MEDIENSPIEGEL 18.4.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Ton-Vi$ion: Stadtgeld für CD-/LP-Projekte
- SUFO-Plakate verboten
- Kulturoffensive LU: 500 gegen Kommerz
- Zwangsauschaffungen: Rechte; Trauer; Sistierung; Bürgi-Stress
- Nothilfe: Bleiben trotz allem
- Antisemitismus: Holocaust-Leugner Williamson verurteilt
- Auschwitz-Schilder-Klau: schwedischer Nazi in U-Haft
- 1. Gay Pride auf Jamaica
- 1. Mai Zureich: Gewerkschafts-Rückzieher; SVP-RAF-Scham
- Big Brother Sport: Polizeistaatlicher Musterknebelvertrag
- Sicherheitsbusiness-Regeln
- Anti-Atom: die AKW-Leukämie-Frage

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REITSCHULE
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So 18.04.10
21.00 Uhr - Dachstock - Zeni Geva (JAP)

Di 20.04.10
20.30 Uhr - Kino - Uncut - Warme Filme am Dienstag: EMMA & MARIE; Frankreich 2009
20.30 Uhr - Tojo - "Tagträumer" von William Mastrosimone. Regie: Michael Oberer. Mit Julia Maurer, Marcus Signer

Mi 21.04.10
19.00 Uhr - SousLePont - Schottische Spezialitäten Abend
20.30 Uhr - Tojo - "Tagträumer" von William Mastrosimone. Regie: Michael Oberer. Mit Julia Maurer, Marcus Signer
22.00 Uhr - SousLePont - The Real McKenzies (CAN)

Do 22.04.10
20.30 Uhr - Kino - Kulturprojekt Porta Chuisa, Performance, Live-Konzert aufgeführt mit Hans Koch (cl), Michael Thieke (cl) und Paed Conca (cl)
20.30 Uhr - Tojo - "Tagträumer" von William Mastrosimone. Regie: Michael Oberer. Mit Julia Maurer, Marcus Signer
21.00 Uhr - Rössli-Bar - Is was?

Fr 23.04.10
20.30 Uhr - Tojo - "Tagträumer" von William Mastrosimone. Regie: Michael Oberer. Mit Julia Maurer, Marcus Signer
20.30 Uhr - Grosse Halle - "Miss Plastic", gespielt vom Jugendclub U26 von Junge Bühne Bern, Leitung und Regie: Eva Kirchberg, Christoph Hebing
21.00 Uhr - Kino - "Fressen und gefressen werden...": The Cook, the Thief, his Wife and her Lover, Peter Greenaway, FR/NL/UK 1989
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar mit DJ Zardas. Standard und lateinamerikanische Tänze und Disco für Frau und Frau, Mann und Mann und Friends
22.00 Uhr - Dachstock - Eight Legs (UK), Support: My Heart Belongs to Cecilia Winter (zh), DJ's Lazerlight Lepra & Pat

Sa 24.04.10
20.30 Uhr - Tojo - "Tagträumer" von William Mastrosimone. Regie: Michael Oberer. Mit Julia Maurer, Marcus Signer
20.30 Uhr - Grosse Halle - "Miss Plastic", gespielt vom Jugendclub U26 von Junge Bühne Bern, Leitung und Regie: Eva Kirchberg, Christoph Hebing
21.00 Uhr - Kino - "Fressen und gefressen werden...": The Cook, the Thief, his Wife and her Lover, Peter Greenaway, FR/NL/UK 1989
22.00 Uhr - SousLePont - Dachstock, Rössli & Sous Le Pont present: Eagle*Seagull (PIAS/USA)
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: Jade (Citrus Rec/HUN), Deejaymf (cryo.ch), VCA (Biotic/CH).

So 25.04.10
18.00 Uhr - Rössli-Bar - Ausspannen
19.00 Uhr - Grosse Halle - "Miss Plastic", gespielt vom Jugendclub U26 von Junge Bühne Bern, Leitung und Regie: Eva Kirchberg, Christoph Hebing
19.00 Uhr - Tojo - "Tagträumer" von William Mastrosimone. Regie: Michael Oberer. Mit Julia Maurer, Marcus Signer.

Infos: http://www.reitschule.ch

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TON-VI$ION
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BZ 17.4.10

Hatecore und Terror

 Die Stadt spendiert 50000 Franken für CD- und LP-Projekte. Bewerben können sich junge Musikerinnen und Musiker, welche die Konzertszene in der Stadt in den letzten Jahren mitgestaltet haben. Die Gesuche müssen der Abteilung Kulturelles bis zum 28.Mai vorliegen. Das wurde gestern im Anzeiger publiziert. Dort steht auch, dass Projekte für sämtliche Musikstile eingereicht werden dürfen - ausser für Jazz, Klassik, improvisierte Musik, das heisst Rock, Pop, Hip-Hop, Techno, Folk et cetera.

 Was bleibt denn, womit man sich bewerben kann? Einen Jodel einreichen? Kaum, welcher Jodler hat schon die Stadtberner Konzertszene massgebend geprägt. Aber da gibts zum Glück andere Musikstile: Wie wärs mit Gabba, Handsup oder Terror? Oder eher Horrorpunk und Hatecore? Oder könnte Quietschcore, Gli und IDM die Jury begeistern?

 Nein, niemand muss den Stil ändern und sich der Musikkommission anpassen. Ein Telefongespräch klärt die Sache. "Die Ausschreibung war unglücklich formuliert", heisst es bei der Stadt. Zugelassen sind alle Musikstile - ausser Jazz und Klassik.
 sru

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SUFO
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Mail sufo.ch 17.4.10

Liebe SUFO Freundinnen und Freunde

Diese Woche hätte die Teasing-Plakat-Kampagne für das 6. SUFO beginnen sollen. Während einer Woche wären folgende Plakate zu sehen gewesen:
http://www.sufo.ch/images/plakate2010/SUFOplakat2010-Nestle.jpg
http://www.sufo.ch/images/plakate2010/SUFOplakat2010-ubs.jpg
http://www.sufo.ch/images/plakate2010/SUFOplakat2010-novartis.jpg

Nächste Woche wäre dieses Plakat gefolgt:
http://www.sufo.ch/images/plakate2010/SUFOplakat2010.jpg

Mit diesen Plakaten wollen wir im Zusammenhang mit dem SUFO-Podium auf die soziale Verantwortung der Grosskonzerne hinweisen. Nestlé, UBS, Novartis und viele mehr, stellen sich gerne als "saubere" Konzerne dar. Aber ist das auch so? Wie wirtschaften diese Konzerne in "Dritt-Welt-Ländern"? Wie gehen sie mit ihren Angestellten um? Wie viel tragen sie wirklich zu nachhaltiger Entwicklung bei und wie viel ist schlichte Gewinnmaximierung? Einer der grössten aktuellen Skandale ist nicht die Finanzkrise, sondern die Hungerkrise. 1 Milliarde Menschen leiden 2010 weltweit an Hunger - so viel wie noch nie zuvor.

Nun, unsere Plakate sind in St.Gallen, im Regionalzug "Thurbo" und im Winterthurer Stadtbus verboten worden. In den St.Gallerbussen lief die Werbung gerade einmal einen Tag über den Bildschirm, bevor sie auch da entfernt wurde.
Aber wenn du mehr über das Thema erfahren möchtest, dann komm ans SUFO Podium am 07. Mai um 20 Uhr im Palace in St.Gallen. Es steht unter dem Titel:
Hunger zur Vorspeise, Elend zum Nachtisch
Wer schreibt die Rezepte des täglichen Massakers?
Es diskutieren Franziska Teuscher (Nationalrätin), Ulrich Hofmann (UN Konferenz für Handel und Entwicklung), François Meienberg ( Erklärung von Bern), Al Imfeld(Schriftsteller) unter der Moderation von Oliver Fahrni (Redaktor work).

Oder melde dich an einen der 59 SUFO-Workshops am 08. Mai an: -> Workshopanmeldung
http://www.sufo.ch/forum/anmelden.asp

Euer SUFO OK
http://www.sufo.ch

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Blick am Abend 16.4.10

Provokation der Sufo

Werbung

 Auf den Bildschirmen der St. Galler Stadtbusse war am Mittwoch eine provokative Kampagne zu sehen. Die Organisatoren des Sozialund Umweltforums (Sufo) warben mit Leichengesichtern. Gestern wurde sie entfernt. Einerseits, weil die Verantwortlichen nicht erwähnt seien, andererseits, weil Firmen angeprangert würden. Zudem sei das Bild nicht zulässig, sagen die Verantwortlichen heute im "Tagblatt". dst

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St. Galler Tagblatt 16.4.10

Sufo wirbt mit Provokation

 Leichengesichter zu Werbezwecken: Auf den Info-Bildschirmen der Stadtbusse war am Mittwoch eine provokative Kampagne zu sehen. Sie stammt von den Organisatoren des Sozial- und Umweltforums. Gestern wurde sie entfernt.

 "Geht Nestlé über Leichen?", war vorgestern auf den Bildschirmen in den Stadtbussen zu lesen. Darunter waren vier gestellte Leichengesichter zu sehen. Wer dafür verantwortlich ist, ging aus der Werbung nicht hervor. Das Layout des Plakats ähnelte aber stark jenem des Sufo. Die provokative Werbeaktion stamme tatsächlich von den Sufo-Organisatoren, wie Pfarrer Andreas Nufer vom Organisationskomitee auf Anfrage sagt. "Wir haben mit Absicht provoziert." Die Auflösung mit dem regulären Plakat hätte nächste Woche stattfinden sollen.

 Nicht nur Nestlé, auch die UBS und Novartis wurden in der Werbung angeprangert. Die Konzerne handelten oft gewinnorientiert und kümmerten sich nicht um die Menschen, sagt Nufer. "Mit einem Bruchteil ihrer Gewinne könnte man den Hunger der Welt bekämpfen." Die Konzerne seien mitverantwortlich für dieses Elend und deshalb auf den Plakaten erwähnt. "Wir haben drei Schweizer Firmen ausgewählt." Das seien jedoch längst nicht alle.

 Kampagne gestoppt

 Die Sufo-Organisatoren wollten die Plakate auch in Winterthur in den Bussen sowie im Thurbo-Zug auf den Monitoren projizieren. Die Verantwortlichen liessen dies jedoch nicht zu. Auch in St. Gallen habe man die Kampagne bereits wieder aus den Bussen entfernt, sagt Urs Weishaupt, Mediensprecher der Stadt.

 Polizei lehnt Plakat ab

 Auch im öffentlichen Raum habe man es abgelehnt, die Plakate aufzuhängen, sagt Benjamin Lütolf, Mediensprecher der Stadtpolizei. Einerseits, weil die Verantwortlichen nicht erwähnt seien, andererseits, weil Firmen angeprangert würden. Zudem sei das Bild nicht zulässig: "Das könnte jemanden in seinen Gefühlen verletzen." Das Plakat wirbt auch nicht für eine kommerzielle Veranstaltung und dürfe deshalb nicht auf der dafür vorgesehenen Fläche aufgehängt werden. (mjb)

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KULTUROFFENSIVE LU
http://kulturoffensive.ch
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Zentralschweiz am Sonntag 18.4.10

Kultur-Umzug

 Kampf gegen den Kommerz

Von Thomas Heer

 Im Kampf für mehr alternativen Kulturraum zogen gestern rund 400 Personen friedlich durch die Strassen Luzerns. Sie lancierten dabei drei Volksmotionen.

 So viel steht fest: Ginge es nach der Mehrheit der Kundgebungsteilnehmer, die sich gestern in Luzern versammelten - eine Salle Modulable würde in der Zentralschweizer Metropole wohl nie gebaut. Kantonsrat Alain Greter (Grüne) erklärt, warum: "Mit der Salle Modulable kommt noch mehr Erstklasskultur in unsere Stadt, während die lokalen Interessen vernachlässigt werden."

 Standortwettbewerb

 Als Unwort des Jahres, ja des Jahrzehnts wurde der Begriff "Standortwettbewerb" mehrfach gegeisselt. In diesem Zusammenhang ist auch Greters folgende Aussage zu verstehen: "In unserer Stadt wird der Fokus im Bereich Kultur zu einseitig auf die Wertschöpfung gelegt." Will heissen: Die Interessen von Hoteliers und Geschäftsinhabern würden zu stark gewichtet.

 Die Bewegung "Kulturoffensive", die den gestrigen Anlass organisierte, steht für neues lebendiges kulturelles Schaffen. Und das, so Greter, setze auch voraus, dass in der Wohnungspolitik ein anderer Weg eingeschlagen werde. Er kritisiert: "Ersetzt durch Wohnungen für gut bis sehr gut Verdienende, wird der günstige Wohnraum immer mehr ausgedünnt."

 Unter den Kundgebungsteilnehmern war auch der grüne Luzerner Nationalrat Louis Schelbert. Er sagt: "Im Bereich der freien Szene bestehen in der Luzerner Kulturpolitik Defizite. Mit der heutigen bunten und friedlichen Demonstration verschafft sich die Szene Gehör."

 Drei Motionen

 Ein Sprecher der "Kulturoffensive", spricht in deren Zusammenhang von einer "sozialen Bewegung." Im Kampf für mehr alternativen Kulturraum wurden gestern drei Volksmotionen lanciert. Einerseits fordern sie, dass die Liegenschaften der Stadt für soziale Zwecke genutzt werden. Oder wie es im Motionstext unter anderem heisst: "Alle Liegenschaften, die im Finanzvermögen der Stadt sind, werden nicht gewinnorientiert vermietet." Andererseits will die "Kulturoffensive", dass auf den sogenannten Schlüsselarealen der Stadt eine gute Durchmischung verschiedenster Nutzungsformen gewährleistet wird. Unter anderem soll eine Garantie für günstigen Wohnraum verankert werden.

 Und in einer dritten Motion fordert die Bewegung vom Stadtrat den Erwerb der Druckerei Zbinden an der Friedentalstrasse. Das Ziel: Auf dem Zbinden-Areal sollen dereinst Kultur-, Gewerbe- und Sozialbetriebe angesiedelt werden.

 Kommentar Seite 35

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 Bilanz

 Aufatmen bei der City-Vereinigung

 Gemäss Luzerner Polizei verlief der Umzug gestern friedlich. Sie musste nicht eingreifen. Auch Franz Stalder, Präsident der City-Vereinigung, zieht nach anfänglicher Skepsis ein positives Fazit: "Ich hatte keine negativen Rückmeldungen." Stalder ist froh darüber, dass der Umzug erst um 16.30 Uhr beim Luzerner Theater startete. Stalder: "Bei der letzten Anti-WEF-Demonstration vom letzten Januar wurde der Beginn auf den frühen Nachmittag gelegt. Gewisse Geschäfte mussten dadurch empfindliche Umsatzeinbussen hinnehmen." Für Stalder steht ganz klar fest, dass nicht jeden Monat Demonstrationszüge durch die Strassen und Gassen von Luzern ziehen können. Stalder dazu: "Das würde einen Teil der Konsumenten nachhaltig vergraulen."

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Standpunkt

 Die Freien bieten die Hand

Guido Felder über den Kultur-Umzug in Luzern

 Die Bilanz des gestrigen "Kulturoffensiven-Umzugs" durch die Stadt Luzern ist höchst erfreulich: Rund 400 Personen marschierten durch die Strassen und Gassen, ohne zu provozieren und Schäden anzurichten - ja selbst Abfall fand man hinter dem Umzug keinen. Auch die Geschäfte mussten im Gegensatz etwa zur Anti-WEF-Demo im Januar, an der auch Vermummte mitmarschierten, keine Umsatzeinbussen in Kauf nehmen.

 Der friedliche Umzug gestern zeigt: Die Organisatoren sowie auch die Stadtbehörden haben aus früheren Manifestationen die Lehren gezogen: Die Zeit zum Abmarsch wurde erst nach Ladenschluss angesetzt, die Bedingungen der Stadt waren deutlich, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Umzugs haben sich klar daran gehalten. Sie haben ihren Umzug damit zu einem eigentlichen Kulturstück gemacht und mit dem friedlichen Anlass Kulturgeschichte geschrieben.

 Trotz der Bedingungen, die vielleicht von einigen der Kulturschaffenden als Einschränkungen wahrgenommen werden, ist die Botschaft der Umzugsteilnehmer angekommen. Mehr noch: Der freien Kulturszene, bisher gerne auch auf Konfrontation aus, gelingt es auf diese Art, ihr Image in der etablierten Kulturszene und bei den Nicht-Kulturinteressierten zu verbessern. Sie zeigt, dass sie bereit ist, auf friedliche Weise über den Kulturkompromiss zu diskutieren.

 guido.felder@ zentralschweizamsonntag.ch

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zisch.ch 17.4.10

Kulturoffensiver Umzug verlief friedlich

Der kulturoffensive Umzug, welcher am Samstag Nachmittag durch die Stadt Luzern führte, verlief ohne Zwischenfälle. Es nahmen gegen 300 Kulturschaffende und Sympathisierende daran teil.

Am Samstagnachmittag um ca. 16.45 Uhr setzte sich laut Polizeimeldung der Kulturoffensive Umzug auf der bewilligten Route durch die Neu- und Altstadt von Luzern in Bewegung. Die Teilnehmenden - von der Polizei auf 300 geschätzt- hielten sich an die ausgehandelten Auflagen.

Es kam weder zu Ausschreitungen noch zu Sachbeschädigungen, wie Heinz Steiner, Chef Sicherheitspolizei der Stadt mitteilte. Gegen 19.45 Uhr erreichte der Umzug den Bahnhofplatz, wo bis in die Abendstunden beim Torbogen ein musikalischer Abschluss stattfand.

