MEDIENSPIEGEL 15.4.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino, IL, DS)
- Centralweg Lorraine: Zwischennutzung
- Drogenhandel in nigerianischer Hand?
- Ausschaffungs-Tod: Sonderflugstopp + Freilassungen; Maja Wicki
- BfM gegen alle(s): Bois-Reymond im Le Temps-Inti
- RaBe-Info 15.4.10
- Big Brother Video: Illegale Kameras in BE; BS gegen Videoflut
- Kulturoffensive LU: Zick und Zwerg in Bewegung
- Squat LU: Brambergstrasse mit Vetrag
- Tierrechtsforum in Winterthur
- Arbeitskampf Deisswil: Menschenkette
- 1. Mai Zürich: Festbeginn-Zoff; Libertärer Aufruf
- Police CH: Highnoon in Hitzkirch
- Interkultur CH
- Revolutionäre Zellen: Herzstillstand im Untergrund
- Rechter Osten: Osteuropa gegen Roma, JüdInnen +
Homosexuelle
-Antifa@Island: Liberales Mediengesetz
- Chiapas: Frauen + 16 Jahre Aufstand
- Feminismus + Wirtschaft
- Anti-Feminismus: (Eva) Hermänner gegen das Böse
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REITSCHULE
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Do 15.04.10
20.00 Uhr - Kino - Dok am Donnerstag: Ein Jahr des
Kampfes - ein Jahr
von vielen / Uno entre muchos años de lucha; September 97 -
September 98; Video-Zusammenschnitt des Komitees "Für die Freiheit
und Asyl für Patricio Ortiz" und des Infoladen Kasama Zürich.
In Anwesenheit von Patricio Ortiz
20.00 Uhr- Infoladen - ArbeiterInnenwiderstand gegen die
Pläne des
Kapitals (Continental Claroix F, INNSE Mailand I). Vortrag von und
Diskussion mit Rainer Thormann
20.30 Uhr - Tojo - "Klangkabarett" Musiktheater mit Songs
von Kurt
Weil, Nina Hagen, David Bowie... Regie: Benoît Blampain
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Heu, Stroh und Hafer -
Wandler (live -
motoguzzi/zh), Lukas Kleesattel (beam rec /be), Racker (midilux,
festmacher/be) - Minimal, Techno
Fr 16.04.10
20.30 Uhr - Tojo - "Klangkabarett" Musiktheater mit Songs
von Kurt
Weil, Nina Hagen, David Bowie... Regie: Benoît Blampain
21.00 Uhr - Kino - "Fressen und gefressen werden...": The
Sound of
Insects - Record of a Mummy, Peter Liechti, CH 2009
22.00 Uhr - Dachstock - Anti Pop Consortium (Big
Dada/USA) &
B.Dolan (StrangeFamous/USA), Support: Thesis Sahib (CAN) & DJ Kermit
Sa 17.04.10
20.30 Uhr - Tojo - "Klangkabarett" Musiktheater mit Songs
von Kurt
Weil, Nina Hagen, David Bowie... Regie: Benoît Blampain
21.00 Uhr - Kino - "Fressen und gefressen werden...": The
Sound of
Insects - Record of a Mummy, Peter Liechti, CH 2009
22.00 Uhr - Frauenraum - SKYTRONIK by Shit&Vomit; Dj
Jacqui, Lozan:
Minimal Attack; Dj Jesse Jay, Züri: Progressive Attack;
Shit&Vomit: Minimal Progression. Party. Dress Code: Chaos
23.00 Uhr - Dachstock - Sirion Records & Dachstock
présentent: La Liaison Française: Oxia (8bit/F), Seuil
(Freak n'Chic, Moon Harbour, Eklo/F) live!, Support: Bird, Frango,
Feodor, Nino Zolo (Sirion Records) et: Racker (Festmacher, Midilux);
Daniel Imhof (HLM, RaBe); Little Lu (Elektrostubete, Highgrade); Mike
Machine (Sinneswandel)
So 18.04.10
21.00 Uhr - Dachstock - Zeni Geva (JAP)
Infos: http://www.reitschule.ch
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Kino in der Reitschule 15.4.10
Dok am Donnerstag
15. April 2010, 20 h
Ein Jahr des Kampfes - ein Jahr von vielen - Uno
entre
muchos años de lucha
September 97 - September 98
Video-Zusammenschnitt des Komitees "Für die Freiheit und
Asyl
für Patricio Ortiz" und des Infoladens Kasama Zürich. Dauer
40 Minuten
In Anwesenheit von Patricio Ortiz
Am 30. Dezember 1996 entschweben per Helikopter vier
politische
Gefangene des bewaffneten Widerstandes (FRMR) aus dem
Hochsicherheitsgefängnis CAS in Santiago de Chile. Einer davon,
Patricio Ortiz, stellt im Juli 1997 politisches Asyl in der Schweiz.
Die Behörden verhaften ihn und Patricio drohen die baldige
Ausschaffung, Folter und jahrelange Haft. Ein Kapitel über
Menschenrechte in Chile und Profite der (CH-)Konzerne in Chile!
Verwandte von Patricio und ein paar autonome AktivistInnen
wehren sich
gegen die Ausschaffung. Die Aktivitäten beginnen mit der ersten
Demo. Und in der Folge gelingt es den AktivistInnen eine grosse
Solidaritätswelle für Patricio Ortiz auszulösen. Bei den
wöchentlichen Treffen im Infoladen Kasama werden Szenarien
für Ortiz Freilassung ausgearbeitet. Im September wird Ortiz aus
dem Gefängnis Dielsdorf/ZH entlassen. Patrico's Freilassung gilt
als ein Symbol für gelebte Solidarität.
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Infoladen Reitschule 15.4.10
Do 15.4. - 20:00 Infoladen Bern:
ArbeiterInnenwiderstand gegen die Pläne des Kapitals
Vortrag und Diskussion mit Rainer Thomann
organisiert von der FAU Bern und dem Infoladen Bern
Am 11. März 2009 will der Reifenkonzern CONTINENTAL den
ArbeiterInnen erklären, dass ihr Werk im
nordfranzösischen Clairoix geschlossen wird. Die Versammlung
endet im Tumult. Von einem rohen Ei am Kopf getroffen,
verlässt der Direktor fluchtartig den Ort. Das ist der
Auftakt zu einer breiten Protestbewegung gegen die Schliessung
des Werks. Warum sind die Contis derart wütend, dass die in
den folgenden Monaten gleich ganze Lieferwagen an teuersten
Reifen, die sie zuvor selber produziert haben, öffentlich
verbrennen?
Als der Fabrikbesitzer den 50 ArbeiterInnen der INNSE in Milano
per Telegramm mitteilt, dass ab dem 31. Mai 2008 die Produktion
per sofort eingestellt werde, besetzen sie noch in der gleichen
Nacht den Betrieb. Drei Tage später nehmen sie die
Produktion wieder auf. In den folgenden dreieinhalb Monaten
beweisen die ArbeiterInnen, dass die INNSE auch ohne Patron gut
funktioniert.
http://ch.indymedia.org/de/2010/04/74880.shtml
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Bund 15.4.10
Anti-Pop Consortium
Bloss nicht populär werden
Das Anti-Pop Consortium strebt die Dekonstruktion von Pop
und
Hip-Hop an.
Es gibt eine Menge guter Gründe, gegen Pop zu sein.
Doch am
konstruktivsten ist es, wenn man auch gleich einen überzeugenden
Gegenvorschlag parat hat. Die Gruppe Anti-Pop Consortium aus New York
ist nicht nur gegen den Pop, sie ist vor allem gegen die Entwicklung,
die der Hip-Hop im neuen Jahrtausend genommen hat.
Der Gegenvorschlag des Anti-Pop Consortiums ist eine
vertrackte,
poesiereiche, aber melodiearme Variante des Hip-Hop. Damit hat sich das
Kollektiv zwar Achtung und Street Credibility in der Szene erarbeitet,
doch der Band wurde nie die Aufmerksamkeit zuteil, die sie verdient
hätte. Dafür ist ihre Musik zu lustfeindlich, zu verkopft -
und die Zielgruppe der grübelnden Homeboys ist offensichtlich zu
klein, als dass man als deren Versorger reich werden könnte. Ein
Umstand, der allerdings offenbar ganz im Sinne der Erfinder ist: "Unser
erklärtes Ziel war immer, nicht populär zu werden",
berichtete Konsortium-Mitglied M. Sayyid einmal in einem Interview.
"Die meisten Bands haben die unterschwellige Motivation, ganz gross
rauszukommen und viele Platten zu verkaufen, wir hingegen wollen
einfach nur so kreativ wie irgend möglich sein."
Immerhin wurde die Band als Vorband von Radiohead
engagiert,
daneben produzierte man mit dem experimentierlustigen Jazzpianisten
Matthew Shipp einen musikalischen Mischling aus Jazz und sperrigen
Hip-Hop-Miniaturen. Doch irgendwann war man sich über die kreative
Ausrichtung innerhalb der Band nicht mehr ganz eins, nach dem Album mit
Shipp löste sich das Konsortium auf, die Mitglieder gaben sich
Soloprojekten hin, von welchen besonders jenem von Beans grösserer
Erfolg beschieden war. Seit 2007 ist die Band wiedervereint, 2009
erscheint mit "Fluorescent Black" gar ein neues Album auf dem
Ninja-Tune-Unterlabel Big Dada. Ein Werk mit höchst originellem
elektronischen Anstrich, dem Rapper Roots Manuva den neckischen
Tanzboden-Hit "NY to Tokyo" beigesteuert hat. Auf dass der bloss nicht
allzu populär werden wird. (ane)
Dachstock Reitschule Fr, 16. April, 22 Uhr.
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CENTRALWEG LORRAINE
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bern.ch 15.4.10
Städtisches Grundstück am Centralweg: Zwischennutzung
bis zum
Baubeginn festgelegt
In einem offenen Austausch zwischen Dialog Nordquartier, Verein
Läbigi Lorraine, Lorraine-Breitenrain-Leist und der
städtischen Liegen-schaftsverwaltung wurden mögliche
Zwischennutzungsideen für das Grundstück am Centralweg im
Eigentum des Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik diskutiert und
auf ihre Machbarkeit geprüft. Bis zur Realisierung der geplanten
Wohnüberbauung soll das Areal als provisorischer Standort für
einen Veloladen genutzt werden und dem Quartier zur Verfügung
stehen.
Die spezielle Dynamik und eigenständige Identität der
Lorraine spiegelt sich in ihrem Quartierleben und im vielseitigen
Neben- und Miteinander von Wohnen, Arbeiten, Ausbildung und Freizeit.
Dementsprechend vielfältig sind auch die Ideen für
mögliche Zwischennutzungen von brachliegenden Arealen. Die
Liegenschaftsverwaltung hat beim Verein "brachland" eine
Potenzialanalyse für die betreffenden Parzellen am Centralweg in
Auftrag gegeben. Diese wurde in den letzten Wochen vertieft und mit den
wichtigen Trägerschaften aus dem Quartier analysiert.
"Velo und Natur" als Zwischennutzungskonzept
Der an der Lorrainestrasse 6a ansässige Velokurier-Laden
sucht im
Quartier dringend einen neuen Standort. Als Übergangslösung
bietet sich das Grundstück am Centralweg an. Beim Vorliegen der
dafür nötigen Baubewilligung, voraussichtlich im Sommer 2010,
wird der Velokurier-Laden in ein zu errichtendes Provisorium auf dem
östlichen Teil des Areals (Seite Lagerweg) umziehen. Der restliche
Teil des Geländes wird als Brachland gestaltet. Ab Mai 2010 steht
diese Fläche zur individuellen Nutzung und Gestaltung für das
ganze Quartier zur Verfügung. Organisation und Koordination
für spezielle oder länger andauernde Projekte auf der
Fläche übernimmt die Quartierarbeit Bern-Nord (vbg). Sowohl
mit dem Velokurier-Laden als auch mit dem vbg wird die
Liegenschaftsverwaltung befristete Vereinbarungen abschliessen.
Spatenstich für Wohnüberbauung voraussichtlich im
Frühling 2012
Für den geplanten Wohnungsneubau auf dem Gelände
führt
die Liegenschaftsverwaltung einen offenen, anonymen
Architekturwettbewerb nach SIA 142 durch. Die Ausschreibung erfolgt in
den nächsten Tagen, das Siegerprojekt wird bis Ende 2010
vorliegen. Der Spatenstich zum Wohnungsneubau wird voraussichtlich im
Frühjahr 2012 erfolgen. Alle Zwischennutzungen enden mit dem
Baubeginn.
Direktion für Finanzen, Personal und Informatik
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DROGENHANDEL
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BZ 15.4.10
Nigerianer handeln mit Kokain
Die Aussage des Chefs des Bundesamtes für Migration,
dass
99,5 Prozent der nigerianischen Flüchtlinge in der Schweiz
straffällig würden, sorgte für Aufsehen. Auch die Berner
Polizei hat grosse Probleme mit den Westafrikanern.
Die Behörden in Bern bestätigen die Aussage vom
Chef
des Bundesamtes für Migration. "Die Nigerianer kontrollieren den
Kokainhandel in Bern", sagte Christof Kipfer, der Chef der Berner
Kriminalpolizei, auf Anfrage. Trotz umfangreicher Ermittlungen sei es
schwierig, ihre clanartigen Kreise zu durchschauen. Diese Clans seien
sehr gut organisiert. Kipfer glaubt, die jungen Männer würden
mit einem klaren Dealerauftrag nach Bern geschickt. Hier würden
sie sowohl den Import wie den Export der Droge kontrollieren.
Obwohl das Problem bekannt ist, sei es sehr schwierig, die
sogenannten "Chügelidealer" aus dem Verkehr zu ziehen. Die
Männer hätten die Droge in kleinen Mengen als Kügelchen
im Mund dabei. "Sobald sie die Polizei sehen, schlucken sie diese
einfach", so Kipfer. Und auch wenn es der Polizei gelinge, einen mit
genügend Kokain zu erwischen, stehe kurze Zeit später der
Nächste an derselben Strassenecke. "Es gleicht einer
Sisyphusarbeit, die Nigerianer haben unglaubliche
Rekrutierungsmöglichkeiten", sagte Kipfer.
Gesuchsflut aus Nigeria
Oft widersetzen sich die Nigerianer der Verhaftung, und es
komme
zu "schwierigen Szenen" für die Polizei, erklärt der Chef der
Kriminalpolizei. In Haft machten sie falsche Angaben zu Herkunft und
Alter und erzählen alle die "gleichen, nicht glaubwürdigen
Geschichten". Darum werden fast alle Asylgesuche abgelehnt. 2009 hat
die Schweiz lediglich einem einzigen Gesuch eines nigerianischen
Asylbewerbers stattgegeben. 6 erhielten eine vorläufige Aufnahme.
Die grosse Mehrheit der knapp 1800 Gesuche wurden abgelehnt. In den
letzten 15 Jahren durften 12 Nigerianer bleiben, 5401 stellten ein
Gesuch.
Den Riegel schieben
Der Asylgesuchsflut der Nigerianer will der neue Leiter
des
Bundesamtes für Migration, Alard du Bois-Reymond, nun den Riegel
schieben. So soll sich eine Arbeitsgruppe aus Bund und Kantonen des
Problems annehmen. Zudem soll ein vereinfachtes
Rückführungsabkommen für Entspannung sorgen.
Tanja Kammermann
---
bernerzeitung.ch 15.4.10
Berner Koks-Handel fest in nigerianischer Hand
Tanja Kammermann
Die Aussage des Chefs des Bundesamtes für Migration,
dass
99,5 Prozent der nigerianischen Flüchtlinge in der Schweiz
straffällig würden, sorgte für Aufsehen. Auch die
Kantonspolizei Bern hat grosse Probleme mit den Westafrikanern.
Die offiziellen Behörden in Bern bestätigen die
Aussage
vom Chef des Bundesamtes für Migration. "Die Nigerianer
kontrollieren den Kokainhandel in Bern", sagte Christof Kipfer, der
Chef der Berner Kriminalpolizei, auf Anfrage von bernerzeitung.ch.
Trotz umfangreicher Ermittlungsarbeit sei es schwierig, ihre
clanartigen Kreise zu durchschauen. Die Clans würden sich
völlig von andern abschotten und seien sehr gut organisiert.
Kipfer glaubt, die jungen Männer würden mit einem klaren
Dealerauftrag nach Bern geschickt. Hier würden sie sowohl den
Import und den Export der beliebten Droge kontrollieren.
Die Nigerianer fallen schon einige Zeit als Drogendealer
auf.
Über Westafrika gelangen nämlich immer mehr Drogen aus
Südamerika nach Europa, sowohl auf dem Land- wie auf dem
Wasserweg. Westafrika und damit auch Nigeria, ist dadurch zu einem
regelrechten Drogenumschlagplatz geworden.
Obwohl das Problem bekannt ist, sei es sehr schwierig, die
so
genannten "Chügelidealer" aus dem Verkehr zu ziehen. Die
Männer hätten die Droge in kleinen Mengen als Kügelchen
im Mund dabei. "Sobald sie die Polizei sehen, schlucken sie diese
einfach", so Kipfer. Und auch wenn es der Polizei gelinge, einen mit
genügend Kokain zu erwischen, stehe kurze Zeit später der
nächste an derselben Strassenecke. "Es gleicht einer
Sisyphusarbeit, die Nigerianer haben unglaubliche
Rekrutierungsmöglichkeiten", sagte Kipfer.
Seit Jahren Gesuchsflut aus Nigeria
Oft widersetzen sich die Nigerianer der Verhaftung und es
komme
zu "schwierigen Szenen" für die Polizei, sagte Kipfer. In Haft
machen die Männer falsche Angaben zu Herkunft und Alter und
erzählen alle die "gleichen, nicht glaubwürdigen
Geschichten". Darum werden fast alle Asylgesuche abgelehnt. 2009 hat
die Schweiz lediglich einem einzigen Gesuch eines nigerianischen
Asylbewerbers stattgegeben. Sechs erhielten eine vorläufige
Aufnahme. Die grosse Mehrheit der knapp 1800 Gesuche wurden abgelehnt.
In den letzten 15 Jahren durften 12 Nigerianer bleiben, 5401 stellten
ein Gesuch.
Der Asylgesuchflut will der neue Leiter des Bundesamtes
für
Migration, Alard du Bois-Reymond, nun einen Riegel schieben. So soll
sich eine Taskforce, eine Arbeitsgruppe aus Bund und Kantonen, dem
Problem mit den Flüchtlingen aus Nigeria annehmen. Zudem soll ein
vereinfachtes Rückführungsabkommen für Entspannung
sorgen. Weil es aber einige Zeit dauere, um die Verfahren zu
beschleunigen, rechnet du Bois-Reymond auch dieses Jahr mit insgesamt
16'000 Asylgesuchen.
Die Taskforce wurde seit letzten Sonntag bereits von
Balthasar
Glättli von Solidarité sans frontières als "eine
weitere unnütze Massnahme" kritisiert. Besser sei es, den
Nigerianern ein Handgeld von 5000 Franken zu zahlen und sie so zur
Rückkehr zu bewegen. "Ein durchaus pragmatischer Ansatz", sagte
Kripo-Chef Christof Kipfer.
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AUSCHAFFUNGS-TOD
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Newsnetz 15.4.10
Kantone müssen Dutzende inhaftierte Afrikaner freilassen
David Vonplon und Simon Eppenberger
Der vom Bund verfügte Sonderflugstopp für
Ausschaffungshäftlinge bringt die Kantone in Nöte: Recherchen
von zeigen, dass in der Deutschschweiz inhaftierte Nigerianer wieder
auf freien Fuss gesetzt werden müssen.
Am 17. März verstarb auf dem Flughafengelände in
Kloten
ein 29-Jähriger Nigerianer. Der Asylbewerber stand kurz vor einem
Sonderflug in seine Heimat und hatte sich gegen seine Ausschaffung
massiv zur Wehr gesetzt. Der neue Chef des Bundesamts für
Migration, Alard Du Bois-Reymond, der den Vorfall mit eigenen Augen
verfolgt hatte, reagierte umgehend und strich die Sonderflüge
für die zwangsweise Rückschaffung von Asylbewerbern bis auf
Weiteres. Doch sein unbürokratisches Eingreifen hat nun Folgen:
Die Anordnung des Bundes zwingt die Kantone,
Ausschaffungshäftlinge auf freien Fuss zu setzen.
Ausschaffungshäftlinge verweigern jetzt erst recht
die
Kooperation
Allein im Kanton Bern rechnen die Migrationsbehörden
in den
kommenden Wochen mit 15 bis 20 Haftentlassungen. Der Ärger
darüber ist gross:"Wir sind hochgradig unzufrieden mit der
herrschenden Situation und arbeiten unter massiv erschwerten
Bedingungen", erklärt dazu Florian Düblin, Vorsteher des
Migrationsdienstes des Kantons Bern auf Anfrage von . Sein Problem:
"Wenn die Ausländerbehörden das Druckmittel der
Sonderflüge nicht in der Hinterhand haben, haben die
Ausreisepflichtigen keinen Anreiz zu kooperieren."
Im Kanton St. Gallen mussten zwei Nigerianer aus der Haft
entlassen werden, die ursprünglich für den letzten Sonderflug
vorgesehen waren, der dann aufgrund des Todesfalls abgebrochen wurde.
Dies bestätigt Bruno Zanga, Leiter Ausländeramt des Kantons
St. Gallen gegenüber . Eine weitere Person aus Nigeria könnte
freikommen, wenn sie sich weigert, mit einem normalen Linienflug
zurückzukehren. Auch im Kanton Aargau erklärt Markus Rudin,
Leiter des kantonalen Migrationsamtes, dass es zu Haftentlassungen
führen könnte, sollten längerfristig keine
Sonderflüge durchgeführt werden.
Erst vergangene Woche mussten die Behörden in Genf
sieben
Männer auf freien Fuss setzen, welche eigentlich mittels
Sonderflüge in ihre Heimat zurückgeführt werden sollten;
darunter auch verurteilte Drogendealer, wie das Westschweizer Fernsehen
berichtete.
Sonderflugstopp hat sich bereits herumgesprochen
Wenn die Sistierung der Sonderflüge längere Zeit
andauern sollte, haben die Kantone notgedrungen ein Problem. "Uns
werden die Fristen für die Ausschaffung ablaufen", sagt Zanga.
Laut Ausländergesetz dürfen Asylbewerber während einer
Frist von 24 Monaten inhaftiert werden - und die Haft ist nur dann
zulässig, wenn eine Ausschaffung absehbar ist. Deshalb sind die
Migrationsbehörden gezwungen, inhaftierte Ausreisepflichtige
entweder selber auf freien Fuss zu setzen, oder sie werden von der
Haftprüfungsinstanz angewiesen, die Personen freizulassen.
Bereits hat sich der Stopp der Sonderflüge bei den
Asylbewerbern laut Florian Düblin von den Berner
Ausländerbehörden herumgesprochen: "Wir rechnen damit, dass
sie die Kooperation vermehrt verweigern werden und nicht bereit sein
werden, in einem Linienflugzeug unbegleitet in ihre Heimat
zurückzukehren", erklärt er.
Keine unmittelbaren Freilassungen im Kanton Zürich
Nicht viel anders präsentiert sich die Lage im Kanton
Zürich. Derzeit befinden sich dort rund 10 Personen aus Nigeria in
Haft, die seit 5 bis 11 Monaten inhaftiert sind und zwangsweise
ausgeschafft werden sollten, wie Bettina Dangel, Sprecherin des
kantonalen Migrationsamtes Zürich auf Anfrage erklärt. Ob
diese Häftlinge in den nächsten Monaten aus der Haft
entlassen werden, ist laut Dangel offen: "Wenn die Sperre bei den
begleiteten Ausschaffungsflügen noch längere Zeit
anhält, muss die Situation neu überprüft werden."
