MEDIENSPIEGEL 15.4.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino, IL, DS)
- Centralweg Lorraine: Zwischennutzung
- Drogenhandel in nigerianischer Hand?
- Ausschaffungs-Tod: Sonderflugstopp + Freilassungen; Maja Wicki
- BfM gegen alle(s): Bois-Reymond im Le Temps-Inti
- RaBe-Info 15.4.10
- Big Brother Video: Illegale Kameras in BE; BS gegen Videoflut
- Kulturoffensive LU: Zick und Zwerg in Bewegung
- Squat LU: Brambergstrasse mit Vetrag
- Tierrechtsforum in Winterthur
- Arbeitskampf Deisswil: Menschenkette
- 1. Mai Zürich: Festbeginn-Zoff; Libertärer Aufruf
- Police CH: Highnoon in Hitzkirch
- Interkultur CH
- Revolutionäre Zellen: Herzstillstand im Untergrund
- Rechter Osten: Osteuropa gegen Roma, JüdInnen + Homosexuelle
-Antifa@Island: Liberales Mediengesetz
- Chiapas: Frauen + 16 Jahre Aufstand
- Feminismus + Wirtschaft
- Anti-Feminismus: (Eva) Hermänner gegen das Böse

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REITSCHULE
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Do 15.04.10
20.00 Uhr - Kino - Dok am Donnerstag: Ein Jahr des Kampfes - ein Jahr von vielen / Uno entre muchos años de lucha; September 97 - September 98; Video-Zusammenschnitt des Komitees "Für die Freiheit und Asyl für Patricio Ortiz" und des Infoladen Kasama Zürich. In Anwesenheit von Patricio Ortiz
20.00 Uhr- Infoladen - ArbeiterInnenwiderstand gegen die Pläne des Kapitals (Continental Claroix F, INNSE Mailand I). Vortrag von und Diskussion mit Rainer Thormann
20.30 Uhr - Tojo - "Klangkabarett" Musiktheater mit Songs von Kurt Weil, Nina Hagen, David Bowie... Regie: Benoît Blampain
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Heu, Stroh und Hafer - Wandler (live - motoguzzi/zh), Lukas Kleesattel (beam rec /be), Racker (midilux, festmacher/be) - Minimal, Techno

Fr 16.04.10
20.30 Uhr - Tojo - "Klangkabarett" Musiktheater mit Songs von Kurt Weil, Nina Hagen, David Bowie... Regie: Benoît Blampain
21.00 Uhr - Kino - "Fressen und gefressen werden...": The Sound of Insects - Record of a Mummy, Peter Liechti, CH 2009
22.00 Uhr - Dachstock - Anti Pop Consortium (Big Dada/USA) & B.Dolan (StrangeFamous/USA), Support: Thesis Sahib (CAN) & DJ Kermit

Sa 17.04.10
20.30 Uhr - Tojo - "Klangkabarett" Musiktheater mit Songs von Kurt Weil, Nina Hagen, David Bowie... Regie: Benoît Blampain
21.00 Uhr - Kino - "Fressen und gefressen werden...": The Sound of Insects - Record of a Mummy, Peter Liechti, CH 2009
22.00 Uhr - Frauenraum - SKYTRONIK by Shit&Vomit; Dj Jacqui, Lozan: Minimal Attack; Dj Jesse Jay, Züri: Progressive Attack; Shit&Vomit: Minimal Progression. Party. Dress Code: Chaos
23.00 Uhr - Dachstock - Sirion Records & Dachstock présentent: La Liaison Française: Oxia (8bit/F), Seuil (Freak n'Chic, Moon Harbour, Eklo/F) live!, Support: Bird, Frango, Feodor, Nino Zolo (Sirion Records) et: Racker (Festmacher, Midilux); Daniel Imhof (HLM, RaBe); Little Lu (Elektrostubete, Highgrade); Mike Machine (Sinneswandel)

So 18.04.10
21.00 Uhr - Dachstock - Zeni Geva (JAP)

Infos: http://www.reitschule.ch

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Kino in der Reitschule 15.4.10

Dok am Donnerstag

15. April 2010, 20 h

Ein Jahr des Kampfes - ein Jahr von vielen  -  Uno entre muchos años de lucha

September 97 - September 98

Video-Zusammenschnitt des Komitees "Für die Freiheit und Asyl für Patricio Ortiz" und des Infoladens Kasama Zürich. Dauer 40 Minuten

In Anwesenheit von Patricio Ortiz

 Am 30. Dezember 1996 entschweben per Helikopter vier politische Gefangene des bewaffneten Widerstandes (FRMR) aus dem Hochsicherheitsgefängnis CAS in Santiago de Chile. Einer davon, Patricio Ortiz, stellt im Juli 1997 politisches Asyl in der Schweiz. Die Behörden verhaften ihn und Patricio drohen die baldige Ausschaffung, Folter und jahrelange Haft. Ein Kapitel über Menschenrechte in Chile und Profite der (CH-)Konzerne in Chile!

Verwandte von Patricio und ein paar autonome AktivistInnen wehren sich gegen die Ausschaffung. Die Aktivitäten beginnen mit der ersten Demo. Und in der Folge gelingt es den AktivistInnen eine grosse Solidaritätswelle für Patricio Ortiz auszulösen. Bei den wöchentlichen Treffen im Infoladen Kasama werden Szenarien für Ortiz Freilassung ausgearbeitet. Im September wird Ortiz aus dem Gefängnis Dielsdorf/ZH entlassen. Patrico's Freilassung gilt als ein Symbol für gelebte Solidarität.

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Infoladen Reitschule 15.4.10

Do 15.4. - 20:00 Infoladen Bern:
ArbeiterInnenwiderstand gegen die Pläne des Kapitals

Vortrag und Diskussion mit Rainer Thomann

organisiert von der FAU Bern und dem Infoladen Bern

Am 11. März 2009 will der Reifenkonzern CONTINENTAL den ArbeiterInnen  erklären, dass ihr Werk im nordfranzösischen Clairoix geschlossen  wird. Die Versammlung endet im Tumult. Von einem rohen Ei am Kopf  getroffen, verlässt der Direktor fluchtartig den Ort. Das ist der  Auftakt zu einer breiten Protestbewegung gegen die Schliessung des  Werks. Warum sind die Contis derart wütend, dass die in den folgenden  Monaten gleich ganze Lieferwagen an teuersten Reifen, die sie zuvor  selber produziert haben, öffentlich verbrennen?

Als der Fabrikbesitzer den 50 ArbeiterInnen der INNSE in Milano per  Telegramm mitteilt, dass ab dem 31. Mai 2008 die Produktion per sofort  eingestellt werde, besetzen sie noch in der gleichen Nacht den  Betrieb. Drei Tage später nehmen sie die Produktion wieder auf. In den  folgenden dreieinhalb Monaten beweisen die ArbeiterInnen, dass die  INNSE auch ohne Patron gut funktioniert.

http://ch.indymedia.org/de/2010/04/74880.shtml

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Bund 15.4.10

Anti-Pop Consortium

 Bloss nicht populär werden

 Das Anti-Pop Consortium strebt die Dekonstruktion von Pop und Hip-Hop an.

 Es gibt eine Menge guter Gründe, gegen Pop zu sein. Doch am konstruktivsten ist es, wenn man auch gleich einen überzeugenden Gegenvorschlag parat hat. Die Gruppe Anti-Pop Consortium aus New York ist nicht nur gegen den Pop, sie ist vor allem gegen die Entwicklung, die der Hip-Hop im neuen Jahrtausend genommen hat.

 Der Gegenvorschlag des Anti-Pop Consortiums ist eine vertrackte, poesiereiche, aber melodiearme Variante des Hip-Hop. Damit hat sich das Kollektiv zwar Achtung und Street Credibility in der Szene erarbeitet, doch der Band wurde nie die Aufmerksamkeit zuteil, die sie verdient hätte. Dafür ist ihre Musik zu lustfeindlich, zu verkopft - und die Zielgruppe der grübelnden Homeboys ist offensichtlich zu klein, als dass man als deren Versorger reich werden könnte. Ein Umstand, der allerdings offenbar ganz im Sinne der Erfinder ist: "Unser erklärtes Ziel war immer, nicht populär zu werden", berichtete Konsortium-Mitglied M. Sayyid einmal in einem Interview. "Die meisten Bands haben die unterschwellige Motivation, ganz gross rauszukommen und viele Platten zu verkaufen, wir hingegen wollen einfach nur so kreativ wie irgend möglich sein."

 Immerhin wurde die Band als Vorband von Radiohead engagiert, daneben produzierte man mit dem experimentierlustigen Jazzpianisten Matthew Shipp einen musikalischen Mischling aus Jazz und sperrigen Hip-Hop-Miniaturen. Doch irgendwann war man sich über die kreative Ausrichtung innerhalb der Band nicht mehr ganz eins, nach dem Album mit Shipp löste sich das Konsortium auf, die Mitglieder gaben sich Soloprojekten hin, von welchen besonders jenem von Beans grösserer Erfolg beschieden war. Seit 2007 ist die Band wiedervereint, 2009 erscheint mit "Fluorescent Black" gar ein neues Album auf dem Ninja-Tune-Unterlabel Big Dada. Ein Werk mit höchst originellem elektronischen Anstrich, dem Rapper Roots Manuva den neckischen Tanzboden-Hit "NY to Tokyo" beigesteuert hat. Auf dass der bloss nicht allzu populär werden wird. (ane)

 Dachstock Reitschule Fr, 16. April, 22 Uhr.

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CENTRALWEG LORRAINE
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bern.ch 15.4.10

Städtisches Grundstück am Centralweg: Zwischennutzung bis zum Baubeginn festgelegt

In einem offenen Austausch zwischen Dialog Nordquartier, Verein Läbigi Lorraine, Lorraine-Breitenrain-Leist und der städtischen Liegen-schaftsverwaltung wurden mögliche Zwischennutzungsideen für das Grundstück am Centralweg im Eigentum des Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik diskutiert und auf ihre Machbarkeit geprüft. Bis zur Realisierung der geplanten Wohnüberbauung soll das Areal als provisorischer Standort für einen Veloladen genutzt werden und dem Quartier zur Verfügung stehen.

Die spezielle Dynamik und eigenständige Identität der Lorraine spiegelt sich in ihrem Quartierleben und im vielseitigen Neben- und Miteinander von Wohnen, Arbeiten, Ausbildung und Freizeit. Dementsprechend vielfältig sind auch die Ideen für mögliche Zwischennutzungen von brachliegenden Arealen. Die Liegenschaftsverwaltung hat beim Verein "brachland" eine Potenzialanalyse für die betreffenden Parzellen am Centralweg in Auftrag gegeben. Diese wurde in den letzten Wochen vertieft und mit den wichtigen Trägerschaften aus dem Quartier analysiert.

"Velo und Natur" als Zwischennutzungskonzept

Der an der Lorrainestrasse 6a ansässige Velokurier-Laden sucht im Quartier dringend einen neuen Standort. Als Übergangslösung bietet sich das Grundstück am Centralweg an. Beim Vorliegen der dafür nötigen Baubewilligung, voraussichtlich im Sommer 2010, wird der Velokurier-Laden in ein zu errichtendes Provisorium auf dem östlichen Teil des Areals (Seite Lagerweg) umziehen. Der restliche Teil des Geländes wird als Brachland gestaltet. Ab Mai 2010 steht diese Fläche zur individuellen Nutzung und Gestaltung für das ganze Quartier zur Verfügung. Organisation und Koordination für spezielle oder länger andauernde Projekte auf der Fläche übernimmt die Quartierarbeit Bern-Nord (vbg). Sowohl mit dem Velokurier-Laden als auch mit dem vbg wird die Liegenschaftsverwaltung befristete Vereinbarungen abschliessen.

Spatenstich für Wohnüberbauung voraussichtlich im Frühling 2012

Für den geplanten Wohnungsneubau auf dem Gelände führt die Liegenschaftsverwaltung einen offenen, anonymen Architekturwettbewerb nach SIA 142 durch. Die Ausschreibung erfolgt in den nächsten Tagen, das Siegerprojekt wird bis Ende 2010 vorliegen. Der Spatenstich zum Wohnungsneubau wird voraussichtlich im Frühjahr 2012 erfolgen. Alle Zwischennutzungen enden mit dem Baubeginn.
 
Direktion für Finanzen, Personal und Informatik

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DROGENHANDEL
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BZ 15.4.10

Nigerianer handeln mit Kokain

 Die Aussage des Chefs des Bundesamtes für Migration, dass 99,5 Prozent der nigerianischen Flüchtlinge in der Schweiz straffällig würden, sorgte für Aufsehen. Auch die Berner Polizei hat grosse Probleme mit den Westafrikanern.

 Die Behörden in Bern bestätigen die Aussage vom Chef des Bundesamtes für Migration. "Die Nigerianer kontrollieren den Kokainhandel in Bern", sagte Christof Kipfer, der Chef der Berner Kriminalpolizei, auf Anfrage. Trotz umfangreicher Ermittlungen sei es schwierig, ihre clanartigen Kreise zu durchschauen. Diese Clans seien sehr gut organisiert. Kipfer glaubt, die jungen Männer würden mit einem klaren Dealerauftrag nach Bern geschickt. Hier würden sie sowohl den Import wie den Export der Droge kontrollieren.

 Obwohl das Problem bekannt ist, sei es sehr schwierig, die sogenannten "Chügelidealer" aus dem Verkehr zu ziehen. Die Männer hätten die Droge in kleinen Mengen als Kügelchen im Mund dabei. "Sobald sie die Polizei sehen, schlucken sie diese einfach", so Kipfer. Und auch wenn es der Polizei gelinge, einen mit genügend Kokain zu erwischen, stehe kurze Zeit später der Nächste an derselben Strassenecke. "Es gleicht einer Sisyphusarbeit, die Nigerianer haben unglaubliche Rekrutierungsmöglichkeiten", sagte Kipfer.

 Gesuchsflut aus Nigeria

 Oft widersetzen sich die Nigerianer der Verhaftung, und es komme zu "schwierigen Szenen" für die Polizei, erklärt der Chef der Kriminalpolizei. In Haft machten sie falsche Angaben zu Herkunft und Alter und erzählen alle die "gleichen, nicht glaubwürdigen Geschichten". Darum werden fast alle Asylgesuche abgelehnt. 2009 hat die Schweiz lediglich einem einzigen Gesuch eines nigerianischen Asylbewerbers stattgegeben. 6 erhielten eine vorläufige Aufnahme. Die grosse Mehrheit der knapp 1800 Gesuche wurden abgelehnt. In den letzten 15 Jahren durften 12 Nigerianer bleiben, 5401 stellten ein Gesuch.

 Den Riegel schieben

 Der Asylgesuchsflut der Nigerianer will der neue Leiter des Bundesamtes für Migration, Alard du Bois-Reymond, nun den Riegel schieben. So soll sich eine Arbeitsgruppe aus Bund und Kantonen des Problems annehmen. Zudem soll ein vereinfachtes Rückführungsabkommen für Entspannung sorgen.

 Tanja Kammermann

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bernerzeitung.ch 15.4.10

Berner Koks-Handel fest in nigerianischer Hand

Tanja Kammermann

 Die Aussage des Chefs des Bundesamtes für Migration, dass 99,5 Prozent der nigerianischen Flüchtlinge in der Schweiz straffällig würden, sorgte für Aufsehen. Auch die Kantonspolizei Bern hat grosse Probleme mit den Westafrikanern.

 Die offiziellen Behörden in Bern bestätigen die Aussage vom Chef des Bundesamtes für Migration. "Die Nigerianer kontrollieren den Kokainhandel in Bern", sagte Christof Kipfer, der Chef der Berner Kriminalpolizei, auf Anfrage von bernerzeitung.ch. Trotz umfangreicher Ermittlungsarbeit sei es schwierig, ihre clanartigen Kreise zu durchschauen. Die Clans würden sich völlig von andern abschotten und seien sehr gut organisiert. Kipfer glaubt, die jungen Männer würden mit einem klaren Dealerauftrag nach Bern geschickt. Hier würden sie sowohl den Import und den Export der beliebten Droge kontrollieren.

 Die Nigerianer fallen schon einige Zeit als Drogendealer auf. Über Westafrika gelangen nämlich immer mehr Drogen aus Südamerika nach Europa, sowohl auf dem Land- wie auf dem Wasserweg. Westafrika und damit auch Nigeria, ist dadurch zu einem regelrechten Drogenumschlagplatz geworden.

 Obwohl das Problem bekannt ist, sei es sehr schwierig, die so genannten "Chügelidealer" aus dem Verkehr zu ziehen. Die Männer hätten die Droge in kleinen Mengen als Kügelchen im Mund dabei. "Sobald sie die Polizei sehen, schlucken sie diese einfach", so Kipfer. Und auch wenn es der Polizei gelinge, einen mit genügend Kokain zu erwischen, stehe kurze Zeit später der nächste an derselben Strassenecke. "Es gleicht einer Sisyphusarbeit, die Nigerianer haben unglaubliche Rekrutierungsmöglichkeiten", sagte Kipfer.

 Seit Jahren Gesuchsflut aus Nigeria

 Oft widersetzen sich die Nigerianer der Verhaftung und es komme zu "schwierigen Szenen" für die Polizei, sagte Kipfer. In Haft machen die Männer falsche Angaben zu Herkunft und Alter und erzählen alle die "gleichen, nicht glaubwürdigen Geschichten". Darum werden fast alle Asylgesuche abgelehnt. 2009 hat die Schweiz lediglich einem einzigen Gesuch eines nigerianischen Asylbewerbers stattgegeben. Sechs erhielten eine vorläufige Aufnahme. Die grosse Mehrheit der knapp 1800 Gesuche wurden abgelehnt. In den letzten 15 Jahren durften 12 Nigerianer bleiben, 5401 stellten ein Gesuch.

 Der Asylgesuchflut will der neue Leiter des Bundesamtes für Migration, Alard du Bois-Reymond, nun einen Riegel schieben. So soll sich eine Taskforce, eine Arbeitsgruppe aus Bund und Kantonen, dem Problem mit den Flüchtlingen aus Nigeria annehmen. Zudem soll ein vereinfachtes Rückführungsabkommen für Entspannung sorgen. Weil es aber einige Zeit dauere, um die Verfahren zu beschleunigen, rechnet du Bois-Reymond auch dieses Jahr mit insgesamt 16'000 Asylgesuchen.

 Die Taskforce wurde seit letzten Sonntag bereits von Balthasar Glättli von Solidarité sans frontières als "eine weitere unnütze Massnahme" kritisiert. Besser sei es, den Nigerianern ein Handgeld von 5000 Franken zu zahlen und sie so zur Rückkehr zu bewegen. "Ein durchaus pragmatischer Ansatz", sagte Kripo-Chef Christof Kipfer.

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AUSCHAFFUNGS-TOD
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Newsnetz 15.4.10

Kantone müssen Dutzende inhaftierte Afrikaner freilassen

David Vonplon und Simon Eppenberger

 Der vom Bund verfügte Sonderflugstopp für Ausschaffungshäftlinge bringt die Kantone in Nöte: Recherchen von zeigen, dass in der Deutschschweiz inhaftierte Nigerianer wieder auf freien Fuss gesetzt werden müssen.

 Am 17. März verstarb auf dem Flughafengelände in Kloten ein 29-Jähriger Nigerianer. Der Asylbewerber stand kurz vor einem Sonderflug in seine Heimat und hatte sich gegen seine Ausschaffung massiv zur Wehr gesetzt. Der neue Chef des Bundesamts für Migration, Alard Du Bois-Reymond, der den Vorfall mit eigenen Augen verfolgt hatte, reagierte umgehend und strich die Sonderflüge für die zwangsweise Rückschaffung von Asylbewerbern bis auf Weiteres. Doch sein unbürokratisches Eingreifen hat nun Folgen: Die Anordnung des Bundes zwingt die Kantone, Ausschaffungshäftlinge auf freien Fuss zu setzen.

 Ausschaffungshäftlinge verweigern jetzt erst recht die Kooperation

 Allein im Kanton Bern rechnen die Migrationsbehörden in den kommenden Wochen mit 15 bis 20 Haftentlassungen. Der Ärger darüber ist gross:"Wir sind hochgradig unzufrieden mit der herrschenden Situation und arbeiten unter massiv erschwerten Bedingungen", erklärt dazu Florian Düblin, Vorsteher des Migrationsdienstes des Kantons Bern auf Anfrage von . Sein Problem: "Wenn die Ausländerbehörden das Druckmittel der Sonderflüge nicht in der Hinterhand haben, haben die Ausreisepflichtigen keinen Anreiz zu kooperieren."

 Im Kanton St. Gallen mussten zwei Nigerianer aus der Haft entlassen werden, die ursprünglich für den letzten Sonderflug vorgesehen waren, der dann aufgrund des Todesfalls abgebrochen wurde. Dies bestätigt Bruno Zanga, Leiter Ausländeramt des Kantons St. Gallen gegenüber . Eine weitere Person aus Nigeria könnte freikommen, wenn sie sich weigert, mit einem normalen Linienflug zurückzukehren. Auch im Kanton Aargau erklärt Markus Rudin, Leiter des kantonalen Migrationsamtes, dass es zu Haftentlassungen führen könnte, sollten längerfristig keine Sonderflüge durchgeführt werden.

 Erst vergangene Woche mussten die Behörden in Genf sieben Männer auf freien Fuss setzen, welche eigentlich mittels Sonderflüge in ihre Heimat zurückgeführt werden sollten; darunter auch verurteilte Drogendealer, wie das Westschweizer Fernsehen berichtete.

 Sonderflugstopp hat sich bereits herumgesprochen

 Wenn die Sistierung der Sonderflüge längere Zeit andauern sollte, haben die Kantone notgedrungen ein Problem. "Uns werden die Fristen für die Ausschaffung ablaufen", sagt Zanga. Laut Ausländergesetz dürfen Asylbewerber während einer Frist von 24 Monaten inhaftiert werden - und die Haft ist nur dann zulässig, wenn eine Ausschaffung absehbar ist. Deshalb sind die Migrationsbehörden gezwungen, inhaftierte Ausreisepflichtige entweder selber auf freien Fuss zu setzen, oder sie werden von der Haftprüfungsinstanz angewiesen, die Personen freizulassen.

 Bereits hat sich der Stopp der Sonderflüge bei den Asylbewerbern laut Florian Düblin von den Berner Ausländerbehörden herumgesprochen: "Wir rechnen damit, dass sie die Kooperation vermehrt verweigern werden und nicht bereit sein werden, in einem Linienflugzeug unbegleitet in ihre Heimat zurückzukehren", erklärt er.

 Keine unmittelbaren Freilassungen im Kanton Zürich

 Nicht viel anders präsentiert sich die Lage im Kanton Zürich. Derzeit befinden sich dort rund 10 Personen aus Nigeria in Haft, die seit 5 bis 11 Monaten inhaftiert sind und zwangsweise ausgeschafft werden sollten, wie Bettina Dangel, Sprecherin des kantonalen Migrationsamtes Zürich auf Anfrage erklärt. Ob diese Häftlinge in den nächsten Monaten aus der Haft entlassen werden, ist laut Dangel offen: "Wenn die Sperre bei den begleiteten Ausschaffungsflügen noch längere Zeit anhält, muss die Situation neu überprüft werden."