Mehr Bilder von der Kulturdemo in Luzern
http://www.zischgate.ch/multimediacenter/mainbild.php?project=7380&asset=&preview=

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ZWANGSAUSSCHAFFUNGEN
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Sonntag 18.4.10

Rechte von Asylbewerbern besser schützen

 Erfolg für Silvia Schenker: Bund passt Ausschaffungspraxis an

 Silvia Schenkers Ärger war gross. Per Interpellation hatte die Basler SP-Nationalrätin den Bundesrat angefragt, warum bei Nichteintretensentscheiden Asylbewerber oder ihre Rechtsvertreter so spät informiert würden - teilweise erst in der Ausschaffungshaft oder auf dem Flughafen. Und dies, obwohl die Entscheide oft Wochen oder Monate vorher getroffen worden seien. So sei es den Betroffenen nicht möglich, ihre verfassungsmässigen Rechte wahrzunehmen. Es könne nicht gerichtlich geprüft werden, ob bei einer Wegweisung in den zuständigen Drittstaat Anhaltspunkte für Menschenrechtsverletzungen vorliegen, kritisiert Schenker. "Besonders stossend ist, dass dieses Vorgehen auch in Fällen praktiziert wird, in denen Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen vorliegen."

 Der Bund hat reagiert. Gezwungenermassen. Bisher habe das schweizerische Recht festgelegt, dass die Beschwerdeverfahren keine aufschiebende Wirkung haben. Im Februar aber hat das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen einen Dublin-Nichteintretensentscheid gutgeheissen. Die Asyl suchende Person müsse genügend Zeit erhalten, um im Rahmen des Beschwerdeverfahrens einen Antrag auf aufschiebende Wirkung stellen zu können. Dieses Urteil habe zur Folge, dass Dublin-Nichteintretensentscheide nicht mehr unmittelbar nach der Eröffnung vollzogen würden, antwortet der Bundesrat auf Schenkers Interpellation. Das Bundesamt für Migration (BFM) prüfe nun im Einzelfall, ob individuelle Gründe gegen eine Wegweisung in den zuständigen Dublin-Staat sprechen. Ist dies der Fall, verzichte die Schweiz auf eine Überstellung in den zuständigen Dublin-Staat.

 Da beispielsweise Anhaltspunkte vorliegen würden, dass seitens Griechenlands während des Asylverfahrens "keine angemessenen Vorkehrungen" getroffen würden, um besonders verletzliche Personen zu identifizieren und sie entsprechend unterzubringen, hat das Bundesamt für Migration entschieden, diese bis auf Weiteres nicht nach Griechenland zu überstellen. Der Bundesrat präzisiert, dass die Anwendung des Selbsteintrittsrechts in diesen Fällen nicht aufgrund von Hinweisen auf eine Verletzung des Prinzips der Nichtrückweisung, sondern aus schwerwiegenden humanitären Gründen erfolgt. (db)

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Bund 17.4.10

Manifestation der Trauer für Ausschaffungshäftlinge

 Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, Solidarité sans frontières, die Gesellschaft für bedrohte Völker sowie Nigerian Diaspora laden heute Samstag, 18 Uhr, zur Gedenk-Manifestation in die Berner Heiliggeistkirche. Damit protestieren die Organisationen gegen den Tod dreier abgewiesener Asylsuchender bei ihrer Zwangsausschaffung aus der Schweiz und gegen "wachsende Gewalt" bei der Rechtsanwendung. Zwei Todesfälle ereigneten sich dieses Jahr. (pd)

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Bund 17.4.10

Nigeria will keine Zwangsausgeschaffte mehr zurücknehmen

(red./Newsnetz)

 Neue Hiobsbotschaft für die Schweiz: Nach dem Tod eines Asylbewerbers nimmt Nigeria nur noch Landsleute zurück, die eine Freiwilligkeitserklärung unterschreiben. Kaum einer tut das. Mit weitreichenden Folgen: "Unsere Erfahrungen mit Ländern, die ebenfalls eine Freiwilligkeitserklärung verlangen, zeigen, dass die Rückkehrquote sehr rasch gegen null strebt", sagt Bruno Zanga, Chef des Ausländeramts St. Gallen.

 Die Schweiz hat mit Nigeria 2003 nach langem Seilziehen ein Rücknahmeabkommen ausgehandelt. Doch jetzt bestätigt die nigerianische Botschaft in Bern gegenüber Derbund.ch/Newsnetz, man nehme nur so lange Freiwillige zurück, bis ein neues Abkommen verhandelt sei. Das Bundesamt für Migration (BFM) bestätigt die Neuregelung, spielt das Problem aber herunter. "Im Moment finden keine Sonderflüge zur Rückführung statt, daher ist diese Situation derzeit ohne grosse Folgen", erklärt Sprecher Urs von Arb.

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Aargauer Zeitung 17.4.10

Politik will Sonderflüge sofort

 Im Kanton Aargau wäre ein Asylbewerber für einen Sonderflug vorgesehen

 Vasilije Mustur

 Mitte März starb ein 29-jähriger nigerianischer Asylbewerber kurz vor dem Sonderflug zurück in sein Heimatland. Daraufhin stellte das Bundesamt für Migration sämtliche Sonderflüge für Rückschaffungen renitenter Asylbewerber aus.

 Für Politiker aus dem Kanton Aargau ein unhaltbarer Zustand: "Die Sonderflüge sind umgehend wieder einzusetzen", fordert SVP-Politiker Andreas Glarner gegenüber der Onlineausgabe dieser Zeitung. Glarner bedauert zwar den Todesfall, "doch das ist kein Grund, die Sonderflüge auszusetzen. Schliesslich kann man Unfälle nie ausschliessen." Zudem behauptet Glarner, dass es nie zu Zwischenfällen käme, würden sich die Asylbewerber bei der Ausschaffung anständig benehmen. "Leider benehmen sich die Asylbewerber aber teilweise völlig daneben." So würden die Asylbewerber sich auf den Stühlen der Flugzeuge teilweise erleichtern.

 Auch FDP-Ständerätin Christine Egerszegi kann die Aussetzung der Sonderflüge schwer nachvollziehen: "Der neue Direktor des Bundesamts für Migration war beim Zwischenfall dabei. Ich kann mir deshalb vorstellen, dass er keine Sonderflüge mehr will, bis die Unfallursache genau geklärt ist." Nichtsdestotrotz fordert die Ständerätin, die Sonderflüge umgehend wieder einzusetzen. "Nächste Woche haben wir eine Kommissionssitzung im Parlament. Dort will ich wissen, wie es in dieser Sache weitergeht."

 Äthiopier will nicht gehen

 Derweil zeigen Recherchen, dass der Kanton Aargau von der Aussetzung der Sonderflüge vorerst nicht betroffen ist. "Gegenwärtig hat das Migrationsamt des Kantons Aargau gegen fünf Personen Haft angeordnet", bestätigt Markus Rudin, Amtsleiter des Migrationsamtes des Kantons Aargau. Darunter befindet sich seit Februar 2009 ein äthiopischer Staatsbürger.

 Dieser weigert sich trotz vorhandenen Reisepapieren, den ordentlichen Ausschaffungsflug anzutreten. "Ein Sonderflug wäre hier erforderlich", sagt Rudin. Das Problem: Äthiopien akzeptiert keine Sonderflüge. Deshalb ordnete das Migrationsamt des Kantons Aargau Durchsetzungshaft an.

 Bei dieser Haftart wird vorausgesetzt, dass die Ausschaffung per Linienflug aufgrund des persönlichen Verhaltens der betreffenden Person nicht durchführbar ist. Nun hofft das Migrationsamt mit der Durchsetzungshaft das Verhalten des renitenten Äthiopiers so zu ändern, dass er mit einem ordentlichen Ausschaffungsflug zurückgeführt werden kann.

 Rudin betont allerdings, dass die übrigen Asylbewerber die Heimreise im Linienflug antreten könnten. Deshalb sehe das Migrationsamt im Gegensatz zur Westschweiz keinen Grund, die Asylbewerber freizulassen, da lediglich die Sonderflüge sistiert wurden.

 SVP Aargau will handeln

 SVP-Grossrat Glarner will jedoch nicht mehr länger auf die Wiedereinsetzung der Sonderflüge warten. "Die SVP Aargau bereitet einen Vorstoss vor. Wir verlangen vom Regierungsrat des Kantons Aargau, dass dieser beim Bund um die Wiedereinsetzung der Sonderflüge ersucht. Ausserdem sehe ich nur einen Weg, wie der Äthiopier nach Hause geschickt werden kann. Die Schweiz stellt die Entwicklungshilfe für dieses Land ein, dann wird Äthiopien umgehend Sonderflüge akzeptieren."

 Den ausführlichen Artikel zur Sonderflugthematik lesen Sie unter www.a-z.ch/news

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NOTHILFE
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St. Galler Tagblatt 17.4.10

Die Not mit der Nothilfe

 Mit der Reduktion der Sozialleistungen auf die minimale Nothilfe sollen abgewiesene Asylsuchende zur Ausreise veranlasst werden. Doch die Massnahme verfängt nicht. Warum dies so ist, wird unterschiedlich interpretiert.

 Josef Osterwalder

 Abgewiesene Asylbewerber sollen ausreisen, so wollen es die vom Volk gutgeheissenen Gesetze. Sind sie aber nicht willig, so setzen die Behörden Druck auf.

 Ein Mittel dazu ist der Entzug der Sozialhilfe. Wer einen Wegweisungsentscheid erhalten hat und die Ausreisefrist verstreichen lässt, bekommt lediglich noch die "Nothilfe", also ein Minimum an Unterstützung. Sie besteht aus acht Franken im Tag, einer sehr einfachen Übernachtungsmöglichkeit und, falls notwendig, medizinischer Versorgung. So beschreibt das "Solidaritätsnetz Ostschweiz" auf seiner Homepage den Umfang der Nothilfe.

 Drastisch, aber unwirksam

 Die Zahl der Nothilfe-Empfänger nimmt laufend zu. Ende 2008 handelte es sich im Kanton St. Gallen um 129 Personen, ein Jahr später waren es bereits 208; wie bei den Asylsuchenden sind es mehrheitlich 20- bis 30jährige Männer.

 Wie lässt sich diese Zunahme erklären? René Hungerbühler, stellvertretender Amtsleiter im Ausländeramt und Leiter des Asylbereichs, sagt: "Das Bundesamt für Migration hat im letzten Jahr 56,6 Prozent mehr Asylgesuche entschieden als im Vorjahr. Mehr Entscheide bedeuten aber auch mehr negative Asylentscheide und damit letztlich auch mehr Nothilfefälle."

 Im Auftrag des Bundes

 Obwohl diese Nothilfe nur gerade das Existenzminimum deckt, reisen zahlreiche abgewiesene Asylsuchende nicht aus. Warum verfängt der Sozialhilfestop nicht? Im Artikel der "NZZ am Sonntag" vom 28. März wird René Hungerbühler mit dem Hinweis zitiert, es gebe eine "eigentliche Schattenbetreuung". Gegenüber dem Tagblatt ergänzt er: "In der täglichen Praxis stellen wir vermehrt fest, dass Nothilfe-Empfänger Unterstützung von verschiedener Seite erhalten. Dies ist menschlich verständlich und für uns auch nachvollziehbar. Damit wird unser Wegweisungsauftrag jedoch erschwert."

 Diesen Auftrag hätten die kantonalen Behörden auf Geheiss des Bundes auszuüben. Fragen zum Sozialhilfestop müssten darum an die politisch Verantwortlichen auf Bundesebene gestellt werden.

 Solidaritätsnetz

 Eine Institution, die Nothilfeempfängern mit Rat und Tat beisteht, ist das "Solidaritätsnetz Ostschweiz", das vor fünf Jahren entstanden ist und bei dem sich mittlerweile 1200 Mitglieder eingeschrieben haben, 200 davon sind aktiv engagiert: bei der Einzelberatung, beim Mittagstisch oder bei einem der vielen Kurse, die angeboten werden.

 Stützpunkte hat das Netz an acht verschiedenen Standorten in der Ostschweiz, von Chur bis in den Thurgau, vom Rheintal bis Rapperswil.

 Der im Solidaritätsnetz aktive evangelische Pfarrer Andreas Nufer meint, dass es nicht die Unterstützung sei, die die abgewiesenen Asylbewerber zum Bleiben bewege. Es gebe sogar zahlreiche Abgewiesene, die weder Nothilfe noch Unterstützung vom Solidaritätsnetz erhielten und dennoch blieben.

 Für Andreas Nufer ist dies ein Signal, dass der ganze Fragenkreis um die Nothilfe neu diskutiert und in die Öffentlichkeit getragen werden müsse. Bei manchen müsse man ja bereits von einer "Langzeitnothilfe" sprechen.

 Darum lädt das Solidaritätsnetz am nächsten Dienstagabend zu einer "Landsgemeinde" ins Waaghaus ein. Es sei mittlerweile auch den Bundesbehörden klar, dass mit dem Sozialhilfestop nichts erreicht werde. Der ausgeübte Druck habe nur dazu geführt, dass Menschen in einer Situation leben müssten, die eines zivilisierten Staates wie auch der christlichen Kirchen unwürdig seien.

 Mitreden

 Wenn darum die Frage der Nothilfe auch politisch neu aufgeworfen werde, dann möchte das Solidaritätsnetz mitreden. Dies ist mit ein Grund für die "Landsgemeinde", die konkrete Forderungen zu Sozialhilfestop, Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung diskutieren will.

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 Diskussion zur Nothilfe

 Das Solidaritätsnetz Ostschweiz lädt am kommenden Dienstag, 20. April, zu einer "Landsgemeinde zur Nothilfe" ein. Der Diskussionsabend beginnt um 19.30 Uhr im Waaghaus.

 Die vorgesehenen Diskussionsbeiträge beleuchten das Thema aus unterschiedlicher Sicht. Sie stammen von Asef Yavari (Afghanistan), Erika Forster (Präsidentin des Ständerats), Franziska Befa (Angola), Maya Leu (Teufen), Nino Cozzio (Stadtrat St. Gallen), Frank Jehle (Pfarrer, St. Gallen). (J. O.)

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ANTISEMITISMUS
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NZZ 17.4.10

Bischof Williamson verurteilt

 Deutsches Gericht verhängt Strafe wegen Holocaust-Leugnung

 Das Amtsgericht in der deutschen Stadt Regensburg hat den Bischof der konservativen Piusbruderschaft Richard Williamson wegen Leugnung des Holocaust zu einer Geldstrafe von 10 000 Euro verurteilt.

 Joachim Riecker, Berlin

 Richard Williamson, Bischof der traditionalistischen Piusbruderschaft, muss wegen Leugnung des Holocaust 10 000 Euro Strafe zahlen. Das Amtsgericht Regensburg reduzierte damit am Donnerstag einen früheren Strafbefehl in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 100 Euro auf 100 Tagessätze.

 Der in Grossbritannien lebende Geistliche hatte gegen die ursprüngliche Strafe Widerspruch eingelegt, so dass es vor dem Amtsgericht Regensburg zu der öffentlichen Verhandlung kam. Williamson war dabei nicht anwesend. Nach Angaben seines Rechtsanwalts hat ihm die Piusbruderschaft die Teilnahme an dem Prozess verboten. Er wurde auch angewiesen, seine Website zu schliessen.

 "Es gab keine Gaskammern"

Williamson hatte dem schwedischen Fernsehen im Herbst 2008 in einem Priesterseminar nahe Regensburg ein Interview gegeben und darin gesagt: "Ich glaube, es gab keine Gaskammern." Ausserdem behauptete er, in den Konzentrationslagern seien allenfalls "200 000 oder 300 000 Juden" ums Leben gekommen. Der Strafrahmen für die Leugnung des Holocaust liegt in Deutschland zwischen einer Geldstrafe und fünf Jahren Haft.

 Der Anwalt des Geistlichen verlas am Donnerstag eine persönliche Erklärung Williamsons. Danach habe sein Mandant gewusst, dass die Aussagen in Deutschland strafbar seien. Er habe die Journalisten deshalb aufgefordert, das Interview nur in Schweden auszustrahlen und auch nicht im Internet zu verbreiten. Die Journalisten hätten sich aber nicht daran gehalten. Nach dem Urteil kündigte der Anwalt an, gegen das Urteil Einspruch einzulegen.

 Ein Justiziar der Piusbruderschaft stellte den 70-jährigen Bischof am Donnerstag in der Gerichtsverhandlung in Regensburg als Aussenseiter dar, der auch zu den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington Verschwörungstheorien vertrete. Williamsons Aussagen zum nationalsozialistischen Mord an den Juden waren im Januar 2009 fast zeitgleich mit der Entscheidung von Papst Benedikt XVI. bekannt geworden, die von seinem Vorgänger Johannes Paul II. im Jahr 1988 verfügte Exkommunikation von Mitgliedern der Piusbruderschaft aufzuheben.

 Selbstkritik des Papstes

 Das weltweite Echo auf die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. war verheerend. Nicht nur Vertreter des Judentums äusserten sich entsetzt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel warf dem Papst öffentlich vor, durch seine Entscheidung sei der Eindruck entstanden, "dass es die Leugnung des Holocaust geben könnte".

 Benedikt XVI. räumte später in einem Brief an alle Bischöfe eigene Fehler ein und erklärte, der Heilige Stuhl hätte das Internet nutzen müssen, um sich über Williamsons Ansichten zu informieren. Zugleich beklagte er eine "sprungbereite Feindseligkeit" gegen seine Person. Eine erneute Exkommunikation zumindest von Williamson nahm er nicht vor. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. wurde 1970 vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet und lehnt die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils ab.

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AUSCHWITZ-SCHILD-KLAU
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NZZ 17.4.10

Schwedischer Neonazi inhaftiert

 (afp) ⋅ Nach dem Diebstahl des Schriftzugs "Arbeit macht frei" aus dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz ist der mutmassliche Drahtzieher in Untersuchungshaft genommen worden. Das zuständige Gericht in Krakau habe diesen Schritt gegen den schwedischen Rechtsextremisten Anders Högström am Freitag angeordnet, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Er müsse mindestens drei Monate in Untersuchungshaft bleiben. Högström war am 11. Februar in Stockholm festgenommen und vor einer Woche an Polen ausgeliefert worden. Von der polnischen Justiz wird ihm Anstiftung zum Diebstahl vorgeworfen. In einer ersten Vernehmung bestritt der 34-Jährige die erhobenen Vorwürfe. Högström hatte in den neunziger Jahren in Schweden die Nationalsozialistische Front gegründet, sich aber später davon distanziert.