Vorerst jedoch bleiben die Häftlinge im Kanton
Zürich
in Gewahrsam: Eine unmittelbare Freilassung steht laut Dangel nicht zur
Diskussion: "Wenn das Verfahren sehr lange dauert, kann der Richter die
Haft ändern, beispielsweise von Ausschaffungs- in
Durchsetzungshaft", erklärt die Sprecherin. Je länger das
Bundesamt für Migration die Sonderflüge aufschiebt, desto
mehr wächst die Unruhe in den Kantonen - und der Druck auf
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf. An der Konferenz der
kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren vergangenen Donnerstag haben
mehrere Kantone gefordert, die Sonderflüge wieder einzusetzen.
Ermittlungen der Zürcher Justizbehörden laufen
weiter
Doch beim Bundesamt für Migration (BfM) will man
davon
vorerst nichts wissen. "Wir wollen zuerst die Ergebnisse der
Zürcher Staatsanwaltschaft zum Tod des nigerianischen
Asylbewerbers abwarten", erklärt eine BfM-Sprecherin. Erst wenn
die Untersuchungen zeigen würden, dass dieser tragische Tod nicht
durch die Zwangsmassnahmen verursacht worden ist, werde man die
Rückführungen via Sonderflüge wieder aufnehmen.
Wann die Untersuchungen der Zürcher
Staatsanwaltschaft zu
einem Abschluss kommen, ist indessen noch nicht absehbar. Derzeit
laufen die rechtsmedizinischen Abklärungen. "Erst wenn diese
Ergebnisse in den nächsten Wochen vorliegen, kann die
Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen entscheiden", sagt
Corinne Bouvard, Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft Zürich. Ob
diese Abklärungen noch Wochen, oder Monate andauern, können
die Ermittler derzeit nicht abschätzen.
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WoZ 15.4.10
Maja Wicki - Ein Porträt der Philosophin,
Psychoanalytikerin und
unermüdlichen Menschenrechtlerin - anlässlich eines runden
Geburtstags und ihres jüngsten Buches.
Die Kraft des Denkens
Von Thomas Barfuss, Stefan Howald (Text) und Florian Bachmann
(Foto)
Maja Wicki lädt gern zu sich ein, ins Zürcher
Seefeldquartier. Wir Gäste werden dann sorgsam platziert, sodass
wir durchs Fenster den See im Blick haben; Maja tischt auf, nur eine
Kleinigkeit, wie sie versichert, um die Gehirnströme in Gang zu
setzen, was sich, natürlich, als opulentes Mahl erweist.
Während des Gesprächs klingelt das Telefon, Maja
verspricht einer Asylbewerberin, sich um eine Lehrstelle für ihre
Tochter zu kümmern, oder sie vermittelt die Adresse eines
befreundeten Rechtsanwalts. Wenn die Zeit nicht gereicht hat, einen
Kuchen zu backen, wird die Nachspeise zumindest mit ausgesuchten
exotischen Zutaten angereichert, früh am Morgen frisch auf dem
Markt gekauft. Wir unterhalten uns über das Leben und unsere
Projekte - kennt jemand vielleicht eine geeignete Lehrstelle? Traurig
ist sie und empört über die politische Situation. Am 17.
März ist ein nigerianischer Asylbewerber bei der
Zwangsausschaffung auf dem Zürcher Flughafen ums Leben gekommen.
Ein Skandal, sagt Maja, und sie hat bereits einen offenen Brief an den
Bundesrat aufgesetzt und ist daran, für den 17. April
eine Manifestation der Trauer in Bern zu organisieren.
Späte Karriere
So geht das immer wieder, intensiv und eindringlich. Seit
Jahren
engagiert sich Maja Wicki für Menschenrechte und gegen die
Diskriminierung von Asylsuchenden. 2008 stellte sie ein Kolloquium an
der Universität Freiburg auf die Beine, zusammen mit der dortigen
Ethikprofessorin Simone Zurbuchen, das unter dem Motto "Unrecht darf
nicht Recht werden" das neue Asyl- und Ausländergesetz analysierte
und kritisierte. Die neuste Aktion hat sie spontan lanciert,
unterstützt von Afra Weidmann, der Schweizerischen
Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht und
Solidarité sans frontières, von konservativeren
Organisationen im Asylbereich vorsichtig distanziert bis misstrauisch
betrachtet.
Ihr 70. Geburtstag, Anfang Jahr im weiteren Kreis
gefeiert,
machte ihre Fähigkeit, Menschen aus verschiedenen Gebieten zu
bewegen und zusammenzubringen, noch augenfälliger: Da sassen
nebeneinander alte Schulfreunde und Menschenrechtsaktivistinnen, ihre
Töchter und Söhne samt Grosskindern, Journalistenkollegen und
Malerinnen, Psychoanalytikerinnen, Anwälte, Philosophinnen,
Musiker.
Wicki hat eine späte, aber vielfältige Karriere
gemacht. Die "Jahre des pubertären Aufruhrs musste ich in
Mädchenpensionaten verbringen. In bürgerlichen Familien
galten damals freiheits- und bildungshungrige Töchter als
Verhängnis", hat sie geschrieben. Mit 22 Jahren heiratete sie
einen gleichaltrigen Jurastudenten, zog dann vier Kinder auf,
übersetzte daneben für den Verlag ihres Vaters Bücher
aus dem Französischen und unterrichtete Deutsch für
AusländerInnen. Die 68er-Revolte beobachtete sie "aus dem
Hinterhof. Ich hatte damals bereits Kinder geboren, sie waren noch
klein und wuchsen heran; ich war ihnen am nächsten verpflichtet.
Kinder und Studium, Haushalt und Geldverdienen bedurften des
Rückzugs. Der Alltag war widersprüchlich."
Geduldig lernte sie das eigenständige Denken und
Handeln aus
diesem widersprüchlichen Alltag heraus. Das Philosophiestudium
konnte sie erst 1983 mit einer Dissertation über Simone Weil in
Zürich abschliessen, eine Denkerin, die sie bis heute fasziniert.
Anschliessend immatrikulierte sie sich für Psychologie und
Traumatherapie bei Stefan Herzka. In all den Jahren kam es zur
vielfältigen Zusammenarbeit und Freundschaft mit anderen
DenkerInnen, mit Brigitte Weisshaupt, Arnold Künzli, Hans Saner,
Ueli Mäder, Berthold Rothschild, Willi Goetschel und vielen mehr.
Ästhetisch und ethisch zugleich
Mitte der achtziger Jahre wurde sie Journalistin, bei der
"Weltwoche", beim "Tages-Anzeiger", beim "Magazin". Sie hat mutige
Reportagen geschrieben, über sizilianische Frauen im Kampf gegen
die Mafia, aus Krisengebieten wie der Türkei und Ex-Jugoslawien,
Bulgarien und Rumänien, Porträts über bedeutende und
zugleich wenig beachtete Menschen, zum Beispiel den Dichter Lajser
Ajchenrand oder die Buchhändlerin Emmie Oprecht. Immer widmete sie
sich ihren Themen mit einer feinen Wahrnehmung, die ästhetisch und
ethisch gleichermassen war. Bis diese Art Journalismus in den
Printmedien nicht mehr gefragt war. 1991 gab sie unter dem Titel "Wenn
Frauen wollen, kommt alles ins Rollen" ein Buch zum Frauenstreiktag
heraus, mit Beiträgen von über sechzig FotografInnen sowie
Kultur- und Frauenrechtlerinnen. Mit Esther Spinner und anderen baute
sie das Netzwerk schreibender Frauen auf und setzte sich mit Barbara
Elsasser für ATD Vierte Welt ein. Beim Schweizer Fernsehen trug
sie zum Aufbau der "Sternstunden Philosophie" bei und war von 1994 bis
2000 Redaktionsmitglied beim "Moma", einem lebhaften, kurzlebigen
Magazin der Linken.
Die journalistische Arbeit lief immer parallel zum
humanitären und politischen Engagement. Über zehn Jahre war
Maja Wicki im Vorstand des "Forums gegen Rassismus". 1997 gab sie mit
der Menschenrechtsaktivis tin Anni Lanz einen Sammelband von Flucht-
und Exilgeschichten aus dem ehemaligen Jugoslawien heraus, der dazu
beitrug, dass bosnische Frauen und Kinder nicht aus der Schweiz
ausgeschafft wurden.
Gelegentlich, wenn sie müde wird, fällt sie im
Gespräch ins Französische ihrer zweisprachigen Jugend
zurück, und das ist ein besonderes Zeichen: Ende 1999 hat Maja
Wicki einen Hirnschlag erlitten und dabei jede Sprachfähigkeit
verloren. Sie kämpfte sich Wort für Wort zurück,
leichter auf Französisch, mühsamer auf Deutsch, schliesslich
zur alten Beredsamkeit und Genauigkeit - eine erstaunliche Leistung.
Wicki ist eine bestrickende Rednerin. In ihrem freien
Vortrag
kann man die Verfertigung der Gedanken beim Reden mitverfolgen. Ja, als
multikulturelle Geschichtenerzählerin scheint sie die
mündliche Sprache geradezu als Zauberkraft zu benützen. Woher
sie ihre Kraft nimmt, ist zuweilen ein Rätsel. Manchmal
überfordert sie einen. Ihre Unmittelbarkeit wird von uns anderen
gelegentlich als Anspruch wahrgenommen: die Empathie zu teilen, sofort
auf eine Anfrage zu antworten, so schnell und so weit als möglich
für Hilflose einzustehen. In dunkleren Augenblicken mag das einem
als Zumutung erscheinen und ermattete Melancholie auslösen.
Zuweilen überfordert sie auch sich selber. Immer
wieder
geht die therapeutische Tätigkeit in die praktische
Hilfe
über. Dann muss, dringlich, Geld aufgetrieben oder eine Amtsstelle
kontaktiert werden. Was die eigenen physischen und psychischen
Möglichkeiten an die Grenzen treibt. Gegen all die Not, der sie
begegnet und der sie sich annimmt, bleibt ihr Lebensmut ungebrochen. Es
ist, als vermöchte sie mit ihrer ästhetischen
Sensibilität Funken aus dem Alltag zu schlagen und ihn damit zu
erhellen.
Für eine kreative Vernunft
Jetzt liegen einige von Maja Wickis Texten gesammelt vor,
unter
dem Titel "Kreative Vernunft. Mut und Tragik von Denkerinnen der
Moderne". Dreizehn Frauen versammelt der Band, von Vorläuferinnen
wie Mary Wollstonecraft über Bertha Pappenheim bis zu Hannah
Arendt, von der Gründerin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks,
Regina Kägi-Fuchsmann, über Simone Weil und Margarete Susman
bis zu Ulrike Meinhof. Dazwischen eingestreut sind Essays zur
Geschlechterfrage, zum Alleinsein, zur Frage nach der Heimat oder der
Suche nach dem Glück.
Die "kreative Vernunft des denkenden Herzens" ist es, was
Wicki
in Biografie und Werk herausarbeitet. Immer wieder mussten die
porträtierten Frauen lernen, sich in widersprüchlichen
Situationen zu bewegen, ohne sich um den Verstand bringen zu lassen und
sich von ihren Träumen, Wünschen und Gefühlen
abzuschneiden. Das "denkende Herz" sucht nach einer
Übereinstimmung von Intellekt und Emotionen, damit ausgetretene
Pfade verlassen und kreative Lösungen gefunden werden können.
Mit dem Begriff vom "denkenden Herzen" bezieht sich Wicki auf Etty
Hillesum, eine junge jüdisch-holländische Philosophin, die
von den Nazis nach Auschwitz deportiert wurde und nicht überlebt
hat.
Mit dem Herzen denken? Wo Sachzwang, Konkurrenzdenken und
oberflächliche Provokation das Feld beherrschen, erscheint Maja
Wickis Beharren auf der kreativen Vernunft eigentümlich
unspektakulär und leise. Natürlich weiss auch sie, dass der
Zeitgeist eine andere Sprache spricht: Feindbilder werden aufgerichtet,
Ängste und Empörung verlangen rasche Lösungen. Diesen
Konformismus durchkreuzt Wicki immer wieder, sei es als Autorin, sei es
in den zahllosen Vorträgen und Vorlesungen, die sie über
Jahrzehnte vor Frauengruppen gehalten hat, vor Studierenden und
SozialarbeiterInnen; sei es als Frauenrechtlerin mit langem Atem, als
Psychoanalytikerin und Traumatherapeutin, die mit Gewalt- und
Folteropfern arbeitet, oder als Menschenrechtlerin, die Proteste
organisiert und an Netzwerken knüpft.
Bei all ihren Tätigkeiten geht es ihr darum, die
Fähigkeit der Menschen freizulegen, "gegen den Zwang der inneren
und äusseren Verhältnisse, gegen den Druck der Gesellschaft,
gegen Erziehung, Machtstrukturen und Profitkalkül, gegen den Trend
und gegen den Strom das eigene Handeln zu bestimmen". Allerdings hat
die Beharrlichkeit ihrer Arbeit, die keinen Unterschied macht zwischen
prestigeträchtiger Publikation und alltäglicher
Solidarität, ihren Preis: Im Zirkus intellektueller Eitelkeiten
wird sie viel zu wenig zur Kenntnis genommen.
Unbeirrt bleibt ihr Denken darauf gerichtet, inmitten der
verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche und Anforderungen einen Ort
der Freiheit zu öffnen, wo kreative und verantwortbare
Entscheidungen getroffen werden können. Dabei gilt: "Mut beruht
auf der Überwindung der Angst." Maja Wicki besteht freilich
darauf, dass Angst "nicht durch Anpassung an die ängstigenden
Ursachen überwunden werden kann, nicht durch Unterwerfung unter
die Gewalt". Den Zirkel von Angst und Gewalt möchte sie
unterbrechen, indem sie die Fähigkeit unterstützt, den
Ursachen auf den Grund zu kommen und zu lernen, auch in
Widersprüchen und unter Sachzwängen frei zu denken und zu
handeln. Zunächst für die einzelne Person, indem diese
Intellekt, Emotion und Handlungsentscheid in eine Übereinstimmung
zu bringen vermag. Dieses persönliche Vorhaben steht
natürlich in Verbindung zu jenem grösseren, politischen eines
zwangfreien Zusammenschlusses der Verschiedenen, "damit im Chaos der
Differenzen eine Dynamik der Übereinkunft zur Verwirklichung der
Gemeinschaftsinteressen gefunden und realisiert werden kann".
Die Sprachlosen
Zu Maja Wickis Arbeit gehört der Kampf gegen die
Sprachlosigkeit. Eindringlich mahnt sie, in unserer sprachlich
vernebelten und lauten Gesellschaft "Kinder, Gebrechliche und Kranke,
Fremde" - kurz "die Sprachlosen" - nicht zu benachteiligen. Sprachlos
sein, wenigstens vorübergehend, ist ein Schicksal, das sie aus
eigener Erfahrung kennt. Deshalb tragen ihre Arbeiten zu einer Vernunft
bei, welche die Sprachlosen und Vergessenen einbezieht. Am 17. April
wird Maja Wicki jedenfalls in Bern sein, gemeinsam mit vielen, damit
der in einem Hangar des Flughafens Kloten verstorbene nigerianische
Asylsuchende nicht vergessen wird.
Appell zur Trauer, 17. April, 18 bis 19 Uhr,
Heiliggeistkirche
Bern, sowie offener Brief an den Bundesrat, zu unterschreiben unter http://www.beobachtungsstelle.ch.
Maja Wicki-Vogt: "Kreative Vernunft. Mut und Tragik von
Denkerinnen der Moderne". Edition 8. Zürich 2010. 304 Seiten. 34
Franken.
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BFM GEGEN ALLE(S)
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Le Temps 15.4.10
Accélérer les renvois
Alard du Bois-Reymond, le nouveau patron de l'Office
fédéral des migrations, fourmille de projets. Il est
entre autres favorable à ce que des observateurs
indépendants assistent aux expulsions forcées
Valérie de Graffenried, Berne
Attention, trous d'air! Alard du Bois-Reymond, 48 ans, a
atterri
début janvier à l'Office fédéral des
migrations (ODM) en pleine zone de turbulences. A peine dans ses
nouveaux habits de directeur, il a dû faire face à une
hausse des demandes d'asile, a été confronté
à la mort d'un Nigérian en voie d'expulsion et a dû
s'atteler à une vaste réorganisation interne.
Sans-papiers, renvois problématiques, initiative de l'UDC du
mouton noir: après 100 jours d'observation,
l'ex-délégué du CICR dévoile ses projets.
Sans œillères.
Le Temps: Quelles sont vos priorités à la
tête de l'ODM?
Alard du Bois-Reymond: La réorganisation de
l'office en
fait partie. Nous devons simplifier les structures et augmenter la
productivité pour permettre des décisions plus rapides en
matière d'asile. Un autre de mes objectifs est qu'on parle des
réfugiés et des étrangers en des termes plus
positifs. Nous devons être fiers de notre tradition humanitaire.
Il est particulièrement révélateur qu'en Suisse
alémanique, on ne parle pas de réfugiés, mais
d'"Asylanten", un terme à connotation négative. Nous
devons jeter une autre lumière sur les étrangers. Mais
pour éviter qu'ils soient perçus négativement,
comme des gens qui abusent, il faut se montrer strict et ne pas faire
preuve d'angélisme.
- La thématique des renvois est chaude.
Après la
mort d'un Nigérian à Zurich en mars, vous avez suspendu
les vols spéciaux pour expulser de force les requérants
déboutés qui résistent. Jusqu'à quand?
- Nous attendons les résultats de l'enquête.
Mais
l'ODM a déjà mené sa propre analyse et nous en
discuterons avec les cantons. Nous voulons être prêts
lorsque les résultats de l'enquête menée par le
procureur zurichois tomberont. Je pense qu'il faudra notamment
clarifier la façon dont le bilan de santé des personnes
à expulser est fait et déterminer si une présence
d'un médecin pendant toute la procédure d'expulsion est
nécessaire.
- Pour éviter de nouveaux drames, ne faudrait-il
pas
accepter des observateurs indépendants?
- J'y suis favorable, dans un horizon plus lointain. Ce
développement est en train de se faire sur le plan
européen, dans le cadre de l'Accord de Schengen. Mais cela
prendra du temps et ne sera probablement mis en place qu'après
la reprise des vols spéciaux. Nous devons identifier une
structure adéquate. Ces observateurs pourraient suivre la
procédure dès l'arrivée à
l'aéroport, mais aussi dans l'avion.
- A propos de Dublin: le Tribunal administratif
fédéral vient de vous taper sur les doigts pour avoir
expulsé des requérants vers le premier pays
européen dans lequel ils ont déposé une demande
sans leur laisser le temps de déposer un recours. Pourquoi l'ODM
a-t-il bafoué ce droit?
- Nous avons simplement interprété la loi
différemment. Pour nous un renvoi "immédiat" n'implique
pas la possibilité de faire recours. Nous respectons maintenant
la décision du TAF. Mais elle a un effet pervers: au lieu
d'être expulsées rapidement, ces personnes seront mises en
détention administrative. N'est-ce pas mieux de se faire
renvoyer vers un pays européen comme l'Italie au lieu de se
retrouver en prison? Nous allons proposer une modification de loi pour
permettre ces renvois rapides, sans recours. J'y travaille.
- En appliquant Dublin, la Suisse se
préoccupe-t-elle du
sort des requérants dans le pays européen où ils
sont renvoyés? Les pratiques sont très différentes…
- Effectivement. La Grèce est submergée par
un
nombre important de requérants d'asile. Nous faisons donc une
exception pour ce pays en n'y renvoyant plus les personnes qui
appartiennent à des "groupes à risques", comme les
mineurs.
- L'initiative de l'UDC veut expulser plus
systématiquement les criminels étrangers; le
contre-projet direct adopté par le Conseil des Etats va presque
aussi loin. La loi actuelle, qui permet des renvois, est-elle vraiment
inefficace?
- L'UDC a le mérite de poser un vrai
problème, mais
son initiative, qui a de fortes chances de passer devant le peuple,
contrevient gravement à des droits fondamentaux. Il serait par
exemple absurde de renvoyer un étranger qui a commis un abus
mineur des assurances sociales. Le contre-projet adopté par le
Conseil des Etats est strict, mais plus juste. Il respecte l'Etat de
droit. Je le trouve raisonnable. Si nous voulons mettre nos valeurs
humanitaires en avant, nous devons nous montrer plus stricts envers
ceux qui ne respectent pas nos lois. Mais en le faisant bien, comme le
contre-projet.
- La gauche va se battre pour l'adoucir. Et faire en
sorte, par
exemple, que les étrangers avec de fortes attaches en Suisse ne
soient pas concernés. Votre avis?
- C'est aux parlementaires de décider. Le
contre-projet
met déjà l'accent sur la nécessité de
prendre en compte l'intégration des étrangers.
J'espère vivement que la gauche ne s'opposera pas au
contre-projet. Si l'initiative de l'UDC passe, ce serait très
problématique.
- Début 2008, Christoph Blocher a introduit la
suppression
de l'aide sociale pour tous les requérants
déboutés. Or la mesure ne s'avérerait pas
dissuasive…
- Il est encore un peu trop tôt pour tirer cette
conclusion. Mais ne surestimons pas cet aspect dissuasif. Prenez
l'exemple des Nigérians: ce n'est pas l'idée de percevoir
une aide qui les motive à venir, mais bien la longueur des
procédures d'asile, qui leur permet de s'adonner à leur
petit business illégal.
- Justement: en déclarant que 99,5% des
requérants
nigérians profitent de la filière de l'asile pour faire
du trafic de drogue ou commettre des délits, cherchez-vous
à couper l'herbe sous les pieds de l'UDC?
- Je ne suis pas là pour faire de la politique! Le
problème est réel. Les chiffres sont là pour le
prouver. Les Nigérians viennent presque tous pour des raisons
économiques, pas pour l'asile. Ils savent bien que la
procédure prend entre un et deux ans jusqu'à leur renvoi
et qu'ils peuvent durant cette période rester en Suisse dans des
conditions acceptables et gagner de l'argent, par exemple avec du
travail au noir. Ce délai doit être raccourci. C'est la
raison pour laquelle j'ai mis une task-force sur pied.
- Allez-vous faire une "lex Nigeria"?
- Notre coopération avec le Nigéria en
matière de réadmission est très bonne, mais je
veux l'approfondir. Des experts viennent quatre fois par an
reconnaître ceux qui, après avoir déchiré
leurs papiers, prétendent venir d'un autre pays. J'aimerais par
exemple que cela soit plus fréquent.
- Envisagez-vous une campagne de dissuasion sur place?
- Pourquoi pas. Mais elle n'a de sens que si nous arrivons
à réduire la durée de procédure de deux ans
à par exemple trois mois. Si nous pouvons leur dire que 99%
d'entre eux seront expulsés de Suisse après trois mois,
ils réfléchiront deux fois. Car les passeurs
coûtent cher, parfois jusqu'à 10 000 francs, et les
Nigérians reviendraient au pays endettés.
- Le National vient d'adopter deux motions favorisant
l'accès des sans-papiers à l'apprentissage. Ne serait-il
pas plus logique de régulariser ceux qui sont nés en
Suisse et y ont effectué leur scolarité?
- Il y a beaucoup d'hypocrisie dans ce débat,
d'ailleurs
quasiment absent en Suisse alémanique. Leur ouvrir la voie
à l'apprentissage n'est pas logique puisqu'ils n'obtiendront pas
de permis de travail. Mais pour moi, la véritable hypocrisie se
situe au niveau des employeurs qui font travailler ces sans-papiers
illégalement, souvent dans des conditions très
précaires. Pourquoi la gauche ne thématise-t-elle pas ce
problème? Pourquoi personne ne dénonce ces employeurs?
- Mais ne jugez-vous pas nécessaire de
régulariser
au moins ceux qui sont nés en Suisse?
