MEDIENSPIEGEL 10.4.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo)
- RaBe-Info 9.4.10
- Grosse Schanze: City-Beach ab Juni
- Police BE: Kein Presserats-Verfahren gegen WoZ-Journi
- Squat Biel: die 2. Woche an der Neuengasse 9
- Antifa: Prozess Biglen; Nachlese Antifa-Demo
Grosshöchstetten
- Antira: Demo gegen Molino SA in Fribourg am 24.4.10
- 1. Mai Lausanne
- 1. Mai Zureich: Regentanz von oben; RAF-Polemik
- Undercover-Verbot: Polizei beklagt sich
- Delta Security an FCB-Spiel in ZH
- LU verbietet Choreos nicht
- Schnüffelstaat: Basel kontrolliert Bund
- Asyl/Sans-Papiers: Gesundheitsberatung BS; Illegal in SG
- Neonazis Schweden: Auschwitz-Schild-Klauer ausgeliefert
- Gipfel-Soli-News 9.4.10
- Kinoleben BE: Raubritter-Kapitalismus
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REITSCHULE
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Sa 10.04.10
20.30 Uhr - Tojo - "Alleinsein ist immer zu kurz" ein
Stück
über Annemarie von Matt. Regie: Lilian Naef. Mit: Stine Durrer
21.00 Uhr - Kino - "Fressen und gefressen werden?": The
Rocky Horror
Picture Show, Jim Sharman, USA/UK 1975
22.00 Uhr - Dachstock - Sophie Hunger (CH) & Band,
Support: George
Vaine
22.00 Uhr - SousLePont - Budget Boozers (Garage Trash
Rock'n'Roll),
Support: Shady & the Vamp (Garage Punk) und Sonic Angels (Garage
Rock'nRoll)
So 11.04.10
21.00 Uhr - Dachstock - ISWHAT?!
(Hyena/Discograph/Alive/USA), feat.
Napoleon Maddox (Rap/BeatBox), Brent Olds (Bass), Cocheme'a Gastelum
(Sax), Hamid Drake (Drums)
Infos: http://www.reitschule.ch
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kulturstattbern.derbund.ch 10.4.10
Nicolette Kretz am Samstag den 10. April 2010 um 07:00 Uhr
"Werde nächstens Geheimsitzung mit mir abzuhalten
nötig haben"
Ich hatte bis gestern Abend nur ein sehr diffuses Bild von
Annemarie
von Matt. Und nun, seit ich "Alleinsein ist immer zu kurz" von Liliane
Naef und Stine Durrer gesehen hab, ist es auch nicht viel klarer. Aber
ich konnte eine Stunde lange ihre eigenwilligen Gedichte, Aphorismen
und Tagebucheinträge geniessen und eine wenig in eine schräge
Welt einer verschrobenen Künstlerin eintauchen.
Von Matt erlebte in den 1930er und 40er Jahren einige Erfolge
mit ihren
Kunstwerken: Objekte, Bilder, Zeichnungen. Sie war stets eine selbst
gewählte Aussenseiterin, deren grösstes Vergnügen es
war, alleine zu sein. Sie war mit dem Bildhauer Hans von Matt
verheiratet, begann aber ein geheimes Verhältnis mit einem
Jesuitenpater. Und ausgerechnet sie, die sagte "Langeweile entsteht
erst ab zwei Personen, allein gibt es das nie," ging an dieser Liebe
zugrund.
Naef (Konzept und Regie) und Durrer (Idee und Spiel) stellen aus
den
Texten und dem visuellen Material von Matts eine ruhige Collage
zusammen. Texteinspielungen ab Band aus Berichten von Bekannten von
Matts ergänzen das Bild dieser eigentümlichen Frau. Durrer
wurstelt das ganze Stück durch mit Zetteln, Papiertüten,
Flaschen und sonstigen Gegenständen rum, und erst ganz zum Schluss
erkennt man, dass sie damit die ganze Bühne in ein grosses Bild
verwandelt hat.
"Freue mich, wenn ihr Einblick tun werdet, eines Tages, in meine
Unterwelt," schrieb die Künstlerin einst. Das tut man gern, auch
wenn es stets ein bisschen schmerzt.
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RABE-INFO
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Fr. 9. April 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._April_2010.mp3
- Der Dalai Lama ist in der Schweiz- doch diese will ihn nicht
offiziell empfangen
- Palmölplantagen statt Regenwald- Greenpace kristisert
Nestlé
- Zusammen Chancengleichheit erwerben- interkulturelle Kinder-
Projekte
gesucht
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GROSSE SCHANZE
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BZ 10.4.10
City-Beach
Ab Juni Strandleben an Berns Stadtstrand
Das Projekt City-Beach auf der Grossen Schanze ist auf
guten
Wegen. Kanton und Veranstalter sind sich bis auf wenige Details einig.
Liegestühle, Sonnenschirme und ein Pool - ab Anfang
Juni
soll die Einsteinterrasse am Rand der Grossen Schanze zu einem
Stadtstrand werden. "Das Projekt ist auf guten Wegen", bestätigte
gestern Michael Achermann, Geschäftsführer der City-Beach AG.
Nach Startschwierigkeiten sieht es nun so aus, als ob die Luzerner
Eventagentur in Bern einen City-Beach einrichten könnte.
Uni hatte Zweifel
Als die Pläne für den Stadtstrand publik
geworden
waren, äusserte vorab die Universitätsleitung Zweifel, ob das
Strandleben mit dem Uni-Betrieb kompatibel sei (wir berichteten).
Grundeigentümer der Einsteinterrasse ist der Kanton. Wie Christian
Albrecht, Generalsekretär der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion
(BVE), gestern sagte, liegt nun ein Entwurf für eine
Nutzungsvereinbarung zwischen dem Kanton und der City-Beach AG vor.
Gewisse Details müssen aber von der Veranstalterin
noch
bereinigt werden. "Wir müssen noch einen Situationsplan mit den
Zufahrten für die Feuerwehr sowie den Notausgängen
einreichen", sagt der City-Beach-Geschäftsführer. Er ist
zuversichtlich, dass sich alle offenen Fragen klären werden. Denn:
"Wir haben immer unsere Bereitschaft signalisiert, unseren Betrieb auf
denjenigen der Uni und des Open-air-Kinos abzustimmen."
Wann es genau losgeht, kann Achermann noch nicht sagen.
"Das
Startdatum ist abhängig davon, wann die Uni-Prüfungen vorbei
sind."
Mirjam Messerli
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POLICE BE
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Bund 10.4.10
Presserat
Kein Verfahren gegen "WOZ"-Journalisten
(sda) (pkb)
In einem Artikel unter dem Titel "Der Polizist und seine
,Nigger
hat ein Journalist der "Wochenzeitung" einen Drogenfahnder der Berner
Kantonspolizei im Bild gezeigt und mit Namen genannt. Der Polizist habe
sich mehrere rassistische Übergriffe zuschulden kommen lassen.
Dagegen hat die Polizei eine Beschwerde eingereicht. Der Presserat ist
nicht darauf eingetreten: Weil eine Zivilklage wegen Verletzung der
Persönlichkeitsrechte anstehe, sei die Durchführung zweier
paralleler Verfahren nicht sinnvoll. (lok)
---
presserat.ch 19.3.10
Nr. 9/2010: Presserats- und Gerichtsverfahren (Kantonspolizei
Bern c.
"Wochenzeitung") Stellungnahme des Presserates vom 19. März 2010
I. Sachverhalt
A. Unter dem Titel "Der Polizist und seine ‹Nigger›"
veröffentlichte die "WochenZeitung" am 17. Dezember 2009 einen
Artikel von Dinu Gautier. Der Bericht erhob gegen einen darin
namentlich genannten Drogenfahnder der Berner Kantonspolizei den
Vorwurf, dieser habe sich mehrfach rassistische Übergriffe
zuschulden kommen lassen. Der Betroffene sei auch politisch aktiv. Als
Mitglied der Jungen SVP habe er 2007 den Nationalratswahlkampf der
Kantonalsektion geleitet.
B. Am 26. Januar 2010 richtete der Kommandant der Berner
Kantonspolizei, Stefan Blättler, eine Beschwerde gegen den
obengenannten Bericht der "WochenZeitung" an den Presserat. Die Zeitung
habe die Persönlichkeitsrechte eines Mitarbeiters durch die
Nennung des Namens und den Abdruck eines Bilds wissentlich und
willentlich verletzt. Ergänzend wies der Beschwerdeführer
darauf hin, die Persönlichkeitsverletzung werde spätestens
Ende Februar 2010 klageweise beim zuständigen Zivilgericht geltend
gemacht.
C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements des
Presserats werden Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt,
vom Presseratspräsidium behandelt.
D. Das Presseratspräsidium bestehend aus
Presseratspräsident
Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und
Vizepräsident Edy Salmina hat die vorliegende Stellungnahme per
19. März 2010 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss Art. 10 Abs. 2 seines Geschäftsreglements
kann der
Presserat auch dann auf Beschwerden eintreten, wenn im Zusammenhang mit
dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet
worden ist oder ein solches vom Beschwerdeführer noch
anhängig gemacht werden soll. Vorauszusetzen ist allerdings, dass
sich im konkreten Fall grundlegende berufsethische Fragen stellen.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Beschwerde
grundlegende
berufsethische Fragen aufwirft, berücksichtigt der Presserat nicht
allein die als verletzt gerügten abstrakten berufsethischen
Bestimmungen, sondern den konkret zur Diskussion stehenden Sachverhalt
in Verbindung mit diesen Bestimmungen. Ebenso fällt bei der durch
den Presserat vorzunehmenden Interessenabwägung ins Gewicht,
inwiefern es von der Bedeutung der Sache her gerechtfertigt erscheint,
zu einem identischen oder zumindest ähnlichen Sachverhalt zwei
parallele Verfahren durchzuführen. Beanstandet der
Beschwerdeführer im parallel hängigen Gerichtsverfahren
weitgehend die gleichen Punkte wie in der Presseratsbeschwerde, ist
diese Doppelspurigkeit aus Sicht des Presserates in aller Regel nicht
gerechtfertigt (46/2007).
3. Bei der vom Beschwerdeführer angekündigten
Zivilklage
wegen Verletzung der Persönlichkeit stellen sich im Wesentlichen
die gleichen Fragen wie im Presseratsverfahren. Insbesondere: War die
Nennung des vollen Namens des Beschwerdeführers und seiner
Verurteilung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse
gerechtfertigt? Unter diesen Umständen ist die Durchführung
zweier paralleler Verfahren nach Auffassung des Presserates nicht
sinnvoll, weshalb er auf die Beschwerde nicht eintritt.
III. Feststellungen
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.
---
WoZ 17.12.09
Rassismus - Ein minderjähriger Asylbewerber erhebt schwere
Misshandlungsvorwürfe gegen einen Berner Drogenfahnder. Der
Polizist ist Sicherheitspolitiker der Jungen SVP.
Der Polizist und seine "Nigger”
Von Dinu Gautier
Er sei gefesselt und anschliessend auf dem Polizeiposten
verprügelt worden, erzählt ein sechzehnjähriger
Asylbewerber aus Bern. Nachdem er drei Tage im Spital lag, erstattete
er Anzeige. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Berner Kantonspolizist
rassistischer Übergriffe bezichtigt wird. Im Frühling
berichtete etwa der "Beobachter” von einem ähnlichen Fall.
Die WOZ weiss: In beiden Fällen wird derselbe Polizist
beschuldigt. Er heisst Andreas Wicki. Unter Schwarzen in Bern geniesst
er einen dermassen zweifelhaften Ruf, dass er einen Übernamen
erhalten hat: Wicked Wicki (der boshafte Wicki).
Der Dreissigjährige ist Drogenfahnder in der speziellen
Einsatzgruppe Krokus der Kantonspolizei Bern. Krokus soll das Entstehen
einer offenen Drogenszene verhindern und den Drogenhandel
bekämpfen. Wicki ist auch politisch aktiv. Das Mitglied der Jungen
SVP (JSVP) leitete 2007 den Nationalratswahlkampf der Kantonalsektion.
Bei der Nominierung für die Wahl landete er auf Rang drei der
JSVP-Liste. Er war zudem Präsident der JSVP-Sicherheitskommission.
Seine Forderungen? "Kriminelle Ausländer raus!”, "Aussetzung von
Kopfgeld auf Sprayer!”. Wickis ausländerpolitische Ansichten sind
in einem online zugänglichen Positionspapier nachzulesen. Ein
Auszug: "Jedes Jahr wird ein Heer von Sozialarbeitern, Schul- und
anderen Psychologen generiert, welche ausländische Schläger,
Vergewaltiger, Erpresser und halbstarke Schulhofterroristen bei Kaffee
und Kuchen ins Bodenlose therapieren sollen. Solche Streicheltherapien
sind für brutale Schläger, welche oftmals aus Ländern
stammen, in denen Gewalt zur Tagesordnung gehört, eine Lachnummer.”
Heute beschränke sich Wickis aktives politisches Engagement
auf
einen Sitz in der Parteikommission Polizei und Militär. Er wolle
sich zusehends aus der aktiven Politik zurückziehen, wie er der
WOZ telefonisch versicherte. Dies aus familiären und zeitlichen
Gründen und weil "ein gewisser Interessenkonflikt mit dem
Polizeiberuf” bestehe.
"Gefesselt, geschlagen, getreten”
Wir sitzen in einem Zimmer des Durchgangszentrums Enggistein,
oberhalb
von Worb bei Bern. Lamine S. (Name der Redaktion bekannt) ist von
kräftigem Körperbau, etwas schüchtern sein Blick. Ruhig
beginnt der sechzehnjährige Asylbewerber aus Gambia zu schildern,
was er am Abend des 3. Oktober erlebt haben will. Er habe einen
Kollegen in Freiburg besuchen wollen, erzählt Lamine, beim
Besteigen des Zugs sei er aber von zwei Polizisten angehalten worden.
"Ausweiskontrolle!”. Lamine darf sich nicht in der Stadt Bern
aufhalten. "Sie brachten mich zum Bahnhofposten. Solange wir unter
Leuten waren, haben sie mich anständig behandelt”, so Lamine. "Als
wir aber den Posten betraten, wurde ich getreten und fiel auf den
Boden.” Sofort seien seine Arme auf den Rücken gefesselt worden.
Die beiden Polizisten hätten angefangen, ihn zu prügeln und
zu treten. "Switzerland is not for motherfucking African people”, die
Schweiz sei nicht für gottverdammte Afrikaner da, oder "Berne
doesn't welcome niggers” (in Bern sind Neger nicht willkommen), sei ihm
gesagt worden, so Lamine.
