämtliche Sonderflüge gestoppt worden.

 Bei einem solchen Sonderflug wurden im vergangenen November die mitfliegenden Polizisten in Lagos von Ausschaffungshäftlingen attackiert, nachdem ihnen die Fesselung abgenommen worden war. Erst nigerianische Sicherheitskräfte brachten die Situation unter Kontrolle. Dass es mit Nigerianern gehäuft Schwierigkeiten gibt, führt Urs von Arb, Chef Rückkehr im Bundesamt für Migration, darauf zurück, dass es sich oft um Kleinkriminelle mit einem schwierigen Umfeld handle. Der Verstorbene war 2005 in die Schweiz eingereist, auf sein Asylgesuch wurde nicht eingetreten. Laut Kantonspolizei war er wegen Drogenhandels vorbestraft.

 In einer Stellungnahme fordert Amnesty International, Zwangsausschaffungen müssten von unabhängigen Beobachtern begleitet werden. Zudem verlangt die Menschenrechtsorganisation eine unabhängige Untersuchung des Todesfalls. Die eingeleitete Untersuchung wird von der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland geführt. Nach dem Todesfall von 1999 war ein Arzt, der bei der Ausschaffung Dienst gehabt hatte, wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden.

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Aargauer Zeitung 19.3.10

"Ich habe die Ausschaffung sofort gestoppt"

 Chef des Bundesamtes für Migration war beim Tod des Nigerianers dabei

 Niklaus Ramseyer

 Herr Du Bois-Reymond, Sie waren dabei, als es auf dem Flughafen Zürich zum tragischen Tod eines Ausschaffungshäftlings kam. Weshalb waren Sie da?

 Alard Du Bois-Reymond: Es war rein zufällig. Im Rahmen der Einführung in meine Arbeit als Direktor des zuständigen Bundesamtes wollte ich mir an diesem Tag in Begleitung des Chefs der Flughafenpolizei eine Zwangsausschaffung genau ansehen.

 Und was ist dann genau passiert?

 Du Bois: Ich habe nicht gesehen, wie der Häftling gestorben ist. Ich habe aber gesehen, wie sie die Leute - und auch den später Verstorbenen - gefesselt und für den Flug vorbereitet haben.

 War das eine brutale Szene?

 Du Bois: Nein, es war eigentlich sehr ruhig. Nur diese eine Person verursachte offenbar Probleme. Aber ich konnte keine Gewalttätigkeiten feststellen.

 Und wie kam es dann zum tragischen Tod?

 Du Bois: Das war sehr überraschend. Plötzlich stellte man fest, dass es dem Mann offenbar schlecht ging. Sein Puls wurde schwach. Die zuvor schon alarmierte Ambulanz kam. Aber es war schon zu spät. Es ist alles sehr schnell gegangen.

 Spielte die Tatsache mit eine Rolle, dass der Häftling durch seinen Hungerstreik schon geschwächt war?

 Du Bois: Das sind Spekulationen. Das kann mit ein Grund gewesen sein. Aber das müssen die Staatsanwaltschaft und die Gerichtsmedizin jetzt genau abklären.

 Und Sie haben dann gleich vor Ort sofort die ganze Ausschaffung gestoppt?

 Du Bois: Ja. Die Leute waren ja schon im Flugzeug. Und zusammen mit dem Polizeikommandanten haben wir entschieden, dass die Operation unter diesen Umständen sofort abgebrochen wird.

 Und was passiert jetzt, bevor die Ausschaffungen wieder weitergehen?

 Du Bois: Es gibt zwei Möglichkeiten. Wenn die Untersuchungen zeigen, dass dieser tragische Tod nicht durch die Zwangsmassnahmen verursacht worden ist, werden wir diese Ausschaffungen wieder aufnehmen. Dann wäre es einfach ein unglücklicher Unfall gewesen.

 Aber der Mann ist ja während der Zwangsausschaffung gestorben.

 Du Bois: Wenn es sich aber herausstellt, dass der Tod des Häftlings als Folge der Zwangsmassnahmen eingetreten ist, dann müssen diese Massnahmen angepasst werden. Sollten Fehler im Ablauf geschehen sein, werden wir die entsprechenden Weisungen zusammen mit der Polizei so anpassen, dass solche tragischen Vorfälle nicht mehr passieren können.

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 Tod bei Ausschaffung

 Ein 29-jähriger Nigerianer ist gestern kurz vor der Ausschaffung auf dem Flughafen Zürich gestorben. Er hatte sich offenbar in einem Hungerstreik befunden. Der Mann habe nur unter Anwendung von Gewalt gefesselt werden können. Kurze Zeit später habe er plötzlich gesundheitliche Probleme gezeigt, worauf die Fesseln gelöst worden seien. Trotz Reanimationsmassnahmen verstarb er. (sda)

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Indymedia 19.3.10

ORS - scheiben kaputt ::

AutorIn : Tod im Transit         

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, ein Tag nach dem Tod eines Ausschaffungshäftlings in Kloten, sind ca. 5 Fenster beim Hauptbüro der ORS (Privatfirma und Verwalterin des Transit-Gefängnisses) zerschlagen worden.     

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10vor10 18.3.10

Todesfall bei der Ausschaffung

Kurz bevor er die Schweiz hätte verlassen müssen, ist ein 29-jähriger Nigerianer gestorben. Er soll die Nahrungsaufnahme seit einigen Tagen verweigert haben. Er starb, als die Polizei ihn gestern für die Ausschaffung zum Flugzeug bringen wollte. "10vor10" geht der Frage nach, was bei der geplanten Ausschaffung genau passiert ist.
http://videoportal.sf.tv/video?id=227f60b8-22fd-45f6-afe5-bb581a2ffe02

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News-Clip (20.28) 18.3.10

BFM-Direktor zu Tod des Ausschaffungshäftlings

Ein Ausschaffungshäftling ist am Mittwochabend am Flughafen Zürich kurz vor dem Start eines Sonderfluges ins nigerianische Lagos verstorben. Just an diesem Abend wollte sich der Direktor des Bundesamtes für Migration (BFM), Alard Du Bois-Reymond, ein Bild davon machen, wie Zwangsausschaffungen ausgeführt werden. Warum der 29-jährige Nigerianer starb, kann aber auch er sich nicht erklären, wie "10vor10" berichtet.
http://videoportal.sf.tv/video?id=283819dc-5345-418e-bdd9-926ae74e4e06

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Tagesschau (19.30) 18.3.10

29-Jähriger stirbt bei Ausschaffung - vor den Augen des BFM-Direktors

Ein nigerianischer Ausschaffungshäftling ist am Zürcher Flughafen gestorben. Offenbar hatte er versucht, sich mit Gewalt seiner Ausschaffung zu widersetzen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=df667fa2-f726-4674-94d2-09447a4fd41d

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Schweiz aktuell 18.3.10

29-Jähriger stirbt bei Ausschaffung - vor den Augen des BFM-Direktors

Ein 29-jähriger Nigerianer ist kurz vor der Ausschaffung auf dem Flughafen Zürich gestorben. Er hatte sich offenbar im Hungerstreik befunden.
http://videoportal.sf.tv/video?id=c9e8e2bf-676f-4289-b40d-0eba863c70ed

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Blick am Abend 18.3.10

Asylbewerber tot bei Ausschaffung

 HUNGERSTREIK

 Nigerianer stirbt am Flughafen Kloten - Bund stoppt Ausschaffungen.

 Drama um einen abgewiesenen Asylbewerber: Der 29-Jährige wehrte sich gestern gegen seine Ausschaffung nach Lagos. Mit Hungerstreik und renitentem Verhalten. Jetzt ist er tot. Was ist passiert?

 Der wegen Drogendelikten polizeilich bekannte Nigerianer habe mehrere Tage nichts mehr gegessen, sagte die Polizei. Als ihn die Beamten gestern gewaltsam fesselten, hatte er plötzlich "gesundheitliche Probleme". Die Sanität konnte den Nigerianer nicht mehr retten: Er starb kurz darauf auf dem Gelände des Zürcher Flughafens.

 Wegen des Todesfalls hat das Bundesamt für Migration jetzt alle Sonderflüge zur Ausschaffung von abgewiesenen Asylsuchenden per sofort gestoppt. Manbedaure den "Vorfall", heisst es in einer Mitteilung.

 Bei den sogenannten Sonderflügen werden die Asylsuchenden, die sich früheren Rückführungen widersetzt haben, in ihr Heimatland gebracht. Dabei ist es üblich, dass die Menschen gefesselt werden. Zu ihrer eigenen Sicherheit, so die Polizei. Rechtsmediziner sollen nun die Todesursache ermitteln. noo

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Tagesschau (13.00) 18.3.10

Ein nigerianischer Ausschaffungshäfling ist am Zürcher Flughafen gestorben. Offenbar hatte er während Tagen versucht, durch einen Hungerstreik seine Ausschaffung zu verhindern.
http://videoportal.sf.tv/video?id=c73c0b2e-c0f4-4fe7-9742-e92b2ec524b9

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kapo.zh.ch 18.3.10

Zürich-Flughafen: Ausschaffungshäftling verstorben

Ein Ausschaffungshäftling ist am Mittwochabend (17.3.2010) im Flughafen Zürich kurz vor dem Start des Sonderfluges nach Lagos/Nigeria verstorben. Der 29-Jährige, auf dessen Asylgesuch das Bundesamt für Migration nicht eingetreten war, hatte nach bisherigen Erkenntnissen seit einigen Tagen die Nahrungsaufnahme verweigert und versuchte sich der Ausschaffung zu widersetzen. Er konnte nur unter Anwendung von Gewalt gefesselt werden. Kurze Zeit später zeigte er plötzlich gesundheitliche Probleme, worauf die Fesseln gelöst wurden und das Begleiterteam und die sofort beigezogene Sanität Reanimationsmassnahmen einleiteten. Trotzdem verstarb er wenig später auf dem Flughafengelände.

Der 29-jährige Nigerianer, der polizeilich wegen Drogenhandels verzeichnet war, sollte am Mittwochabend zusammen mit weiteren 15 Ausschaffungshäftlingen mit einem Sonderflug nach Nigeria ausgeschafft werden. Mit Sonderflügen werden diejenigen Auszuschaffenden zurückgeführt, die sich früheren Rückführungen widersetzt haben. Zur Gewährleistung der Sicherheit werden die Rückzuführenden auf diesen Sonderflügen gefesselt.

Wegen des Todesfalls wurde in Absprache mit dem Bundesamt für Migration auf die Durchführung des Sonderflugs verzichtet und die anderen Ausschaffungshäftlinge in die einzelnen Kantone zurückgeführt.

Die Umstände des Todes werden durch die zuständige Staatsanwaltschaft untersucht. Für die Abklärung der Todesursache wurde das Institut für Rechtsmedizin beigezogen.