- Nous ne voulons pas d'une régularisation
collective et
privilégions l'approche au cas par cas. Les cantons peuvent nous
transmettre des cas de rigueur, que nous régularisons s'ils
répondent à des critères précis. La
scolarité en Suisse en fait partie. Mais certains cantons, comme
l'Argovie, se sont plaints de nos pratiques trop strictes. Je prends
ces doléances au sérieux. Nous allons examiner si nous ne
devrions pas changer un peu notre pratique.
--
"Le poste d'Eduard Gnesa est encore flou"
Une commission est chargée de décider des
mandats
à donner au nouvel ambassadeur "ès migrations"
Propos recueillis par V. de G.
Le Temps: Depuis neuf mois, les têtes volent
à
l'ODM. A quoi riment les changements imposés par Eveline
Widmer-Schlumpf?
Alard du Bois-Reymond: Nous menons une
réorganisation qui
va assez loin. Le but est de simplifier les structures pour pallier les
lenteurs des décisions et la durée excessive des
procédures. Alors qu'un dossier passe jusqu'à
présent de mains en mains, j'aimerais qu'une seule personne
suive désormais un cas de A à Z. Nous allons informer ce
jeudi les collaborateurs du nouvel organigramme. Environ deux tiers des
postes de cadres seront mis au concours. Ces changements sont
importants et il est normal que certaines personnes ne peuvent pas y
souscrire. Je ne veux pas m'étendre sur le départ de mon
prédécesseur, Eduard Gnesa. Pour ce qui est de ceux de
mes deux vice-directeurs, c'est moi qui suis en premier lieu
responsable de la décision, pas Eveline Widmer-Schlumpf.
- Urs Betschart, suppléant de votre
prédécesseur, avait été démis de ses
fonctions de façon brutale puis réhabilité comme
vice-directeur. Quel est son statut aujourd'hui?
- Nous nous sommes séparés d'un commun
accord.
- Comment travaillez-vous avec Eduard Gnesa, devenu
"ambassadeur
extraordinaire chargé de la collaboration internationale en
matière de migrations"?
- Une commission composée de Martin Dahinden,
patron de la
DDC, de Thomas Greminger, chef de la Division IV du DFAE, et de
moi-même a été créée pour
décider des mandats et des tâches concrètes
à lui donner. Son poste est important pour défendre les
intérêts de la Suisse en matière de politique
migratoire. Mais son rôle à ce sujet reste encore flou. Je
vais rencontrer Eduard Gnesa le 19 avril pour en discuter avec lui. En
mai, nous irons ensemble à Helsinki assister à une
conférence mondiale sur les migrations.
--
Bio express de Alard du Bois-Reymond
Alard du Bois-Reymond a succédé à
Eduard
Gnesa
V. de G.
Economiste, marié à une Congolaise, Alard du
Bois-Reymond a dirigé Pro Infirmis de 1996 à fin 2004. De
2005 à fin 2009, il est le responsable du secteur Assurance
invalidité à l'Office fédéral des
assurances sociales, avant de remplacer Eduard Gnesa à l'ODM. Ce
sympathisant du PLR était auparavant en République
démocratique du Congo pour l'Office allemand de la
coopération technique, puis a travaillé comme
délégué du CICR en Somalie, en Ethiopie, au
Nigeria, au Soudan et en ex-Yougoslavie.
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RABE-INFO
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Do. 15. April 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._April_2010.mp3
- Was versteht Nestlé unter "Gemeinsame
Wertschöpfung"- unangenehme Fragen an den Verwaltungsrat
- Wie gross ist die rechtsextreme GEfahr aus Osteuropa- ein Buch
zeigt
Vernetzung auf
- Was sind die Todeszüge aus Mexiko- Film über den
gefährlichen Weg nach Nordamerika
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BIG BROTHER VIDEO
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Bund 15.4.10
Immer wieder illegale Kameras in der Stadt Bern
(bro) Privaten ist es nicht erlaubt, mit
Überwachungskameras im
öffentlichen Raum zu filmen. Doch manche nehmen es nicht so genau,
sei es um die Warenauslage auf dem Trottoir zu schützen oder um
die Kunden an den Bar-Tischen auf der Gasse im Auge zu behalten.
Der Berner Datenschutzbeauftragte Mario Flückiger hat
mit
bis zu zehn Fällen pro Jahr zu tun. Immer häufiger sind auch
Webcams ein Problem. Beim Bärenpark musste Flückiger
jüngst gleich zwei Kameras beanstanden. Personen dürfen laut
Bundesgesetz nicht erkennbar sein - auch nicht aufgrund von Kleidung,
Fahrzeug oder anderen Merkmalen.
Seite 23
--
Wenn Private Big Brother spielen
Nicht nur Gemeinden, sondern auch Privatpersonen
versuchen,
moderne Videotechnik im öffentlichen Raum für ihre Zwecke
einzusetzen. Dies verstösst gegen das Eidgenössische
Datenschutzgesetz.
Christian Brönnimann
Derzeit erarbeitet der Berner Gemeinderat die Grundlagen
für
Videoüberwachung im öffentlichen Raum (siehe "Bund" vom 27.
März). Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) will die Technik an
neuralgischen Stellen für polizeiliche Zwecke einsetzen. Bevor die
Gemeinde die ersten Kameras montieren kann, muss ein Reglement
entworfen und vom Stadtrat oder sogar vom Volk abgesegnet werden. Das
kann dauern. Doch auch Private wissen den Nutzen der kleinen Kameras zu
schätzen. So zum Beispiel der Betreiber der Flammen-Bar, einem
Kellerlokal an der Berner Kramgasse.
Sie ist leicht zu übersehen - klein und zierlich wie
sie ist
- und ähnelt eher einem einzelnen Halogenspot denn einer
Videokamera. Doch das Kabel, das entlang der Regenrinne in den Keller
führt, entlarvt die an der Laubenfassade angebrachte Kamera
eindeutig. Sie zeigt direkt auf die Gasse, wo Passanten
vorbeischlendern, Autos unerlaubterweise parkiert sind - oder die
Gäste der Flammen-Bar in der warmen Jahreszeit draussen an den
Tischchen sitzen. "Es ist praktisch, dank der Kamera sieht man vom
Keller aus, ob Gäste da sind, die auf die Bedienung warten",
erklärt Ossama el-Kurdi Sinn und Zweck der Einrichtung. Er ist der
Geschäftsführer der Maya Gastro GmbH, der Betreiberin der
Flammen-Bar (siehe Box). Die Kamera sei bereits im letzten Jahr
installiert worden, Beschwerden von Gästen, Passanten oder
Anwohnern habe es nie gegeben, so Kurdi. Die Bilder würden nur auf
einen Bildschirm übertragen, nicht aber aufgezeichnet. "Auch wenn
Gäste weggehen wollen, ohne für ihre Getränke bezahlt zu
haben, ist die Kamera nützlich", sagt Kurdi.
Sechs bis zehn Fälle pro Jahr
Erlaubt sind solche Kameras nicht. "Private dürfen
den
öffentlichen Raum nicht filmen. Das ist unter bestimmten
Voraussetzungen den Behörden vorbehalten", sagt der
städtische Datenschutzbeauftragte Mario Flückiger. Die Kamera
an der Kramgasse sei bei weitem kein Einzelfall. Er beschäftige
sich jährlich mit sechs bis zehn solchen privaten Kameras, so
Flückiger. Er werde vor allem aufgrund von Hinweisen aus der
Bevölkerung aktiv. Weisungsbefugnis gegenüber Fehlbaren habe
er nicht, doch suche er das Gespräch mit ihnen, um sie über
die Situation aufzuklären. Meistens zeigten sich die Betroffenen
einsichtig. Fälle aus der jüngeren Vergangenheit betreffen
unter anderem einen Kleiderladen in der Innenstadt, bei welchem
Überwachungskameras nicht nur die Kleiderständer vor dem
Laden, sondern auch das Trottoir im Visier hatten. Besonders heikel war
dabei, dass die Bilder via Funknetz für jedermann mit der
richtigen Ausrüstung einsehbar waren. Im Schalterraum der
Steuerverwaltung hat der Datenschützer zudem eine Kameraattrappe
beanstandet.
Nütze das Gespräch nichts, könne er
Ortspolizei,
Gemeinderat oder den Eidgenössischen Datenschützer
einschalten, erklärt Flückiger. Die Zuständigkeiten
seien nicht hundertprozentig geklärt. Allenfalls können die
Behörden wegen der Kameras eine verbindliche Verfügung
erlassen. Zivilrechtliche Klagen von Bürgern seien ihm in der
Schweiz keine bekannt, so Flückiger.
Beliebte Webcams
Weil die Technologie immer erschwinglicher wird, rechnet
Mario
Flückiger mit einer weiteren Zunahme von privaten Kameras im
öffentlichen Raum. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich auch
sogenannte Webcams - Kameras, die laufend aktuelle Bilder auf eine
Internetseite schicken und so weltweit zugänglich machen. "Die
Bilder dieser Kameras dienen immer häufiger als Hingucker auf
Internetseiten", sagt Flückiger. Dabei überschreiten Anbieter
oft die Grenzen des Erlaubten. Die Persönlichkeitsrechte einer
aufgezeichneten Person werden nämlich bereits dann verletzt, wenn
aus dem Kontext einer Situation auf die Person geschlossen werden kann.
Das heisst, es reicht, wenn eine Person aufgrund ihrer Kleidung, ihres
Fahrzeuges oder Ähnlichem erkennbar ist, auch wenn ihr Gesicht
unscharf ist.
Beim Bärenpark gaben jüngst gleich zwei Kameras
zu
reden. Einerseits betraf es diejenige der offiziellen
Bärenpark-Homepage (www.baerenpark-bern.ch). Schwenkwinkel und
Zoom mussten so nachjustiert werden, dass Leute auf dem Gehweg nicht
mehr identifiziert werden können. Andererseits bietet seit einigen
Wochen ein privates Unternehmen eine Kamera mit Blick auf den Park von
der gegenüberliegenden Aareseite aus an (www.baerecam.ch). Die
Kamera kann von den Benutzern selber gesteuert werden. Nun musste eine
Folie auf die Glasscheibe vor der Kamera geklebt werden, um deren
Blickfeld einzuschränken, sodass nur noch das Parkinnere, nicht
mehr aber der Gehweg einsehbar ist.
--
Flammen-Bar: Kein Striplokal
Vor einigen Monaten reichte die Maya Gastro GmbH, die
Betreiberin
der Flammen-Bar an der Gerechtigkeitsgasse 58, ein Gesuch für die
Einrichtung eines Striplokals ein. Anwohner und Altstadt-Leiste erhoben
dagegen Einsprache (der "Bund" berichtete). Nun hat das
Regierungsstatthalteramt entschieden, dass ein Striplokal nicht
zulässig ist, wie Edi Franz, Präsident des
Rathausgass-Brunngass-Leists, erklärt. Jedoch sei den Betreibern
eine Nachfrist zur Einreichung von weiteren Unterlagen eingeräumt
worden. Ossama el-Kurdi von der Maya Gastro GmbH sagt nun aber, die
Idee des Striplokals sei gestorben. "Ich will keine Probleme mit den
Nachbarn", sagt er. (bro)
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Blick am Abend 14.4.10
Datenschützer bremst BVB aus
RÜCKZUG
Basler Verkehrsbetriebe verzichten auf
Videoüberwachung an
Haltestellen.
Sie hätten Vandalen überführen sollen:
Überwachungskameras an Bus- und Tramhaltestellen der Basler
Verkehrsbetriebe. Nun legen die BVB das Big Brother-Projekt auf Eis.
Grund ist der Datenschutz. Die BVB wollten für alle Haltestellen
eine Pauschalbewilligung für das Installieren von Kameras. Das
Veto kommt nun vom kantonalen Datenschützer: Es brauche für
jede einzelne Haltestelle eine separate Bewilligung. Für die BVB
zu viel: "Der Aufwand wäre für uns
unverhältnismässig geworden", sagt Jenny heute zur "BZ". Ein
weiterer Grund, dass die Haltestellen unüberwacht bleiben: Der
Kanton Basel-Stadt ist an einer gemeinsamen Videoüberwachung mit
den BVB nicht interessiert. Dieser möchte vielmehr neuralgische
Punkte während kritischen Situationen wie etwa Demonstrationen und
Fussballspielen überwachen lassen. Ungefähr zwanzig Standorte
sind vorgesehen, an welchen laut "BZ" nach den Sommerferien Kameras
installiert werden sollen.
Immerhin: In Trams und Bussen braucht es nicht für
jede
einzelne Kamera eine Bewilligung. Deshalb rüsten die BVB
sämtliche Trams und Busse mit Videoüberwachung aus. rw
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KULTUROFFENSIVE LU
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WoZ 15.4.10
Luzern - Kulturschaffende und PolitaktivistInnen wehren sich
gegen eine
Stadtentwicklung, die nicht nur die Alternativkultur, sondern auch den
bezahlbaren Wohnraum verdrängt. Ein Stadtrundgang.
Zick und Zwerg wollen Platz
Von Bettina Dyttrich (Text) und Stefano Schröter
(Foto)
Luzern kommt nicht zur Ruhe. Seit der Schliessung des
Kulturzentrums Boa im Herbst 2007 klafft eine Lücke. Auch der
offizielle Boa-Ersatz kann sie nicht füllen: der Südpol, ein
ehemaliger Schlachthof in Kriens, südlich der Stadtgrenzen. "Man
kann nicht einfach ein Haus hinstellen für Leute, die aus einem
selbst organisierten Projekt wie der Boa kommen", sagt Jonas, ein
junger Luzerner Kulturaktivist. "Die Boa ist aus einer Besetzung
entstanden. Die Ansätze sind zu verschieden."
Die Unzufriedenen treffen sich seit Februar zu
kulturpolitischen
Diskussionsrunden. Nun rufen sie zur "Kulturoffensive" auf - mit einem
Umzug durch die Stadt am kommenden Samstag. Und das soll nur der Anfang
sein.
Das Licht ist hell, das Wetter warm. Die Berge leuchten.
Auf dem
Luzerner Bahnhofplatz wuseln Touristinnen, Geschäftsleute und
Jugendliche durchein ander. Hanna und Jonas haben ihre Velos dabei. Sie
gehören zur Gruppe "Zick und Zwerg", die Ende März das
Geissmättli besetzt hat, den ehemaligen Fixerraum an der Reuss.
Unauffällige und ungemein freundliche Menschen, die dem
BesetzerInnenklischee hinten und vorne nicht entsprechen. Es gehe ihnen
nicht nur um Kultur, sagt Hanna: "Die kulturpolitischen
Diskussionsrunden richten sich an alle, die unzufrieden sind mit der
Stadtentwicklung." Um zu zeigen, was sie meinen, schlagen sie einen
Stadtrundgang vor.
An der Werft vorbei geht es zur ers ten Station: dem
Tribschen-Quartier. Zentral und in Seenähe, ist das ehemalige
Industriequartier ein begehrtes Pflaster. Die Stadt hat es zu einem
"Entwicklungsgebiet" erklärt. Die ers ten Neubauten stehen schon,
moderne, elegante Mehrfamilienhäuser. Dahinter Parkplätze,
das Busdepot, ein eingezäunter, leerer Platz, auf dem früher
die Gowa-Halle stand. Letzten Herbst wurde sie nach einer kurzen
kulturellen Zwischennutzung abgerissen.
Auch das angrenzende Frigorex- Areal wird Wohnbauten
weichen
müssen. Heute beherbergt es die Kunsthalle, das
Théâtre La Fourmi, den Club Vasco da Gama und verschiedene
Ateliers. Das Gebäude gehört dem Investor Jost Schumacher,
der rund tausend Wohnungen besitzt. Kürzlich beschwerte er sich im
Luzerner "Kulturmagazin" über Einsprachen gegen Bauprojekte: "Dass
Leute, die finanziell nichts beisteuern, gleich viel zu sagen haben wie
Investoren, ist ärgerlich."
Kurze Pause im Jugendzentrum Treibhaus. Da die
Wohnquartiere
näher rücken, könnte ihm bald Ähnliches drohen wie
der Boa: eine Schliessung wegen Lärmkonflikten.
WOZ: Kulturschaffende und politisch Aktive arbeiten nicht
unbedingt gut zusammen. Wie ist das in Luzern?
Hanna: Die Szenen sind sehr eng verknüpft. Dazu haben
die
Boa-Schliessung und die Massenverhaftungen am anschliessenden
Protestfest beigetragen.
Jonas: Die Politszene beschäftigt sich schon lange
mit
Videoüberwachung und Wegweisung, also mit Themen, die mit dem
öffentlichen Raum zu tun haben. Der Kampf darum verbindet alle.
In Luzern scheint es immer um Kultur zu gehen. Das ist oft
ein
Zeichen dafür, dass es noch genug Wohnraum gibt …
Hanna: Er wird knapper. Zum Beispiel werden die
Genossenschaftsblöcke hinter dem Château Gütsch
abgerissen. Und die Neubauten sind teuer. Wer etwas wirklich
Günstiges braucht, wohnt in der Agglo.
Jonas: So wie ich, in Emmenbrücke.
Versucht ihr, im Wohnbaubereich auf die Stadt Einfluss zu
nehmen?
Jonas: Bei uns gibt es das Mittel der Volksmotion. Damit
ist es
möglich, vor dem Gemeinderat Anliegen vorzubringen, wenn man
hundert Unterschriften gesammelt hat. Wir werden eine Volksmotion
lancieren, in der wir fordern, dass die Stadt in den
"Entwicklungsschwerpunkten" den genossenschaftlichen Wohnungsbau
bevorzugen soll.
Hat das Chancen?
Jonas: Ich fürchte, nein.
Weiter gehts, an der stillgelegten Boa vorbei - heute ein
Postverteilzent rum - zu einem anderen umkämpften Areal: der
Industriestrasse. Ein Brockenhaus, Kleingewerbe, verwinkelte Baracken
mit Dächern aus Welleternit stehen auf dem Gelände, das der
Stadt gehört. Kernstück des Gevierts ist ein imposantes Haus,
in dem seit mehr als zwanzig Jahren Künstlerinnen und
Kulturaktivisten leben. Hier wird klar, wie eng günstiger Wohnraum
und Kulturschaffen verknüpft sind. Die Illustratorin Evelyne Laube
hat ausgerechnet, dass frühere und heutige HausbewohnerInnen
Preise und Stipendien von fast 300 000 Franken bekommen haben. "Das
Gebiet ist vor zehn Jahren umgezont worden, für ein Bauprojekt,
das dann nicht realisiert wurde", erzählt Urban, ein Bewohner.
"Hier darf 24 Meter hoch gebaut werden." Und das wird früher oder
später geschehen, das wissen alle.
Auch das Stadttheater ist ein umkämpfter Ort. Denn
Luzern
träumt von einem neuen Konzert- und Musiktheaterzentrum mit
internationaler Ausstrahlung, der "Salle Modulable". Der Standort ist
noch unklar, abgestimmt wird frühestens 2012. Klar ist, dass die
Salle Modulable das Aus für das Stadttheater bedeuten würde.
Jonas: "Darum haben die Boa-Leute vorgeschlagen, aus dem Stadttheater
ein Volkshaus zu machen."
Von hier ist es nicht mehr weit zum Geissmättli. Es
liegt
direkt am Fluss, neben der Eisenbahnbrücke. Gegenüber
dröhnt die Autobahn, darüber strahlt auf dem Hügel das
Château Gütsch. Ein romantischer Ort, genau die richtige
Mischung aus Idylle und Stadtlärm. Hanna sagt: "Das
Geissmättli soll ein Café sein, wo sich ganz verschiedene
Leute vernetzen und Veranstaltungen organisieren können. Alle
können sich beteiligen."
Hinter der Theke grinsen zwei Pappmachégeissen von
der
Wand. Zwei junge Männer putzen die Parkettböden. "Manche
finden, es sei keine richtige Besetzung, weil wir ein Graffitiverbot
ausgerufen haben", erzählt Jonas lachend. Alle sind enthusiastisch
bei der Sache, als könnten sie hier lange bleiben. Aber die
städtische Baudirektion hat das Lokal ab Sommer einem Wirt
verpachtet. Die Grünen haben im Januar ein Postulat für eine
kulturelle Nutzung des Geiss mättlis eingereicht - vergeblich.
"Kultur ist nur die Vorbereitung für lukrativere
Nutzungen.
Wie in der Boa, im Frigorex, an der Industriestrasse", sagt Jonas. In
dieser Rolle stecken alternative Kulturschaffende fast überall. In
Luzern wollen sie sich das nicht mehr gefallen lassen.
"Kulturoffensiver Umzug": Luzern, Theaterplatz, Sa, 17.
April, 16
Uhr.
http://www.kulturoffensive.ch
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SQUAT LU
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NLZ 15.4.10
Brambergstrasse in Luzern
Besetzer erhalten Mietvertrag
Von Daniel Schriber
Löcher im Boden und ein aggressiver Pilz machen ein
Haus im
Luegisland-Quartier zur Bruchbude. Dennoch wird es seit Monaten
bewohnt. Anwohner sind verärgert.
Noch immer hat die Polizei das "Geissmättli" an der
St.-Karli-Strasse nicht geräumt. Die städtische Liegenschaft
wird seit drei Wochen von einer anonymen Gruppe besetzt. Doch es gibt
in Luzern noch ein weiteres besetztes Haus, das der Stadt gehört.
Seit fast einem Jahr leben mehrere Personen im leer stehenden
Gebäude an der Brambergstrasse 7. Dies, obwohl Beat Heggli, Leiter
Immobilien der Stadt Luzern, das Haus gegenüber unserer Zeitung
als unbewohnbar bezeichnete. Notfalls sollte die Polizei zur
Räumung des Hauses beigezogen werden, hiess es vor einem Jahr.
Doch getan hat sich - wie auch beim "Geissmättli" - bis anhin
nichts.
Ein Notmietvertrag
Der wesentliche Unterschied zu den Besetzern des
"Geissmättlis": Sie tun dies ganz legal. Einige Wochen nach der
Hausbesetzung im April 2009 hat die Stadt nämlich Kontakt mit dem
Verein Jobdach aufgenommen. Dabei handelt es sich um einen Verein, der
unter anderem obdachlosen Menschen hilft, unbürokratisch und
schnell ein Dach über dem Kopf zu finden. Seit November besteht
zwischen Jobdach und drei verantwortlichen Bewohnern ein so genannter
Notmietvertrag. Hauseigentümerin ist nach wie vor die Stadt Luzern.
Der Vorteil des Mietvertrags: Die Hausbesetzer, die
übrigens
keine Miete bezahlen müssen, erhalten durch den Vertrag ein
Gesicht. "Wir haben drei Vertragspartner, die wir falls nötig zur
Verantwortung ziehen können", sagt Jobdach-Präsidentin
Annamarie Käch. Dennoch betont sie, dass es sich um ein
befristetes Mietverhältnis handle. "Wir reden hier von einem
Abbruchgebäude. Das Haus ist in einem schlechten Zustand." So gibt
es im Haus Räume, welche die Bewohner aufgrund von Löchern im
Boden nicht betreten dürfen. Ausserdem ist das Gebäude von
einem aggressiven Hausschwamm, einem Pilz, befallen. "Wir haben die
Bewohner im Vorfeld auf die bestehenden Mängel hingewiesen", sagt
Käch. Wie viele Leute heute in dem Haus ein und aus gehen, weiss
sie nicht. Sobald der Abbruchtermin vorliegt, müssen die heutigen
Bewohner das Haus jedoch verlassen.
Das Haus an der Brambergstrasse 7 soll dereinst einer
modernen
Wohnüberbauung weichen. Dafür ist eine Zonenplanänderung
nötig. Laut Daniel Bernet, Stabschef ad interim der Luzerner
Baudirektion, liegt diese Umzonung derzeit beim Verwaltungsgericht.
"Solange die Umzonung nicht genehmigt ist, wird das Haus weder
geräumt noch abgerissen", so Bernet.