"Ein weiterer Polizist und eine Polizistin waren am Essen und
schauten
zu. Sie lachten.” Dann sei er hart am Auge getroffen worden und habe
stark aus der Nase zu bluten begonnen. "Now you are one eye, Lamine” -
"Jetzt bist du ein Einauge, Lamine”, soll der Polizist Andreas Wicki in
spöttischem Ton gesagt haben. Lamine kennt dessen Namen von einer
früheren "Begegnung”.
Stark blutend sei er an einen Tisch gesetzt worden, sagt der
junge
Mann. Um das von Auge und Nase tropfende Blut aufzufangen, sei seine
Baseballmütze unter seinem Kinn platziert worden. Die mit Blut
vollgesogene Mütze habe Andreas Wicki später im Papierkorb
entsorgt. "Ich habe geweint. Wicki sagte: ‹Hör auf zu heulen,
sonst lassen wir dich nicht raus.›” Wieder habe es Schläge
gesetzt, dann sei ihm gesagt worden, er solle seine Nase waschen und
nach Hause gehen. "Ich sagte, in dem Zustand könne ich nicht nach
Hause.” Schliesslich hätten die Polizisten beschlossen, ihn ins
Inselspital zu fahren. Als sie bereits im Polizeiauto sassen, seien
draussen ein paar Afrikaner vorbeigegangen. Wicki habe seinem Kollegen
auf Englisch gesagt: "Da hat es noch mehr Neger, lass sie uns
schnappen.” Der zweite Polizist habe ihn aber zuerst ins Spital bringen
wollen, so Lamine. Wicki habe dann - noch immer auf Englisch - gesagt,
den "Niggers” würde er dann halt später die Hände
brechen.
In der Notaufnahme des Inselspitals angekommen, hätten die
Polizisten dem Mann am Empfang gesagt, Lamine sei weggerannt und
gestürzt, daher die Verletzungen. Der Mann habe ungläubig
geguckt, sagt Lamine. Die Polizisten hätten sich vor dem
eintreffenden Arzt zivilisiert verhalten, aber sobald der mal kurz das
Behandlungszimmer verlassen habe, hätten sie wieder begonnen, ihn
zu verspotten.
Rätselhafter Sturz
Lamine wird am Auge operiert. Die Diagnose laut Unterlagen des
Inselspitals, die der WOZ vorliegen: Gebrochener Orbitalboden (der
Knochen direkt unter dem Auge) mit eingeklemmtem Fettgewebe, starke
Schwellung unter dem Auge, Blut in der Nasennebenhöhle, beidseitig
Prellungen am Brustkorb. Der Kollege von Wicki wird später auch
vor dem Untersuchungsrichter behaupten, Lamine sei bei einer
Verfolgungsjagd gestürzt. Die Frage, wie man sich bei einem Sturz
so stark am rechten Auge verletzen und sich gleichzeitig an beiden
Seiten des Brustkorbes Prellungen zuziehen könne, bleibt bislang
unbeantwortet.
Nach drei Tagen Spitalaufenthalt wird Lamine mit noch immer
stark
geschwollenem Auge, einem Schnäuzverbot und Rezepten für
diverse Schmerzmittel aus dem Spital entlassen.
Lamine S. ist vorbestraft. Er soll mit Cannabis gehandelt haben.
Darauf
angesprochen sagt er, er deale nicht, er sei lediglich Konsument. "Aber
selbst Drogendealer haben doch ein Recht darauf, dem Gesetz
entsprechend behandelt zu werden.” Lamine, der ohne seine Eltern via
Kanarische Inseln in die Schweiz gelangt ist (vgl. den Artikel auf
Seite 6 über unbegleitete minderjährige Asylsuchende) reichte
in der Folge mit Hilfe der Menschenrechtsgruppe Augenauf Bern eine
Anzeige gegen Andreas Wicki und dessen Kollegen ein.
Für Paed Conca von Augenauf ist Lamine kein
"Unschuldslamm”,
sondern ein Jugendlicher, der auch mal "Seich” mache. "Dennoch
schätzten wir seine Aussage - leider - als sehr glaubwürdig
ein, weil wir schon relativ viele Erfahrungen in dem Bereich gemacht
haben.” Dieser Polizist sei bereits an vielen ähnlichen
Geschichten beteiligt gewesen, so Conca.
Nicht die erste Anzeige
Einen dieser Vorfälle hat ein Betroffener zusammen mit
Augenauf
bereits vor Monaten angezeigt. Ein 27-jähriger Schweizer mit
dunkler Hautfarbe wirft Andreas Wicki unter anderem vor, er habe ihn im
Rahmen einer Personenkontrolle im September 2008 geschlagen und
getreten. Ausserdem habe er ihn rassistisch beschimpft ("Schwarze
können doch gar keine Schweizer sein”) und ihm einen falschen
(positiven) Kokainschnelltest untergejubelt. Als sich der Mann nur eine
Stunde nach der Polizeikontrolle ärztlich beaufsichtigt erneut auf
Drogenkonsum habe testen lassen, sei der Test negativ ausgefallen,
schrieb der "Beobachter” im Frühling.
In diesem Fall ist die Voruntersuchung inzwischen abgeschlossen,
wie
Untersuchungsrichter Thomas Perler auf Anfrage der WOZ bestätigt.
Der Fall liege nun beim Strafeinzelgericht. Der Fall Lamine S. befinde
sich hingegen noch im Stadium der Voruntersuchung. "Es ist sehr
wahrscheinlich, dass die beiden Verfahren aus Gründen der
Prozessökonomie zusammengelegt werden.” Mit einer Hauptverhandlung
sei frühestens im Frühling zu rechnen, so der
Untersuchungsrichter.
Das ist aber noch nicht alles, was Wicki vorgeworfen wird: Paed
Conca
weiss von weiteren Verfahren gegen Wicki, die aus Mangel an Beweisen
bereits eingestellt worden seien. "Innerhalb eines Polizeipostens gibt
es keine unabhängigen Zeugen”, so Conca zur Beweislage. Polizisten
würden sowieso kaum je verurteilt.
Drei weitere Fälle
Eine ehemalige Mitarbeiterin eines Durchgangszentrums, die
namentlich
nicht genannt werden will, sagt der WOZ: "Ich erinnere mich an drei
afrikanische Asylsuchende, die diesen Frühling unabhängig
voneinander von Vorfällen mit Andreas Wicki erzählt haben.”
So sei etwa ein Asylbewerber aus dem Kongo mit einer geringen Menge
Cannabis erwischt worden. "Hey Neger, weisst du nicht, dass ich schwul
bin? Zieh dich aus!”, habe Andreas Wicki bei der anschliessenden
Leibesvisitation auf dem Polizeiposten gesagt. Weiter habe er dem
Kongolesen klar gemacht, dass er dafür sorgen werde, dass dieser
keinen Schritt mehr in die Stadt wagen würde.
Sie habe daraufhin das Gespräch mit der Polizei gesucht,
mit dem
Ziel, die se Vorwürfe zur Sprache zu bringen. "Es ging mir nicht
darum, kriminelles Handeln zu legitimieren, sondern um die Frage der
Verhältnismässigkeit, des grundsätzlichen Respekts und
um die Erhaltung der Würde eines Menschen”, so die ehemalige
Mitarbeiterin des Durchgangszentrums. Sicherlich werde oft
übertrieben oder sogar gelogen. Was sie aber an diesen Geschichten
nachdenklich gestimmt habe, sei, dass alle drei unabhängig
voneinander ähnliche Sachverhalte dargelegt hätten. Ein
Gespräch mit dem Regionalchef der Kantonspolizei und dem Chef der
Sondereinsatzgruppe Krokus habe dann auch stattgefunden. Sie habe die
Polizeikader gebeten, mit Herrn Wicki das Gespräch zu suchen, was
diese später auch getan hätten.
Die WOZ konfrontierte Andreas Wicki telefonisch mit den
Vorwürfen.
Wicki antwortete in freundlichem, gelassenem Ton: "Die Darstellung der
Ereignisse in der Anzeige von Lamine S. weicht grob von dem ab, was am
3. Oktober tatsächlich vorgefallen ist. Was wirklich geschehen
ist, wird sich vor Gericht zeigen.” Mehr könne er zu den konkreten
Fällen nicht sagen, da es sich um laufende Verfahren handle.
Allgemein könne er sagen, dass er noch nie jemanden rassistisch
beschimpft habe. "Wenn man im schwierigen Bereich des Kampfes gegen den
Drogenhandel tätig ist, kann es sein, dass es zu Anzeigen kommt”,
so der Polizist. Er betont: "Meine Vorgesetzten stützen mich.”
Erich Hess, Präsident der JSVP, hält Andreas Wicki
für
ein "gutes Parteimitglied, das viel gemacht hat und differenziert
argumentiert”. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten und Andreas
Wicki verurteilt werden, würde er dann aus der Partei
ausgeschlossen? Erich Hess: "Nein. Er wäre als Mitglied auf jeden
Fall noch tragbar. Für einen Polizisten ist es doch immer
schwierig, korrekt zu handeln.”
Belastete Krokusse
Die Kantonspolizei wiederum will sich zu "laufenden Verfahren”
nicht
äussern, unterstreicht aber, dass sie "im Wissen um das
unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Menschen anderer Kulturen
immer wieder interkulturelle Ausbildungen durchführt”. Die
Einsatzgruppe Krokus arbeite in einem sehr schwierigen, belastenden
Umfeld. "Einerseits werden die Mitarbeitenden täglich mit dem
Drogen elend konfrontiert, andererseits haben sie es immer wieder mit
sich äusserst aggressiv verhaltenden Drogendealern zu tun”,
schreibt Pressesprecher Franz Märki weiter. Deswegen würden
PolizistInnen nie längere Zeit in der Einsatzgruppe verweilen. Den
seltenen Klagen zu Krokus-Einsätzen gehe man sorgfältig nach.
Paed Conca von Augenauf wiederum wünscht sich, dass korrekt
arbeitende PolizeibeamtInnen künftig eingreifen, wenn sie Zeuge
von "Kompetenzüberschreitungen, Gewalt oder rassistischen
Äusserungen” eines Kollegen würden. "Und Andreas Wicki
müsste zumindest ins Büro versetzt werden.”
--
"Zielgruppe” Schwarze
Amnesty International hob in ihrem 2007 erschienenen Bericht
"Polizei,
Justiz und Menschenrechte - Polizeipraxis und Menschenrechte in der
Schweiz” fünf besondere Zielgruppen willkürlicher Polizei
einsätze hervor, darunter Asylsuchende und Schwarze. Amnesty
kritisierte, dass einige Polizeikorps noch immer das "Täterprofil
aufgrund der Rassenzugehörigkeit” einsetzten. So würden
Personen allein aufgrund ihrer (dunklen) Hautfarbe und ihrer
Präsenz in bestimmten Quartieren angehalten. Einer besonders hohen
Willkür gefahr sind schwarze Asylsuchende ausgesetzt, gehören
sie doch gleich zwei Zielgruppen an.
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SQUAT BIEL
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Indymedia 9.4.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/04/74900.shtml
(mit Fotos)
Besetzung in Biel geht weiter/Programm 2te Woche ::
AutorIn : Freies Fabrikgässli
Seit letztem Dienstag ist das Haus an der Neuengasse 9 (nicht 7)
nun
besetzt. Alle angekündigte Kurse wurden durchgeführt und eine
Dynamik setzt sich langsam in Gang. Es braucht aber immer noch mehr
Leute um ein langfristiges Projekt auf die Beine zu stellen.
Von der Besitzerin, der Stadt Biel kam bis jetzt noch keine
Nachricht,
nur der Stadtpräsident Stöckli ist kurz vorbeigekommen.
Programm der anti-autoritären Bildungswerkstatt
Woche vom 12. bis zum 18. April
Neuengasse 9/Biel
Mo. 12.04 18 Uhr: Jonglieren für Anfänger
Di. 13.04 17 Uhr: PGP, verschlüsseln, Datenschutz im Netz,
wie
geht das? Informatiker anwesend
Mi. 14.04 13 Uhr: Malfest-Jam
20 Uhr: Vokü und Bistro (regelmässig)
Do. 15.04 15 Uhr: Diskussion über Sexismus + Patriarchat
17 Uhr: Thai-Box Training (regelmässig)
Fr. 16.04 18 Uhr: Rythmik-kurs/ Trommeln
So. 18.04 15 Uhr LaBlatt' Soli-Frühlingsfest auf der Wiese
vor dem
Haus, im freien Fabrikgässli!
Kontakt: craaduc@gmx.ch
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ANTIFA
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Bund 10.4.10
Rechtsradikale wegen Tätlichkeiten vor Gericht
Ein Angriff Rechtsradikaler auf Linke beschäftigt die
Justiz; zwei angeschuldigte Schweizer aus dem Pnos-Umfeld verstrickten
sich gestern vor dem Einzelrichter in Widersprüche. — Seite 33
--
"Für späte linke Abendunterhaltung ist gesorgt"
Zwei junge Rechtsextreme stehen wegen einer
Schlägerei mit
Linksextremen in Biglen vor Gericht.
Anita Bachmann
Beim Vereinshaus der Ornithologen am Rand eines kleinen
Wäldchens bei Biglen trafen sich in der Nacht auf den 3. Mai 2009
Leute zu einem antifaschistischen Bräteln. Um Mitternacht warteten
zwei Punks den letzten Zug am Bahnhof Biglen ab. Dabei wurde ein
17-Jähriger von rechtsextremen Personen angegriffen, die mit
Baseballschlägern ausgerüstet waren. Der junge Mann aus der
linken Szene lieferte sich einen Kampf mit den Rechtsextremen, wobei er
verletzt wurde, und flüchtete schliesslich zurück zu seinen
Kollegen ans Fest. Diese eilten ihm zu Hilfe, und es kam zwischen den
beiden Gruppierungen zu einer Schlägerei. Die Polizei nahm vor Ort
zwei junge Männer aus der rechtsextremen Szene fest. Die beiden
mussten gestern erstmals vor dem Kreisgericht Konolfingen erscheinen.
"Ich kann die Zeugenaussagen nicht ernst nehmen", sagte der
20-jährige angeklagte Schweizer. Die beiden streiten alles ab.