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Le Matin 17.4.10

Le nazi écope de trois mois de prison

 AuschwitzLe commanditaire présumé du vol de l'inscription "Arbeit macht frei" condamné.

 Un tribunal de Cracovie, dans le sud de la Pologne, a ordonné hier 3 mois de détention provisoire pour l'ancien leader néonazi suédois Anders Högström, commanditaire présumé duvol de l'inscription "Arbeit macht frei" de l'ancien camp nazi d'Auschwitz.

 Le Suédois avait été extradé en Pologne la semaine dernière. Interrogé par le Parquet de Cracovie, il a rejeté les accusations portées contre lui. Anders Högström, 34 ans, a fondé et dirigé entre 1994 et 1999 le Front national-socialiste, un parti néonazi suédois disparu depuis, avant de prendre ses distances avec le néonazisme, au point d'être considéré comme un repenti modèle.

 Le portique métallique avec l'inscription "Arbeit macht frei" ("Le travail rend libre"), mesurant environ 5 mètres de long, a été retrouvé moins de trois jours après son vol, scindé en trois morceaux.

 Les cinq voleurs ont été arrêtés en même temps et trois d'entre eux ont déjà été condamnés à des peines allant de 1 an et demi à 2 ans et demi de prison. Les deux autres seront jugés après les dépositions d'Anders Högström.

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GAY PRIDE JAMAICA
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queeramnesty.ch 8.4.10

Jamaica: Montego Bay Walk for Tolerance - Erster CSD auf Jamaika

In Montego Bay, einem Turistenzentrum Jamaicas, fand der erste "Walk for Tolerance" vom Howard Cooke Park dem Howard Cooke Boulevard entland zum Stand statt; die Gay Pride zählte etwa 100 TeilnehmerInnen, davon viele UnterstützerInnen aus dem Ausland.
Bericht (Englisch) und Bilder bei: UK Gay News 8. April 2010: Jamaica Stages First Public ‘Gay Pride'
http://www.ukgaynews.org.uk/Archive/10/Apr/0801.htm

Diese Jamaica Pride ist eine beachtenswerter Event. Ist doch das Land dafür bekannt, dass Homosexuelle regelrecht abgeschlachtet werden. "Zu Tode gehasst" heisst denn auch eine Menschrechtsstudie. Ebenso bekannt sind homophobe Dancehall-Musiker, die immer wieder in Europa auftreten können.

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ukgaynews.org.uk 10.4.10

JAMAICA

Jamaica Stages First Public ‘Gay Pride'

MONTEGO BAY, April 8, 2010  -  Imagine. Gay Pride in Jamaica.   The words of William Urich, the chair of InterPride Committee on International GLBTI Human Rights, on the first public Pride even on the Caribbean island which was staged yesterday.

Officially, it was the Walk for Tolerance from Howard Cooke Park, along Howard Cooke Boulevard and ending on the beach.

"Yesterday was an amazing day, here in Montego Bay,” he told UK Gay News.  "My eyes well up at the very thought of the day's outstanding and astounding success.”

Encouragingly, the walk had police support, Mr. Urich added.

Around 100 took part in the walk, which was headed by Reverend Elder Nancy L. Wilson, the openly lesbian presiding bishop of the International Movement of Metropolitan Community Churches.

One participant commented: "I never thought I would live to see the day that this could happen in Jamaica.”

And other ‘buzz phrases' heard at the event included "I'm exercising my rights”, "I feel so liberated”, "I have validation”, and "exuberant”

The Walk for Tolerance was organised by Jamaica AIDS Support for Life (JASL) is Jamaica's oldest and largest Non-Governmental Organization working in the area of HIV/AIDS awareness, prevention and care.

More photographs will be added when they arrive.  They are expected on Friday.
Fotos: http://www.ukgaynews.org.uk/Archive/10/Apr/0801.htm

In the meantime, There is a YouTube video on the walk.  Click HERE.
http://www.youtube.com/watch?v=Fg7CY7pjNpk

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1. MAI ZUREICH
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Tagesanzeiger 17.4.10

Gewerkschaften im Clinch mit dem 1.-Mai-Komitee

 "So nicht" - die vier grossen Gewerkschaften Unia, VPOD, Kommunikation und Comedia distanzieren sich vom diesjährigen Slogan des 1.-Mai-Komitees.

 Von Stefan Hohler

 Zürich - Der provokative Slogan des 1.-Mai-Komitees zum diesjährigen Tag der Arbeit, "Verlieren wir die Beherrschung", sorgt nicht nur bei den bürgerlichen Parteien für Empörung, auch die Gewerkschaften betrachten die Parole als "verfänglich und verantwortungslos". Damit spiele das Komitee den politischen Gegnern des 1. Mai in die Hände, die den Slogan als Vorwand brauchen würden, um den Organisatoren die Verantwortung für allfällige Ausschreitungen zuzuschieben, schreiben die Gewerkschaften in einer Medienmitteilung. Man sei an der Erarbeitung dieses Slogans nicht beteiligt gewesen.

 Eine Aussage, die beim 1.-Mai-Komitee für Kopfschütteln sorgt. Denn die vier Gewerkschaften sind Mitglied in der aus rund 60 Organisationen bestehenden Dachorganisation. Christoph Lips, Regionalsekretär VPOD, gesteht, dass die interne Kommunikation wohl nicht geklappt habe. Man habe erst über die Medien von dieser Parole erfahren: "Wir wurden auf dem falschen Fuss erwischt." Komitee-Sprecherin Anna Klieber meint dazu: "Schade, dass die Gewerkschaften nun Öl ins Feuer giessen, sie haben wegen des Medienrummels wohl kalte Füsse bekommen."

 "Auf den Slogan verzichten"

 Die Gewerkschaften verlangen vom Komitee eine aktive Distanzierung von Gewalt. "Wenn sie mit der Gewalt kokettieren, stehen sie alleine da", sagt Lips. Zweideutigkeiten gegenüber Ausschreitungen "sind nicht akzeptabel", heisst es in der Mitteilung. Die Arbeitnehmenden und ihre Familien hätten ein Recht darauf, auch in Zürich ihre Anliegen "ohne störende Nebengeräusche" zum Ausdruck zu bringen. Lips fordert das Komitee auf, auf den Slogan zu verzichten. Zudem erwartet er vom Komitee, dass es die räumliche und zeitliche Trennung von Umzug und Fest auf dem Zeughausareal so akzeptiert, wie dies der Stadtrat in seiner Bewilligung verlangt hat. Anna Klieber vom 1.-Mai-Komitee sagt dazu lediglich: "Wir werden am Montag darüber informieren."

 Ob es im nächsten Jahr wieder zu einem gemeinsam durchgeführten 1. Mai kommt, lassen die Gewerkschaften offen. Eine künftige Zusammenarbeit ist für sie nur mit Organisationen denkbar, die sich klar von allfälligen Gewaltaktionen abgrenzen und die abgemachten Spielregeln einhalten, schreiben sie in der Mitteilung. Klieber ist aber überzeugt, dass man auch im nächstenJahr wieder einen gemeinsamen 1. Mai durchführen werde. Die Spaltungstendenzen kämen von einzelnen Exponenten, "ein Grossteil der Gewerkschaften steht hinter dem Komitee".

 Parallelen zu SP

 Das Zerwürfnis zwischen Gewerkschaften und dem 1.-Mai-Komitee, das sich in den letzten Jahren angebahnt hat, zeigt Parallelen zum Streit zwischen dem Komitee und der SP. Diese war vor rund zehn Jahren aus dem Komitee ausgetreten und hatte zweimal auf dem Turbinenplatz und einmal in der Bäckeranlage ein eigenes Fest durchgeführt. Laut Barbara Reimann, Co-Präsidentin der städtischen SP, nimmt die SP seit drei Jahren wieder an den Vorbereitungsarbeiten und am Fest im Zeughausareal teil. Seit der personellen Änderung habe man mit dem 1.-Mai-Komitee ein gutes Verhältnis. Der Slogan sei ungeschickt gewählt. Das Komitee habe aber absolut kein Interesse an Gewalt, auch aus kommerziellen Gründen.

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NZZ 17.4.10

Scharfe Worte gegen 1.-Mai-Komitee

 Gewerkschaften kritisieren Slogan

 fri. ⋅ Die Gewerkschaften stellen eine weitere Zusammenarbeit mit dem 1.-Mai-Komitee am Tag der Arbeit in Frage. "Eine künftige Zusammenarbeit ist nur mit Organisationen denkbar, die sich klar von allfälligen Gewaltaktionen abgrenzen und die abgemachten Spielregeln einhalten", heisst es in einer Mitteilung des Zürcher Gewerkschaftsbunds. Man distanziere sich klar und unzweideutig von jeglicher Gewalt; Zweideutigkeiten gegenüber solchen - oftmals nicht einmal dem Anschein nach politisch motivierten - Ausschreitungen seien nicht akzeptabel.

 Damit kritisieren die Gewerkschaften den vom 1.-Mai-Komitee gewählten Slogan "Verlieren wir die Beherrschung" sowie das Plakat, das comicartig eine Explosion und Gewaltsymbole darstellt (NZZ 14. 4. 10). Das Komitee spiele mit dem "verfänglichen und verantwortungslosen" Motto den politischen Gegnern des 1. Mai in die Hände, die den Slogan als Vorwand verwenden würden, um den Organisatoren die Verantwortung für Ausschreitungen zuzuschieben. Die Gewerkschaften betonen, dass sie an der Erarbeitung des Slogans nicht beteiligt gewesen seien und dass der Slogan am Umzug nicht erwünscht sein werde. Schliesslich hätten sie auch auf einer zeitlichen Trennung von Umzug und Fest auf dem Kasernenareal insistiert. Das 1.-Mai-Komitee dagegen will das Fest bereits kurz nach der Demonstration beginnen.

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Zürichsee Zeitung 17.4.10

Tag der Arbeit

Zürcher Gewerkschaften stellen Zusammenarbeit mit 1.-Mai-Komitee in Frage

 Fehlendes Verständnis für Zweideutigkeiten

 "So nicht", sagen die Gewerkschaften Unia, VPOD, Kommunikation und Comedia. Sie distanzieren sich damit vom Slogan des 1.-Mai-Komitees.

 Mit seinem "verfänglichen und verantwortungslosen" diesjährigen Slogan "Verlieren wir die Beherrschung" spiele das Komitee - es vereinigt diverse Organisationen - mit dem Feuer. Dies kommt laut einer Mitteilung der Gewerkschaften vom Freitag nur den politischen Gegner des 1. Mai entgegen. Die Zürcher Gewerkschaften seien bei der Erarbeitung des Slogans nicht beteiligt gewesen. "An der 1.-Mai-Demonstration ist er nicht erwünscht". Die Gewerkschaften distanzierten sich nämlich "klar und unzweideutig von jeglicher Gewaltausschreitung" rund um die Demonstration zum Tag der Arbeit.

 Trennung von Demo und Fest

 Das Gleiche erwarten sie vom 1.-Mai-Komitee. Zweideutigkeiten gegenüber solchen Ausschreitungen "sind nicht akzeptabel", heisst es in der Mitteilung. Die Arbeitnehmenden und ihre Familien hätten ein Recht darauf, auch in der Stadt Zürich ihre Anliegen "ohne störende Nebengeräusche" zum Ausdruck zu bringen. Um zu einer Deeskalation beizutragen, hätten die Gewerkschaften in den vergangenen zwei Jahren auf einer zeitlichen und räumlichen Trennung von Demonstration und Fest bestanden, schreiben die Gewerkschaften weiter. Dies müsse auch in diesem Jahr so sein.

 Das 1.-Mai-Komitee wehrt sich gegen die Auflage der Stadt, das Fest im Zeughausareal erst um 20 Uhr beginnen zu lassen - Stunden nach der Schlusskundgebung auf dem Bürkliplatz. Es hat bisher noch nicht entschieden, ob es diese Einschränkung akzeptiert. Auch die SP möchte schon am Nachmittag beginnen.

 Über die Bücher gehen

 Für die Organisation künftiger Tage der Arbeit müsse man "über die Bücher", sagte Remo Schädler von der Unia auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Man werde sicher nicht mehr mit Organisationen zusammenarbeiten, die sich nicht klar und ausdrücklich von Gewalt distanzierten. Diese Distanz müsse auch in einem Slogan zum Ausdruck kommen. Es gehe nicht an, dass man überlegen und sich winden müsse, um ihn zu interpretieren. Bisher habe man es hinbekommen, dass die Gewerkschaften und Organisatoren nicht mit den gewalttätigen Ausschreitungen in Verbindung gebracht worden seien. Das sei mit dem diesjährigen Komitee-Slogan in Frage gestellt.

 Am 1. Mai 2010 gehe es um den Protest gegen die zunehmende Ungerechtigkeit in der Gesellschaft, wie die Gewerkschaften schreiben: Eine kleine Kaste von Abzockern reisse immer grössere Teile des erarbeiteten Reichtums an sich, während sich eine grosse Mehrheit der Bevölkerung um die Früchte ihrer Arbeit geprellt sehe. Zudem werde die soziale Sicherheit demontiert. (sda)

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Blick am Abend 16.4.10

SVP schämt sich für RAF-Ausstellung

 1. Mai

 Die SVP will sich bei den Deutschen für eine 1.-Mai-Ausstellung entschuldigen.

 Für uns wirkt das wie die Verherrlichung des RAF-Terrors", regt sich der Stadtzürcher SVP-Präsident Roger Liebi über die RAF-Ausstellung zum 1. Mai in der Kanzleiturnhalle auf. "Wir werden uns in Deutschland bei den Hinterbliebenen für die Stadt Zürich entschuldigen." Geplant ist eine Inseratenkampagne in einer der grossen deutschen Zeitungen, etwa der "Welt", der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" oder der "Zeit". Die Kampagne wird vom SVP-Werbebüro "Goal.ch" entworfen, die schon für die Minarett-Plakate und die "Schwarze Schafe"-Kampagne verantwortlich war.

 Es gehe nicht, dass in einem Gebäude der Stadt eine Ausstellung zu einer terroristischen Vereinigung gezeigt werde. "Das ist respektlos den Opfern und Hinterbliebenen gegenüber."

 Ob dies nicht einfach aufgearbeitete Zeitgeschichte sei? "Nein," meint Liebi, "die Organisatoren nennen sich Revolutionärer Aufbau Zürich. Die haben klare Sympathien für die RAF".

 Anna Klieber vom 1.-Mai-Komitee sieht hier Zensur. "Die SVP will sich wieder einmal in der Öffentlichkeit aufspielen und eine Kulturveranstaltung diffamieren." Das 1.-Mai-Komitee habe zwar nicht direkt etwas mit der Ausstellung zu tun, aber für Klieber ist es offensichtlich, dass die SVP-Aktion ein politischer Schlag gegen die Idee der 1.-Mai-Veranstaltungen ist. re

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BIG BROTHER SPORT
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NZZ am Sonntag 18.4.10

Fussballklubs sehen Existenz bedroht

 Mit der Mustervereinbarung zwischen der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren und der Fussballliga soll Gewalt bekämpft werden. Die Klubs reagieren skeptisch.

Christine Steffen

 "Mehrere Super-League-Klubs werden bereits heute durch die Sicherheitskosten an den Rand der Existenz gedrängt", sagt Bernhard Heusler, Vizepräsident des FC Basel. 3 Millionen Franken gibt der FCB jährlich für Sicherheit aus. Die Mustervereinbarung, die am Freitag von der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz, dem Fussballverband und der Swiss Football League präsentiert wurde (siehe Box), nimmt die Vereine verstärkt in die Pflicht. Sie setzt auf ein Bonus-Malus-System. Klubs, welche die Sicherheitsideen umsetzen, werden zwar belohnt, indem sie einen kleineren Beitrag an die Kosten entrichten. Die Umsetzung der Massnahmen treibt sie aber an ihre finanziellen Grenzen. Bis Ende Juni wollen die lokalen Behörden mit den zehn Klubs die Abkommen aushandeln.

 Für Michael Hüppi, Präsident des FC St. Gallen, ist die Mustervereinbarung "eine Folge der Tatsache, dass die Politik das Heft in die Hand genommen hat". Das liege nicht zuletzt daran, dass die Vereine es versäumt hätten, "das Haus selber in Ordnung zu bringen". Hüppi zweifelt an der Durchführbarkeit und der Wirksamkeit einzelner Massnahmen. Ein Alkoholverbot etwa hält er für sinnlos, weil die Leute dann einfach betrunken ins Stadion kämen. Dass eine Partie durch die Polizei abgebrochen würde, wie es die Vereinbarung vorsieht, hält er für unvorstellbar. "Gewisse Massnahmen", sagt er, "führen zu einer Radikalisierung der Fans. Das ist gefährlich." Laut Urs Linsi, Präsident und CEO von GC, können die Grasshoppers schon jetzt nur schwer mit den Sicherheitskosten leben. Er beklagt, dass "gesellschaftliche Probleme wie die Jugendgewalt einseitig auf den Fussball abgewälzt werden". Überdies werde bei den Sicherheitskosten mit ungleichen Ellen gemessen; in Zürich würden die Klubs übermässig belastet, das verunmögliche einen fairen Wettbewerb. Tatsächlich werden die Klubs unterschiedlich zur Verantwortung gezogen: Die Young Boys etwa haben bereits eine Vereinbarung mit der Stadt und bezahlen nur 60 000 Franken im Jahr.

 Auch unter dem Kostendruck scheint in den Klubs ein Umdenken einzusetzen. Während FCB-Vizepräsident Heusler seit langem für eine differenzierte Sicht auf die Fans plädiert und sich dezidiert gegen die Gleichung "Fussballfan gleich Hooligan" ausspricht, möchte nun auch Hüppi vermehrt bei der Fanarbeit und der Prävention ansetzen. Heusler erkennt bei verschiedenen Präsidenten den Willen, nicht nur auf Repression zu setzen. Er hält es im Interesse des Fussballs für wichtig, "Gegensteuer zu geben, wenn das verzerrte Bild vom Fan als Gewalttäter und von Fussballspielen als Risiko-Anlässen gezeichnet wird."