"Der Zustand ist nicht tragbar"
Das stösst vielen Anwohnern sauer auf. "Der Zustand
ist
nicht tragbar", sagt René Reinhard, Vizepräsident des
Quartiervereins Luegisland. Die Lage habe sich trotz des bestehenden
Mietvertrages nicht verbessert. Ein besonderer Dorn im Auge sind den
Anwohnern der Lärm von den "laut dröhnenden Musikanlagen"
sowie der Abfall rund um die Liegenschaft, wie es in der aktuellen
Ausgabe der Quartierzeitung heisst. "Alles ist sehr ungepflegt",
erklärt René Reinhard. Als Beispiel nennt er die
verschmierte Hauswand, "Einkaufswägeli" im Garten und die
Verschmutzung rund um das Grundstück.
Verein zeigt sich offen für Kritik
Von den Vorwürfen des Quartiervereins hörte
Annamarie
Käch gestern zum ersten Mal. Jede Woche würde ein Vertreter
des Vereins Jobdach im Haus vorbeischauen, um nach dem Rechten zu
sehen. "Wir legen Wert darauf, dass es rund um das Grundstück
sauber ist." Sei dies nicht der Fall, interveniere der Verein. Dennoch
zeigt sich Käch offen für Kritik: "Wenn der Quartierverein
mit Beschwerden auf uns zukommt, werden wir selbstverständlich
tätig."
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TIERRECHTS-FORUM
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Indymedia 14.4.10
Forum für Tierrechte - Programm! ::
AutorIn : Forum für Tierrechte: http://www.tierrechtsforum.ch
Dieses Wochenende findet in Winterthur das Forum für
Tierrechte
statt.
Wir freuen uns auf konstruktive, spannende und selbstkritische
Auseinandersetzungen und hoffen, auch Leute anzutreffen, die selbst
noch nicht aktiv für Tierrechte/Tierbefreiung sind, sich aber als
Teil einer emanzipatorischen und nichtdiskrimminierenden Bewegung
verstehen.
Hier das Programm!
http://ch.indymedia.org/images/2010/04/75001.jpg
---
http://www.tierrechtsforum.ch
http://www.tierrechtsforum.ch/programm.html
(mit Links zu detaillierten Beschreibungen der einzelnen
Anlässe)
FORUM FÜR TIERRECHTE
16. - 18. April
Programm
Freitag 16. April 2010
19:00 - Abendessen
20:30 - Filmsaal - Begrüssung und Information
21:00 - Filmsaal - Just Revolution? Die
Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung zwischen Isolation und Integration
22:30 - Filmsaal - Open Mic
Samstag 17. April 2010
08:00 - Frühstück
09:00 - Filmsaal - Smash §278ff - Repression gegen
Tierrechtsaktivist_innen in Österreich
09:00 - Seminarraum - Tierrechte und Veganismus - Eine
Einführung
11:00 - Seminarraum - Vorstellung von Tierrechtsgruppen,
Projekten und
Kampagnen
12:30 - - Mittagessen
14:00 - Filmsaal - Rechtliche Grundlagen für den
täglichen
Aktivismus
14:00 - Seminarraum - Medien und Kampagnenarbeit (English oder
Deutsch)
16:00 - Filmsaal - Sicherheitsbewusstsein und Umgang mit
Repression
17:00 - Seminarraum - Über Grenzen der Aufklärung -
Die
Kritische Theorie der Bildung Theodor W. Adornos. Anmerkungen für
die Tierbefreiungsbewegung
17:00 Filmsaal - For the abolition of slavery, for the abolition
of
veganism (ENGLISH)
19:00 - Abendessen
20:30 - Filmsaal - Welche Wege führen zum Ziel? Strategien
und
Taktiken der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung
22:00 - Filmsaal - Open mic
Sonntag 18. April 2010
08:00 - Frühstück
09:00 - Filmsaal - Aktion Zirkus ohne Tiere (AZOT) -
Unterhaltung ohne
Ausbeutung
11:00 - Seminarraum - Clown Workshop
11:00 Filmsaal - Radical chic statt radikal? Die
Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung als Abziehbild der "autonomen Szene"
12:30 - Mittagessen
14:00 - Filmsaal - Open Space für Projekte
17:00 - Ende
Während den ganzen 3 Tagen wird es ein Bastelzimmer geben,
in dem
Materialien für die Tierrechtsarbeit erstellt werden können.
Zusätzlich gibts Infotische verschiedener Gruppen. (" einen
Infotisch anmelden)
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ARBEITSKAMPF
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BZ 15.4.10
Deisswil
Eine Menschenkette soll Solidarität zeigen
Hand in Hand wollen am Samstag Menschen eine Kette um die
Kartonfabrik in Deisswil bilden und damit ein Zeichen setzen.
"Gegen das endgültige Aus der Karton Deisswil": Unter
diesem
Titel hat sich auf der Internetplattform Facebook eine Gruppe formiert,
die das Ende der Kartonfabrik in Deisswil nicht einfach so akzeptieren
will. Sie hat bereits rund 2000 Mitglieder. Ins Leben gerufen haben die
Gruppe Jean-Pierre Beer und Roger D'Incau, die beide in Deisswil
arbeiteten.
Wie "20 Minuten" berichtete, rufen die Initianten der
Gruppe nun
für diesen Samstag um 10 Uhr zu einer Solidaritätsaktion auf.
Rund um den geschlossenen Betrieb soll eine Menschenkette gebildet
werden. Hand in Hand wolle man die Kartonfabrik "umarmen", um zu
zeigen, dass sich diese Kultfirma nicht einfach so schliessen lasse.
Hoffen auf eine Lösung
Die Idee für die Aktion stammt von der
25-jährigen
Nadine Lanz aus Bolligen. "Ich habe selbst in Deisswil am Empfang
gearbeitet", erklärt die kaufmännische Angestellte. Schon ihr
Urgrossvater und Grossvater seien dort angestellt gewesen. Und ihre
Eltern gehören zu den 255 Personen, die jetzt ihre Stelle verloren
haben. Sie haben von der Hiobsbotschaft in den lange ersehnten Ferien
am Traumstrand in Thailand erfahren. "Mir geht es darum, den
Mitarbeitenden Mut zu machen", sagt Nadine Lanz. Es gehe doch einfach
nicht, dass man von einem Tag auf den andern so viele Menschen auf die
Strasse stelle. "Ich hoffe sehr, dass sich doch noch eine Lösung
finden lässt und jemand anders die Fabrik weiterbetreibt."
Nicht abgesprochen
Eine ruhige und friedliche Aktion soll es werden. "Die
Betroffenen sollen spüren, dass viele Menschen hinter ihnen
stehen", sagt Nadine Lanz. Nicht nur die Angestellten sollen mitmachen,
auch die Solidarität von Aussenstehenden ist gefragt. "In der
Facebook-Gruppe sind auch viele Leute, die nicht direkt mit der Fabrik
etwas zu tun haben."
Abgesprochen mit der Firma ist die Aktion nicht. "Ich
weiss
nicht, was genau geplant ist", sagt Betriebskommissionspräsident
Manfred Bachmann. "Wir haben das von uns aus privat organisiert", sagt
Lanz dazu. Schon jetzt sei sie überwältigt davon, auf wie
viel Interesse die Aktion stosse.
Lucia Probst
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http://www.facebook.com/group.php?gid=113801635312020&ref=ts
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1. MAI ZUREICH
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Tagesanzeiger 15.4.10
Kontroverse wegen Festbeginn
Der Stadtrat will, dass das 1.-Mai-Fest erst um 20 Uhr
beginnt -
das 1.-Mai-Komitee möchte bereits nachmittags im Kasernenareal
feiern.
Von Tina Fassbind und Stefan Hohler
Zürich - Wiederholt sich der Streit um den
Festbeginn? Schon
am letztjährigen Tag der Arbeit hatte der Stadtrat die Bewilligung
für das Volksfest im Kasernenareal erst auf den Abend erteilt. Das
verantwortliche 1.-Mai-Komitee kümmerte sich nicht darum und liess
den Festbetrieb schon am Nachmittag laufen. Es wurde dafür von der
Polizei gebüsst.
Wie Reto Casanova, Sprecher des Polizeidepartements, sagt,
dürfe der Anlass im Kreis 4 erst um 20 Uhr starten. Vorher seien
bloss Veranstaltungen in den Hallen erlaubt. Die ehemalige
Polizeivorsteherin Esther Maurer habe dies dem Komitee schon im Februar
mitgeteilt. Mit diesen Einschränkungen möchte die Stadt das
Fest zeitlich vom Umzug trennen und damit verhindern, dass sich Chaoten
an der Nachdemo im Kasernenareal zwischen Festteilnehmern und Kindern
verschanzen können. Die entsprechende Festbewilligung sei gestern
auf der Post aufgegeben worden. Der Umzug wird am Helvetiaplatz starten
und am Bürkliplatz enden.
Anna Klieber, Sprecherin des 1.-Mai-Komitees, wollte
gestern
nicht sagen, ob man wie 2009 die stadträtliche Auflage ignorieren
und sich eine Verzeigung einhandeln werde. "Wir entscheiden, wenn wir
die schriftliche Bewilligung erhalten haben", sagte sie.
SVP will alles verbieten
In einer Fraktionserklärung im Gemeinderat hat
gestern Abend
die SVP den Stadtrat aufgefordert, sämtliche
1.-Mai-Aktivitäten zu verbieten. Die FDP verlangt, dass das
1.-Mai-Komitee für den übermässigen Polizeieinsatz
aufkommen muss. Die FDP bezieht sich dabei auf das provokative Motto
"Moneypulation - verlieren wir die Beherrschung". Ein Gewerkschafter
der SP verurteilte schliesslich im Rat das Vorgehen des
1.-Mai-Komitees. Dieses spalte die Linke.
---
NZZ 15.4.10
Auch SP für frühes Fest
Auflagen für 1. Mai kritisiert
Lorenz Frischknecht (fri)
fri. ⋅ Am Mittwoch hat der Zürcher Stadtrat seinen
Entscheid
über die Bewilligung des Umzugs und des Festes auf dem
Kasernenareal am Tag der Arbeit zur Post gebracht; heute dürfte er
beim Adressaten, dem 1.-Mai-Komitee, ankommen. Gefällt wurde der
Entscheid von den zurzeit verbleibenden sechs Stadträten, das
heisst ohne Vertreter des Polizeidepartements, wie dessen Sprecher Reto
Casanova sagt. Der Inhalt wird von der Stadt nicht veröffentlicht.
Bekannt ist aber, dass die Stadt den Beginn des Festes auf 20 Uhr
festgelegt hat (NZZ 14. 4. 10). Sie strebt damit eine strikte Trennung
von einer "Nachdemo" und dem Fest an. Das 1.-Mai-Komitee kündigte
an, sich gegen diese Auflage zu wehren - und erhält Sukkurs von
der SP der Stadt Zürich, die sich auch am Fest beteiligt.
Fehlende Einnahmen
Wie SP-Co-Präsidentin Beatrice Reimann ausführt,
sprechen zum einen ökonomische Gründe für ein
frühzeitiges Fest; ein später Beginn bedeute fehlende
Einnahmen der Ess- und Getränkestände. Zum anderen sei ein
friedliches Fest für Tausende Besucher das Ziel. Müssten die
Umzugsteilnehmer nach der Schlusskundgebung stundenlang warten, reisten
sie wieder heim, befürchtet Reimann: "Das wäre, als ob der
Böögg am Sechseläuten wegen Randalierern erst um 22 Uhr
angezündet würde."
Laut der Gemeinderätin hatten die SP und das
1.-Mai-Komitee
bereits Anfang Jahr mit der damaligen SP-Stadträtin Esther Maurer
verhandelt. Dabei seien weitere Plätze als Veranstaltungsorte
gesucht, wegen der Anforderungen an die Infrastruktur aber nicht
gefunden worden. Ob man nun gegen den Entscheid vorgehen werde, sei
noch offen, sagt Reimann; ein erster Schritt wären erneute
Verhandlungen.
Busse als Konsequenz
Falls sich die Organisatoren nicht an die Auflagen halten,
müssen sie laut Polizeidepartement mit einer Anzeige und einer
Busse rechnen. Hart durchgreifen werde die Polizei kaum; allerdings
müsste das Komitee für den Vorwurf geradestehen,
Krawallmacher würden sich auf dem Festareal verschanzen. Diese
Kritik hatte Stadträtin Maurer letztes Jahr geäussert, als
der Festbetrieb schon um 16 Uhr statt gemäss Bewilligung erst um
20 Uhr aufgenommen wurde, weil sich am Nachmittag zahlreiche Besucher
auf der Kasernenwiese einfanden.
Am Mittwoch widmeten sich dieser Frage auch drei
Fraktionserklärungen im Gemeinderat: Die SVP forderte,
sämtliche 1.-Mai-Aktivitäten in den Kreisen 1, 4 und 5 zu
verbieten; andernfalls sei dem Komitee der Polizeieinsatz zu
verrechnen. Dieser zweite Vorschlag fand die Unterstützung der FDP
- und die Alternative Liste wies alles zurück.
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20 Minuten 15.4.10
1.-Mai-Komitee droht Anzeige
ZÜRICH. Das 1.-Mai-Fest auf dem Kasernenareal darf
erst um
20 Uhr beginnen - so will es der Zürcher Stadtrat. Allerdings ist
gut möglich, dass sich das 1.-Mai-Komitee wie bereits letztes Jahr
nicht an diese Auflagen hält und um 14 Uhr startet. "In diesem
Fall würde das Komitee verzeigt", so Reto Casanova, Sprecher des
Polizeidepartements. Das Komitee entscheidet laut Sprecherin Anna
Klieber "bis spätestens Montag" über das weitere Vorgehen.
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Blick am Abend 14.4.10
1. Mai: Kürzeres Fest, längerer Umzug
WIDERSTAND
Die 1.-Mai-Demo nimmt einen längeren Weg - und das
Festkomitee will sich nicht an die Auflagen halten.
Das bisher meist friedlich stattfindende 1.-Mai-Fest auf
der
Kasernenwiese darf dieses Jahr erst abends um 20 Uhr beginnen. Die
Stadt will damit das Fest zeitlich vom Umzug trennen, damit sich
gewalttätige Demonstranten nicht zwischen den Festbesuchern
verstecken können.
Ähnliche Auflagen hatte die Stadt den Organisatoren
schon
letztes Jahr gemacht, schreibt die "NZZ" heute. Diese hielten sich aber
nicht daran. Und auch dieses Jahr scheint sich das Festkomitee wenig um
die Auflagen zu kümmern. Gemäss Homepage beginnt das Fest um
14 Uhr und die erste Band steht um 17 Uhr auf der Bühne. Anna
Klieber, Sprecherin des 1.-Mai-Komitees, weist darauf hin, dass bis
heute Morgen die schriftliche Bewilligung mit den Auflagen noch nicht
eingetroffen sei. Die Mitteilung, welche Polizeivorsteherin Esther
Maurer den Organisatoren bereits im Februar zukommen liess, sei nicht
als offizielle Aufl age zu betrachten.
Die Stadt bewilligte zudem heute eine verlängerte
Route
für den 1.-Mai-Umzug.
Dies trotz des umstrittenen Mottos: "Moneypulation -
Verlieren
wir die Beherrschung", das vor allem bei Bürgerlichen als Aufruf
zu Gewalt und Krawallen verstanden wurde. re
---
Indymedia 14.4.10
1. Mai 2010: Aufruf Libertärer Block Zürich ::
AutorIn : Libertärer Block
let's get ready to rumble! Der Aufruf zum Libertären Block
am 1.
Mai.
Flugblatt A4 PDF
http://ch.indymedia.org/media/2010/04//75010.pdf
Flyer und Kleber A6 PDF
http://ch.indymedia.org/media/2010/04//75011.pdf
Plakat A3 PDF
http://ch.indymedia.org/media/2010/04//75012.pdf
1. Mai 2010
Leben statt Lohnarbeit
Bestandesaufnahme.
Die weltweite Wirtschaftskrise hinterlässt mit
fortschreitender
Geschwindigkeit rund um den Erdball ihre Spuren. Konfrontiert mit
Stellenstreichungen, Kurzarbeit, Standortverlagerungen, Sozialabbau,
Armut, zunehmendem Stress am Arbeitsplatz und der Zerstörung der
Umwelt verharren die Betroffenen nach zwei Jahren verschärftem
kapitalistischem Terror noch immer in einer Starre. Der Kapitalismus
hat uns seit unserem Kindesalter voneinander entfremdet und so fehlt
vielen die Kraft und der Mut die eigene Angst und Perspektivlosigkeit
kollektiv zu diskutieren, die menschenfeindliche Organisierung der
Gesellschaft anzugreifen.
Kämpfe.
Doch die gesellschaftlichen Kämpfe häufen sich.
Arbeiterinnen
und Arbeiter wehren sich gegen die kontinuierliche Verschlechterung
ihrer Arbeitsbedingungen und kämpfen immer öfter
selbstständig für ihre Interessen und gegen diejenigen ihrer
Bosse. Rund um die Welt organisieren sich Studierende gegen den
kapitalistischen Bildungsapparat und besetzen Universitäten.
Dutzende Staaten stehen am Rande des Ruins. In Island haben die Banken
einen Schuldenberg vom Zehnfachen der bisherigen jährlichen
Wirtschaftsleistung hinterlassen. JedeR fünfte SpanierIn ist
arbeitslos und die portugiesische Bourgeoisie fürchtet sich vor
einer Staatspleite und Zuständen wie in Griechenland, wo sich die
Menschen mittlerweile illusionslos gegen die Angriffe auf ihr Leben zur
Wehr setzen. Die Folgen des krisenhaften Kapitalismus werden auf uns
alle abgeschoben. Auf uns alle, welche ihre Arbeitskraft beständig
für einen Lohn verkaufen müssen, der immer unter dem Wert des
von ihnen produzierten bleiben muss. Wenn uns also die PolitikerInnen
beschwören, in den sauren Apfel zu beissen und Sozialabbau,
Kurzarbeit, Lohnkürzungen oder gar Arbeitslosigkeit hinzunehmen,
dann steckt dahinter immer die Angst vor uns. Die Angst, das
gesellschaftliche Machtverhältnis könnte durchbrochen werden.
Perspektive.
Es gibt keinen Kapitalismus ohne Krise und der "kommende
Aufschwung",
dessen baldiges Eintreten uns tagtäglich vorgegaukelt wird, soll
uns ruhig halten. Der Kapitalismus ist nicht reformierbar - er ist als
Ganzes falsch.
Die aktuell ausgetragenen Kämpfe stehen noch ganz am Anfang
und
einer sich bewusst werdenden Masse wird schon bald der bewaffnete
Staatsapparat gegenüberstehen. Wenn führende Geheimdienste
ihr strategisches Hauptaugenmerk auf die sogenannte "innere Sicherheit"
und die Aufstandsbekämpfung im eigenen Land legen, dann lässt
sich erahnen, mit was wir konfrontiert sein werden, sollten sich auch
hierzulande perspektivische Kämpfe entwickeln.
Die rassistische Hetze der herrschenden Klasse soll uns in
dieser
historischen Krise zusätzlich spalten. Uns soll weisgemacht
werden, wir stünden zu Menschen anderer Herkunft in einer
besonders grossen Konkurrenz. Die Hetze gegen "kriminelle
Ausländer" und "Sozialschmarotzer", getragen von PolitikerInnen
und Medien jeder politischen Couleur soll einer Solidarisierung
untereinander entgegenwirken und uns dumme, realpolitische Diskussionen
aufhalsen, welche emanzipatorische Prozesse blockieren.
Wir müssen dem Kapital unsere Klassensolidarität
entgegensetzen und gesellschaftliche Kämpfe über alle Grenzen
hinweg verbinden. Indem wir aus unserer persönlichen und
geographischen Isolation ausbrechen und uns mit allen Ausgebeuteten und
ihren Kämpfen solidarisieren, torpedieren wir die
reaktionären Bemühungen der Kapitalisten.
Wir sind mehr.
Am 1. Mai wird auf der ganzen Welt die Ablehnung des
kapitalistischen
Systems auf die Strasse getragen. Der Kampftag der ArbeiterInnenklasse
ist ein Versuch aus der Isolation auszubrechen, uns miteinander zu
vernetzen und für die gemeinsame Perspektive einer Gesellschaft
ohne Unterdrückung und Ausbeutung auf die Strasse zu gehen. Wenn
der Staatsapparat uns an diesem Tag blockieren, unsere
Kollektivität verhindern und uns mit seiner Repression auseinander
dividieren will, dann ist unsere Antwort: Wir sind mehr!
Kapitalismus abschaffen.
Eine Gesellschaft ohne Armut, Krieg und Krisen ist nur gegen den
Kapitalismus durchzusetzen und nicht innerhalb des bestehenden Systems
möglich. Eine komplette Umgestaltung unseres Wirtschafts- und
Gesellschaftssystem ist dafür notwendig. Eine Gesellschaft, in der
die Produktion den Bedürfnissen aller dient ist längst
überfällig. Doch von alleine werden sich die
gesellschaftlichen Verhältnisse nicht ändern, dafür
müssen wir gemeinsam aktiv werden und uns organisieren. Am 1. Mai
werden wir mit einem kraftvollen libertären Block für die
revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und die
Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft eintreten.
Libertärer Block
Let's get ready to rumble!
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POLICE CH
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WoZ 15.4.10
Sicherheit - In Hitzkirch, wo die Interkantonale Polizeischule
daheim
ist, träumt man von einem nationalen Sicherheitszentrum - auch
für private Sicherheitskräfte.
Aufstand in der Bronx
Von Dinu Gautier
Auf einer Fläche von mehreren tausend Quadratmetern
soll im
Luzerner Seetal nicht irgendein, sondern "das Sicherheitszentrum der
Schweiz" entstehen. Das "Security Center Seetal" könnte, glaubt
man Mitinitiator Roland Hodel, "die träge Sicherheitslandschaft
Schweiz" nachhaltig verändern - weil sowohl private
Sicherheitsfirmen wie öffentliche "Blaulichtorganisationen" an
einem Ort ausgebildet würden. Die Idee für das
grössenwahnsinnig anmutende Projekt wurde ursprünglich von
Exschweizergardekommandant Pius Segmüller vorangetrieben -
inzwischen hat er sich aus dem Staub gemacht.
Ein richtiges Dorf
Auf dem Gelände und in den Gebäuden der
ehemaligen
Fruchtsaftfabrik von Hitzkirch soll das Security Center Seetal
entstehen. Geplant sind mehrere Schiess anlagen und ein "Schiesskino"
im Erdgeschoss sowie im ersten Stock auf 1700 Quadratmetern ein
"Lernrevier": ein richtiges Dorf mit Gemeindehaus, Klub, Laden und
Einfamilienhäusern, ein Wohnquartier mit Einfamilien-, Reihen- und
Mehrfamilienhäusern sowie ein Hinterhof, der Bronx heisst. Auch
ein Bankgebäude und ein Bahnhof sollen errichtet werden. Üben
will man unter anderem: "Abseilen, Fassadensicherung,
Öffnungstechniken (Ramme und Türpresse), Weiterbildung
für Interventionseinheiten und Hundeausbildung (Schutzdienst,
Betäubungsmittel und Sprengstoff)."
"Angedacht" sind zudem Hallen für Amoktraining und
Gewaltprävention und sogar ein Gleisanschluss für
Ausbildungen im Zug. Ein Büchsenmacher soll eine Waffenwerkstatt
vor Ort einrichten, und ein "namhafter Polizeiausrüster" plane
eine Ausstellung samt Laden auf dem Gelände.