Kantonspolizei Zürich
Chef Informationsabteilung / Tel. 044 247 36 36
Marcel Strebel

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SANDKASTEN
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Sonntag 21.3.10

Armeechef Blattmann sieht Demonstranten als Bedrohung

 Seine Folienpräsentation schürt die Befürchtung, er wolle die Armee gegen Kundgebungen einsetzen

 Bern Offenbar erwägt Armeechef André Blattmann, die Armee auch gegen Demonstranten in der Schweiz einzusetzen. Diese Befürchtung hat er bei Politikern mit einer Folie geweckt, die er kürzlich in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats präsentierte. Unter dem Titel "Bedrohungen/Risiken für die Schweiz" zeigte Blattmann acht Fotos - darunter eines, auf dem ein Demonstrationszug durch die Berner Innenstadt zu sehen ist. Das Transparent, das die Kundgebungsteilnehmer tragen, trägt die Aufschrift "Für die soziale Revolution".

 Blattmanns Absicht, die Armee gegen Demos einzusetzen, sei "völlig unhaltbar", sagen sowohl SP-Nationalrätin Evi Allemann als auch der grüne Nationalrat Jo Lang. Seit den blutigen Armee-Einsätzen gegen streikende Arbeiter und Demonstranten in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts seien derartige Einsätze "tabu", findet Allemann. Ihr Parteikollege Max Chopard hat letzte Woche eine Motion eingereicht, in der er den Bundesrat auffordert, die noch bestehende Rechtsgrundlage für solche Einsätze aufzuheben.

 Blattmann, der letzte Woche bereits mit seiner Europa-Gefahrenkarte für Aufregung gesorgt hatte, äusserte sich vor der Kommission nicht direkt zum Demo-Foto. Zu den entstandenen Befürchtungen mag er keine Stellung beziehen. Sein Sprecher sagt, er könne den Eindruck, die Armee solle auch gegen Demos eingesetzt werden, "weder bestätigen noch dementieren".

 Andreas Windlinger

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Sonntag 21.3.10

Armeechef zeigt Bedrohungs-Foto mit Demonstranten

 André Blattmanns Folien-Präsentation enthält heikles Bild

Von Othmar von Matt

 Die umstrittene Folienpräsentation von Armeechef André Blattmann vor der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) enthält nicht nur eine Gefährdungskarte von Europa - sondern auch ein brisantes Foto, auf dem zivile Demonstranten bei einer Manifestation in Bern zu sehen sind.

 Demonstranten als Bedrohung, die zu einem Armee-Einsatz führen könnte? Der SiK-Vizepräsident und Aargauer SP-Nationalrat Max Chopard ist alarmiert. Das Demo-Bild beweise, dass offenbar noch immer Szenarien entwickelt würden, die Armee im Falle sozialer Unruhen im Innern einzusetzen. Chopard: "Dieses Szenario erinnert mich an die 30er-Jahre, ist historisch schwer belastet und hat mit der Realität von 2010 gar nichts zu tun." Da tauche das alte "Feindbild des Zivilen auf - die Armee gegen Zivile". Weder Blattmann noch Verteidigungsminister Ueli Maurer wollten sich zum zivilen Bedrohungsszenario äussern.

 Max Chopard hat inzwischen eine Motion eingereicht, mit der er Ordnungsdienst-Einsätze der Armee gegen die Zivilbevölkerung in Friedenszeiten verbieten will. "Der Bundesrat wird eingeladen, die Rechtsgrundlagen so anzupassen", steht im Vorstoss, "dass der bewaffnete Einsatz der Armee gegen die eigene Bevölkerung in der Schweiz ausgeschlossen ist." Chopard: "Der Einsatz in Friedenszeiten gegen die eigene Bevölkerung ist ein alter Zopf, der abgeschnitten gehört. Das ist Aufgabe der Polizei. Sie kennt die Gefahren der Eskalation, weiss, wie sie damit umgehen muss und ist professionell ausgerüstet."

 Gemäss zwei Quellen hat Bundesrat Maurer seinem Armeechef einen Maulkorb erteilt. Blattmann ist aber nicht gefährdet.
> Seite 5

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Demo-Verbot für Armee?

 Ein Berner Demo-Bild auf der Risiko-Präsentation von Armeechef André Blattmann erregt die Gemüter

von Othmar von Matt

 Ein Demo-Bild auf Armeechef Blattmanns Risiko-Präsentation weckt alte Ängste. SiK-Vizepräsident Max Chopard (SP) will nun Armee-Einsätze gegen die Zivilbevölkerung in Friedenszeiten verbieten lassen.

 Als André Blattmann der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) des Nationalrats seine umstrittene Risiko-Folien präsentierte, stockte linken Sicherheitspolitikern der Atem. Links der umstrittenen Europa-karte waren acht Bilder zu sehen, die in vier Kategorien die Gefahren visualisieren, welche Blattmann ausmacht: Kriege, Terrorismus, Wirtschaftskrise und soziale Unruhen.

 Es war das Bild mit einem Demonstrationszug, das den Linken ins Auge stach. Er marschiert in Bern am Zytglogge vorbei die Kramgasse Richtung Bärengraben hinunter. Um welche Demo es sich handelt, bleibt unklar. Das Bild ist zu klein. Vielleicht um eine 1.-Mai-Demo, vielleicht um einen antifaschistischen Spaziergang, vielleicht um die unbewilligte Gegendemo zum SVP-Wahlaufmarsch vom 6. Oktober 2007. Das VBS will nichts sagen. "Zum Foliensatz äussern wir uns in keiner Form", sagt Christian Burri vom Bereich Verteidigung. "Dieses Szenario erinnert mich an die 30er-Jahre, ist geschichtlich schwer belastet und hat mit der Realität von 2010 gar nichts zu tun", sagt SP-Nationalrat Max Chopard. Da tauche erneut das alte Feindbild des Zivilen auf - "die Armee gegen Zivile".

 Dagegen kämpft Chopard nun mit einer Motion entschieden an. "Der Bundesrat wird eingeladen, die Rechtsgrundlagen so anzupassen", steht in der Motion, "dass der bewaffnete Einsatz der Armee gegen die eigene Bevölkerung in der Schweiz ausgeschlossen ist." Das Demo-Bild beweise, dass offenbar noch immer Szenarien entwickelt würden, die Armee im Falle sozialer Unruhen im Innern einzusetzen. Die Vorstellung sei "unerträglich", dass Schweizer Soldaten gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt würden und dabei sogar von der Schusswaffe Gebrauch machen könnten. Chopard: "Das wäre ein unglaubliches Drama für ein demokratisches Land mit einer Milizarmee." Deshalb will er das Militärgesetz ändern, das in Artikel 1 (durch die Bundesversammlung) oder in Artikel 77 (dringlich durch den Bundesrat) den bewaffneten Einsatz der Armee im Ordnungsdienst nach wie vor zulässt. Chopard: "Diesen alten Zopf gilt es abzuschneiden." Die Milizarmee sei damit überfordert, "das Risiko eines Desasters ist zu gross".

 Die Schweiz hat eine leidvolle Geschichte im Einsatz der Armee im Ordnungsdienst gegen die Zivilbevölkerung. 45 Tote gab es zwischen 1848 und 1995, wie ein Vortrag von Juri Jaquemet aufzeigt, Historiker und Doktorand an der Uni Bern. In schlechter Erinnerung ist vor allem der Einsatz der Armee im Landesstreik von 1918 (drei Tote). Doch zu einem eigentlichen Desaster war es am 9. November 1932 gekommen: Für eine Arbeiterdemonstration gegen Rechtsextremismus forderte der Kanton Genf die Armee an. Diese entsandte eine Rekrutenschule. Die Rekruten verloren die Nerven, schossen in die Menge. Die traurige Bilanz: 13 Tote, 65 Verletzte.

 Bilder, die Chopard nie wieder sehen will. Genau so, wie auch sein verstorbener Vater. Alt Nationalrat Max Chopard hatte Armee-Einsätze gegen Zivile schon 1984 zu verbieten versucht. Mit einer parlamentarischen Initiative.

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NEONAZIS
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Sonntag 21.3.10

Denunziation ging daneben

 Ein angeblich rechtsextremer Roche-Lehrling kommt mit einem Verweis seines Arbeitgebers davon

Von Bojan Stula

 Weil er von linksautonomen Kreisen als Neonazi denunziert wurde, führte die Roche bei einem 18-jährigen Chemielaboranten-Lehrling aus Bad Säckingen eine umfassende Untersuchung durch.

 Als Neonazi blossgestellt wurde der 18-jährige Roche-Lehrling Christoph R.* von linksautonomen Aktivisten der Freiburger "Antifa" (siehe "Sonntag bz" vom 21.Februar). Dazu gingen anonym versandte Warn-Mails an seinen Arbeitgeber, seine Eltern und einen Klassenkollegen an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel ein. Ziel dieser Kampagne war es, die angeblichen Umtriebe des äusserlich unscheinbaren Bad Säckingers in der Kameradschaft "Sturm Hochrhein" an die Öffentlichkeit zu zerren - ein typisches Vorgehen im derzeit eskalierenden Konflikt zwischen Links- und Rechtsextremen im südbadischen Raum.

 Die Roche und die Allgemeine Gewerbeschule Basel (AGS) haben diese Hinweise ernst genommen und - im Fall der Roche - eine "umfassende Untersuchung" durchgeführt, wie Mediensprecherin Martina Rupp bestätigt. Auch AGS-Rektor Hans-Ruedi Hartmann nahm sich persönlich dieser Geschichte an. Christoph R. soll sich laut "Antifa" in rechtsextremen Foren damit gebrüstet haben, in der Roche die Bombenherstellung aus Chemikalien zu erlernen und vom Schulcomputer aus auf Neonazi-Seiten im Internet zu surfen.

 "Fast alle Vorwürfe sind falsch", sagt Roche-Sprecherin Rupp nach Abschluss der Untersuchung. Zudem könne ein Roche-Laborant nach Feierabend nicht einfach mit gefährlichen Chemikalien unter dem Arm aus dem Betrieb spazieren. Völlig ungeschoren kommt der 18-jährige Lehrling trotzdem nicht davon: Da die Überprüfung seines Computers ergeben habe, dass Christoph R. übermässig viel Arbeitszeit für den privaten Computergebrauch abzweigte, erhält er von der Roche eine offizielle Verwarnung. Sein Lehrvertrag wird dennoch weitergeführt. "Der Betroffene hat sich bei der Untersuchung sehr offen und kooperativ gezeigt", sagt Rupp, "zudem sind seine Lehrlingsleistungen gut".

 Dass es sich bei Christoph R. tatsächlich um einen potenziell gefährlichen Neonazi handelt, hält auch Gewerbeschule-Rektor Hans-Ruedi Hartmann für unwahrscheinlich: "Die Schulleistungen und sein Verhalten in der Klasse sind unauffällig. Während der Schulzeit hat er vom Schulcomputer aus nichts gemacht." Das Thema will der frühere Spitzenhandballer dennoch im Auge behalten; sowohl was die Person von Christoph R. angeht als auch die allgemeine Bedrohungssituation an seiner Schule. "Das Bedrohungsmanagement an Schulen hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich gewandelt", sagt Hartmann. Niemand wolle sich heutzutage den Vorwurf gefallen lassen, vor einer potenziellen Gefahr wie Amokläufern oder Gewalttätern zu lange die Augen verschlossen zu haben. Unabhängig vom Vorfall mit Christoph R. wird sich die AGS-Lehrerschaft demnächst im Rahmen einer dreitägigen Lehrerfortbildung mit dem Themenkomplex "Bedrohung und Sicherheit" auseinandersetzen.