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 Leichtbier und Polizei

 Die Mustervereinbarung sieht vor, dass Fussballklubs und Behörden vor jeder Saison gemeinsam ein Sicherheitskonzept erarbeiten. Höchste Priorität hat die Identifikation von Straftätern; in den Stadien und auf Reisewegen werden Videokameras und zivile Polizisten eingesetzt. Die Stadienbetreiber sollen Arrestzellen und Vernehmungsräume zur Verfügung stellen. Künftig soll die Polizei "bei starker Gefährdung der Sicherheit" ein Spiel abbrechen können. Es wird nur noch Leichtbier ausgeschenkt, bei Hochrisikospielen und im Gästesektor gilt ein Alkoholverbot. Es soll verbindlich definiert werden, welches polizeiliche Aufgebot zur Grundversorgung gehört und welche Leistung entschädigt werden muss. Bei vier Spielen im Jahr soll geprüft werden, ob die Vereinbarung eingehalten wird. (cen.)

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Zentralschweiz am Sonntag 18.4.10

FC Luzern

 Stadionknast soll für Ruhe sorgen

 Wer im Stadion Ärger macht, der wird in Luzern vor Ort eingebuchtet. Ein Modell, das es schon gibt.

 pi. Wer sich an einem FCL-Heimspiel danebenbenimmt, der muss künftig damit rechnen, noch während des Spiels verhaftet und eingesperrt zu werden. Möglich macht dies das Stadiongefängnis, das der FCL in seine neue Arena integrieren will. "Es sind Einzelzellen geplant, in denen die Polizei Krawallmacher vorübergehend einsperren oder befragen kann", sagt FCL-Präsident Walter Stierli. Auch wenn die Kapazität mit vier Plätzen sehr beschränkt ist, hofft man beim FCL auf eine präventive Wirkung. "Wenn jemand weiss, dass er eingebuchtet wird, wenn er sich danebenbenimmt, dann überlegt er sich wohl zweimal, ob er wirklich randalieren soll", so Stierli. Ähnliche Arresträume, wie sie der FCL plant, gibt es in anderen Schweizer Stadien bereits. Etwa in Bern oder Basel. Dort haben sie sich bewährt.

 Seite 23

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Stadiongefängnis des FCL

 Wer zeuselt, wird eingebuchtet

Von Pascal Imbach

 Auf der Luzerner Allmend können Chaoten künftig im stadioneigenen Gefängnis eingesperrt werden. In anderen Schweizer Stadien ist das heute bereits möglich.

 Neben der Tür prangt der Schriftzug "Einvernahme", dahinter befindet sich ein karger Raum ohne Fenster. Fläche: rund 12 Quadratmeter. Möblierung: ein Tisch, ein paar Stühle, mehr nicht. In zwei solchen Zellen kann der BSC Young Boys, ähnlich wie auch der FC Basel, Fussballchaoten festhalten und befragen, die sich im oder ums eigene Stadion danebenbenommen haben. "Das sind sehr triste Räume", sagt Stefan Niedermaier, CEO der Berner Young Boys. "Wer hier sitzt, der wartet, bis die Polizei kommt - und macht sich in der Zwischenzeit bestimmt Gedanken darüber, was er getan hat." Eine Art Gefängnisknast mit abschreckender Wirkung also. In Betrieb genommen 2005 - als aus dem Wankdorfstadion das Stade de Suisse wurde.

 Vier Zellen in Luzern

 Obwohl Hooligan-Probleme in der Hauptstadt selten sind und die Arrestzellen an den meisten Spieltagen leer bleiben: Bei YB ist man froh um sie. "Wenn sich jemand danebenbenimmt, etwa aufs Spielfeld rennt, können wir ihn noch während des Matchs einsperren", sagt YB-Chef Niedermaier. "Dann haben wir Ruhe."

 Ruhe und Ordnung will auch der FC Luzern in seinem neuen Stadion, das im Februar 2011 eröffnet wird. Deshalb - und weil die Swiss Football League ihre Sicherheitsanforderungen stetig erhöht - geht man auf der Allmend sogar noch einen Schritt weiter als in Bern: In die Swissporarena wird ein Mini-Gefängnis mit vier Einzelzellen integriert (Ausgabe von gestern). Diese sollen jeweils rund 10 Quadratmeter gross sein und ausser einer Sitzgelegenheit kein Mobiliar enthalten. "Gebaut werden sie von uns, betrieben aber ausschliesslich von der Luzerner Polizei", sagt FCL-Sicherheitschef Mike Hauser. Das heisst: Wenn es auf den Rängen Probleme gibt, werden Polizisten ins Stadion gelassen. Sie können einzelne Krawallmacher dann im stadioneigenen Gefängnis einsperren, befragen und allenfalls auf die Polizeiwache weitertransportieren.

 Kostenpunkt für das Stadiongefängnis: laut FCL-Präsident Walter Stierli mehrere 100 000 Franken.

 Hartes Durchgreifen

 Beim FC Luzern ist man sich bewusst, dass der Gefängnisknast allein nicht alle Sicherheitsprobleme löst. Deshalb wird zurzeit an einem umfangreichen Sicherheitskonzept gearbeitet (siehe Kasten). Dennoch glaubt Präsident Stierli, dass die Gefängniszellen nur schon aus präventiver Sicht eine gute Sache sind. "Wer im neuen Stadion zum Beispiel eine bengalische Fackel zündet, der muss damit rechnen, dass er aus dem Sektor rausgeholt, eingesperrt und gebüsst wird." Bisher sind Fans, die Feuerwerk zündeten oder andersweitig randalierten, oft noch ungeschoren davongekommen. Das soll in der Swissporarena nicht mehr möglich sein. "Wir werden die Sicherheitsrichtlinien der Swiss Football League konsequent umsetzen", sagt Stierli.

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 Sicherheit

 Überwachungsraum im Stadion

 Um das Geschehen in den Fan-Sektoren besser im Griff zu haben, wird der FCL künftig verstärkt auf den Einsatz von Videokameras setzen. Diese werden von einem eigens dafür eingerichteten Überwachungsraum aus bedient und koordiniert. "Das ermöglicht es uns, allfällige Krawallmacher, die wir nicht während des Spiels festnehmen können, im Nachhinein noch zur Rechenschaft zu ziehen." Auch führen die FCL-Verantwortlichen zurzeit Gespräche mit der Polizei und den Verkehrsbetrieben Luzern (VBL), um den An- und Abtransport der gegnerischen Fans zu regeln. "Es ist denkbar, dass wir Sonderbusse, die zwischen Allmend und Bahnhof verkehren, künftig konsequent von der Polizei eskortieren lassen", so Stierli. Zudem soll der Gästesektor nicht mehr als 1000 Plätze bieten.

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Bund 17.4.10

Hooligans

 YB lehnt Vereinbarung ab

 Die Kantone legen eine Mustervereinbarung gegen Gewalt im Sport vor - YB will sie nicht unterzeichnen. — Seite 23

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Justizdirektoren wollen durchgreifen

 Mehr Repression gegen Gewalttäter

 Die Mustervereinbarung sieht unter anderem vor, dass die Polizei ein Spiel sogar abbrechen kann.

 Die Schweizer Fussballklubs müssen mehr gegen randalierende Fans unternehmen und enger mit den Behörden zusammenarbeiten. Darauf haben sich die Kantone, der Fussballverband und die Profiliga geeinigt. Sie präsentierten am Freitag in Bern eine Mustervereinbarung, die sämtliche Profiklubs bis Ende Juni unterzeichnen sollen. Die Vereinbarung, die lokal angepasst werden kann, ermöglicht ein repressiveres Vorgehen gegen gewalttätige Fussballfans und nennt auch einige präventive Massnahmen. Höchste Priorität wird der Identifikation von Straftätern eingeräumt. So werden in den Stadien und auf den Reisewegen hoch auflösende Videokameras und Polizeispitzel eingesetzt. Die Stadionbetreiber stellen den Behörden Arrestzellen und Räume für Einvernahmen zur Verfügung. Die Massnahmen zielen aber nicht nur gegen den harten Kern gewaltbereiter Fans. Generell soll es im Stadion noch Leichtbier zu trinken geben. Die Fans im Gästesektor sollen gar keinen Alkohol konsumieren.

 Laut dem Berner Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) ruft die Mustervereinbarung in Erinnerung, dass die Polizei notfalls auch im Stadion einschreiten dürfe. Der Einsatzleiter der Polizei ist sogar befugt, ein Spiel abzubrechen, wenn die Sicherheit stark gefährdet ist. Vereine, die sich mustergültig verhalten, sollen finanziell profitieren. Gemäss den Polizeidirektoren verursacht ein Hochrisikospiel Sicherheitskosten von etwa 250 000 Franken; ein Zehntel davon erachte die öffentliche Hand als Grundversorgung. (sda)

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YB wird die Mustervereinbarung der Justizdirektoren nicht unterzeichnen

 Die Mustervereinbarung zur Bekämpfung der Gewalt im Sport bringe für Bern nichts Neues, sagt YB-Chef Stefan Niedermaier.

 Bernhard Ott

 Stefan Niedermaier ist gelassen. Die gestern präsentierte Mustervereinbarung für Profi-Fussballklubs betreffe den BSC YB nur am Rande. Im Bereich Sicherheit gebe es seit Dezember 2009 eine Vereinbarung zwischen YB, SCB und der Stadt Bern, die sich bewährt habe. Die Mustervereinbarung, welche die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), der Fussballverband und die Profiliga gestern präsentiert haben (siehe Zweittext), betreffe vor allem jene Klubs, die noch keine Sicherheitsvereinbarung hätten. Niedermaier sieht denn auch keinen Grund, einen neuen Vertrag zu unterzeichnen. "In Bern gibt es keine grossen Probleme mit der Gewalt."

 So gebe es im Stade de Suisse Wankdorf seit jeher Arresträume und Räume zur Einvernahme von verdächtigen Personen. Zudem verstehe es sich von selbst, dass ein polizeilicher Einsatzleiter einen Match abbrechen könne, wenn Menschenleben akut gefährdet seien. "Wenn die Gefahr gross ist, braucht es keine Vereinbarung, um ein Spiel abzubrechen." Auch bezüglich der Sicherheitskosten sieht Niedermaier keinen Anlass, einen neuen Vertrag zu unterzeichnen. Gemäss der bestehenden Vereinbarung mit der Stadt Bern beteiligen sich die beiden Klubs mit je 60 000 Franken an den Kosten für die Polizeieinsätze vor den Stadien. Seit einem Urteil des Bundesgerichts, wonach ein Klub bis zu 80 Prozent der Sicherheitskosten bei sogenannten Hochrisikospielen tragen muss, wird dieser Betrag als zu gering kritisiert. "Was heisst zu wenig?", fragt Niedermaier rhetorisch. Die Sicherheit im Stadion koste YB jährlich zwei Millionen Franken. Dazu kämen bauliche Massnahmen für mehrere Zehntausend Franken, die aufgrund der Vereinbarung mit der Stadt notwendig geworden seien, sagt Niedermaier.

 "Bern hat eine Vorreiterrolle"

 Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) begrüsst es, dass mit der Mustervereinbarung der politische Druck zur Verbesserung der Sicherheitslage vor den Stadien aufrechterhalten bleibe. Rund 90 Prozent der Vereinbarung seien aber bereits durch den bestehenden Vertrag gedeckt. "In Sachen Sicherheit bei sportlichen Grossanlässen hat Bern eine Vorreiterrolle." So habe es in Bern seit einem Jahr keine grösseren Krawalle mehr gegeben. Nach wie vor zu hoch seien aber die Kosten für die Sicherheitsmassnahmen. Wenn es bis in einem Jahr nicht gelinge, diese zu senken, müsse die Beteiligung von YB und SCB neu verhandelt werden, sagt Nause. "Bei der Vereinbarung über die Kostenbeteiligung von YB und SCB waren wir in Bern vielleicht etwas gar zu schnell", sagt Nause unter Hinweis auf das erwähnte Bundesgerichtsurteil.

 Massive Vorwürfe an KKJPD

 Bei der YB-Fanarbeit empfindet man die Mustervereinbarung gar als Störmanöver. Im sechsseitigen Vertragswerk sei gerade mal ein Satz der Gewaltprävention gewidmet, sagt Fanarbeit-Sprecher Urs Frieden, Berns Stadtratspräsident (GB). "Mit ihrer rein polizeilichen Optik torpediert die KKJPD auf fahrlässige Weise eine Diskussion, die seit längerer Zeit im Gang ist." Zudem werde der bestehende Vertrag zwischen YB, SCB und der Stadt Bern unterlaufen, sagt Frieden.

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BZ 17.4.10

Gewalt im Sport

 Polizei übernimmt die Hoheit im Fussballstadion

 Die Behörden verstärken den Kampf gegen Hooligans. Die Polizei will Chaoten mitten im Stadion bekämpfen.

 Bisher sorgten die Fussballklubs und deren private Securityfirmen selber für die Sicherheit im Stadion. Ab der neuen Saison, die im Juli beginnt, übernimmt die Polizei das Zepter. Die Staatsgewalt fordert Arrestzellen im Stadion und Polizeispitzel im Fansektor. Sogar auf der Anreise an Auswärtsspiele sollen Fussballfans von zivilen Begleitern mit hochauflösenden Handkameras gefilmt werden.

 Im Kampf gegen Pyro-Fackeln will die Polizei Doppelhalter und Choreografien verbieten, damit sich die Fans beim Abbrennen der Feuerwerkskörper nicht mehr verstecken können. Bei Bedarf werden ganze Fangruppen - auch Unbeteiligte - im Stadion zurückgehalten, bis Chaoten und Pyromanen überführt sind.

 Die Behörden mischen sich ein in den Ticketverkauf und bestimmen Regeln für die Eingangskontrollen. Der jeweilige Polizeieinsatzleiter entscheidet bei Ausschreitungen vor Ort und spontan über einen Spielabbruch.

 Der Fussballverband und die Profiliga unterstützen die Forderungen, welche die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren gestern in Bern den Medien vorgestellt hat. Die Vereine sollen zur Unterschrift einer entsprechenden Vereinbarung gedrängt werden. tob

 Seite 3

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Gewalt im Fussball

 Polizei will notfalls Spiele abbrechen

 Die Behörden verstärken den Kampf gegen Hooligans. Sie fordern Arrestzellen im Stadion und Polizeispitzel im Fansektor. Der Fussballverband zieht mit. Die Klubs sollen zur Unterschrift einer Vereinbarung gedrängt werden.

 Die Polizei übernimmt die Befehlshoheit im Fussballstadion. Bisher waren die Aufgaben strikt geteilt: Die Klubs und deren private Securityfirmen waren innerhalb der Stadionmauern für die Sicherheit zuständig. Draussen sorgte die Polizei für Ruhe. Doch auf die neue Saison hin, die im Juli beginnt, will die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) ihren Einfluss in den Schweizer Stadien erhöhen.

 Jede Runde der Meisterschaft verursache heute Sicherheitskosten der öffentlichen Hand von rund einer Million Franken, sagte die St.Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter gestern an einer Medienkonferenz in Bern. "Die Bevölkerung ist nicht länger bereit, dies zu bezahlen."

 Polizei will ins Stadion

 Ein Fussballstadion sei zwar ein privates Grundstück, wie ein Dancing, ein Billardklub oder eine Beiz, sagte Hans-Jürg Käser, Polizeidirektor des Kantons Bern. "Wenn dort aber delinquiert wird, schreitet die Polizei ein." Dies sei ihre Kernaufgabe.

 Wie genau sich die Polizeidirektoren dieses Eingreifen vorstellen, präsentierten sie gestern in einer sogenannten Mustervereinbarung. Höchste Priorität habe die Identifikation von Straftätern, steht im fünfseitigen Papier (konkrete Massnahmen im Bildblock rechts).

 Fanarbeiter sind skeptisch

 Der Schweizerische Fussballverband (SFV) und die Swiss Football League (SFL) haben die Vereinbarung mitformuliert. "Die meisten Fans wünschen sich eine Atmosphäre des Anstands und Respekts", sagte SFV-Präsident Peter Gilliéron.

 Die Fanarbeit Schweiz dagegen kritisiert das Massnahmenpaket. "Die Politiker betrachten den Fussball in der Schweiz offenbar als grosses Sicherheitsrisiko", sagte Thomas Gander, Geschäftsführer der Dachorganisation, auf Anfrage der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA). Dabei sei die Zahl der Ausschreitungen in den Fussballstadien in den letzten zehn Jahren stark zurückgegangen. "Zugenommen haben hingegen Konfrontationen zwischen der Polizei und Fanlagern ausserhalb der Stadien."

 Klubs stehen unter Druck

 Bis Ende Juni sollen die Fussballklubs die Vereinbarung unterschreiben - allenfalls unter Anwendung "gewisser Druckmittel", wie sich Hanspeter Gass, Polizeidirektor von Basel-Stadt, ausdrückte. Konkret: Vereine, die ihre Unterschrift verweigern, müssen sich stärker an den öffentlichen Sicherheitskosten beteiligen - ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2009 erlaubt den Behörden, 80 Prozent der Polizeikosten abzuwälzen. Klubs, die kooperieren, profitieren laut Gass von weiteren Entlastungen.

 YB und SCB beteiligen sich jährlich mit je 60000 Franken an den Polizeikosten. Die YB-Verantwortlichen geben keinen Kommentar zu den KKJPD-Massnahmen ab. "Unsere Ansprechperson ist in dieser Sache Gemeinderat Reto Nause", sagt YB-Pressechef Albert Staudenmann. Der angesprochene Stadtberner Sicherheitsdirektor stellt sich hinter die Berner Grossklubs. "Die Kostenbeteiligung wird vorerst nicht erhöht", sagt Nause. Die Stadtbehörden hätten im vergangenen Herbst mit YB und SCB eine eigene Vereinbarung abgeschlossen. "YB muss die Mustervereinbarung nicht unterzeichnen. Denn in Bern sind die Forderungen bereits zu 90 Prozent erfüllt."

 Tobias Habegger

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Kampf den Chaoten

Peter Jost

 Gewalt rund um Sportveranstaltungen ist ein echtes Problem. Das schleckt keine Geiss weg. So gesehen ist es höchste Zeit, dass sich Kantone, Fussballverband und Liga auf ein gemeinsames Vorgehen gegen die Übeltäter einigen konnten.