Das Treffen der Linksextremen habe unter dem Motto "Kick
out
Pnos" stattgefunden. Davon habe er sich persönlich betroffen
gefühlt, sagte der 20-Jährige zur Begründung, warum er
an diesem Abend in Biglen war. Zudem habe er diese Leute zur Rede
stellen wollen, weil sie "Vandalenakte" begehen würden und auch
sein Haus versprayt hätten. Gemäss dem Angeklagten hat er
sich weder an einem Handgemenge beteiligt noch einen Linksextremen
verfolgt. Er sei lediglich einer Person gefolgt, weil er nicht genau
gewusst habe, wo das Fest stattfinde.
"Es braucht mehr Zeugen"
Vor Gericht stritt er auch ab, mit seinem Mitangeklagten,
einem
23-jährigen Schweizer, in Biglen abgemacht zu haben. Der Text in
einer SMS vom 23-Jährigen - "für späte linke
Abendunterhaltung ist gesorgt" - beziehe sich auf die
Sachbeschädigungen, welche die Linken an diesem Abend in Biglen
bestimmt angerichtet hätten. Der 23-Jährige versuchte mit
seinen Aussagen seinen Mitangeklagten zu decken. Immerhin sagte er aber
zum Umstand, dass er einem Linksextremen Richtung Fest gefolgt war:
"Heute würde ich es nicht mehr machen." Nebst den Anschuldigungen
der einfachen Körperverletzung und des Angriffs muss sich der
ältere Angeklagte wegen Gewaltvideos und Pornografie, die er auf
seinem Handy abgespeichert hatte, verantworten.
"Es ist klar, dass es weitere Zeugen braucht", sagte
Gerichtspräsident Marci Ferrari. An der Hauptverhandlung, die
voraussichtlich am 6. Mai stattfinden soll, werde unter anderen auch
das Opfer aussagen.
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BZ 10.4.10
Gericht
Bigler Schlägerei ungeklärt
Wer schlug in Biglen vor bald einem Jahr zu? Das
Kreisgericht in
Schlosswil hat zwei Angeschuldigte erfolglos befragt.
Mai 2009: Linksextreme rufen im Internet zu einer "Kick
out
Pnos"-Party in Biglen auf. Am Bahnhof werden sie von Rechtsextremen
erwartet. Die Umstände, unter denen ein 16-jähriger Linker
damals mit einem Baseballschläger spitalreif geprügelt worden
war, konnten gestern vor dem Kreisgericht Schlosswil nicht geklärt
werden. Die beiden Angeschuldigten, ein 21- und ein 23-Jähriger,
wollen wenig bis nichts mitgekriegt haben und verwickelten sich in
Widersprüche.
Gerichtspräsident Marco Ferrari liess die jungen
Männer
die Ereignisse aus ihrer Sicht schildern. Der 21-Jährige ist
bereits vorbestraft wegen Fahrens trotz entzogenem Führerausweis
und in angetrunkenem Zustand. Der Mann in der rot-schwarz karierten
Kapuzenjacke gab sich wortkarg. Seine Beschreibung des Maiabends war
kurz und so leise, dass auch Ferrari mehrmals nachfragen musste. Er
habe auf linksextremen Websites von der geplanten "Kick out Pnos"-Party
erfahren. Weil er sich über die im Vorfeld verübten linken
Sprayereien und Vandalenakte geärgert habe, habe er mit den Linken
reden wollen. Wie genau dieses "Reden" vor sich ging und ob der
21-Jährige allein oder mit dem Mitangeschuldigten einem
flüchtenden Linken nachjagte, ist noch nicht geklärt. Der
Jüngere sagte aus, er sei dem Mann nur gefolgt - nicht nachgerannt
-, um zu sehen, wo das Fest stattfinde. Er sei allein gewesen, habe
sich mit niemandem verabredet und die Linken einzig verbal
aufgefordert, "endlich mit dem Sprayen und den Vandalenakten
aufzuhören".
"Der Nazi von Biglen"
Der Gerichtspräsident konfrontiert ihn mit einer SMS,
die
die Angeschuldigten und andere Beteiligte damals erhalten hatten: "Der
Nazi von Biglen lädt zum antifaschistischen Bräteln. Für
Speis und Trank sowie späte (linke) Abendunterhaltung ist
gesorgt." Der Angeschuldigte meinte, das sei nicht so ernst zu nehmen.
Und einen Baseballschläger habe er nur zur Verteidigung
mitgenommen. "Wir erwarteten 40 bis 50 Linke." Den
Baseballschläger hatte er weggeworfen, als ihn die Polizei
festgenommen hatte. "Mir ist bewusst, dass man keinen
Baseballschläger mit sich führen darf." Es sei beim Bahnhof
zu einem Handgemenge mit einem Linken gekommen, aber in eine
Schlägerei sei er nicht verwickelt gewesen, behauptete der
Angeschuldigte. Konfrontiert mit Aussagen von Zeugen, die ihn erkannt
und gesehen haben wollen, dass er Bierflaschen geworfen hatte, konterte
er: "Ich nehme solche Zeugenaussagen nicht ernst."
Gedächtnislücken
Der 23-Jährige, auch er vorbestraft wegen Fahrens in
angetrunkenem Zustand, gab sich ebenfalls wortkarg. Er zog seine
schwarze Kapuzenjacke aus, bevor er sich den Fragen des
Gerichtspräsidenten stellte. Ja, auch er habe die Nazi-SMS
erhalten. Am Bahnhof habe er Linksextreme gesehen, mit denen es zu
Diskussionen gekommen sei. Aber mehr könne er nicht sagen, da
setze sein Gedächtnis aus. Auf einem Feld habe es im Dunkeln ein
Handgemenge gegeben. "Plötzlich kam aber die Polizei, und ich lag
am Boden."
Warum er den Linken verfolgt habe, wisse er nicht mehr.
"Ich
würde es heute nicht mehr tun", sagte der 23-Jährige. Zu den
Zeugenaussagen in den Akten meinte er nur, es sei ja "normal", dass die
Gegenseite so und nicht anders aussage. "Die wollen ja, dass wir
verurteilt werden."
Gerichtspräsident Marco Ferrari wird im Mai nun noch
Zeugen
und den Geschädigten vernehmen, bevor er das Urteil fällt. Er
machte die Beschuldigten darauf aufmerksam, dass auch sie Zeugen
aufbieten können.
Laura Fehlmann
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Bund 10.4.10
Extremismus in der Region Konolfingen
Demo gegen Rechtsextreme in Grosshöchstetten
Kürzlich sollen im Raum Konolfingen gewalttätige
Übergriffe auf Linksextreme stattgefunden haben.
Vor zehn Tagen fand in Grosshöchstetten am Bahnhof
eine
Spontandemo gegen Rassismus statt. Dies teilten die Organisatoren mit,
die sich Libertäre Aktion Konolfingen nennen. Nach eigenen Angaben
demonstrierten 50 Personen, weil die Gefahr rechtsextremer
Übergriffe in den letzten Jahren besonders auch in der Region
Konolfingen stetig steige. "Alleine in den letzten zwei Wochen gab es
zwei gewalttätige Übergriffe durch rechtsextreme
Schläger auf Jugendliche und auch auf Minderjährige, von
denen zumindest eine Person mit Verletzungen und inneren Blutungen ins
Spital musste", teilten die Organisatoren mit. Die Rechtsextremen
würden sich vermehrt in der Partei National Orientierter Schweizer
(Pnos), der Helvetischen Jugend oder den freien Kameradschaften
organisieren. Logische Konsequenz dieser Tendenzen seien die vermehrten
Übergriffe, wie sie unter anderem im letzen Mai in Biglen
stattgefunden haben (siehe Text links).
Probleme mit Linksextremen
Mimo Caci, Gemeinderat in Grosshöchstetten und
zuständig für die öffentliche Sicherheit,
bestätigt, dass die Demonstration mit 30 bis 50 Personen
stattgefunden hat. Caci, selber erst 22-jährig, hat zumindest
Vermutungen, wer hinter der Libertären Aktion Konolfingen stecken
könnte. Beim "Bund" meldeten sich die Organisatoren der
Demonstration auf Anfrage aber nicht mehr. Klar scheint, dass es sich
bei den Demonstranten um Personen aus dem linksextremen Lager handelt.
Mit linksextremen Gruppierungen habe man in der Gegend
eher
Probleme als mit rechtsextremen, sagt Caci. Vor vier, fünf Jahren
sei es aber schlimmer gewesen. Ein ähnliches Bild zeichnet der
Bigler Gemeindepräsident Jean-Paul Mange. Tendenziell gebe es mehr
links- als rechtsextrem Orientierte. "Zu sagen, bei uns gibt es keine
extremen Gruppierungen, wäre gelogen", sagt er. Das Problem
betreffe aber nicht speziell Biglen, im Amt Konolfingen bestehe ein
generelles Problem mit einem Teil der Jugend. "Es ist aber eine
Minderheit", sagt Mange. Weiter beobachtet der Gemeindepräsident,
dass sich gewisse Szenen an den Wochenenden von städtischen auf
ländliche Gebiete verlagern.
"Ich habe in letzter Zeit keine gewalttätigen
Angriffe
festgestellt", sagt Rechtsextremismusexperte Hans Stutz. Wo
Übergriffe stattfinden würden, habe es aber auch die
entsprechenden Leute. Dass sich Rechtsextreme mehr organisierten als
früher, könne er nicht bestätigen. Dass die
Libertäre Aktion Konolfingen die Region nicht widerstandslos den
Rechtsextremen überlassen wolle, bedeute nicht unbedingt eine
Ankündigung körperlicher Gewalt, sagt Stutz. "Es geht um
Dominanz im öffentlichen Raum." In dem Sinn sei die Drohung als
Aufspielen zu verstehen.
Übergriffe nicht ausgeschlossen
Die Polizei kann die Übergriffe, die in den letzten
Wochen
stattgefunden haben sollen, nicht bestätigten. "Wir können
aber auch nicht ausschliessen, dass es zu Auseinandersetzungen gekommen
ist", sagt Polizeisprecher Franz Märki. Oft würden
Vorfälle zwischen links- und rechtsextremen Gruppierungen der
Polizei nicht gemeldet, weil die Betroffenen ihre
Szenenzugehörigkeit nicht verraten wollten. (ba)
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ANTIRASSISMUS
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Indymedia 9.4.10
Demo gegen Molino AG - 24. April 2010 in Fribourg ::
AutorIn : ArbeiterInnenkollektiv Molino
STOPP Rassendiskriminierungen!
Kundgebung: Samstag, 24. April 2010, 15.00 Uhr
Nova-Friburgo Platz, unteres Ende der rue de Lausanne (Fribourg)
Die Molino AG ist eine italienische Restaurantkette in Fribourg
sowie
in der ganzen Schweiz. Sie gehört der Investmentgesellschaft
Athris Holding AG (ehemals Jelmoli AG). Seit 2008 praktiziert die
Molino AG öffentlich eine diskriminierende Politik gegen ihr
Personal: Sie entlässt schrittweise die Angestellten, die nicht
italienischer Herkunft sind - bei den Aussereuropäischen beginnend
- um sie mit italienischen Angstellten zu ersetzen, die dafür aus
Italien rekrutiert werden.
In Fribourg sind innerhalb von weniger als einem Jahr 10
Angestellte
entlassen worden. Einige arbeiteten schon seit mehr als zehn Jahren bei
Molino.
Die Angestellten verurteilen diese Politik. Aber die Direktion
von
Molino AG schaut weg! Sie führt die Selektionspraktiken nach
geographischer Herkunft weiter und verzichtet weiterhin darauf, die
Angestellten, die aus diskriminierenden Gründen entlassen wurden,
zu entschädigen. Diese Politik ist inakzeptabel:
> Sie verletzt das versprochene Engagement der Schweiz im
Kampf
gegen Diskriminierungen im allgemeinen und in der Arbeitswelt im
besonderen;
> Sie raubt den Angestellten jeglichen Schutz vor
Kündigungen;
> Sie fördert den Rassismus und die Xenophobie.
Es ist unabdingbar, sich mit den betroffenen Angestellten zu
mobilisieren, um den Stopp der Diskriminierungen bei der Molino AG und
das Engagement der kantonalen politischen Verantwortlichen gegen diese
Praktiken im öffentlichen Bereich zu verlangen.
Kommt zahlreich zur Kundgebung gegen Rassendiskriminierung!
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1. MAI LAUSANNE
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Indymedia 9.4.10
Revolutionärer 1.Mai in Lausanne
AutorIn : Action Autonome | übersetzt von : der
Wind
Für einen revolutionären 1.Mai in der Romandie: Demo
in
Lausanne, 15 Uhr, Parc de Milan
In einer Konsumgesellschaft, die uns die Illusion der
unendlichen
Möglichkeiten verkaufen will, ist unser Lebensablauf schon
vollständig vorgegeben. Seit wir klein sind fragt man uns
gerührt, "was wir später machen wollen". Schon als Kind
flösst man uns Kenntnisse ein, die unsere Ausbeutung
ermöglichen werden, um uns danach eine Bildung - sei sie
universitär oder professionnell - zu geben, die immer entsprechend
den Erfordernissen des Marktes gestaltet ist. Es existiert keine
Lebensalternative, überhaupt keine Wahlfreiheit: Wir müssen
uns verkaufen, um uns zu erhalten.
Die vorherrschende Ansicht spricht der Arbeit eine befreiende
Kraft zu.
Der Mythos von der "wirtschaftlichen Unabhängigkeit" bestärkt
das Individuum in seiner Illusion, die Arbeit mache frei. Frei von was?
Die Arbeit ist nichts anderes als eine Abhängigkeit vom System,
die uns zermürbt und in Ketten legt. Die "Berufsmessen" in
knalligen Farben, wo jeder, so scheint es, "seinen Weg" finden soll,
sind das Symbol dieser Heiligmachung der Ausbeutung. Denn heute ist die
einzige Aktivität, die für den weitaus grössten Teil der
Bevölkerung in Frage kommt, diejenige, welche jemand anderen reich
macht: die Lohnarbeit. Obwohl die karikaturartige Figur des von seiner
Aufgabe getöteten Arbeiters in unseren Gesellschaften dazu
tendiert, zu verblassen, ist das Proletariat weit davon entfernt,
verschwunden zu sein.
Zu seiner Zeit definierte Marx die Proletarier als diejenigen,
welche
keine Produktionsmittel besitzen und ihre Arbeitskraft im Tausch
für einen Lohn an einen Chef verkaufen. Diese Situation, die auf
einen immer grösseren Teil der Bevölkerung zutrifft, hat sich
zwar in ihrer Substanz nicht verändert, doch zumindest den Namen
gewechselt: man nennt es heute vorsichtig die Lohnarbeit.