 Was hingegen den illegalen Gebrauch von Schulcomputern angeht, sieht der AGS-Rektor keine rasche Patentlösung. Das schuleigene WLAN-Netz und die Internetanschlüsse im Schülerraum seien in den Pausen nur schwer kontrollierbar. "Die Jungen sind in solchen Dingen derart versiert, dass sie Kontrollmechanismen wohl problemlos aushebeln können."

 Damit ist der vermeintliche Neonazi Christoph R. wesentlich glimpflicher davon gekommen als der Vorsitzende der Basler Pnos Philippe Eglin, dem im vergangenen November wegen rechtsradikaler Aktivitäten bei Novartis gekündigt wurde. Ärgern wird das in erster Linie die "Antifa"-Bewegung, die sich sehr viel auf den Wahrheitsgehalt ihrer Neonazi-Entlarvungen einbildet. Um an ihre Informationen zu gelangen, hacken sich die Breisgauer Linksautonomen illegal in Computer von Besuchern rechtsradikaler Interseiten ein. Wie selektiv aber die Wahrnehmung der Linksautonomen sein kann, beweist die Berichterstattung über die jüngste Basler Anti-WEF-Demonstration auf der "Antifa"-eigenen Homepage: Die vom linksradikalen "Schwarzen Block" verursachten Schäden am Gebäude der Basler Kantonalbank werden mit keinem Wort erwähnt.

 *Name geändert

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BIG BROTHER
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Sonntag 21.3.10

"Der Bund kann nicht tun und lassen, was ihm gefällt"

 Der Basler FDP-Nationalrat Peter Malama fordert vom Bund, bei der inneren Sicherheit die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen endlich klar zu regeln

Von Daniel Ballmer

 Das Bundesamt für Polizei will mehr Kompetenzen: Bürger sollen an öffentlichen Orten gefilmt, abgehört oder kontrolliert werden dürfen - bevor ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird, und bevor es zum ordentlichen Strafverfahren kommt. Das neue Polizeigesetz wurde in der nun abgeschlossenen Vernehmlassung zerpflückt. Befürchtet wird ein eigentlicher Angriff auf die Grundrechte. Die wachsende Zentralisierung der Polizeigewalt stehe im klaren Widerspruch zur revidierten Bundesverfassung. Gleich grundsätzlich über die Bücher bei der Inneren Sicherheit will der Basler FDP-Nationalrat Peter Malama. Per Postulat fordert er den Bundesrat auf, die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen zu klären.

 Herr Malama, steht es so schlecht um die innere Sicherheit, dass der Bundesrat grundlegend über die Bücher muss?

 Peter Malama: Sicher, die innere Sicherheit unseres Landes ist zurzeit gewährleistet. Das System zur Gewährleistung der inneren Sicherheit der Schweiz stammt aber in seinen wesentlichen Teilen aus der ersten Bundesverfassung von 1848. Damals wie heute unterscheidet die Verfassung zwischen äusserer und innerer Sicherheit. Den Schutz der inneren Sicherheit weist sie primär den Kantonen zu, jenen der äusseren Sicherheit dem Bund. In den letzten 160 Jahren hat sich die Welt aber deutlich verändert und mit ihr auch die Bedrohungsformen. Es ist daher notwendig, die geltende Kompetenzordnung von Grund auf zu überdenken.

 Der Bund will die Polizeigewalt zentralisieren. Das ist für die Kantone doch begrüssenswert. Sie könnten Kosten sparen.

 Nach heutigem Recht ist die innere Sicherheit primär Sache der Kantone. Sollte man dem Bund hier mehr Kompetenzen zugestehen, muss das in der Bundesverfassung klar geregelt werden. Der Bund kann nicht tun und lassen, was ihm gefällt. So sehen es die Regeln unseres liberalen Rechtsstaates vor. Gerade in einem so sensiblen Bereich wie der inneren Sicherheit, die letztlich dem Schutz unser aller Freiheit dient, darf das Recht nicht aus Kostengründen gebogen, darf die Verfassung nicht "geritzt" werden.

 Welche Nachteile befürchten Sie?

 Reisst der Bund Aufgaben ohne Verfassungsgrundlage an sich, so ist dies rechtlich schlicht unzulässig.

 An welchen konkreten Schnittstellen treten heute Probleme auf?

 Zu nennen sind etwa Massnahmen gegen Hooliganismus, die Gestaltung der Sicherheitsdienste, des öffentlichen Verkehrs oder die Erfüllung von Aufgaben zum Schutz der inneren Ordnung durch die Armee. Es gäbe noch zahlreiche weitere Bereiche wie das Vorgehen gegen die organisierte Kriminalität, die Auslagerung hoheitlicher Sicherheits- und Polizeiaufgaben an Private, die Organisation des Staatsschutzes in Bund und Kantonen oder der Schutz von Grossanlässen und internationalen Konferenzen, in denen aufgrund der heute geltenden Kompetenzordnung Unklarheiten und Probleme auftreten. Teilweise ist es sachlich falsch, den Kantonen Aufgaben aufzubürden, die diese von Anfang an überfordern; so etwa bei der Internetkriminalität.

 Kantonale Korps sind heute teilweise überlastet. Über Konkordate werden zu Anlässen Polizisten aus verschiedenen Kantonen zusammengezogen. Warum also muss jeder Kanton überhaupt ein umfassendes Polizeikorps führen?

 Tatsächlich stossen die kantonalen Polizeikorps vor allem in personeller Hinsicht vermehrt an ihre Grenzen. Schon in eigentlich alltäglichen Situationen - etwa bei Fussballspielen oder grösseren Veranstaltungen - muss auf Polizisten aus anderen Kantonen zurückgegriffen werden. An Anlässen wie dem jährlichen WEF stehen neben der Kantonspolizei Graubünden und den Polizeikonkordaten sogar die Armee sowie ausländische Polizisten im Einsatz. Gerade ein Einsatz der Armee im Innern ist aber in unserer Verfassung nur für Notfälle vorgesehen. Zudem hat ein Miliz-Soldat, der WK leistet, niemals eine auch nur annähernd so gute polizeiliche Ausbildung wie ein Kantonspolizist. Die Frage nach der Notwendigkeit von 26 kantonalen Polizeikorps könnte im Rahmen einer Klärung der Kompetenzen im Bereich der inneren Sicherheit bestimmt gestellt werden. Für eine Antwort ist es jetzt aber noch zu früh.

 Wo könnte eine Bundespolizei die Kantone entlasten?

 Die Bundespolizei verfolgt schon heute spezielle Delikte wie etwa Sprengstoffvergehen. Das ist sinnvoll. Auch das Grenzwachtkorps leistet im Grenzraum einen massgeblichen Beitrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit; hier stellt sich allerdings die Frage, wo die Grenze aufhört. Auch die Armee, vor allem die Verbände der Militärischen Sicherheit, können die kantonalen Behörden ausnahmsweise entlasten. Soll die Schweiz aber über eine eigentliche Bundessicherheitspolizei verfügen, bedarf diese einer verfassungsmässigen Grundlage. Eine solche fehlt heute. Und sie lässt sich mit einem einfachen Gesetz auch nicht ersetzen.

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DROGEN LU
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NLZ 20.3.10

Kommt jetzt die Kokain-Grossoffensive?

Von Jérôme Martinu und Emanuel Thaler

 Das grosse Hanfgeschäft ist zerschlagen - so bilanziert die Staatsanwaltschaft die auslaufende "Greenfire"-Aktion. Doch was ist mit dem boomenden Kokainhandel?

 "Die Luzerner Strafuntersuchungsbehörden hatten bisher noch nie eine Aktion mit so grossem Aufwand zu verarbeiten." Das sagt der geschäftsleitende Luzerner Staatsanwalt Daniel Burri zur Aktion "Greenfire". Bei dieser holten Polizei und Strafuntersuchungsbehörden ab Ende 2003 zum grossen Schlag gegen den Cannabishandel aus, nachdem dieses Geschäft zunehmend professioneller und vernetzter geworden war. Die Aktion zog Kreise bis in die Kantone Uri, Schwyz, Aargau, Bern und Solothurn. Erst in diesen Tagen kommen die letzten Fälle mit einigen der mutmasslichen Drahtzieher vor Gericht (siehe gestrige Ausgabe).

 Die Dimensionen der Ermittlungsaktion "Greenfire" sind enorm:

 • 990 kg Hanfpflanzen, Marihuana und Haschisch im Wert von rund 10 Millionen Franken wurden beschlagnahmt.

 • Es gab fast 200 Hausdurchsuchungen, rund 260 involvierte Personen wurden ermittelt und angezeigt.

 • Bankkonten mit insgesamt 3 Millionen Franken wurden blockiert.

 • 50 Hanf-Indooranlagen wurden geräumt und 14 Hanfläden geschlossen.

 Spezialbüro geht Ende Jahr zu

 Anfang 2006 wurde ein spezialisiertes Büro, bestehend aus einem Untersuchungsrichter und einem -beamten, eingesetzt. Der grösste Teil der Verfahren ist inzwischen abgeschlossen. Daniel Burri: "Wir rechnen damit, dass das Büro Ende Jahr seine Arbeit einstellen kann." Dass die Beweislage der Fälle stabil war, zeigt diese Tatsache: Vor Kriminalgericht gab es bisher keinen einzigen Freispruch. Zurzeit sind noch Verfahren gegen 17 Personen hängig.

 Stellt sich die Frage, was "Greenfire" aus Sicht der Strafuntersuchungsbehörden gebracht hat. Der geschäftsleitende Staatsanwalt Burri ist überzeugt: "Der Aufwand hat sich gelohnt. Die Aktion war ein erfolgreicher und nachhaltiger Schlag gegen den gewerbs- und bandenmässigen Cannabishandel." Drogenhanf sei nicht mehr einfach in einem Laden zu kaufen.

 Kritik aus der Öffentlichkeit

 Das Vorgehen von Polizei und Untersuchungsbehörden hatte indes in Teilen der Öffentlichkeit auch für Kritik gesorgt, die bis heute anhält. Dies auch vor dem politischen Hintergrund der 2006 eingereichten, Ende 2008 letztlich aber klar verworfenen Volksinitiative zur Hanflegalisierung. Kritikpunkte: Die Hanfläden hätten sich an Regeln gehalten, hätten keinen Stoff an Jugendliche verkauft, und Mehrwert- und Einkommenssteuer bezahlt. Heute würden Deals im Versteckten stattfinden, so sei nicht einmal mehr ein Minimum an Jugendschutz möglich.

 Daniel Burri lässt diese Argumentation nicht gelten. Drogenhanf sei mehrfach auch an Jugendliche verkauft worden. Und: "Steuerertrag hin oder her: Tatsache ist, dass der Handel mit Drogenhanf nach wie vor strafbar ist. Die Shop-Betreiber erzielten in Kenntnis des Verbotes exorbitante Gewinne."

 Im Drogenhandel hat sich der Fokus inzwischen bekanntermassen hin zur Modedroge Kokain verschoben. "Greenfire" hat Ermittlungsbehörden und Justiz aber auf Jahre hinaus beschäftigt. Grund dafür, dass jetzt Ressourcen fehlen, um Kokaindealer zu verfolgen? Daniel Burri verneint: "Wir richten das Hauptaugenmerk beim Betäubungsmittelhandel nach wie vor auf die Verfolgung von harten Drogen wie Heroin und Kokain." Fast wöchentlich kommt es zu Verfahren gegen Kokaindealer und -konsumenten.