 Mit ihren ersten Vorschlägen hatte die Konferenz der Polizeidirektoren Ende des letzten Jahres noch weit übers Ziel hinausgeschossen. Damals wurde etwa eine generelle Ausweispflicht beim Betreten des Stadions oder eine geführte Anreise für alle Auswärtsfans im Stile von Gefangenentransporten gefordert. Schikanen, die vielen Fans die Lust auf Livefussball ein für alle Mal genommen hätten.

 Das nun vorgestellte Massnahmenpaket scheint hingegen sauber durchdacht und logisch aufgebaut zu sein. Das Wichtigste dabei: Die meisten Massnahmen betreffen nicht alle Fans, sondern nur jene Rüpel, welche gegen die Regeln verstossen und Unbeteiligte gefährden. Diese Chaoten gehören bestraft - mit aller Härte, die unsere Gesetzgebung zulässt.

 peter.jost@bernerzeitung.ch

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Tagesanzeiger 17.4.10

Wird im Stadion Starkbier getrunken, soll der Verein mehr bezahlen

 Ein neuer Mustervertrag zeigt, wie die Kantone Fussballklubs zu Massnahmen gegen Gewalt verpflichten wollen. Bei den Vereinen fürchtet man die Kosten.

 Von Fabian Renz

 Kein Bier mehr im Fussballstadion? Ein Polizeichef, der bei Bedarf den Match abbrechen kann? Als die Justizdirektoren vor einigen Monaten erstmals solche Pressionen andachten, um die Gewalt bei Fussballspielen einzudämmen, reagierte die Szene mit einem Aufschrei.

 Mittlerweile jedoch haben die Fussball-Dachverbände in den wesentlichen Grundfragen eingelenkt. Wie gestern bekannt wurde, sind die meisten der verfemten Massnahmen nun sogar Teil eines neuen Musterabkommens, das als Schablone zur Regulierung der Sicherheitsfrage dienen soll. Dieser Vertrag, den die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) mit dem Schweizerischen Fussballverband und der Swiss Football League aushandelte, ist zwar für niemanden verbindlich. Doch ist er als Vorbild für die Einzelabkommen gedacht, welche die Polizeibehörden in den kommenden Wochen mit ihren lokalen Fussballklubs abschliessen wollen. Die wichtigsten Eckwerte des Mustervertrags:

 Die Fussballklubs verpflichten sich, zusammen mit den Behörden vor jeder Saison ein Sicherheitskonzept auszuarbeiten. Wird man sich nicht einig, erlassen die Behörden Verfügungen.

 Zur Identifikation von Straftätern installieren die Klubs in den Stadien hochauflösende Videokameras.

 Zugleich überwacht die Polizei bei Fussballmatches neu die Anreisewege mit mobilen Kameras. Im Stadion selber sind Polizisten in Zivil, sogenannte Spotter, präsent.

 Bei "starker Gefährdung der Sicherheit" kann die Polizei das vorzeitige Ende eines Matches veranlassen.

 Im Stadion dürfen ausser Leichtbier keine Alkoholika konsumiert werden.

 Periodisch wird überprüft, ob der Fussballklub seine Verpflichtungen einhält. Je nach Ergebnis wird ihm ein unterschiedlich hoher Anteil an den Sicherheitskosten auferlegt. Dieses Bonus-Malus-System ist im Detail für jeden Klub separat auszuhandeln.

 Vereine hegen Bedenken

 Akzeptieren die Klubs diese Vorgaben, dürften ihnen kostspielige Investitionen bevorstehen. Bei der KKJPD hat man widerspenstige Reaktionen vorsorglich einkalkuliert. "Ein solches Musterabkommen darf durchaus etwas forsch ausgestaltet sein, zumal ja bei der Kostenfrage Verhandlungsspielraum besteht", sagt Generalsekretär Roger Schneeberger. Er rechnet nun fürs Erste mit einem taktischen "Powerplay" an Vorbehaltsäusserungen.

 Damit dürfte er nicht fehlgehen. Für Michael Hüppi zum Beispiel, den Präsidenten des FC St. Gallen, ist zwar klar, dass im Bereich der Gewaltbekämpfung "etwas geschehen muss". Das Musterabkommen beinhaltet für ihn aber Punkte, deren Umsetzung keinen Sinn macht. Die Einschränkung des Alkoholausschanks zum Beispiel: "Die Leute werden dann eben schon betrunken anreisen." Überdies warnt er davor, das vorgesehene Bonus-Malus-System zuungunsten der Vereine auszugestalten: "Das Bundesgericht hat entschieden, dass den Klubs bis zu 80 Prozent der Sicherheitskosten überwälzt werden dürfen. Ich fürchte darum, dass die Behörden eine Überwälzung von 60 Prozent bereits als Bonus betrachten könnten."

 Die möglichen Kostenfolgen beunruhigen auch Bernhard Heusler, den Vizepräsidenten des FC Basel: "Ein solcher Vertrag darf nicht dazu führen, dass die Sicherheitskosten der Klubs weiter ansteigen." Sein Verein gebe bereits heute 3 Millionen Franken pro Jahr für die Sicherheit aus, betont Heusler.

 Ähnliche Diskussionen könnten bald bei den Eishockeyvereinen einsetzen. Auch für sie verhandelt die KKJPD mit den Dachverbänden über einen Mustervertrag. Er soll in den nächsten Wochen fertiggestellt werden.

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NZZ 17.4.10

Die Vereine werden in die Pflicht genommen

 Justiz- und Polizeidirektoren und Fussballverband kämpfen gemeinsam gegen Gewalt im Umfeld des Sports

 Die Sicherheit im Umfeld von Sportveranstaltungen kostet Millionen. Nun werden die Vereine in die Pflicht genommen. Polizei-, Justizdirektoren und Fussballverband präsentierten eine Mustervereinbarung zur Kooperation von Klubs und Behörden.

 fsi. Bern ⋅ Jede Spielwoche der Schweizer Fussball- und Eishockeymeisterschaften beschert dem Staat Sicherheitskosten von rund einer Million Franken. Dies soll sich nun ändern, und die Vereine sollen einen Teil der Kosten übernehmen. Am Freitag haben die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) und Vertreter des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) sowie der Axpo Super League (ASL) im Haus der Kantone in Bern eine gemeinsam erarbeitete Mustervereinbarung vorgestellt. Auf deren Grundlage sollen Behörden und Fussballvereine künftig vereint gegen Gewalt vorgehen und die Prävention verstärken.

 Kooperation wird belohnt

 Langfristiges Ziel ist es, die Ausgaben für die Sicherheit sowohl der Behörden als auch der Vereine zu senken und dafür zu sorgen, dass sich die Leute in den Stadien und auch auf der An- und Abreise sicher fühlen. Es wird erwartet, dass die Profivereine die an die lokalen Gegebenheiten in den jeweiligen Kantonen und Städten und die finanzielle Situation des Klubs angepassten Vereinbarungen bis Ende Juni unterzeichnen. Künftig sollen Klubs, Stadionbetreiber und Behörden vor jeder Saison gemeinsam die Sicherheitsmassnahmen erarbeiten. Vereine, die sich einer Zusammenarbeit widersetzen sollten, müssten mit schmerzlichen finanziellen Konsequenzen rechnen. Hanspeter Gass (fdp., Basel-Stadt), Mitglied der KKJPD-Kerngruppe "Gewalt im Sport", erinnerte daran, dass die Behörden gemäss Bundesgericht den Klubs bis zu 80 Prozent der Polizeikosten verrechnen dürfen. Diese betragen bei einem normalen Spiel 80 000 bis 100 000 Franken und steigen bei einem Hochrisikospiel auf 250 000 Franken.

 Ein Teil dieser Sicherheitskosten gilt laut Gass als Grundversorgung; wie der Rest aufgeteilt werde, sei verhandelbar. Sportvereine, die mehr für die Sicherheit im Stadionumfeld unternähmen, könnten damit rechnen, weniger hart zur Kasse gebeten zu werden.

Polizei darf Spiele abbrechen

 Die Behörden werden Einfluss auf Zutrittskontrollen, Ticketverkauf und Stadionordnungen nehmen können. Die Vereine müssen ein Konzept zur Gewaltprävention vorlegen, der Identifikation von Straftätern wird höchste Priorität eingeräumt, und sie sollen möglichst rasch zur Rechenschaft gezogen werden. Die Stadionbetreiber stellen Arrestzellen und Räume für Einvernahmen zur Verfügung, und an den Spielen soll nur noch Leichtbier beziehungsweise an Hochrisikospielen alkoholfreies Bier ausgeschenkt werden. Bei Bedarf kann die Polizei auch ein Spiel abbrechen. - Nachdem sie sich mit dem SFV und der ASL geeinigt hat, strebt die KKJPD nun eine ähnliche Vereinbarung mit dem Eishockeyverband an.

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Basler Zeitung 17.4.10

Kantone drehen an der Repressionsschraube

 Die Polizeidirektoren erhöhen den Druck auf die Fussball- und Eishockeyclubs

 Renato Beck, Bern

 Mit einer Mustervereinbarung sollen die Vereine gezwungen werden, mehr für die Bekämpfung von Gewalt zu tun. Beim FC Basel stösst dies auf wenig Akzeptanz.

 Die Mustervereinbarung ist das Ergebnis des Runden Tischs, der von Sportminister Ueli Maurer einberufen wurde, um den Gewaltausbrüchen im Umfeld von Fussball- und Eishockeyspielen Herr zu werden. Mitgewirkt haben die kantonalen Polizeidirektoren sowie Fussballverband und Ligavertreter. Die Vereinbarung bündelt eine ganze Liste an Massnahmen, die ab der nächsten Saison gelten sollen. Deutlich erkennbar ist dabei die Handschrift der St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter: Von Arrestzellen in den Stadien ist die Rede, von Untersuchungsrichtern und von verbotenen Choreografien, der Fankurvenkunst. Grösstenteils St. Galler Spezialitäten, wo mittlerweile ein strenges Regime herrscht.

 Ziel des Papiers ist, dass sich Clubs und Behörden zusammensetzen und auf konkrete Massnahmen einigen. Je näher sie dabei der Mustervereinbarung kommen, desto kleiner sollen die Sicherheitskosten sein, die der Verein übernehmen muss. Jede Runde der Meisterschaft verursache heute Sicherheitskosten der öffentlichen Hand von rund einer Million Franken, begründet Keller-Sutter. "Die Öffentlichkeit ist nicht mehr bereit, dies mitzutragen."

 Spitzel

Priorität wird der Identifikation von Straftätern eingeräumt. So werden in den Stadien und auf den Reisewegen hochauflösende Videokameras sowie Spitzel der Polizei und neu auch der Clubs eingesetzt. Die Massnahmen zielen aber nicht nur gegen den harten Kern gewaltbereiter Fans. Generell soll es im Stadion bestenfalls noch Leichtbier geben. Die Fans im Gästesektor sollen überhaupt keinen Alkohol konsumieren. Und um zu verhindern, dass sich Matchbesucher stattdessen vor dem Spiel betrinken, sollen stark alkoholisierte Fans an den Eingängen aussortiert und von der Polizei weggeführt werden.

 Überhaupt soll die Polizei präsenter sein, bei Bedarf auch im Stadion. Neu ist, dass Polizisten nach Ausschreitungen einen Sektor abriegeln sollen. Eine Reaktion auf jenes berüchtigte Spiel des FC Zürich in Basel im letzten November, als FCZ-Anhänger den Gästesektor kurz und klein hauten und zumeist straffrei davonkamen.

 Kostenexplosion

Wenig begeistert über die Mustervereinbarung ist Bernhard Heusler. Der FCB-Vizepräsident bemängelt, dass die Clubs in die Erarbeitung der Vereinbarung "nicht involviert" gewesen seien, aber ihre Bedenken angemeldet hätten. Raus flog wohl auf Drängen der Vereine ein Stehplatzverbot. Heusler glaubt ohnehin, dass der FC Basel in seinem Sicherheitsabkommen mit dem Kanton Basel-Stadt bereits zahlreiche Anforderungen aus der Mustervereinbarung erfüllt. "Die Vereinbarung ändert nichts daran, dass Massnahmen getroffen werden müssen zur Senkung der Gesamtkosten. Und dass die Kostenüberwälzung auf die Clubs in einem vernünftigen Rahmen erfolgen muss, um den Fussballbetrieb nicht zu gefährden." Drei Millionen Franken bezahlt der FCB nach eigenem Bekunden jedes Jahr für die Sicherheit.

 Geht es nach dem Basler Regierungsrat Hanspeter Gass, der gestern ebenfalls in Bern war, könnte sich der Betrag eher noch erhöhen. Wenn der FCB die Vereinbarung nicht unterzeichnet, "wovon ich aber nicht ausgehe", wie Gass sagte. Welche Verschärfungen aus der "Menükarte" (Gass) es für den FCB geben wird, konnte er indes nicht sagen. "Dazu laufen Gespräche."

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Basellandschaftliche Zeitung 17.4.10

Bonus-Malus für den FCB

 FC Basel soll mehr für Sicherheit machen

 Der Basler Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass will die Gewalt an FCB-Spielen mit verschiedenen Massnahmen eindämmen. So soll künftig im Stadion nur noch Leichtbier ausgeschenkt werden - auch kann die Polizei Spiele abbrechen. Darüber hinaus soll der Verein erklären, wie er den Einsatz von pyrotechnischen Gegenständen im Stadion verhindern will.

 Setzt der FCB viele der Präventionsmassnahmen um, erhält er einen "Rabatt" auf die Sicherheitskosten. "Wir können die Kosten nur senken, wenn wir das Risiko senken", sagt Gass. Dieses Bonus-Malus-System wirft bei FCB-Vizepräsident Bernhard Heusler Fragen auf. Die praktische Umsetzung sei für ihn nicht fassbar. (YDU) Seite 27

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FCB wird in die Pflicht genommen

Polizei soll gefährliche FCB-Spiele abbrechen können. Zudem gibts künftig nur noch Leichtbier

 Yen Duong

 Die Massnahmenliste ist lang - das Ziel ist klar: Gewalttätige Fans haben nichts mehr an Spielen des FC Basel verloren. So sollen die Fans künftig im Stadion nur noch mit Leichtbier anstossen dürfen, Fans im Gästesektor sollen gar kein Bier mehr erhalten und die Polizei soll den Abbruch eines Spieles verfügen können, wenn sie die Sicherheit als stark gefährdet einstuft. Darauf haben sich die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), der Schweizerische Fussballverband (SFV) und die Swiss Football League geeinigt. Die Massnahmen sind Teil einer unverbindlichen Mustervereinbarung, die künftig die Zusammenarbeit der Spitzenclubs und Kantone klären soll. Die Vereinbarung wurde gestern unter anderem vom Basler Justiz- und Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass in Bern vorgestellt.

 Definitive Lösung bis Ende Juni

 "Die Vereinbarung ist ein gemeinsamer Schulterschluss", sagt Gass. Der FDP-Regierungsrat nimmt eine Palette an möglichen Massnahmen mit nach Basel, die er dem FCB unterbreiten möchte. So soll der Verein ein Konzept zur Prävention von Gewalt verfügen und erklären können, wie er den Einsatz von pyrotechnischen Gegenständen verhindern möchte. Höchste Priorität soll laut der Vereinbarung die Identifikation von Straftätern erhalten - im Stadion sollen Polizeispione und Personen mit zivilen Überwachungskameras eingesetzt werden können. Gewisse Massnahmen aber, wie hoch auflösende Kameras im Stadion oder ein generelles Alkoholverbot bei Hochrisikospielen, gehören in Basel bereits zur Tagesordnung.

 Gass spricht von einer "Menükarte", die Spielraum offen lasse. "Der Idealzustand ist, wenn wir möglichst viele der Massnahmen in Basel umsetzen können." Er hofft, dass der FCB mitmacht. Das würde dazu führen, dass der Club einen "Rabatt" auf die Sicherheitskosten erhalte. Denn künftig sollen die umstrittenen Kosten nach dem Motto "Je mehr Prävention, desto günstiger" berechnet werden. Der Club hat jedoch einen Anspruch auf eine Grundversorgung durch die Polizei - zusätzliche Kosten bei Risikospielen hingegen sollen vom FCB übernommen werden.

 Sein Ziel ist es, dass die Verhandlungen über die Massnahmen und Sicherheitskosten mit dem FCB - und auch der Stadionbetreiberin Basel United - am 30. Juni abgeschlossen sind. "Wir können die Sicherheitskosten nur senken, wenn wir das Risiko senken. Wir machen das nicht nur für uns - es ist eine Win-Win-Situation und wir sitzen alle im gleichen Boot."

 Dass die Polizei künftig Spiele abbrechen kann, dem steht Christian Kern skeptisch gegenüber. "Wenn eine Mannschaft im Rückstand ist und das Spiel abgebrochen wird, kann das die Fans provozieren", sagt der CEO von Basel United. Er hält diese Massnahme für "nicht umsetzbar". Laut Kern werden viele Massnahmen der Mustervereinbarung von Basel United bereits umgesetzt. So werden Räume für Einvernahmen den Behörden zur Verfügung gestellt.

 Bonus-Malus: Heusler äussert Bedenken

 FCB-Vizepräsident Bernhard Heusler beurteilt die Mustervereinbarung emotionslos. "Viele Sachen setzen wir bereits um. Alles andere, wie die Einführung von Leichtbier, ist bereits in Diskussion am Basler Runden Tisch, der seit Ende 2009 regelmässig zusammenkommt." Bedenken hat er bei der Berechnung der Sicherheitskosten nach dem Bonus-Malus-System. "Die praktische Umsetzung zur Verbesserung der Sicherheit ist für mich noch nicht fassbar. Bekannt ist, dass der FCB der Club in der Schweiz ist, der am meisten in diesem Bereich unternimmt und gleichzeitig den höchsten Kostenbeitrag leistet."