Jeden Tag stehen in der Schweiz wie auch anderswo Milliarden von
Menschen am Morgen auf, um zu arbeiten und damit Gewinn zu produzieren
und die Aktionäre fett werden zu lassen. So nehmen wir Tag
für Tag am Unterhalt und an der Reproduktion dieses Systems teil,
das unsere eigene Versklavung bedeutet.
Darüber hinaus sind die in den letzten Jahren vorgenommenen
Veränderungen in der Arbeitswelt weit davon entfernt, das
tägliche Leben der Proletarier zu verbessern: Flexibilität,
Prekarität und chronische Arbeitslosigkeit, die wir immer
intensiver hinnehmen müssen.
Seit einigen Jahren bröckeln gar die mageren Garantien des
Staates, die der Abschwächung des Klassenkampfes dienen, unter den
unruhigen Blicken machtloser Gewerkschaften. Man fordert von uns,
flexibel und leicht entlassbar zu sein, und darüber hinaus wird,
wenn wir scheitern, unser Misserfolg als Frucht unserer Mängel,
und nicht als logische Konsequenz eines faulen wirtschaftlichen
Systems, dargestellt. Die Lehrlinge, die die Bosse sicher nicht aus
Gutmütigkeit einstellen, bedeuten für die Unternehmen eine
fast kostenlose Arbeitskraft, die aufgrund ihres Mangels an Erfahrung
leicht auszubeuten ist.
Die strukturelle Arbeitslosigkeit als integraler Bestandteil der
kapitalistischen Strategie erlaubt es, den "Glücklichen", die eine
Anstellung finden, jämmerliche Arbeitsbedingungen aufzuzwingen.
Die Politiker zeigen mit dem Finger auf die Immigranten als
Sündenböcke für die Arbeitslosigkeit und die
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. So entziehen sie sich ihrer
Verantwortung und schaffen eine künstliche Spaltung unter den
Lohnabhängigen, um besser die einzig wirklich existierende Grenze
zu kaschieren: diejenige zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern.
Es ist von zentraler Bedeutung, die Mechanismen dieser gut
geölten, uns zermalmenden Maschine zu sabotieren, um uns
emanzipieren zu können.
Der erste Mai darf nicht den Gewerkschaften vorbehalten sein. Es
ist
die Natur selbst der Ausbeutung, und nicht nur ihre Bedingungen, die
kritisiert werden, es ist die Natur selbst des Kapitalismus, die
bekämpft werden muss. Weit entfernt von den Interessen der
Arbeiter und der sozialen Realität spielen sich die Gewerkschaften
als Sozialpartner des Staates auf, wobei sie um jeden Preis die
Versöhnung der Klassen und den sozialen Frieden suchen: ihr
sogenannter Reformismus hat einzig und allein die Konsolidierung des
uns zerreibenden Systems zum Ziel.
Während unserer 1.-Mai-Demonstration 2009 [in Lausanne]
hatten die
Chefetage der Gewerkschaften und der aus der parlamentarischen "Linken"
kommende Lausanner Polizeichef Hand in Hand gehandelt, um unseren -
jedoch wenig offensiven - Demonstrationszug mit grosser Zuhilfenahme
von Stockschlägen und Verhaftungen zu zerschlagen. Dieser Akt
bezeugt in konkreter Art und Weise die Kollaboration der "sozial" oder
"links" genannten Institutionen mit dem bürgerlichen Staat, ihren
Willen, die herrschende Ordnung zu verteidigen und somit jegliche
Bewegung, die es ablehnt, sich zu institutionalisieren oder der
Klassenzusammenarbeit feindlich gegenübersteht, zu sabotieren.
Womit sie ihre Seite gewählt haben.
Wir wollen uns nicht damit begnügen, von Brosamen zu leben,
in
einer Welt, die uns nicht entspricht. Das ist der Grund, weshalb die
Autonomen an Terrain gewinnen. Nicht weil wir Provokateure oder
Ausgeschlossene wären, sondern weil wir wahrer und historisch
tiefer verwurzelt sind als das ganze reformistische Krebsgeschwür.
Wir sind der Wind, der die Eintönigkeit des
totalitären
Marktsystems wegbläst: die Welt ist mehr denn je eine Barrikade,
auf der einen Seite die Ausgebeuteten, auf der anderen die Ausbeuter.
Auf der einen Seite diejenigen, welche eine Perfektionierung der
Organisation der Ausbeutung anstreben, auf der anderen diejenigen,
welche für ihre Zerstörung kämpfen. Auf der einen Seite
diejenigen, die aus dem Ersten Mai einen Festtag gemacht haben, um
"Lohn", "Anstellung" und "Renten" zu fordern und auf der anderen
diejenigen, welche der Arbeit den Marsch blasen wollen. Womit wir
unsere Seite gewählt haben! Und die Barrikaden haben nur zwei
Seiten: die Gewerkschaften und die Reformisten sind nicht mehr auf
unserer Seite.
Aus dieser Überzeugung heraus haben wir die Notwendigkeit
erkannt,
uns von den staubigen Gewerkschaftstraditionen zu entfernen und mit
unseren eigenen Farben zu defilieren.
Wir laden Euch ein, der Arbeit in Lausanne den Marsch zu blasen
anlässlich der Streetparade des revolutionären 1.Mai.
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1. MAI ZUREICH
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Tagesanzeiger 10.4.10
Türler hofft auf Regen am 1. Mai
Strassenschlachten und Sachbeschädigungen: Der Tag
der
Arbeit ist in Zürich geprägt von Auseinandersetzungen
zwischen Polizei und randalierenden Chaoten. Aber ausgerechnet an
diesem brisanten Tag ist das Amt des Polizeivorstandes verwaist: Die
bisherige Stadträtin Esther Maurer (SP) hatte am 31. März
ihren letzten Arbeitstag, der neue Polizeivorstand Daniel Leupi
(Grüne) tritt sein Amt erst am 17. Mai an.
Andres Türler, Vorsteher Departement der
Industriellen
Betriebe, amtet so lange als stellvertretender Vorsteher des
Polizeidepartements. Operativ wird der 1. Mai von der Stadt- und
Kantonspolizei Zürich betreut. Der FDP-Politiker sieht seiner
Aufgabe daher gelassen entgegen. "Es ist wie jedes Jahr: Das
Polizeicorps bereitet sich so gut wie möglich vor", so
Türler. "Ich werde der Polizei nicht in ihre operative Arbeit
reinreden. Sie würde dadurch nicht besser werden." Es seien
erfahrene Chefs und Mitarbeitende im Einsatz, und er könne
versichern, dass das Polizeicorps seine Arbeit am 1. Mai gut machen
werde.
Der Polizeichef ad interim hofft am 1. Mai auch auf
Unterstützung von ganz oben. "Vieles hängt vom Wetter ab.
Wenn es regnet, werden weniger Leute auf die Strasse gehen", meint
Türler. Er fände es überhaupt schön, wenn der Tag
so angegangen werden könnte, wie er ursprünglich gedacht war:
als Tag der Arbeit und der friedlichen Demonstration. "Als die Leute
noch vornehmlich aus politischen Gründen auf die Strasse gingen,
hatten die Demonstrierenden ein Gesicht", sagt Türler. "Heute
suchen die Chaoten am 1. Mai einfach den Kampf, die Auseinandersetzung
mit der Polizei und den Adrenalinschub. Das ist tragisch. Aber die
Polizei kann solche gesellschaftlichen Probleme nicht lösen."
Esther Maurer braucht Distanz
Türler werde sich am Tag der Arbeit selber ein Bild
vor Ort
machen. Wo er sich aufhalten wird, wollte er jedoch aus
Sicherheitsgründen nicht verraten. Seine Vorgängerin, Esther
Maurer, war bisher am 1. Mai jeweils in der Einsatzzentrale der Polizei
anzutreffen. In diesem Jahr lässt sie den Umzug ganz aus. "Ich
brauche vorerst etwas Distanz", sagte sie unlängst in einem
Interview mit dem TA. Sie hoffe jedoch, dass der 1. Mai ruhig
abläuft, und wünscht ihrem Nachfolger viel Glück. (tif)
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Zürichsee-Zeitung 10.4.10
Revolutionärer Aufbau
RAF-Verherrlichung in Kanzleiturnhalle
Zum 1. Mai zeigt der Revolutionäre Aufbau in der
Zürcher Kanzleiturnhalle, einer städtischen Einrichtung, eine
brisante Ausstellung. Neben Zeichnungen von Arenas und Bildern von
Sanchez Casas werden auch Mosaike zu sehen sein, die von Paolo Neri,
einem ehemaligen Mitglied der Brigate Rosse, gestaltet wurden. Diese
sind eine Widmung an die Terrorkämpfer der Rote-Armee-Fraktion.
Auf den bereits andernorts ausgestellten Kunstwerken steht etwa neben
Andreas Baaders Porträt "Baader lebt" und "Primat der Praxis".
Baader war 1972 an fünf Sprengstoffanschlägen mit vier
Todesopfern beteiligt. Laut der Stadt Zürich handelt es sich dabei
um Kunst, die nicht gewaltverherrlichend ist. (msc)
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UNDERCOVER
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NLZ 9.4.10
Fahndungsmethoden
Bundesgericht schwächt Polizei
red. Das Bundesgericht hat die Praxis der verdeckten
Ermittlung
eingeschränkt. Damit wird es der Polizei praktisch
verunmöglicht, etwa durch Scheinkäufe Drogendealern das
Handwerk zu legen. Die Strafbehörden sehen sich in ihren
Ermittlungen stark behindert und befürchten, dass davon "einzig
die Kriminellen profitieren", wie Franz Bättig, der Cheffahnder
der Zürcher Kantonspolizei, urteilt. Die Luzerner Polizei habe
durch Scheinkäufe "schon einige Male Kriminelle aus dem Verkehr
ziehen können", sagt Peter Bühlmann, stellvertretender Leiter
der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. Er hofft, dass das Parlament
korrigierend eingreift: "Wir sind um jedes Mittel froh, das die
Aufdeckung von Verbrechen erleichtert."
Seite 3
--
Verdeckte Ermittlung
"Davon profitieren nur die Kriminellen"
Von Christoph Reichmuth und Kari Kälin
Das Bundesgericht verbietet der Polizei, Scheinkäufe
bei
Drogendealern zu tätigen. Experten befürchten, dass die
verschärfte Praxis den Strassenhandel fördert.
Der Polizeibeamte Fritz Müller, im Dienst, aber zivil
gekleidet, setzt sich in einer in der Drogenszene bekannten Wirtschaft
alleine an einen Ecktisch, bestellt einen Kaffee. Nach ein paar Minuten
gesellt sich der Verdächtige X an Müllers Tisch. Die
Männer kommen ins Reden, X lenkt das Gespräch bald auf das
Wesentliche: Er bietet dem Gast "etwas zum Rauchen", 30 Gramm Haschisch
für 300 Franken, zum Kauf an. Müller wittert den Coup,
glaubt, über den Kleindealer an Hintermänner zu gelangen, und
steigt darauf ein.
Fritz Müller tat Verbotenes
Nach heutiger Gerichtspraxis allerdings hätte dies
Fritz
Müller gar nicht tun dürfen. Der Verdächtige X
würde trotz erdrückender Beweise freigesprochen. Denn das
Bundesgericht erlaubt verdeckte Ermittlungen nur bei schwerwiegenden
Delikten - und darunter fällt der Verkauf von Haschisch für
300 Franken nicht.
Diese 2008 beschlossene Praxis haben die Lausanner Richter
in
zwei den Kanton Zürich betreffenden, ähnlichen Fällen
abermals bestätigt - ein Kokaindealer und ein Kleinhändler
wurden trotz klarer Indizien freigesprochen (siehe Kasten). Was
Müller in unserem fiktiven Beispiel hätte tun müssen:
sich im Restaurant als Polizist zu erkennen geben - oder auf den
Scheinkauf verzichten und den Ort des Geschehens unverrichteter Dinge
verlassen.
Die Entscheide des Bundesgerichtes lösen bei
Ermittlern,
Strafverfolgern und Rechtsexperten in der Schweiz Kopfschütteln
aus. Der Cheffahnder der Kantonspolizei Zürich, Franz Bättig,
kritisierte gegenüber Tele Züri jüngst: "Das Urteil
erschwert die Arbeit der Polizei ganz massiv, wenn sie nicht sogar
verunmöglicht wird." Für Bättig steht fest: "Davon
profitieren einzig die Kriminellen." Die Festnahme von Kleinkriminellen
auf der Strasse und in Szenentreffs sei die Basis der Polizeiarbeit,
"wir müssen an der Wurzel mit dem Ermitteln beginnen, damit wir
überhaupt an die Hintermänner gelangen", so Bättig
weiter.
"Frust ist nachvollziehbar"
Verdeckte Ermittlungen sind nur bei schweren Delikten
erlaubt und
benötigen eine richterliche Genehmigung. In Luzern erteilt diese
das Obergericht auf Antrag der Strafverfolgungsbehörde, welche sie
anordnet. Und dort bringt man für den Ärger der Zürcher
Kollegen Verständnis auf: "Der Frust ist nachvollziehbar, weil
Scheinkäufe nach dem Betäubungsmittelgesetz bis Ende 2010 an
sich erlaubt wären", sagt der stellvertretende
Geschäftsleiter der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Peter
Bühlmann. Bühlmann gibt sich zurückhaltend, sagt aber
auch: "Die Luzerner Polizei hat etwa durch Scheinkäufe schon
einige Male Kriminelle aus dem Verkehr ziehen können. Die Arbeit
der Luzerner Polizei wird durch das Bundesgerichtsurteil nun erschwert,
aber wie gesagt nur bis 2011 neue Regeln in Kraft treten."
Deutliche Worte findet auch Bühlmanns Zürcher
Kollege
Andreas Brunner, Leitender Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich:
"Der Bundesgerichtsentscheid nutzt den Spielraum des Gesetzes nicht,
und Scheingeschäfte im Drogenmilieu mit nachfolgenden
Verurteilungen werden verunmöglicht." Brunner ahnt für
Zürich, wo die Kleinkriminalität ausgeprägt ist, nichts
Gutes: "Der Strassenhandel wird wieder mehr florieren."
Politiker wollen Korrektur
Auf das Dilemma der Strafverfolgungsbehörden
aufmerksam
geworden ist inzwischen die Politik. Der Zürcher
Strafrechtsprofessor und SP-Nationalrat Daniel Jositsch verlangt in
einer parlamentarischen Initiative, dass Beamte künftig wieder
undercover gegen Kleinkriminelle fahnden dürfen. Jositsch will,
dass Scheinkäufe und einfache Lügen wieder erlaubt werden.