 Kokain: Andere Strukturen

 Startet also demnächst eine Kokain-Grossaktion "Whitepowder"? Bei den Untersuchungsbehörden hält man den Ball flach. Weil der Kokainhandel ganz anders als das Hanfgeschäft organisiert sei, sei auch die Vorgehensweise anders. "Beim Hanf konnten die Ermittler relativ direkt auf Händler und Produzenten los. Die Kiffer standen nie primär im Fokus. Beim Kokain hingegen führt der Weg via Konsument Schritt für Schritt nach oben", erklärte Daniel Burri. Ob Grossaktionen durchgeführt werden, hänge von der Strategie der Untersuchungsbehörden ab. "Möglich ist dies immer."

 Mit dem aktuellen Personalbestand sind die Luzerner Strafuntersuchungsbehörden derzeit aber "hart an der Belastungsgrenze". Während die Polizei in den nächsten Jahren 40 neue Stellen besetzen kann und auch die Gerichte personell ausbauen, stehen die Zeichen bei der Staatsanwaltschaft auf "Halten". Burri: "Von unserer Reorganisation per Anfang 2011 erhoffen wir uns einen gewissen Effizienzgewinn. Wir wollen nicht auf Vorrat ausbauen." Allerdings sei man dann darauf angewiesen, dass in Akutsituationen auch zusätzliche Mittel und/oder Personal zur Verfügung gestellt würden. Der geschäftsleitende Staatsanwalt ist zuversichtlich: "Von den politischen Behörden haben wir klare Signale, dass wir auch in Zukunft auf Unterstützung zählen können."

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 Kiffer R. S. (26): "Einstieg war früher sicher leichter"

 Eine genaue, aktuelle Zahl der Cannabis konsumierenden Personen im Kanton Luzern gibt es nicht. Gemäss einer regierungsrätlichen Antwort auf einen Vorstoss geht man von rund 20 000 Konsumenten aus. Diese Schätzung datiert vom Mai 2002.

 Der Luzerner R. S.* kifft seit seinem 17. Lebensjahr. Der Berufstätige konsumiert täglich, "jeweils am Abend, nie während der Arbeit." Angefangen hat der heute 26-Jährige damals nicht zuletzt deswegen, weil Cannabis ohne Probleme verfügbar war - in den zahlreichen, sogenannten Hanfläden in Luzern. "Es war einfach, an Gras zu kommen", erzählt R. S. Allerdings: Die Alterskontrollen in den Shops seien relativ konsequent gewesen. Erst ab 18 Jahren habe man Drogenhanf erhalten. "Am Anfang hat man dann halt einen älteren Kollegen vorgeschickt", so R. S.

 Nachschub: Kurzzeitig schwierig

 Nach der Aktion "Greenfire" sei es kurzzeitig schwierig gewesen, an Gras zu kommen, sagt R. S. "Am Anfang ging es zurück auf die Strasse, und die Dealer hatten nicht nur Hasch dabei." Er selber habe aber nie Kokain oder Pillen genommen, versichert er. Davor habe er stets Respekt gehabt, sagt der 26-Jährige. Zur Zeit der Hanfshops sei gemunkelt worden, dass es dort auch Drogenpilze, so genannte "Magic Mushrooms", gebe, er habe das selber aber nie gesehen. Dass die Polizei den Hanfmarkt eingedämmt hat, glaubt R. S. nicht. "So wie ich es erlebe, kiffen heute immer noch gleich viele Personen, darunter auch Jugendliche. Im Gegensatz zur Zeit vor ‹Greenfire› merke ich keinen Unterschied."

 Dealernummern im Handy

 Mittlerweile habe er die Nummern von Dealern im Handy gespeichert, keiner handle im grossen Stil. "Einer bessert sich sein Gehalt auf, der andere finanziert so seinen eigenen Konsum." Zwar würden die Telefonnummern von Zeit zu Zeit wechseln, dass einer seiner Dealer aber je verhaftet worden wäre, ist R. S. zumindest nicht bekannt.

 "Es war bequem"

 Eine leichte Verschärfung hat S. bei den Preisen bemerkt: "Wobei es schwierig ist, das genau zu beziffern." Ob er sich die Hanfläden zurückwünscht? R. S. überlegt länger: "Es war in erster Linie bequem, der Einstieg war sicher leichter. Und man wusste auch, was man bekommt."

 * Name der Redaktion bekannt

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 Nachgefragt

 Sind die Cannabis- preise gestiegen?

 Wie hat sich aus Sicht der Luzerner Polizei die Aktion "Greenfire" auf den Hanfmarkt ausgewirkt?

 Urs Wigger: Die Aktion bewirkte, dass es offiziell keine Hanfläden mehr gibt. Vor allem Jugendliche hatten es vorher sehr einfach, in Hanfläden illegale Drogen zu kaufen.

 Wurde Cannabis seither teurer?

 Wigger: Der Preis ist gestiegen. Ob weniger konsumiert wird, können wir nicht feststellen. Öffentlich sichtbar wird aber weniger gekifft.

 Welche Rolle spielen Hanfdealer und Kiffer heute im Polizeialltag? Ist das "Gras" nachgewachsen?

 Wigger: Die Situation hat sich stark verbessert. Nach wie vor gibt es Hinweise auf den Hanfhandel, welchen nachgegangen wird. Sporadisch werden weiterhin Indoor-Anlagen ermittelt und ausgehoben. Im Verhältnis zu früher sind es aber wenige.

 Ist ein Umstieg auf andere Rauschmittel zu beobachten?

 Wigger: Nein.

 Wie schätzt man die aktuelle Lage bei der Modedroge Kokain ein?

 Wigger: Der Kokainmarkt ist sehr markant und wird von der Polizei im Rahmen der vorhandenen Mittel, mit dem entsprechenden Ermittlungsaufwand, bekämpft.

 Kennt man die Hintermänner und Umschlagplätze?

 Wigger: Der Handel mit Kokain liegt zur Hauptsache in den Händen von schwarzafrikanischen Banden. In Luzern gibt es auf Strassen und Gassen keine grösseren Umschlagplätze. Es wird vermehrt in Wohnungen gehandelt, wo Kleindealer ihren Stoff kaufen und ihn nachher auf der Strasse umsetzen. Die Luzerner Polizei hat schon mehrmals Kokainringe ausgehoben und die "Hintermänner" der Justiz zugeführt.

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GEFANGENEN-INFO
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Indymedia 21.3.10

Die EU-Terrorliste und die Folgen ::

AutorIn : Redaktion des Gefangenen Info: http://www.political-prisoners.net

....über die Manifestierung des Feindstrafrechts in Deutschland
"...Obwohl es ein "Anti-Terror-Verfahren" ist, geht es hierbei nicht um die Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands. Es geht um die Verteidigung Ankaras in Düsseldorf, einem Folter- und Mörderregime und dessen Freiheiten. Die gleiche Freiheit oder die "westlichen Werte" werden auch genauso am Hindukusch verteidigt. So benennen sie ihren Krieg..."
(Cengiz Oban, JVA Düsseldorf)     

In den politischen Prozessen gegen anatolische Linke in Deutschland kommt nun ein neuer Paragraph zum tragen, dessen Vorgabe die sog. EU-Terrorliste ist. Es handelt sich hierbei um eine Liste, die allein auf den Informationen aus den verschiedenen europäischen Geheimdiensten beruht und in nichtöffentlicher Sitzung vom EU-Ministerrat beschlossen wird.
Menschen, die z.B. Spenden für politische Gefangene oder gar soziale Projekte sammeln, können so, wie die Angeklagten Cengiz Oban, Ahmet Istanbullu und Nurhan Erdem im demnächst beginnenden Prozeß kriminalisiert werden. Allein ein Umstand wie dieser, im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP-C soll nun reichen, diese Menschen langfristig hinter Gitter zu stecken. Der §4 Abs.4 des Außenwirtschaftsgesetzes stellt genau das unter Strafe. Der Strafumfang kann bei gemeinschaftlichem Verstoß bis zu 15Jahren Haft betragen. Dies geht somit weit über das Strafmaß hinaus, um dass es bei einer alleinigen Verurteilung nach §129b geht.

So reicht die Tatsache, dass die DHKP-C auf der EU-Terrorliste steht aus, um Menschen denen keine wirkliche Straftat zur Last gelegt werden kann, einfach wegzusperren. Eine verbindliche rechtliche Prüfung, inwieweit Gruppen und Einzelpersonen "zurecht" auf der Liste stehen ist nicht vorgesehen. Genauso wie Abwägungen im Sinne des Völkerrechts, ob eine Organisation z.B. sich Mitteln legitimer Selbstverteidigung gegen ein Terrorregime bedient. Wie willkürlich solche Zuschreibungen sind zeigt der Umgang mit dem südafrikanischen ANC und den Irakisch-Kurdischen Organisationen wir der PUK. Beide Parteien wurden zu Beginn ihrer Aktivitäten international als "terroristisch" eingestuft und zwischenzeitlich als Befreiungsorganisationen geführt. Mittlerweile sind sie an der Regierungsmacht in ihren Ländern beteiligt.
Selbst das höchste europäische Gericht, der europäische Gerichtshof, dessen Entscheidungen für Regierungen und nationale Gerichte bindend sind, kritisiert das Verfahren der Erstellung der EU-Terrorliste als undemokratisch und ausserhalb jeder juristischen Kontrolle. Nationale Gerichte haben keine Möglichkeit gegen die Listung vorzugehen, selbst wenn betroffene Menschen, in ihren elementarsten Menschenrechten beschnitten werden.

Der Sonderermittler des Europarats Dick Marty beschrieb in einer Stellungnahme 2007, was die Aufnahme in die Terrorliste konkret bedeutet: Die Betroffenen wurden nicht verständigt sondern erfuhren davon, wenn sie über ihr Bankkonto verfügen wollten oder eine Grenze überschritten. Es gab keine Anklage, keine offizielle Benachrichtigung, kein rechtliches Gehör, keine zeitliche Begrenzung und keine Rechtsmittel, gegen diese Maßnahme. Wer einmal auf der Liste steht, hat kaum mehr eine Chance auf ein normales Leben. Er ist Quasi vogelfrei, wird politisch geächtet, wirtschaftlich ruiniert und sozial isoliert. Dazu kommen Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen, nicht nur gegen die gelisteten Personen sondern auch gegen deren gesamtes Umfeld. Das kann auch Personen betreffen, die ohne ihr eigenes Wissen in geschäftlichen oder privaten Kontakt mit gelisteten Personen oder Organisationen geraten. Die Betroffenen tragen schon heute ein erstmal noch unsichtbares Stigma. Wenn selbst Teile des EU-Apparats wie Herr Marty und der Europäische Gerichtshof kein gutes Haar an der EU-Terrorliste lassen, wie kann es sein dass in Deutschland migrantische Linke auf dieser Grundlage angeklagt werden?