Initiantin des Projekts ist die Idee Seetal AG. Als
"regionaler
Entwicklungsträger", eine Art PR-Bude für das Luzerner
Seetal, hängt sie via Kanton Luzern an Regionalfördergeldern
des Bundes. "260 000 Franken sind bisher an das Projekt
Kompetenzzentrum Sicherheit geflossen, davon die Hälfte aus
Bundesmitteln", sagt Sven-Erik Zeidler von der zuständigen
kantonalen Behörde. Weitere Gelder seien zurzeit keine beantragt,
hingegen werde "sehr stark" mit Investoren verhandelt. "Wir befinden
uns gerade in einer heissen Phase", sagte auch Hans Peter Stutz,
Geschäftsleiter der Idee Seetal AG, im Februar zur WOZ. Deshalb
wollte er damals keine Auskunft zum Projekt erteilen. Diese Woche war
er nicht zu sprechen.
In Hitzkirch werden seit 2007 angehende PolizistInnen aus
elf
Kantonen ausgebildet. Die Infrastruktur der Interkantonalen
Polizeischule (IPH) erreiche aber bereits ihre Kapazitätsgrenze;
für praktische Weiterbildungen fehle der Platz, heisst es.
"Deshalb", sagt Matthias Jurt von der IPH, "sind wir gegenüber
diesem Projekt von privater Seite positiv eingestellt." Liest man die
Projektdokumentation, so tönt das Engagement der IPH bedeutend
weniger passiv: So beteilige sie sich aktiv am Projekt und koordiniere
die Mitsprache interessierter Polizeikorps bei der Gestaltung der neuen
Infrastrukturen.
Roland Hodel, während siebzehn Jahren Mitglied der
Zuger
Spezialeinheit Luchs, davon zehn Jahre als deren Chef, ist eine
Schlüsselfigur des Projekts. Er ist heute einerseits Instruktor an
der Polizeischule, andererseits betreut er als privater Unternehmer das
"Projekt Ypsilon", das die Infrastruktur des geplanten Zentrums nutzen
will. "Wir stellen uns drei Nutzungsarten vor", so Hodel,
"Vermietungen, Vermietungen mit Instruktion und ganze Ausbildungen
für Sicherheitskräfte." Hört man dem begeisterten Herrn
Hodel zu, gewinnt man den Eindruck, er wolle hier künftig die
halbe Schweiz drillen: Frauen könnten in der "Bronx" den
Selbstschutz bei Überfällen üben, Schulleitungsgremien
das Verhalten bei Amokläufen lernen. Er spricht von Kindern und
Gewaltprävention, vor allem aber von Spezialeinheiten, privaten
Sicherheitskräften und deren Aus- und Weiterbildung.
Geografische Annäherung?
Droht da nicht eine (weitere) Vermischung von
polizeihoheitlichen
und privaten Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich? Heinz
Buttauer, Präsident des Polizeibeamtenverbandes, hat zwar noch nie
vom Projekt gehört, gibt aber zu bedenken: "Es kann nicht angehen,
dass die Privaten plötzlich sagen, sie seien gemeinsam mit
Polizisten ausgebildet worden. Ich gehe davon aus, dass die Kurse
strikt getrennt würden."
Ein Einwand, den Roland Hodel nicht gelten lässt:
"Viele
Polizisten haben ein Problem mit privaten Sicherheitsdiensten. Dabei
gibt es schon heute zahlreiche Schnittstellen." Treffe sich
während des Weltwirtschaftsforums in Davos etwa ein Minister,
dessen Personenschutz von der Polizei wahrgenommen wird, mit einem
UBS-Manager, der von privaten Bodyguards geschützt wird,
müsse die Zusammenarbeit einfach klappen. "Wieso vollziehen wir
die Annäherung nicht auch geo grafisch?" Zudem könnten im
neuen Sicherheitszentrum ausgebildete Private ja nicht einfach
behaupten, eine Polizeiausbildung genossen zu haben. "Deren Kurse
werden anders heissen als die Kurse der Polizei", so Hodel.
Niemand will mitmachen
Man habe das Projekt nicht nur den Polizeikorps, sondern
auch
verschiedenen anderen Akteuren vorgestellt, sagt Hodler. Die
Bahnpolizei etwa habe Interesse signalisiert. Angefragt habe man auch
das Grenzwachtkorps und private Dienste, deren Namen man nicht nennen
wolle.
Befragt man die potenziellen Inves toren und anvisierten
MieterInnen, ist weniger Begeisterung zu spüren. Bei der
Bahnpolizei lässt der Leiter öffentliche Sicherheit via
SBB-Medienstelle ausrichten: "Im Moment ist das kein Thema bei uns,
für Gespräche sind wir aber immer offen." Stefanie Widmer von
der Zollverwaltung sagt, beim Grenzwachtkorps sei diesbezüglich
niemand offiziell vorstellig geworden. Die Securitas bestätigt
immerhin, dass sie angefragt wurde. "Das Projekt Ypsilon steht aber
nicht zuoberst auf der Agenda", so Pressesprecher Urs Studer. Die
Sicherheitsfirma Delta, die kürzlich wegen ihrer auch in der
Freizeit prügelnden Mitarbeiter in die Kritik geraten ist, wollte
gar nicht erst mit der WOZ über das Projekt sprechen.
Abgesetzt hat sich bereits Pius Segmüller, einst
treibende
Kraft hinter der Idee eines Kompetenzzentrums Sicherheit. Der
CVP-Nationalrat, Exkommandant von Stadtpolizei Luzern und
Schweizergarde sowie Exsicherheitschef der FIFA ist jüngst im
Zusammenhang mit der Idee Seetal AG in die Schlagzeilen geraten. Die
"Weltwoche" berichtete, Segmüller habe ein Projekt im Bereich
Kompetenzzentrum Sicherheit aus der Entwicklungsfirma herausgekauft und
die Arbeitsplätze der daraus entstandenen Swissec AG in den Kanton
Baselland verlegt. Segmüller scheint nicht daran zu glauben, dass
aus dem Luzerner Seetal ein Security Valley wird.
--
Polizeiausbildung - Was lernen eigentlich angehende
PolizistInnen? Wie
trainieren sie den Nahkampf? Wie wird ein Schlagstock eingesetzt? Und
auf wen schiessen sie?
High Noon in Hitzkirch
Von Dinu Gautier (Text) und Zvonimir Pisonic (Fotos)
Mit Maschinenpistolen bewaffnete PolizistInnen stehen
aufgereiht
den Gangs tern mit ihren gezückten Pistolen gegenüber. Es ist
dunkel. Dann ein Pfiff. Auf den Läufen der Maschinenpistolen
montierte Taschenlampen gehen an, Mündungsfeuer flackert auf,
Patronenhülsen fliegen zu Boden. Jeder Gangster kriegt zehn Schuss
in den Oberkörper. Ein unfairer Kampf. Das Licht geht an. Die
PolizeischülerInnen werden gelobt, mit Klebeband decken sie die
Einschusslöcher an den Zielscheibengangstern aus Karton ab. Die
nächste Übungseinheit folgt sogleich.
Willkommen in der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch
(IPH)
im Luzerner Seetal, der grössten Polizeischule der Schweiz. Vor
dem Hauptgebäude, wo die Theorielektionen stattfinden, plaudern in
kleinen Grüppchen rauchende PolizeiaspirantInnen in Uniform.
Allesamt jung, fit und kräftig. Die Männer sind in der
Überzahl, glatt rasiert und mit Kurzhaarschnitten. Die Frauen
tragen lange, gepflegte Mähnen. Gegrüsst wird
stramm-freundlich. Am Anschlagbrett hängt ein Werbeplakat für
eine rauschende Cop-Party in Luzern.
Erstmal Polizeischul-Schoggi
Zur Begrüssung gibts Kaffee und Gipfeli in der
loungeartigen
Cafeteria. Ein Bildschirm verkündet den Besuch der WOZ, darunter
ruckeln Neuigkeiten aus der Welt der Kleinkriminalität im
CNN-Newsticker-Stil über den Flatscreen.
Der Gastgeber: Matthias Jurt, 38-jährig, Leiter
Bildungsbetrieb der IPH. Er war während zehn Jahren uniformierter
Polizist in der Stadt Luzern, fährt einen Geländewagen,
hört Volksmusik und trägt Anzug. Jurt ist ein
unauffälliger Mann, ruhig im Auftreten, lächelt oft. Der
Stolz ist ihm anzumerken, wenn er "seine Schule" vorstellt. Doch zuerst
gibts noch die Willkommenspräsentli: Polizeischul-Schoggi,
Polizeischul-Schlüsselumhänger, Polizeischul-Schreibblock,
Polizeischul-Kugelschreiber.
Dann gibt es Zahlen und Fakten: "Derzeit befinden sich
zwei
Lehrgänge in Ausbildung, insgesamt 330 Polizeianwärter", sagt
Matthias Jurt. "Davon etwa ein Viertel Frauen." Wer mehr als sechzig
Autominuten von Hitzkirch entfernt wohnt, verfügt über ein
eigenes Zimmer auf dem Campus. Und das sind nicht wenige, sind die
angehenden PolizistInnen doch von Korps in elf Kantonen der
Deutschschweiz eingestellt worden. Deshalb auch die unterschiedlichen
Uniformen. Wer sich in der Cafeteria umschaut, sieht eine Frau in
Schwarz (Kapo Baselland), ein Mann mit grauen Hosen (Basel-Stadt) und
einige Männer ganz in Blau (z. B. Aarau, Bern). Die
Uniformenvielfalt findet Herr Jurt unschön: "Immerhin sind die
Uniformen der meisten Korps inzwischen blau." Die Präsenz der Poli
zeiaspirantInnen im 2000-Seelen-Dorf fällt nicht nur optisch ins
Gewicht. Jurt: "Das ist ein Wirtschaftsfaktor." In einem lokalen Pub
würden sogar Blaulichtpartys veranstaltet.
"Ein Lehrgang besteht aus 1360 Lektionen à 45
Minuten,
während zehn Monaten", so Matthias Jurt. "Ein Absolvent kostet
sein Korps zwischen 120 000 und 150 000 Franken, inklusive Lohnkosten
und Ausrüstung." Und die Lohnkosten sind hoch, die Korps bezahlen
in der Ausbildung den vollen Lohn. Dafür bestünden dann im
Schnitt auch 93 Prozent der Angetretenen die Abschlussprüfung zum
Polizisten mit eidgenössischem Fachausweis, sagt Jurt. "Rambos
bestehen in der Regel schon das Selektionsverfahren beim Arbeitgeber
nicht, fällt uns jemand diesbezüglich während der
Ausbildung auf, wird er nicht zur Abschlussprüfung zugelassen."
Zu uns stösst Daniel Kretz, der Fachgruppenleiter
Sicherheit
und Einsatztaktik, zuständig fürs Praktische, fürs
Handfeste. Das merkt man ihm auch an: Der eher kleine, kräftige
Mann mit dem markanten Gesicht ist zackig in Auftritt, Händedruck
und Sprache. Eine Autorität, die den Kollegen auch mal
kameradschaftlich auf die Schultern klopft. Kretz steuert das Seine zur
"unschönen" Uniformenvielfalt bei. Er trägt eine Uniform mit
dem Aufnäher der IPH - immerhin auch in Blau.
Wir fahren ins Trainingszentrum Aabach, Kretz'
Wirkungsstätte weiter unten im Tal. Aabach ist ein stattlicher
Neubau fürs praktische Polizeitraining, der erste seiner Art in
der Schweiz. Er dürfte das Seine zu den Kosten für die ganze
Polizeischule von insgesamt 54 Millionen Franken beigetragen haben.
"Früher mussten die Korps in militärischen Anlagen oder
Zivilschutzanlagen üben", sagt Kretz.
Wir betreten die grossräumige Lobby eines stattlichen
Neubaus. Die Wände sind in Neonfarben gestrichen. Eröffnet
wurde er wie die ganze IPH im Jahre 2007. Kretz benutzt ein Wort, das
er an diesem Nachmittag noch oft in den Mund nehmen wird:
"Harmonisierung". Er war es, der zusammen mit einem Kollegen und
Fachleuten aus den Korps die Lehrpläne und Methoden festlegen
musste für eine gemeinsame praktische Ausbildung der Polizeikorps,
was nicht gerade einfach gewesen sei. "Die Korps sind es auch, die den
Gross teil der Instruktoren stellen. Ein Milizsystem", sagt Kretz.
Acht verschiedene Pistolentypen
Alles lässt sich in der
schweizerisch-föderalistischen
Polizeilandschaft freilich nicht harmonisieren. Vor dem Schiesskeller,
wo die eingangs beschriebene Maschinenpistolenübung stattfindet,
nennt Kretz ein Beispiel: "Wir haben es in der Schiessausbildung mit
acht verschiedenen Pistolentypen zu tun. Das macht es für die
Instruktoren nicht gerade einfacher." Aber das Schiessen sei
überhaupt speziell, so der Instruktor Innen-Ausbilder,
"schliesslich geht es hier darum, sich Fähigkeiten anzueignen, auf
die man in der Praxis hoffentlich nie zurückzugreifen braucht".
Etwas näher am Polizeialltag ist die Übung ein
Stock
höher in einem grossen Dojo (Turnhalle). Hier wird mit dem
Mehrzweckstock (Polizeineusprech für "Schlagstock") geschlagen und
"arretiert". Bewegungsabläufe werden einstudiert, PolizistInnen
(Rolle Polizei) wehren Angriffe von PolizistInnen (Rolle
Bösewichte) ab, schlagen zurück in tragbare Polsterschilder,
von den Bösewichten auf Beinhöhe gehalten. Bei jedem Schlag
wird geschrien: "Zurück, zurück!" Daniel Kretz erklärt:
"All unsere Verteidigungs- und Festnahmetechniken werden vom
Gerichtsmedizinischen Institut der Universität Bern
überprüft. Wir orientieren uns nicht spezifisch an einer
Kampfsportart, sondern entwickeln eigene Techniken, inspiriert durch
verschiedene Kampfsport richtungen." Verhältnismässig
müssten die sein, wie jedes polizeiliche Handeln. "Dieses Prinzip
muss unseren Schülern in Fleisch und Blut übergehen."
Spricht man Herrn Kretz auf künftige Einsätze
seiner
Zöglinge an Demonstrationen an, will er keine
Missverständnisse aufkommen lassen: "Ich betone, dass es uns bei
friedlichen Demonstrationen nicht braucht. Demonstranten interessieren
uns nicht. Es braucht uns erst, wenn Krawallanten Straftaten begehen."
Wenige Minuten später stehen wir in einer riesigen
Halle,
die zur einen Seite hin geöffnet ist. Eine Gruppe in Kampfmontur
steckender AspirantInnen umringt einen Instruktor der Kapo Bern. Der
doziert, wie im Ordnungsdiensteinsatz Personenkontrollen zu
protokollieren sind. Er teilt sogenannte Personenkontroll- oder
Festnahmekärtchen aus, kleine Formulare, wo etwa die Namen der
angehaltenen Personen vermerkt werden (Kommentar Kretz: "Die
Kärtchen sind im Konkordat harmonisiert worden."). Der Instruktor
aus der Praxis ist drauf und dran, gegenüber den AspirantInnen die
Demotheorie von Ausbildner Kretz ("Demonstranten interessieren uns
nicht") zu widerlegen: "Wenn Sie bei der Personenkontrolle keine
Festnahmegründe feststellen und die Kontrollierten laufen lassen,
dann kreuzen Sie das Feldchen ‹Personenkontrolle› an und schmeissen das
Kärtchen ja nicht weg." Vielmehr habe man es später
abzugeben. "Der Nachrichtendienst interessiert sich für die Namen
von Demoteilnehmern", so der Instruktor.
Wir verlassen die Halle und betreten ein eigens zu
Übungszwecken erstelltes Retortendorf ("Lernrevier") mit dem
Charme einer Neubausiedlung in Autobahnnähe. Es besteht aus einer
Tankstelle, einer Bankfiliale und Wohnhäusern. Dazwischenliegende
Strassen, Gässchen und der stattliche Dorfplatz sind beschildert,
es gibt Parkplätze und korrekte Verkehrssignalisationen. Drei
Millionen Franken habe das Lernrevier gekostet, sagt Matthias Jurt.
Die Mittelstrasse wird gerade verbarrikadiert. Aus
"Vauban-Gittern", den hüfthohen, ineinandersteckbaren Gittern,
entsteht ein "Vauban-Wall". Es scheint sich bei der Benennung um
polizeiliche Selbstironie zu handeln. Die nicht gerade
unüberwindbaren Gitter sind nach Sébastien Le Prestre, dem
Marquis de Vauban (1633-1707) benannt. Wikipedia vermeldet: "Er ist der
eigentliche Schöpfer der ‹enceinte de fer›, des eisernen
Gürtels, mit dem Frankreich unter Ludwig XIV. seine Aussengrenzen
sicherte. (...) Im Sinne des mechanistischen Weltbildes seiner Zeit
erfasste er die Befestigungs- und Belagerungskunst als mathematische
Wissenschaft, in dem jeder einzelne ‹Akt› einer Belagerung im Detail zu
berechnen war."
Die "Fans" dürfen schimpfen
Daniel Kretz bittet in die Bankfiliale, die Schalter sind
verwaist. Besetzt sind sie nur bei Banküberfällen. Im ers ten
Stock hat es einen Gang mit Türen zu beiden Seiten. Hier kann der
Einsatz bei Amokläufen an Schulen geübt werden.
Sternförmige Seifenflecken an den Wänden zeugen von
simulierten Schusswechseln. "Das ist eine Technologie, die exklusiv
für die Polizeiausbildung zur Verfügung steht." Im Gegensatz
zu Übungen mit Paintball-Systemen sei damit das Waschen der
Uniformen kein Problem. Dann stellt Kretz klar: "Hier ballert mir
niemand einfach so rum."
Nach der Besichtigung eines der Einfamilienhäuser, wo
etwa
das Vorgehen bei Fällen von häuslicher Gewalt geübt
werden kann (Kretz: "In der Praxis sehr häufig."), stehen wir
wieder draussen. Gerade rechtzeitig, um der Klasse, die vorhin in der
Fichierung von DemonstrantInnen geschult wurde, bei der Räumung
eines Busses zuzusehen. Darin haben sich renitente "Fans" versammelt.
Ein paar AspirantInnen haben ihre Ordnungsdiensttenues mit
Jacken
überdeckt, sie spielen die Fans, dürfen durchaus auch ihre
KollegInnen beschimpfen, möglichst realitätsnah halt. "Mach
nicht den Max", brüllt einer der "Fans" den Polizisten an, der ihn
im Innern des Busses packt. Das mit der Realitätsnähe klappt
nicht so ganz, wenn ein Polizist einen Polizisten provozieren soll ...
Für Daniel Kretz sind die Möglichkeiten der
polizeilichen Grundausbildung denn auch beschränkt, gerade weil es
den AbsolventInnen noch an Praxisbezug fehle. Gäbe es
unbeschränkte Ressourcen, so würde er zwar die
Grundausbildung gerne um ein halbes Jahr verlängern und mehr
praktisch üben, "viel wichtiger ist aber die regelmässige
Weiterbildung". Diese käme in den Korps heute tendenziell zu kurz,
etwa aufgrund von Personalmangel.
Zum Abschied sagt Daniel Kretz: "Man sagt, dass in einer
Demokratie jedes Volk die Polizei kriegt, die es verdient." Dann
fügt er an: "Wir sind ein exaktes Volk." Matthias Jurt
lächelt.
Gegen Abend in Hitzkirchs Dorfkern: Das lokale Pub ist
fast leer,
die junge Bar angestellte bestätigt: "Meine Chefin hat Freude an
den Gästen aus der Polizeischule, die Stammgäste weniger."
Jeweils donnerstags sei das Lokal voll. Und wie feiern angehende
PolizistInnen? "Meistens recht brav. Sie werfen weniger auf den Boden
als normale Gäste. Es kommt aber durchaus vor, dass sie auf den
Tischen tanzen."
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INTERKULTUR
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WoZ 15.4.10
Wissen
Migrationsforschung - Wann begreift die Schweiz, dass sie ein
Einwanderungsland ist? Der Autor und Rassismus- und Migrationsforscher
Mark Terkessidis plädiert dafür, endlich die
gesellschaftlichen Institutionen den Realitäten anzupassen.
"Weg mit den Barrieren"
Interview: Pascal Jurt
WOZ: Mark Terkessidis, in Ihrem neuen Buch "Interkultur"
wenden
Sie sich gegen den Begriff der Integration. Was stört Sie daran?
Mark Terkessidis: Das Integrationskonzept stammt aus den
siebziger Jahren. Es ist doch seltsam, wenn man dreissig Jahre
später die gleiche Problemagenda noch einmal auflegt und glaubt,
mit denselben Massnahmen wie damals gegensteuern zu können. Ich
kritisiere vor allem die von damals übernommene Vorstellung, es
gebe eine Gruppe in der Gesellschaft - "Personen mit
Migrationshintergrund" -, die bestimmte Defizite aufweisen; Defizite,
die identisch seien mit jenen in den Siebzigern: mangelnde
Sprachbeherrschung, patriarchale Familienverhältnisse,
parallelgesellschaftliche Strukturen; und dass die grosse Aufgabe darin
bestehe, diese Defizite zu beseitigen.
Können Sie ein konkretes Beispiel geben?
Man geht davon aus, dass es in Institutionen wie zum
Beispiel
Kindergarten oder Schule eine Norm gibt - eine "deutsche", eine
"Schweizer" Norm -, von der Kinder mit Einwanderungshintergrund
abweichen. Ihre Defizite sollen durch Sondermassnahmen kompensiert
werden, damit sie beim Schuleintritt das gleiche Niveau ausweisen wie
das Normkind. Diese Logik ist heute sinnlos geworden. Zum einen gibt es
einen dramatischen demografischen Wandel: Bei den
Untersechsjährigen sind Kinder mit Migrationshintergrund in den
grossen deutschen Städten in der Mehrheit. Es gibt also keine Norm
mehr. Zum anderen ist die Kompensationslogik falsch. Die Institution
wird nicht grundsätzlich reformiert, um die Vielfalt angemessen zu
berücksichtigen, sondern die "anderen" sollen mit Sondermassnahmen
verbessert und angepasst werden. Integration erscheint dann als
zusätzliche Leistung und somit automatisch als lästige
Angelegenheit. Zudem werden Leute so entmündigt - es gibt ja eine
regelrechte "Helferindustrie" in Sachen Integration.
Grossbritannien verfolge ein ganz anderes Modell,
schreiben Sie:
Was wird dort besser gemacht?
In Grossbritannien hat man sich eine Logik angewöhnt,
die so
etwas wie "Diversity" - Vielfalt - immer mitdenkt. Dort werden die
Institutionen darauf befragt, ob sie der Vielfalt auch gerecht werden.
Die primäre Frage ist dann eben nicht, was Kinder mit
Migrationshintergrund für Defizite haben, dass sie in der Schule
nicht vorankommen. Die Frage lautet: Was gibt es für unsichtbare,
strukturelle Barrieren in den Institutionen, die bestimmte Leute
ausschliessen?
Und wer hat diese Frage an die Institutionen herangetragen?
Es gab in Grossbritannien schon zu Beginn der achtziger
Jahre
eine politische Mobilisierung rund um den Begriff "black". Leute mit
Einwanderungshintergrund haben sich massiv gegen Diskriminierung und
für gleiche Rechte eingesetzt. Der rassistische Mord an einem
schwarzen Jugendlichen, Stephen Lawrence, zu Beginn der neunziger Jahre
hat dann zu einem Umdenken geführt. Die Polizei hatte in diesem
Fall Zeugen nicht gehört und die Eltern unsensibel behandelt,
sodass es zu keiner Verurteilung kam. Schliesslich gab das
Innenministerium eine Untersuchung bei Lordrichter McPherson in
Auftrag, die zu dem Ergebnis kam, dass es in der britischen Polizei
"institutionellen Rassismus" gebe. Im Fokus standen also nicht einzelne
Polizisten und ihr absichtlich diskriminierendes Verhalten, sondern die
Routinen der Polizei, denen bestimmte selbstverständliche
Wahrnehmungsmuster innewohnten, die dann dazu geführt hatten, dass
der Fall verschleppt wurde.