 Vorerst jedoch bleiben die Häftlinge im Kanton Zürich in Gewahrsam: Eine unmittelbare Freilassung steht laut Dangel nicht zur Diskussion: "Wenn das Verfahren sehr lange dauert, kann der Richter die Haft ändern, beispielsweise von Ausschaffungs- in Durchsetzungshaft", erklärt die Sprecherin. Je länger das Bundesamt für Migration die Sonderflüge aufschiebt, desto mehr wächst die Unruhe in den Kantonen - und der Druck auf Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf. An der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren vergangenen Donnerstag haben mehrere Kantone gefordert, die Sonderflüge wieder einzusetzen.

 Ermittlungen der Zürcher Justizbehörden laufen weiter

 Doch beim Bundesamt für Migration (BfM) will man davon vorerst nichts wissen. "Wir wollen zuerst die Ergebnisse der Zürcher Staatsanwaltschaft zum Tod des nigerianischen Asylbewerbers abwarten", erklärt eine BfM-Sprecherin. Erst wenn die Untersuchungen zeigen würden, dass dieser tragische Tod nicht durch die Zwangsmassnahmen verursacht worden ist, werde man die Rückführungen via Sonderflüge wieder aufnehmen.

 Wann die Untersuchungen der Zürcher Staatsanwaltschaft zu einem Abschluss kommen, ist indessen noch nicht absehbar. Derzeit laufen die rechtsmedizinischen Abklärungen. "Erst wenn diese Ergebnisse in den nächsten Wochen vorliegen, kann die Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen entscheiden", sagt Corinne Bouvard, Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft Zürich. Ob diese Abklärungen noch Wochen, oder Monate andauern, können die Ermittler derzeit nicht abschätzen.

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WoZ 15.4.10

Maja Wicki - Ein Porträt der Philosophin, Psychoanalytikerin und unermüdlichen Menschenrechtlerin - anlässlich eines runden Geburtstags und ihres jüngsten Buches.

 Die Kraft des Denkens

Von Thomas Barfuss, Stefan Howald (Text) und Florian Bachmann (Foto)

 Maja Wicki lädt gern zu sich ein, ins Zürcher Seefeldquartier. Wir Gäste werden dann sorgsam platziert, sodass wir durchs Fenster den See im Blick haben; Maja tischt auf, nur eine Kleinigkeit, wie sie versichert, um die Gehirnströme in Gang zu setzen, was sich, natürlich, als opulentes Mahl erweist.

 Während des Gesprächs klingelt das Telefon, Maja verspricht einer Asylbewerberin, sich um eine Lehrstelle für ihre Tochter zu kümmern, oder sie vermittelt die Adresse eines befreundeten Rechtsanwalts. Wenn die Zeit nicht gereicht hat, einen Kuchen zu backen, wird die Nachspeise zumindest mit ausgesuchten exotischen Zutaten angereichert, früh am Morgen frisch auf dem Markt gekauft. Wir unterhalten uns über das Leben und unsere Projekte - kennt jemand vielleicht eine geeignete Lehrstelle? Traurig ist sie und empört über die politische Situation. Am 17. März ist ein nigerianischer Asylbewerber bei der Zwangsausschaffung auf dem Zürcher Flughafen ums Leben gekommen. Ein Skandal, sagt Maja, und sie hat bereits einen offenen Brief an den Bundesrat aufgesetzt und ist daran, für den 17.   April eine Manifestation der Trauer in Bern zu organisieren.

 Späte Karriere

 So geht das immer wieder, intensiv und eindringlich. Seit Jahren engagiert sich Maja Wicki für Menschenrechte und gegen die Diskriminierung von Asylsuchenden. 2008 stellte sie ein Kolloquium an der Universität Freiburg auf die Beine, zusammen mit der dortigen Ethikprofessorin Simone Zurbuchen, das unter dem Motto "Unrecht darf nicht Recht werden" das neue Asyl- und Ausländergesetz analysierte und kritisierte. Die neuste Aktion hat sie spontan lanciert, unterstützt von Afra Weidmann, der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht und Solidarité sans frontières, von konservativeren Organisationen im Asylbereich vorsichtig distanziert bis misstrauisch betrachtet.

 Ihr 70. Geburtstag, Anfang Jahr im weiteren Kreis gefeiert, machte ihre Fähigkeit, Menschen aus verschiedenen Gebieten zu bewegen und zusammenzubringen, noch augenfälliger: Da sassen nebeneinander alte Schulfreunde und Menschenrechtsaktivistinnen, ihre Töchter und Söhne samt Grosskindern, Journalistenkollegen und Malerinnen, Psychoanalytikerinnen, Anwälte, Philosophinnen, Musiker.

 Wicki hat eine späte, aber vielfältige Karriere gemacht. Die "Jahre des pubertären Aufruhrs musste ich in Mädchenpensionaten verbringen. In bürgerlichen Familien galten damals freiheits- und bildungshungrige Töchter als Verhängnis", hat sie geschrieben. Mit 22 Jahren heiratete sie einen gleichaltrigen Jurastudenten, zog dann vier Kinder auf, übersetzte daneben für den Verlag ihres Vaters Bücher aus dem Französischen und unterrichtete Deutsch für AusländerInnen. Die 68er-Revolte beobachtete sie "aus dem Hinterhof. Ich hatte damals bereits Kinder geboren, sie waren noch klein und wuchsen heran; ich war ihnen am nächsten verpflichtet. Kinder und Studium, Haushalt und Geldverdienen bedurften des Rückzugs. Der Alltag war widersprüchlich."

 Geduldig lernte sie das eigenständige Denken und Handeln aus diesem widersprüchlichen Alltag heraus. Das Philosophiestudium konnte sie erst 1983 mit einer Dissertation über Simone Weil in Zürich abschliessen, eine Denkerin, die sie bis heute fasziniert. Anschliessend immatrikulierte sie sich für Psychologie und Traumatherapie bei Stefan Herzka. In all den Jahren kam es zur vielfältigen Zusammenarbeit und Freundschaft mit anderen DenkerInnen, mit Brigitte Weisshaupt, Arnold Künzli, Hans Saner, Ueli Mäder, Berthold Rothschild, Willi Goetschel und vielen mehr.

 Ästhetisch und ethisch zugleich

 Mitte der achtziger Jahre wurde sie Journalistin, bei der "Weltwoche", beim "Tages-Anzeiger", beim "Magazin". Sie hat mutige Reportagen geschrieben, über sizilianische Frauen im Kampf gegen die Mafia, aus Krisengebieten wie der Türkei und Ex-Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien, Porträts über bedeutende und zugleich wenig beachtete Menschen, zum Beispiel den Dichter Lajser Ajchenrand oder die Buchhändlerin Emmie Oprecht. Immer widmete sie sich ihren Themen mit einer feinen Wahrnehmung, die ästhetisch und ethisch gleichermassen war. Bis diese Art Journalismus in den Printmedien nicht mehr gefragt war. 1991 gab sie unter dem Titel "Wenn Frauen wollen, kommt alles ins Rollen" ein Buch zum Frauenstreiktag heraus, mit Beiträgen von über sechzig FotografInnen sowie Kultur- und Frauenrechtlerinnen. Mit Esther Spinner und anderen baute sie das Netzwerk schreibender Frauen auf und setzte sich mit Barbara Elsasser für ATD Vierte Welt ein. Beim Schweizer Fernsehen trug sie zum Aufbau der "Sternstunden Philosophie" bei und war von 1994 bis 2000 Redaktionsmitglied beim "Moma", einem lebhaften, kurzlebigen Magazin der Linken.

 Die journalistische Arbeit lief immer parallel zum humanitären und politischen Engagement. Über zehn Jahre war Maja Wicki im Vorstand des "Forums gegen Rassismus". 1997 gab sie mit der Menschenrechtsaktivis tin Anni Lanz einen Sammelband von Flucht- und Exilgeschichten aus dem ehemaligen Jugoslawien heraus, der dazu beitrug, dass bosnische Frauen und Kinder nicht aus der Schweiz ausgeschafft wurden.

 Gelegentlich, wenn sie müde wird, fällt sie im Gespräch ins Französische ihrer zweisprachigen Jugend zurück, und das ist ein besonderes Zeichen: Ende 1999 hat Maja Wicki einen Hirnschlag erlitten und dabei jede Sprachfähigkeit verloren. Sie kämpfte sich Wort für Wort zurück, leichter auf Französisch, mühsamer auf Deutsch, schliesslich zur alten Beredsamkeit und Genauigkeit - eine erstaunliche Leistung.

 Wicki ist eine bestrickende Rednerin. In ihrem freien Vortrag kann man die Verfertigung der Gedanken beim Reden mitverfolgen. Ja, als multikulturelle Geschichtenerzählerin scheint sie die mündliche Sprache geradezu als Zauberkraft zu benützen. Woher sie ihre Kraft nimmt, ist zuweilen ein Rätsel. Manchmal überfordert sie einen. Ihre Unmittelbarkeit wird von uns anderen gelegentlich als Anspruch wahrgenommen: die Empathie zu teilen, sofort auf eine Anfrage zu antworten, so schnell und so weit als möglich für Hilflose einzustehen. In dunkleren Augenblicken mag das einem als Zumutung erscheinen und ermattete Melancholie auslösen.

 Zuweilen überfordert sie auch sich selber. Immer wieder

 geht die therapeutische Tätigkeit in die praktische Hilfe über. Dann muss, dringlich, Geld aufgetrieben oder eine Amtsstelle kontaktiert werden. Was die eigenen physischen und psychischen Möglichkeiten an die Grenzen treibt. Gegen all die Not, der sie begegnet und der sie sich annimmt, bleibt ihr Lebensmut ungebrochen. Es ist, als vermöchte sie mit ihrer ästhetischen Sensibilität Funken aus dem Alltag zu schlagen und ihn damit zu erhellen.

 Für eine kreative Vernunft

 Jetzt liegen einige von Maja Wickis Texten gesammelt vor, unter dem Titel "Kreative Vernunft. Mut und Tragik von Denkerinnen der Moderne". Dreizehn Frauen versammelt der Band, von Vorläuferinnen wie Mary Wollstonecraft über Bertha Pappenheim bis zu Hannah Arendt, von der Gründerin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks, Regina Kägi-Fuchsmann, über Simone Weil und Margarete Susman bis zu Ulrike Meinhof. Dazwischen eingestreut sind Essays zur Geschlechterfrage, zum Alleinsein, zur Frage nach der Heimat oder der Suche nach dem Glück.

 Die "kreative Vernunft des denkenden Herzens" ist es, was Wicki in Biografie und Werk herausarbeitet. Immer wieder mussten die porträtierten Frauen lernen, sich in widersprüchlichen Situationen zu bewegen, ohne sich um den Verstand bringen zu lassen und sich von ihren Träumen, Wünschen und Gefühlen abzuschneiden. Das "denkende Herz" sucht nach einer Übereinstimmung von Intellekt und Emotionen, damit ausgetretene Pfade verlassen und kreative Lösungen gefunden werden können. Mit dem Begriff vom "denkenden Herzen" bezieht sich Wicki auf Etty Hillesum, eine junge jüdisch-holländische Philosophin, die von den Nazis nach Auschwitz deportiert wurde und nicht überlebt hat.

 Mit dem Herzen denken? Wo Sachzwang, Konkurrenzdenken und oberflächliche Provokation das Feld beherrschen, erscheint Maja Wickis Beharren auf der kreativen Vernunft eigentümlich unspektakulär und leise. Natürlich weiss auch sie, dass der Zeitgeist eine andere Sprache spricht: Feindbilder werden aufgerichtet, Ängste und Empörung verlangen rasche Lösungen. Diesen Konformismus durchkreuzt Wicki immer wieder, sei es als Autorin, sei es in den zahllosen Vorträgen und Vorlesungen, die sie über Jahrzehnte vor Frauengruppen gehalten hat, vor Studierenden und SozialarbeiterInnen; sei es als Frauenrechtlerin mit langem Atem, als Psychoanalytikerin und Traumatherapeutin, die mit Gewalt- und Folteropfern arbeitet, oder als Menschenrechtlerin, die Proteste organisiert und an Netzwerken knüpft.

 Bei all ihren Tätigkeiten geht es ihr darum, die Fähigkeit der Menschen freizulegen, "gegen den Zwang der inneren und äusseren Verhältnisse, gegen den Druck der Gesellschaft, gegen Erziehung, Machtstrukturen und Profitkalkül, gegen den Trend und gegen den Strom das eigene Handeln zu bestimmen". Allerdings hat die Beharrlichkeit ihrer Arbeit, die keinen Unterschied macht zwischen prestigeträchtiger Publikation und alltäglicher Solidarität, ihren Preis: Im Zirkus intellektueller Eitelkeiten wird sie viel zu wenig zur Kenntnis genommen.

 Unbeirrt bleibt ihr Denken darauf gerichtet, inmitten der verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche und Anforderungen einen Ort der Freiheit zu öffnen, wo kreative und verantwortbare Entscheidungen getroffen werden können. Dabei gilt: "Mut beruht auf der Überwindung der Angst." Maja Wicki besteht freilich darauf, dass Angst "nicht durch Anpassung an die ängstigenden Ursachen überwunden werden kann, nicht durch Unterwerfung unter die Gewalt". Den Zirkel von Angst und Gewalt möchte sie unterbrechen, indem sie die Fähigkeit unterstützt, den Ursachen auf den Grund zu kommen und zu lernen, auch in Widersprüchen und unter Sachzwängen frei zu denken und zu handeln. Zunächst für die einzelne Person, indem diese Intellekt, Emotion und Handlungsentscheid in eine Übereinstimmung zu bringen vermag. Dieses persönliche Vorhaben steht natürlich in Verbindung zu jenem grösseren, politischen eines zwangfreien Zusammenschlusses der Verschiedenen, "damit im Chaos der Differenzen eine Dynamik der Übereinkunft zur Verwirklichung der Gemeinschaftsinteressen gefunden und realisiert werden kann".

 Die Sprachlosen

 Zu Maja Wickis Arbeit gehört der Kampf gegen die Sprachlosigkeit. Eindringlich mahnt sie, in unserer sprachlich vernebelten und lauten Gesellschaft "Kinder, Gebrechliche und Kranke, Fremde" - kurz "die Sprachlosen" - nicht zu benachteiligen. Sprachlos sein, wenigstens vorübergehend, ist ein Schicksal, das sie aus eigener Erfahrung kennt. Deshalb tragen ihre Arbeiten zu einer Vernunft bei, welche die Sprachlosen und Vergessenen einbezieht. Am 17. April wird Maja Wicki jedenfalls in Bern sein, gemeinsam mit vielen, damit der in einem Hangar des Flughafens Kloten verstorbene nigerianische Asylsuchende nicht vergessen wird.

 Appell zur Trauer, 17. April, 18 bis 19 Uhr, Heiliggeistkirche Bern, sowie offener Brief an den Bundesrat, zu unterschreiben unter http://www.beobachtungsstelle.ch.

 Maja Wicki-Vogt: "Kreative Vernunft. Mut und Tragik von Denkerinnen der Moderne". Edition 8. Zürich 2010. 304 Seiten. 34 Franken.

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BFM GEGEN ALLE(S)
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Le Temps 15.4.10

Accélérer les renvois

 Alard du Bois-Reymond, le nouveau patron de l'Office fédéral des migrations, fourmille de projets. Il est entre autres favorable à ce que des observateurs indépendants assistent aux expulsions forcées

Valérie de Graffenried, Berne

 Attention, trous d'air! Alard du Bois-Reymond, 48 ans, a atterri début janvier à l'Office fédéral des migrations (ODM) en pleine zone de turbulences. A peine dans ses nouveaux habits de directeur, il a dû faire face à une hausse des demandes d'asile, a été confronté à la mort d'un Nigérian en voie d'expulsion et a dû s'atteler à une vaste réorganisation interne. Sans-papiers, renvois problématiques, initiative de l'UDC du mouton noir: après 100 jours d'observation, l'ex-délégué du CICR dévoile ses projets. Sans œillères.

 Le Temps: Quelles sont vos priorités à la tête de l'ODM?

 Alard du Bois-Reymond: La réorganisation de l'office en fait partie. Nous devons simplifier les structures et augmenter la productivité pour permettre des décisions plus rapides en matière d'asile. Un autre de mes objectifs est qu'on parle des réfugiés et des étrangers en des termes plus positifs. Nous devons être fiers de notre tradition humanitaire. Il est particulièrement révélateur qu'en Suisse alémanique, on ne parle pas de réfugiés, mais d'"Asylanten", un terme à connotation négative. Nous devons jeter une autre lumière sur les étrangers. Mais pour éviter qu'ils soient perçus négativement, comme des gens qui abusent, il faut se montrer strict et ne pas faire preuve d'angélisme.

 - La thématique des renvois est chaude. Après la mort d'un Nigérian à Zurich en mars, vous avez suspendu les vols spéciaux pour expulser de force les requérants déboutés qui résistent. Jusqu'à quand?

 - Nous attendons les résultats de l'enquête. Mais l'ODM a déjà mené sa propre analyse et nous en discuterons avec les cantons. Nous voulons être prêts lorsque les résultats de l'enquête menée par le procureur zurichois tomberont. Je pense qu'il faudra notamment clarifier la façon dont le bilan de santé des personnes à expulser est fait et déterminer si une présence d'un médecin pendant toute la procédure d'expulsion est nécessaire.

 - Pour éviter de nouveaux drames, ne faudrait-il pas accepter des observateurs indépendants?

 - J'y suis favorable, dans un horizon plus lointain. Ce développement est en train de se faire sur le plan européen, dans le cadre de l'Accord de Schengen. Mais cela prendra du temps et ne sera probablement mis en place qu'après la reprise des vols spéciaux. Nous devons identifier une structure adéquate. Ces observateurs pourraient suivre la procédure dès l'arrivée à l'aéroport, mais aussi dans l'avion.

 - A propos de Dublin: le Tribunal administratif fédéral vient de vous taper sur les doigts pour avoir expulsé des requérants vers le premier pays européen dans lequel ils ont déposé une demande sans leur laisser le temps de déposer un recours. Pourquoi l'ODM a-t-il bafoué ce droit?

 - Nous avons simplement interprété la loi différemment. Pour nous un renvoi "immédiat" n'implique pas la possibilité de faire recours. Nous respectons maintenant la décision du TAF. Mais elle a un effet pervers: au lieu d'être expulsées rapidement, ces personnes seront mises en détention administrative. N'est-ce pas mieux de se faire renvoyer vers un pays européen comme l'Italie au lieu de se retrouver en prison? Nous allons proposer une modification de loi pour permettre ces renvois rapides, sans recours. J'y travaille.

 - En appliquant Dublin, la Suisse se préoccupe-t-elle du sort des requérants dans le pays européen où ils sont renvoyés? Les pratiques sont très différentes…

 - Effectivement. La Grèce est submergée par un nombre important de requérants d'asile. Nous faisons donc une exception pour ce pays en n'y renvoyant plus les personnes qui appartiennent à des "groupes à risques", comme les mineurs.

 - L'initiative de l'UDC veut expulser plus systématiquement les criminels étrangers; le contre-projet direct adopté par le Conseil des Etats va presque aussi loin. La loi actuelle, qui permet des renvois, est-elle vraiment inefficace?

 - L'UDC a le mérite de poser un vrai problème, mais son initiative, qui a de fortes chances de passer devant le peuple, contrevient gravement à des droits fondamentaux. Il serait par exemple absurde de renvoyer un étranger qui a commis un abus mineur des assurances sociales. Le contre-projet adopté par le Conseil des Etats est strict, mais plus juste. Il respecte l'Etat de droit. Je le trouve raisonnable. Si nous voulons mettre nos valeurs humanitaires en avant, nous devons nous montrer plus stricts envers ceux qui ne respectent pas nos lois. Mais en le faisant bien, comme le contre-projet.

 - La gauche va se battre pour l'adoucir. Et faire en sorte, par exemple, que les étrangers avec de fortes attaches en Suisse ne soient pas concernés. Votre avis?

 - C'est aux parlementaires de décider. Le contre-projet met déjà l'accent sur la nécessité de prendre en compte l'intégration des étrangers. J'espère vivement que la gauche ne s'opposera pas au contre-projet. Si l'initiative de l'UDC passe, ce serait très problématique.

 - Début 2008, Christoph Blocher a introduit la suppression de l'aide sociale pour tous les requérants déboutés. Or la mesure ne s'avérerait pas dissuasive…

 - Il est encore un peu trop tôt pour tirer cette conclusion. Mais ne surestimons pas cet aspect dissuasif. Prenez l'exemple des Nigérians: ce n'est pas l'idée de percevoir une aide qui les motive à venir, mais bien la longueur des procédures d'asile, qui leur permet de s'adonner à leur petit business illégal.

 - Justement: en déclarant que 99,5% des requérants nigérians profitent de la filière de l'asile pour faire du trafic de drogue ou commettre des délits, cherchez-vous à couper l'herbe sous les pieds de l'UDC?

 - Je ne suis pas là pour faire de la politique! Le problème est réel. Les chiffres sont là pour le prouver. Les Nigérians viennent presque tous pour des raisons économiques, pas pour l'asile. Ils savent bien que la procédure prend entre un et deux ans jusqu'à leur renvoi et qu'ils peuvent durant cette période rester en Suisse dans des conditions acceptables et gagner de l'argent, par exemple avec du travail au noir. Ce délai doit être raccourci. C'est la raison pour laquelle j'ai mis une task-force sur pied.

 - Allez-vous faire une "lex Nigeria"?

 - Notre coopération avec le Nigéria en matière de réadmission est très bonne, mais je veux l'approfondir. Des experts viennent quatre fois par an reconnaître ceux qui, après avoir déchiré leurs papiers, prétendent venir d'un autre pays. J'aimerais par exemple que cela soit plus fréquent.

 - Envisagez-vous une campagne de dissuasion sur place?

 - Pourquoi pas. Mais elle n'a de sens que si nous arrivons à réduire la durée de procédure de deux ans à par exemple trois mois. Si nous pouvons leur dire que 99% d'entre eux seront expulsés de Suisse après trois mois, ils réfléchiront deux fois. Car les passeurs coûtent cher, parfois jusqu'à 10 000 francs, et les Nigérians reviendraient au pays endettés.

 - Le National vient d'adopter deux motions favorisant l'accès des sans-papiers à l'apprentissage. Ne serait-il pas plus logique de régulariser ceux qui sont nés en Suisse et y ont effectué leur scolarité?

 - Il y a beaucoup d'hypocrisie dans ce débat, d'ailleurs quasiment absent en Suisse alémanique. Leur ouvrir la voie à l'apprentissage n'est pas logique puisqu'ils n'obtiendront pas de permis de travail. Mais pour moi, la véritable hypocrisie se situe au niveau des employeurs qui font travailler ces sans-papiers illégalement, souvent dans des conditions très précaires. Pourquoi la gauche ne thématise-t-elle pas ce problème? Pourquoi personne ne dénonce ces employeurs?

 - Mais ne jugez-vous pas nécessaire de régulariser au moins ceux qui sont nés en Suisse?