Die Anwort gibt der sog. "Rechtsstaat", in dem er seine eigenen Prinzipien so offensichtlich über Bord wirft, dass hinter dieser Fassade das zum Vorschein tritt, was diesen Staat geschichtlich geprägt hat und was heute wieder mehr und mehr zum Thema wird.
Es wird hier ein Grad politischer Justiz erreicht, dass dem Feindstrafrecht entspricht. Freund und Feind sind klar auszumachen. Der gemeinsame Kampf mit dem Folterregime der Türkei gegen aus guten Gründen nach Deutschland immigrierte Linke wird grenzübergreifend durchexerziert. Die guten Beziehungen zum NATO-Partner Türkei und die gemeinsame wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit werden gepflegt, auch wenn sich der deutsche Staat mit Folterern gemein macht.

Nicht zuletzt werden Folterspezialisten, wie der Chef der Istanbuler Anti-Terror-Abteilung, als Zeugen der Anklage zu den §129b-Prozessen in Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf eingeladen. Heute geht es erstmal "nur" um in Deutschland lebende Migrant_innen. Wenn die Bundesanwaltschaft aber mit diesen Anklagepunkten durchkommt, kann demnächst eine Spendensammlung von Internationalist_innen mit fortschrittlichen oder andernorts von Repression betroffenen Projekten ausreichen, um lange Jahre weggesperrt zu werden. Jeder Beitrag für die Prozesskosten eines Gelisteten, ob durch eine Spende oder die Veranstaltung einer Soliparty könnte dann kriminalisiert werden. Öffentliche Aktionen wie das Sammeln von Geld für die sandinistische Revolution in den 80ern, die damals als "Waffen für El Salvador"-Kampagne unter anderem in der TAZ beworben wurden, wären heute Grund genug alle Beteiligten (inkl. den presserechtlich Verantwortlichen der TAZ) jeder materiellen Lebensgrundlage zu berauben.
"Wenn das von der Bundesanwaltschaft angestrebte Vorgehen in diesem Prozess in einer Art Präzedenzurteil bestätigt würde, besteht die Gefahr, dass damit jegliche unerwünschte politische Arbeit oder finanzielle Interaktion ohne angemessene juristische und demokratische Kontrolle kriminalisiert werden könnte." (Auszug aus einer Pressemitteilung der Anwältinnen von Cengiz Oban)

Dieser Text ist in der der neuen Ausgabe des Gefangenen Info 353 erschienen.

Liebe Leserinnen und Leser,
diese Ausgabe steht wieder im Zeichen des 18. März, dem Tag der politischen Gefangenen. Wir möchten uns an dieser Stelle zunächst bei den Gefangenen bedanken, die uns aus diesem Anlass Briefe geschrieben haben. Diese haben wir gerne aufgenommen und abgedruckt. Briefe, die es aufgrund der schikanösen Kontrollen noch nicht geschafft haben, in unseren Briefkästen anzukommen, werden wir natürlich in der kommenden Ausgabe unterbringen.
Mittlerweile wurden wir über den anstehenden Prozess gegen unsere Zeitung in Kenntnis gesetzt. Dieser findet am 21. April 2010 vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin statt. Näheres dazu und zu unserer Mobilisierung gegen die Einschüchterungs- und Zensurversuche könnt ihr auf Seite 6 nachlesen.

Eine erfreuliche Nachricht in diesem Kontext ist der Freispruch der Internetzeitung "scharf-links", die wegen derselben Verleumdungsklage zu 12.000 Euro Strafe verdonnert werden sollte.
Und ebenfalls im selben Kontext steht der Schwerpunkt dieser Ausgabe. Denn neben den laufenden §129b-Verfahren in Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf, der geplanten Auslieferung von Faruk Ereren (sein Bild haben wir auf unserer Titelseite platziert) und der Kriminalisierung der Gegenöffentlichkeit in Form von Verleumdungsklagen beginnt am 11. März 2010 in Düsseldorf ein
weiterer §129b-Prozess. Und damit nicht genug; die Solidaritätsbewegung sieht sich mit massiver Repression konfrontiert. Kurz vor unserem Redaktionsschluss fand erneut eine bundesweite Repressionswelle statt, bei der wieder zwei Personen wegen angeblicher Mitgliedschaft in der DHKP-C verhaftet wurden. Wir haben versucht, den uns zur Verfügung stehenden Platz
mit den wichtigsten Informationen zu füttern.

Aus aktuellem Anlass haben wir dem Appell gegen das Gewerkschaftsverbot der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft FAU auf Seite 9 Platz eingeräumt. Da im Zuge der sozialen und ökonomischen Krise Arbeitskämpfe an Heftigkeit zunehmen werden, werden sich auch die Repressalien gegen (Noch-)Beschäftigte mehren. Diese Entwicklung wollen wir als GI-Redaktion im Auge behalten, ohne dass sich allerdings der Charakter dieser Zeitschrift dadurch grundlegend verändern wird. Hinter den Knastmauern sind Arbeitszwang und Niedrigstentlohnung Alltag; Elemente dieses Knastalltags werden offensichtlich mehr und mehr "vergesellschaftet".
Neben zwei Texten in unserer internationalen Rubrik, die das Thema Folter behandeln, haben wir aus Italien die erste Erklärung des kommunistischen Gefangenenkollektivs Aurora abgedruckt. Dem Kollektiv gehören die revolutionären Gefangenen aus dem PC-pm Prozess an. Des weiteren kündigen wir mit einem Interview den Stuttgarter Antifa-Prozess und mit einem redaktionellen
Beitrag den Prozess gegen die österreichischen TierrechtlerInnen an.
Wir bedanken uns schließlich noch bei Eva Haule, die uns für unsere Aktivitäten zum 18. März in Berlin ihre "Fotos gefangener Frauen" zur Verfügung gestellt hat und die wir auf unserer Seite 20 ankündigen.

Wir verbleiben mit herzlichsten, solidarischen Grüßen und beenden unser Vorwort mit unseren Parolen für den diesjährigen 18. März:
Knastkampf ist Klassenkampf!
Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!

Die Redaktion

Das Gefangenen Info erscheint alle 6 Wochen ist zu beziehen über:  vertrieb@gefangenen.info

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ANTI-ATOM
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NZZ 22.3.10

Ein Tunnel und ein Arbeiterdorf für eine AKW-Baustelle

 Planungsarbeiten für neue Atomkraftwerke werden konkreter - obwohl ein Projekt "zu viel" vorliegt

 Die Baustellen für neue AKW würden die Dimensionen von Neat-Werkplätzen erreichen. Für den Standort Mühleberg sind die Planungsarbeiten schon weit fortgeschritten. Vorgesehen sind ein Tunnelbau, Brücken und ein Autobahnanschluss.

 Davide Scruzzi

 Die Stromunternehmen Axpo, BKW und Alpiq sind sich bei den Verhandlungen um neue Atomkraftwerke ein grosses Stück nähergekommen, wie kürzlich bei einer Ständeratsdebatte zu hören war. Das Ziel des gemeinsamen Betriebs der Werke erscheint damit klar erreichbar. Über die genauen Beteiligungsverhältnisse, die entsprechenden Modalitäten und insbesondere über eine allfällige Priorisierung von Standorten hin zu zwei derzeit als nötig erachteten Anlagen wird hingegen noch verhandelt. Alpiq setzt im Übrigen für die Standort-Einigung weiterhin in hohem Masse auf die Ergebnisse der behördlichen Prüf- und Vernehmlassungsverfahren.

 1750 Arbeiter

 Die drei Projekte Beznau (Axpo) und Mühleberg (BKW) einerseits und Gösgen (Alpiq) andererseits werden somit weiter parallel vorangetrieben - und es werden schon riesige Baustellen geplant. Der Aufwand für die AKW-Vorhaben ist bereits jetzt gross. Allein bei der Resun, der Projektgesellschaft von Axpo und BKW, arbeiten 30 Mitarbeitende, hinzu kommen etwa Spezialisten bei den Mutterkonzernen, welche ebenfalls einbezogen werden. Der weitere Projektverlauf wird den Personalbestand erhöhen. Die Dimensionen eines modernen Kernkraftwerk-Projekts sind eindrücklich. Am weitesten vorangeschritten ist die Planung der Bauphase am BKW-Standort Mühleberg. Für die Baustelle würde an der Autobahn 1 ein eigenes Anschlusswerk erstellt. Südlich der Autobahn wird ein externer Logistikplatz mit Lagerhallen und Werkstätten gebaut, 9 Hektaren gross (das entspricht 12,5 Fussballfeldern). Östlich davon ist eine 10 Hektaren grosse temporäre Arbeitersiedlung geplant, die in Spitzenzeiten 1750 Personen Unterkunft und Freizeitmöglichkeiten bieten kann. Nördlich der Autobahn soll der Weg von Arbeitern und Baumaterial nach einer Zugangskontrolle durch einen 400 Meter langen neuen Tunnel führen, unter den Runtigerain zum eigentlichen Bauplatz beim jetzigen AKW an der Aare. Der Baubereich (mit Betonwerken) wird ungefähr 13 Hektaren gross. Jenseits der Aare, mit einer Brücke verbunden, wird ein Zwischenlager für das Aushubmaterial eingerichtet.

 All dies erfolgt freilich auf Kosten der Bauherren. Die Verantwortlichen weisen darauf hin, dass Teile dieser Bauinfrastruktur auch für den Rückbau des jetzigen AKW Mühleberg verwendbar ist. - Gegen die Anlagen für den Neubau, der innerhalb von rund acht Jahren vollbracht sein dürfte, hat sich jedenfalls bereits Unmut unter den Grundeigentümern geregt. Der jetzige, vom Gemeinderat akzeptierte Plan basiere auf Workshops mit Vertretern der Gemeinde und Interessengruppen, heisst es bei der BKW. In den nächsten Monaten gelte es, "Differenzen" zu diskutieren. Natürlich sind auch Entschädigungen für die Grundeigentümer ein Thema.

 Wie bei der Resun zu erfahren ist, werden Axpo und Resun demnächst auch Kontakt mit den Gemeinden um das geplante neue Werk Beznau aufnehmen und dortige Bedürfnisse hinsichtlich der Baustellengestaltung abklären. Seitens der Alpiq wird mitgeteilt, dass man für den Standort Gösgen noch keine solchen Gespräche führe, da dort das Gelände schon erschlossen sei.

 Auch Schweizer Firmen

 Schweizer Unternehmen kommen bei einer Realisierung von AKW als Lieferanten von Teilbereichen oder für Bauarbeiten in Frage. Am Standort Mühleberg errechnete eine Studie bei einem Gesamtinvestitionsvolumen von 4 Milliarden Franken allein eine im Kanton Bern selbst resultierende Wertschöpfung von 1,3 Milliarden Franken. Die Berücksichtigung einheimischer Firmen werde ein wichtiger Gegenstand der Verhandlungen zwischen den ausländischen Lieferanten und den Schweizer Stromkonzernen sein, sagt Cindy Mäder von der Resun. Die Auftragsvergabe erfolge gemäss kantonalen öffentlichen Ausschreibungsregeln, zumal sich die Stromfirmen mehrheitlich in kantonalem Besitz befinden.