"Diese Auslegung des Bundesgerichtes hat weitreichende Konsequenzen und
schränkt die Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei stark ein",
sagt Jositsch. Und fügt hinzu: "Was das Bundesgericht entschieden
hat, ist schlicht und ergreifend nicht praxistauglich. Das hilft nur
den Kriminellen."
Jositsch steht mit seinem Anliegen im Parlament nicht
alleine da.
In der vorberatenden Rechtskommission (RK) des Nationalrats wurde die
Initiative des Zürcher Sozialdemokraten oppositionslos
gutgeheissen. Die Rechtspolitiker wollen einfache Scheinkäufe und
Täuschungen zur Aufklärung geringer Delikte von der
restriktiven Auslegung des Bundesgesetzes über die verdeckte
Ermittlung (BVE) ausnehmen und in den kantonalen Polizeigesetzen regeln.
Das wäre auch im Sinne der Urner FDP-Fraktionschefin
und
RK-Mitglied Gabi Huber: "Dass die Fahnder ohne richterliche Bewilligung
keine einfachen Scheinkäufe mehr machen können, scheint
für die polizeiliche Praxis ein Problem zu sein."
Hoffen bei Fahndungschef
Die parlamentarische Initiative von Jositsch wird
demnächst
in der ständerätlichen Rechtskommission behandelt. Wenn sie
auch dort gutgeheissen wird, bräuchte sie noch die Zustimmung des
Parlaments. Der Zürcher Cheffahnder Franz Bättig setzt
darauf: "Wir brauchen diese Gesetzesänderung, sonst können
wir unsere Arbeit nicht mehr ausführen, wie es nötig
wäre."
--
Scheinkäufe
Es braucht den Segen des Richters
sda/cr
Die Zürcher Stadtpolizei hat mit dem Einsatz von
Scheinkäufern im Drogenmilieu Schiffbruch erlitten. Das
Bundesgericht hat in zwei Fällen Ende März bestätigt,
dass eine verdeckte Ermittlung vorliegt, die der Bewilligung durch
einen Richter bedurft hätte.
Das Bundesgericht verweist darauf, dass eine verdeckte
Ermittlung
immer dann vorliegt, wenn ein als solcher nicht erkennbarer
Polizeibeamter mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken
Kontakt knüpft. Laut Bundesgericht kann bereits bei einem
einfachen, isolierten Scheingeschäft eine verdeckte Ermittlung
vorliegen.
Früheres Urteil bestätigt
Die Lausanner Richter bestätigten damit ein
früheres
Urteil des Bundesgerichtes aus dem Jahre 2008. Damals hatte sich ein
Zürcher Polizeibeamter in einem Kinder-Chatroom im Internet als
"manuela_13" ausgegeben. Der Nick-Name weckte das Interesse eines
26-Jährigen. Der Mann wurde beim vereinbarten Treffpunkt
verhaftet. Da aber eine Genehmigung für eine verdeckte Ermittlung
fehlte, wurde der 26-Jährige vor Gericht freigesprochen.
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Luzerner Ermittler hoffen auf die Politik
INTERVIEW CHRISTOPH REICHMUTH
Peter Bühlmann, wird bei der Luzerner Polizei im
grossen
Rahmen verdeckt ermittelt?
Peter Bühlmann*: Zunächst gilt es begrifflich zu
unterscheiden, dass blosse Informanten, Vertrauensleute oder auch
observierende Polizeibeamte noch nicht unter den eigentlichen Begriff
des verdeckten Ermittlers - kurz VE - fallen. Als verdeckte Ermittlung
bezeichnet man Polizeibeamte oder bei der Polizei angestellte Personen,
die als solche nicht erkennbar sind und unter geänderter
Identität aktiv in das kriminelle Umfeld eindringen und so meist
über längere Zeit versuchen, Informationen über schwere
Straftaten zu beschaffen.
Wird diese Methode oft angewendet?
Bühlmann: Es kommt vor, dass die Luzerner
Strafverfolgungsorgane mit verdeckten Ermittlern zusammenarbeiten. Dies
geschieht aber nur in sehr wenigen Ausnahmefällen, weil formelle
Auflagen, die Planung und Begleitung eines solchen Einsatzes, die damit
verbundenen Risiken zu berücksichtigen sind und ein geeigneter
Ermittler zur Verfügung stehen muss. Der Erfolg hängt von der
Sorgfalt des Vorgehens des Ermittlers und der Wachsamkeit der
Zielpersonen ab, wobei auch schon Teilerkenntnisse sehr hilfreich sein
können. Der VE muss versuchen, direkt Beweismittel für
geplante oder verübte schwere Delikte zu sammeln.
Wann wird die verdeckte Ermittlung vor allem angewendet?
Bühlmann: Drogendelikte bilden den
Hauptanwendungsfall.
Denkbar sind aber auch Waffenschiebereien, kriminelle Organisationen,
Betrugsdelikte, Menschenhandel, Entführungen oder sonst
gefährliche Schwerstverbrechen, die besonderer Ermittlungsmethoden
bedürfen. Es hängt jedoch stark von der Tätergruppe oder
der Art des Delikts ab, ob überhaupt über einen VE ein
erfolgversprechender Kontakt zu den Zielpersonen hergestellt werden
kann.
Nach welchen Kriterien gibt die Staatsanwaltschaft
grünes
Licht zu dieser Methode?
Bühlmann: Die Staatsanwaltschaft ist an die
gesetzlichen
Voraussetzungen gebunden: Es muss der Tatverdacht für ein Delikt
gemäss Gesetzeskatalog bestehen, die Schwere der Tat den Einsatz
eines VE rechtfertigen und aufgrund bisheriger Ermittlungen oder der
Tatumstände dargelegt werden können, dass bisherige Vorkehren
erfolglos blieben oder die Ermittlungen ohne VE aussichtlos wären
oder zumindest unverhältnismässig erschwert würden.
Wird die Staatsanwaltschaft nach dem Bundesgerichtsurteil
solche
Einsätze nun zurückhaltender genehmigen?
Bühlmann: Nein, bei uns würde man im
Zweifelsfalle die
verdeckte Ermittlung gerichtlich genehmigen lassen. Übrigens
müssen solche Einsätze ab 2011 mit Inkrafttreten der neuen
Schweizerischen Strafprozessordnung ohnehin nach den Regeln über
die verdeckte Ermittlung abgewickelt werden.
Parlamentarier fordern, dass die Polizei künftig
wieder
durch Scheinkäufe die Kleinkriminalität bekämpfen darf,
ohne dass zuvor eine richterliche Genehmigung dafür eingeholt
werden muss. Teilen Sie diese Ansicht?
Bühlmann: Auf jeden Fall. Nachdem der Gesetzgeber mit
formellen Hürden die Ermittlungs- und Untersuchungsarbeit stark
reguliert hat und die Kriminalität wegen der heutigen
elektronischen Mittel, organisierten Täterschaften und
durchlässigeren Grenzen immer schwieriger zu bekämpfen ist,
sind wir um jedes Mittel froh, das uns die Aufdeckung von Verbrechen
und Vergehen erleichtert. Wir würden es zudem begrüssen, wenn
auf kantonaler Ebene - wie beim Bund oder in anderen Kantonen - zur
Abgrenzung gesetzliche Grundlagen für Informanten und
Vertrauenspersonen geschaffen würden.
Hinweis: * Peter Bühlmann (57) ist stellvertretender
Leiter
der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
---
Südostschweiz 9.4.10
Aus für die "Aktion Ameise"
Der Einsatz von verdeckten Fahndern beim Scheinkauf von
Drogen
hat sich bewährt. Weil das Bundesgericht dies nun aber verbietet,
befürchtet die Polizei, dass die Drogendealer ihre Geschäfte
künftig wieder offen abwickeln.
Von Thomas Schwizer
St. Gallen. - Im Drogenmilieu gehört der Einsatz von
verdeckten Fahndern zu den gängigen Ermittlungsmethoden. Jetzt
sorgt ein Bundesgerichtsurteil, das diese verdeckten Ermittlungen
praktisch verbietet, für grossen Unmut bei den Polizisten.
Rund 2000 Dealer verurteilt
Bekannt wurde der Leitentscheid des Bundesgerichts vom 8.
März durch einen Bericht in der Sendung "10vor10" von SF DRS.
Vertreter von Polizei, Staatsanwaltschaft und Politik bedauern das
Urteil. Das Bundesgericht begründet, dass eine rechtliche
Grundlage für verdeckte Ermittlungen nur bei schweren Delikten,
nicht aber bei Scheinkäufen bei Strassendealern vorhanden ist.
"Wir haben mit Bekanntwerden des Bundesgerichtsurteils
unsere
Drogen-Scheinkäufe im Rahmen der 'Aktion Ameise' gestoppt",
bestätigte kürzlich Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der
St. Galler Kantonspolizei. Das Bundesgericht habe die erfolgreiche
"Aktion Ameise" vergiftet.
Laut Peter Bartholet, stellvertretender Chef
Betäubungsmittel der St. Galler Kantonspolizei, erfolgten von
Februar 2009 bis Februar 2010 im Kanton St. Gallen 25 Festnahmen von
Strassendealern, die durch Scheinkäufe auf frischer Tat ertappt
wurden. Durchschnittlich sei pro Einsatz der "Aktion Ameise" ein Dealer
verhaftet worden. Im Kanton Zürich sind seit dem Start der
verdeckten Scheinkäufe rund 2000 Dealer verurteilt worden.
Wieder offene Szene befürchtet
Alfred Schelling, Kommandant der St. Galler
Kantonspolizei, hatte
gegenüber "10vor10" die Befürchtung geäussert, dass mit
dem Verbot der Scheinkäufe die Dealerszene wieder offen werde, zum
Ärger der Bevölkerung und der Gewerbetreibenden. Als die
Polizei im Jahr 2008 nach einem Urteil des Zürcher Obergerichts
für rund zwei Monate ein erstes Mal auf die Scheinkäufe
verzichtet hatte, sei diese Entwicklung innert kürzester Zeit
festgestellt worden. "Die Szene reagierte sofort, die Dealer gingen
aggressiv und aktiv auf mögliche Kunden los", sagte Schelling.
Nachdem die Anklagekammer des Kantons St. Gallen daraufhin die
Scheinkäufe wieder erlaubt hatte, war die Szene umgehend wieder
abgetaucht.
Auch Peter Bartholet befürchtet, dass die Dealer
wieder
wahrnehm-bar werden und in den Gassen auftauchen, was dank der "Aktion
Ameise" stark eingedämmt worden sei. Besonders in Buchs sind die
Bilder aus früheren Jahren mit der offenen Szene noch abschreckend
bekannt, ebenso die Selbsthilfemassnahmen, die das Gewerbe daraufhin
umsetzte.
Jositsch kündigt Vorstoss an
Die Politik kennt die abschreckende Wirkung der verdeckten
Scheinkäufe durch Polizisten. Deshalb hat Strafrechtsprofessor und
Nationalrat Daniel Jositsch bereits einen Vorstoss angekündigt,
mit dem das Gesetz so angepasst werden soll, dass die Scheinkäufe
wieder erlaubt werden. Allerdings wird es bis dahin einige Zeit dauern
- zur Freude der Dealer und zum Ärger der Bevölkerung.
---
Blick am Abend 9.4.10
"Aktion Ameise" gestorben
BUNDESGERICHTSURTEIL
Die St. Galler Polizei muss die Drogen-Scheinkäufe
sofort
stoppen.
Im Drogenmilieu gehört der Einsatz von verdeckten
Fahndern
zu den gängigen Ermittlungsmethoden. Das Bundesgericht hat nun
aber entschieden, dass es für die Drogen-Scheinkäufe keine
rechtliche Grundlage gibt. Das Gerichtsurteil sorgt für Unmut bei
der Polizei. "Wir haben mit Bekanntwerden des Bundesgerichtsurteils
unsere Drogen-Scheinkäufe im Rahmen der Aktion Ameise gestoppt",
sagt Polizeisprecher Hanspeter Krüsi. Die St. Galler Polizei
befürchtet nun, dass die Dealer wieder wahrnehmbar werden und in
den Gassen auftauchen, was dank der "Aktion Ameise" stark
eingedämmt worden sei.
Zwischen Februar 2009 und Februar 2010 hat die Polizei im
Kanton
St. Gallen insgesamt 25 Strassendealer auf frischer Tat ertappt. Der
St. Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob sagt heute zum "Werdenberger
& Obertoggenburger": "Das Gericht interpretiert meines Erachtens
den Willen des Gesetzgebers falsch. Aber wir werden uns daran halten
müssen." dst
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DELTA SECURITY
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Blick am Abend 9.4.10
Treffen mit Deltas
BASEL
Am Sonntag kommt es in Zürich für die FCB-Fans
zu einem
Wiedersehen mit der umstrittenen Sicherheitsfirma Delta. Beim letzten
Rencontre in St. Gallen kam es zu Streit. Zwölf Fans wurden
verhaftet, diverse verletzt. Ein Delta-Mitarbeiter wurde entlassen,
weil er im Internet mit seinen Gewalttaten prahlte. Zudem entlarvte der
"Tagi" heute Delta-Mitarbeiter, die am 1.5.09 zusammen mit Neo-Nazis
Demonstranten verprügelten.
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BIG BROTHER SPORT
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NLZ 10.4.10
Nachgefragt
Verbietet der FCL Choreografien?
Interview Luca Wolf
Der Vorstand des Fussballclubs St. Gallen will seine Fans
disziplinieren. Er verbietet ihnen, Choreografien zu zeigen. Dies als
Reaktion auf diverse Entgleisungen eines Teils der Anhängerschaft,
wie "NZZ Online" berichtet. Unter anderem würden Materialien
für Choreografien zum Schmuggeln von Feuerwerk missbraucht. Auch
müssten üble Sprechchöre aufhören sowie das Werfen
von Gegenständen auf den Rasen.
Mike Hauser, will auch der FCL Choreografien verbieten?
Mike Hauser: Nein, das war bei uns noch nie ein Thema.
Folglich gibt es keine Probleme wie in St. Gallen? Auch im
Stadion Gersag wird gelegentlich Feuerwerk abgebrannt, und noch immer
fliegen Becher aufs Spielfeld?
Mike Hauser: Im Gersag hatten wir in der Vorrunde keine
Feuerwerke im Heimsektor. Und das Werfen von Bierbechern hat mit
Choreos nichts zu tun, das versuchen wir mit Netzen und Gesprächen
zu verhindern.
Wie steht der FCL grundsätzlich zu den Choreografien?
Mike Hauser: Choreografien sind ein tolles Zeichen
für eine
engagierte Fankultur. Da arbeiten viele junge Menschen tagelang in
ihrer Freizeit, nur um das Sujet ein paar Sekunden lang zeigen zu
können.