Wie kann man solche strukturellen Barrieren
überwinden? Zum
Beispiel indem man andere kulturelle Perspektiven übernimmt?
Ich bin nicht der Auffassung, dass es reicht, oder dass es
überhaupt ein Ziel an sich sein sollte, andere kulturelle
Perspektiven zu übernehmen oder kulturelle Unterschiede per se zu
respektieren. Nicht alle kulturellen Unterschiede sind gute
Unterschiede. Und man muss sie nicht konservieren. Oft handelt es sich
ja auch um Ungleichheit. Mir geht es primär darum, dass
unterschiedliche Voraussetzungen und Hintergründe im Betrieb der
gesellschaftlichen Institutio nen berücksichtigt werden - dass
diese Institutionen sozusagen für alle Personen "barrierefrei"
werden. Es geht eben nicht darum, dass alle ihre Unterschiede behalten,
dass wir eine deutsche, eine türkische und eine albanische Flagge
nebeneinander hängen. Es geht darum, einen neuen gemeinsamen Raum
zu erfinden. In dem Moment, wo Barrierefreiheit hergestellt wird, wo es
eine höhere und breitere Partizipation gibt in dieser
Gesellschaft, gibt es auch Veränderung und Erneuerung.
Und welche Funktion weisen Sie der Kultur in diesem
Prozess zu?
Zum einen geht es um die Frage der Organisationskultur,
wie man
sie etwa aus der Betriebs- und Organisationspsychologie kennt. Das ist
eine Debatte, die in Unternehmen beim Thema "Diversity" stark im
Vordergrund steht: Welche Personengruppe wird im Unternehmen implizit
privilegiert? Welche unausgesprochenen Vorstellungen über die
Geschichte, die Mitarbeiter, die Kunden et cetera kursieren? Sind diese
Annahmen zeitgemäss, oder führen sie dazu, dass ein grosser
Teil der Individuen ihr Potenzial nicht ausschöpfen können?
Denn das sollte ja das Ziel sein. Insofern will ich mit dem Begriff
"Interkultur" nicht primär auf ethnische Unterschiede hinaus,
sondern auf eine Veränderung der Kultur der Institution in Bezug
auf unterschiedliche Voraussetzungen und Hintergründe.
Wie unterscheidet sich Ihr Kon zept der Interkultur von
dem des
Multikulturalismus?
Wenn in Deutschland über interkulturelle Öffnung
gesprochen wird, sind gewöhnlich die Verwaltung, die Sozialdienste
oder die Polizei gemeint - Organisationen also, von denen man annimmt,
dass sie Berührungspunkte mit "dem Migranten" haben. Da geht es
dann oft darum, den einheimischen Mitarbeitern dieser Institutionen
eine Art ethnisches "Rezeptwissen" zur Verfügung zu stellen:
Stichwort "interkulturelle Kompetenz". Das reicht natürlich nicht,
weil es die grundsätzlichen Verhältnisse in diesen
Institutionen nicht antastet.
Was braucht es darüber hinaus?
Ich möchte die interkulturelle Öffnung auf alle
Institutionen ausweiten - vor allem in die Kulturinstitutionen, weil in
ihnen sehr stark das Selbstverständnis der Gesellschaft
reflektiert wird. Zurzeit kommen die Subventionen immer noch
hauptsächlich einer bestimmten Gruppe zugute, dem sogenannten
Bildungsbürgertum, und dessen Weltsicht dominiert entsprechend.
Auch hier kann man von Grossbritannien lernen: Dort ist auf der Basis
des Prinzips der "social inclusion" angeregt worden, dass sich diese
Institutionen ein anderes Publikum erschliessen und sich in diesem
Prozess auch intern verändern müssen.
In der Schweiz scheint die Entwicklung genau in die
entgegengesetzte Richtung zu laufen: Hier ist per Volksabstimmung der
Bau von Minaretten verboten worden. Es scheint, dass der von
Rechtspopulisten propagierte "Kulturkampf" in der Mitte der
Gesellschaft angekommen ist ...
In der Schweiz ist lange nicht anerkannt worden, dass sie
ein
Einwanderungsland ist. Für den Populismus gibt es natürlich
auch Ursachen im schweizerischen politischen System selbst. Aber dass
sich dies auf dem Rücken der Migranten abspielt, hat sehr viel
damit zu tun, dass man die Fiktion immer weiter aufrechterhält,
dass die Migranten wieder nach Hause gehen. In Deutschland hat man vor
zehn Jahren von dieser Fiktion Abstand genommen. Seither muss man eben
auch mit dem Minarett leben. Überhaupt ist die Minarettdebatte an
sich ja nicht der Punkt. Vielmehr geht es um die Feststellung: Das
gehört nicht hierher, das gehört nicht zu "uns". Und das ist
nicht nur falsch, sondern im Sinne der Gestaltung einer gemeinsamen
Zukunft geradezu verheerend.
Und warum sind gerade Menschen aus ländlichen
Gebieten, in
denen es sehr wenig Migranten und Migrantinnen gibt, für
populistische und rassistische Parolen anfällig?
Ich glaube, dass die Leute sich bedroht fühlen. Die
Angst
vor den Minaretten ist auch die Angst vor der Stadt, vor der Vielfalt
und der Entfremdung im Moloch. Die Leute haben das Gefühl, sie
seien im Gefolge der Globalisierung gegenüber den städtischen
Gebieten ins Hintertreffen geraten, sie seien von den Entwicklungen
abgehängt worden und könnten nur ohnmächtig zuschauen.
Und dieses Gefühl wird verkörpert von den Migranten, die von
Politik und Medien ohnehin gerne als "Problem" dargestellt werden. Ein
"Problem", das um so phantasmatischer wird, je weniger man mit ihm zu
tun hat: Rassismus ist nachweislich da am virulentesten, wo es am
wenigsten Einwanderung gegeben hat. Darauf kann Populismus aufbauen.
Insofern ist es auch falsch, dem Populismus ständig
Zugeständnisse zu machen. Denn diese Art von Politik macht die
Arbeit an einer Gemeinschaft der Zukunft unmöglich. Und um die
geht es schliesslich - nicht darum, was "uns" in der Vergangenheit mal
zusammengehalten hat.
Mark Terkessidis
--
Mark Terkessidis
Der Psychologe und Autor Mark Terkessidis (43) lebt in
Berlin und
ist griechischer Herkunft. Migrations- und Rassismusforschung
gehören zu seinen thematischen Schwerpunkten. Eben ist sein neus
tes Buch zum Thema erschienen.
Mark Terkessidis: "Interkultur". Suhrkamp Verlag. Berlin
2010.
220 Seiten. Fr. 22.50.
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REVOLUTIONÄRE ZELLEN
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WoZ 15.4.10
Herzstillstand im Untergrund
Revolutionäre Zellen - Sie leben seit 32 Jahren im
Exil. 22
Jahre davon mussten sie sich vor der Polizei verstecken. Jetzt droht
ihnen die Auslieferung nach Deutschland. Christian Gauger (66) und
Sonja Suder (77) über das Leben auf der Flucht und das
Gefühl, wenn man geschnappt wird.
Von Andreas Fanizadeh (Text) und Luca Schenardi
(Illustration)
WOZ: Frau Suder, Herr Gauger, wann merkten Sie erstmals,
dass Sie
observiert wurden?
Sonja Suder: Es war im Sommer 1978. Wir waren gerade vom
Urlaub
aus Südfrankreich zurück nach Frankfurt gekommen. Wir sind um
sechs Uhr morgens los, um unseren Stand auf dem Flohmarkt am Eisernen
Steg am Mainufer aufzubauen.
Und da merkten Sie, dass Ihnen jemand folgte?
Suder: Um sechs Uhr morgens ist es auffällig, wenn
jemand
von deiner Haustür bis zum Flohmarkt hinter dir ist und dann
selber keinen Stand aufbaut. Wir haben das am Nachmittag
überprüft, und da war es klar: Wir werden überwacht. Wir
mussten eine Entscheidung treffen. Wir beschlossen, wegzugehen.
Wer erinnert sich an 1978, das Jahr, in dem Sonja Suder
und
Christian Gauger von der Bildfläche verschwanden, um die
nächsten 22 Jahre lang unauffindbar zu bleiben? Das Jahr, in dem
Argentinien die Fussball-WM gewann, in Nicaragua die Sandinisten den
Nationalpalast stürmten und in Italien die Roten Brigaden den
Christdemokraten Aldo Moro ermordeten.
In der Bundesrepublik Deutschland plante im Juni 1978 ein
- nach
Ansicht der Staatsanwaltschaft - Bekannter von Sonja Suder und
Christian Gauger, eine Bombe am argentinischen Konsulat in München
zu platzieren. Hermann Feiling hiess er und soll wie Suder und Gauger
im Umfeld der sogenannten Revolutionären Zellen (RZ) agiert haben.
Die Gruppierung propagierte Anschläge mit Sachschäden und
versuchte, anders als die Rote Armee Fraktion (RAF), Opfer zu
vermeiden. Suder und Gauger sollen, sagt die Staatsanwaltschaft heute,
1977 an zwei Anschlägen gegen Firmen beteiligt gewesen sein, die
Urangeschäfte mit Südafrika machten, sowie 1978 an einem
Brandanschlag aufs Heidelberger Schloss. Am 15. September 1978 erliess
ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof deshalb Haftbefehl gegen
Suder und Gauger.
Falls sich Gauger, Suder und Feiling tatsächlich
kannten,
wie die Staatsanwaltschaft glaubt, dann dürften sie sich 1978
darin einig gewesen sein, Argentinien als Unrechtsstaat zu betrachten.
Die Militärs hatten dort 1976 geputscht und in der Folge über
30 000 Menschen ermorden lassen. In diesem Land fand unter
skandalösen Umständen die Fussballweltmeisterschaft statt.
Und die sozial liberale Koalition in der Bundesrepublik tolerierte
Geschäfte deutscher Firmen mit der argentinischen Diktatur,
während sie in argentinische Folterhaft geratenen deutschen
StaatsbürgerInnen nur zögerlich half. Es gab also
wahrnehmbare Missstände, auch wenn nur wenige wie Hermann Feiling
deshalb versuchten, ein Loch in die Mauer des argentinischen Konsulats
zu bomben. Zum Anschlag auf das Konsulat kam es nie: Für Hermann
Feiling verlief die Vorbereitung fatal, der Sprengsatz explodierte am
23. Juni in Heidelberg vorzeitig, Feiling verlor beide Beine und Augen.
Der Schwerverletzte wurde damals offenbar noch in der
Uniklinik
Heidelberg von PolizistInnen vernommen. Über Wochen und Monate
hinweg, sagen Freunde und Anwälte, isolierten die ErmittlerInnen
Feiling, um an Informatio nen über die Organisationsstruktur der
Revolutionären Zellen zu gelangen. Sie protokollierten, was ihnen
Feiling unter Medikamenteneinfluss und ohne Rechtsbeistand eigener Wahl
gesagt haben soll. Später widerrief er seine Aussagen.
Wenige Wochen nach Feilings Unfall bemerkten Suder und
Gauger die
Observationsteams in Frankfurt - und tauchten ab. Seither sollen sie
irgendwo im Ausland gelebt haben und - so sie es vorher waren - nicht
mehr im Zusammenhang mit den RZ aktiv gewesen sein.
Der Tatverdacht gegen Suder und Gauger "stützt sich
im
Wesentlichen auf die Angaben des Zeugen Feiling von 1978",
bestätigt die Frankfurter Staatsanwaltschaft auf Nachfrage. Erst
1999 kam laut der Behörde ein weiterer Verdacht gegen Sonja Suder
hinzu. Der Vorwurf: Beteiligung am bewaffneten Überfall auf die
Konferenz der erdölexportierenden Staaten (Opec) 1975 in Wien und
Beihilfe zum Mord. Dieser Vorwurf stützt sich auf den an der Tat
beteiligten und 1998 festgenommenen Hans-Joachim Klein. Die
Verjährungsfrist für die Anschläge, die Gauger und Suder
ursprünglich zur Last gelegt wurden, beträgt zwanzig Jahre.
Sie wäre 1998 verstrichen. Doch, so sagt die Staatsanwaltschaft,
die Verjährung sei "mehrfach unterbrochen" worden und sie
könne "maximal bis zur doppelten Zeit - also vierzig Jahre -
laufen".
Im Jahr 2000 kam es zur spektakulären Enttarnung und
Festnahme der beiden "RZ-Rentner" in Paris. 2001 wies Frankreich das
Auslieferungsbegehren Deutschlands jedoch ab. Aufgrund neuer
EU-Bestimmungen - der Schaffung des Europäischen Haftbefehls - ist
inzwischen erneut ein Auslieferungsgesuch bei den Behörden
pendent. Derzeit liegt der Fall beim französischen
Verfassungsgericht. Ob Frankreich ausliefert, ist ungewiss.
Paris, St. Denis, Winter 2010. Auf sehr kleinen
Grundstücken
stehen sehr kleine Häuser, in der Ferne sieht man die Kulisse
einiger Hochhäuser. Ein nasskalter Tag, kaum Menschen auf den
Strassen. In einem winzigen Teil eines dieser Häuschen leben seit
ihrer Enttarnung und vorübergehenden Inhaftierung Sonja Suder und
Christian Gauger. Sonja Suder ist mittlerweile 77 Jahre alt, Christian
Gauger 68. Sie waren schon vor ihrer Flucht von 1978 ein Paar. Es ist
das erste Mal, dass sie mit der deutschsprachigen Presse sprechen. Es
gibt Tee und Gebäck zum Gespräch. Ihre Wohnküche ist
keine sechzehn Quadratmeter gross.
Wie ist das, wenn man deutsche Firmen wegen ihrer
Geschäfte
mit dem Apartheidstaat Südafrika attackiert, dann abtaucht, ein
klandestines Leben in Frank reich führt, um Jahrzehnte später
enttarnt und verhaftet zu werden? Suder und Gauger lächeln.
Darüber reden sie nicht. Die beiden suchen das Gespräch mit
der WOZ unter der Voraussetzung, dass sie keine Fragen beantworten
müssen, die für die Verfahren juristisch relevant sein
könnten. Sie sagen nicht, ob und, wenn ja, wofür sie
Verantwortung tragen.
Wie lange leben Sie schon im Exil?
Suder: Seit 1978.
Sie haben vorher in Frankfurt am Main gelebt?
Suder: Ja, ich hab Medizin studiert. Als wir weg sind, war
ich
fast fertig.
Und Sie, Herr Gauger?
Christian Gauger: Ich hab auch in Frankfurt gelebt. Ich
hatte ein
Diplom in Psychologie und bei den Sonderpädagogen an der Uni
gearbeitet.
Gauger mustert den Journalisten. Er nippt an seiner Tasse,
ist
konzentriert und ruhig. Sein schneeweisses Haar hat er hinten zu einem
Zopf zusammengebunden, das Gesicht rahmt ein kurz geschnittener
weissgrauer Bart. Mit seinem Blümchenhemd und dem leichten
hessischen Dialekt könnte er direkt aus einem Antiquariat in
Frankfurt-Bockenheim marschieren. Sonja Suder hat die
Gesprächsführung. Ihre 77 Jahre merkt man ihr nicht an. Eine
agile, lebhafte und spontane Persönlichkeit mit resoluter Stimme,
schwarz und sportlich gekleidet, und mit kürzerem, dunklem Haar.
Das Zimmer in St. Denis ist mit ge brauchten
Holzmöbeln
eingerichtet, gemütlich und einfach, so wie man es aus vielen
Wohngemeinschaften der Alternativszene kennt. Neben Büchern fallen
unzählige Messerbänkchen in den Regalen auf.
Messerbänkchen benutzt man zur Ablage des Bestecks zwischen den
Gängen, um den Tisch nicht zu beschmutzen. Sie sind aus Porzellan
und Edelmetall, aus verschiedenen Mineralien, schlicht oder kunstvoll
gefertigt. Christian Gauger erzählt langsam, fast schleppend. 1997
hatte er einen Herzinfarkt und musste wiederbelebt werden.
Wie haben Sie Ihre Festnahme im Jahr 2000 erlebt?
Suder: Wir waren gerade in Paris und sind aus dem Hotel
rausgekommen. Es ging alles sehr schnell: Hände hoch! Und dann
Arme und Gesicht zur Wand.
Französische Polizei?
Suder: Ja. Französische Polizei.
Keine Deutschen dabei?
Suder: Nein, erst später im Bullenrevier, da waren
dann auch
Deutsche dabei. Die haben sich zwar nicht sehen lassen, du hast sie
aber gehört, wie sie miteinander sprachen.
Ist es Ihnen wichtig, dass wir von "Bullen" reden?
Suder (lacht): Nein, wir können auch Polizei sagen.
Hatten Sie damit gerechnet, geschnappt zu werden?
Suder: Nicht zu diesem speziellen Zeitpunkt, auch wenn du
eine
Einstellung zu deinem Leben hast, als könne es jederzeit
passieren. Man weiss ja nie, was gerade tatsächlich läuft.
Insofern rechnest du prinzipiell damit.
Also, es gab keinerlei konkrete Hinweise, die Sie
bemerkten?
Suder: Nein. Obwohl die sicher schon eine Weile an uns
dran waren.
Wissen Sie, wie man Sie nach 22 Jahren aufspüren
konnte?
Suder: Es ist unklar. Wir hatten damals ein Treffen mit
einer
Verwandten. Vielleicht hat sich die Polizei irgendwie an sie
drangeklemmt.
Meinen Sie, Sie hatten die ganzen Jahre ein
Zielfahndungskommando
am Hals?
Suder: Ich glaube nicht. Bis zu den Aussagen von
Hans-Joachim
Klein 1998/99 waren wir zeitweise wohl nicht einmal europaweit zur
Fahndung ausgeschrieben. Das muss sich danach geändert haben.
Bis 1999 gab es keinen internationalen Haftbefehl?
Suder: Nein, das sagen unsere Anwälte. Deswegen haben
wir
wahrscheinlich auch vorher unsere Ruhe gehabt.
Herr Gauger, Sie halten sich sehr zurück?
Möchten Sie
an unserem Gespräch nicht richtig teilnehmen?
Gauger: Ich habe an vieles keine eigene Erinnerung. Ich
hatte
einen Schlaganfall und lag im Koma.
Wann war das?
Suder: 1997.
Gauger: Ich hatte einen Herzstillstand. War praktisch tot.
Sonja
hat mich wiederbelebt. (Herzstillstand und die damit einhergehende
Beeinträchtigung von Gehirn und Erinnerungsvermögen
bestätigen medizinische Gutachten aus Frankreich.)
War Ihre falsche Identität so gut, dass Sie
ärztliche
Betreuung in Anspruch nehmen konnten?
Suder: Mussten! Allein wegen der Kontrolle und der
Medikamente.
Die Rehabilitation hab ich dann selber mit ihm gemacht. Das war schon
eine sehr blöde Situation.
Und Sie flogen nicht auf?
Suder: Nein. Manchmal hat man zwar tief Luft geholt, aber
bei
unserem Alter, da sind die Leute nicht mehr so misstrauisch.
Gauger: Ich hatte meine Erinnerung vollständig
verloren.
Aber Sonja Suder haben Sie wie dererkannt?
Suder: Was mich auch gewundert hat, muss ich sagen.
Gauger: Aber ich hab vorher nicht gewusst, dass sie
existierte,
erst als sie ins Zimmer zurückkam, hab ich sie erkannt.
Was ist das für ein Gefühl, wenn man alles
vergessen
hat, im Untergrund lebt und einer einzigen Person vertrauen muss, die
einen lehrt, wer man ist?
Gauger: Da kam irgendwann die Furcht: Oh Scheisse, was
ist, wenn
ich jetzt blöd bleibe. Als ich diese Furcht bekam, war das aber
auch zugleich der Punkt, an dem ich merkte, dass ich jetzt wieder
selber denken kann.
Sonja Suder musste Ihnen auch erzählen, weswegen Sie
im
Untergrund lebten?
Gauger: Ja. Aber ich weiss natürlich nicht, ob sie
mir alles
erzählt hat. Das weiss ich einfach nicht.
Suder: Das kannst du ja auch nicht. Du kannst nicht ein
ganzes
Leben erzählen. Wenn jemand fragt und wenn man mit bestimmten
Reha-Büchern arbeitet, kann man einiges wiedererzählen, aber
man darf ja auch einen Kopf nicht überhäufen. Das geht
Stückchen für Stückchen.
1997 und 2000 - zwischen Herzstillstand und Verhaftung lag
gar
nicht so viel Zeit.
Suder: Ja, aber sein Gesundheitszustand war wieder stabil.
Allerdings fragt mich Christian bis heute nach Dingen aus seiner
Vergangenheit, und wir setzen die Rehabilitation praktisch fort.
Sie wurden nach der Verhaftung sofort getrennt?
Suder: Ja, sofort.
Haben Sie noch Familie in Deutschland?
Suder: Ja. Wir haben beide zu unseren Schwestern Kontakt.
Herr Gauger, dann können Sie also jetzt
selbstständig
überprüfen, ob es stimmt, was Ihnen Frau Suder erzählt
hat?
Gauger: Ja, zumindest das ist leichter geworden.
Wie fühlten Sie sich bei den Vernehmungen nach der
Verhaftung?
Suder: Wenn du vorher ausgemacht hast: "Wenn einmal was
passiert,
dann kein Wort, keine Aussage", dann hast du ein sehr sicheres
Gefühl.
Wie lange waren Sie beim ers ten Verfahren 2000/01 in
Untersuchungshaft?
Suder: Nicht ganz drei Monate. Chris tian sass in Paris,
das
Frauengefängnis war ausserhalb.
War dies Ihr erster Aufenthalt im Gefängnis?
Suder: Ja, ich war Ende 60, Christian Anfang 60.
Wie war das im Gefängnis?
Suder: Man sagt, die französischen seien die
schrecklichsten
Gefängnisse der Welt. Aber ich kann das nicht sagen. Ich kam in
eine Zelle und hatte ganz normalen Hofgang. Ich bin gleich auf ein paar
Baskinnen gestossen. Von da an wurde mir alles, was ich brauchte, wie
von allein organisiert, natürlich unter der Hand. Ich war also
gleich ein bisschen privilegiert. Diese Solidarität war
faszinierend.
Was war das Belastendste im Gefängnis?
Suder: Eigentlich der Krach. An jedem Zugang sind
Eisentüren, die permanent aufgeschlossen und wieder zugeknallt
werden. Das ist ein fortwährendes Knallen. Ein unglaublicher
Krach. Das Eingeschlossensein selber war für mich nicht so
schlimm, da befasst du dich ja auch vorher schon ein wenig damit. Du
musst sofort schauen, dass man etwas tun kann, Sport treiben, lesen.
Herr Gauger, wie ging es Ihnen?
Gauger: Beim Hofgang ist gleich einer auf mich zugekommen.
Der
wusste schon Bescheid. Da war ich dann immer mit dem und noch einem
anderen zusammen beim Hofgang. In der Zelle waren wir zu dritt.
Unangenehm waren die Stockbetten. Im dritten oben, das ist doch ganz
schön hoch, da kann dir schwindlig werden. Ansonsten: Mäuse
und Kakerlaken, das sind doch Haustiere. Besser als eine weiss
gekachelte Einzelzelle, wo du niemanden siehst und hörst.
Was denkt man, wenn man nach mehr als zwanzig Jahren im
Exil
verhaftet wird?
Suder: Jetzt hats uns doch noch er wischt.
Gauger: Und ich hab gedacht: Das muss doch nicht sein.
Sie wissen, was Ihnen konkret vorgeworfen wird?