 Für Heusler ist klar, dass primär die Sicherheitskosten im Gesamten reduziert werden müssen. Denn es könne nicht sein, dass der FCB jährlich 1,5 Millionen Franken allein an die Sicherheitskosten der Polizei zahlen müsse. "Wir müssen eine Lösung finden, die den FCB weniger stark belastet. Vorausgesetzt, wir sind alle an einer Aufrechterhaltung des Profifussballs in der Stadt interessiert, der im Jahr rund 600000 Menschen ins Joggeli bringt." Die Worte von Heusler sind klar und lassen durchblicken, dass die Verhandlungen schwierig werden. Hanspeter Gass braucht also starke Nerven.

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NLZ 17.4.10

FCL-Arena mit Arrestzellen

 red. Im neuen FCL-Stadion gibt es ein Gefängnis mit vier Zellen. Die Polizei kann Chaoten so während eines Spiels verhaften und sofort einsperren. FCL-Sicherheitschef Mike Hauser hat dies gestern bestätigt. Die Zellen sind Teil der Sicherheitsmassnahmen, auf die sich Kantone, Fussballverband und Profiliga geeinigt haben. Sämtliche Profiklubs müssen bis Ende Juni eine Mustervereinbarung unterzeichnen. Sie sieht härtere Massnahmen gegen gewalttätige Randalierer vor. Neben den Arrestzellen etwa den Einsatz von Polizeispitzeln im Stadion oder den ausschliesslichen Verkauf von Leichtbier während Fussballspielen.

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Hooligans

 Gefängnis in der FCL-Arena

Von Martin Messmer

 Wer beim Fussball randaliert, wird künftig im Stadion verhaftet und eingesperrt. Beim FCL kommen solche Sicherheitsmassnahmen gut an. Kritik gibts trotzdem.

 Die Schweizer Fussballklubs müssen mehr gegen randalierende Chaoten unternehmen und enger mit den Behörden zusammenarbeiten, sonst flattern ihnen bald hohe Rechnungen ins Haus: Darauf haben sich die Kantone, der Fussballverband und die Profiliga geeinigt. Sie präsentierten gestern in Bern eine Mustervereinbarung, die sämtliche Profiklubs bis Ende Juni unterzeichnen sollen. Geprüft wird übrigens, ob die Mustervereinbarung auch für Eishockey-Vereine gelten sollte. Die Vereinbarung ermöglicht ein repressiveres Vorgehen. Konkret geplant ist etwa:

- Gefängnis im Stadion: Die Stadionbetreiber sollen Arrestzellen und Räume für Einvernahmen zur Verfügung stellen. Im neuen FCL-Stadion wird es gemäss FCL-Sicherheitschef Mike Hauser ein Gefängnis mit vier Zellen geben. "Dort wird die Polizei Chaoten, die während des Spiels verhaftet werden, kurzfristig festhalten können", sagt Hauser.

- Luzern wird das bereits gemacht. Das ist sicher sinnvoll. Denn wir müssen die Verbote durchsetzen können, und dazu müssen wir die Täter kennen", sagt Hauser.

- Mehr Kompetenz für die Polizei:Die Mustervereinbarung bekräftigt, dass die Polizei notfalls auch im Stadion einschreiten dürfte. Zudem könnten künftig Polizeigrenadiere in Kampfmonteur auch innerhalb des Stadions stehen. Und: Der polizeiliche Einsatzleiter soll gemäss Vereinbarung sogar befugt sein, ein Spiel abzubrechen, wenn die Sicherheit seiner Meinung nach stark gefährdet ist. Dazu sagt FCL-Sicherheitschef Hauser: "Wir haben mit der Polizei schon heute eine sehr gute Zusammenarbeit. Wenn uns der Einsatzleiter der Polizei heute dazu raten würde, ein Spiel aus Sicherheitsgründen abzubrechen, dann würden wir das tun."

- Finanzielles Anreizsystem: Vereine, welche sich mustergültig verhalten, sollen finanziell profitieren. Gemäss Hauser ist in einem Katalog definiert, welche Sicherheitsaspekte von den Vereinen erfüllt werden sollen. Die Klubs müssen etwa Rechenschaft ablegen, wie sie selber gegen Gewalt und Rassismus vorgehen und wie sie Feuerwerkskörper im Fanblock verhindern wollen. Vereinen, die die Anforderungen erfüllen, kürzt die öffentliche Hand die Aufwände für die Polizeieinsätze. Konkret: Der FCL müsste weniger an den Kanton zahlen, kann er alle vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen umsetzen. Mike Hauser ist guter Dinge, dass dies dem FCL gelingt: "Wir führen sehr gute Gespräche mit der Polizei und sind auf gutem Weg." Heute verursacht jede Runde der Fussball-Meisterschaft in der Schweiz Sicherheitskosten der öffentlichen Hand von rund 1 Million Franken.

 Gemäss Hauser sollen alle Kantone mit den jeweiligen Vereinen die Mustervereinbarung bis im Juni unterzeichnen. Schon ab nächster Saison soll sie gelten. Für den FCL erhofft sich Hauser eine Übergangslösung, weil der Club noch bis Ende Jahr im Exil im Stadion Gersag in Emmenbrücke spielt.

 Hauser hat auch Vorbehalte

 Grundsätzlich bewertet Hauser die Mustervereinbarung positiv: "Ich finde alles gut, das dazu beiträgt, dass wir friedliche Sportanlässe durchführen können. Jetzt ist endlich ein Leitfaden da, der für alle Vereine gleich ist." Hauser bringt jedoch auch Kritik an: "Die Vereinbarung ist fokussiert auf das, was während der Spiele im Stadioninnern passiert. Aber ein grosser Teil der Gewalt spielt sich auf der Anfahrt ins Stadion und auf der Heimreise ab." Dieser Umstand wird seiner Meinung nach zu wenig berücksichtigt.

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 Neue Vorschrift

 Der FCL hat ein Bier-Problem

 Die Massnahmen der Mustervereinbarung zielen nicht nur gegen den harten Kern gewaltbereiter Chaoten - sie wird alle Fussballfans im Stadion betreffen. Denn generell soll es im Stadion bestenfalls noch Leichtbier mit 3 Volumenprozent zu trinken geben. Und die Fans im Gästesektor sollen gar keinen Alkohol konsumieren. Dieses Anforderung stellt den FCL vor Probleme. "Unser Bieranbieter Eichhof hat kein Bier im Offenausschank im Angebot, das nur 3 Volumenprozent hat. Hier werden wir das Gespräch mit der Brauerei suchen müssen."

 Ende letzter Saison machte der FCL negative Erfahrungen, als er beim letzten Spiel gegen Lugano ein totales Alkoholverbot verhängte - es floss im Stadion nur alkoholfreies Bier aus den Zapfhähnen, was die Fans verärgerte. Zumal viele nicht wussten, dass ihnen Bier ohne Alkohol verkauft wurde. Der FCL hatte dies vorher nicht kommuniziert.

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Kommentar

 Klubs müssen mitspielen

Benno Mattli

 Gefängniszellen im Stadion, Polizisten am Spielfeldrand und nur noch Leichtbier für die Fans: Das sind drei der Massnahmen, mit denen die Kantone, der Schweizerische Fussballverband und die Profiliga ab nächster Saison gegen Chaoten vorgehen wollen.

 Insbesondere die Gefängniszellen und die Polizeieinsätze im Stadion haben es in sich: Denn sie machen es möglich, dass Randalierer sofort festgenommen und vorläufig weggesperrt werden können. Die abschreckende Wirkung dieser Massnahmen dürfte unbestritten sein. Denn welcher Chaot möchte es riskieren, vor aller Augen abgeführt zu werden und am nächsten Tag eventuell nicht zur Arbeit erscheinen zu können, weil er noch in Haft sitzt?

 Klar könnte man jetzt sagen, dass Gefängniszellen und Polizisten im Stadion unverhältnismässig seien. Nur: Die letzten grossen Ausschreitungen in Luzern beweisen eindrücklich, dass dem nicht so ist. Am 13. April 2009 nämlich haben nach dem Cup-Halbfinalspiel gegen Sion Dutzende von Randalierern beider Lager das Spielfeld gestürmt und sich eine wüste Schlägerei geliefert. Offensichtlich also gelingt es in der Schweiz mit den bisher getroffenen Massnahmen wie etwa Stadionverboten und Strafanzeigen bis heute nicht, solche Chaoten von den Stadien fernzuhalten.

 Die gestern präsentierten Massnahmen sind deshalb ein weiterer wichtiger Schritt im Kampf gegen Randalierer. Und letztlich profitieren von einer härteren Gangart auch die Vereine. Denn je mehr der nun vorgeschlagenen Massnahmen sie umsetzen, desto weniger zahlen sie der öffentlichen Hand an die Sicherheitskosten. Es ist also auch in ihrem Interesse, hier mitzuspielen.

 benno.mattli@neue-lz.ch

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St. Galler Tagblatt 17.4.10

Gemeinsam gegen Hooligans

 Fussballclubs und Behörden haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen Chaoten geeinigt. Karin Keller-Sutter sagt: "Wir sind auf dem richtigen Weg."

 Die Schweizer Fussballclubs müssen mehr gegen randalierende Fans unternehmen und enger mit den Behörden zusammenarbeiten. Darauf haben sich gestern die Kantone, der Fussballverband und die Profiliga geeinigt.

 Die Vereinbarung bietet den Clubs die Chance, die aktuelle Beteiligung an den Sicherheitskosten zu reduzieren - sofern sie mit harten Massnahmen gegen randalierende Fans vorgehen. So darf auch der FC St. Gallen damit rechnen, künftig nicht mehr so viel Geld für die Sicherheit aufwenden zu müssen.

 Eine Million Franken pro Runde

 Jede Runde der Meisterschaft verursache der öffentlichen Hand heute Sicherheitskosten von rund einer Million Franken, sagte die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter (FDP) gestern vor den Medien. "Die Öffentlichkeit ist nicht mehr bereit, dies mitzutragen."

 "Die Richtigen getroffen"

 Die Entwicklung mache deutlich, dass Repression wirksam sei, sagt Keller-Sutter im Interview mit unserer Zeitung. "Die Reaktionen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir haben den Finger in die Wunde gelegt, die Massnahmen haben die Richtigen getroffen." (ja/ar) thema 3 inland 5

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Schweizer Clubs zahlen viel

Michael Hüppi darf sich freuen. Gut möglich, dass der Präsident des FC St. Gallen für die Sicherheitskosten schon bald nicht mehr so tief in die Tasche greifen muss.

Jürg Ackermann

Bern. Derzeit beteiligt sich der FC St. Gallen mit 60 Prozent an den Sicherheitskosten. Pro Heimspiel macht das bis zu 60 000 Franken. Das ist viel Geld, auch verglichen mit dem Ausland. Ein neues Bonus-Malus-System könnte die Kosten für einzelne Schweizer Vereine aber bald senken.

 Die Bedingungen dafür sind unmissverständlich: Die Clubs können von der neuen Vereinbarung nur profitieren, wenn sie hart gegen randalierende Fans vorgehen und enger mit den Behörden zusammenarbeiten. Dazu gehört, dass sie in den Fankurven Spitzel installieren oder mit Kameras die gewaltbereiten Fans auch bei Reisen zu Auswärtsspielen identifizieren. Zudem müssen die Stadionbetreiber den Behörden Arrestzellen und Räume für Einvernahmen zur Verfügung stellen. Generell soll im Stadion nur noch Leichtbier mit drei Volumenprozent ausgeschenkt werden, im Gästesektor im Idealfall gar kein Alkohol mehr. Betrunkenen Anhängern wird der Eintritt ins Stadion ganz verwehrt. Die Vereinbarung sieht zudem vor, dass Vereine und Behörden vor jeder Saison gemeinsam ein Sicherheitskonzept erarbeiten.

 25 Polizisten gratis

 Vereine wie der FC St. Gallen könnten es sich in Zukunft schon rein finanziell kaum mehr leisten, die Anstrengungen bei der Repression und Fanarbeit zu vernachlässigen, da ihre Kostenbeteiligung am Polizeieinsatz davon abhängig wird.

 Es sei denkbar, dass die öffentliche Hand 25 Polizisten bei jedem Heimspiel gratis zur Verfügung stelle, im Sinne einer "unentgeltlichen Grundversorgung", sagte Hanspeter Gass, der Basler Justiz- und Polizeidirektor. Damit wären beim FC St. Gallen etwa ein Viertel der Aufwendungen gedeckt. Für den übrigbleibenden Betrag dürfte der Verein mit einem Bonus von bis zu 50 Prozent rechnen, wenn er sich in der Gewaltbekämpfung mustergültig verhält. Somit bliebe im Idealfall noch eine Summe von 37 000 Franken pro Heimspiel - das wäre etwas mehr als die Hälfte des Betrags, den die Stadt heute bei einem Risikospiel vom FC verlangt. Die Hoffnung der Behörden ist dabei, dass die Kosten nicht einfach auf die Steuerzahler umgelagert werden, sondern insgesamt sinken. Ausgehandelt werden muss das Abkommen in den kommenden Wochen zwischen den einzelnen Behörden und den Vereinen, wobei auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Clubs berücksichtigt werden soll.

 In Deutschland zahlt der Staat

 Trotz des Mustervertrags zwischen den Kantonen und der Swiss Football League dürften die Diskussionen über die Kostenverteilung weitergehen. Interessantes bringt ein Blick ins Ausland zutage. In Deutschland werden die Sicherheitskosten bis anhin überhaupt nicht auf die Clubs abgewälzt; auch in anderen europäischen Staaten zahlen die Fussballvereine weniger als in der Schweiz. Ein Grund: In Ländern wie Deutschland geniesst der Fussball mehr (politische) Wertschätzung. Gerade in der Nachwuchsarbeit oder bei der Integration von ausländischen Jugendlichen erbringen die Vereine, in Deutschland wie in der Schweiz, Leistungen, die nicht hoch genug eingeschätzt werden können.

 Kleine Vereine in Bedrängnis

 Seit dem Bundesgerichtsurteil vom März 2009 agieren die Clubs in der Schweiz jedoch aus der Defensive. Dieses besagt, dass die Behörden bis zu 80 Prozent der Sicherheitskosten auf die Clubs übertragen können. Beim Fussballverband hört man, dass dieses Urteil wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen mit den Kantonen gehangen habe.

 Die jetzige Kostenverrechnung bringt vorab kleinere Vereine wie Xamax oder Bellinzona in Bedrängnis. Diese verursachen wegen ihres kleinen und wenig gewaltbereiten Anhangs auswärts kaum Kosten - im Gegenzug müssen sie grosse Summen aufwenden, um in ihren Städten Ausschreitungen von fremden Hooligans zu verhindern.

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 KOMMENTAR

 Ein richtiger erster Schritt

 Ein Katalog unpopulärer, aber wirksamer Massnahmen: So wurde die neue Mustervereinbarung für Sicherheit im Fussball gestern gepriesen. Fanverbände aber geben sich entrüstet: Die Politik vermittle den Eindruck, in den Stadien herrschten "kriegsähnliche Zustände", kritisiert Thomas Gander, Geschäftsführer der Organisation Fanarbeit Schweiz.

 Ganders Vorwurf greift zu kurz: Die Vereinbarung ist nicht Produkt einer repressionswütigen Behörde, sondern Resultat eines Verhandlungsmarathons zwischen Kantonen, Fussballverband und Liga. Sie verständigen sich damit erstmals auf ein allgemeingültiges Regelwerk im Kampf gegen das Chaotentum. Vor allem die Clubs dürfen mit dem Papier zufrieden sein. Künftig sind sie nicht mehr allein für ihre Sicherheitskonzepte verantwortlich, die Behörden sind zur Mitarbeit verpflichtet. Das schützt beide Seiten vor unrealistischen Erwartungen. Zusätzlich wacht ein Team aus Behörden und Hooliganismus-Experten gemeinsam mit Liga- und Verbandsvertretern über die Einhaltung der Vereinbarung.

 Zum Wundermittel dürfte das Papier damit aber noch nicht werden. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Behörden bei der Festlegung der Sicherheitskosten auf die finanzielle Lage der Clubs Rücksicht nehmen müssen. Konkret: Was über die Grundversorgung hinausgeht, wird zwischen Club und öffentlicher Hand aufgeteilt. Stellt das Audit-Team fest, dass ein Club die Vereinbarung nicht einhält, wird er zusätzlich zur Kasse gebeten. Ob dieser Mechanismus funktioniert, ist fraglich. Denn Wirkung entfaltet die Vereinbarung nur, wenn die Behörden das Geld auch eintreiben. So lange aber Städte wie St. Gallen aus Rücksicht auf die leeren Vereinskassen darauf verzichten, bleibt das Papier wertlos.

 Andri Rostetter

 a.rostetter@tagblatt.ch

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"Die Szene ist militant"

 Karin Keller-Sutter über Hooligans, die FDP und ihre mögliche Wahl in den Bundesrat.

 Karin Keller-Sutter Sei es die Bekämpfung der Hooligans oder die Weissgeldstrategie der FDP: Die Meinung der St. Galler Regierungsrätin ist gefragt. Sie gilt landesweit als aussichtsreiche Anwärterin für die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz im Bundesrat. Im Interview sagt sie auch, warum ihre Partei fast nur noch Niederlagen einsteckt.

 Frau Keller-Sutter, Sie sind für viele Fussballfans ein rotes Tuch…

 Karin Keller-Sutter: …das ist nett ausgedrückt…

 Dann sagen wir es so: Sie sind der Sündenbock.

 Keller-Sutter: Ich bin schon lange in der Politik, Beschimpfungen und Bedrohungen kommen immer wieder vor. Aber so massiv habe ich es noch nie erlebt.

 Wie gehen Sie damit um?

 Keller-Sutter: Ich beschäftige mich nicht laufend damit. Ich weiss zwar, dass es Facebook-Gruppen gibt, die gegen mich gerichtet sind. Und in den Fan-Foren wird Stimmung gemacht. Aber ich verfolge das nicht direkt.

 Aber Sie wissen, wie massiv die Anschuldigungen teils sind?

 Keller-Sutter: Ja. Ich habe mich dann gefragt, warum diese Leute so aggressiv reagieren.

 Und?