 - Nous ne voulons pas d'une régularisation collective et privilégions l'approche au cas par cas. Les cantons peuvent nous transmettre des cas de rigueur, que nous régularisons s'ils répondent à des critères précis. La scolarité en Suisse en fait partie. Mais certains cantons, comme l'Argovie, se sont plaints de nos pratiques trop strictes. Je prends ces doléances au sérieux. Nous allons examiner si nous ne devrions pas changer un peu notre pratique.

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 "Le poste d'Eduard Gnesa est encore flou"

 Une commission est chargée de décider des mandats à donner au nouvel ambassadeur "ès migrations"

 Propos recueillis par V. de G.

 Le Temps: Depuis neuf mois, les têtes volent à l'ODM. A quoi riment les changements imposés par Eveline Widmer-Schlumpf?

 Alard du Bois-Reymond: Nous menons une réorganisation qui va assez loin. Le but est de simplifier les structures pour pallier les lenteurs des décisions et la durée excessive des procédures. Alors qu'un dossier passe jusqu'à présent de mains en mains, j'aimerais qu'une seule personne suive désormais un cas de A à Z. Nous allons informer ce jeudi les collaborateurs du nouvel organigramme. Environ deux tiers des postes de cadres seront mis au concours. Ces changements sont importants et il est normal que certaines personnes ne peuvent pas y souscrire. Je ne veux pas m'étendre sur le départ de mon prédécesseur, Eduard Gnesa. Pour ce qui est de ceux de mes deux vice-directeurs, c'est moi qui suis en premier lieu responsable de la décision, pas Eveline Widmer-Schlumpf.

 - Urs Betschart, suppléant de votre prédécesseur, avait été démis de ses fonctions de façon brutale puis réhabilité comme vice-directeur. Quel est son statut aujourd'hui?

 - Nous nous sommes séparés d'un commun accord.

 - Comment travaillez-vous avec Eduard Gnesa, devenu "ambassadeur extraordinaire chargé de la collaboration internationale en matière de migrations"?

 - Une commission composée de Martin Dahinden, patron de la DDC, de Thomas Greminger, chef de la Division IV du DFAE, et de moi-même a été créée pour décider des mandats et des tâches concrètes à lui donner. Son poste est important pour défendre les intérêts de la Suisse en matière de politique migratoire. Mais son rôle à ce sujet reste encore flou. Je vais rencontrer Eduard Gnesa le 19 avril pour en discuter avec lui. En mai, nous irons ensemble à Helsinki assister à une conférence mondiale sur les migrations.

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 Bio express de Alard du Bois-Reymond

 Alard du Bois-Reymond a succédé à Eduard Gnesa

 V. de G.

 Economiste, marié à une Congolaise, Alard du Bois-Reymond a dirigé Pro Infirmis de 1996 à fin 2004. De 2005 à fin 2009, il est le responsable du secteur Assurance invalidité à l'Office fédéral des assurances sociales, avant de remplacer Eduard Gnesa à l'ODM. Ce sympathisant du PLR était auparavant en République démocratique du Congo pour l'Office allemand de la coopération technique, puis a travaillé comme délégué du CICR en Somalie, en Ethiopie, au Nigeria, au Soudan et en ex-Yougoslavie.

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RABE-INFO
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Do. 15. April 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._April_2010.mp3
- Was versteht Nestlé unter "Gemeinsame Wertschöpfung"-  unangenehme Fragen an den Verwaltungsrat
- Wie gross ist die rechtsextreme GEfahr aus Osteuropa- ein Buch zeigt Vernetzung auf
- Was sind die Todeszüge aus Mexiko- Film über den gefährlichen Weg nach Nordamerika

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BIG BROTHER VIDEO
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Bund 15.4.10

Immer wieder illegale Kameras in der Stadt Bern

(bro) Privaten ist es nicht erlaubt, mit Überwachungskameras im öffentlichen Raum zu filmen. Doch manche nehmen es nicht so genau, sei es um die Warenauslage auf dem Trottoir zu schützen oder um die Kunden an den Bar-Tischen auf der Gasse im Auge zu behalten.

 Der Berner Datenschutzbeauftragte Mario Flückiger hat mit bis zu zehn Fällen pro Jahr zu tun. Immer häufiger sind auch Webcams ein Problem. Beim Bärenpark musste Flückiger jüngst gleich zwei Kameras beanstanden. Personen dürfen laut Bundesgesetz nicht erkennbar sein - auch nicht aufgrund von Kleidung, Fahrzeug oder anderen Merkmalen.

Seite 23

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Wenn Private Big Brother spielen

 Nicht nur Gemeinden, sondern auch Privatpersonen versuchen, moderne Videotechnik im öffentlichen Raum für ihre Zwecke einzusetzen. Dies verstösst gegen das Eidgenössische Datenschutzgesetz.

 Christian Brönnimann

 Derzeit erarbeitet der Berner Gemeinderat die Grundlagen für Videoüberwachung im öffentlichen Raum (siehe "Bund" vom 27. März). Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) will die Technik an neuralgischen Stellen für polizeiliche Zwecke einsetzen. Bevor die Gemeinde die ersten Kameras montieren kann, muss ein Reglement entworfen und vom Stadtrat oder sogar vom Volk abgesegnet werden. Das kann dauern. Doch auch Private wissen den Nutzen der kleinen Kameras zu schätzen. So zum Beispiel der Betreiber der Flammen-Bar, einem Kellerlokal an der Berner Kramgasse.

 Sie ist leicht zu übersehen - klein und zierlich wie sie ist - und ähnelt eher einem einzelnen Halogenspot denn einer Videokamera. Doch das Kabel, das entlang der Regenrinne in den Keller führt, entlarvt die an der Laubenfassade angebrachte Kamera eindeutig. Sie zeigt direkt auf die Gasse, wo Passanten vorbeischlendern, Autos unerlaubterweise parkiert sind - oder die Gäste der Flammen-Bar in der warmen Jahreszeit draussen an den Tischchen sitzen. "Es ist praktisch, dank der Kamera sieht man vom Keller aus, ob Gäste da sind, die auf die Bedienung warten", erklärt Ossama el-Kurdi Sinn und Zweck der Einrichtung. Er ist der Geschäftsführer der Maya Gastro GmbH, der Betreiberin der Flammen-Bar (siehe Box). Die Kamera sei bereits im letzten Jahr installiert worden, Beschwerden von Gästen, Passanten oder Anwohnern habe es nie gegeben, so Kurdi. Die Bilder würden nur auf einen Bildschirm übertragen, nicht aber aufgezeichnet. "Auch wenn Gäste weggehen wollen, ohne für ihre Getränke bezahlt zu haben, ist die Kamera nützlich", sagt Kurdi.

 Sechs bis zehn Fälle pro Jahr

 Erlaubt sind solche Kameras nicht. "Private dürfen den öffentlichen Raum nicht filmen. Das ist unter bestimmten Voraussetzungen den Behörden vorbehalten", sagt der städtische Datenschutzbeauftragte Mario Flückiger. Die Kamera an der Kramgasse sei bei weitem kein Einzelfall. Er beschäftige sich jährlich mit sechs bis zehn solchen privaten Kameras, so Flückiger. Er werde vor allem aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung aktiv. Weisungsbefugnis gegenüber Fehlbaren habe er nicht, doch suche er das Gespräch mit ihnen, um sie über die Situation aufzuklären. Meistens zeigten sich die Betroffenen einsichtig. Fälle aus der jüngeren Vergangenheit betreffen unter anderem einen Kleiderladen in der Innenstadt, bei welchem Überwachungskameras nicht nur die Kleiderständer vor dem Laden, sondern auch das Trottoir im Visier hatten. Besonders heikel war dabei, dass die Bilder via Funknetz für jedermann mit der richtigen Ausrüstung einsehbar waren. Im Schalterraum der Steuerverwaltung hat der Datenschützer zudem eine Kameraattrappe beanstandet.

 Nütze das Gespräch nichts, könne er Ortspolizei, Gemeinderat oder den Eidgenössischen Datenschützer einschalten, erklärt Flückiger. Die Zuständigkeiten seien nicht hundertprozentig geklärt. Allenfalls können die Behörden wegen der Kameras eine verbindliche Verfügung erlassen. Zivilrechtliche Klagen von Bürgern seien ihm in der Schweiz keine bekannt, so Flückiger.

 Beliebte Webcams

 Weil die Technologie immer erschwinglicher wird, rechnet Mario Flückiger mit einer weiteren Zunahme von privaten Kameras im öffentlichen Raum. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich auch sogenannte Webcams - Kameras, die laufend aktuelle Bilder auf eine Internetseite schicken und so weltweit zugänglich machen. "Die Bilder dieser Kameras dienen immer häufiger als Hingucker auf Internetseiten", sagt Flückiger. Dabei überschreiten Anbieter oft die Grenzen des Erlaubten. Die Persönlichkeitsrechte einer aufgezeichneten Person werden nämlich bereits dann verletzt, wenn aus dem Kontext einer Situation auf die Person geschlossen werden kann. Das heisst, es reicht, wenn eine Person aufgrund ihrer Kleidung, ihres Fahrzeuges oder Ähnlichem erkennbar ist, auch wenn ihr Gesicht unscharf ist.

 Beim Bärenpark gaben jüngst gleich zwei Kameras zu reden. Einerseits betraf es diejenige der offiziellen Bärenpark-Homepage (www.baerenpark-bern.ch). Schwenkwinkel und Zoom mussten so nachjustiert werden, dass Leute auf dem Gehweg nicht mehr identifiziert werden können. Andererseits bietet seit einigen Wochen ein privates Unternehmen eine Kamera mit Blick auf den Park von der gegenüberliegenden Aareseite aus an (www.baerecam.ch). Die Kamera kann von den Benutzern selber gesteuert werden. Nun musste eine Folie auf die Glasscheibe vor der Kamera geklebt werden, um deren Blickfeld einzuschränken, sodass nur noch das Parkinnere, nicht mehr aber der Gehweg einsehbar ist.

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 Flammen-Bar: Kein Striplokal

 Vor einigen Monaten reichte die Maya Gastro GmbH, die Betreiberin der Flammen-Bar an der Gerechtigkeitsgasse 58, ein Gesuch für die Einrichtung eines Striplokals ein. Anwohner und Altstadt-Leiste erhoben dagegen Einsprache (der "Bund" berichtete). Nun hat das Regierungsstatthalteramt entschieden, dass ein Striplokal nicht zulässig ist, wie Edi Franz, Präsident des Rathausgass-Brunngass-Leists, erklärt. Jedoch sei den Betreibern eine Nachfrist zur Einreichung von weiteren Unterlagen eingeräumt worden. Ossama el-Kurdi von der Maya Gastro GmbH sagt nun aber, die Idee des Striplokals sei gestorben. "Ich will keine Probleme mit den Nachbarn", sagt er. (bro)

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Blick am Abend 14.4.10

Datenschützer bremst BVB aus

 RÜCKZUG

 Basler Verkehrsbetriebe verzichten auf Videoüberwachung an Haltestellen.

 Sie hätten Vandalen überführen sollen: Überwachungskameras an Bus- und Tramhaltestellen der Basler Verkehrsbetriebe. Nun legen die BVB das Big Brother-Projekt auf Eis. Grund ist der Datenschutz. Die BVB wollten für alle Haltestellen eine Pauschalbewilligung für das Installieren von Kameras. Das Veto kommt nun vom kantonalen Datenschützer: Es brauche für jede einzelne Haltestelle eine separate Bewilligung. Für die BVB zu viel: "Der Aufwand wäre für uns unverhältnismässig geworden", sagt Jenny heute zur "BZ". Ein weiterer Grund, dass die Haltestellen unüberwacht bleiben: Der Kanton Basel-Stadt ist an einer gemeinsamen Videoüberwachung mit den BVB nicht interessiert. Dieser möchte vielmehr neuralgische Punkte während kritischen Situationen wie etwa Demonstrationen und Fussballspielen überwachen lassen. Ungefähr zwanzig Standorte sind vorgesehen, an welchen laut "BZ" nach den Sommerferien Kameras installiert werden sollen.

 Immerhin: In Trams und Bussen braucht es nicht für jede einzelne Kamera eine Bewilligung. Deshalb rüsten die BVB sämtliche Trams und Busse mit Videoüberwachung aus. rw

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KULTUROFFENSIVE LU
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WoZ 15.4.10

Luzern - Kulturschaffende und PolitaktivistInnen wehren sich gegen eine Stadtentwicklung, die nicht nur die Alternativkultur, sondern auch den bezahlbaren Wohnraum verdrängt. Ein Stadtrundgang.

 Zick und Zwerg wollen Platz

 Von Bettina Dyttrich (Text) und Stefano Schröter (Foto)

 Luzern kommt nicht zur Ruhe. Seit der Schliessung des Kulturzentrums Boa im Herbst 2007 klafft eine Lücke. Auch der offizielle Boa-Ersatz kann sie nicht füllen: der Südpol, ein ehemaliger Schlachthof in Kriens, südlich der Stadtgrenzen. "Man kann nicht einfach ein Haus hinstellen für Leute, die aus einem selbst organisierten Projekt wie der Boa kommen", sagt Jonas, ein junger Luzerner Kulturaktivist. "Die Boa ist aus einer Besetzung entstanden. Die Ansätze sind zu verschieden."

 Die Unzufriedenen treffen sich seit Februar zu kulturpolitischen Diskussionsrunden. Nun rufen sie zur "Kulturoffensive" auf - mit einem Umzug durch die Stadt am kommenden Samstag. Und das soll nur der Anfang sein.

 Das Licht ist hell, das Wetter warm. Die Berge leuchten. Auf dem Luzerner Bahnhofplatz wuseln Touristinnen, Geschäftsleute und Jugendliche durchein ander. Hanna und Jonas haben ihre Velos dabei. Sie gehören zur Gruppe "Zick und Zwerg", die Ende März das Geissmättli besetzt hat, den ehemaligen Fixerraum an der Reuss. Unauffällige und ungemein freundliche Menschen, die dem BesetzerInnenklischee hinten und vorne nicht entsprechen. Es gehe ihnen nicht nur um Kultur, sagt Hanna: "Die kulturpolitischen Diskussionsrunden richten sich an alle, die unzufrieden sind mit der Stadtentwicklung." Um zu zeigen, was sie meinen, schlagen sie einen Stadtrundgang vor.

 An der Werft vorbei geht es zur ers ten Station: dem Tribschen-Quartier. Zentral und in Seenähe, ist das ehemalige Industriequartier ein begehrtes Pflaster. Die Stadt hat es zu einem "Entwicklungsgebiet" erklärt. Die ers ten Neubauten stehen schon, moderne, elegante Mehrfamilienhäuser. Dahinter Parkplätze, das Busdepot, ein eingezäunter, leerer Platz, auf dem früher die Gowa-Halle stand. Letzten Herbst wurde sie nach einer kurzen kulturellen Zwischennutzung abgerissen.

 Auch das angrenzende Frigorex- Areal wird Wohnbauten weichen müssen. Heute beherbergt es die Kunsthalle, das Théâtre La Fourmi, den Club Vasco da Gama und verschiedene Ateliers. Das Gebäude gehört dem Investor Jost Schumacher, der rund tausend Wohnungen besitzt. Kürzlich beschwerte er sich im Luzerner "Kulturmagazin" über Einsprachen gegen Bauprojekte: "Dass Leute, die finanziell nichts beisteuern, gleich viel zu sagen haben wie Investoren, ist ärgerlich."

 Kurze Pause im Jugendzentrum Treibhaus. Da die Wohnquartiere näher rücken, könnte ihm bald Ähnliches drohen wie der Boa: eine Schliessung wegen Lärmkonflikten.

 WOZ: Kulturschaffende und politisch Aktive arbeiten nicht unbedingt gut zusammen. Wie ist das in Luzern?

 Hanna: Die Szenen sind sehr eng verknüpft. Dazu haben die Boa-Schliessung und die Massenverhaftungen am anschliessenden Protestfest beigetragen.

 Jonas: Die Politszene beschäftigt sich schon lange mit Videoüberwachung und Wegweisung, also mit Themen, die mit dem öffentlichen Raum zu tun haben. Der Kampf darum verbindet alle.

 In Luzern scheint es immer um Kultur zu gehen. Das ist oft ein Zeichen dafür, dass es noch genug Wohnraum gibt …

 Hanna: Er wird knapper. Zum Beispiel werden die Genossenschaftsblöcke hinter dem Château Gütsch abgerissen. Und die Neubauten sind teuer. Wer etwas wirklich Günstiges braucht, wohnt in der Agglo.

 Jonas: So wie ich, in Emmenbrücke.

 Versucht ihr, im Wohnbaubereich auf die Stadt Einfluss zu nehmen?

 Jonas: Bei uns gibt es das Mittel der Volksmotion. Damit ist es möglich, vor dem Gemeinderat Anliegen vorzubringen, wenn man hundert Unterschriften gesammelt hat. Wir werden eine Volksmotion lancieren, in der wir fordern, dass die Stadt in den "Entwicklungsschwerpunkten" den genossenschaftlichen Wohnungsbau bevorzugen soll.

 Hat das Chancen?

 Jonas: Ich fürchte, nein.

 Weiter gehts, an der stillgelegten Boa vorbei - heute ein Postverteilzent rum - zu einem anderen umkämpften Areal: der Industriestrasse. Ein Brockenhaus, Kleingewerbe, verwinkelte Baracken mit Dächern aus Welleternit stehen auf dem Gelände, das der Stadt gehört. Kernstück des Gevierts ist ein imposantes Haus, in dem seit mehr als zwanzig Jahren Künstlerinnen und Kulturaktivisten leben. Hier wird klar, wie eng günstiger Wohnraum und Kulturschaffen verknüpft sind. Die Illustratorin Evelyne Laube hat ausgerechnet, dass frühere und heutige HausbewohnerInnen Preise und Stipendien von fast 300 000 Franken bekommen haben. "Das Gebiet ist vor zehn Jahren umgezont worden, für ein Bauprojekt, das dann nicht realisiert wurde", erzählt Urban, ein Bewohner. "Hier darf 24 Meter hoch gebaut werden." Und das wird früher oder später geschehen, das wissen alle.

 Auch das Stadttheater ist ein umkämpfter Ort. Denn Luzern träumt von einem neuen Konzert- und Musiktheaterzentrum mit internationaler Ausstrahlung, der "Salle Modulable". Der Standort ist noch unklar, abgestimmt wird frühestens 2012. Klar ist, dass die Salle Modulable das Aus für das Stadttheater bedeuten würde. Jonas: "Darum haben die Boa-Leute vorgeschlagen, aus dem Stadttheater ein Volkshaus zu machen."

 Von hier ist es nicht mehr weit zum Geissmättli. Es liegt direkt am Fluss, neben der Eisenbahnbrücke. Gegenüber dröhnt die Autobahn, darüber strahlt auf dem Hügel das Château Gütsch. Ein romantischer Ort, genau die richtige Mischung aus Idylle und Stadtlärm. Hanna sagt: "Das Geissmättli soll ein Café sein, wo sich ganz verschiedene Leute vernetzen und Veranstaltungen organisieren können. Alle können sich beteiligen."

 Hinter der Theke grinsen zwei Pappmachégeissen von der Wand. Zwei junge Männer putzen die Parkettböden. "Manche finden, es sei keine richtige Besetzung, weil wir ein Graffitiverbot ausgerufen haben", erzählt Jonas lachend. Alle sind enthusiastisch bei der Sache, als könnten sie hier lange bleiben. Aber die städtische Baudirektion hat das Lokal ab Sommer einem Wirt verpachtet. Die Grünen haben im Januar ein Postulat für eine kulturelle Nutzung des Geiss mättlis eingereicht - vergeblich.

 "Kultur ist nur die Vorbereitung für lukrativere Nutzungen. Wie in der Boa, im Frigorex, an der Industriestrasse", sagt Jonas. In dieser Rolle stecken alternative Kulturschaffende fast überall. In Luzern wollen sie sich das nicht mehr gefallen lassen.

 "Kulturoffensiver Umzug": Luzern, Theaterplatz, Sa, 17. April, 16 Uhr.
http://www.kulturoffensive.ch

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SQUAT LU
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NLZ 15.4.10

Brambergstrasse in Luzern

 Besetzer erhalten Mietvertrag

Von Daniel Schriber

 Löcher im Boden und ein aggressiver Pilz machen ein Haus im Luegisland-Quartier zur Bruchbude. Dennoch wird es seit Monaten bewohnt. Anwohner sind verärgert.

 Noch immer hat die Polizei das "Geissmättli" an der St.-Karli-Strasse nicht geräumt. Die städtische Liegenschaft wird seit drei Wochen von einer anonymen Gruppe besetzt. Doch es gibt in Luzern noch ein weiteres besetztes Haus, das der Stadt gehört. Seit fast einem Jahr leben mehrere Personen im leer stehenden Gebäude an der Brambergstrasse 7. Dies, obwohl Beat Heggli, Leiter Immobilien der Stadt Luzern, das Haus gegenüber unserer Zeitung als unbewohnbar bezeichnete. Notfalls sollte die Polizei zur Räumung des Hauses beigezogen werden, hiess es vor einem Jahr. Doch getan hat sich - wie auch beim "Geissmättli" - bis anhin nichts.

 Ein Notmietvertrag

 Der wesentliche Unterschied zu den Besetzern des "Geissmättlis": Sie tun dies ganz legal. Einige Wochen nach der Hausbesetzung im April 2009 hat die Stadt nämlich Kontakt mit dem Verein Jobdach aufgenommen. Dabei handelt es sich um einen Verein, der unter anderem obdachlosen Menschen hilft, unbürokratisch und schnell ein Dach über dem Kopf zu finden. Seit November besteht zwischen Jobdach und drei verantwortlichen Bewohnern ein so genannter Notmietvertrag. Hauseigentümerin ist nach wie vor die Stadt Luzern.

 Der Vorteil des Mietvertrags: Die Hausbesetzer, die übrigens keine Miete bezahlen müssen, erhalten durch den Vertrag ein Gesicht. "Wir haben drei Vertragspartner, die wir falls nötig zur Verantwortung ziehen können", sagt Jobdach-Präsidentin Annamarie Käch. Dennoch betont sie, dass es sich um ein befristetes Mietverhältnis handle. "Wir reden hier von einem Abbruchgebäude. Das Haus ist in einem schlechten Zustand." So gibt es im Haus Räume, welche die Bewohner aufgrund von Löchern im Boden nicht betreten dürfen. Ausserdem ist das Gebäude von einem aggressiven Hausschwamm, einem Pilz, befallen. "Wir haben die Bewohner im Vorfeld auf die bestehenden Mängel hingewiesen", sagt Käch. Wie viele Leute heute in dem Haus ein und aus gehen, weiss sie nicht. Sobald der Abbruchtermin vorliegt, müssen die heutigen Bewohner das Haus jedoch verlassen.

 Das Haus an der Brambergstrasse 7 soll dereinst einer modernen Wohnüberbauung weichen. Dafür ist eine Zonenplanänderung nötig. Laut Daniel Bernet, Stabschef ad interim der Luzerner Baudirektion, liegt diese Umzonung derzeit beim Verwaltungsgericht. "Solange die Umzonung nicht genehmigt ist, wird das Haus weder geräumt noch abgerissen", so Bernet.