Suder: Drei Anschläge, zwei gegen das Atomprogramm
des
damaligen Apartheidregimes in Südafrika und ein Anschlag gegen die
Stadtsanierung in Heidelberg. Und mir zusätzlich Wien. Diese
Opec-Geschichte. Und damit die Behauptung: Beihilfe zum Mord. In
Frankreich wäre auch dies verjährt. Das Einzige, was hier
nicht verjährt, sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Überraschte Sie der Vorwurf der Beteiligung am
Opec-Anschlag?
Suder: Ja.
Hans-Joachim Kleins Festnahme im Jahr 1998 kam genauso aus
heiterem Himmel wie seine Behauptungen von einer Tatbeteiligung Suders.
Klein hatte im Dezember 1975 einem Kommando unter Führung von
Ilich Ramírez Sánchez, genannt "Carlos", angehört,
das in Wien für den Tod von drei Menschen verantwortlich war. Dem
bei der Aktion selber angeschossenen Klein gelang mit anderen
Kommandomitgliedern und Opec-Ministern als Geiseln die Flucht.
Auf Nachfrage bestätigt die Staatsanwaltschaft
Frankfurt
heute, dass es bis 1999 und abgesehen von Kleins Aussagen keinerlei
Hinweise gegeben habe, Suder könnte in die frühe Phase der RZ
bis 1976 (vgl. Text "Die Revolutionären Zellen") involviert
gewesen sein. Klein bezichtigte 1999 aufgrund von Fotos, die man ihm
vorlegte, auch andere Personen, am Wiener Opec-Überfall beteiligt
gewesen zu sein. Etwa Rudolf Schindler, dem deswegen bereits 2001 vor
dem Landgericht Frankfurt der Prozess gemacht wurde. Entgegen Kleins
Aussagen wurde Schindler jedoch vom Vorwurf der Mittäterschaft
freigesprochen. Das Gericht bezweifelte Kleins
"Identifizierungssicherheit bei der Lichtbildvorlage vom 2.9.1999". Bei
dieser beschuldigte er neben Schindler auch Suder, "obwohl er
diesbezüglich zuvor nie von einer weiteren Frau gesprochen hat",
befand das Gericht schon 2001. Ausser Kleins Aussagen hat die
Staatsanwaltschaft auch heute in Sachen Opec nichts gegen Suder in der
Hand.
Frau Suder, Herr Gauger, kam Ihnen in all den Jahren nicht
auch
einmal in den Sinn: Die Geschichte liegt so lange zurück, was soll
das, wir wollen zurück nach Deutschland und stellen uns der
Vergangenheit?
Suder: Also mir nicht. Und dir, Christian?
Gauger: Doch, wenn die Haftbefehle aufgehoben worden
wären.
Suder: Sehr witzig. Jetzt ist aber klar: Sollte Frankreich
dem
Auslieferungsbegehren stattgeben, werden wir uns dem Verfahren in
Deutschland stellen.
Die Gruppierung, der Sie angehört haben sollen, hat
sich
Anfang der neunziger Jahre endgültig aufgelöst. Hatte das
zuletzt irgendwelche Auswirkungen auf das Verfahren?
Suder: Juristisch keine. Nachdem die neue
EU-Rechtsprechung kam,
wurden wir 2007 ein zweites Mal in Frankreich verhaftet. Christian
für vierzehn Tage und ich für einen Monat. Und seit 2009
müssen wir täglich mit der Auslieferung rechnen, obwohl das
französische Gericht eine Auslieferung 2001 bereits abgelehnt
hatte.
Nach Ihrer Enttarnung im Jahr 2000 und der Niederschlagung
des
Auslieferungsverfahrens lebten Sie in Paris erstmals wieder legal. Wie
war das für Sie?
Suder: Wenn du ständig mit einer vor getäuschten
Biografie lebst, kannst du keine wirklichen Freundschaften aufbauen.
Wir lebten all die Jahre eher zurückgezogen. In Paris hatten wir
zunächst gar keine Kontakte. Unsere Anwältin hatte dann
für uns einen italienischen Genossen aufgetrieben, damit wir
überhaupt eine Wohnadresse vorweisen konnten, um aus dem
Gefängnis rauskommen zu können. Wir waren schnell integriert
in die grosse italienische Exilszene um die geflüchteten
Militanten aus den Siebzigern, mit ihren Diskussionen und Festen. Sie
sind sehr solidarisch. Da haben wir viel Glück gehabt.
--
Die Revolutionären Zellen
Die Revolutionären Zellen (RZ) sind Anfang der
siebziger
Jahre in Westdeutschland entstanden. In den achtziger Jahren
verübten die RZ (und ihr feministischer Ableger Rote Zora)
zahlreiche Anschläge mit Sachschäden; so gegen Rüstungs
betriebe und Immigrationsbehörden. Die Vorwürfe der
RZ-Mitgliedschaft gegen Sonja Suder und Christian Gauger (vgl.
Haupttext) reichen in die Jahre 1977/78 zurück. In dieser Phase
sollen sie an drei kleineren Anschlägen beteiligt gewesen sein.
1999 behauptete der in Frankreich festgenommene
Hans-Joachim
Klein jedoch, Sonja Suder habe auch bei der Waffenbeschaffung für
den Opec-Überfall 1975 in Wien geholfen. Bei dem Überfall auf
die Konferenz der erdöl exportierenden Staaten waren drei Menschen
umgekommen. Die Aktion stand unter der Führung von Ilich
Ramírez Sánchez, genannt Carlos. Dem bei dem
Überfall angeschossenen Klein gelang mit anderen
Kommandomitgliedern und Opec-Ministern als Geiseln die Flucht. Die
Aktion fällt wie die Entführung einer Air-France-Maschine
1976 nach Entebbe in die Frühphase der RZ. Bei der
deutsch-palästinensischen Aktion in Entebbe starben Wilfried
Böse und Brigitte Kuhlmann, die als Köpfe der frühen RZ
gelten.
Die RZ formierten sich nach 1976/77 neu und gingen auf
Distanz zu
nahöstlichen Gruppierungen und Gestalten wie Carlos. Sie
kritisierten Antiamerikanismus und Antizionismus in der
antiimperialistischen Linken und propagierten Anschläge, die keine
Todesopfer fordern sollten.
Die RZ agierten bis 1992 am Rande der autonomen Bewegungen
und
wurden auch als "Feier abendterroristen" bezeichnet. Im Gegensatz zur
Roten Armee Fraktion und der Bewegung 2. Juni waren ihre
Mitglieder unbekannt und lebten in bürgerlichen Doppel existenzen.
Die RZ waren für den Staatsschutz schwer einschätzbar, nicht
zuletzt weil sie ohne erkennbare Steuerung agierten. Bis zu den
späten Aussagen der Kronzeugen Hans- Joachim Klein im Jahr 1999
und Tarek Mousli (ab 2000 in Berlin) wussten die Behörden so gut
wie nichts über die Struktur der RZ.
Andreas Fanizadeh
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RECHTER OSTEN
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WoZ 15.4.10
Sachbuch
"Alles wird zugeschminkt"
Rechtsextremismus in Osteuropa - In Ungarn hat die
faschistoide
Jobbik bei den Wahlen massiv Stimmen geholt. Die Rechte in Osteuropa
gewinnt immer mehr Einfluss, ihre Wut richtet sich gegen Roma,
Jüdinnen und Homosexuelle. Das Buch "Aufmarsch" beleuchtet die
Szene.
Von Susan Boos
Ungarn hat am Wochenende gewählt - rechts
gewählt.
Viktor Orban erhielt mit seiner nationalkonservativen Partei Fidesz 53
Prozent der Stimmen, die faschistoide Jobbik brachte es auf 17 Prozent.
Das ist, wie wenn die SVP im eidgenössischen Parlament die
absolute Mehrheit bekäme und die rechtsextreme Pnos fast ein
Fünftel aller Stimmen holen würde.
Bernhard Odehnal, Osteuropakorres pondent des
"Tages-Anzeigers",
verfolgt seit mehreren Jahren die rechtsextremen Szenen Osteuropas. Vor
kurzem gab er zusammen mit dem Journalisten Gregor Mayer das Buch
"Aufmarsch - Die rechte Gefahr aus Osteuropa" her aus. Im ersten
Kapitel beschäftigen sich die beiden Autoren detailliert mit
Ungarn und zeichnen den Aufstieg der rechten Parteien und Bewegungen
detailliert nach. Sie zitieren den ungarischen Schriftsteller und
Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz, der als Jugendlicher
die Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau überlebte. Sein
"Roman eines Schicksallosen" ist wohl eines der eindrücklichsten
Bücher, die über den Holocaust geschrieben wurden.
Die Heimat sind wir
Kertesz ist inzwischen nach Berlin ausgewandert, über
sein
Heimatland sagt er: "Rechtsextreme und Antisemiten haben das Sagen. Die
alten Laster der Ungarn, ihre Verlogenheit und ihr Hang zum
Verdrängen, gedeihen wie eh und je. Ungarn im Krieg, Ungarn und
der Faschismus, Ungarn und der Sozialismus: Nichts wird aufgearbeitet,
alles wird zugeschminkt mit Schönfärberei."
Und jetzt hat Orban wieder gewonnen. Von 1998 bis 2002
hatte er
das Land schon einmal regiert. Ursprünglich war er als
Bürgerlich-Konservativer angetreten, entpuppte "sich während
seiner Amtszeit aber zunehmend als rechter Populist", schreiben Odehnal
und Mayer. 2002 verlor Orban die Wahl, akzeptierte die Niederlage aber
nicht und mobilisierte seine AnhängerInnen. "Auf diesen von einer
Atmosphäre der messianistischen Heilserwartung getragenen
Kundgebungen liess er den ungeheuren Satz fallen: ‹Die Heimat kann
nicht in der Opposition sein!› Die Heimat: das waren er und sein Lager,
während die ‹anderen›, die ‹Roten›, die Nichtchristen und - was
dann immer mitschwingt - die Juden nicht zu dieser Heimat gehören
sollen", schreiben die beiden Autoren.
Im Windschatten von Orbans Fidesz gedieh die extreme
Rechte
prächtig. Sie ging verbal und physisch vor allem auf die Roma los.
Zwischen Juli 2008 und August 2009 überfielen Rechte
systematisch entlegene Romasiedlungen, zündeten Häuser
an und schossen auf die Familien, die vor den Flammen flohen. Sechs
Menschen wurden um ge bracht, darunter ein fünfjähriges Kind.
Verbote schaden
Das Buch enthält Kurzbiografien der wichtigsten
rechtsextremen Exponent Innen. Auffallend ist: Sie sind alle relativ
jung und gut ausgebildet. Zum Beispiel Gabor Vona, 32-jährig,
Geschichtslehrer und Chef der Jobbik ("Die Besseren"), die auch eine
paramilitärische Truppe unterhält, die Ungarische Garde. Als
Viktor Orban 2002 abgewählt wurde, nahm er Vona in seinen
"Bürgerkreis" auf. Dieser Bürgerkreis war ein e
ausserparlamentarische Bewegung, die den Sturz der gewählten
linksliberalen Regierung zum Ziel hatte. Vona setzte sich dann aber
bald wieder ab. Seit 2006 präsidiert er nun die Jobbik. Vona hetzt
gegen JüdInnen und Roma - und mit diesen beiden Themen macht die
Jobbik seit Jahren Stimmung. Erfolgreich, wie die jetzigen Wahlen
zeigen.
Das Buch geht auch den rechten Bewegungen in Tschechien,
der
Slowakei, in Kroatien, Serbien und Bulgarien nach. In allen
Ländern scheinen die Rechten nicht nur an Einfluss zu gewinnen,
sie radikalisieren und militarisieren sich auch: Aufmärsche und
Anschläge gehören zum Alltag, und immer richtet sich die
rechte Wut gegen Roma, Homosexuelle und JüdInnen.
Der Staat reagiert unterschiedlich auf die rechte
Mobilisierung.
In Tschechien versuchte zum Beispiel im Frühjahr 2009 die
Regierung, die rechts extreme Arbeiterpartei zu verbieten. Das
Verfahren wurde aber so dilettantisch angegangen, dass das Gericht den
Verbotsantrag mangels Beweisen ablehnte - was die Bewegung
nur noch stärkte. Verbote sind ohnehin heikel. In der Slowakei, wo
die Rechte in gewissen Regionen unverschämt offen agiert, lehnt
zum Beispiel die Menschenrechtsorganisation Menschen gegen Rassismus
schärfere Gesetze explizit ab. Das Verbot von Symbolen und
Meinungen zwinge die Neonazis, ihre wahren Ansichten und Absichten zu
verschleiern: "Sie treten dann als gemässigter auf, als sie
wirklich sind. Das macht sie nur gefährlicher", argumentiert ein
Vertreter der Organisation.
Gegen AusländerInnen - zum Glück
Odehnal und Mayer haben eine unglaubliche Arbeit
geleistet, weiss
man doch bislang relativ wenig über die rechte Szene in Mittel-
und Osteuropa. Das Buch lässt einen aber auch ein bisschen ratlos
zurück - mit einem wilden Wust von Namen und Daten. Die Rechten
marschieren zwar überall auf, doch eigentlich tun sie das schon
seit Jahren. Werden sie gefährlicher? Warum? Eine breitere Analyse
fehlt - es gibt keinen Ländervergleich, keine Einordnung, keine
übergreifende Einschätzung. Die Lektüre hinterlässt
das schale Gefühl eines braunen Gebildes, das sich diffus, doch
unaufhörlich ausbreitet. Ein bedrohliches Gefühl - da
hätte man gerne mehr darüber gelesen, wie der Teil der
Gesellschaft dem begegnet, der der rechten Propaganda noch nicht
erlegen ist.
Entlastend wirkt nur die Erkenntnis, die in allen Kapiteln
aufscheint: Die Rechte tut sich schwer, sich über die Grenzen
hinweg zusammenzuschliessen. Das ist - zum Glück - das
Grundproblem der extremen NationalistInnen: Sie mögen keine
AusländerInnen und können deshalb nicht mit ihren
NachbarInnen marschieren. Die rechten UngarInnen hassen nicht nur die
Roma, sie hassen auch die SlowakInnen - und umgekehrt. Deshalb schafft
es die faschistoide Rechte nicht, sich international zu vereinen,
obwohl sie überall dieselbe rassistische und antisemitische
Ideologie pflegt. Unheimlich, sich vorzustellen, was wäre, wenn
dem nicht so wäre.
Gregor Mayer, Bernhard Odehnal: "Aufmarsch - Die rechte
Gefahr
aus Osteuropa". Residenz Verlag. St. Pölten/Salzburg 2010. 304
Seiten. Fr. 37.90.
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ANTIFA@ISLAND
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WoZ 15.4.10
Medientagebuch Von Jan Jirát
Unter Geysiren
Von Jan Jirát
Auch JournalistInnen haben ihre Traumdestinationen. Wer
auf
Fussball steht, träumt von Barcelona oder Schaffhausen (das nennt
sich dann Albtraum), wer Kunst liebt, von New York oder London, und
Modebegeisterte zieht es nach Paris oder Mailand. Das könnte sich
schon bald ändern. Ein Land, das bisher allenfalls für Musik-
oder ReisejournalistInnen von Interesse war, schickt sich nämlich
an, zu einer Oase des investigativen Journalismus zu werden.
Island steht kurz davor, ein neues Mediengesetz zu
verabschieden,
das die nordatlantische Insel zu einer Art Freihafen der
internationalen Publizistik machen könnte. Das Gesetz soll
künftig Informationsfreiheit, freie Meinungsäusserung sowie
einen umfassenden Quellenschutz garantieren. Vor allem sogenannte
Whistleblower, die Missstände, Korruption oder illegalen Handel
publik machen, sollen besser geschützt werden. Gleichzeitig sollen
die gedruckte Presse und Onlinepublikationen vor ruinösen
Verleumdungsklagen bewahrt werden. Island wäre das
pressefreundlichste Land der Welt.
Wegbereiter dieses Mediengesetzes ist die Icelandic Modern
Media
Initiative (IMMI) - eine unabhängige und parteiübergreifende
politische Bewegung, die von internationalen ExpertInnen
unterstützt wird. Die IMMI hat dem isländischen Parlament
Mitte Februar einen Entwurf des Mediengesetzes vorgelegt; zehn Tage
später hat das Parlament dem Entwurf ohne Gegenstimme zugestimmt.
Nun muss die Regierung ein Gesetz ausarbeiten.
Das neue Mediengesetz entsteht nicht zufällig in
Island.
Begonnen hat alles 2004, als die damalige Regierung unter
Ministerpräsident David Oddsson die vollständige
Liberalisierung des Finanzplatzes beschloss. Das führte im Herbst
2008 beinahe zum Staatsbankrott. Im Sommer darauf gelangte ein interner
Bericht der damals grössten isländischen Bank Kaupthing an
die Website Wikileaks, der schockierende Details über die
Machenschaften von zuständigen Bankerinnen und Politikern
enthielt: Als die Bank bereits verstaatlicht, ihr Zusammenbruch aber
gleichwohl nur noch eine Frage der Zeit war, wurden in aller Eile
ungedeckte Kredite in der Höhe von fünf Milliarden Euro an
Begünstigte vergeben. Als das staatliche Fernsehen diese brisanten
Details im Juli 2009 veröffentlichen wollte, verhinderte Kaupthing
das mit einer gerichtlichen Verfügung. Die ZuschauerInnen bekamen
damals statt eines Berichts die Internetadresse von Wikileaks zu sehen,
wo der Bericht für alle zugänglich war.
Der Kaupthing-Skandal ebenso wie der drohende
Staatsbankrott
haben bei den IsländerInnen das Bedürfnis nach einer freien
Berichterstattung geweckt. Während andere Länder, die
wirtschaftlich von ihrem Finanzplatz abhängig sind, so
weiterfahren, als hätte es die Wirtschaftskrise nicht gegeben, ist
in Island Anfang dieser Woche ein 2000 Seiten umfassender,
unabhängiger Untersuchungsbericht zur verheerenden Allianz von
Banken und Regierung erschienen. Das Land ist bereit, sich neu zu
definieren: als "Schweiz der Bits", wie es die deutsche "tageszeitung"
formulierte, wo statt Schwarzgeldkonti eben relevante Daten sicher
aufbewahrt sind.
Neben der neu entdeckten Liebe für den
Qualitätsjournalismus liegen der Idee des neuen Mediengesetzes
aber auch handfeste ökonomische Überlegungen zugrunde:
Internationale Medienunternehmen sollen künftig von Island aus
operieren. Die Infrastrukturen dafür sind vorhanden: Die Insel
besitzt moderne Glasfaserkabel nach Europa und Amerika, und die
benötigte Energie wäre dank Wasser- und Windkraft sowie
Geothermie sogar emissionsfrei vorhanden. Ausserdem weisen die
IsländerInnen einen hohen Bildungsgrad auf und beherrschen in der
Regel die unverzichtbare englische Sprache.
Noch steht das Gesetz nicht, und doch zieht es bereits die
ersten
Organisationen auf Island ins Asyl: Die Autonome Antifa Freiburg hat
letzte Woche in einem Communiqué verlauten lassen, ihren
bisherigen deutschen Provider gegen einen isländischen
auszutauschen, um so der "wiederholten Zensur durch die politische
Polizei" zu entgehen.
Jan Jirát ist Auslandredaktor der WOZ.
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CHIAPAS
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Radio Blau (Leipzig) 15.4.10
frauen in chiapas und in der ezln
interview mit einer aktivistin in einer frauenorganisation in
chiapas
zur lage der frauen in chiapas. chiapas ist der distrikt mit den
meistem morden an frauen in mexiko. des weiteren gibt es ein neues,
verschärftes abreibungsgesetz.
ausserdem wird über frauen in der guerilla berichtet.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100415-fraueninch-33466.mp3
--
die ezln 16 jahre nach dem aufstand
interview mit lutz von der gruppe basta aus münster zur
ezln und
der aktuellen lage in chiapas.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100415-dieezln16-33465.mp3
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FEMINISMUS & WIRTSCHAFT
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Rundmail 15.4.10
Wirtschaft anders denken
Liebe WIDE-Mitglieder, liebe Interessierte
Ich möchte euch nochmals auf die beiden Veranstaltungen mit
Eva
Klawatsch-Treitl, Ökonomin, WIDE Österreich, hinweisen: Eva
Klawatsch-Treitl arbeitet in verschiedenen Zusammenhängen mit
Economic Literacy als Empowerment-Methode. Sie engagiert sich bei WIDE
Österreich und bei JOAN ROBINSON, dem Verein zur Förderung
frauengerechter Verteilung ökonomischen Wissens, und ist
Co-Autorin des neuen Handbuchs "Feministische
Wirtschaftsalphabetisierung. Wirtschaft anders denken!".
Donnerstag, 22. April 2010, 20.00-21.30 Uhr / cfd,
Falkenhöheweg
8, 3012 Bern
Economic Literacy: Entschleiern - Empowern - Handeln
Eva Klawasch-Treitl stellt die Methode der Economic Literacy
vor,
berichtet von ihren Erfahrungen in der Arbeit mit diesem Ansatz und
präsentiert das Handbuch "Feministische
Wirtschaftsalphabetisierung ". Welche Möglichkeiten gibt es in der
Schweiz, um mit Economic Literacy zu arbeiten? Welche Politikfelder
bieten sich an? Um solche Fragen geht es in der anschliessenden
Diskussion.
21.30 Uhr: Cheers auf 1 Jahr WIDE Switzerland
Freitag, 23.April 2010, 10.00 - 14.00 Uhr / Helvetas,
Weinbergstrasse
22a, 8021 Zürich
Economic Literacy angewandt: Workshop
Am Beispiel "Was ist der Preis für unser Essen?" vermittelt
dieser
Workshop einen Geschmack vom Methodenansatz "Economic Literacy". Er
bietet Raum, das eigene Erfahrungs- und Theoriewissen einzubringen und
Handlungsmöglichkeiten auf der Projekt- und Politikebene zu
entwickeln.
Das Angebot richtet sich an Frauen und Männer, die sich
für
Genderfragen in der Ökonomie interessieren und diesen Fokus
stärken möchten - im Alltag und in ihrer Tätigkeit, z.B.
in der Entwicklungszusammenarbeit, der Sozialpolitik, der
Migrationspolitik, der Erwachsenenbildung und der Gewerkschaftsarbeit.
Kosten inkl. Sandwich Lunch: Fr 40.- / Fr. 20.- für WIDE
Mitglieder/Wenigverdienende
Anmeldung bis 19. April 2010 an info@wide-network.ch
---
Radio Dreyeckland (Freiburg) 12.4.10
Interview mit Nancy Fraser zu Ihrem Vortrag "Die Krise des
Kapitalismus"
"Die Krise des Kapitalismus: Markt, soziale Absicherung,
Emanzipation".
So hiess der Vortrag von Nancy Fraser am gestrigen Sonntag im Theater
Freiburg. Eingeladen war sie zu Reihe "Capitalism Now" des Freiburger
Theaters in Zusammenarbeti mit dem Carl-Schurz Haus. Nancy Fraser, die
als eine der derzeit bekanntesten Feministinnen in den USA gehandelt
wird, versucht in Ihrem Vortrag unter anderem, Zusammenhänge
zwischen der Feministischen Bewegung und den Ökonomischen
Veränderungen seit den 60er jahren aufzuzeigen. Wir hatten die
Gelegenheit nach dem Vortrag ein kurzes Interview mit ihr zu
führen.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100415-interviewmi-33468.mp3
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ANTI-FEMINISMUS
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Weltwoche 15.4.10
"Der Feminismus wird sterben"
Der renommierte Familienforscher Gerhard Amendt forderte
die
Schliessung von Frauenhäusern und wird seither bedroht. Er
kritisiert die verheerenden Auswirkungen des weiblichen Opferstatus und
die intellektuelle Verödung der Feministinnen.
Von Franziska K. Müller und Peter Rigaud (Foto)
Herr Amendt, als Sie kürzlich beim
Männerkongress in
Düsseldorf sprachen, standen zwei Bodyguards an Ihrer Seite:
Wurden Sie bedroht?