 Neben dem Vorbereiten der Baubewilligungsgesuche erfolgen auch erste reaktortechnische Abklärungen bei möglichen Lieferfirmen der Gesamtsysteme, etwa bei Areva (Frankreich), GE Hitachi (USA und Japan) oder bei der Westinghouse Electric Company (Hauptsitz in den USA). Auch die Mitarbeiter des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) sammeln derzeit Wissen über die verschiedenen Reaktortypen, um allfällige Gesuche um Baubewilligung nach einer ab 2013 zu erwartenden Volksabstimmung rascher beurteilen zu können. Je mehr die hiesigen Stromfirmen auf im Ausland schon wohlbekannte Systeme zurückgreifen, desto rascher könnte das Erstellen jener Gutachten erfolgen. Derzeit prüft das Ensi die drei eingereichten Rahmenbewilligungsgesuche. Im Oktober sollen dann entsprechende Gutachten zur grundsätzlichen Eignung der drei Standorte präsentiert werden. Ob daraus Präferenzen für einen Ort interpretierbar sein werden, ist offen.

 Für die avisierte Einigung auf eine provisorische Standort-Reihenfolge dürften im Übrigen weiterhin die kantonalen Finanzdirektoren gefordert sein - denn jeder Kanton ist an den Steuereinnahmen aus einem neuen AKW interessiert, so dass ein interkantonaler Verteilschlüssel gewünscht wird. Im Kanton Bern verhandeln mittlerweile auch die Gemeinden um Mühleberg über die Verteilung allfälliger Steuergelder.

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Süddeutsche Zeitung 20.3.10

Verstrahlt, vergraben, vergeigt - das Desaster des Atomlagers Asse

 Weil nichts die Kernenergie hemmen durfte, ließen Forscher und Beamte den Atom müll der ersten Jahre in ein marodes Bergwerk kippen. Nun droht die Grube einzustürzen, es ist die größte deutsche Umweltkatastrophe. Eine Chronik des Versagens, [...]

Von Michael Bauchmüller, Martin Kotynek, Nicolas Richter und Ralf Wiegand

 Weil nichts die Kernenergie hemmen durfte, ließen Forscher und Beamte den Atom müll der ersten Jahre in ein marodes Bergwerk kippen. Nun droht die Grube einzustürzen, es ist die größte deutsche Umweltkatastrophe. Eine Chronik des Versagens, die für das geplante Endlager Gorleben eine Warnung ist.

 Walter Randig nennt es zuwei- len "die Sache da draußen".

 Er ist 88 Jahre alt, deutet bei- läufig zum Küchenfenster.

 Da draußen liegen sein Garten, der Ort Groß Vahlberg, dahinter Felder und die Asse — ein sanft gewölbter Hügel. Dort, hunderte Meter tief, lagern 125 797 Fässer mit strahlendem Gift, man hat sie in einem Bergwerk entsorgt. Randig ist nur Bitterkeit geblieben, er ist bitter, weil er vor der Katastrophe gewarnt hat und ihn keiner hören wollte. Die Bundesregierung hat den Atommüll hier abladen lassen; etliche ihrer Experten haben die Leute im Dorf glauben lassen, das Salzbergwerk Asse II sei immer trocken gewesen und werde es bleiben. Es war eine Lüge.

 Walter Randig wusste es.

 Am 9. Juli 1964 erschien sein Leserbrief in der Zeitung. Er warnte, Wasser dringe ein in das alte Bergwerk, man könne dort keinesfalls strahlende Abfälle lagern. Im Dorf hielt man ihn für einen Störenfried.

 Er solle mit seinem Gefasel aufhören, forderten die Bergleute nach dem Tischtennisspielen, sonst riskiere er eine Tracht Prügel. Er sei ja nur der Erdkunde-Lehrer. Die Wissenschaftler hingegen wüssten schon, was sie da machten.

 Heute ffießen jeden Tag 12 000 Liter Wasser in das Bergwerk. Irgendwann wird der Salzstock Asse II kollabieren, er wird absaufen. Im schlimmsten Fall könnte das Gebirgö dann kontaminierte Salzlauge nach oben drücken, hin zum Gnmdwasser. Randig hat Angst davor, recht zu behalten.

 Die Asse ist die größte Umweltkatastrophe Deutschlands und ein Lehrstück über die Folgen blinden Glaubens an neue Technologien; eine Hinterlassenschaft von Forschern, Beamten und Politikern der jungen Bundesrepublik, einer euphorischen Generation, die gründlich sein wollte, aber dem Leichtsinn erlag.

 Seit Monaten befasst sich ein Untersuchungsausschuss in Hannover mit dieser Geschichte. Die Süddeutsche Zeitung hat die Dokumente ausgewertet und mit Zeitzeugen gesprochen. Sie erzählen von Rausch und Versagen im Angesicht politischer ural industrieller Interessen.

 Die Lehren aus dem Desaster Asse sind auch heute von Belang: Vor allem für Gorleben, jenem Salzstock im Wendiland, in dem eines Tages die hochaktiven Abf älle der deutschen Atommdustrie lagern sollen. Gorleben, ein jungfräulicher Salzstock, wird jetzt nach längerer Pause wieder erforscht. Wie auch die Asse war Gorleben stets Sache von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, nie eine der Bürger. Diese Philosophie ist geblieben, und so stehen die beiden Endlager außerhalb der Gesellschaft — bis heute.

 Bonn, 1957 Atomdebatte im Parlament. Bundesatomminister Siegfried Balke, CSU, kann der neuen Technologie nur Gutes abgewinnen, als Problem sieht er allenfalls die Zögerlichkeit der Bundesrepublik. "Wir stehen nun vor der Aufgabe, den weiten Rückstand von 10 bis 15 Jahren möglichst schnell aufzuholen", referiert der Atomminister, "um die Lebensgruridlagen unseres Volkes zu sichern." Deutschland braucht Energie für die Wirtschaftswunderjahre. Der Bund plant seit zwei Jahren ein Atomprogramm, es soll bald beginnen und die neue Technologie keinesfalls behindern. "Kostspielige Schutzmaßnahmen können die Wirtschaftliähkeit einer Reaktoranlage völlig vernichten", warnt Balke. Knapp anderthalb Stunden redet er, von Atommüll spricht er nicht. Der Bundestag stimmt den Atomplänen zu.

 Monte Carlo, 1959 Das Salzwasser wogt vor der Stadt, es schaukelt die Yachten, wälzt sich gegen die Felsen des Fürstentums Monaco. Hunderte Atomexperten aus 30 Ländern treffen sich im Ozeanographischen Museum von Monte Carlo. In dem Prachtbau hoch über der Brandung träumen sie von einer goldenen Zukunft. Es sind leichte Tage am Meer, abends eilt die Atom-Elite von Empfang zu Empfang.

 Tagsüber erörtern die Experten die Schattenseiten. "Die Konferenz hat sehr deutlich gezeigt, dass die Beseitigung des radioaktiven Abfalls ein — wenn nicht das — Schiüsselproblem der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist", fasste der damals anwesende deutsche Chemiker Hans Wolfgang Levi zusammen. Der Umgang mit diesem Müll also wird darüber entscheiden, ob die neue Energie so günstig ist, dass sie eine Zukunft hat.

 Manche sind da noch sehr unbekümmert. Die Briten kippen strahlende Abf älle ins Meer, wo sie sich angeblich auflö-sen. Andere wollen die Fässer im Polareis verstecken, wieder andere scheren sich nicht darum. In Deutschland prüfen Forscher und Beamte etliche Optionen, bis sich plötzlich eine Gelegenheit bietet. Wie Schnäppchenjäger greifen sie zu.

 Salzbergwerk Asse II, 1964 Am 29. Januar 1964 besichtigen Beamte aus dem Forschungsministerium ein Bergwerk in Niedersachsen. Es liegt unter den Hügeln der Asse, bei Wolfenbüttel. Mehr als 50 Jahre lang hat die Wintershall-Tochter Burbach hier Satz abgebaut.

 Nun bleiben nur Löcher, Tunnel und Schächte im Gestein. Wintershall möchte die Anlage loswerden.

 Die Leute aus Bonn fahren mit dem-Aufzug Hunderte Meter nach unten. Die Luft ist salzig trocken. Dann rollt ein VW-Kü-beiwagen immer tiefer ins Bergwerk, durch die Erdgeschichte, vorbei an Schichten von Salz und Stein.

 Die Besucher sind berauscht. In ersten Gutachten ist von einem einzigartigen Objekt die Rede. "Eine solche Gelegenheit dürfte kaum wiederkehren". Nach derBesichtigung notiert ein Experte: "Positiv zu werten ist vor allem der Preis" — 600 000 Mark. Eine billige Entsorgungsstätte unter Tage. "Bei längerer Stand.zeit des Bergwerks und höheren Abfailmengen" nähmen die Lagerkosten sogar ab, jubeln Forscher der "Studiengruppe für Tieflagerung". Es ist das Zeichen, auf das die Industrie hofft, und das der Staat allzu gern geben möchte. Am 12. März 1965 erwirbt die "Gesellschaft für Strahlenforschung", kurz GSF, im Auftrag des Forschungsministeriums den Salzstock.

 Allen Warnungen zum Trotz.

 Denn schon bei der Besi~htigimg fällt den Beamten auf, dass der alte, ausgebeutete Salzstock feucht ist. In 750 Meter Tiefe sehen sie ein Sammelbecken für Lauge, jeden Tag ifießen 700 Liter zu. Man hat vor Augen, was im Bergwerk Asse 1 geschehen ist: Weil das Satz rabiat ausgebeutet wurde bis zu den Wasseradern im Gestein, lief die Grube 1906 bis oben voll. Dasselbe geschah mit Asse III. Im Ministerium überlegt man deswegen, für Atommüll eine frische Grube zu graben.

 Doch es gibt Gutachter, die an Asse II glauben, und dann findet auch das Ministerium das Risiko gering: Ein Beamter sagt im Bundestag, sollte das Bergwerk doch untauglich sein, könne man wieder verkaufen. Alles-nur ein harmloses Experiment.

 Karlsruhe, 1965 Der Zug in die Ära der Kernenergie ist nicht mehr aufzuhalten. In Karlsruhe und Jülich sind Forschungszentren entstanden. Am 4. August 1965 wenden sich die Geschäftsführer des Karisruher Zentrums an den Asse-Inhaber GSF: Ihre Anlage wachse, es häufe sich atomarer Abfall. "Bis zum Spätherbst dieses Jahres werden unsere Lagerhallen gefüllt sein." Noch 1965 müsse die "Versuchseinlagerung" in der Asse beginnen.

 Auch die Wirtschaft drängt. Am 8. November 1966 trifft sich ein Ministerialbeamter mit einem Vertreter von Siemens.

 Der Mann aus der Industrie klagt: Sein Lagerpiatz für Atommüll gehe zur Neige, ein Neubau würde 230 000 Mark kosten. Es ist eigentlich das Problem von Siemens.

 Aber der Staat will helfen.

 Wie hatte Minister Balke doch erklärt: Es geht um "die Lebensgrundlagen unseres Volkes"~ Der Beamte bietet an, den Siemens-Müll in der Asse einzulagern. Ahnliche Anfragen erreichen Regierung und GSF bald zuhauf. Auch AEG baut Reaktoren und schreibt an die Betreiber der Asse: Man brauche die feste Zusage, dass schwachaktive Abf alle "jederzeit" abgenommen würden, und zwar bitte günstig.