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SCHNÜFFELSTAAT
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Basler Zeitung 10.4.10
Bessere Kontrolle über Arbeit des Staatsschutzes
Bern. Die Kantonseinsicht bei der
Staatsschutzüberwachung
soll durch Listen über erteilte Aufträge erleichtert werden:
Eine vom Basler Justiz- und Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass
präsidierte Arbeitsgruppe hat dazu einen Vorschlag ausgearbeitet.
Entscheiden muss der Gesamtbundesrat. > Seite 29
--
Gass erhält eine Liste aus Bern
Kantone sollen Einblick in Arbeit des Staatsschutzes
bekommen
Patrick Künzle
Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren
will
die Verordnung über die Kontrolle des Staatsschutzes neu regeln.
Sie hat den Vorschlägen einer Arbeitsgruppe von Bund und Kantonen
zugestimmt, die vom Basler Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (FDP)
präsidiert wurde.
Für Hanspeter Gass ist das Resultat ein "Durchbruch".
Die
Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren hat einstimmig
den Vorschlägen einer Arbeitsgruppe aus Bund und Kantonen
zugestimmt, die vom Basler Sicherheitsdirektor geleitet wurde. Demnach
sollen die Kantone Einblick in die Arbeit des Staatsschutzes erhalten.
Konkret soll künftig jene kantonale Stelle, die mit der
Dienstaufsicht betraut ist, vom Bund eine Liste erhalten, auf der die
Tätigkeitsfelder des Staatsschutzes verzeichnet sind. Im Kanton
Basel-Stadt liegt diese Dienstaufsicht bei Regierungsrat Gass. Dieser
kann schliesslich aufgrund der Liste beim Bund einen Antrag auf
Einsicht in die Arbeit der Staatsschützer stellen.
"Diese Liste ist ein Fortschritt", freut sich Gass. "Ich
habe
bisher immer bemängelt: Wie kann ich etwas überprüfen,
wenn ich nicht weiss, woran der Nachrichtendienst arbeitet?" Als
nächsten Schritt wird Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) das
Resultat der Arbeitsgruppe in den Gesamtbundesrat tragen. Stimmt dieser
der notwendigen Änderung der Verordnung über den
Nachrichtendienst des Bundes zu, dann tritt diese Mitte Jahr in Kraft.
Die Basler Grossrätin Tanja Soland (SP), die selber
fichiert
wurde, ist "froh darüber, dass die kantonalen
Sicherheitsdirektoren den Vorschlägen zugestimmt haben". Dies
zeige, dass nicht nur in Basel der Wunsch nach einer Aufsicht über
den Staatsschutz vorhanden sei. Sie findet jedoch, "dass das
Einsichtsrecht so nicht reicht". Sie fordert, dass die Kontrolle den
nationalen oder kantonalen Datenschutzbeauftragten übergeben wird.
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Basellandschaftliche Zeitung 10.4.10
Staatsschutz darf nicht mehr heimlich fichieren
Regierungsrat Hanspeter Gass hat sein Ziel erreicht: Der
Staatsschutz soll künftig die Kantone informieren müssen
Esther Jundt
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) soll künftig
nicht
mehr in den Kantonen ohne deren Wissen ermitteln. Die Konferenz der
kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) erreichte in
zähen Verhandlungen mit dem zuständigen Departement für
Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) eine Regelung zur
Einsichtnahme der Kantone in die Aktivitäten des
Nachrichtendienstes, der im Auftrag des Bundes auch in den Kantonen
tätig ist. Für den Basler Polizei- und Justizdirektor
Hanspeter Gass ist diese Einigung ein Durchbruch in den Verhandlungen
mit dem VBS. In einem Gespräch mit der bz sagte er, der Regelung
könne er zustimmen. Gass leitete eine Delegation der KKJPD, die
diese Woche mit dem VBS über Kontrollmöglichkeiten der
Kantone beim Staatsschutz verhandelt hatte.
Laut Gass ist diese Kontrolle der Kantone in der seit dem
1.
Januar 2010 geltenden "Verordnung über den Nachrichtendienst des
Bundes" ungenügend. Der zuständige Bundesrat Ueli Maurer habe
dies inzwischen auch eingesehen und sich bereit erklärt, die
Verordnung "nachzubessern".
Demnach kann ein dafür bestimmtes Mitglied einer
Kantonsregierung beim Nachrichtendienst Informationen über die
Aufträge im eigenen Kanton verlangen. Dazu muss ein Gesuch
eingereicht werden. Wird dieses vom NDB abgelehnt, muss der
VBS-Vorsteher darüber entscheiden, bei einem Weiterzug auch das
Bundesgericht.
Bundesrat muss noch zustimmen
Wird dem Gesuch stattgegeben, muss der Nachrichtendienst
eine
Liste seiner Aktivitäten im betreffenden Kanton an das
Regierungsmitglied abgeben. "Dann sehen wir, was der Staatsschutz in
unserem Kanton macht", sagte Gass. Diese Liste wird kaum detailliert
Auskunft über die Tätigkeit des Staatsschutzes geben - in
Basel ist dafür die Fachgruppe neun zuständig. Aber immerhin
erhalten die Kantone die Möglichkeit, nachzufragen, und sie
können die Sache beobachten.
Der Haken: Bundesrat Maurer muss diese Neuerung noch dem
Bundesratskollegium zur Zustimmung vorlegen. Dies dürfte in ein
paar Monaten der Fall sein. Anschliessend müssen die Kantone ihre
entsprechenden Verordnungen anpassen. Auch das dauert seine Zeit.
Mit dem nun erzielten Durchbruch erreichten die kantonalen
Polizeidirektoren vermutlich das Maximum an Einsichtnahme in die Arbeit
des Staatsschutzes. Regierungsrat Gass ist deswegen seit 2008 in Bern
unterwegs. Damals wurde bekannt, dass einige Grossratsmitglieder
türkischer Herkunft und aus linken Parteien fichiert wurden. Daten
wurden auch ausländischen Nachrichtendiensten übermittelt.
Die Basler Regierung wusste davon nichts und verlangte eine bessere
Information über die Aktivitäten des Staatsschutzes im
eigenen Kanton. Das VBS verweigerte dies damals.
Bereits in der Verordnung festgehalten ist die
Dienstaufsicht
über den Staatsschutz in den Kantonen, die von einem Kontrollorgan
vorgenommen wird. Dieses muss mit Personen besetzt werden, die nichts
mit dem Staatsschutz zu tun haben. Auch dieses Gremium erhält
Einsicht in die Daten des Bundes, sofern der Nachrichtendienst dies
bewilligt. Das Kontrollorgan überprüft nicht, was der
Nachrichtendienst ermittelt, sondern ob die Verwaltungsabläufe den
Rechtsvorschriften entsprechen.
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ASYL / SANS-PAPIERS
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Basellandschaftliche Zeitung 10.4.10
Hilfe für Sans-Papiers
Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks)
zieht
eine erste Bilanz der im November eröffneten "Gesundheitsberatung
für Sans-Papiers". Dort werden Menschen mit gesundheitlichen
Problemen beraten, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben. Da sie
selten auf eine Krankenversicherung zählen können,
würden sie kaum Spitäler oder Arztpraxen aufsuchen.
Geschätzte 10000 Sans-Papiers leben im Raum Basel. Das Angebot der
Beratungsstelle werde seit Projektstart von den Betroffenen rege
genutzt. (bz)
---
St. Galler Tagblatt 10.4.10
Asylbewerber Leben in der Illegalität
Letztes Jahr stellten 180 Flüchtlinge in St. Gallen
ein
Gesuch auf Nothilfe - acht Franken Überlebenshilfe. Einer von
ihnen ist Fadura. Vor elf Monaten erhielt er von den Behörden
einen Nichteintretensentscheid (NEE). Sein Asylgesuch wurde abgelehnt -
seine Hoffnungen zerstört. Seither lebt Fadura illegal in St.
Gallen. Er werde alles tun, aber niemals zurückgehen, sagt er. So
verbringt er seine Tage in einer abgedunkelten 1-Zimmer- Wohnung, wagt
sich kaum aus dem Haus. Lebt von Almosen und der Hilfe weniger Freunde.
Im Gespräch mit dieser Zeitung erzählt Fadura seine
Geschichte. Es ist die Geschichte von vielen und ein Happy End ist
unwahrscheinlich. (red.)
Focus 9
--
Illegal in St. Gallen
Asylbewerber Fadura* ist untergetaucht. Lieber lebt er
illegal
von Nothilfe und Almosen, als zurück in sein Land zu gehen.
Irgendwann darf er bleiben, hofft er.
Julia Buatsi
In Gambia hat Fadura Kühe gehütet. Jetzt sitzt
er die
meiste Zeit in seiner verdunkelten Wohnung in St. Gallen. Fadura hat
kein Geld, keine Papiere, keine Aufenthaltsbewilligung. Vor elf Monaten
hat er den Nichteintretensentscheid (NEE) bekommen. "Am 2. Mai 2009",
sagt er wie aus der Pistole geschossen. An jenem Tag ist sein Traum
geplatzt. Seither ist er illegal.
Bekannte zahlen Miete
Fadura fällt auf. Nicht nur, weil er schwarz ist.
Seine
Kleidung verrät, dass er kein Geld hat: Auf dem übergrossen
Jeanshemd steht der Name einer Ostschweizer Elektrofirma. So zieht sich
nur an, wer die Kleider aus der Sammlung hat. Fadura geht schnell,
spielt mit seinem Handy, schaut sich oft um. Dabei möchte er vor
allem eins: nicht auffallen.
Nachdem wir in seiner Wohnung angekommen sind, dreht er
den
Schlüssel dreimal im Schloss und zupft die Nachtvorhänge
zurecht. Erst dann entspannt er sich. Er sei so wenig wie möglich
draussen, sagt er. Sein 1-Zimmer-Studio ist zweckmässig
eingerichtet: eine grosse Luftmatratze zum Schlafen, Kühlschrank,
Kochnische, Schuhregal. Wie Trophäen sind die Schuhe darauf
angeordnet, auf dem obersten Fach stehen Kerzen. Ansonsten gibt es
keine persönlichen Gegenstände in der Wohnung. Keine Bilder,
keine Bücher, nichts. Bekannte mieten das Zimmer für ihn.
"Helfer", wie Fadura sagt. Sie machen sich strafbar, weil sie dem
Illegalen einen Wohnsitz verschaffen. Deshalb trage er den
Wohnungsschlüssel nie auf sich, sondern verstecke ihn in der
Nähe des Hauses - damit ihn die Polizisten nicht entdecken.
Jeden Mittag fährt Fadura in die Stadt, wo er im
"Cabi",
einem Treffpunkt für Migranten und Flüchtlinge, gratis isst.
Den Morgen verbringt er in seiner Wohnung. Am Nachmittag trifft er
manchmal Freunde, meistens bleibt er aber in der Wohnung. "Ich will auf
keinen Fall negativ auffallen. Deshalb habe ich immer ein Billett
für Bus und Zug", sagt Fadura. Er zeigt sein "Gleis 7" und das
"Ostwind"-Abo, das ihm Bekannte gekauft haben. Wenn die Polizei ihn
trotzdem anhält, kooperiert er. "Sie durchsuchen mich. Manchmal
muss ich für einige Tage ins Gefängnis. Dann lassen sie mich
wieder frei - weil ich mich gut benehme. Nur das Land verlasse ich
nicht."
Im Schlepperboot übers Meer
Ende 2008 hat Fadura in der Schweiz Asyl beantragt. Seine
Heimat
verlassen habe er bereits 2006, erzählt der Westafrikaner. Zwei
Jahre dauerte die Reise: von Gambia über Senegal, Mali, Burkina
Faso, Niger, Libyen. An Libyens Küste geht er auf ein
Schlepperboot, das ihn nach Italien bringt. Dort lebt er auf der
Strasse, bis jemand Mitleid mit ihm hat und ihm ein Zugticket in die
Schweiz kauft. "Ich wollte von Anfang an in die Schweiz. Hier kenne ich
Leute." Fadura wirkt seltsam unbeteiligt, wenn er von seiner Reise
erzählt. Er antwortet knapp, erzählt keine Details. Ob die
Reise hart gewesen sei? "Manchmal." Wie er sie finanziert habe? "Ich
bin gereist, habe gearbeitet. Bin weitergereist. Am längsten war
ich in Libyen, weil ich viel Geld für die Fahrt übers
Mittelmeer brauchte." Ob er wisse, dass in solchen Schlepperbooten
jedes Jahr viele Flüchtlinge ums Leben kommen? "Ja." Ob er
Freunden in der Heimat von der Reise nach Europa abraten würde?
Fadura überlegt. "Das muss jeder für sich entscheiden."
Herkunft unbekannt
Den St. Galler Polizisten sagt Fadura: "Wenn ihr mich
zurückschickt, könnt ihr mir gleich einen Sarg mitgeben."
Doch bis jetzt droht ihm die Zwangsausschaffung nicht. Wohin auch? Er
hat keine Papiere. Es ist nicht einmal sicher, dass er aus Gambia
stammt. Fadura erzählt "seine Geschichte" nur zögerlich: "In
Gambia hatte ich eine Beziehung zur Tochter eines Imams. Die Frau wurde
schwanger. Als ihre Familie davon erfuhr, wollte sie mich töten.
Deshalb bin ich geflohen." Jeder Asylsuchende hat so eine Geschichte.
Denn wer nicht aus einem Land kommt, in dem Krieg herrscht, muss
belegen, dass er von Folter, Mord oder Gefängnis bedroht ist.
Wirtschaftsflüchtlinge, Menschen, die ihre Heimat verlassen, weil
sie sich an einem anderen Ort ein besseres Leben erhoffen, haben keine
Chance, aufgenommen zu werden.
Jeden Tag etwas zu essen
Vielleicht existiert die Tochter des Imams. Gut
möglich aber
auch, dass ein ganzer Clan sehnsüchtig darauf wartet, dass Fadura
Geld nach Hause schickt. Manchmal spare er seine acht Franken Nothilfe,
sagt Fadura, "zehn Tage oder noch länger". Dann schicke er das
Geld seiner Mutter. "Ich habe hier jeden Tag zu essen. Meine Mutter hat
manchmal nichts."