 "Der Zustand ist nicht tragbar"

 Das stösst vielen Anwohnern sauer auf. "Der Zustand ist nicht tragbar", sagt René Reinhard, Vizepräsident des Quartiervereins Luegisland. Die Lage habe sich trotz des bestehenden Mietvertrages nicht verbessert. Ein besonderer Dorn im Auge sind den Anwohnern der Lärm von den "laut dröhnenden Musikanlagen" sowie der Abfall rund um die Liegenschaft, wie es in der aktuellen Ausgabe der Quartierzeitung heisst. "Alles ist sehr ungepflegt", erklärt René Reinhard. Als Beispiel nennt er die verschmierte Hauswand, "Einkaufswägeli" im Garten und die Verschmutzung rund um das Grundstück.

 Verein zeigt sich offen für Kritik

 Von den Vorwürfen des Quartiervereins hörte Annamarie Käch gestern zum ersten Mal. Jede Woche würde ein Vertreter des Vereins Jobdach im Haus vorbeischauen, um nach dem Rechten zu sehen. "Wir legen Wert darauf, dass es rund um das Grundstück sauber ist." Sei dies nicht der Fall, interveniere der Verein. Dennoch zeigt sich Käch offen für Kritik: "Wenn der Quartierverein mit Beschwerden auf uns zukommt, werden wir selbstverständlich tätig."

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TIERRECHTS-FORUM
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Indymedia 14.4.10

Forum für Tierrechte - Programm! ::

AutorIn : Forum für Tierrechte: http://www.tierrechtsforum.ch     
Dieses Wochenende findet in Winterthur das Forum für Tierrechte statt.

Wir freuen uns auf konstruktive, spannende und selbstkritische Auseinandersetzungen und hoffen, auch Leute anzutreffen, die selbst noch nicht aktiv für Tierrechte/Tierbefreiung sind, sich aber als Teil einer emanzipatorischen und nichtdiskrimminierenden Bewegung verstehen.     
    
Hier das Programm!     
http://ch.indymedia.org/images/2010/04/75001.jpg

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http://www.tierrechtsforum.ch

http://www.tierrechtsforum.ch/programm.html
(mit Links zu detaillierten Beschreibungen der einzelnen Anlässe)

FORUM FÜR TIERRECHTE
16. - 18. April
Programm

Freitag 16. April 2010
19:00 -  Abendessen
20:30 - Filmsaal - Begrüssung und Information
21:00 - Filmsaal - Just Revolution? Die Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung zwischen Isolation und Integration
22:30 - Filmsaal - Open Mic

Samstag 17. April 2010
08:00 - Frühstück
09:00 - Filmsaal - Smash §278ff - Repression gegen Tierrechtsaktivist_innen in Österreich
09:00 - Seminarraum - Tierrechte und Veganismus - Eine Einführung
11:00 - Seminarraum - Vorstellung von Tierrechtsgruppen, Projekten und Kampagnen
12:30 - - Mittagessen
14:00 - Filmsaal - Rechtliche Grundlagen für den täglichen Aktivismus
14:00 - Seminarraum - Medien und Kampagnenarbeit (English oder Deutsch)
16:00 - Filmsaal - Sicherheitsbewusstsein und Umgang mit Repression
17:00 - Seminarraum - Über Grenzen der Aufklärung - Die Kritische Theorie der Bildung Theodor W. Adornos. Anmerkungen für die Tierbefreiungsbewegung
17:00 Filmsaal - For the abolition of slavery, for the abolition of veganism (ENGLISH)
19:00 - Abendessen
20:30 - Filmsaal - Welche Wege führen zum Ziel? Strategien und Taktiken der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung
22:00 - Filmsaal - Open mic

Sonntag 18. April 2010
08:00 - Frühstück
09:00 - Filmsaal - Aktion Zirkus ohne Tiere (AZOT) - Unterhaltung ohne Ausbeutung
11:00 - Seminarraum - Clown Workshop
11:00 Filmsaal - Radical chic statt radikal? Die Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung als Abziehbild der "autonomen Szene"
12:30 - Mittagessen
14:00 - Filmsaal - Open Space für Projekte
17:00 - Ende

Während den ganzen 3 Tagen wird es ein Bastelzimmer geben, in dem Materialien für die Tierrechtsarbeit erstellt werden können. Zusätzlich gibts Infotische verschiedener Gruppen. (" einen Infotisch anmelden)

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ARBEITSKAMPF
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BZ 15.4.10

Deisswil

 Eine Menschenkette soll Solidarität zeigen

 Hand in Hand wollen am Samstag Menschen eine Kette um die Kartonfabrik in Deisswil bilden und damit ein Zeichen setzen.

 "Gegen das endgültige Aus der Karton Deisswil": Unter diesem Titel hat sich auf der Internetplattform Facebook eine Gruppe formiert, die das Ende der Kartonfabrik in Deisswil nicht einfach so akzeptieren will. Sie hat bereits rund 2000 Mitglieder. Ins Leben gerufen haben die Gruppe Jean-Pierre Beer und Roger D'Incau, die beide in Deisswil arbeiteten.

 Wie "20 Minuten" berichtete, rufen die Initianten der Gruppe nun für diesen Samstag um 10 Uhr zu einer Solidaritätsaktion auf. Rund um den geschlossenen Betrieb soll eine Menschenkette gebildet werden. Hand in Hand wolle man die Kartonfabrik "umarmen", um zu zeigen, dass sich diese Kultfirma nicht einfach so schliessen lasse.

 Hoffen auf eine Lösung

 Die Idee für die Aktion stammt von der 25-jährigen Nadine Lanz aus Bolligen. "Ich habe selbst in Deisswil am Empfang gearbeitet", erklärt die kaufmännische Angestellte. Schon ihr Urgrossvater und Grossvater seien dort angestellt gewesen. Und ihre Eltern gehören zu den 255 Personen, die jetzt ihre Stelle verloren haben. Sie haben von der Hiobsbotschaft in den lange ersehnten Ferien am Traumstrand in Thailand erfahren. "Mir geht es darum, den Mitarbeitenden Mut zu machen", sagt Nadine Lanz. Es gehe doch einfach nicht, dass man von einem Tag auf den andern so viele Menschen auf die Strasse stelle. "Ich hoffe sehr, dass sich doch noch eine Lösung finden lässt und jemand anders die Fabrik weiterbetreibt."

 Nicht abgesprochen

 Eine ruhige und friedliche Aktion soll es werden. "Die Betroffenen sollen spüren, dass viele Menschen hinter ihnen stehen", sagt Nadine Lanz. Nicht nur die Angestellten sollen mitmachen, auch die Solidarität von Aussenstehenden ist gefragt. "In der Facebook-Gruppe sind auch viele Leute, die nicht direkt mit der Fabrik etwas zu tun haben."

 Abgesprochen mit der Firma ist die Aktion nicht. "Ich weiss nicht, was genau geplant ist", sagt Betriebskommissionspräsident Manfred Bachmann. "Wir haben das von uns aus privat organisiert", sagt Lanz dazu. Schon jetzt sei sie überwältigt davon, auf wie viel Interesse die Aktion stosse.

 Lucia Probst

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http://www.facebook.com/group.php?gid=113801635312020&ref=ts

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1. MAI ZUREICH
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Tagesanzeiger 15.4.10

Kontroverse wegen Festbeginn

 Der Stadtrat will, dass das 1.-Mai-Fest erst um 20 Uhr beginnt - das 1.-Mai-Komitee möchte bereits nachmittags im Kasernenareal feiern.

 Von Tina Fassbind und Stefan Hohler

 Zürich - Wiederholt sich der Streit um den Festbeginn? Schon am letztjährigen Tag der Arbeit hatte der Stadtrat die Bewilligung für das Volksfest im Kasernenareal erst auf den Abend erteilt. Das verantwortliche 1.-Mai-Komitee kümmerte sich nicht darum und liess den Festbetrieb schon am Nachmittag laufen. Es wurde dafür von der Polizei gebüsst.

 Wie Reto Casanova, Sprecher des Polizeidepartements, sagt, dürfe der Anlass im Kreis 4 erst um 20 Uhr starten. Vorher seien bloss Veranstaltungen in den Hallen erlaubt. Die ehemalige Polizeivorsteherin Esther Maurer habe dies dem Komitee schon im Februar mitgeteilt. Mit diesen Einschränkungen möchte die Stadt das Fest zeitlich vom Umzug trennen und damit verhindern, dass sich Chaoten an der Nachdemo im Kasernenareal zwischen Festteilnehmern und Kindern verschanzen können. Die entsprechende Festbewilligung sei gestern auf der Post aufgegeben worden. Der Umzug wird am Helvetiaplatz starten und am Bürkliplatz enden.

 Anna Klieber, Sprecherin des 1.-Mai-Komitees, wollte gestern nicht sagen, ob man wie 2009 die stadträtliche Auflage ignorieren und sich eine Verzeigung einhandeln werde. "Wir entscheiden, wenn wir die schriftliche Bewilligung erhalten haben", sagte sie.

 SVP will alles verbieten

 In einer Fraktionserklärung im Gemeinderat hat gestern Abend die SVP den Stadtrat aufgefordert, sämtliche 1.-Mai-Aktivitäten zu verbieten. Die FDP verlangt, dass das 1.-Mai-Komitee für den übermässigen Polizeieinsatz aufkommen muss. Die FDP bezieht sich dabei auf das provokative Motto "Moneypulation - verlieren wir die Beherrschung". Ein Gewerkschafter der SP verurteilte schliesslich im Rat das Vorgehen des 1.-Mai-Komitees. Dieses spalte die Linke.

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NZZ 15.4.10

Auch SP für frühes Fest

 Auflagen für 1. Mai kritisiert

Lorenz Frischknecht (fri)

 fri. ⋅ Am Mittwoch hat der Zürcher Stadtrat seinen Entscheid über die Bewilligung des Umzugs und des Festes auf dem Kasernenareal am Tag der Arbeit zur Post gebracht; heute dürfte er beim Adressaten, dem 1.-Mai-Komitee, ankommen. Gefällt wurde der Entscheid von den zurzeit verbleibenden sechs Stadträten, das heisst ohne Vertreter des Polizeidepartements, wie dessen Sprecher Reto Casanova sagt. Der Inhalt wird von der Stadt nicht veröffentlicht. Bekannt ist aber, dass die Stadt den Beginn des Festes auf 20 Uhr festgelegt hat (NZZ 14. 4. 10). Sie strebt damit eine strikte Trennung von einer "Nachdemo" und dem Fest an. Das 1.-Mai-Komitee kündigte an, sich gegen diese Auflage zu wehren - und erhält Sukkurs von der SP der Stadt Zürich, die sich auch am Fest beteiligt.

 Fehlende Einnahmen

 Wie SP-Co-Präsidentin Beatrice Reimann ausführt, sprechen zum einen ökonomische Gründe für ein frühzeitiges Fest; ein später Beginn bedeute fehlende Einnahmen der Ess- und Getränkestände. Zum anderen sei ein friedliches Fest für Tausende Besucher das Ziel. Müssten die Umzugsteilnehmer nach der Schlusskundgebung stundenlang warten, reisten sie wieder heim, befürchtet Reimann: "Das wäre, als ob der Böögg am Sechseläuten wegen Randalierern erst um 22 Uhr angezündet würde."

 Laut der Gemeinderätin hatten die SP und das 1.-Mai-Komitee bereits Anfang Jahr mit der damaligen SP-Stadträtin Esther Maurer verhandelt. Dabei seien weitere Plätze als Veranstaltungsorte gesucht, wegen der Anforderungen an die Infrastruktur aber nicht gefunden worden. Ob man nun gegen den Entscheid vorgehen werde, sei noch offen, sagt Reimann; ein erster Schritt wären erneute Verhandlungen.

 Busse als Konsequenz

 Falls sich die Organisatoren nicht an die Auflagen halten, müssen sie laut Polizeidepartement mit einer Anzeige und einer Busse rechnen. Hart durchgreifen werde die Polizei kaum; allerdings müsste das Komitee für den Vorwurf geradestehen, Krawallmacher würden sich auf dem Festareal verschanzen. Diese Kritik hatte Stadträtin Maurer letztes Jahr geäussert, als der Festbetrieb schon um 16 Uhr statt gemäss Bewilligung erst um 20 Uhr aufgenommen wurde, weil sich am Nachmittag zahlreiche Besucher auf der Kasernenwiese einfanden.

 Am Mittwoch widmeten sich dieser Frage auch drei Fraktionserklärungen im Gemeinderat: Die SVP forderte, sämtliche 1.-Mai-Aktivitäten in den Kreisen 1, 4 und 5 zu verbieten; andernfalls sei dem Komitee der Polizeieinsatz zu verrechnen. Dieser zweite Vorschlag fand die Unterstützung der FDP - und die Alternative Liste wies alles zurück.

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20 Minuten 15.4.10

1.-Mai-Komitee droht Anzeige

 ZÜRICH. Das 1.-Mai-Fest auf dem Kasernenareal darf erst um 20 Uhr beginnen - so will es der Zürcher Stadtrat. Allerdings ist gut möglich, dass sich das 1.-Mai-Komitee wie bereits letztes Jahr nicht an diese Auflagen hält und um 14 Uhr startet. "In diesem Fall würde das Komitee verzeigt", so Reto Casanova, Sprecher des Polizeidepartements. Das Komitee entscheidet laut Sprecherin Anna Klieber "bis spätestens Montag" über das weitere Vorgehen.

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Blick am Abend 14.4.10

1. Mai: Kürzeres Fest, längerer Umzug

 WIDERSTAND

 Die 1.-Mai-Demo nimmt einen längeren Weg - und das Festkomitee will sich nicht an die Auflagen halten.

 Das bisher meist friedlich stattfindende 1.-Mai-Fest auf der Kasernenwiese darf dieses Jahr erst abends um 20 Uhr beginnen. Die Stadt will damit das Fest zeitlich vom Umzug trennen, damit sich gewalttätige Demonstranten nicht zwischen den Festbesuchern verstecken können.

 Ähnliche Auflagen hatte die Stadt den Organisatoren schon letztes Jahr gemacht, schreibt die "NZZ" heute. Diese hielten sich aber nicht daran. Und auch dieses Jahr scheint sich das Festkomitee wenig um die Auflagen zu kümmern. Gemäss Homepage beginnt das Fest um 14 Uhr und die erste Band steht um 17 Uhr auf der Bühne. Anna Klieber, Sprecherin des 1.-Mai-Komitees, weist darauf hin, dass bis heute Morgen die schriftliche Bewilligung mit den Auflagen noch nicht eingetroffen sei. Die Mitteilung, welche Polizeivorsteherin Esther Maurer den Organisatoren bereits im Februar zukommen liess, sei nicht als offizielle Aufl age zu betrachten.

 Die Stadt bewilligte zudem heute eine verlängerte Route für den 1.-Mai-Umzug.

 Dies trotz des umstrittenen Mottos: "Moneypulation - Verlieren wir die Beherrschung", das vor allem bei Bürgerlichen als Aufruf zu Gewalt und Krawallen verstanden wurde. re

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Indymedia 14.4.10

1. Mai 2010: Aufruf Libertärer Block Zürich ::

AutorIn : Libertärer Block         

let's get ready to rumble! Der Aufruf zum Libertären Block am 1. Mai.     
Flugblatt A4 PDF
http://ch.indymedia.org/media/2010/04//75010.pdf
Flyer und Kleber A6 PDF
http://ch.indymedia.org/media/2010/04//75011.pdf
Plakat A3 PDF
http://ch.indymedia.org/media/2010/04//75012.pdf

1. Mai 2010

Leben statt Lohnarbeit

Bestandesaufnahme.

Die weltweite Wirtschaftskrise hinterlässt mit fortschreitender Geschwindigkeit rund um den Erdball ihre Spuren. Konfrontiert mit Stellenstreichungen, Kurzarbeit, Standortverlagerungen, Sozialabbau, Armut, zunehmendem Stress am Arbeitsplatz und der Zerstörung der Umwelt verharren die Betroffenen nach zwei Jahren verschärftem kapitalistischem Terror noch immer in einer Starre. Der Kapitalismus hat uns seit unserem Kindesalter voneinander entfremdet und so fehlt vielen die Kraft und der Mut die eigene Angst und Perspektivlosigkeit kollektiv zu diskutieren, die menschenfeindliche Organisierung der Gesellschaft anzugreifen.

Kämpfe.

Doch die gesellschaftlichen Kämpfe häufen sich. Arbeiterinnen und Arbeiter wehren sich gegen die kontinuierliche Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen und kämpfen immer öfter selbstständig für ihre Interessen und gegen diejenigen ihrer Bosse. Rund um die Welt organisieren sich Studierende gegen den kapitalistischen Bildungsapparat und besetzen Universitäten. Dutzende Staaten stehen am Rande des Ruins. In Island haben die Banken einen Schuldenberg vom Zehnfachen der bisherigen jährlichen Wirtschaftsleistung hinterlassen. JedeR fünfte SpanierIn ist arbeitslos und die portugiesische Bourgeoisie fürchtet sich vor einer Staatspleite und Zuständen wie in Griechenland, wo sich die Menschen mittlerweile illusionslos gegen die Angriffe auf ihr Leben zur Wehr setzen. Die Folgen des krisenhaften Kapitalismus werden auf uns alle abgeschoben. Auf uns alle, welche ihre Arbeitskraft beständig für einen Lohn verkaufen müssen, der immer unter dem Wert des von ihnen produzierten bleiben muss. Wenn uns also die PolitikerInnen beschwören, in den sauren Apfel zu beissen und Sozialabbau, Kurzarbeit, Lohnkürzungen oder gar Arbeitslosigkeit hinzunehmen, dann steckt dahinter immer die Angst vor uns. Die Angst, das gesellschaftliche Machtverhältnis könnte durchbrochen werden.

Perspektive.

Es gibt keinen Kapitalismus ohne Krise und der "kommende Aufschwung", dessen baldiges Eintreten uns tagtäglich vorgegaukelt wird, soll uns ruhig halten. Der Kapitalismus ist nicht reformierbar - er ist als Ganzes falsch.
Die aktuell ausgetragenen Kämpfe stehen noch ganz am Anfang und einer sich bewusst werdenden Masse wird schon bald der bewaffnete Staatsapparat gegenüberstehen. Wenn führende Geheimdienste ihr strategisches Hauptaugenmerk auf die sogenannte "innere Sicherheit" und die Aufstandsbekämpfung im eigenen Land legen, dann lässt sich erahnen, mit was wir konfrontiert sein werden, sollten sich auch hierzulande perspektivische Kämpfe entwickeln.
Die rassistische Hetze der herrschenden Klasse soll uns in dieser historischen Krise zusätzlich spalten. Uns soll weisgemacht werden, wir stünden zu Menschen anderer Herkunft in einer besonders grossen Konkurrenz. Die Hetze gegen "kriminelle Ausländer" und "Sozialschmarotzer", getragen von PolitikerInnen und Medien jeder politischen Couleur soll einer Solidarisierung untereinander entgegenwirken und uns dumme, realpolitische Diskussionen aufhalsen, welche emanzipatorische Prozesse blockieren.
Wir müssen dem Kapital unsere Klassensolidarität entgegensetzen und gesellschaftliche Kämpfe über alle Grenzen hinweg verbinden. Indem wir aus unserer persönlichen und geographischen Isolation ausbrechen und uns mit allen Ausgebeuteten und ihren Kämpfen solidarisieren, torpedieren wir die reaktionären Bemühungen der Kapitalisten.

Wir sind mehr.

Am 1. Mai wird auf der ganzen Welt die Ablehnung des kapitalistischen Systems auf die Strasse getragen. Der Kampftag der ArbeiterInnenklasse ist ein Versuch aus der Isolation auszubrechen, uns miteinander zu vernetzen und für die gemeinsame Perspektive einer Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung auf die Strasse zu gehen. Wenn der Staatsapparat uns an diesem Tag blockieren, unsere Kollektivität verhindern und uns mit seiner Repression auseinander dividieren will, dann ist unsere Antwort: Wir sind mehr!

Kapitalismus abschaffen.

Eine Gesellschaft ohne Armut, Krieg und Krisen ist nur gegen den Kapitalismus durchzusetzen und nicht innerhalb des bestehenden Systems möglich. Eine komplette Umgestaltung unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist dafür notwendig. Eine Gesellschaft, in der die Produktion den Bedürfnissen aller dient ist längst überfällig. Doch von alleine werden sich die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht ändern, dafür müssen wir gemeinsam aktiv werden und uns organisieren. Am 1. Mai werden wir mit einem kraftvollen libertären Block für die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und die Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft eintreten.

Libertärer Block
Let's get ready to rumble!

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POLICE CH
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WoZ 15.4.10

Sicherheit - In Hitzkirch, wo die Interkantonale Polizeischule daheim ist, träumt man von einem nationalen Sicherheitszentrum - auch für private Sicherheitskräfte.

 Aufstand in der Bronx

 Von Dinu Gautier

 Auf einer Fläche von mehreren tausend Quadratmetern soll im Luzerner Seetal nicht irgendein, sondern "das Sicherheitszentrum der Schweiz" entstehen. Das "Security Center Seetal" könnte, glaubt man Mitinitiator Roland Hodel, "die träge Sicherheitslandschaft Schweiz" nachhaltig verändern - weil sowohl private Sicherheitsfirmen wie öffentliche "Blaulichtorganisationen" an einem Ort ausgebildet würden. Die Idee für das grössenwahnsinnig anmutende Projekt wurde ursprünglich von Exschweizergardekommandant Pius Segmüller vorangetrieben - inzwischen hat er sich aus dem Staub gemacht.

 Ein richtiges Dorf

 Auf dem Gelände und in den Gebäuden der ehemaligen Fruchtsaftfabrik von Hitzkirch soll das Security Center Seetal entstehen. Geplant sind mehrere Schiess anlagen und ein "Schiesskino" im Erdgeschoss sowie im ersten Stock auf 1700 Quadratmetern ein "Lernrevier": ein richtiges Dorf mit Gemeindehaus, Klub, Laden und Einfamilienhäusern, ein Wohnquartier mit Einfamilien-, Reihen- und Mehrfamilienhäusern sowie ein Hinterhof, der Bronx heisst. Auch ein Bankgebäude und ein Bahnhof sollen errichtet werden. Üben will man unter anderem: "Abseilen, Fassadensicherung, Öffnungstechniken (Ramme und Türpresse), Weiterbildung für Interventionseinheiten und Hundeausbildung (Schutzdienst, Betäubungsmittel und Sprengstoff)."

 "Angedacht" sind zudem Hallen für Amoktraining und Gewaltprävention und sogar ein Gleisanschluss für Ausbildungen im Zug. Ein Büchsenmacher soll eine Waffenwerkstatt vor Ort einrichten, und ein "namhafter Polizeiausrüster" plane eine Ausstellung samt Laden auf dem Gelände.