 Längst ist die Asse kein Experiment mehr, sondern Bedingung für den Erfolg eines ganzen Wirtschaftszweigs. "Die Industrie", schreibt der Historiker Detlev Möller, "wurde systematisch von Abf ällen und damit verbundenen Ausgaben entlastet".

 Salzbergwerk Asse II, 1967 Am 4. April 1967 kommen die ersten Fässer. Klaus Kühn kann sich an den Tag gut erinnern: Er hat Geburtstag, und auch sonst ist es für den jungen Bergbau-Ingenieur ein Fest. Kühn arbeitet bei der GSF, also für die Inhaberin der Asse. Der junge Ingenieur darf an einem großen Experiment teilhaben, und von der Kernenergie ist er ohnehin überzeugt.

 Die gelben Fässer sinken im Förderkorb nach unten. "Diese Last wird niemals wieder ans Tageslicht zurückkehren, denn dort unten ist quasi die erste bundesdeutsche Grabkammer für Atommüll", meldet die Lokalzeitung.

 Kammer 4 ist so groß wie eine Dorfkirche, die Decke domartig gewölbt, es ist 30 Grad heiß. Vier Fässer lagern die Arbeiter zunächst ein, stehend senkrecht auf einander. Zwischen zwei Fassreihen muss ein Gang bleiben, so kann man Wischproben nehmen und nachsehen, ob die Fässer rosten. So akkurat wird es nicht bleiben.

 Wenig später soll Kühn erklären, wie standsicher Asse II ist. Es gab neue Warnungen: Wände wandern, könnten einstürzen. Kühn verkleinert die Gefahren, er schreibt: "Unter normalen Umständen keinerlei Gefährdung" oder "praktisch eine absolute Wasserabdichtung". Die Laien glauben ihm, dem Experten. "Der stillgelegte Schacht ist so sicher, wie es sich der Laie einfach nicht vorstellen kann", schreiben Reporter.

 Narren Kühn und andere Wissenschaft-1er und Beamte die Republik? Blenden die Forscher Gefahren aus? Sind sie so berauscht von ihrer Forschung, dass sie auch jeden Zweifel einlagern? Es scheint so zu sein. Denn gleichzeitig bestreitet keiner, dassdie Asse allenfalls auf mittlere Sicht dicht sein wird. Wenn man aber ein Jahrhundert vorausschaut, oder Hunderte Jahre, so ist die Prognose etlicher Experten eindeutig: "In der Grube wird kein Raum trocken bleiben". stellen Oberbergamt, Ministerium und GSFim November 1967 fest.

 Trotzdem lagert man weiter Müll ein.

 Schlimmstenfalls geht man davon aus, dass er irgendwann in einer unterirdisehen Salzlaugenblase gefangen wäre.

 Bonn, 1972 Klaus von Dohnanyi, Minister für Bildung und Wissenschaft im Kabinett Willy Brandts, hat zuweilen ein merkwürdiges Gefühl. Er fragt Mitarbeiter, ob sie wüssten, "was hier in Bonn vor 3000 Jahren war". Er will verdeutlichen, über welche Zeiträume man spricht, wenn man über Atommüll entscheidet. Es dauere ja 30 000 Jahre, sagt Dohnanyi, bis sich die Strahlung des Atommülls halbiere. Eine Ewigkeit. Dohnanyi zweifelt an der Atomkraft; aber er nennt es "eher ein Bauchgefühl, keine Gegnerschaft".

 Trotz aller Zweifel verkündet Dohnanyi in dieser Zeit im Bundestag, was die Asse-Forscher zuvor nach oben meldeten: Wasser könne so gut wie nicht eindringen, auf jeden Fall sei das Grundwasser sicher. Es klingt, als spreche Kühn.

 Was Dohnanyi zu unterschreiben hat, das unterschreibt er, zwar mit diesem Gefühi. im Bauch, aber, wie er sagt, nach bestem Wissen und Gewissen.

 In der SPD, die Jahrzehnte später den .A.tomausstieg beschließen wird, gebe es da noch eine "hymnische Verehrung für die Atomkraft", sagt Dohnanyi. Im Godesberger Grundsatzprogramm der Partei von 1959 heißt es, der Mensch könne im atomaren Zeitalter sein Leben "von Sorgen befreien".

 Natürlich leisten einige Widerstand.

 Der Erdkunde-Lehrer Randig aus Groß Vahlberg ballt die Fäuste, wenn er heute davon erzählt. Er weiß von einem Kuhhirten, der gesehen hat, wie Bergleute schon in den vierziger Jahren Wasser aus der Asse gefahren und in den Höllebach gekippt haben. Bevor der Bund das Bergwerk kaufte, hat Randig die Bergleute gefragt, warum sie die Anlage aufgeben. Eine der Antworten: "Seit Jahren kämpfen wir mit Wassereinbrüchen, wir kriegen die Grube einfach nicht dicht." Auch die Frauenverbände der Region verstanden schon in den sechziger Jahren genau, was gespielt wurde. Uberall würden Atommeiler geplant, weswegen die Asse kein Provisorium, sondern eine "ständig wachsende Gefahr" sei.

 Aber in den Ministerien gelten solche Leute jahrzehntelang als ahnungslose, ängstliche Gegner des Fortschritts, womöglich verunsichert durch die Zerstö-rungskraft der Atombombe. Franz Josef Strauß diagnostiziert eine landesweite "Atompsychose". Die Beamten in Bonn teilen die Verfasser von Protestbriefen in drei Kategorien ein: "die besorgten Eltern", "die Querulanten", und "Menschen, die skurrile Vorschläge machen".

 Rechtlich ist es eh nicht vorgesehen, dass das Volk mitredet. Asse II wird unter Bergrecht verwaltet, dieses Recht verlangt nicht, dass man die Bürger fragt.

 Salzbergwerk Asse II, 1977 Es kracht und tropft und sickert. Decken brechen ein. Das Gestein wandert, unter Tage verschieben sich die Pfeiler um bis zu drei Meter. Die Experten beschäftigen sich wieder mit einer Erkenntnis, die ziemlich alt ist, aber lange verdrängt wurde: Das Bergwerk besteht stellenweise aus dem hochlöslichen Carnallit. Ein Einfallstor für Wasser. Ein örtlicher Verantwortlicher will 1977 schon Leitungen im Schacht verlegen — um zu steuern, wie schnell welche Räume volllaufen. Kühn spielt es herunter, sagt, dafür sei es noch zu früh.

 Ein Beamter im Innenministerium dagegen liest den Vermerk und schreibt an den Rand nur ein Wort: ‚Hilfe!" Aber im Bergwerk herrscht Hochbetrieb. Die Asse ist zwar faktisch längst ein Endlager, rechtlich aber noch nicht. 1976 erlässt der Bund erstmals ein Gesetz, das den Betrieb von Endlagern regelt, das Atomgesetz. Daraufhin will das Land Niedersachsen nicht länger das alte Bergrecht auf die Asse anwenden. Das Land fordert ein ordentliches Planfeststellungsverfahren — mit Beteiligung der Bürger. Kein Zweifel, diese Hürde ist zu hoch: Spätestens im Dezember 1978 wird Schluss sein mit der Einlagerung. Es ist ein Ende mit Ansage.

 Kraftwerksbetreiber und Forscher verfallen in Eile. In den letzten 24 Monaten vor der Schließung allein kommen mehr als 50 000 Fässer. Viel Arbeit für Bergleute wie Robert Ahrens. "Die ersten Lastzüge standen schon morgens früh auf dem Hof, sogar in der Nacht schon. Wir haben um 5.45 Uhr mit dem Entladen angefangen", erinnert er sich.

 Manche Fässer brechen auf, strahlender Schlamm ergießt sich auf den Boden.

 Unter Tage kippt man die Fässer einen Hang hinunter und schüttet Salz dar-über. Für die Arbeiter ist das gut, sie müssen die Fässer nicht berühren, und es geht schneller. Der Andrang ist oft so groß, dass die Arbeiter abends nicht einmal mehr Zeit haben, die Fahrzeuge zu dekontaminieren.

 Die neue Abkipptechnik macht die Asse im Wortsinne zur Müllkippe. Der Experte Kühn sagt im Nachhinein: "Es war ein psychologischer Fehler. Hier wurde einfach weggeschmissen." Am 31. Dezember 1978 wird das letzte Fass angenommen. Vergeblich hatte der Bund das Land Niedersachsen gedrängt, die weitere Endlagerung zu genehmigen — mit allen Mitteln. "Das waren für mich eigentlich so die negativsten Stunden eines Verwaltungsbeamten" ‚ erinnert sich einer aus der niedersächsischen Landesregierung, "weil mit sehr viel persönlicher Diskreditierung gearbeitet wurde." Seither wird Atommüll in oberirdischen Sammelstellen in den Bundesländern gelagert. So etwa im schleswig-hoisteinischen Geesthacht. Dort tritt um die Jahrtausendwende aus einigen Fässern strahlende Flüssigkeit aus; die Fässer waren eigentlich für Asse II bestimmt. 28 davon werden geöffnet. Ergebnis: Nur zwei sind korrekt deklariert.

 Auch in der Asse dürfte deutlich mehr Gift sein als bekannt. Zwar kam jedes Fass mit Begleitschein, doch die Angaben wurden nur oberflächlich überprüft. Erst kürzlich wurde bekannt, dass im Bergwerk weit mehr gefährliches Plutonium lagert, als in den Papieren steht.

 Neuherberg, 1988 In Neuherberg bei München liegt die GSF, die das Bergwerk Asse II betreibt.

 Es ist eine Art Outsourcin.g: Das Forschungsministerium hat die Verantwortung ausgelagert an den engen Zirkel von Forschern und Ingenieuren. Mit gutem Grund, wie sich erweist. 1988 erfährt der Asse-Forscher Kühn, dass in das Bergwerk Salzlauge eingebrochen ist. Im nächsten GSF-Jahresbericht steht darüber kein Wort. Er habe vermutet, "dass dieser Laugenzutritt wieder versiegt", erklärt Kühn später. Das Beschwichtigen dauert an, wieder wird die Offentlichkeit auf Abstand gehalten.

 Von Problemen soll das Volk nichts wissen.

 Später wird der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Alexander Kaul, das tJmweltministerium in einem Brief warnen, dass unkontrolliert einbrechendes Wasser in Asse II auch alle anderen Endlager im Salz in Frage stellen würde. Dann wäre auch Gorleben gefährdet, schreibt Kaul. Der Salzstock im Wendland soll eines Tages den hochaktiven Müll der Atommeiler aufneh-. men. Inzwischen weiß man, dass die Salzlauge, die ins Bergwerk fließt, zum Teil verseucht ist: Auf ihrem Weg nimmt sie Radioaktivität aus kaputten Fässern auf.

 Remlingen, 1990 Kühn hat sich mittlerweile zum einflussreichsten Experten entwickelt, die Asse ist das Reich seiner Forschung. Erbittert kämpft er darum, das Bergwerk nicht zu schließen. Seine eigentliche Mission aber ist der Salzstock Gorleben: Die Experimente in der Asse sollen zeigen, dass sich Salz auch für den hochaktiven und heißen Atommüll eignet. Versuchsweise will die GSF solchen Müll sogar in der Asse lagern, zwölf Jahre nachdem dort das l~tzte Fass angekommen ist.