 Keller-Sutter: Die Reaktionen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir haben den Finger in die Wunde gelegt, die Massnahmen haben die Richtigen getroffen. Als wir uns im vergangenen Sommer im Ausland umgesehen haben, zeigte sich: Alle, die ernsthaft durchgegriffen haben, wurden genau gleich beschimpft und bedroht. Aber das hört irgendwann auf.

 Es scheint so. Jetzt beginnen die Fans sich vom gewalttätigen Kern zu distanzieren.

 Keller-Sutter: Das ist genau die Entwicklung, die wir wollen. Auch dass FCSG-Präsident Michael Hüppi ein Choreographieverbot durchgesetzt hat, ist richtig. Bis jetzt hat sich niemand richtig mit der militanten Fanszene angelegt. Das Chaotentum lief immer unter dem Titel Fankultur, die Clubs haben weggeschaut. Sie hatten Angst, sich mit den Fans zu überwerfen. Diese Szene ist teils extrem militant. Ich weiss von Clubverantwortlichen, deren Familien bedroht wurden.

 Zum Teil fürchteten die Clubs auch einen Einnahmenverlust.

 Keller-Sutter: In dieser Hinsicht hat sich etwas verändert. Die meisten Clubs haben erkannt: Wegen dieser Chaoten kommen andere Fans nicht mehr. Früher sagten die Clubs, die Sicherheit ausserhalb des Stadions sei Sache des Staates. Zudem wurde immer nur über einzelne Massnahmen gesprochen, zum Beispiel die Abschaffung der Stehplätze. Es geht hier aber um ein Gesamtkonzept: Vereine, Polizei, Staatsanwaltschaft, Fanarbeit, die Schnellverfahren - das hängt alles zusammen.

 Zu den Schnellverfahren: Es gibt Stimmen, die sagen, das ziehe Krawallmacher an.

 Keller-Sutter: Die Schnellverfahren sind wirksam. Aber wie gesagt: Sie sind nur ein Mosaikstein im ganzen Sicherheitskonzept. Mit den Schnellverfahren allein ist das Problem nicht gelöst. Die Frage war, wie man diese Chaoten fassen kann. Wir mussten feststellen, dass es nichts bringt, sechzig Personen festzunehmen, die man wieder freilassen muss. Deshalb sucht die Polizei heute gezielt einzelne Rädelsführer aus und sammelt zu diesen Personen Beweise. Davor haben viele Respekt.

 Ein anderes Thema: Gestern beschäftigten sich die FDP-Kantonalpräsidenten mit der Weissgeldstrategie. Wo stehen Sie in dieser Frage?

 Keller-Sutter: Ich habe das Papier von Präsident Pelli noch nicht studiert. Grundsätzlich begrüsse ich es, dass sich meine Partei vertieft Gedanken darüber macht.

 Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Das schadet doch dem Image der Partei.

 Keller-Sutter: Bei anderen Parteien gibt es diese Auseinandersetzungen auch. Sachliche Konflikte bringen eine Partei weiter, nicht Harmonie. Was ich nicht unterstütze ist, wenn auf die Person gespielt wird.

 Die FDP verliert Wahl um Wahl. Wo liegt das Problem?

 Keller-Sutter: Wir müssen uns wieder mit den Problemen der breiten Gesellschaft beschäftigen. Wir beschäftigen uns mit den Rändern der Gesellschaft, die sich an keine Spielregeln halten: Seien es Abzocker, Hooligans oder Raser. Letztlich sind das die Totengräber der liberalen Gesellschaft, weil wegen ihnen immer mehr Gesetze und Regulierungen geschaffen werden müssen.

 Erstaunliche Worte aus dem Munde einer Justizdirektorin, die sich täglich mit Hooligans herumschlagen muss.

 Keller-Sutter: Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist Aufgabe des Staates, sich um diese Phänomene zu kümmern. Dabei besteht das Risiko, dass die Anliegen einer leistungsbereiten Mehrheit vergessen gehen.

 Was hat das mit der FDP zu tun?

 Keller-Sutter: Das ist nicht nur ein Problem der FDP, sondern der gesamten Politik. Wir müssen den Mut haben, nicht auf jedes Minderheitenproblem aufzuspringen. Meine Partei muss sich um jene Menschen kümmern, die diese Gesellschaft tragen. Jene, die arbeiten und Steuern bezahlen, Kinder grossziehen und sich im Gemeinwesen engagieren.

 Ist das eine Kritik an der Ausrichtung der FDP auf den Finanzplatz?

 Keller-Sutter: Nein. Ich teile die Einschätzung nicht, die FDP sei nur eine Interessenvertreterin der Banken. Aber wir müssen dennoch aufpassen, dass nicht der Eindruck entsteht, wir würden nur Partikularinteressen vertreten. Die Zersplitterung der Parteienlandschaft ist letztlich eine Folge davon, dass wir glauben, jedes individuelle Bedürfnis mit einem Teilprogramm befriedigen zu müssen.

 CVP und FDP bricht die Basis weg. Gleichzeitig wachsen BDP und Grünliberale. Die Mitte zerfällt.

 Keller-Sutter: Das ist die Folge der Multioptionsgesellschaft. Im Ernst: Wir müssen aufhören, alles schlechtzureden. Tatsache ist doch: Der Schweiz geht es überdurchschnittlich gut. Wir haben eine tiefe Verschuldung, kommen gestärkt aus der Krise heraus und stehen international hervorragend da. Das ist das Verdienst der politischen Kräfte, die lösungsorientiert arbeiten. Solche Erfolge müssen wir betonen und besser verkaufen.

 Nur mit einem besseren Marketing lässt sich der langsame Niedergang der FDP wohl kaum stoppen.

 Keller-Sutter: FDP und CVP können in der aktuellen Situation machen, was sie wollen. Sie stehen immer als Verlierer da. Versuchen wir Kompromisse im Interesse des Landes zu schmieden, heisst es, wir seien zu brav und schwammig. Machen wir knallharte Interessenpolitik und poltern, dann prasselt Kritik auf uns nieder, wir könnten doch jetzt nicht Opposition spielen.

 Müssten wir jetzt Mitleid haben mit der armen Mitte?

 Keller-Sutter: SP und SVP nehmen häufig Extrempositionen ein, die zwar knallig wirken, aber dem Land wenig bringen. Es geht häufig nur um Stimmenmaximierung. CVP und FDP hingegen suchen so etwas Langweiliges wie Kompromisse - und werden dafür bestraft. Das ist schlecht für das Land.

 Und wie kommt die Mitte aus diesem Dilemma?

 Keller-Sutter: Wenn ich das wüsste, würde ich wohl den Nobelpreis gewinnen. Wir müssen klare Positionen vertreten. Botschaften, welche die Menschen verstehen. Bei den Hooligans, beim Finanzplatz oder der Armee. Wir müssen berechenbar und echt sein, das vertreten, was wir fühlen.

 Der FDP fehlen die Köpfe dazu.

 Keller-Sutter: Früher gab es Freisinnige wie Ulrich Bremi, die sehr viel Geld verdient, sich aber gleichzeitig auch ums Gemeinwesen gekümmert haben. Als Kulturmäzene, als Politiker. Solche Figuren haben den gesellschaftlichen Zusammenhalt gestärkt; leider sind sie heute viel seltener geworden.

 Warum?

 Keller-Sutter: Wegen der Globalisierung. An der Spitze vieler Unternehmen stehen ausländische Manager, die hier ein paar Jahre tätig sind, keine Wurzeln schlagen und wieder gehen. Das sind Leute, die zwar gute Arbeit für ihre Firma leisten, sich aber kaum um Staat und Gesellschaft kümmern.

 Diese Situation hat die FDP so gewollt. Die Partei war nie gegen die Globalisierung.

 Keller-Sutter: Die Globalisierung bringt Wohlstand. Die FDP hat sich stets für Freiheit und Wettbewerb eingesetzt. Wir leben heute in einer viel freieren Gesellschaft. So gesehen sind wir auch Opfer unseres eigenen Erfolgs.

 Sie gelten als Hoffnungsträgerin für Ihre Partei. Zahlreiche Freisinnige sähen Sie deshalb gerne im Bundesrat…

 Keller-Sutter: Mag sein. Manchmal muss man aufpassen, dass man nicht jeder Lobeshymne Glauben schenkt.

 Ist es für Sie schwierig, ständig als Topfavoritin für die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz gehandelt zu werden?

 Keller-Sutter: Dazu äussere ich mich nicht. Solange Herr Merz im Amt ist, mache ich mir dazu keine Gedanken.

 Andri Rostetter/ Stefan Schmid

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Blick am Abend 16.4.10

Bierverbot und Spielabbruch

Sicherheit

 Kantone und Profi-Klubs beschliessen heute Massnahmen gegen Hooligans.

 Jetzt gehts den Hooligans an den Kragen. Kantone und Klubs haben sich auf "unpopuläre, aber wirksame Massnahmen" geeinigt, wie sie heute Morgen bekannt gaben. So soll es in Stadien - wenn überhaupt - bald nur noch Leichtbier geben. Bei Hochrisikospielen wird gar kein Alkohol mehr ausgeschenkt. Videokameras und Polizeispitzel werden im Stadion und während der Anreisen eingesetzt, um randalierende Fans identifizieren zu können.

 Ausserdem kann die Polizei ein Spiel abbrechen, wenn sie der Meinung ist, dass die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Die Vereinbarung zwischen den Kantonen, dem Schweizerischen Fussballverband und der Swiss Football League sieht vor jeder Saison ein gemeinsames Sicherheitskonzept vor. Machen die Vereine nicht mit, müssen sie mehr an die Polizeikosten zahlen. SDA

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CCDJP - KKJPD - CDDGP
Swiss Football League
SFV

Medienmitteilung 16.4.10
 
Bekämpfung der Gewalt im Umfeld des Sports: Schulterschluss zwischen Behörden und Fussball

Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), der Schweizerische Fussballverband (SFV) und die Swiss Football League (SFL) wollen gemeinsam gegen die Gewalt im Umfeld des Sports vorgehen. Sie haben eine Mustervereinbarung vorgestellt, die für Behörden und Klubs der Axpo Super League künftig die Grundlage für die Zu-sammenarbeit im Bereich der Sicherheit bilden soll. Die Behörden und die Sportvertreter sind entschlossen, den Kampf gegen gewalttätige Personen im Umfeld des Sports ener-gisch voranzutreiben. Gemeinsames Ziel ist es, Störer und Gewalttäter von Fussballspie-len fernzuhalten, damit sich die Zuschauer auf den Reisewegen und im Stadion wieder si-cher fühlen. Die verabschiedete Mustervereinbarung sieht deshalb verstärkte Massnah-men zur Identifizierung von Gewalttätern vor und macht die Beteiligung der Klubs an den Sicherheitskosten der Öffentlichen Hand von den Anstrengungen im Bereich der Sicher-heit abhängig. Die Verantwortlichkeiten liegen für die Sicherheit im Stadion sowie auf dem umgebenden Privatgelände beim Klub, die Behörde gewährleistet die Sicherheit im öffentlichen Raum. In allen Stadien soll nach einer Übergangsfrist, welche auf die vertrag-lichen Verpflichtungen der Klubs und die technischen Umrüstung Rücksicht nimmt, nur noch Leichtbier ausgeschenkt werden; bei Hochrisikospielen ist ein generelles Alkohol-verbot vorgesehen; für den Gästesektor wird dies empfohlen.

Regierungsrätin Karin Keller-Sutter (SG) und SFV-Präsident Peter Gilliéron betonten an der heutigen Medienkonferenz in Bern die Bedeutung eines gewaltfreien Umfelds für die Attraktivität der Axpo Super League und für die Akzeptanz des Fussballs in der Gesellschaft. Die Zahl der Gewalttaten, Ausschreitungen in und vor allem ausserhalb der Stadien sowie Verstösse gegen die Stadionordnung sind in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen und verlangen nach wirksamen Gegenmassnahmen. Der Fussball und die Politik sind sich darin einig, dass der Si-cherheitsaufwand und die damit verbundenen Kosten für beide Seiten untragbar geworden sind und reduziert werden müssen. Dies wird aber auf mittlere und längere Sicht nur gelingen, wenn sich alle Beteiligten über die Ziele und Massnahmen einig und in einer ersten Phase bereit sind, ein zusätzliches Engagement zu leisten und unpopuläre, aber wirksame Massnahmen auch ge-gen den Widerstand von Gruppierungen, die den Namen Fan nicht verdienen, durchzusetzen.
Die KKJPD verabschiedete im November 2009 einstimmig eine Policy gegen Gewalt im Sport, welche die Grundlage für die heute von Regierungsrat Hans-Jürg Käser (BE) und Thomas Grimm, dem Präsidenten der SFL, vorgestellte Mustervereinbarung bildet. Beide Referenten be-tonten, dass eine systematische und strukturierte Zusammenarbeit zwischen Klubs, Stadion-betreibern und Behörden die Voraussetzung für die Gewährleistung der Sicherheit bildet.

Was ist neu?

- Für die Sicherheitskonzepte sind nicht mehr allein die Klubs und Stadionbetreiber verant-wortlich. Klubs und Behörden erarbeiten vor jeder Saison gemeinsam ein Sicherheitskonzept und ergänzen es bei Bedarf vor einzelnen Spielen mit zusätzlichen Massnahmen. Diese können beispielsweise die einzusetzenden Mittel, bauliche oder technische Massnahmen, die Abwicklung der Zutrittskontrollen, die Regeln für den Ticketverkauf, die Sperrung einzelner Stadionsektoren aufgrund des Fehlverhaltens von Fangruppen bei vorhergehenden Spielen oder im öffentlichen Raum oder die Verwendung von Megaphonen, Fahnen und Transparenten und den Einsatz von Vorsängern und Choreografien betreffen. Bei Uneinig-keit erlassen die Behörden anfechtbare Verfügungen.
- Der Klub muss über ein Konzept zur Prävention von Gewalt und Rassismus sowie zur Ver-hinderung der Verwendung pyrotechnischer Gegenstände verfügen.
- Der Identifikation von Straftätern wird höchste Priorität eingeräumt. Die personellen und technischen Mittel in diesem Bereich werden verstärkt. In den Stadien und auf den Reise-wege werden hoch auflösende Videokameras, polizeiliche Spotter und Personen mit zivilen Überwachungskameras eingesetzt. Behörden und Klubvertreter werten das Bildmaterial in Zukunft gemeinsam vor dem nächsten Heimspiel des Klubs aus, damit möglichst rasch straf-rechtliche Sanktionen und Stadionverbote erlassen werden können.
- Die Polizei spricht Personen, bei denen angenommen werden muss, dass sie Gewalttaten begehen oder sich daran beteiligen werden, im Vorfeld der Spiele an und signalisiert ihnen, dass sie unter Beobachtung stehen.
- Die Behörden stellen sicher, dass sie Personen, denen der Zutritt zum Stadion durch das Personal des Stadionbetreibers oder des Klubs verweigert wird oder die wegen Verstössen gegen die Stadionordnung aus dem Stadion gewiesen werden, bei Bedarf in Obhut nehmen.
- Die Stadionbetreiber stellen den Behörden Arrestzellen und Räume für Einvernahmen zur Verfügung, damit Straftäter möglichst rasch entfernt und zur Rechenschaft gezogen werden können und die Fehlbaren von den Sportveranstaltungen ausgeschlossen bleiben.
- Bei einer starken Gefährdung der Sicherheit kann der polizeiliche Einsatzleiter einen Spiel-unterbruch oder -abbruch verfügen.
- Bei schweren Vorfällen in einem bestimmten Stadionsektor werden die fehlbaren Zuschauer nach dem Spiel wenn möglich im Sektor zurückbehalten, kontrolliert und identifiziert.
- In den Stadien soll in Zukunft nur noch Leichtbier ausgeschenkt werden. Ein generelles Al-koholverbot ist bei Hochrisikospielen vorgesehen. Für die Gästesektoren wird dies empfoh-len. Sichtlich alkoholisierten oder unter Drogeneinfluss stehenden Zuschauern soll der Zutritt zum Stadion verweigert werden. Mit diesen Massnahmen wird der Tatsache Rechnung ge-tragen, dass der überwiegende Teil der Ausschreitungen und Gewalttaten unter starkem Al-kohol- oder Drogeneinfluss erfolgt.
- Es wird verbindlich definiert, welches personelle Aufgebot der Polizei zur unentgeltlichen Grundversorgung gehört und welche Polizeileistungen zu entschädigen sind. Ebenso wird festgelegt, welche personellen Mittel die Klubs im Bereich Sicherheit zur Verfügung stellen müssen.

Umsetzung der Mustervereinbarung

Wie Regierungsrat Hanspeter Gass (BS) erklärte, hat die Mustervereinbarung weder für die Be-hörden noch für die Klubs verbindlichen Charakter, weil die Kompetenzen im Bereich der Si-cherheit im öffentlichen Raum bei den einzelnen Kantonen und Städten liegen und in den privat betriebenen Stadien privatrechtliche Hausordnungen gelten. Die Mustervereinbarung wird ihre Wirkung aber deshalb entfalten, weil die Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren ent-schlossen sind, die Policy der KKJPD in ihrem Einflussgebiet umzusetzen und die Beteiligung der Klubs an den Polizeikosten von den Anstrengungen der Klubs abhängig zu machen. Dazu wird vom SFV, von der SFL und von der KKJPD ein Modell empfohlen, das vorsieht, dass die Umsetzung respektive Einhaltung der Sicherheitsdispositive der Klubs und Behörden mindes-tens viermal pro Saison von gemischten Teams bewertet werden. Die Bewertungen bilden die Grundlage für den Grad der Kostenbeteiligung der Klubs. Sowohl bei der Frage der Kostenbetei-ligung als auch in Bezug auf die einzelnen Massnahmen soll aber auf lokale Gegebenheiten Rücksicht genommen werden. Beispielsweise ist es angezeigt, den Personaleinsatz, die Vor-schriften zu baulichen Massnahmen oder die Regeln zu Fanchoreografien und Megaphonen auf die Grösse und das Verhalten der Fangruppen und der Stadioninfrastruktur abzustimmen. Und bei der Beteiligung an den Sicherheitskosten gilt es, neben den Ergebnissen der Audit-Berichte auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klubs und deren gesellschaftliche Bedeutung für die Region zu berücksichtigen.
Die Verhandlungen zwischen den Behörden und den Klubs sollen im Juni 2010 abgeschlossen und auf die Saison 2010/11 in Kraft gesetzt werden.