 Initiantin des Projekts ist die Idee Seetal AG. Als "regionaler Entwicklungsträger", eine Art PR-Bude für das Luzerner Seetal, hängt sie via Kanton Luzern an Regionalfördergeldern des Bundes. "260 000 Franken sind bisher an das Projekt Kompetenzzentrum Sicherheit geflossen, davon die Hälfte aus Bundesmitteln", sagt Sven-Erik Zeidler von der zuständigen kantonalen Behörde. Weitere Gelder seien zurzeit keine beantragt, hingegen werde "sehr stark" mit Investoren verhandelt. "Wir befinden uns gerade in einer heissen Phase", sagte auch Hans Peter Stutz, Geschäftsleiter der Idee Seetal AG, im Februar zur WOZ. Deshalb wollte er damals keine Auskunft zum Projekt erteilen. Diese Woche war er nicht zu sprechen.

 In Hitzkirch werden seit 2007 angehende PolizistInnen aus elf Kantonen ausgebildet. Die Infrastruktur der Interkantonalen Polizeischule (IPH) erreiche aber bereits ihre Kapazitätsgrenze; für praktische Weiterbildungen fehle der Platz, heisst es. "Deshalb", sagt Matthias Jurt von der IPH, "sind wir gegenüber diesem Projekt von privater Seite positiv eingestellt." Liest man die Projektdokumentation, so tönt das Engagement der IPH bedeutend weniger passiv: So beteilige sie sich aktiv am Projekt und koordiniere die Mitsprache interessierter Polizeikorps bei der Gestaltung der neuen Infrastrukturen.

 Roland Hodel, während siebzehn Jahren Mitglied der Zuger Spezialeinheit Luchs, davon zehn Jahre als deren Chef, ist eine Schlüsselfigur des Projekts. Er ist heute einerseits Instruktor an der Polizeischule, andererseits betreut er als privater Unternehmer das "Projekt Ypsilon", das die Infrastruktur des geplanten Zentrums nutzen will. "Wir stellen uns drei Nutzungsarten vor", so Hodel, "Vermietungen, Vermietungen mit Instruktion und ganze Ausbildungen für Sicherheitskräfte." Hört man dem begeisterten Herrn Hodel zu, gewinnt man den Eindruck, er wolle hier künftig die halbe Schweiz drillen: Frauen könnten in der "Bronx" den Selbstschutz bei Überfällen üben, Schulleitungsgremien das Verhalten bei Amokläufen lernen. Er spricht von Kindern und Gewaltprävention, vor allem aber von Spezialeinheiten, privaten Sicherheitskräften und deren Aus- und Weiterbildung.

 Geografische Annäherung?

 Droht da nicht eine (weitere) Vermischung von polizeihoheitlichen und privaten Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich? Heinz Buttauer, Präsident des Polizeibeamtenverbandes, hat zwar noch nie vom Projekt gehört, gibt aber zu bedenken: "Es kann nicht angehen, dass die Privaten plötzlich sagen, sie seien gemeinsam mit Polizisten ausgebildet worden. Ich gehe davon aus, dass die Kurse strikt getrennt würden."

 Ein Einwand, den Roland Hodel nicht gelten lässt: "Viele Polizisten haben ein Problem mit privaten Sicherheitsdiensten. Dabei gibt es schon heute zahlreiche Schnittstellen." Treffe sich während des Weltwirtschaftsforums in Davos etwa ein Minister, dessen Personenschutz von der Polizei wahrgenommen wird, mit einem UBS-Manager, der von privaten Bodyguards geschützt wird, müsse die Zusammenarbeit einfach klappen. "Wieso vollziehen wir die Annäherung nicht auch geo grafisch?" Zudem könnten im neuen Sicherheitszentrum ausgebildete Private ja nicht einfach behaupten, eine Polizeiausbildung genossen zu haben. "Deren Kurse werden anders heissen als die Kurse der Polizei", so Hodel.

 Niemand will mitmachen

 Man habe das Projekt nicht nur den Polizeikorps, sondern auch verschiedenen anderen Akteuren vorgestellt, sagt Hodler. Die Bahnpolizei etwa habe Interesse signalisiert. Angefragt habe man auch das Grenzwachtkorps und private Dienste, deren Namen man nicht nennen wolle.

 Befragt man die potenziellen Inves toren und anvisierten MieterInnen, ist weniger Begeisterung zu spüren. Bei der Bahnpolizei lässt der Leiter öffentliche Sicherheit via SBB-Medienstelle ausrichten: "Im Moment ist das kein Thema bei uns, für Gespräche sind wir aber immer offen." Stefanie Widmer von der Zollverwaltung sagt, beim Grenzwachtkorps sei diesbezüglich niemand offiziell vorstellig geworden. Die Securitas bestätigt immerhin, dass sie angefragt wurde. "Das Projekt Ypsilon steht aber nicht zuoberst auf der Agenda", so Pressesprecher Urs Studer. Die Sicherheitsfirma Delta, die kürzlich wegen ihrer auch in der Freizeit prügelnden Mitarbeiter in die Kritik geraten ist, wollte gar nicht erst mit der WOZ über das Projekt sprechen.

 Abgesetzt hat sich bereits Pius Segmüller, einst treibende Kraft hinter der Idee eines Kompetenzzentrums Sicherheit. Der CVP-Nationalrat, Exkommandant von Stadtpolizei Luzern und Schweizergarde sowie Exsicherheitschef der FIFA ist jüngst im Zusammenhang mit der Idee Seetal AG in die Schlagzeilen geraten. Die "Weltwoche" berichtete, Segmüller habe ein Projekt im Bereich Kompetenzzentrum Sicherheit aus der Entwicklungsfirma herausgekauft und die Arbeitsplätze der daraus entstandenen Swissec AG in den Kanton Baselland verlegt. Segmüller scheint nicht daran zu glauben, dass aus dem Luzerner Seetal ein Security Valley wird.

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Polizeiausbildung - Was lernen eigentlich angehende PolizistInnen? Wie trainieren sie den Nahkampf? Wie wird ein Schlagstock eingesetzt? Und auf wen schiessen sie?

 High Noon in Hitzkirch
 
Von Dinu Gautier (Text) und Zvonimir Pisonic (Fotos)

 Mit Maschinenpistolen bewaffnete PolizistInnen stehen aufgereiht den Gangs tern mit ihren gezückten Pistolen gegenüber. Es ist dunkel. Dann ein Pfiff. Auf den Läufen der Maschinenpistolen montierte Taschenlampen gehen an, Mündungsfeuer flackert auf, Patronenhülsen fliegen zu Boden. Jeder Gangster kriegt zehn Schuss in den Oberkörper. Ein unfairer Kampf. Das Licht geht an. Die PolizeischülerInnen werden gelobt, mit Klebeband decken sie die Einschusslöcher an den Zielscheibengangstern aus Karton ab. Die nächste Übungseinheit folgt sogleich.

 Willkommen in der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch (IPH) im Luzerner Seetal, der grössten Polizeischule der Schweiz. Vor dem Hauptgebäude, wo die Theorielektionen stattfinden, plaudern in kleinen Grüppchen rauchende PolizeiaspirantInnen in Uniform. Allesamt jung, fit und kräftig. Die Männer sind in der Überzahl, glatt rasiert und mit Kurzhaarschnitten. Die Frauen tragen lange, gepflegte Mähnen. Gegrüsst wird stramm-freundlich. Am Anschlagbrett hängt ein Werbeplakat für eine rauschende Cop-Party in Luzern.

 Erstmal Polizeischul-Schoggi

 Zur Begrüssung gibts Kaffee und Gipfeli in der loungeartigen Cafeteria. Ein Bildschirm verkündet den Besuch der WOZ, darunter ruckeln Neuigkeiten aus der Welt der Kleinkriminalität im CNN-Newsticker-Stil über den Flatscreen.

 Der Gastgeber: Matthias Jurt, 38-jährig, Leiter Bildungsbetrieb der IPH. Er war während zehn Jahren uniformierter Polizist in der Stadt Luzern, fährt einen Geländewagen, hört Volksmusik und trägt Anzug. Jurt ist ein unauffälliger Mann, ruhig im Auftreten, lächelt oft. Der Stolz ist ihm anzumerken, wenn er "seine Schule" vorstellt. Doch zuerst gibts noch die Willkommenspräsentli: Polizeischul-Schoggi, Polizeischul-Schlüsselumhänger, Polizeischul-Schreibblock, Polizeischul-Kugelschreiber.

 Dann gibt es Zahlen und Fakten: "Derzeit befinden sich zwei Lehrgänge in Ausbildung, insgesamt 330 Polizeianwärter", sagt Matthias Jurt. "Davon etwa ein Viertel Frauen." Wer mehr als sechzig Autominuten von Hitzkirch entfernt wohnt, verfügt über ein eigenes Zimmer auf dem Campus. Und das sind nicht wenige, sind die angehenden PolizistInnen doch von Korps in elf Kantonen der Deutschschweiz eingestellt worden. Deshalb auch die unterschiedlichen Uniformen. Wer sich in der Cafeteria umschaut, sieht eine Frau in Schwarz (Kapo Baselland), ein Mann mit grauen Hosen (Basel-Stadt) und einige Männer ganz in Blau (z. B. Aarau, Bern). Die Uniformenvielfalt findet Herr Jurt unschön: "Immerhin sind die Uniformen der meisten Korps inzwischen blau." Die Präsenz der Poli zeiaspirantInnen im 2000-Seelen-Dorf fällt nicht nur optisch ins Gewicht. Jurt: "Das ist ein Wirtschaftsfaktor." In einem lokalen Pub würden sogar Blaulichtpartys veranstaltet.

 "Ein Lehrgang besteht aus 1360 Lektionen à 45 Minuten, während zehn Monaten", so Matthias Jurt. "Ein Absolvent kostet sein Korps zwischen 120 000 und 150 000 Franken, inklusive Lohnkosten und Ausrüstung." Und die Lohnkosten sind hoch, die Korps bezahlen in der Ausbildung den vollen Lohn. Dafür bestünden dann im Schnitt auch 93 Prozent der Angetretenen die Abschlussprüfung zum Polizisten mit eidgenössischem Fachausweis, sagt Jurt. "Rambos bestehen in der Regel schon das Selektionsverfahren beim Arbeitgeber nicht, fällt uns jemand diesbezüglich während der Ausbildung auf, wird er nicht zur Abschlussprüfung zugelassen."

 Zu uns stösst Daniel Kretz, der Fachgruppenleiter Sicherheit und Einsatztaktik, zuständig fürs Praktische, fürs Handfeste. Das merkt man ihm auch an: Der eher kleine, kräftige Mann mit dem markanten Gesicht ist zackig in Auftritt, Händedruck und Sprache. Eine Autorität, die den Kollegen auch mal kameradschaftlich auf die Schultern klopft. Kretz steuert das Seine zur "unschönen" Uniformenvielfalt bei. Er trägt eine Uniform mit dem Aufnäher der IPH - immerhin auch in Blau.

 Wir fahren ins Trainingszentrum Aabach, Kretz' Wirkungsstätte weiter unten im Tal. Aabach ist ein stattlicher Neubau fürs praktische Polizeitraining, der erste seiner Art in der Schweiz. Er dürfte das Seine zu den Kosten für die ganze Polizeischule von insgesamt 54 Millionen Franken beigetragen haben. "Früher mussten die Korps in militärischen Anlagen oder Zivilschutzanlagen üben", sagt Kretz.

 Wir betreten die grossräumige Lobby eines stattlichen Neubaus. Die Wände sind in Neonfarben gestrichen. Eröffnet wurde er wie die ganze IPH im Jahre 2007. Kretz benutzt ein Wort, das er an diesem Nachmittag noch oft in den Mund nehmen wird: "Harmonisierung". Er war es, der zusammen mit einem Kollegen und Fachleuten aus den Korps die Lehrpläne und Methoden festlegen musste für eine gemeinsame praktische Ausbildung der Polizeikorps, was nicht gerade einfach gewesen sei. "Die Korps sind es auch, die den Gross teil der Instruktoren stellen. Ein Milizsystem", sagt Kretz.

 Acht verschiedene Pistolentypen

 Alles lässt sich in der schweizerisch-föderalistischen Polizeilandschaft freilich nicht harmonisieren. Vor dem Schiesskeller, wo die eingangs beschriebene Maschinenpistolenübung stattfindet, nennt Kretz ein Beispiel: "Wir haben es in der Schiessausbildung mit acht verschiedenen Pistolentypen zu tun. Das macht es für die Instruktoren nicht gerade einfacher." Aber das Schiessen sei überhaupt speziell, so der Instruktor Innen-Ausbilder, "schliesslich geht es hier darum, sich Fähigkeiten anzueignen, auf die man in der Praxis hoffentlich nie zurückzugreifen braucht".

 Etwas näher am Polizeialltag ist die Übung ein Stock höher in einem grossen Dojo (Turnhalle). Hier wird mit dem Mehrzweckstock (Polizeineusprech für "Schlagstock") geschlagen und "arretiert". Bewegungsabläufe werden einstudiert, PolizistInnen (Rolle Polizei) wehren Angriffe von PolizistInnen (Rolle Bösewichte) ab, schlagen zurück in tragbare Polsterschilder, von den Bösewichten auf Beinhöhe gehalten. Bei jedem Schlag wird geschrien: "Zurück, zurück!" Daniel Kretz erklärt: "All unsere Verteidigungs- und Festnahmetechniken werden vom Gerichtsmedizinischen Institut der Universität Bern überprüft. Wir orientieren uns nicht spezifisch an einer Kampfsportart, sondern entwickeln eigene Techniken, inspiriert durch verschiedene Kampfsport richtungen." Verhältnismässig müssten die sein, wie jedes polizeiliche Handeln. "Dieses Prinzip muss unseren Schülern in Fleisch und Blut übergehen."

 Spricht man Herrn Kretz auf künftige Einsätze seiner Zöglinge an Demonstrationen an, will er keine Missverständnisse aufkommen lassen: "Ich betone, dass es uns bei friedlichen Demonstrationen nicht braucht. Demonstranten interessieren uns nicht. Es braucht uns erst, wenn Krawallanten Straftaten begehen."

 Wenige Minuten später stehen wir in einer riesigen Halle, die zur einen Seite hin geöffnet ist. Eine Gruppe in Kampfmontur steckender AspirantInnen umringt einen Instruktor der Kapo Bern. Der doziert, wie im Ordnungsdiensteinsatz Personenkontrollen zu protokollieren sind. Er teilt sogenannte Personenkontroll- oder Festnahmekärtchen aus, kleine Formulare, wo etwa die Namen der angehaltenen Personen vermerkt werden (Kommentar Kretz: "Die Kärtchen sind im Konkordat harmonisiert worden."). Der Instruktor aus der Praxis ist drauf und dran, gegenüber den AspirantInnen die Demotheorie von Ausbildner Kretz ("Demonstranten interessieren uns nicht") zu widerlegen: "Wenn Sie bei der Personenkontrolle keine Festnahmegründe feststellen und die Kontrollierten laufen lassen, dann kreuzen Sie das Feldchen ‹Personenkontrolle› an und schmeissen das Kärtchen ja nicht weg." Vielmehr habe man es später abzugeben. "Der Nachrichtendienst interessiert sich für die Namen von Demoteilnehmern", so der Instruktor.

 Wir verlassen die Halle und betreten ein eigens zu Übungszwecken erstelltes Retortendorf ("Lernrevier") mit dem Charme einer Neubausiedlung in Autobahnnähe. Es besteht aus einer Tankstelle, einer Bankfiliale und Wohnhäusern. Dazwischenliegende Strassen, Gässchen und der stattliche Dorfplatz sind beschildert, es gibt Parkplätze und korrekte Verkehrssignalisationen. Drei Millionen Franken habe das Lernrevier gekostet, sagt Matthias Jurt.

 Die Mittelstrasse wird gerade verbarrikadiert. Aus "Vauban-Gittern", den hüfthohen, ineinandersteckbaren Gittern, entsteht ein "Vauban-Wall". Es scheint sich bei der Benennung um polizeiliche Selbstironie zu handeln. Die nicht gerade unüberwindbaren Gitter sind nach Sébastien Le Prestre, dem Marquis de Vauban (1633-1707) benannt. Wikipedia vermeldet: "Er ist der eigentliche Schöpfer der ‹enceinte de fer›, des eisernen Gürtels, mit dem Frankreich unter Ludwig XIV. seine Aussengrenzen sicherte. (...) Im Sinne des mechanistischen Weltbildes seiner Zeit erfasste er die Befestigungs- und Belagerungskunst als mathematische Wissenschaft, in dem jeder einzelne ‹Akt› einer Belagerung im Detail zu berechnen war."

 Die "Fans" dürfen schimpfen

 Daniel Kretz bittet in die Bankfiliale, die Schalter sind verwaist. Besetzt sind sie nur bei Banküberfällen. Im ers ten Stock hat es einen Gang mit Türen zu beiden Seiten. Hier kann der Einsatz bei Amokläufen an Schulen geübt werden. Sternförmige Seifenflecken an den Wänden zeugen von simulierten Schusswechseln. "Das ist eine Technologie, die exklusiv für die Polizeiausbildung zur Verfügung steht." Im Gegensatz zu Übungen mit Paintball-Systemen sei damit das Waschen der Uniformen kein Problem. Dann stellt Kretz klar: "Hier ballert mir niemand einfach so rum."

 Nach der Besichtigung eines der Einfamilienhäuser, wo etwa das Vorgehen bei Fällen von häuslicher Gewalt geübt werden kann (Kretz: "In der Praxis sehr häufig."), stehen wir wieder draussen. Gerade rechtzeitig, um der Klasse, die vorhin in der Fichierung von DemonstrantInnen geschult wurde, bei der Räumung eines Busses zuzusehen. Darin haben sich renitente "Fans" versammelt.

 Ein paar AspirantInnen haben ihre Ordnungsdiensttenues mit Jacken überdeckt, sie spielen die Fans, dürfen durchaus auch ihre KollegInnen beschimpfen, möglichst realitätsnah halt. "Mach nicht den Max", brüllt einer der "Fans" den Polizisten an, der ihn im Innern des Busses packt. Das mit der Realitätsnähe klappt nicht so ganz, wenn ein Polizist einen Polizisten provozieren soll ...

 Für Daniel Kretz sind die Möglichkeiten der polizeilichen Grundausbildung denn auch beschränkt, gerade weil es den AbsolventInnen noch an Praxisbezug fehle. Gäbe es unbeschränkte Ressourcen, so würde er zwar die Grundausbildung gerne um ein halbes Jahr verlängern und mehr praktisch üben, "viel wichtiger ist aber die regelmässige Weiterbildung". Diese käme in den Korps heute tendenziell zu kurz, etwa aufgrund von Personalmangel.

 Zum Abschied sagt Daniel Kretz: "Man sagt, dass in einer Demokratie jedes Volk die Polizei kriegt, die es verdient." Dann fügt er an: "Wir sind ein exaktes Volk." Matthias Jurt lächelt.

 Gegen Abend in Hitzkirchs Dorfkern: Das lokale Pub ist fast leer, die junge Bar angestellte bestätigt: "Meine Chefin hat Freude an den Gästen aus der Polizeischule, die Stammgäste weniger." Jeweils donnerstags sei das Lokal voll. Und wie feiern angehende PolizistInnen? "Meistens recht brav. Sie werfen weniger auf den Boden als normale Gäste. Es kommt aber durchaus vor, dass sie auf den Tischen tanzen."

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INTERKULTUR
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WoZ 15.4.10

Wissen

Migrationsforschung - Wann begreift die Schweiz, dass sie ein Einwanderungsland ist? Der Autor und Rassismus- und Migrationsforscher Mark Terkessidis plädiert dafür, endlich die gesellschaftlichen Institutionen den Realitäten anzupassen.

 "Weg mit den Barrieren"

 Interview: Pascal Jurt

 WOZ: Mark Terkessidis, in Ihrem neuen Buch "Interkultur" wenden Sie sich gegen den Begriff der Integration. Was stört Sie daran?

 Mark Terkessidis: Das Integrationskonzept stammt aus den siebziger Jahren. Es ist doch seltsam, wenn man dreissig Jahre später die gleiche Problemagenda noch einmal auflegt und glaubt, mit denselben Massnahmen wie damals gegensteuern zu können. Ich kritisiere vor allem die von damals übernommene Vorstellung, es gebe eine Gruppe in der Gesellschaft - "Personen mit Migrationshintergrund" -, die bestimmte Defizite aufweisen; Defizite, die identisch seien mit jenen in den Siebzigern: mangelnde Sprachbeherrschung, patriarchale Familienverhältnisse, parallelgesellschaftliche Strukturen; und dass die grosse Aufgabe darin bestehe, diese Defizite zu beseitigen.

 Können Sie ein konkretes Beispiel geben?

 Man geht davon aus, dass es in Institutionen wie zum Beispiel Kindergarten oder Schule eine Norm gibt - eine "deutsche", eine "Schweizer" Norm -, von der Kinder mit Einwanderungshintergrund abweichen. Ihre Defizite sollen durch Sondermassnahmen kompensiert werden, damit sie beim Schuleintritt das gleiche Niveau ausweisen wie das Normkind. Diese Logik ist heute sinnlos geworden. Zum einen gibt es einen dramatischen demografischen Wandel: Bei den Untersechsjährigen sind Kinder mit Migrationshintergrund in den grossen deutschen Städten in der Mehrheit. Es gibt also keine Norm mehr. Zum anderen ist die Kompensationslogik falsch. Die Institution wird nicht grundsätzlich reformiert, um die Vielfalt angemessen zu berücksichtigen, sondern die "anderen" sollen mit Sondermassnahmen verbessert und angepasst werden. Integration erscheint dann als zusätzliche Leistung und somit automatisch als lästige Angelegenheit. Zudem werden Leute so entmündigt - es gibt ja eine regelrechte "Helferindustrie" in Sachen Integration.

 Grossbritannien verfolge ein ganz anderes Modell, schreiben Sie: Was wird dort besser gemacht?

 In Grossbritannien hat man sich eine Logik angewöhnt, die so etwas wie "Diversity" - Vielfalt - immer mitdenkt. Dort werden die Institutionen darauf befragt, ob sie der Vielfalt auch gerecht werden. Die primäre Frage ist dann eben nicht, was Kinder mit Migrationshintergrund für Defizite haben, dass sie in der Schule nicht vorankommen. Die Frage lautet: Was gibt es für unsichtbare, strukturelle Barrieren in den Institutionen, die bestimmte Leute ausschliessen?

 Und wer hat diese Frage an die Institutionen herangetragen?

 Es gab in Grossbritannien schon zu Beginn der achtziger Jahre eine politische Mobilisierung rund um den Begriff "black". Leute mit Einwanderungshintergrund haben sich massiv gegen Diskriminierung und für gleiche Rechte eingesetzt. Der rassistische Mord an einem schwarzen Jugendlichen, Stephen Lawrence, zu Beginn der neunziger Jahre hat dann zu einem Umdenken geführt. Die Polizei hatte in diesem Fall Zeugen nicht gehört und die Eltern unsensibel behandelt, sodass es zu keiner Verurteilung kam. Schliesslich gab das Innenministerium eine Untersuchung bei Lordrichter McPherson in Auftrag, die zu dem Ergebnis kam, dass es in der britischen Polizei "institutionellen Rassismus" gebe. Im Fokus standen also nicht einzelne Polizisten und ihr absichtlich diskriminierendes Verhalten, sondern die Routinen der Polizei, denen bestimmte selbstverständliche Wahrnehmungsmuster innewohnten, die dann dazu geführt hatten, dass der Fall verschleppt wurde.