Was sein Traum sei? Jetzt strahlt Fadura übers ganze
Gesicht. "Ein gutes Leben." Dafür brauche er die
Aufenthaltsbewilligung, denn erst dann dürfe er arbeiten. "Wenn du
hier arbeitest, hast du ein gutes Leben." So einfach ist die Rechnung
von Fadura. Mehr weiss er nicht, möchte er nicht wissen. Er bete
jeden Tag zu Gott, dass er "das Papier" irgendwann erhalte. An diesen
Traum klammert er sich. Zurück in die Heimat gehe er nicht,
wiederholt er. Bestimmt, fast trotzig. Obwohl er seine Familie jede
Minute vermisse. Wenn er es nicht mehr aushalte, rufe er die Mutter an.
Fadura wartet darauf, dass sich in der Schweiz "eine
Möglichkeit" ergibt. Was für eine Möglichkeit das sein
soll, kann er nicht sagen. Lieber flüchtet er sich in
Lebensweisheiten: "Wenn du heute leidest, bist du morgen
glücklich." Was, wenn nicht? Was, wenn er auch in zwei, drei
Jahren immer noch illegal hier lebt, sich versteckt, auf Almosen
angewiesen ist? Daran denke er nicht, sagt Fadura. Die Vorstellung ist
ihm so unangenehm, dass er zu stottern beginnt. Vielleicht finde er
hier ja eine Frau, sagt er schliesslich. Dass er als Papierloser nicht
heiraten kann, davon möchte Fadura nichts wissen.
*Name von der Redaktion geändert
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NEONAZIS SCHWEDEN
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Basler Zeitung 10.4.10
Zweifel an der Läuterung
Mutmasslicher Anstifter des Auschwitz-Diebstahls war früher
ein
bekannter Neonazi
Hannes Gamillscheg, Kopenhagen
Fünf Diebe stahlen vor vier Monaten das "Arbeit macht
frei"-Schild vom Tor von Auschwitz. Nun wurde der mutmassliche
Anstifter des Raubs, ein bekannter ehemaliger Rechtsextremer, von
Schweden an Polen ausgeliefert.
Er war eine der schillerndsten Figuren der schwedischen
Neonaziszene: Der 34-jährige Anders Högström gilt als
Drahtzieher des Diebstahls des "Arbeit macht frei"-Schildes vom Tor des
ehemaligen NS-Konzentrationslagers Auschwitz im Dezember. Am Freitag
wurde er nach Polen ausgeliefert. Ihm drohen bis zu zehn Jahre
Gefängnis. Er selbst bestreitet die Vorwürfe. Er sei erst
nach dem Raub von den Tätern kontaktiert worden und habe der
Polizei bei der Aufklärung geholfen.
Die fünf in Polen festgenommenen Diebe behaupteten,
von
Högström angeheuert worden zu sein. Der Schwede habe das
Schild an einen britischen Sammler von Nazi-Devotionalien verkaufen
wollen. Laut schwedischen Presseberichten sollte dadurch die
Tätigkeit radikaler Rechtsextremisten finanziert werden, die
angeblich auch einen Mordanschlag im Stockholmer Parlament planten.
Högström behauptet, er sei nur zum Schein als Mittelsmann
zwischen den Dieben und den eigentlichen Auftraggebern aufgetreten und
habe stattdessen die Polizei auf die Spur der Täter geführt.
Dies bestreiten die polnischen Ermittler. Ein schwedisches Gericht
beschloss im März seine Auslieferung.
Gewaltwelle
Högström zählte als Gründer der
"Nationalsozialistischen Front" (NSF) in den Neunzigerjahren zu den
rabiatesten Akteuren der damals extrem gewaltbereiten rechten Szene. Er
wurde wegen Volksverhetzung, Zwang und Gewalt verurteilt und rangierte
ganz oben, als Schwedens Zeitungen 1999 die Liste der
gefährlichsten Neonazis veröffentlichten. Damals hatte eine
Welle von Gewalttaten das ganze Land erschüttert. Asylbewerber,
Homosexuelle, Menschen mit "falscher Hautfarbe", ein linker
Gewerkschafter und zwei Polizisten waren die Opfer, ein Journalist und
sein Sohn entkamen nur knapp einem Bombenanschlag. Die massive
Mobilisierung gegen die rechte Gewalt führte dann zu einer Abkehr
vieler Sympathisanten vom braunen Gedankengut, die in Schweden
gegründete Exit-Bewegung half Aussteigern bei der Rückkehr
ins zivile Leben.
Erneut verurteilt
Auch Högström gab den Geläuterten, hielt
Vorträge
in Schulen gegen Rassismus und den Missbrauch von Dopingmitteln, die
ihn fast den Verstand gekostet hätten, und liess sich für
seine neue Agenda feiern. 2007 wurde er jedoch erneut wegen des
Besitzes illegaler Dopingmittel verurteilt, und nach dem Auffliegen
seiner mutmasslichen Rolle als Anstifter des Auschwitz-Diebstahls
fragen Kenner der Szene, wie seriös seine Wende war.
Schwedens Geheimpolizei Säpo nimmt die Gerüchte
über die angeblichen Anschlagpläne sehr ernst. In den letzten
Jahren habe die Gewaltbereitschaft der Rechten wieder zugenommen,
"vieles deutet auf eine neue Radikalisierung", meint die Historikerin
Helene Lööw, die führende Forscherin über
Rechtsextremismus in Schweden. Der harte Kern der Neonaziszene ist mit
geschätzten 500 bis 600 Mitgliedern zwar klein, neben der NSF sind
die "Schwedische Widerstandsbewegung" und "Info-14" die aktivsten.
Wegen der liberalen Auslegung der Druck- und Versammlungsfreiheit
spielen die Schweden jedoch auch international als Propagandazentrale
und Treffpunkt des rechtsextremen Lagers eine wichtige Rolle. Ein
Grossteil der in Europa vertriebenen "White Power"-Hassmusik stammt von
hier, Konzerte sammeln Skinheads und Gleichgesinnte von weit her.
Daneben wächst ein Kreis offen rassistischer,
ausländerfeindlicher Gruppierungen von obskuren Cliquen bis hin zu
den "Schwedendemokraten", die der "Bewahr Schweden schwedisch"-Bewegung
entstammen, sich jetzt aber gemässigter geben und gute Chancen
haben, bei den Wahlen im September ins Parlament einzuziehen.
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GIPFEL-SOLI
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gipfelsoli.org/Newsletter 9.4.10
9.4.2010 Ontario -- London -- Strasbourg/ Baden-Baden -- Genua
--
Kopenhagen -- L'Aquila
- What to do if the police come knockin'
- Anti Prison Demo during G20 in Toronto (Canada)
- Local councillor criticized for saying too much about G20
summit
- Diplomatic immunity doled out to thousands of Toronto visitors
as G20
approaches
- Met police to pay G20 protest compensation
- Metropolitan Police admit G20 unlawful arrests
- VERFASSUNGSSCHUTZ IN BADEN-WÜRTTEMBERG 2009
- REMARCABLE APPEAL SENTENCE IN GENOA: THE RIGHTS OF BOLZANETO
VICTIMS
RECOGNIZED
- Tragicomical trials after COP15
- Auswertungsreader zu den Klimaprotesten in Kopenhagen 2009
- Stop Harassing Our Italian Comrades
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/8331.html
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KINO-LEBEN BE
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Bund 10.4.10
"Es herrscht auch in Bern eine Art Raubritter-Kapitalismus"
Multiplex-Kinos boomen, Arthouse-Säle darben. In Bern
schliesst die Quinnie-Kette zwei Kinos. "Wir müssen uns
verkleinern, um zu überleben", sagt Kinobesitzer und Filmer Thomas
Koerfer. Er bedauert den Vormarsch der Synchronfassungen, kritisiert
die Konkurrenz - und gesteht, dass er wieder Lust hat, Filme zu drehen.
Interview: Thomas Allenbach
Die Schweizer Kinos haben 2009 zehn Prozent mehr Umsatz
gemacht,
die Berner Innenstadt-Kinos aber haben 120 000 Zuschauer verloren. Was
läuft da falsch?
Das scheint tatsächlich paradox, ist es allerdings
nur auf
den ersten Blick. Denn wenn man die Zahlen analysiert, sieht man, dass
die Multiplexe Publikum gewinnen, die Arthouse-Kinos und auch die
Studio-Mainstreamkinos hingegen Zuschauer verlieren oder stagnieren. Es
ist ein schweizweites Phänomen, dass sich die Arthouse-Gruppen
verkleinern müssen, um überleben zu können. Das zeigt
auch das Beispiel Basel, wo das Kino Movie geschlossen werden muss.
In Bern haben Sie das Splendid bereits geschlossen, Ende
Mai geht
auch das Cinemastar zu. Ihre Quinnie-Kette verliert damit drei
Säle und schrumpft um fast einen Drittel. Gab es zu diesem
Rückzug keine Alternative?
Nein. Die Publikumsrückgänge waren so
gravierend, dass
wir einfach reagieren mussten. Wir haben die Kinos zwei andern
Kinobetreibern angeboten, weil wir die Arbeitsplätze erhalten
wollten, aber diese hatten kein Interesse, auch nicht am Splendid, das
ja noch nicht alt und von der Ausrüstung und vom Bauwert her auf
gutem Stand ist.
Haben Sie die Kinos auch Ihrem Konkurrenten Kitag
angeboten?
Wir haben Vertraulichkeitsvereinbarungen unterschrieben.
Ich kann
dazu deshalb nichts sagen.
Wir müssen noch kurz bei den Zahlen bleiben: Wie
viele
Eintritte haben die Quinnie-Kinos verloren, wie viele Kitag?
Wir haben etwas weniger als 45 000 Besucher verloren, die
Kitag -
nach unserer Schätzung - demnach um die 75 000.
Weshalb schliessen Sie Kinos, die Kitag aber nicht?
Im Unterschied zu uns ist die Kitag ein Grosskonzern, der
in der
ganzen Schweiz Kinos betreibt und hälftig der Swisscom
gehört. Für das Gesamtergebnis einer solchen Gruppe ist Bern
nicht derart wichtig. Wir leiden in der Schweiz unter den
Marktverzerrungen durch die grossen Kinoketten. Festzustellen ist auch,
dass das Klima unter den Konkurrenten sehr unkooperativ ist. Es
herrscht auch in Bern eine Art Raubritter-Kapitalismus.
Worin zeigt sich dies?
Zum Beispiel in der rücksichtslosen Art, mit der die
Pathé-Gruppe Orange über den Tisch gezogen hat, um den
Kino-Dienstag mit einer Freikarte für zwei einzuführen, dies
an anderen Kinobetreibern vorbei und über die Köpfe der
Verleiher hinweg. Die Einführung des Kino-Montags mit reduziertem
Eintrittspreis war noch eine gemeinsame Sache aller Kinobetreiber in
Bern.
1,2 Millionen Eintritte verzeichneten letztes Jahr die
Berner
Kinos, davon Pathé Westside allein 500 000. Wissen Sie, wie viel
Publikum Sie an Pathé verloren haben?
Das lässt sich nicht konkret beziffern. Unter der
Konkurrenz
durch Pathé haben wir bei kommerziellen Filmen wie etwa "Harry
Potter" gelitten. "Harry Potter" hatten wir früher exklusiv, das
war eine Quersubventionierung unseres Arthouse-Programms. Pathé
hat uns aber nicht nur Publikum "gestohlen", sondern auch neues
Publikum generiert.
Sie stehen von zwei Seiten unter Druck, denn zur
Konkurrenz durch
Pathé kommt die Tatsache, dass das Arthouse-Kino an sich
schrumpft. Dessen Marktanteil ist in den letzten zehn Jahren von
über 30 Prozent auf 20 Prozent zurückgegangen. Was sind die
Gründe dafür?
Generell gesagt gibt es heute einen andern Umgang mit dem
bewegten Bild. Die jüngere Generation schaut sich zwar viele Filme
an, aber nicht mehr unbedingt im Kino, sondern übers Internet, zu
Hause, auf DVD, unterwegs auf dem Laptop, zusammen mit andern oder
allein, an einem Stück oder in Portionen. Im Kino "spricht" der
Film sozusagen ex cathedra, man muss ihn im dunklen Saal zu einer
bestimmten Zeit von Anfang bis Ende anschauen. Die DVD hat den Umgang
"demokratisiert". Dann ist es offenbar auch so, dass die junge
Generation keine fremdsprachigen Originalversionen mehr sehen will,
auch nicht englischsprachige.
Das scheint paradox, dominiert doch Englisch in der
Popkultur und
zunehmend auch in der Werbung.
Das begreife ich auch nicht. Die Ablehnung von Untertiteln
hängt vielleicht mit der Abkehr vom geschriebenen Wort zusammen.
Dieser Teil der Jugend liest nicht mehr oder nur noch wenig. Untertitel
lesen wird als Arbeit empfunden, das passt nicht in die Freizeit.
Publikum verloren haben wir auch bei der Generation zwischen 25 und 40,
die mit Beruf und Familie so überbeschäftigt ist, dass sie
keine Zeit hat, ins Kino zu gehen. Zugenommen hat hingegen der Anteil
der älteren Generation von 60 Jahren an aufwärts. Das ist ein
sehr gutes Publikum, das Originalversionen sehen will, das konzentriert
Filme schaut, das Filme auch diskutieren will, und das ist neu. Aber
dieses Publikum ist nicht so gross, dass es die Verluste in den andern
Segmenten kompensieren kann.
Erfolgreich war 2009 vor allem, wer auf 3-D gesetzt hat.
Ist 3-D
der Totengräber des Arthouse-Kinos?
Nein, das glaube ich nicht. Es sind zwei Phänomene,
die
zusammengespielt haben: Dass die Multiplexe in der Schweiz so gut
greifen, glaubte niemand vor fünf, sechs Jahren. Und dass sich 3-D
so schnell als derart grosser Lockvogel entwickeln kann, glaubte
eigentlich auch niemand. Da wird sich aber sehr bald eine
Normalisierung ergeben. Nur die wirklich guten 3-D-Filme werden auch
erfolgreich sein.
Sie rüsten erst jetzt das Kino Bubenberg auf 3-D auf.
Haben
Sie die Entwicklung verschlafen?
Verschlafen nicht, aber es stimmt, wir sind ein bisschen
spät. Wir haben geglaubt, dass man ein Kino wie das Bubenberg auch
ohne 3-D erfolgreich bespielen kann. Ende Juni werden nun auch wir
soweit sein.
Zur grossen finanziellen Belastung wird für die
Arthouse-Kinos die Digitalisierung der Säle, zu der es keine
Alternative gibt. Sind weitere Schliessungen unumgänglich?