Ja, man wollte meine Teilnahme verhindern. Es gibt eine
feministische Fraktion, die von der freien Meinungsäusserung
nichts zu halten scheint. Die auch durch Wissenschaftlerinnen
ausformulierten Drohungen gegen meine Person waren insofern befremdend,
als sie zeigten, dass das Streitgespräch nicht zu deren
Wissenschaftsverständnis gehört, sondern das Kuschen und das
Kleinbeigeben. Natürlich erhalte ich aus der radikalfeministischen
Ecke auch seit Jahren Post mit Gewaltdrohungen. Man versucht mich
mundtot zu machen, um meine Positionen nicht diskutieren zu müssen.
Mit welchen Thesen machen Sie sich denn besonders
unbeliebt?
Meine Sicht der Geschlechterverhältnisse galt -
zumindest in
den vergangenen zwanzig Jahren - als ungewöhnlich, weil ich Frauen
und Männer als Beziehungspartner betrachte und nicht a priori als
Feinde. Dieser Ansatz deutet aber auch auf ein Frauenbild hin, das der
feministischen Ideologie widerspricht. Dort ist die Frau immer das
Opfer, zu keinen schlechten Taten fähig und unter dem Strich ein
wehrloses Wesen. Das ist unhaltbar, wie wir aufgrund der empirischen
Forschung wissen. Ganz zu schweigen von der Alltagserfahrung.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Sie
kritisieren den
Feminismus, nicht aber die Frauenbewegung?
Das sind für mich zwei völlig unterschiedliche
Paar
Schuhe. Die Frauenbewegung, der die Gleichstellung zu verdanken ist,
schuf Gutes. Diese Frauen wollten eine befreite Sexualität,
gleichberechtigte Beziehungen, Bildung und berufliche
Möglichkeiten. Sie wollten aus eigener Kraft selbständig und
eigenständig werden, und was man nicht realisieren konnte, nahm
man auf die eigene Kappe. Das waren anpackende, eigenverantwortliche
Persönlichkeiten. Die grosse Mehrheit der heutigen Frauen ist in
diesem Geist gross geworden und hat diese Werte verinnerlicht. Die
jammern nicht rum, sondern machen einfach. Der Feminismus hingegen
entspricht zweierlei: der Verweigerung von Eigenverantwortung und der
Zuweisung der Schuld für eigenes Versagen an die Männer.
Viele Frauen, die sich heute als Feministinnen verstehen,
fühlen sich in Wirklichkeit also den Idealen der Frauenbewegung
verpflichtet?
So ist es. Eine feministische Bewegung gab es nie, es gab
allenfalls feministische Zirkel. Der Feminismus ist die Gegenbewegung
zur Frauenbewegung, man könnte auch sagen, er verkörpere das
Zurückschrecken vor den neugewonnenen Freiheiten, vor denen sich
eine lautstarke Minderheit fürchtete, weil sie keine
Eigenverantwortung wollte. Die neue Verantwortung wurde dadurch
umgangen, dass der Mann als Ursache allen Übels verteufelt wurde.
Es wurde die Ideologie propagiert, dass Frauen diesen brutalen
Geschöpfen wehrlos gegenüberstünden und dagegen nichts
ausrichten könnten. Deshalb seien sie auf staatliche Hilfe
angewiesen: So entstanden Quotenregelungen, verordnete Lohngleichheit
und Tausende von Gleichstellungsbüros, die beim kleinsten Pieps
der Frauen ein Riesenlamento vollführen und "Diskriminierung"
schreien. Die Feministinnen sind meiner Meinung nach der
übriggebliebene, eigentlich der gescheiterte Teil der
Frauenbewegung.
Sie behaupteten auch schon, beim Feminismus handle es sich
um ein
antidemokratisches System, in dem Ideologien ungehindert verbreitet
werden dürfen.
Auch andere Wissenschaftler, die zu Schlüssen kommen,
die
den Feministinnen nicht genehm erscheinen, sind vielfältigen
Verhinderungstaktiken ausgesetzt, die ich sogar im unteren Bereich des
Totalitären anordnen würde. Es gibt heute im gesamten
deutschsprachigen Raum eine Frauenlobby, die in einem Parallelsystem
arbeiten und funktionieren darf. Frauenhäuser, Forschungsinstitute
und Frauenförderung funktionieren zumeist ausserhalb politischer,
fiskalischer und wissenschaftlicher Kontrollen. Die Begründungen
für ihre Existenzberechtigung liefern sich diese Institutionen
selbst, und eine professionelle Beurteilung ihrer Arbeit durch Dritte
findet nicht statt. Über kurz oder lang führt das zu einer
intellektuellen und politischen Verödung. Mit gesellschaftlichen
Veränderungen, neuen Ansätzen oder gar Kritik muss man sich
nicht abmühen, ein Erfolgsausweis ist überflüssig, weil
das Geld trotzdem fliesst.
Mit welchen Konsequenzen?
Obwohl die Forschung eine klare Sprache spricht, wird zum
Beispiel das gewaltsame Verhalten von Frauen innerhalb von Scheidungen
und Trennungsverfahren im feministischen Alltag ignoriert. Das
führt dazu, dass betroffene Männer, und vor allem die
Väter unter ihnen, massiv benachteiligt bleiben. Im Bereich der
häuslichen Gewalt ist es paradoxerweise so, dass die andauernde
Ignorierung von Hunderten von eindeutigen Studien, die die weibliche
Gewalt untermauern, dazu führte, dass es heute an einem
adäquaten Hilfsangebot auch für gewalttätige Frauen
fehlt.
Aus diesen Gründen fordern Sie die Abschaffung aller
500
deutschen Frauenhäuser?
Was man nicht zitierte, war mein Anschlusssatz mit der
Forderung,
im Gegenzug ein Hilfsangebot für Männer und Frauen zu
schaffen. Einrichtungen, die auf der Höhe der Zeit sind, die von
einer Gewalt ausgehen, die in Familien systemisch verankert ist und von
Männern, Frauen wie Kindern ausge- übt wird.
Sie bescheinigen dem Feminismus intellektuelle
Verödung und
gesellschaftliche Irrelevanz. Trotzdem scheint er nicht ignorierbar zu
sein.
Das ist der grosse Ärger. Die Kritik am
institutionellen
Bereich ist auch darum wichtig, weil die Vertreterinnen der
Gender-Mainstreaming-Industrie - darunter Frauenhäuser, die
Geschlechterforschung und Hunderte von feministisch geprägten
Beratungsstellen - die öffentliche Meinungsbildung weiterhin
negativ sowie falsch beeinflussen und Vorgaben machen, wie die grosse
Allgemeinheit zu denken hat. Viel Geld wird nicht optimal ausgegeben.
Inwiefern?
Themen wie die "Lohnungleichheit zwischen Männern und
Frauen" oder die oft beklagte "gläserne Decke" sind allen
präsent. Beides wird in der Zwischenzeit offiziell als Missstand
anerkannt, obwohl solche Behauptungen zumeist mit gezinkten
Forschungsergebnissen angereichert werden, die einer
Überprüfung nicht standhalten oder sich als einseitig
herausstellen. Was sagt die unabhängige Forschung? Frauen sind
miserable Lohnverhandlerinnen, sie zeigen zu wenig Durchsetzungskraft
und machen einen grossen Teil der Studienabbrecher aus. Auch viele
hochqualifizierte Frauen haben irgendwann vom Kampf an der Front genug
und ziehen sich freiwillig in den familiären Bereich zurück.
Ist eine jüngere Frauengeneration nicht so
selbstbewusst,
dass sie bei solchen Fragen keine Augenwischerei betreibt?
Doch, aber trotzdem wird der öffentliche Diskurs von
den
Klagen und Schlachtrufen einer schwächelnden Minderheit bestimmt,
die alle Geschlechtsgenossinnen gerne als ewige Opfer sehen
möchte. Die Frau wird als benachteiligt und wehrlos dargestellt
und zu einer Heiligen hochstilisiert, die nur Gutes im Sinn hat. Auf
der anderen Seite steht der Mann als ewiger Täter. Paradoxerweise
zeichnen gerade die konservativen Feministinnen diesen Mann, dem
angeblich nicht beizukommen sei, aberwitzig machtvoll. Die ideologische
Abwertung geht also mit einer klammheimlichen Verherrlichung einher.
Kurz und gut: Es sind stockkonservative Vorstellungen, die gepflegt
werden. Von Frauen, aber übrigens auch von einigen Männern
und deren politischen Vorfahren, die Frauenbewegung, Selbstbewusstsein
und gleiche Chancen proklamierten und die Ermächtigung der Frauen
betrieben.
Geht man nicht auch in anderen Bereichen davon aus, dass
die
Identität des Einzelnen von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe
herrührt?
Die Behauptung, dass Gesellschaften durch
Gruppenidentitäten
von Männern und Frauen, Weissen und Schwarzen, Türken und
Deutschen, Homosexuellen und Heterosexuellen bestimmt werden, halte ich
für äusserst gefährlich, weil sie automatisch in
Vorurteilen endet und die Ausgrenzung schürt, anstatt Probleme zu
lösen.
Dann darf man den Mann ab sofort nicht mehr anhand seiner
Hirnstruktur, seiner DNS und seines Geschlechtsteils charakterisieren?
Auch die Frauen sollten von solchen Einordnungen verschont
bleiben. Viel wichtiger als die erwähnten Merkmale sind die
sozialen und psychologischen Gegebenheiten, die den Menschen
prägen: In welchem Wohnviertel lebt er, welche Schulbildung hat
er, aus welchem Milieu stammt er? In diesem Sinn muss auch die
Geschlechterforschung dringend neue Wege gehen: weil sich die Probleme
sonst noch in hundert Jahren um Schuld und Friedfertigkeit,
Überlegenheit und Unterlegenheit drehen werden, was unter dem
Strich niemandem dient.
War die Nennung von weiblichen und männlichen
Gegensätzen nicht notwendig, damit sich althergebrachte
Rollenverständnisse überhaupt verflüssigen konnten?
Doch, und es ist auch normal, dass Neubestimmungen
bisweilen
ruppig über die Bühne gehen. Aber in den letzten Jahrzehnten
kam es zu keiner versöhnenden Annäherung über neue
Beziehungen zwischen Männern und Frauen.
Die französische Philosophin Elisabeth Badinter und
auch die
britische Frauenrechtlerin Erin Pizzey machten in der Vergangenheit
bereits auf die Versäumnisse und die negativen Auswirkungen des
Feminismus aufmerksam: Wird die innerfeministische Kritik nur ernst
genommen, wenn sie eine Frau ausspricht?
Nein. Diese Frauen werden als Verräterinnen
gebrandmarkt.
Auch andere Ikonen der modernen Frauenbewegung - beispielsweise Doris
Lessing - formulierten ihre Positionen zum Geschlechterdiskurs bereits
vor neun Jahren neu. Lessing bedauerte nicht nur die gedankenlose
Abwertung der Männer, sie erklärte auch den "Emanzenkult
für denkfaul und heimtückisch". Solche Meinungen, die man als
Aufforderung zum Nachdenken verstehen müsste, verhallten, weil man
sie nicht hören will.
Reden wir ein wenig über die Männer. Die
verpassten es
offenbar, auf den Feminismus zu reagieren?
Vor dreissig Jahren war Eigenkritik ja angebracht. Die
Söhne
warfen Wertvorstellungen über Bord, die mit der traditionellen
Männlichkeit ihrer Väter zusammenhingen, und das hat sie
freier gemacht. Später begegneten sie der feministischen
Entwicklung allerdings mit einer gewissen Arroganz. Das Schweigen der
Männer auf ihre Abwertung ist auch darum tragisch, weil sie ihre
Söhne so nicht schützen können. Heute wird das
männliche Geschlecht für alles, was sich von der modernen bis
zur archaischen Gesellschaft an Konflikten ereignete, verantwortlich
gemacht: Dazu zählen die Kälte der instrumentellen Vernunft,
zerstörte Umwelt, Diskriminierung von Frauen, Gewalt, Verlust der
Religiosität und so weiter.
Männer sind nun mal die Verursacher von Kriegen:
Wieso
stehen sie nicht einfach dazu?
Männer verursachen nicht die Kriege, sondern
gesellschaftliche Gruppen, die ihre Interessen damit verfolgen, oder
Parlamente, die Kriegshandlungen legitimieren dürfen, oder ganze
Nationen. Auch an die Front rücken nicht die Männer ein,
sondern jene Menschen, die am wenigsten Vorteile vom Krieg haben. Vor
allem die einfachen Männer verlieren dabei ihr Leben. Und ihre
Kampfmoral haben Ehefrauen und Freundinnen seit je gestärkt.
Wünschen sich die Männer insgeheim nichts mehr,
als
dass sich die Frauen wohl fühlen und zufrieden sind mit ihnen?
Vielleicht sprechen Männer auch aus diesen
Gründen auf
Anschuldigungen gut an, das zeigt bereits die Geschichte unserer
Urahnen. Wenn sie den weiblichen Ansprüchen und den Vorstellungen
von Pflichterfüllung nicht entsprachen, waren auch die Chancen auf
Sex und Nachwuchs gering. In der Zwischenzeit hat sich einiges
verändert, und die Frauen sind auf einen Versorger nicht mehr a
priori angewiesen. Aber die zwanghafte Suche nach allen möglichen
Facetten weiblicher Opferexistenz schafft neue Zuständigkeiten
für Männer. Die Aufbruchstimmung der neuen Frauenbewegung,
die auf Selbstermächtigung setzte, verwandelte sich unter der Hand
in eine depressiv gestimmte Weiblichkeit, zumindest in der Politik. Und
heute erleben viele Männer jedes Unbehagen der Frauen als Schuld
und Versagen. Und das nicht nur, wenn sie in die Arbeitslosigkeit
abstürzen. Das Selbstbild der Männer hängt erheblich von
der dauerhaften weiblichen Kritik an ihnen ab.
Vielleicht sind die Ehefrauen und Partnerinnen aus gutem
Grund
unzufrieden?
Das kann nur sagen, wer Zufriedenheit als ständige
Gabe von
Männern erwartet. Unzufriedenheit ist Ausdruck von Konflikten. Die
muss man eben gemeinsam lösen. Klar, die Männer machen Fehler
wie die Frauen. Aber wer einen Schuldigen für alle Missstände
sucht, der hält sich weder mit kritischer Selbsterforschung noch
mit der Suche nach Konfliktlösungen auf.
Wie beschreiben Sie denn das Selbstverständnis der
jüngeren Männergeneration?
Bei einem Teil ist der Profeminist, der Frauen die
Wünsche
von den Lippen abliest, durchaus hoch im Kurs. Der Profeminist sagt mit
einem erheblichen Mass an Selbstverleugnung: Die Kritik der Frauen ist
berechtigt, also kann ich als Mann nur dann sinnvoll und moralisch
sein, wenn ich mache, was die Frauen von mir erwarten. Damit wird
natürlich niemand glücklich.
Wieso nicht?
Weil gute Männlichkeit als Imitat der guten
Weiblichkeit zum
Scheitern verurteilt ist.
Sie sprechen in Ihrer Forschung von den neuen
"Muttersöhnchen". Die sind das Gegenteil des angepassten Mannes,
tragen zum häuslichen Frieden aber trotzdem nicht bei. Wen meinen
Sie damit genau?
Meine Forschung hat gezeigt, dass jede fünfte Mutter
ihren
Sohn eigentlich zu einer besseren Ausgabe ihres Ehemannes oder
Lebenspartners erzieht. Der Sohn muss weiblichen Ansprüchen
gerecht werden und wird gleichzeitig zu ihrem Verbündeten. Er
tröstet die Mutter über den unzufriedenen Partner, der sein
Vater ist. Er weiss genau, wie man mit einer Frau umgehen muss, denn
von den Erwartungen seiner Mutter wurde er geformt, damit sie nicht
unzufrieden ist, sich nicht vernachlässigt fühlt. Werden
solche Männer erwachsen, legen sie ein gegenteiliges Verhalten an
den Tag. Die Instrumentalisierung durch die Mutter bringt es mit sich,
dass sie tendenziell keine Kritik durch ihre Partnerinnen zulassen und
ihre Frauen nicht als gleichwertige Partnerinnen wahrnehmen können.
Der Profeminist auf der einen, der Macho auf der anderen
Seite:
Kein Wunder, lassen sich Heerscharen von Frauen scheiden?
Die Väter verlassen ihre Familien eher
zögerlich,
vielfach erst nach langen aufreibenden Auseinandersetzungen über
die Besuchsregelung für die Kinder.
Sie übertreiben, denn auch die Männer
profitierten von
den neuen Verhältnissen: Aus dem Korsett des alleinigen
Familienversorgers befreit, dürfen sie sich heute an der
Kindererziehung beteiligen und geniessen Freiheiten, von denen ihre
Väter nur träumen konnten.
Das sehe ich anders: In den unteren Schichten ist der Mann
noch
immer der Hauptverantwortliche, wenn es darum geht, die Familie
durchzubringen. In den mittleren und oberen Schichten arbeiten viele
Frauen Teilzeit, und ihr Einkommen ist zwar nicht gerade fakultativ,
aber wenn am Ende des Monats zu wenig Geld in der Kasse ist, trägt
der Mann die Verantwortung. Das ist für beide eine ausgemachte
Sache. Als Erziehungsberechtigter dringt er allenfalls nur bis zu den
Aussengrenzen der Mütterlichkeit vor, dann wird er in seine
Grenzen gewiesen, weil er vieles anders macht als die Partnerin. Eine
eigenständige Gestaltung der Familie bleibt ihm versagt. Die
Anerkennung der Frau - seit je der männliche Motor, um Dinge zu
tun, die er eigentlich nicht tun will - blieb sowieso längst auf
der Strecke.
Plädieren Sie angesichts dieser überaus tristen
Bilanz
etwa für eine Rückkehr zu traditionellen Rollenteilungen?
Keineswegs, aber Frauen wie Männer sollten die Wahl
haben.
Und wenn sie sich den Luxus erlauben können, das klassische
Familienmodell zu wählen, darf dies nicht mit einem
gesellschaftlichen Imageverlust einhergehen.
Gegen die ausschliessliche Betätigung als Hausfrau
und
Mutter würden aber jene Forschungsergebnisse sprechen, wonach
Frauen, die den ganzen Tag mit der Kinderbetreuung und dem Haushalt
beschäftigt sind, eher zu gewalttätigen Übergriffen auf
den Nachwuchs und den Partner neigen als andere.
Das stimmt. Andererseits müssen klassische
Familienväter und -mütter ihre Entscheidungen in einem
positiven gesellschaftlichen Klima leben können.
Gerade feiert das Muttersein eine Renaissance, und die
Geburtenraten wachsen wieder an: Stimmt Sie das optimistisch?
Wenn es wirtschaftlich nicht gutgeht, flüchtet man
sich in
die Gewissheiten der Traditionen, das ist nichts Neues. Was sich in den
nächsten Jahren zeigen wird, ist, ob zwischen der Verarmung und
der Art und Weise, wie Partnerschaften geführt und deren Probleme
gelöst werden, erneut ein Zusammenhang besteht und ob mehr Kinder
geboren werden.
Wie würden Sie denn die heutige Stimmung zwischen
jungen
Frauen und Männern beschreiben?
Als progressiv eskalierend. Ich beobachte, dass junge
Frauen und
Männer einen sehr unideologischen Umgang mit Genderfragen pflegen.
Wenn Frauen in der Literatur, an Schulen oder Universitäten als
Opfer des Patriarchats klassifiziert werden, können sie damit
nichts mehr anfangen. Die Männer können ebenso wenig mit dem
Etikett des Täters etwas anfangen. Diese neue Generation ist
für mich ein Hinweis darauf, dass die Beziehungen zwischen den
Geschlechtern tatsächlich freier geworden sind. Diese Frauen und
Männer begegnen sich auf Augenhöhe, und dies schliesst mit
ein, dass Frauen eigenverantwortlich und selbstkritisch agieren. Der
politisch dominierte Diskurs kapiert diesen Umschwung leider nicht.
Noch nicht. Das ist die Krux bei der Sache: Man kann relativ schnell
Veränderungen herbeiführen - um sie ab- zuschaffen, braucht
es jedoch sehr viel länger.
Und welche Zukunft prophezeien Sie dem Feminismus?
Nach einem langen Siechtum an intellektueller
Verödung und
gesellschaftlicher Irrelevanz wird er sterben.
--
Gerhard Amendt
Ein Macho will Gerhard Amendt - der umstrittenste
Männerrechtler im deutschsprachigen Raum - auf keinen Fall sein.
Die Kundmanngasse im 3. Bezirk in Wien liegt in einer sehr
beschaulichen Wohngegend. Seine Ehefrau öffnet der Besucherin die
Türe. "Ein Missverständnis", wie der herbeieilende
(emeritierte) Professor für Generationen- und Familienforschung
der Universität Bremen sofort klarstellt. Die Psychoanalytikerin
habe nämlich gemeint, eine ihrer Patientinnen stehe vor der
Türe. Dann verschwindet der 70-Jährige in die Küche, um
Tee zu kochen.
In seiner Bibliothek stehen die Streitschriften
feministischer
Ikonen: Susan Faludi, Margarete Mitscherlich, Naomi Wolf. Mit den
ehemaligen Weggefährtinnen hat er sich in der Zwischenzeit
verkracht. Gerhard Amendt, der das erste deutsche Frauenhaus mit
initiierte und sich für die erste Abtreibungsklinik in Bremen
starkmachte, gilt heute als grösster Kritiker des konservativen
Feminismus, den er allerdings strikte von der Frauenbewegung und deren
Errungenschaften trennt. Die feministische Frauenlobby, bestehend aus
Forschungsinstituten, Frauenhäusern und Beratungsstellen, nennt er
ein totalitäres System, das seine Kritiker mundtot machen wolle
und die öffentliche Meinung wissentlich negativ und falsch
beeinflusse.
Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die
Väterforschung.
Seine Studie "Scheidungsväter" lieferte vor Jahren erstmals
empirische Untersuchungen zur - misslichen - Lage der betroffenen
Männer. Auch anhand der aktuellen Gewaltforschung kommt er zum
Schluss: "Frauen sind keine Heiligen und erst recht keine wehrlosen
Opfer." Die jüngere Frauengeneration sei ehrlicher und
selbstbewusster, wenn es um die Benennung eigener Schwächen und
Misserfolge gehe. Der Mann als Täter und Unhold bleibe jedoch
weiterhin ein verbreitetes Klischee. Erst wenn man sich von den
Vorurteilen löse, denen beide Geschlechter ausgesetzt seien,
könne eine - dringend notwendige - Annäherung zwischen Frauen
und Männern stattfinden.
Zu den umstrittenen Publikationen von Gerhard Amendt
gehören: "Vatersehnsucht", "Wie Mütter ihre Söhne
sehen", "Das Leben unerwünschter Kinder", "Frauenbewegung und
Nationalsozialismus" und "Über die These von der Verdammnis durch
die Frau".
---
Weltwoche 15.4.10
Apropos: Antifeminismus
René Kuhn pflegt sein Gärtchen: Der als
"Frauenhasser" verschriene ehemalige SVP-Politiker aus Luzern hat nach
der Publikation seiner Streitschrift "Zurück zur Frau - Weg mit
den Mannsweibern und Vogelscheuchen, ein Tabubruch" die Website http://www.antifeminismus.ch
aufgeschaltet. Diese füttert er mit "Informationen, Fakten und
Studien sowie politischen Forderungen zu den Missständen bei der
Gleichberechtigung". Denn die Emanzipation habe sich zu einem
"destruktiven Anspruchsverhalten" entwickelt. An Belegen mangelt es
Kuhn noch, er bittet um Mithilfe - Einsendungen sind auch in
Geschenkverpackung passend, Kuhn wird am Samstag 43.