 Wie kann man solche strukturellen Barrieren überwinden? Zum Beispiel indem man andere kulturelle Perspektiven übernimmt?

 Ich bin nicht der Auffassung, dass es reicht, oder dass es überhaupt ein Ziel an sich sein sollte, andere kulturelle Perspektiven zu übernehmen oder kulturelle Unterschiede per se zu respektieren. Nicht alle kulturellen Unterschiede sind gute Unterschiede. Und man muss sie nicht konservieren. Oft handelt es sich ja auch um Ungleichheit. Mir geht es primär darum, dass unterschiedliche Voraussetzungen und Hintergründe im Betrieb der gesellschaftlichen Institutio nen berücksichtigt werden - dass diese Institutionen sozusagen für alle Personen "barrierefrei" werden. Es geht eben nicht darum, dass alle ihre Unterschiede behalten, dass wir eine deutsche, eine türkische und eine albanische Flagge nebeneinander hängen. Es geht darum, einen neuen gemeinsamen Raum zu erfinden. In dem Moment, wo Barrierefreiheit hergestellt wird, wo es eine höhere und breitere Partizipation gibt in dieser Gesellschaft, gibt es auch Veränderung und Erneuerung.

 Und welche Funktion weisen Sie der Kultur in diesem Prozess zu?

 Zum einen geht es um die Frage der Organisationskultur, wie man sie etwa aus der Betriebs- und Organisationspsychologie kennt. Das ist eine Debatte, die in Unternehmen beim Thema "­Diversity" stark im Vordergrund steht: Welche Personengruppe wird im Unternehmen implizit privilegiert? Welche unaus­gesprochenen Vorstellungen über die Geschichte, die Mitarbeiter, die Kunden et cetera kursieren? Sind diese Annahmen zeitgemäss, oder führen sie dazu, dass ein grosser Teil der Individuen ihr Potenzial nicht ausschöpfen können? Denn das sollte ja das Ziel sein. Insofern will ich mit dem Begriff "Interkultur" nicht primär auf ethnische Unterschiede hinaus, sondern auf eine Veränderung der Kultur der Institution in Bezug auf unterschiedliche Voraussetzungen und Hintergründe.

 Wie unterscheidet sich Ihr Kon zept der Interkultur von dem des Multikulturalismus?

 Wenn in Deutschland über interkulturelle Öffnung gesprochen wird, sind gewöhnlich die Verwaltung, die Sozialdienste oder die Polizei gemeint - Organisationen also, von denen man annimmt, dass sie Berührungspunkte mit "dem Migranten" haben. Da geht es dann oft darum, den einheimischen Mitarbeitern dieser Institutionen eine Art ethnisches "Rezeptwissen" zur Verfügung zu stellen: Stichwort "interkulturelle Kompetenz". Das reicht natürlich nicht, weil es die grundsätzlichen Verhältnisse in diesen Institutionen nicht antastet.

 Was braucht es darüber hinaus?

 Ich möchte die interkulturelle Öffnung auf alle Institutionen ausweiten - vor allem in die Kulturinstitutionen, weil in ihnen sehr stark das Selbstverständnis der Gesellschaft reflektiert wird. Zurzeit kommen die Subventionen immer noch hauptsächlich einer bestimmten Gruppe zugute, dem sogenannten Bildungsbürgertum, und dessen Weltsicht dominiert entsprechend. Auch hier kann man von Grossbritannien lernen: Dort ist auf der Basis des Prinzips der "social inclusion" angeregt worden, dass sich diese Institutionen ein anderes Publikum erschliessen und sich in diesem Prozess auch intern verändern müssen.

 In der Schweiz scheint die Entwicklung genau in die entgegengesetzte Richtung zu laufen: Hier ist per Volksabstimmung der Bau von Minaretten verboten worden. Es scheint, dass der von Rechtspopulisten propagierte "Kulturkampf" in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist ...

 In der Schweiz ist lange nicht anerkannt worden, dass sie ein Einwanderungsland ist. Für den Populismus gibt es natürlich auch Ursachen im schweizerischen politischen System selbst. Aber dass sich dies auf dem Rücken der Migranten abspielt, hat sehr viel damit zu tun, dass man die Fiktion immer weiter aufrechterhält, dass die Migranten wieder nach Hause gehen. In Deutschland hat man vor zehn Jahren von dieser Fiktion Abstand genommen. Seither muss man eben auch mit dem Minarett leben. Überhaupt ist die Minarettdebatte an sich ja nicht der Punkt. Vielmehr geht es um die Feststellung: Das gehört nicht hierher, das gehört nicht zu "uns". Und das ist nicht nur falsch, sondern im Sinne der Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft geradezu verheerend.

 Und warum sind gerade Menschen aus ländlichen Gebieten, in denen es sehr wenig Migranten und Migrantinnen gibt, für populistische und rassistische Parolen anfällig?

 Ich glaube, dass die Leute sich bedroht fühlen. Die Angst vor den Minaretten ist auch die Angst vor der Stadt, vor der Vielfalt und der Entfremdung im Moloch. Die Leute haben das Gefühl, sie seien im Gefolge der Globalisierung gegenüber den städtischen Gebieten ins Hintertreffen geraten, sie seien von den Entwicklungen abgehängt worden und könnten nur ohnmächtig zuschauen. Und dieses Gefühl wird verkörpert von den Migranten, die von Politik und Medien ohnehin gerne als "Problem" dargestellt werden. Ein "Problem", das um so phantasmatischer wird, je weniger man mit ihm zu tun hat: Rassismus ist nachweislich da am virulentesten, wo es am wenigsten Einwanderung gegeben hat. Darauf kann Populismus aufbauen. Insofern ist es auch falsch, dem Populismus ständig Zugeständnisse zu machen. Denn diese Art von Politik macht die Arbeit an einer Gemeinschaft der Zukunft unmöglich. Und um die geht es schliesslich - nicht darum, was "uns" in der Vergangenheit mal zusammengehalten hat.

 Mark Terkessidis

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 Mark Terkessidis

 Der Psychologe und Autor Mark Terkessidis (43) lebt in Berlin und ist griechischer Herkunft. Migrations- und Rassismusforschung gehören zu seinen thematischen Schwerpunkten. Eben ist sein neus tes Buch zum Thema erschienen.

 Mark Terkessidis: "Interkultur". Suhrkamp Verlag. Berlin 2010. 220 Seiten. Fr. 22.50.

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REVOLUTIONÄRE ZELLEN
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WoZ 15.4.10

Herzstillstand im Untergrund

 Revolutionäre Zellen - Sie leben seit 32 Jahren im Exil. 22 Jahre davon mussten sie sich vor der Polizei verstecken. Jetzt droht ihnen die Auslieferung nach Deutschland. Christian Gauger (66) und Sonja Suder (77) über das Leben auf der Flucht und das Gefühl, wenn man geschnappt wird.

 Von Andreas Fanizadeh (Text) und Luca Schenardi (Illustration)

 WOZ: Frau Suder, Herr Gauger, wann merkten Sie erstmals, dass Sie observiert wurden?

 Sonja Suder: Es war im Sommer 1978. Wir waren gerade vom Urlaub aus Südfrankreich zurück nach Frankfurt gekommen. Wir sind um sechs Uhr morgens los, um unseren Stand auf dem Flohmarkt am Eisernen Steg am Mainufer aufzubauen.

 Und da merkten Sie, dass Ihnen jemand folgte?

 Suder: Um sechs Uhr morgens ist es auffällig, wenn jemand von deiner Haustür bis zum Flohmarkt hinter dir ist und dann selber keinen Stand aufbaut. Wir haben das am Nachmittag überprüft, und da war es klar: Wir werden überwacht. Wir mussten eine Entscheidung treffen. Wir beschlossen, wegzugehen.

 Wer erinnert sich an 1978, das Jahr, in dem Sonja Suder und Christian Gauger von der Bildfläche verschwanden, um die nächsten 22 Jahre lang unauffindbar zu bleiben? Das Jahr, in dem Argentinien die Fussball-WM gewann, in Nicaragua die Sandinisten den Nationalpalast stürmten und in Italien die Roten Brigaden den Christdemokraten Aldo Moro ermordeten.

 In der Bundesrepublik Deutschland plante im Juni 1978 ein - nach Ansicht der Staatsanwaltschaft - Bekannter von Sonja Suder und Christian Gauger, eine Bombe am argentinischen Konsulat in München zu platzieren. Hermann Feiling hiess er und soll wie Suder und Gauger im Umfeld der sogenannten Revolutionären Zellen (RZ) agiert haben. Die Gruppierung propagierte Anschläge mit Sachschäden und versuchte, anders als die Rote Armee Fraktion (RAF), Opfer zu vermeiden. Suder und Gauger sollen, sagt die Staatsanwaltschaft heute, 1977 an zwei Anschlägen gegen Firmen beteiligt gewesen sein, die Urangeschäfte mit Südafrika machten, sowie 1978 an einem Brandanschlag aufs Heidelberger Schloss. Am 15. September 1978 erliess ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof deshalb Haftbefehl gegen Suder und Gauger.

 Falls sich Gauger, Suder und Feiling tatsächlich kannten, wie die Staatsanwaltschaft glaubt, dann dürften sie sich 1978 darin einig gewesen sein, Argentinien als Unrechtsstaat zu betrachten. Die Militärs hatten dort 1976 geputscht und in der Folge über 30 000 Menschen ermorden lassen. In diesem Land fand unter skandalösen Umständen die Fussballweltmeisterschaft statt. Und die sozial liberale Koalition in der Bundesrepublik tolerierte Geschäfte deutscher Firmen mit der argentinischen Diktatur, während sie in argentinische Folterhaft geratenen deutschen StaatsbürgerInnen nur zögerlich half. Es gab also wahrnehmbare Missstände, auch wenn nur wenige wie Hermann Feiling deshalb versuchten, ein Loch in die Mauer des argentinischen Konsulats zu bomben. Zum Anschlag auf das Konsulat kam es nie: Für Hermann Feiling verlief die Vorbereitung fatal, der Sprengsatz explodierte am 23. Juni in Heidelberg vorzeitig, Feiling verlor beide Beine und Augen.

 Der Schwerverletzte wurde damals offenbar noch in der Uniklinik Heidelberg von PolizistInnen vernommen. Über Wochen und Monate hinweg, sagen Freunde und Anwälte, isolierten die ErmittlerInnen Feiling, um an Informatio nen über die Organisationsstruktur der Revolutionären Zellen zu gelangen. Sie protokollierten, was ihnen Feiling unter Medikamenteneinfluss und ohne Rechtsbeistand eigener Wahl gesagt haben soll. Später widerrief er seine Aussagen.

 Wenige Wochen nach Feilings Unfall bemerkten Suder und Gauger die Observationsteams in Frankfurt - und tauchten ab. Seither sollen sie irgendwo im Ausland gelebt haben und - so sie es vorher waren - nicht mehr im Zusammenhang mit den RZ aktiv gewesen sein.

 Der Tatverdacht gegen Suder und Gauger "stützt sich im Wesentlichen auf die Angaben des Zeugen Feiling von 1978", bestätigt die Frankfurter Staatsanwaltschaft auf Nachfrage. Erst 1999 kam laut der Behörde ein weiterer Verdacht gegen Sonja Suder hinzu. Der Vorwurf: Beteiligung am bewaffneten Überfall auf die Konferenz der erdölexportierenden Staaten (Opec) 1975 in Wien und Beihilfe zum Mord. Dieser Vorwurf stützt sich auf den an der Tat beteiligten und 1998 festgenommenen Hans-Joachim Klein. Die Verjährungsfrist für die Anschläge, die Gauger und Suder ursprünglich zur Last gelegt wurden, beträgt zwanzig Jahre. Sie wäre 1998 verstrichen. Doch, so sagt die Staatsanwaltschaft, die Verjährung sei "mehrfach unterbrochen" worden und sie könne "maximal bis zur doppelten Zeit - also vierzig Jahre - laufen".

 Im Jahr 2000 kam es zur spektakulären Enttarnung und Festnahme der beiden "RZ-Rentner" in Paris. 2001 wies Frankreich das Auslieferungsbegehren Deutschlands jedoch ab. Aufgrund neuer EU-Bestimmungen - der Schaffung des Europäischen Haftbefehls - ist inzwischen erneut ein Auslieferungsgesuch bei den Behörden pendent. Derzeit liegt der Fall beim französischen Verfassungsgericht. Ob Frankreich ausliefert, ist ungewiss.

 Paris, St. Denis, Winter 2010. Auf sehr kleinen Grundstücken stehen sehr kleine Häuser, in der Ferne sieht man die Kulisse einiger Hochhäuser. Ein nasskalter Tag, kaum Menschen auf den Strassen. In einem winzigen Teil eines dieser Häuschen leben seit ihrer Enttarnung und vorübergehenden Inhaftierung Sonja Suder und Christian Gauger. Sonja Suder ist mittlerweile 77 Jahre alt, Christian Gauger 68. Sie waren schon vor ihrer Flucht von 1978 ein Paar. Es ist das erste Mal, dass sie mit der deutschsprachigen Presse sprechen. Es gibt Tee und Gebäck zum Gespräch. Ihre Wohnküche ist keine sechzehn Quadratmeter gross.

 Wie ist das, wenn man deutsche Firmen wegen ihrer Geschäfte mit dem Apartheidstaat Südafrika attackiert, dann abtaucht, ein klandestines Leben in Frank reich führt, um Jahrzehnte später enttarnt und verhaftet zu werden? Suder und Gauger lächeln. Darüber reden sie nicht. Die beiden suchen das Gespräch mit der WOZ unter der Voraussetzung, dass sie keine Fragen beantworten müssen, die für die Verfahren juristisch relevant sein könnten. Sie sagen nicht, ob und, wenn ja, wofür sie Verantwortung tragen.

 Wie lange leben Sie schon im Exil?

 Suder: Seit 1978.

 Sie haben vorher in Frankfurt am Main gelebt?

 Suder: Ja, ich hab Medizin studiert. Als wir weg sind, war ich fast fertig.

 Und Sie, Herr Gauger?

 Christian Gauger: Ich hab auch in Frankfurt gelebt. Ich hatte ein Diplom in Psychologie und bei den Sonderpädagogen an der Uni gearbeitet.

 Gauger mustert den Journalisten. Er nippt an seiner Tasse, ist konzentriert und ruhig. Sein schneeweisses Haar hat er hinten zu einem Zopf zusammengebunden, das Gesicht rahmt ein kurz geschnittener weissgrauer Bart. Mit seinem Blümchenhemd und dem leichten hessischen Dialekt könnte er direkt aus einem Antiquariat in Frankfurt-Bockenheim marschieren. Sonja Suder hat die Gesprächsführung. Ihre 77 Jahre merkt man ihr nicht an. Eine agile, lebhafte und spontane Persönlichkeit mit resoluter Stimme, schwarz und sportlich gekleidet, und mit kürzerem, dunklem Haar.

 Das Zimmer in St. Denis ist mit ge brauchten Holzmöbeln eingerichtet, gemütlich und einfach, so wie man es aus vielen Wohngemeinschaften der Alternativszene kennt. Neben Büchern fallen unzählige Messerbänkchen in den Regalen auf. Messerbänkchen benutzt man zur Ablage des Bestecks zwischen den Gängen, um den Tisch nicht zu beschmutzen. Sie sind aus Porzellan und Edelmetall, aus verschiedenen Mineralien, schlicht oder kunstvoll gefertigt. Christian Gauger erzählt langsam, fast schleppend. 1997 hatte er einen Herzinfarkt und musste wiederbelebt werden.

 Wie haben Sie Ihre Festnahme im Jahr 2000 erlebt?

 Suder: Wir waren gerade in Paris und sind aus dem Hotel rausgekommen. Es ging alles sehr schnell: Hände hoch! Und dann Arme und Gesicht zur Wand.

 Französische Polizei?

 Suder: Ja. Französische Polizei.

 Keine Deutschen dabei?

 Suder: Nein, erst später im Bullenrevier, da waren dann auch Deutsche dabei. Die haben sich zwar nicht sehen lassen, du hast sie aber gehört, wie sie miteinander sprachen.

 Ist es Ihnen wichtig, dass wir von "Bullen" reden?

 Suder (lacht): Nein, wir können auch Polizei sagen.

 Hatten Sie damit gerechnet, geschnappt zu werden?

 Suder: Nicht zu diesem speziellen Zeitpunkt, auch wenn du eine Einstellung zu deinem Leben hast, als könne es jederzeit passieren. Man weiss ja nie, was gerade tatsächlich läuft. Insofern rechnest du prinzipiell damit.

 Also, es gab keinerlei konkrete Hinweise, die Sie bemerkten?

 Suder: Nein. Obwohl die sicher schon eine Weile an uns dran waren.

 Wissen Sie, wie man Sie nach 22 Jahren aufspüren konnte?

 Suder: Es ist unklar. Wir hatten damals ein Treffen mit einer Verwandten. Vielleicht hat sich die Polizei irgendwie an sie drangeklemmt.

 Meinen Sie, Sie hatten die ganzen Jahre ein Zielfahndungskommando am Hals?

 Suder: Ich glaube nicht. Bis zu den Aussagen von Hans-Joachim Klein 1998/99 waren wir zeitweise wohl nicht einmal europaweit zur Fahndung ausgeschrieben. Das muss sich danach geändert haben.

 Bis 1999 gab es keinen internationalen Haftbefehl?

 Suder: Nein, das sagen unsere Anwälte. Deswegen haben wir wahrscheinlich auch vorher unsere Ruhe gehabt.

 Herr Gauger, Sie halten sich sehr zurück? Möchten Sie an unserem Gespräch nicht richtig teilnehmen?

 Gauger: Ich habe an vieles keine eigene Erinnerung. Ich hatte einen Schlaganfall und lag im Koma.

 Wann war das?

 Suder: 1997.

 Gauger: Ich hatte einen Herzstillstand. War praktisch tot. Sonja hat mich wiederbelebt. (Herzstillstand und die damit einhergehende Beeinträchtigung von Gehirn und Erinnerungsvermögen bestätigen medizinische Gutachten aus Frankreich.)

 War Ihre falsche Identität so gut, dass Sie ärztliche Betreuung in Anspruch nehmen konnten?

 Suder: Mussten! Allein wegen der Kontrolle und der Medikamente. Die Rehabilitation hab ich dann selber mit ihm gemacht. Das war schon eine sehr blöde Situation.

 Und Sie flogen nicht auf?

 Suder: Nein. Manchmal hat man zwar tief Luft geholt, aber bei unserem Alter, da sind die Leute nicht mehr so misstrauisch.

 Gauger: Ich hatte meine Erinnerung vollständig verloren.

 Aber Sonja Suder haben Sie wie dererkannt?

 Suder: Was mich auch gewundert hat, muss ich sagen.

 Gauger: Aber ich hab vorher nicht gewusst, dass sie existierte, erst als sie ins Zimmer zurückkam, hab ich sie erkannt.

 Was ist das für ein Gefühl, wenn man alles vergessen hat, im Untergrund lebt und einer einzigen Person vertrauen muss, die einen lehrt, wer man ist?

 Gauger: Da kam irgendwann die Furcht: Oh Scheisse, was ist, wenn ich jetzt blöd bleibe. Als ich diese Furcht bekam, war das aber auch zugleich der Punkt, an dem ich merkte, dass ich jetzt wieder selber denken kann.

 Sonja Suder musste Ihnen auch erzählen, weswegen Sie im Untergrund lebten?

 Gauger: Ja. Aber ich weiss natürlich nicht, ob sie mir alles erzählt hat. Das weiss ich einfach nicht.

 Suder: Das kannst du ja auch nicht. Du kannst nicht ein ganzes Leben erzählen. Wenn jemand fragt und wenn man mit bestimmten Reha-Büchern arbeitet, kann man einiges wiedererzählen, aber man darf ja auch einen Kopf nicht überhäufen. Das geht Stückchen für Stückchen.

 1997 und 2000 - zwischen Herzstillstand und Verhaftung lag gar nicht so viel Zeit.

 Suder: Ja, aber sein Gesundheitszustand war wieder stabil. Allerdings fragt mich Christian bis heute nach Dingen aus seiner Vergangenheit, und wir setzen die Rehabilitation praktisch fort.

 Sie wurden nach der Verhaftung sofort getrennt?

 Suder: Ja, sofort.

 Haben Sie noch Familie in Deutschland?

 Suder: Ja. Wir haben beide zu unseren Schwestern Kontakt.

 Herr Gauger, dann können Sie also jetzt selbstständig überprüfen, ob es stimmt, was Ihnen Frau Suder erzählt hat?

 Gauger: Ja, zumindest das ist leichter geworden.

 Wie fühlten Sie sich bei den Vernehmungen nach der Verhaftung?

 Suder: Wenn du vorher ausgemacht hast: "Wenn einmal was passiert, dann kein Wort, keine Aussage", dann hast du ein sehr sicheres Gefühl.

 Wie lange waren Sie beim ers ten Verfahren 2000/01 in Untersuchungshaft?

 Suder: Nicht ganz drei Monate. Chris tian sass in Paris, das Frauengefängnis war ausserhalb.

 War dies Ihr erster Aufenthalt im Gefängnis?

 Suder: Ja, ich war Ende 60, Christian Anfang 60.

 Wie war das im Gefängnis?

 Suder: Man sagt, die französischen seien die schrecklichsten Gefängnisse der Welt. Aber ich kann das nicht sagen. Ich kam in eine Zelle und hatte ganz normalen Hofgang. Ich bin gleich auf ein paar Baskinnen gestossen. Von da an wurde mir alles, was ich brauchte, wie von allein organisiert, natürlich unter der Hand. Ich war also gleich ein bisschen privilegiert. Diese Solidarität war faszinierend.

 Was war das Belastendste im Gefängnis?

 Suder: Eigentlich der Krach. An jedem Zugang sind Eisentüren, die permanent aufgeschlossen und wieder zugeknallt werden. Das ist ein fortwährendes Knallen. Ein unglaublicher Krach. Das Eingeschlossensein selber war für mich nicht so schlimm, da befasst du dich ja auch vorher schon ein wenig damit. Du musst sofort schauen, dass man etwas tun kann, Sport treiben, lesen.

 Herr Gauger, wie ging es Ihnen?

 Gauger: Beim Hofgang ist gleich einer auf mich zugekommen. Der wusste schon Bescheid. Da war ich dann immer mit dem und noch einem anderen zusammen beim Hofgang. In der Zelle waren wir zu dritt. Unangenehm waren die Stockbetten. Im dritten oben, das ist doch ganz schön hoch, da kann dir schwindlig werden. Ansonsten: Mäuse und Kakerlaken, das sind doch Haustiere. Besser als eine weiss gekachelte Einzelzelle, wo du niemanden siehst und hörst.

 Was denkt man, wenn man nach mehr als zwanzig Jahren im Exil verhaftet wird?

 Suder: Jetzt hats uns doch noch er wischt.

 Gauger: Und ich hab gedacht: Das muss doch nicht sein.

 Sie wissen, was Ihnen konkret vorgeworfen wird?