Die Situation ist gesamtschweizerisch tatsächlich
prekär. Wenn die Eintrittszahlen schon nicht gut sind und man dann
noch in Kinos investieren soll, kommt man sehr schnell an
ökonomische Schmerzgrenzen, immerhin geht es dabei ja um
Investitionen pro Saal von 100 000 bis 150 000 Franken. Um die
Kinovielfalt zu stützen, hat das Bundesamt für Kultur ein
Programm mit Subventionen für die Umrüstung lanciert. Leider
aber werden diese Subventionen erst 2011 greifen.
Verliert das Arthouse-Kino nicht auch deshalb Zuschauer,
weil es
schlicht an attraktiven Autorenfilmen mangelt?
Es fehlen heute tatsächlich die grossen Autoren, die
ein
Meisterwerk nach dem andern realisieren. Und es fehlen Leute wie
Kaurismäki, die mit schrägen Filmen unheimlich grosse
Publikumszahlen machen - auch ein Woody Allen hat einen Teil seines
Publikums verloren. Verändert hat sich aber auch das
Zuschauerverhalten. Man orientiert sich heute nicht mehr so sehr an
Filmautoren oder an Schauspielern, sondern stärker an Themen.
Man hat den Eindruck, dass die Arthouse-Kinos selber nicht
mehr
an den Autorenfilm glauben und auf Masse statt auf Qualität
setzen. Weshalb werden immer mehr Filme in immer kürzerer Kadenz
auf die Leinwände geworfen?
Es stimmt, die Zahl der Kinostarts nimmt zu, die
durchschnittliche Laufzeit wird kürzer und deshalb können
Filme kaum noch eine eigene Kraft entfalten. Wir können uns aber
nicht ausklinken aus der makroökonomischen Struktur. Nehmen wir
die Oscars: Früher gelang es der amerikanischen Filmindustrie
noch, ihre Filme über die Oscars an die Leute zu bringen, heute
kräht kein Hahn mehr danach, wie derzeit "Crazy Heart", "The Blind
Side" oder "Precious" zeigen. Entweder werden die Filme zu einem Event,
oder sie gehen unter. Ich finde "Precious" wirklich einen mutigen, sehr
emotionalen Film. Weshalb er nicht mehr Aufmerksamkeit bekommt, ist mir
unverständlich.
Sie haben in Bern nun weniger Leinwände, wollen aber
nicht
weniger Filme spielen. Das heisst: Immer mehr Filme laufen in
sogenannten "Schienen". Entwerten Sie durch diese Programmierung die
Filme nicht noch mehr?
Wir entwerten Filme nicht, sondern wir versuchen,
intelligent zu
programmieren. Wir spielen Filme, die eher für ein älteres
Publikum sind, nun vermehrt am Nachmittag und abends Filme für ein
jüngeres Publikum. Das machen auch Kinos in London oder New York
und das funktioniert. Die Kinos sind in der Miete und im Betrieb
einfach zu teuer, als dass man mit den Abendvorstellungen die Verluste
am Nachmittag auffangen könnte.
Sie haben erfolgreich das Multiplex-Kino im Wankdorf
verhindert,
kämpften aber nicht gegen Pathé Westside. Dieses sei keine
Gefahr, weil es weiter vom Zentrum entfernt sei. Eine
Fehleinschätzung?
Ich bin nicht jemand, der mit Einsprachen und juristischem
Quengeln neue Trends glaubt abblocken zu können. Als die Migros
aufkam, ging auch ein Aufschrei durch den Detailhandel, doch letztlich
hat sich der intelligente Detailhandel gleichwohl positionieren
können. Ich jammere deshalb auch nicht über Westside, ich
muss einfach schauen, wie ich unternehmerisch-kulturell
weiterführen kann, was mir am Herzen liegt. Deshalb ist die
Verkleinerung ein logischer Schritt, und es ist auch eine Garantie
für das gute Überleben. Ich sehe jetzt schon wieder
beruhigter in die Zukunft. Der Abwärtstrend im Arthouse-Bereich
wird nicht anhalten, wir haben die Talsohle erreicht.
Hoffnung allein ist aber noch keine erfolgreiche Strategie.
Natürlich nicht. Wir verfolgen deshalb eine doppelte
Strategie: Einerseits werden wird im Kino Bubenberg mit 3-D
kommerzieller spielen und so Anteile zurückerobern. Andererseits
wollen wir den Arthouse-Bereich mit flankierenden Massnahmen
stützen. Wir werden uns stärker mit der Universität, mit
der Studentenschaft verbinden und sind daran, neue Instrumente zu
entwickeln.
Was für neue Instrumente sind das?
Es geht darum, auch ausserhalb der Filmvorführungen
mit dem
Publikum zu kommunizieren. Dann wollen wir die Vorführungen
vermehrt begleiten und unsere Kinos stärker zu einem
Diskussionsforum machen, das wichtig ist für Leute, die sich
für den Film interessieren. Bis im Herbst sollen diese Massnahmen
entwickelt sein, dann werden wir informieren.
Müssten Sie nicht Kooperationen mit andern
Arthouse-Kinos,
zum Beispiel in Zürich, anstreben?
Es gibt bereits seit Langem einen regen informellen
Austausch.
Schon vor Jahren wurde zudem geprüft, ob man das Programmieren
zusammenlegen könnte. Es hat sich aber gezeigt, dass dies nicht
sinnvoll ist, weil die Unterschiede von Stadt zu Stadt zu gross sind.
Wenn man nicht mehr lokal programmiert, geht die Sensibilität
für die Verhältnisse vor Ort verloren.
Werden sich die Kinos in Zukunft vermehrt vom Film
emanzipieren?
Pathé Westside überträgt in seinen Sälen ja auch
Opern und kämpft mit der Kitag um die Rechte an Spielen der
Fussball-Weltmeisterschaft in 3-D.
Wir werden in unsern Kinos sicher auch vermehrt
Kulturereignisse
zeigen - Tanz, Theater und Oper, wie auch signifikante Musik-Events.
Den Fussball überlassen wir den andern. Sollen die sich um den
Ball streiten. Das ist vom Arthouse zu weit entfernt.
Sie sind Mitbesitzer von Frenetic Films und damit auch im
Verleihgeschäft aktiv. Eigentlich müsste auch Frenetic unter
der Arthouse-Krise leisen. Ist das so?
Nein, da sieht es im Moment relativ gut aus. Dank der
engen
Kooperation mit zwei französischen Weltvertrieben haben wir ein
sehr gutes Standbein in der französischen Schweiz, wo wir einen
wesentlichen Teil unserer Einnahmen machen. Dabei profitieren wir von
der europäischen Verleihförderung. Nur dank diesem
Fördermittel kann man so stark auf den europäischen
Studiofilm setzen, wie wir das tun.
Andere unabhängige Schweizer Filmverleiher haben
derzeit
aber schwer zu kämpfen. Glauben Sie, dass es in der Schweiz in
fünf Jahren immer noch über 20 Verleihfirmen geben wird?
Man wird mich heftig kritisieren, wenn ich das jetzt sage,
aber
ich gehe davon aus, dass die Schweiz zu klein ist für so viele
Verleiher. Es wird notwendigerweise eine Konzentration geben.
Sie sind Erbe eines grossen Vermögens. Es heisst oft,
Frenetic könne bei Filmeinkäufen anders rechnen als andere
Verleiher. Stimmt das?
Oh, das ist immer das gleiche Lied! Frenetic ist
überhaupt
nicht ein irgendwie mäzenatisch geführter Verleih, er muss
wirtschaftlich rentabel sein, es gibt da keine Quersubventionierungen.
Auch das Kino muss sich selber tragen. Aber natürlich hat es schon
die Situation gegeben, dass ich kurzfristig ein Loch gestopft habe,
damit es weitergehen konnte.
Bekannt wurden Sie als Filmemacher, nebst Kinobesitzer und
Verleiher sind Sie auch noch Kunstsammler, was ist Ihnen am
nächsten?
Das wechselt. Ich bin ein Projektmensch. Ich hatte einmal
eine
Zeit lang genug vom Spielfilmmachen, von diesen langwierigen
Produktionsprozessen und immer wieder ähnlichen Abläufen. Ich
kam dann darauf, es sei interessanter, einen Verleih zu gründen.
Als dieser lief, habe ich die Fühler nach etwas Neuem
ausgestreckt, und so kamen die Kinos dazu. Jetzt aber habe ich wieder
vermehrt Lust, mich dem Filmemachen zuzuwenden.
Ihr letzter Film war 1991 "Der grüne Heinrich". Wie
sehr hat
Sie der Misserfolg des Films getroffen?
Der Film wurde zur Zäsur, weil das eine sehr lange,
aufwendige Produktion war und der Film dann leider sein breites
Publikum nicht gefunden hat. In den negativen, zum Teil fast
hasserfüllten Kritiken war eine Aufregung, die ich nicht ganz
begriffen habe. Ich wollte aus dem "grünen Heinrich" nicht einen
protestantischen, sondern einen katholischen Film machen, und da gab es
Kritiker, die offenbar mit der Sinnlichkeit des Films nicht umgehen
konnten.
Haben Sie neue Filmprojekte?
Da gibt es derzeit zwei. Das eine basiert auf dem
amerikanischen
Roman "The Coffee Trader" von David Liss und spielt 1650 in Amsterdam
unter Börsenhändlern. Der zweite Stoff, der mir seit Jahren
schon sehr am Herzen liegt, heisst "Venus Hottentot". Es geht um eine
Eingeborene aus Südafrika, die 1812 in London und Paris
ausgestellt wurde.
Diese beiden Filme erwähnten Sie bereits vor vier
Jahren.
Die Finanzkrise hat uns einen Strich durch die Rechnung
gemacht.
Beim "Coffee Trader" prüfe ich, ob ich die Regie an einen
Regisseur mit grösserem kommerziellem Potenzial abtreten und mich
aufs Produzieren beschränken soll. Grosse Projekte wie diese sind
im Moment einfach schwierig aufzubauen. Ich bin deshalb auch an einem
Low-Budget-Projekt, damit ich schneller loslegen kann.
Wenn Sie einen Low-Budget-Film drehen wollen, könnten
Sie es
sich nicht leisten, das einfach zu tun?
Doch. Aber ich habe mich immer auf den Standpunkt
gestellt, dass
meine Produktionen finanziert sein sollen wie die der andern auch. Ich
habe die kompliziertesten Koproduktionen gemacht, um nicht eigenes Geld
hineinzustecken.
Haben Sie 1973 Ihren ersten Film, "Der Tod des
Flohzirkusdirektors", nicht mit eigenem Geld finanziert?
Doch, aber das war die Ausnahme, die die Regel
bestätigt.
Man ist unabhängiger, wenn man nicht eigenes Geld in die Filme
steckt, zudem ist das auch eine Vorsichtsmassnahme: Man kann mit
Filmproduktionen unheimlich schnell unheimlich viel Geld verlieren.
Ihr Geld stecken Sie lieber in Kunst als in Filme.
Der Aufbau meiner Sammlung hat mir geholfen, die Zeit zu
überbrücken, als ich keine Filme machte. Die
Beschäftigung mit Kunst erlaubte mir, mich intensiv mit Bildern
anderer zu befassen. Ich bewege mich, und das ist unheimlich
faszinierend, in vielfältigen Bildwelten zwischen Malerei,
Fotografie und bewegten Bildern, zwischen Kunstsammlungen, Filmverleih,
Kino und Filmproduktion. Es ist mir in keinem Moment langweilig, und so
bin ich auch nie in Versuchung gekommen, über die Situation in der
Schweiz in Bezug auf das Filmemachen zu jammern.
Wie beurteilen Sie die Qualität des Schweizer Films
heute?
Ich wundere mich über den Trend zur kommerziellen
Anbiederung mit oft untauglichen Mitteln. So etwas hat es zu unserer
Zeit nicht gegeben. Ich habe nichts dagegen, wenn Filme kommerziell
ausgerichtet sind, aber dann müssen sie auch gut gemacht sein.
Dafür gibt es Beispiele, "Grounding" oder "Mein Name ist Eugen"
etwa. Es fehlt mir auch eine gewisse kreative Vitalität bei den
jüngeren Regisseuren und Regisseurinnen. Aber es ist schwierig,
wenn die ältere Generation sich so zu Wort meldet. Das sieht nach
Altersarroganz aus.
Welches war 2010 bisher Ihr Kino-Highlight?
"Precious" und der Coen-Brothers-Film "A Serious Man".
Diesen
fand ich unheimlich toll, so frei und so genau erzählt.
Und welches ist Ihr Lieblingsfilm unter den Schweizer
Produktionen der letzten zwölf Monate?
Es ist schrecklich, aber ich kann keinen nennen. Ich muss
gestehen, ich sehe nicht so viele Filme, ich schaue mir nur an, was
mich wirklich interessiert und gebe der Schweizer Produktion nicht den
Vorzug.
--
Kinomarkt
Der Sieger heisst Pathé
Die Schweizer Kinos blicken auf ein gutes Jahr 2009
zurück.
Insgesamt wurden 15,6 Millionen Tickets verkauft, 6 Prozent mehr als im
Vorjahr, die Einnahmen stiegen gar um 10 Prozent auf 236 Millionen
Franken. Zu verdanken ist dieser Schub vor allem den 3-D-Filmen, die
2009 über eine 1 Million Eintritte verzeichneten. Profitiert davon
haben vor allem die Multiplexe und die Mainstreamkinos. Gewinnerin ist
die Pathé-Kette. Mit ihren 70 Sälen hat sie laut eigenen
Angaben die Kitag als Marktführerin abgelöst. Pathé
verzeichnete 3,65 Millionen Eintritte und einen Marktanteil von 23
Prozent.
In Bern verzeichnete das Pathé Westside mit seinen
11
Leinwänden und 2400 Plätzen letztes Jahr 500 000 Eintritte,
das Total in Bern beträgt 1,2 Millionen Eintritte. Bei den
Innenstadt-Kinos von Quinnie und Kitag gingen die Eintritte hingegen
von 820 000 auf 700 000 zurück. Quinnie reagiert darauf mit
Kinoschliessungen: Ende März ging das Splendid zu (2 Säle,
350 Plätze), Ende Mai schliesst das Cinemastar (200 Plätze).
Damit schrumpft die Kette, die stark auf Arthouse-Filme setzt, von 10
auf 7 Säle respektive von 1900 auf 1350 Plätze. Schweizweit
hat das Arthouse-Kino (Autorenfilme, Werke aus kleinen
Kinoländern, unabhängige Produktionen, Dokfilme) in den
letzten zehn Jahren deutlich an Terrain eingebüsst. Man
schätzt, dass der Marktanteil von über 30 Prozent auf knapp
20 Prozent gesunken ist. (all)