 Doch die Menschen rund um die Asse werden misstrauisch. Mehr als tausend Dorfbewohner bilden eine Menschenket-~ te am Zaun der Anlage, sie wollen von dieser Art Forschung nichts mehr wissen. Die letzten Pläne der GSF scheitern.

 Berlin, März 2007 Später Abend im Deutschen Bundestag. Die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl verlangt, alle Abfälle aus der Asse zu holen. Bis dahin weiß die breite Öffentlichkeit wenig von der Katastrophe unter Tage. Zwar hätten die Fraktionen unterschiedliche Ansichten, sagt sie.

 Alle aber müssten sich darin einig sein, dass der Bevölkerung an der Asse Unerträgliches zugemutet werde.

 Die GSF, die jetzt Helmholtz-Zentrum heißt, will den Müll unten lassen und wohl auch die Debatte über ihr eigenes Versagen. Ein "Schutzfluid" soll das Grubengebäude für immer ~f1uten. Das findet auch der Karisruher Unions-Abgeordnete Axel Fischer gut. "Im Erf olgsf all wäre die Schachtanlage 2013 geschlossen, die Abfälle dauerhaft entsorgt", sagt Fischer. "Sozusagen:. Klappe zu, Affe tot." E~ soll anders kommen. In den Monaten darauf wird ruchbar, dass das Helmholtz-Zentrum ohne Erlaubnis radioaktive Lauge in die tiefsten Bereiche des Bergwerks pumpte. Immer neue Ungeheuerlichkeiten kommen ans Licht. Am 1 Januar 2009 30 Jahre nach Ende der Einlagerung, übernimmt das Bundesumweltministerium den Problemfall. Nicht mehr Forscher führen die Asse, sondern das Bundesamt für Strahlenschutz. Erstmals bekommen Sorgen der Anwohner Gewicht. Bald wird der neue Minister, Norbert Röttgen, CDU, davon sprechen, den Müll aus dem Bergwerk zu holen.

 Hannover, 2010 Die Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungssausschusses zur Asse im Landtag von Hannover werden gut versorgt. Jede Stunde nimmt eine Bedienung die Bestellungen auf und schiebt dann einen vollen Servierwagen in den Leibniz-Saal. Kaffee, Obstsalat, Sandwiches — die stundenlangen Sitzungen sind auch eine Art tjberlebenstraining.

 Der linke Flügel des Ausschusses würde gerne das aktuelle politische Personal aus Berlin in den Zeugenstand, besser, auf eine Anklagebank bekommen.

 Die Konservativen wollen wenigstens verhindern, dass das Desaster auch noch das Endlager Gorleben beschädigt. -Es geht, wie so oft bei der Atomkraft, nur vordergründig um die Sache. Tatsächlich stehen hier Philosophien gegeneinander, Lebenswerke, Biographien. Eine Euphorie lässt sich nicht einfach stoppen. Sie wirkt fort in den Köpfen ihrer Protagonisten.

 Kühn warnt den Ausschuss davor, heute alles besser wissen zu wollen. Dass Asse II aber ein Fehler war, sagt jetzt auch er: "Ich würde auf keinen Fall mehr ein Gewinnungsbergwerk, welches 60 oder 80 Jahre in Betrieb gewesen ist, für die Endlagerung aussuchen." Epilog Im Bergwerk sind die meisten Fässer unsichtbar, versteckt unter dem Salz, das man später über sie gehäuft hat. Geschieht nichts, wird das Salz irgendwann zuwachsen, wird sich die Fässer einverleiben ai,if alle Zeit. Es wird sich um sie legen wie ein wucherndes Gewächs, während es andernorts millimeterweise wandert und die Statik des ganzen Bergwerks verändert. Gleichzeitig bahnt sich das Wasser seinen Weg durch die Südflanke. In einer Wanne wird es aufgef angen, mittlerweile 12 000 Liter am Tag.

 Tanklastwagen transportieren die Lauge ab. Woher das Grundwasser kommt, ist unbekannt. Sicher ist nur, dass es den Stein auswäscht .- und den Weg bereitet für das endgültige Absaufen der Grube.

 Also wird man die Fässer wohl entf ernen müssen. Doch wohin mit dem Müll? Es ist kein Ausweg in Sicht: Wer durch die Dörfer fährt, findet an vielen Häusern ein großes, gelbes A, es steht für "Aufpassen". Die Bewohner schauen jetzt ganz genau hin. Lange Zeit war das Thema in den Dörfern tabu, doch im vergangenen Jahr demonstrierten 15000 Menschen. Auch anderswo will man den Müll nicht haben. In Salzgitter, wo gera-~de das Endlager Schacht Konrad gebaut wird, das erste ordentliche Endlager auf deutschem Boden, wehren sich die Stadtväter gegen die Fässer aus der Vergangenheit. Günstig wird es so oder so nicht werden. Zwischen zwei und vier Milliarden Euro kostet die Bergung der Fässer, grob geschätzt. Und nur, wenn alles gutgeht.

 Es ist ein Dilemma. Walter Randig, der Erdkundelehrer, weiß auch nicht, was ihm lieber ist: Werden die Fässer geborgen, wäre das Problem an der Oberflä-che, die Laster mit den Fässern würden vielleicht auch durch sein Dorf fahren.

 Bleiben sie aber unten, lagert 750 Meter unter der Erde ein Blindgänger. Ob, wann und wie er hochgeht — das weiß keiner so genau. Und denen, die vorgeben es zu wissen, traut keiner mehr.

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Bund 19.3.10

Wirtschaft

 "Bei einem Nein hätte der Standort Mühleberg schlechtere Karten"

 Die Bevölkerung des Kantons Bern wird sich 2011 zu einem neuen Atomkraftwerk äussern können - unverbindlich. Ein Nein wäre laut BKW-Direktionspräsident Kurt Rohrbach aber ein sehr negatives Signal.

Interview: Hans Galli

 Herr Rohrbach, nach wie vor sind beim Bund drei Gesuche für neue Atomkraftwerke hängig. Mehr als zwei werden sicher nicht gebaut. Wann werden sich Alpiq, Axpo und BKW auf zwei Standorte einigen?

 Wir arbeiten nach wie vor daran.

 Haben die drei Konzerne tatsächlich noch die Absicht, sich zu einigen? Oder überlassen sie den Entscheid dem Bund?

 Die Einigung ist nach wie vor das Ziel. Es ist ja im Grunde auch beruhigend, wenn wir über drei Standorte verfügen, die infrage kommen. Alle drei Unternehmen betonen, dass sie Partnerwerke bauen werden. Die Beteiligungsverhältnisse dürften so sein, dass wir in der Stromproduktion ungefähr dieselben Positionen haben werden wie heute. Wer ein AKW zuerst ausser Betrieb nehmen muss, wird einen gewissen Vorrang erhalten für den Ersatz der stillgelegten Menge.

 Im Kanton Bern ist bereits im ersten Halbjahr 2011 eine Konsultativabstimmung geplant. Es geht um die Vernehmlassung zur Rahmenbewilligung für Mühleberg. Haben Sie Angst vor diesem Volksentscheid?

 Nein. Unsere Aufgabe wird sein, die Bevölkerung umfassend zu informieren. Wir müssen die Zusammenhänge aufzeigen sowie die Auswirkungen sowohl eines Ja als auch eines Neins. Wenn uns dies gelingt, habe ich keine Angst vor der Abstimmung.

 Sind Sie überzeugt, dass das Berner Volk Ja sagen wird?

 Wenn wir nicht überzeugt wären, müssten wir unsere Planungsarbeiten einstellen.

 Angenommen, das Volk sagt trotzdem Nein - was passiert dann? Wird die BKW Energie AG ihre Pläne für ein neues AKW Mühleberg bei einem Nein schubladisieren, obwohl es sich nur um eine Konsultativabstimmung gehandelt hat?

 Das entscheiden wir nicht im Voraus. Aber bei einem Nein oder gar einem klaren Nein hätte der Standort Mühleberg deutlich schlechtere Karten, das ist klar.

 Falls in Mühleberg nicht gebaut werden kann: Wird sich die BKW dann einfach stärker an einem neuen AKW im aargauischen Beznau oder im solothurnischen Gösgen beteiligen?

 Das ist ein mögliches Szenario.

 Spielt es für die BKW überhaupt eine Rolle, ob in Mühleberg gebaut wird?

 Natürlich spielt es eine Rolle. Bei einem neuen Werk in Mühleberg werden wir bei der Projektierung stärker in Erscheinung treten. Weiter geht es darum, ob wir in unserem Versorgungsgebiet ein paar Hundert Arbeitsplätze mehr oder weniger haben werden und ob wir in unserem Versorgungsgebiet eigenen Strom haben werden. Wir haben grosses Interesse daran, dass "Mühleberg" in Mühleberg ersetzt werden kann.

 Wie ist es aber beim Netz? Ohne AKW wären in Mühleberg keine derart starken Leitungen nötig wie heute.

 Wir benötigen in der Nähe von Bern auf jeden Fall einen Knotenpunkt im Netz. Natürlich ist es viel effizienter, wenn es dort auch einen Einspeisepunkt für den Strom gibt. Das Netz wäre aber keineswegs entwertet, auch wenn es da kein KKW mehr gäbe.

 Wie gross wäre die Wertschöpfung des neuen AKWs Mühleberg für den Kanton Bern?

 Es wird mehrere Hundert Arbeitsplätze geben. Das heutige Werk bietet rund 300 Stellen an. Beim Ersatzwerk werden es sicher mehr sein. Diese Zahl der direkten Arbeitsplätze kann man mit 2,5 multiplizieren, da ja auch in Zulieferbetrieben nachhaltige Stellen geschaffen werden. In der Bauphase werden es noch viele zusätzliche Arbeitsplätze sein. Ein Teil der Angestellten dürfte möglicherweise auch in den Kantonen Freiburg und Waadt wohnen.

 Kürzlich gab es Schlagzeilen rund um die künftigen Steuern und um die Steuerteilung zwischen den Gemeinden. Wie hoch wird das Steueraufkommen des neuen Werks sein?

 Wir wissen es heute nicht. Die direkten Steuern des AKWs sind das eine. Wichtig sind auch die Einkommenssteuern der Angestellten an deren Wohnort.

 Wären die Abschreibungen auf dem alten Standort Mühleberg wesentlich höher, falls es kein neues Werk gäbe?

 Nein, es gibt keine zusätzlichen Abschreibungen. Die Anlage ist ja seit 1972 in Betrieb und wir gehen von einer Betriebsdauer von rund 50 Jahren aus. Mit der Stilllegung wird sie zurückgebaut werden. Dafür bilden wir Rückstellungen unter anderem auch im Stilllegungs- und Entsorgungsfonds. Am Schluss haben wir dort, wo das AKW jetzt steht, wieder grüne Wiese. Daran ändert sich nichts, ob ein neues Werk gebaut wird oder nicht. Wenn ein neues Werk gebaut wird, ist der Rückbau des bestehenden insofern einfacher, als die gleiche Erschliessung benutzt werden kann.