 Suder: Drei Anschläge, zwei gegen das Atomprogramm des damaligen Apartheidregimes in Südafrika und ein Anschlag gegen die Stadtsanierung in Heidelberg. Und mir zusätzlich Wien. Diese Opec-Geschichte. Und damit die Behauptung: Beihilfe zum Mord. In Frankreich wäre auch dies verjährt. Das Einzige, was hier nicht verjährt, sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

 Überraschte Sie der Vorwurf der Beteiligung am Opec-Anschlag?

 Suder: Ja.

 Hans-Joachim Kleins Festnahme im Jahr 1998 kam genauso aus heiterem Himmel wie seine Behauptungen von einer Tatbeteiligung Suders. Klein hatte im Dezember 1975 einem Kommando unter Führung von Ilich Ramírez Sánchez, genannt "Carlos", angehört, das in Wien für den Tod von drei Menschen verantwortlich war. Dem bei der Aktion selber angeschossenen Klein gelang mit anderen Kommandomitgliedern und Opec-Minis­tern als Geiseln die Flucht.

 Auf Nachfrage bestätigt die Staatsanwaltschaft Frankfurt heute, dass es bis 1999 und abgesehen von Kleins Aussagen keinerlei Hinweise gegeben habe, Suder könnte in die frühe Phase der RZ bis 1976 (vgl. Text "Die Revolutionären Zellen") involviert gewesen sein. Klein bezichtigte 1999 aufgrund von Fotos, die man ihm vorlegte, auch andere Personen, am Wiener Opec-Überfall beteiligt gewesen zu sein. Etwa Rudolf Schindler, dem deswegen bereits 2001 vor dem Landgericht Frankfurt der Prozess gemacht wurde. Entgegen Kleins Aussagen wurde Schindler jedoch vom Vorwurf der Mittäterschaft freigesprochen. Das Gericht bezweifelte Kleins "Identifizierungssicherheit bei der Lichtbildvorlage vom 2.9.1999". Bei dieser beschuldigte er neben Schindler auch Suder, "obwohl er diesbezüglich zuvor nie von einer weiteren Frau gesprochen hat", befand das Gericht schon 2001. Ausser Kleins Aussagen hat die Staatsanwaltschaft auch heute in Sachen Opec nichts gegen Suder in der Hand.

 Frau Suder, Herr Gauger, kam Ihnen in all den Jahren nicht auch einmal in den Sinn: Die Geschichte liegt so lange zurück, was soll das, wir wollen zurück nach Deutschland und stellen uns der Vergangenheit?

 Suder: Also mir nicht. Und dir, Christian?

 Gauger: Doch, wenn die Haftbefehle aufgehoben worden wären.

 Suder: Sehr witzig. Jetzt ist aber klar: Sollte Frankreich dem Auslieferungsbegehren stattgeben, werden wir uns dem Verfahren in Deutschland stellen.

 Die Gruppierung, der Sie angehört haben sollen, hat sich Anfang der neunziger Jahre endgültig aufgelöst. Hatte das zuletzt irgendwelche Auswirkungen auf das Verfahren?

 Suder: Juristisch keine. Nachdem die neue EU-Rechtsprechung kam, wurden wir 2007 ein zweites Mal in Frankreich verhaftet. Christian für vierzehn Tage und ich für einen Monat. Und seit 2009 müssen wir täglich mit der Auslieferung rechnen, obwohl das französische Gericht eine Auslieferung 2001 bereits abgelehnt hatte.

 Nach Ihrer Enttarnung im Jahr 2000 und der Niederschlagung des Auslieferungsverfahrens lebten Sie in Paris erstmals wieder legal. Wie war das für Sie?

 Suder: Wenn du ständig mit einer vor getäuschten Biografie lebst, kannst du keine wirklichen Freundschaften aufbauen. Wir lebten all die Jahre eher zurückgezogen. In Paris hatten wir zunächst gar keine Kontakte. Unsere Anwältin hatte dann für uns einen italienischen Genossen aufgetrieben, damit wir überhaupt eine Wohnadresse vorweisen konnten, um aus dem Gefängnis rauskommen zu können. Wir waren schnell integriert in die grosse italienische Exilszene um die geflüchteten Militanten aus den Siebzigern, mit ihren Diskussionen und Festen. Sie sind sehr solidarisch. Da haben wir viel Glück gehabt.

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 Die Revolutionären Zellen

 Die Revolutionären Zellen (RZ) sind Anfang der siebziger Jahre in Westdeutschland entstanden. In den achtziger Jahren verübten die RZ (und ihr feministischer Ableger Rote Zora) zahlreiche Anschläge mit Sachschäden; so gegen Rüstungs betriebe und Immigrationsbehörden. Die Vorwürfe der RZ-Mitgliedschaft gegen Sonja Suder und Christian Gauger (vgl. Haupttext) reichen in die Jahre 1977/78 zurück. In dieser Phase sollen sie an drei kleineren Anschlägen beteiligt gewesen sein.

 1999 behauptete der in Frankreich festgenommene Hans-Joachim Klein jedoch, Sonja Suder habe auch bei der Waffenbeschaffung für den Opec-Überfall 1975 in Wien geholfen. Bei dem Überfall auf die Konferenz der erdöl exportierenden Staaten waren drei Menschen umgekommen. Die Aktion stand unter der Führung von Ilich Ramírez Sánchez, genannt Carlos. Dem bei dem Überfall angeschossenen Klein gelang mit anderen Kommandomitgliedern und Opec-Ministern als Geiseln die Flucht. Die Aktion fällt wie die Entführung einer Air-France-Maschine 1976 nach Entebbe in die Frühphase der RZ. Bei der deutsch-palästinensischen Aktion in Entebbe starben Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, die als Köpfe der frühen RZ gelten.

 Die RZ formierten sich nach 1976/77 neu und gingen auf Distanz zu nahöstlichen Gruppierungen und Gestalten wie Carlos. Sie kritisierten Antiamerikanismus und Antizionismus in der antiimperialistischen Linken und propagierten Anschläge, die keine Todesopfer fordern sollten.

 Die RZ agierten bis 1992 am Rande der autonomen Bewegungen und wurden auch als "Feier abendterroristen" bezeichnet. Im Gegensatz zur Roten Armee Fraktion und der Bewegung 2.   Juni waren ihre Mitglieder unbekannt und lebten in bürgerlichen Doppel existenzen. Die RZ waren für den Staatsschutz schwer einschätzbar, nicht zuletzt weil sie ohne erkennbare Steuerung agierten. Bis zu den späten Aussagen der Kronzeugen Hans- Joachim Klein im Jahr 1999 und Tarek Mousli (ab 2000 in Berlin) wussten die Behörden so gut wie nichts über die Struktur der RZ.

 Andreas Fanizadeh

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RECHTER OSTEN
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WoZ 15.4.10

Sachbuch

 "Alles wird zugeschminkt"

 Rechtsextremismus in Osteuropa - In Ungarn hat die faschistoide Jobbik bei den Wahlen massiv Stimmen geholt. Die Rechte in Osteuropa gewinnt immer mehr Einfluss, ihre Wut richtet sich gegen Roma, Jüdinnen und Homosexuelle. Das Buch "Aufmarsch" beleuchtet die Szene.

 Von Susan Boos

 Ungarn hat am Wochenende gewählt - rechts gewählt. Viktor Orban erhielt mit seiner nationalkonservativen Partei Fidesz 53 Prozent der Stimmen, die faschistoide Jobbik brachte es auf 17 Prozent. Das ist, wie wenn die SVP im eidgenössischen Parlament die absolute Mehrheit bekäme und die rechtsextreme Pnos fast ein Fünftel aller Stimmen holen würde.

 Bernhard Odehnal, Osteuropakorres pondent des "Tages-Anzeigers", verfolgt seit mehreren Jahren die rechtsextremen Szenen Osteuropas. Vor kurzem gab er zusammen mit dem Journalisten Gregor Mayer das Buch "Aufmarsch - Die rechte Gefahr aus Osteuropa" her aus. Im ersten Kapitel beschäftigen sich die beiden Autoren detailliert mit Ungarn und zeichnen den Aufstieg der rechten Parteien und Bewegungen detailliert nach. Sie zitieren den ungarischen Schriftsteller und Literatur­nobelpreisträger Imre Kertesz, der als Jugendlicher die Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau überlebte. Sein "Roman eines Schicksallosen" ist wohl eines der eindrücklichsten Bücher, die über den Holocaust geschrieben wurden.

 Die Heimat sind wir

 Kertesz ist inzwischen nach Berlin ausgewandert, über sein Heimatland sagt er: "Rechtsextreme und Antisemiten haben das Sagen. Die alten Laster der Ungarn, ihre Verlogenheit und ihr Hang zum Verdrängen, gedeihen wie eh und je. Ungarn im Krieg, Ungarn und der Faschismus, Ungarn und der Sozialismus: Nichts wird aufgearbeitet, alles wird zugeschminkt mit Schönfärberei."

 Und jetzt hat Orban wieder gewonnen. Von 1998 bis 2002 hatte er das Land schon einmal regiert. Ursprünglich war er als Bürgerlich-Konservativer angetreten, entpuppte "sich während seiner Amtszeit aber zunehmend als rechter Populist", schreiben Odehnal und Mayer. 2002 verlor Orban die Wahl, akzeptierte die Niederlage aber nicht und mobilisierte seine AnhängerInnen. "Auf diesen von einer Atmosphäre der messianistischen Heilserwartung getragenen Kundgebungen liess er den ungeheuren Satz fallen: ‹Die Heimat kann nicht in der Opposition sein!› Die Heimat: das waren er und sein Lager, während die ‹anderen›, die ‹Roten›, die Nichtchristen und - was dann immer mitschwingt - die Juden nicht zu dieser Heimat gehören sollen", schreiben die beiden Autoren.

 Im Windschatten von Orbans Fidesz gedieh die extreme Rechte prächtig. Sie ging verbal und physisch vor allem auf die Roma los. Zwischen Juli 2008 und August 2009 überfielen Rechte sys­tematisch entlegene Romasiedlungen, zündeten Häuser an und schossen auf die Familien, die vor den Flammen flohen. Sechs Menschen wurden um ge bracht, darunter ein fünfjähriges Kind.

 Verbote schaden

 Das Buch enthält Kurzbiografien der wichtigsten rechtsextremen Exponent Innen. Auffallend ist: Sie sind alle relativ jung und gut ausgebildet. Zum Beispiel Gabor Vona, 32-jährig, Geschichtslehrer und Chef der Jobbik ("Die Besseren"), die auch eine paramilitärische Truppe unterhält, die Ungarische Garde. Als Viktor Orban 2002 abgewählt wurde, nahm er Vona in seinen "Bürgerkreis" auf. Dieser Bürgerkreis war ein e ausserparlamentarische Bewegung, die den Sturz der gewählten linksliberalen Regierung zum Ziel hatte. Vona setzte sich dann aber bald wieder ab. Seit 2006 präsidiert er nun die Jobbik. Vona hetzt gegen JüdInnen und Roma - und mit diesen beiden Themen macht die Jobbik seit Jahren Stimmung. Erfolgreich, wie die jetzigen Wahlen zeigen.

 Das Buch geht auch den rechten Bewegungen in Tschechien, der Slowakei, in Kroatien, Serbien und Bulgarien nach. In allen Ländern scheinen die Rechten nicht nur an Einfluss zu gewinnen, sie radikalisieren und militarisieren sich auch: Aufmärsche und Anschläge gehören zum Alltag, und immer richtet sich die rechte Wut gegen Roma, Homosexuelle und JüdInnen.

 Der Staat reagiert unterschiedlich auf die rechte Mobilisierung. In Tschechien versuchte zum Beispiel im Frühjahr 2009 die Regierung, die rechts extreme Arbeiterpartei zu verbieten. Das Verfahren wurde aber so dilettantisch angegangen, dass das Gericht den Verbotsantrag mangels Beweisen ablehnte   - was die Bewegung nur noch stärkte. Verbote sind ohnehin heikel. In der Slowakei, wo die Rechte in gewissen Regionen unverschämt offen agiert, lehnt zum Beispiel die Menschenrechtsorganisation Menschen gegen Rassismus schärfere Gesetze explizit ab. Das Verbot von Symbolen und Meinungen zwinge die Neonazis, ihre wahren Ansichten und Absichten zu verschleiern: "Sie treten dann als gemässigter auf, als sie wirklich sind. Das macht sie nur gefährlicher", argumentiert ein Vertreter der Organisation.

 Gegen AusländerInnen - zum Glück

 Odehnal und Mayer haben eine unglaubliche Arbeit geleistet, weiss man doch bislang relativ wenig über die rechte Szene in Mittel- und Osteuropa. Das Buch lässt einen aber auch ein bisschen ratlos zurück - mit einem wilden Wust von Namen und Daten. Die Rechten marschieren zwar überall auf, doch eigentlich tun sie das schon seit Jahren. Werden sie gefährlicher? Warum? Eine breitere Analyse fehlt - es gibt keinen Ländervergleich, keine Einordnung, keine übergreifende Einschätzung. Die Lektüre hinterlässt das schale Gefühl eines braunen Gebildes, das sich diffus, doch unaufhörlich ausbreitet. Ein bedrohliches Gefühl - da hätte man gerne mehr darüber gelesen, wie der Teil der Gesellschaft dem begegnet, der der rechten Propaganda noch nicht erlegen ist.

 Entlastend wirkt nur die Erkenntnis, die in allen Kapiteln aufscheint: Die Rechte tut sich schwer, sich über die Grenzen hinweg zusammenzuschliessen. Das ist - zum Glück - das Grundproblem der extremen NationalistInnen: Sie mögen keine AusländerInnen und können deshalb nicht mit ihren NachbarInnen marschieren. Die rechten UngarInnen hassen nicht nur die Roma, sie hassen auch die SlowakInnen - und umgekehrt. Deshalb schafft es die faschistoide Rechte nicht, sich international zu vereinen, obwohl sie überall dieselbe rassistische und antisemitische Ideologie pflegt. Unheimlich, sich vorzustellen, was wäre, wenn dem nicht so wäre.

 Gregor Mayer, Bernhard Odehnal: "Aufmarsch - Die rechte Gefahr aus Osteuropa". Residenz Verlag. St. Pölten/Salzburg 2010. 304 Seiten. Fr. 37.90.

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ANTIFA@ISLAND
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WoZ 15.4.10


Medientagebuch Von Jan Jirát

 Unter Geysiren

Von Jan Jirát

 Auch JournalistInnen haben ihre Traumdestinationen. Wer auf Fussball steht, träumt von Barcelona oder Schaffhausen (das nennt sich dann Albtraum), wer Kunst liebt, von New York oder London, und Modebegeisterte zieht es nach Paris oder Mailand. Das könnte sich schon bald ändern. Ein Land, das bisher allenfalls für Musik- oder ReisejournalistInnen von Interesse war, schickt sich nämlich an, zu einer Oase des investigativen Journalismus zu werden.

 Island steht kurz davor, ein neues Mediengesetz zu verabschieden, das die nordatlantische Insel zu einer Art Freihafen der internationalen Publizistik machen könnte. Das Gesetz soll künftig Informationsfreiheit, freie Meinungsäusserung sowie einen umfassenden Quellenschutz garantieren. Vor allem sogenannte Whistleblower, die Missstände, Korruption oder illegalen Handel publik machen, sollen besser geschützt werden. Gleichzeitig sollen die gedruckte Presse und Onlinepublikationen vor ruinösen Verleumdungsklagen bewahrt werden. Island wäre das pressefreundlichste Land der Welt.

 Wegbereiter dieses Mediengesetzes ist die Icelandic Modern Media Initiative (IMMI) - eine unabhängige und parteiübergreifende politische Bewegung, die von internationalen ExpertInnen unterstützt wird. Die IMMI hat dem isländischen Parlament Mitte Februar einen Entwurf des Mediengesetzes vorgelegt; zehn Tage später hat das Parlament dem Entwurf ohne Gegenstimme zugestimmt. Nun muss die Regierung ein Gesetz ausarbeiten.

 Das neue Mediengesetz entsteht nicht zufällig in Island. Begonnen hat alles 2004, als die damalige Regierung unter Ministerpräsident David Oddsson die vollständige Liberalisierung des Finanzplatzes beschloss. Das führte im Herbst 2008 beinahe zum Staatsbankrott. Im Sommer darauf gelangte ein interner Bericht der damals grössten isländischen Bank Kaupthing an die Website Wikileaks, der schockierende Details über die Machenschaften von zuständigen Bankerinnen und Politikern enthielt: Als die Bank bereits verstaatlicht, ihr Zusammenbruch aber gleichwohl nur noch eine Frage der Zeit war, wurden in aller Eile ungedeckte Kredite in der Höhe von fünf Milliarden Euro an Begünstigte vergeben. Als das staatliche Fernsehen diese brisanten Details im Juli 2009 veröffentlichen wollte, verhinderte Kaupthing das mit einer gerichtlichen Verfügung. Die ZuschauerInnen bekamen damals statt eines Berichts die Internetadresse von Wikileaks zu sehen, wo der Bericht für alle zugänglich war.

 Der Kaupthing-Skandal ebenso wie der drohende Staatsbankrott haben bei den IsländerInnen das Bedürfnis nach einer freien Berichterstattung geweckt. Während andere Länder, die wirtschaftlich von ihrem Finanzplatz abhängig sind, so weiterfahren, als hätte es die Wirtschaftskrise nicht gegeben, ist in Island Anfang dieser Woche ein 2000 Seiten umfassender, unabhängiger Untersuchungsbericht zur verheerenden Allianz von Banken und Regierung erschienen. Das Land ist bereit, sich neu zu definieren: als "Schweiz der Bits", wie es die deutsche "tageszeitung" formulierte, wo statt Schwarzgeldkonti eben relevante Daten sicher aufbewahrt sind.

 Neben der neu entdeckten Liebe für den Qualitätsjournalismus liegen der Idee des neuen Mediengesetzes aber auch handfeste ökonomische Überlegungen zugrunde: Internationale Medienunternehmen sollen künftig von Island aus operieren. Die Infrastrukturen dafür sind vorhanden: Die Insel besitzt moderne Glasfaserkabel nach Europa und Amerika, und die benötigte Energie wäre dank Wasser- und Windkraft sowie Geothermie sogar emissionsfrei vorhanden. Ausserdem weisen die IsländerInnen einen hohen Bildungsgrad auf und beherrschen in der Regel die unverzichtbare englische Sprache.

 Noch steht das Gesetz nicht, und doch zieht es bereits die ersten Organisationen auf Island ins Asyl: Die Autonome Antifa Freiburg hat letzte Woche in einem Communiqué verlauten lassen, ihren bisherigen deutschen Provider gegen einen isländischen auszutauschen, um so der "wiederholten Zensur durch die politische Polizei" zu entgehen.

 Jan Jirát ist Auslandredaktor der WOZ.

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CHIAPAS
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Radio Blau (Leipzig) 15.4.10

frauen in chiapas und in der ezln

interview mit einer aktivistin in einer frauenorganisation in chiapas zur lage der frauen in chiapas. chiapas ist der distrikt mit den meistem morden an frauen in mexiko. des weiteren gibt es ein neues, verschärftes abreibungsgesetz.
ausserdem wird über frauen in der guerilla berichtet.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100415-fraueninch-33466.mp3

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die ezln 16 jahre nach dem aufstand

interview mit lutz von der gruppe basta aus münster zur ezln und der aktuellen lage in chiapas.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100415-dieezln16-33465.mp3

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FEMINISMUS & WIRTSCHAFT
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Rundmail 15.4.10

Wirtschaft anders denken

Liebe WIDE-Mitglieder, liebe Interessierte

Ich möchte euch nochmals auf die beiden Veranstaltungen mit Eva Klawatsch-Treitl, Ökonomin, WIDE Österreich, hinweisen: Eva Klawatsch-Treitl arbeitet in verschiedenen Zusammenhängen mit Economic Literacy als Empowerment-Methode. Sie engagiert sich bei WIDE Österreich und bei JOAN ROBINSON, dem Verein zur Förderung frauengerechter Verteilung ökonomischen Wissens, und ist Co-Autorin des neuen Handbuchs "Feministische Wirtschaftsalphabetisierung. Wirtschaft anders denken!".


Donnerstag, 22. April 2010, 20.00-21.30 Uhr / cfd, Falkenhöheweg 8, 3012 Bern

Economic Literacy: Entschleiern - Empowern - Handeln

Eva Klawasch-Treitl stellt die Methode der Economic Literacy vor, berichtet von ihren Erfahrungen in der Arbeit mit diesem Ansatz und präsentiert das Handbuch "Feministische Wirtschaftsalphabetisierung ". Welche Möglichkeiten gibt es in der Schweiz, um mit Economic Literacy zu arbeiten? Welche Politikfelder bieten sich an? Um solche Fragen geht es in der anschliessenden Diskussion.

21.30 Uhr: Cheers auf 1 Jahr WIDE Switzerland


Freitag, 23.April 2010, 10.00 - 14.00 Uhr / Helvetas, Weinbergstrasse 22a, 8021 Zürich

Economic Literacy angewandt: Workshop

Am Beispiel "Was ist der Preis für unser Essen?" vermittelt dieser Workshop einen Geschmack vom Methodenansatz "Economic Literacy". Er bietet Raum, das eigene Erfahrungs- und Theoriewissen einzubringen und Handlungsmöglichkeiten auf der Projekt- und Politikebene zu entwickeln.

Das Angebot richtet sich an Frauen und Männer, die sich für Genderfragen in der Ökonomie interessieren und diesen Fokus stärken möchten - im Alltag und in ihrer Tätigkeit, z.B. in der Entwicklungszusammenarbeit, der Sozialpolitik, der Migrationspolitik, der Erwachsenenbildung und der Gewerkschaftsarbeit.

Kosten inkl. Sandwich Lunch: Fr 40.- / Fr. 20.- für WIDE Mitglieder/Wenigverdienende

Anmeldung bis 19. April 2010 an info@wide-network.ch

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Radio Dreyeckland (Freiburg) 12.4.10

Interview mit Nancy Fraser zu Ihrem Vortrag "Die Krise des Kapitalismus"

"Die Krise des Kapitalismus: Markt, soziale Absicherung, Emanzipation". So hiess der Vortrag von Nancy Fraser am gestrigen Sonntag im Theater Freiburg. Eingeladen war sie zu Reihe "Capitalism Now" des Freiburger Theaters in Zusammenarbeti mit dem Carl-Schurz Haus. Nancy Fraser, die als eine der derzeit bekanntesten Feministinnen in den USA gehandelt wird, versucht in Ihrem Vortrag unter anderem, Zusammenhänge zwischen der Feministischen Bewegung und den Ökonomischen Veränderungen seit den 60er jahren aufzuzeigen. Wir hatten die Gelegenheit nach dem Vortrag ein kurzes Interview mit ihr zu führen.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100415-interviewmi-33468.mp3

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ANTI-FEMINISMUS
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Weltwoche 15.4.10

"Der Feminismus wird sterben"

 Der renommierte Familienforscher Gerhard Amendt forderte die Schliessung von Frauenhäusern und wird seither bedroht. Er kritisiert die verheerenden Auswirkungen des weiblichen Opferstatus und die intellektuelle Verödung der Feministinnen.

 Von Franziska K. Müller und Peter Rigaud (Foto)

 Herr Amendt, als Sie kürzlich beim Männerkongress in Düsseldorf sprachen, standen zwei Bodyguards an Ihrer Seite: Wurden Sie bedroht?

 Ja, man wollte meine Teilnahme verhindern. Es gibt eine feministische Fraktion, die von der freien Meinungsäusserung nichts zu halten scheint. Die auch durch Wissenschaftlerinnen ausformulierten Drohungen gegen meine Person waren insofern befremdend, als sie zeigten, dass das Streitgespräch nicht zu deren Wissenschaftsverständnis gehört, sondern das Kuschen und das Kleinbeigeben. Natürlich erhalte ich aus der radikalfeministischen Ecke auch seit Jahren Post mit Gewaltdrohungen. Man versucht mich mundtot zu machen, um meine Positionen nicht diskutieren zu müssen.

 Mit welchen Thesen machen Sie sich denn besonders unbeliebt?

 Meine Sicht der Geschlechterverhältnisse galt - zumindest in den vergangenen zwanzig Jahren - als ungewöhnlich, weil ich Frauen und Männer als Beziehungspartner betrachte und nicht a priori als Feinde. Dieser Ansatz deutet aber auch auf ein Frauenbild hin, das der feministischen Ideologie widerspricht. Dort ist die Frau immer das Opfer, zu keinen schlechten Taten fähig und unter dem Strich ein wehrloses Wesen. Das ist unhaltbar, wie wir aufgrund der empirischen Forschung wissen. Ganz zu schweigen von der Alltagserfahrung.

 Damit keine Missverständnisse entstehen: Sie kritisieren den Feminismus, nicht aber die Frauenbewegung?

 Das sind für mich zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Die Frauenbewegung, der die Gleichstellung zu verdanken ist, schuf Gutes. Diese Frauen wollten eine befreite Sexualität, gleichberechtigte Beziehungen, Bildung und berufliche Möglichkeiten. Sie wollten aus eigener Kraft selbständig und eigenständig werden, und was man nicht realisieren konnte, nahm man auf die eigene Kappe. Das waren anpackende, eigenverantwortliche Persönlichkeiten. Die grosse Mehrheit der heutigen Frauen ist in diesem Geist gross geworden und hat diese Werte verinnerlicht. Die jammern nicht rum, sondern machen einfach. Der Feminismus hingegen entspricht zweierlei: der Verweigerung von Eigenverantwortung und der Zuweisung der Schuld für eigenes Versagen an die Männer.

 Viele Frauen, die sich heute als Feministinnen verstehen, fühlen sich in Wirklichkeit also den Idealen der Frauenbewegung verpflichtet?

 So ist es. Eine feministische Bewegung gab es nie, es gab allenfalls feministische Zirkel. Der Feminismus ist die Gegenbewegung zur Frauenbewegung, man könnte auch sagen, er verkörpere das Zurückschrecken vor den neugewonnenen Freiheiten, vor denen sich eine lautstarke Minderheit fürchtete, weil sie keine Eigenverantwortung wollte. Die neue Verantwortung wurde dadurch umgangen, dass der Mann als Ursache allen Übels verteufelt wurde. Es wurde die Ideologie propagiert, dass Frauen diesen brutalen Geschöpfen wehrlos gegenüberstünden und dagegen nichts ausrichten könnten. Deshalb seien sie auf staatliche Hilfe angewiesen: So entstanden Quotenregelungen, verordnete Lohngleichheit und Tausende von Gleichstellungsbüros, die beim kleinsten Pieps der Frauen ein Riesenlamento vollführen und "Diskriminierung" schreien. Die Feministinnen sind meiner Meinung nach der übriggebliebene, eigentlich der gescheiterte Teil der Frauenbewegung.

 Sie behaupteten auch schon, beim Feminismus handle es sich um ein antidemokratisches System, in dem Ideologien ungehindert verbreitet werden dürfen.

 Auch andere Wissenschaftler, die zu Schlüssen kommen, die den Feministinnen nicht genehm erscheinen, sind vielfältigen Verhinderungstaktiken ausgesetzt, die ich sogar im unteren Bereich des Totalitären anordnen würde. Es gibt heute im gesamten deutschsprachigen Raum eine Frauenlobby, die in einem Parallelsystem arbeiten und funktionieren darf. Frauenhäuser, Forschungsinstitute und Frauenförderung funktionieren zumeist ausserhalb politischer, fiskalischer und wissenschaftlicher Kontrollen. Die Begründungen für ihre Existenzberechtigung liefern sich diese Institutionen selbst, und eine professionelle Beurteilung ihrer Arbeit durch Dritte findet nicht statt. Über kurz oder lang führt das zu einer intellektuellen und politischen Verödung. Mit gesellschaftlichen Veränderungen, neuen Ansätzen oder gar Kritik muss man sich nicht abmühen, ein Erfolgsausweis ist überflüssig, weil das Geld trotzdem fliesst.

 Mit welchen Konsequenzen?

 Obwohl die Forschung eine klare Sprache spricht, wird zum Beispiel das gewaltsame Verhalten von Frauen innerhalb von Scheidungen und Trennungsverfahren im feministischen Alltag ignoriert. Das führt dazu, dass betroffene Männer, und vor allem die Väter unter ihnen, massiv benachteiligt bleiben. Im Bereich der häuslichen Gewalt ist es paradoxerweise so, dass die andauernde Ignorierung von Hunderten von eindeutigen Studien, die die weibliche Gewalt untermauern, dazu führte, dass es heute an einem adäquaten Hilfsangebot auch für gewalttätige Frauen fehlt.

 Aus diesen Gründen fordern Sie die Abschaffung aller 500 deutschen Frauenhäuser?

 Was man nicht zitierte, war mein Anschlusssatz mit der Forderung, im Gegenzug ein Hilfsangebot für Männer und Frauen zu schaffen. Einrichtungen, die auf der Höhe der Zeit sind, die von einer Gewalt ausgehen, die in Familien systemisch verankert ist und von Männern, Frauen wie Kindern ausge- übt wird.

 Sie bescheinigen dem Feminismus intellektuelle Verödung und gesellschaftliche Irrelevanz. Trotzdem scheint er nicht ignorierbar zu sein.

 Das ist der grosse Ärger. Die Kritik am institutionellen Bereich ist auch darum wichtig, weil die Vertreterinnen der Gender-Mainstreaming-Industrie - darunter Frauenhäuser, die Geschlechterforschung und Hunderte von feministisch geprägten Beratungsstellen - die öffentliche Meinungsbildung weiterhin negativ sowie falsch beeinflussen und Vorgaben machen, wie die grosse Allgemeinheit zu denken hat. Viel Geld wird nicht optimal ausgegeben.

 Inwiefern?

 Themen wie die "Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen" oder die oft beklagte "gläserne Decke" sind allen präsent. Beides wird in der Zwischenzeit offiziell als Missstand anerkannt, obwohl solche Behauptungen zumeist mit gezinkten Forschungsergebnissen angereichert werden, die einer Überprüfung nicht standhalten oder sich als einseitig herausstellen. Was sagt die unabhängige Forschung? Frauen sind miserable Lohnverhandlerinnen, sie zeigen zu wenig Durchsetzungskraft und machen einen grossen Teil der Studienabbrecher aus. Auch viele hochqualifizierte Frauen haben irgendwann vom Kampf an der Front genug und ziehen sich freiwillig in den familiären Bereich zurück.

 Ist eine jüngere Frauengeneration nicht so selbstbewusst, dass sie bei solchen Fragen keine Augenwischerei betreibt?

 Doch, aber trotzdem wird der öffentliche Diskurs von den Klagen und Schlachtrufen einer schwächelnden Minderheit bestimmt, die alle Geschlechtsgenossinnen gerne als ewige Opfer sehen möchte. Die Frau wird als benachteiligt und wehrlos dargestellt und zu einer Heiligen hochstilisiert, die nur Gutes im Sinn hat. Auf der anderen Seite steht der Mann als ewiger Täter. Paradoxerweise zeichnen gerade die konservativen Feministinnen diesen Mann, dem angeblich nicht beizukommen sei, aberwitzig machtvoll. Die ideologische Abwertung geht also mit einer klammheimlichen Verherrlichung einher. Kurz und gut: Es sind stockkonservative Vorstellungen, die gepflegt werden. Von Frauen, aber übrigens auch von einigen Männern und deren politischen Vorfahren, die Frauenbewegung, Selbstbewusstsein und gleiche Chancen proklamierten und die Ermächtigung der Frauen betrieben.

 Geht man nicht auch in anderen Bereichen davon aus, dass die Identität des Einzelnen von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe herrührt?

 Die Behauptung, dass Gesellschaften durch Gruppenidentitäten von Männern und Frauen, Weissen und Schwarzen, Türken und Deutschen, Homosexuellen und Heterosexuellen bestimmt werden, halte ich für äusserst gefährlich, weil sie automatisch in Vorurteilen endet und die Ausgrenzung schürt, anstatt Probleme zu lösen.

 Dann darf man den Mann ab sofort nicht mehr anhand seiner Hirnstruktur, seiner DNS und seines Geschlechtsteils charakterisieren?

 Auch die Frauen sollten von solchen Einordnungen verschont bleiben. Viel wichtiger als die erwähnten Merkmale sind die sozialen und psychologischen Gegebenheiten, die den Menschen prägen: In welchem Wohnviertel lebt er, welche Schulbildung hat er, aus welchem Milieu stammt er? In diesem Sinn muss auch die Geschlechterforschung dringend neue Wege gehen: weil sich die Probleme sonst noch in hundert Jahren um Schuld und Friedfertigkeit, Überlegenheit und Unterlegenheit drehen werden, was unter dem Strich niemandem dient.

 War die Nennung von weiblichen und männlichen Gegensätzen nicht notwendig, damit sich althergebrachte Rollenverständnisse überhaupt verflüssigen konnten?

 Doch, und es ist auch normal, dass Neubestimmungen bisweilen ruppig über die Bühne gehen. Aber in den letzten Jahrzehnten kam es zu keiner versöhnenden Annäherung über neue Beziehungen zwischen Männern und Frauen.

 Die französische Philosophin Elisabeth Badinter und auch die britische Frauenrechtlerin Erin Pizzey machten in der Vergangenheit bereits auf die Versäumnisse und die negativen Auswirkungen des Feminismus aufmerksam: Wird die innerfeministische Kritik nur ernst genommen, wenn sie eine Frau ausspricht?

 Nein. Diese Frauen werden als Verräterinnen gebrandmarkt. Auch andere Ikonen der modernen Frauenbewegung - beispielsweise Doris Lessing - formulierten ihre Positionen zum Geschlechterdiskurs bereits vor neun Jahren neu. Lessing bedauerte nicht nur die gedankenlose Abwertung der Männer, sie erklärte auch den "Emanzenkult für denkfaul und heimtückisch". Solche Meinungen, die man als Aufforderung zum Nachdenken verstehen müsste, verhallten, weil man sie nicht hören will.

 Reden wir ein wenig über die Männer. Die verpassten es offenbar, auf den Feminismus zu reagieren?

 Vor dreissig Jahren war Eigenkritik ja angebracht. Die Söhne warfen Wertvorstellungen über Bord, die mit der traditionellen Männlichkeit ihrer Väter zusammenhingen, und das hat sie freier gemacht. Später begegneten sie der feministischen Entwicklung allerdings mit einer gewissen Arroganz. Das Schweigen der Männer auf ihre Abwertung ist auch darum tragisch, weil sie ihre Söhne so nicht schützen können. Heute wird das männliche Geschlecht für alles, was sich von der modernen bis zur archaischen Gesellschaft an Konflikten ereignete, verantwortlich gemacht: Dazu zählen die Kälte der instrumentellen Vernunft, zerstörte Umwelt, Diskriminierung von Frauen, Gewalt, Verlust der Religiosität und so weiter.

 Männer sind nun mal die Verursacher von Kriegen: Wieso stehen sie nicht einfach dazu?

 Männer verursachen nicht die Kriege, sondern gesellschaftliche Gruppen, die ihre Interessen damit verfolgen, oder Parlamente, die Kriegshandlungen legitimieren dürfen, oder ganze Nationen. Auch an die Front rücken nicht die Männer ein, sondern jene Menschen, die am wenigsten Vorteile vom Krieg haben. Vor allem die einfachen Männer verlieren dabei ihr Leben. Und ihre Kampfmoral haben Ehefrauen und Freundinnen seit je gestärkt.

 Wünschen sich die Männer insgeheim nichts mehr, als dass sich die Frauen wohl fühlen und zufrieden sind mit ihnen?

 Vielleicht sprechen Männer auch aus diesen Gründen auf Anschuldigungen gut an, das zeigt bereits die Geschichte unserer Urahnen. Wenn sie den weiblichen Ansprüchen und den Vorstellungen von Pflichterfüllung nicht entsprachen, waren auch die Chancen auf Sex und Nachwuchs gering. In der Zwischenzeit hat sich einiges verändert, und die Frauen sind auf einen Versorger nicht mehr a priori angewiesen. Aber die zwanghafte Suche nach allen möglichen Facetten weiblicher Opferexistenz schafft neue Zuständigkeiten für Männer. Die Aufbruchstimmung der neuen Frauenbewegung, die auf Selbstermächtigung setzte, verwandelte sich unter der Hand in eine depressiv gestimmte Weiblichkeit, zumindest in der Politik. Und heute erleben viele Männer jedes Unbehagen der Frauen als Schuld und Versagen. Und das nicht nur, wenn sie in die Arbeitslosigkeit abstürzen. Das Selbstbild der Männer hängt erheblich von der dauerhaften weiblichen Kritik an ihnen ab.

 Vielleicht sind die Ehefrauen und Partnerinnen aus gutem Grund unzufrieden?

 Das kann nur sagen, wer Zufriedenheit als ständige Gabe von Männern erwartet. Unzufriedenheit ist Ausdruck von Konflikten. Die muss man eben gemeinsam lösen. Klar, die Männer machen Fehler wie die Frauen. Aber wer einen Schuldigen für alle Missstände sucht, der hält sich weder mit kritischer Selbsterforschung noch mit der Suche nach Konfliktlösungen auf.

 Wie beschreiben Sie denn das Selbstverständnis der jüngeren Männergeneration?

 Bei einem Teil ist der Profeminist, der Frauen die Wünsche von den Lippen abliest, durchaus hoch im Kurs. Der Profeminist sagt mit einem erheblichen Mass an Selbstverleugnung: Die Kritik der Frauen ist berechtigt, also kann ich als Mann nur dann sinnvoll und moralisch sein, wenn ich mache, was die Frauen von mir erwarten. Damit wird natürlich niemand glücklich.

 Wieso nicht?

 Weil gute Männlichkeit als Imitat der guten Weiblichkeit zum Scheitern verurteilt ist.

 Sie sprechen in Ihrer Forschung von den neuen "Muttersöhnchen". Die sind das Gegenteil des angepassten Mannes, tragen zum häuslichen Frieden aber trotzdem nicht bei. Wen meinen Sie damit genau?

 Meine Forschung hat gezeigt, dass jede fünfte Mutter ihren Sohn eigentlich zu einer besseren Ausgabe ihres Ehemannes oder Lebenspartners erzieht. Der Sohn muss weiblichen Ansprüchen gerecht werden und wird gleichzeitig zu ihrem Verbündeten. Er tröstet die Mutter über den unzufriedenen Partner, der sein Vater ist. Er weiss genau, wie man mit einer Frau umgehen muss, denn von den Erwartungen seiner Mutter wurde er geformt, damit sie nicht unzufrieden ist, sich nicht vernachlässigt fühlt. Werden solche Männer erwachsen, legen sie ein gegenteiliges Verhalten an den Tag. Die Instrumentalisierung durch die Mutter bringt es mit sich, dass sie tendenziell keine Kritik durch ihre Partnerinnen zulassen und ihre Frauen nicht als gleichwertige Partnerinnen wahrnehmen können.

 Der Profeminist auf der einen, der Macho auf der anderen Seite: Kein Wunder, lassen sich Heerscharen von Frauen scheiden?

 Die Väter verlassen ihre Familien eher zögerlich, vielfach erst nach langen aufreibenden Auseinandersetzungen über die Besuchsregelung für die Kinder.

 Sie übertreiben, denn auch die Männer profitierten von den neuen Verhältnissen: Aus dem Korsett des alleinigen Familienversorgers befreit, dürfen sie sich heute an der Kindererziehung beteiligen und geniessen Freiheiten, von denen ihre Väter nur träumen konnten.

 Das sehe ich anders: In den unteren Schichten ist der Mann noch immer der Hauptverantwortliche, wenn es darum geht, die Familie durchzubringen. In den mittleren und oberen Schichten arbeiten viele Frauen Teilzeit, und ihr Einkommen ist zwar nicht gerade fakultativ, aber wenn am Ende des Monats zu wenig Geld in der Kasse ist, trägt der Mann die Verantwortung. Das ist für beide eine ausgemachte Sache. Als Erziehungsberechtigter dringt er allenfalls nur bis zu den Aussengrenzen der Mütterlichkeit vor, dann wird er in seine Grenzen gewiesen, weil er vieles anders macht als die Partnerin. Eine eigenständige Gestaltung der Familie bleibt ihm versagt. Die Anerkennung der Frau - seit je der männliche Motor, um Dinge zu tun, die er eigentlich nicht tun will - blieb sowieso längst auf der Strecke.

 Plädieren Sie angesichts dieser überaus tristen Bilanz etwa für eine Rückkehr zu traditionellen Rollenteilungen?

 Keineswegs, aber Frauen wie Männer sollten die Wahl haben. Und wenn sie sich den Luxus erlauben können, das klassische Familienmodell zu wählen, darf dies nicht mit einem gesellschaftlichen Imageverlust einhergehen.

 Gegen die ausschliessliche Betätigung als Hausfrau und Mutter würden aber jene Forschungsergebnisse sprechen, wonach Frauen, die den ganzen Tag mit der Kinderbetreuung und dem Haushalt beschäftigt sind, eher zu gewalttätigen Übergriffen auf den Nachwuchs und den Partner neigen als andere.

 Das stimmt. Andererseits müssen klassische Familienväter und -mütter ihre Entscheidungen in einem positiven gesellschaftlichen Klima leben können.

 Gerade feiert das Muttersein eine Renaissance, und die Geburtenraten wachsen wieder an: Stimmt Sie das optimistisch?

 Wenn es wirtschaftlich nicht gutgeht, flüchtet man sich in die Gewissheiten der Traditionen, das ist nichts Neues. Was sich in den nächsten Jahren zeigen wird, ist, ob zwischen der Verarmung und der Art und Weise, wie Partnerschaften geführt und deren Probleme gelöst werden, erneut ein Zusammenhang besteht und ob mehr Kinder geboren werden.

 Wie würden Sie denn die heutige Stimmung zwischen jungen Frauen und Männern beschreiben?

 Als progressiv eskalierend. Ich beobachte, dass junge Frauen und Männer einen sehr unideologischen Umgang mit Genderfragen pflegen. Wenn Frauen in der Literatur, an Schulen oder Universitäten als Opfer des Patriarchats klassifiziert werden, können sie damit nichts mehr anfangen. Die Männer können ebenso wenig mit dem Etikett des Täters etwas anfangen. Diese neue Generation ist für mich ein Hinweis darauf, dass die Beziehungen zwischen den Geschlechtern tatsächlich freier geworden sind. Diese Frauen und Männer begegnen sich auf Augenhöhe, und dies schliesst mit ein, dass Frauen eigenverantwortlich und selbstkritisch agieren. Der politisch dominierte Diskurs kapiert diesen Umschwung leider nicht. Noch nicht. Das ist die Krux bei der Sache: Man kann relativ schnell Veränderungen herbeiführen - um sie ab- zuschaffen, braucht es jedoch sehr viel länger.

 Und welche Zukunft prophezeien Sie dem Feminismus?

 Nach einem langen Siechtum an intellektueller Verödung und gesellschaftlicher Irrelevanz wird er sterben.

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 Gerhard Amendt

 Ein Macho will Gerhard Amendt - der umstrittenste Männerrechtler im deutschsprachigen Raum - auf keinen Fall sein. Die Kundmanngasse im 3. Bezirk in Wien liegt in einer sehr beschaulichen Wohngegend. Seine Ehefrau öffnet der Besucherin die Türe. "Ein Missverständnis", wie der herbeieilende (emeritierte) Professor für Generationen- und Familienforschung der Universität Bremen sofort klarstellt. Die Psychoanalytikerin habe nämlich gemeint, eine ihrer Patientinnen stehe vor der Türe. Dann verschwindet der 70-Jährige in die Küche, um Tee zu kochen.

 In seiner Bibliothek stehen die Streitschriften feministischer Ikonen: Susan Faludi, Margarete Mitscherlich, Naomi Wolf. Mit den ehemaligen Weggefährtinnen hat er sich in der Zwischenzeit verkracht. Gerhard Amendt, der das erste deutsche Frauenhaus mit initiierte und sich für die erste Abtreibungsklinik in Bremen starkmachte, gilt heute als grösster Kritiker des konservativen Feminismus, den er allerdings strikte von der Frauenbewegung und deren Errungenschaften trennt. Die feministische Frauenlobby, bestehend aus Forschungsinstituten, Frauenhäusern und Beratungsstellen, nennt er ein totalitäres System, das seine Kritiker mundtot machen wolle und die öffentliche Meinung wissentlich negativ und falsch beeinflusse.

 Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die Väterforschung. Seine Studie "Scheidungsväter" lieferte vor Jahren erstmals empirische Untersuchungen zur - misslichen - Lage der betroffenen Männer. Auch anhand der aktuellen Gewaltforschung kommt er zum Schluss: "Frauen sind keine Heiligen und erst recht keine wehrlosen Opfer." Die jüngere Frauengeneration sei ehrlicher und selbstbewusster, wenn es um die Benennung eigener Schwächen und Misserfolge gehe. Der Mann als Täter und Unhold bleibe jedoch weiterhin ein verbreitetes Klischee. Erst wenn man sich von den Vorurteilen löse, denen beide Geschlechter ausgesetzt seien, könne eine - dringend notwendige - Annäherung zwischen Frauen und Männern stattfinden.

 Zu den umstrittenen Publikationen von Gerhard Amendt gehören: "Vatersehnsucht", "Wie Mütter ihre Söhne sehen", "Das Leben unerwünschter Kinder", "Frauenbewegung und Nationalsozialismus" und "Über die These von der Verdammnis durch die Frau".

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Weltwoche 15.4.10

Apropos: Antifeminismus

 René Kuhn pflegt sein Gärtchen: Der als "Frauenhasser" verschriene ehemalige SVP-Politiker aus Luzern hat nach der Publikation seiner Streitschrift "Zurück zur Frau - Weg mit den Mannsweibern und Vogelscheuchen, ein Tabubruch" die Website http://www.antifeminismus.ch aufgeschaltet. Diese füttert er mit "Informationen, Fakten und Studien sowie politischen Forderungen zu den Missständen bei der Gleichberechtigung". Denn die Emanzipation habe sich zu einem "destruktiven Anspruchsverhalten" entwickelt. An Belegen mangelt es Kuhn noch, er bittet um Mithilfe - Einsendungen sind auch in Geschenkverpackung passend, Kuhn wird am Samstag 43.