Bern, 16. April 2010

Für weitere Auskünfte:
▪ Roger Schneeberger, Generalsekretär KKJPD, Telefon 031 318 15 05
▪ Claudius Schäfer, Geschäftsleitung SFL, Telefon 031 950 82 62

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EMPFEHLUNG KKJPD/SFV/SFL vom 9. April 2010

Vereinbarung
vom …………….

zwischen

[der für die Sicherheit zuständigen Behörde der Stadt / des Kantons X; (nachfolgend: die Behörde)]

und

dem [Sportklub Y]

sowie

[dem Betreiber des Sportstadions Z; (nachfolgend: der Stadionbetreiber)]

in Bezug auf die Sicherheit im Stadion Z und im Umfeld der Spiele mit Beteiligung des Sportklubs Y.


1. Ziel der Vereinbarung

Die Vertragsparteien einigen sich auf eine enge, partnerschaftliche Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit und verfolgen dabei gemeinsam die folgenden Ziele:
- Die Spiele mit Beteiligung des Sportklubs Y finden in einer friedlichen, von Respekt und Anstand geprägten, Atmosphäre statt. Gemeinsames Ziel muss es daher sein, Störer und Gewalttäter vom Besuch des Fussballspiels fernzuhalten.
- Die Besucherinnen und Besucher der Spiele fühlen sich im Stadion Z sowie auf den Reisewegen sicher.
- Für die Behörde sollen im Bereich der Sicherheit möglichst wenig Aufwand und für den Klub möglichst geringe Kosten entstehen.
- Der Sportklub Y als Veranstalter beteiligt sich in angemessener Weise an die Sicherheitskosten der öffentlichen Hand. Die Höhe des Beitrags des Sportklubs Y richtet sich nach den getroffenen Sicherheitsmassnahmen des Sportklubs Y und des Stadionbetreibers und nach dem Grad der Zusammenarbeit mit der Behörde. Die Behörde berücksichtigt bei der Festlegung der Beteiligung an den Sicherheitskosten zudem die Anstrengungen des Sportklubs Y bei der Umsetzung der anwendbaren Reglemente und Richtlinien der Swiss Football League (SFL) und des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV) sowie seine Aktivitäten bei der Prävention.

2. Verantwortlichkeiten

1Der Sportklub Y ist für die Sicherheit im Stadion Z sowie auf dem umgebenden Privatgelände verantwortlich. Er kann Aufgaben im Bereich der Sicherheit an den Stadionbetreiber delegieren.
2 Die Behörde gewährleistet die Sicherheit im öffentlichen Raum. Sie schreitet auf dem privaten Gelände im Umfeld des Stadions Z sowie im Stadion selbst ein, wenn
- dies mit dem Sportklub Y und/oder Stadionbetreiber abgesprochen ist;
- eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit vorliegt (beispielsweise Angriffe auf die körperliche Integrität); oder
- ein Polizeieinsatz aus ermittlungstechnischen Gründen notwendig ist.

3. Form und Umfang der Zusammenarbeit im Allgemeinen

1Der Sportklub Y, der Stadionbetreiber und die Behörde erarbeiten vor jeder Saison gemeinsam ein umfassendes Sicherheitskonzept.
Das Sicherheitskonzept enthält
- die Inhalte gemäss Artikel 11 der Richtlinien des Komitees SFL über die Funktion und Aufgaben der Sicherheitsverantwortlichen der Klubs der SFL;
- die Aufgaben des Sportklubs Y, des Stadionbetreibers, seines Kontroll- und Sicherheitspersonals, der Polizei, der Feuerwehr und der Sanität;
- die Regelung der Verantwortlichkeiten und der Kommunikationsmittel vor, während und nach den Einsätzen;
- die Grundsätze für den Ticketverkauf;
- die Festlegung des Einlassverfahrens;
- die Stadionordnung;
- die zu treffenden baulichen Massnahmen;
- die Regeln für die Zusammenarbeit mit den involvierten Transportunternehmungen;
- Eventualplanungen für die möglichen sicherheitsrelevanten Szenarien.

2Die Eventualplanungen in Bezug auf die einzelnen Szenarien werden mindestens einmal pro Saison mit allen an der Sicherheit beteiligten Stellen im Rahmen gemeinsamer Übungen unter Federführung der Polizei überprüft und vertieft.
3Der Sportklub Y, der Stadionbetreiber und die Behörden kommunizieren in Bezug auf sicherheitsrelevante Themen gemeinsam oder sprechen sich ab.
4Vor jedem Spiel finden unter Einbezug der Vertreter und Behörden des Gastklubs Abspracherapporte aller beteiligten Stellen statt, an denen der Einsatz für das kommende Spiel detailliert geplant wird.
5An den Spieltagen nehmen alle beteiligten Stellen mit den einsatzverantwortlichen Personen an den Sicherheitsrapporten teil und sind im Führungsstandort des Stadions Z vertreten. Alle beteiligten Stellen sind darum bemüht, dass die einsatzverantwortlichen Personen über möglichst viel Know-how und Erfahrung verfügen, was voraussetzt, dass die jeweilige Funktion möglichst immer von derselben Person oder ihrem Stellvertreter erfüllt wird.
6Der Stadionbetreiber stellt den Behörden im Stadion Z Räume für die Einsatzführung zur Verfügung, wenn möglich auch Arrestzellen und Räume, die für Einvernahmen durch Polizei und Untersuchungsbehörden genutzt werden können.
7Die Behörden stellen sicher, dass sie Personen, denen der Zutritt zum Stadion durch das Personal des Stadionbetreibers oder des Sportklubs Y verweigert wird oder die wegen Verstössen gegen die Stadionordnung aus dem Stadion gewiesen werden, bei Bedarf in Obhut nehmen können.

4. Massnahmen im Bereich der Prävention, der Fanarbeit und der Fanbetreuung

Der Sportklub Y verfügt über ein Konzept zur Prävention von Gewalt und Rassismus sowie zur Verhinderung der Verwendung pyrotechnischer Gegenstände.

5. Massnahmen zur Identifizierung von Personen, die gegen die Stadionordnung oder das Gesetz verstossen

1Der Sportklub Y entsendet zu jedem Auswärtsspiel in Anwendung von Artikel 18a des Sicherheitsreglements der SFL den Sicherheitsverantwortlichen, ausgebildete Sicherheitsbegleiter, Personen mit zivilen Überwachungskameras, einen Fanverantwortlichen sowie Fanbegleiter.
2Die Behörde entsendet zu jedem Auswärtsspiel des Sportklubs Y mindestens drei polizeiliche Spotter.
3Alle in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen werden ins Sicherheitsdispositiv eingebunden. Die Sicherheitsbegleiter, die Fanbegleiter und die Spotter begleiten die Supporter des Sportklubs Y bei allen Reisen und Aufenthalten sowie im Stadion.
4Der Identifikation und Sanktionierung von Straftätern wird höchste Priorität eingeräumt. Bei Straftaten im Stadion Z oder bei Auswärtsspielen liefern der Sportklub Y oder der Stadionbetreiber der Behörde Bilder, Videoaufzeichnungen, dokumentierte Aussagen des Sicherheitspersonals oder Beschreibungen der Täter. Sie ergänzen diese mit Angaben zu den begangenen Verstössen. Die Behörde sowie der Sportklub Y werten das vorhandene Bildmaterial gemeinsam bis vor dem nächsten Heimspiel aus. Für die Identifizierung von Personen, deren Personalien aufgrund der Auswertung des Bildmaterials nicht bekannt sind, sind die Behörden verantwortlich. Sie leiten die Daten an den Sportklub Y weiter, wenn die nachträglichen Ermittlungen zum Erfolg führen.
5Alle Einträge im Informationssystem HOOGAN - auch solche in Bezug auf Stadionverbote - erfolgen mit Foto. Bestehende HOOGAN-Einträge ohne Fotos werden mit Fotos ergänzt. Bei Personen, die sich nicht fotografieren lassen wollen oder nicht selbst Fotos beibringen, wird die Dauer der Stadionverbote erhöht.
6Der Stadionbetreiber sorgt innerhalb des Stadions Z, die Behörden im Umfeld des Stadions sowie auf den Reisewegen der Supporter für eine Videoüberwachung, die hoch auflösendes Bildmaterial produziert1.
7Die Polizei spricht Personen, bei denen angenommen werden muss, dass sie Gewalttaten begehen oder sich daran beteiligen werden, im Vorfeld der Spiele an und signalisiert ihnen, dass sie unter Beobachtung stehen.
8Bei schweren Vorfällen in einem bestimmten Sektor des Stadions Z werden die fehlbaren Zuschauer von der Polizei in Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst des Stadionbetreibers nach dem Spiel wenn immer möglich zurückbehalten, kontrolliert und identifiziert.

6. Informationsaustausch

1Die Behörden, der Sportklub Y und der Stadionbetreiber vereinbaren den ständigen und systematischen Austausch der folgenden Daten:
- Liste der Personen, die mit Stadionverboten belegt sind;
- Personen, welche die Polizei wegen Delikten im Umfeld der Spiele des Sportklubs Y verzeigt hat.

2Der SFV oder die SFL stellen dem Sportklub Y die aktuelle Stadionverbotsliste zur Verfügung. Der Sportklub Y sorgt dafür, dass den Personen mit Stadionverbot der Zutritt zu seinem Stadion verwehrt wird.

7. Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit im Stadion Z

1In Ergänzung des Sicherheitskonzepts gemäss Ziff. 3 legen die Behörde und der Sportklub Y, sofern erforderlich, für jedes Spiel im Stadion Z gemeinsam verhältnismässige Massnahmen in Bezug auf folgende Punkte fest:
- den Personal- und Mitteleinsatz;
- temporäre oder ständige bauliche Massnahmen;
- technische Massnahmen;
- die Sperrung einzelner Stadionsektoren aufgrund des Fehlverhaltens von Fangruppen bei vorhergehenden Spielen im Stadion oder im öffentlichen Raum;
- die Regeln für den Verkauf der Eintrittskarten;
- die Abwicklung der Zutrittskontrollen;
- die Verwendung von Megaphonen, Fahnen und Transparenten und den Einsatz von Vorsängern und Choreografien;
- Kostenfolgen der festgelegten Massnahmen.

Können sich die Behörde und der Sportklub Y nicht auf gemeinsame Massnahmen einigen, erlässt die Behörde eine begründete und anfechtbare Verfügung.
1Allenfalls sind hier Übergangsfristen zu gewähren in Stadien, die in naher Zukunft saniert oder neu gebaut werden.
2Bei einer starken Gefährdung der Sicherheit kann der polizeiliche Einsatzleiter nach Rücksprache mit den einsatzverantwortlichen Personen des Sportklubs Y einen Spielunterbruch oder -abbruch verfügen. Die Kompetenz des Schiedsrichters, diese Massnahmen zu verfügen, bleibt davon unberührt.
3Personen unter sichtlich schwerem Alkohol- oder Drogeneinfluss wird der Zutritt zum Stadion Z verwehrt. Für das Verwehren des Zutritts der vorgenannten Personen ist der Sportklub Y verantwortlich. Bei Renitenz sorgt die Behörde für das Entfernen der Person aus dem Stadiongelände. Sie wird dabei nach Möglichkeit von den privaten Sicherheitskräften unterstützt.

8. Massnahmen auf den Reisewegen der Supporter des Sportklubs Y

1Das missbräuchliche Verwenden von pyrotechnischen Gegenständen ist auch ausserhalb der Stadien verboten. Fehlbare Personen werden durch die Behörde mit einer Massnahme nach dem Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007 belegt und angezeigt.

9. Verkauf alkoholischer Getränke im Stadion Z

1Die Parteien sind sich darüber einig, dass sich der Genuss von Alkohol negativ auf das Verhalten der Zuschauer auswirken kann. Deshalb gelten die folgenden Regeln für den Alkoholverkauf im Stadion Z:
- In allen Sektoren des Stadions Z ist der Ausschank von Getränken mit über 3 Vol.% Alkohol verboten. Ausnahmen können für einzelne abgegrenzte und kontrollierte Bereiche genehmigt werden. Dem Sportklub Y wird mit Rücksicht auf vertragliche Verpflichtungen oder notwendige Anpassungen bei den Getränkeanlagen eine angemessene Übergangsfrist von x Monaten gewährt.
- Bei Spielen, die im Rahmen der Abspracherapporte gemäss Ziffer 3 Absatz 4 dieser Vereinbarung als Hochrisikospiele eingestuft werden, gilt ein generelles Alkoholverbot.
- Die Behörde empfiehlt im Gästesektor des Stadions Z ein generelles Alkoholverbot. Wird dieser Empfehlung Rechnung getragen, wirkt sich dies positiv auf die Beteiligung des Sportklubs Y an den Sicherheitskosten aus.

2Die Behörde überprüfen mit Testkäufen regelmässig, ob die Vorschriften des Jugendschutzes beim Verkauf alkoholischer Getränke eingehalten werden.

10. Audits

1 Gemischte Teams aus Mitgliedern der lokalen Behörden, der Schweizerischen Zentralstelle Hooliganismus SZH und des Fachbereichs Hooliganismus des Bundesamtes für Polizei überprüfen ohne Vorankündigung in Begleitung von Vertretern des SFV und der SFL bei mindestens vier Heimspielen pro Saison, zu welchem Grad der Sportklub Y und der Stadionbetreiber
- die vorliegende Vereinbarung einhalten;
- die Stadionordnung durchsetzen;
- die Massnahmen nach Ziffer 7 Absatz 1 umsetzen
- die sicherheitsrelevanten Reglemente und Richtlinien des SFV und der SFL befolgen.

2Die vertraulichen Audit-Berichte erfolgen schriftlich innerhalb einer Woche nach dem Spielbesuch und gehen mit einer Frist von zehn Tagen zur Stellungnahme an den Sportklub Y.
3 Nach Vorliegen der Stellungnahme des Sportklubs Y geht diese zusammen mit dem Audit-Bericht an die Behörde, den Stadionbetreiber, den SFV, die SFL, die Schweizerische Zentralstelle Hooliganismus und an den Fachbereich Hooliganismus des Bundesamtes für Polizei. Letzterer stellt der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), der Konferenz der
kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS), der Vereinigung der städtischen Polizeidirektorinnen und -direktoren (VSPD), der Schweizerischen Vereinigung städtischer Polizeichefs (SVSP) sowie Swiss Olympic die Audit-Berichte sowie darauf basierende Auswertungen auf Verlangen zu.

11. Beteiligung des Sportklubs Y an den Sicherheitskosten der öffentlichen Hand

1 Die Behörde stellt im Sinne einer unentgeltlichen Grundversorgung für jedes Heimspiel folgende Personen:
- einen polizeilichen Einsatzleiter;
- mindestens 3 polizeiliche Spotter;
- einen Untersuchungsrichter oder eine Untersuchungsrichterin1;
- x Polizeibeamte, die in der Lage sind, Ordnungsdienst zu verrichten;
- x Polizeibeamte, die gemeinsam mit dem Personal des Sportklubs Y im Nachgang zu einem Spiel, bei dem es zu Gesetzesverstössen gekommen ist, zur Identifikation der fehlbaren Personen anhand von Bildmaterial oder Aussagen eingesetzt werden können .

2Für jede weitere Einsatzkraft stellt die Behörde dem Sportklub Y wie folgt Rechnung2:
[Nennung der rechtlichen Grundlage für die Kostenverrechnung];
[Verwendung eines Kostenschlüssels, der die Beteiligung an den Sicherheitskosten von den Ergebnissen der Audit-Berichte nach Ziffer 10 abhängig macht. Weiter sind die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Sportklubs Y und seine gesellschaftliche Bedeutung für die Region zu berücksichtigen.]
[Falls die Auditteams zum Schluss kommen, dass im Verhältnis zum Ereignis zu viele Einsatzkräfte im Einsatz waren, wird dies bei der Beteiligung an den Sicherheitskosten mit einbezogen.]
Beispiel:
Grad der Umsetzung der vier Bereiche gemäss Ziffer 9 Absatz 1 in Prozentzahlen bemessen und den Durchschnitt der vier Werte als Gesamtergebnis betrachten.
Bei Erfüllungsgrad von 90 - 100 Prozent: Auferlegung von x Prozent der Kosten für Einsatzkräfte, welche die Grundversorgung nach Absatz 1 übersteigen;
Bei Erfüllungsgrad von 80 - 89 Prozent: Auferlegung von x Prozent der Kosten;
Bei Erfüllungsgrad von 70 - 79 Prozent: Auferlegung von x Prozent der Kosten;
Bei Erfüllungsgrad von 60 - 69 Prozent: Auferlegung von x Prozent der Kosten;
Bei Erfüllungsgrad von 50 - 59 Prozent: Auferlegung von x Prozent der Kosten;
Bei Erfüllungsgrad von 40 - 49 Prozent: Auferlegung von x Prozent der Kosten;
Bei Erfüllungsgrad von 0 - 39 Prozent: Auferlegung von x Prozent der Kosten.

[Datum, Unterschriften ]


1Es liegt nicht in der Kompetenz der zuständigen Polizeibehörde, die Untersuchungsrichterinnen oder -richter aufzubieten. Diese entscheiden darüber in eigener Kompetenz. Sinnvoll ist es, die Untersuchungsbehörden zu den Verhandlungen einzuladen.
2Die Rechnungsstellung erfolgt in Form einer Verfügung, die auf dem ordentlichen Rechtsweg anfechtbar ist.

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SICHERHEITS-BUSINESS
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BZ 17.4.10

Bund und Kantone

 Regeln fürs Sicherheitsbusiness

 Private Sicherheits- und Militärfirmen beschäftigen die Schweizer Politik. Der Bund hat die Anforderungen an solche private Firmen 2007 in einer Verordnung festgelegt. Nun diskutieren die Kantone ein Konkordat zur Regelung der Branche im Inland.

 Zum Schutz schweizerischer Vertretungen im Ausland oder zur Regelung von Zugangs- und Zutrittskontrollen in Botschaften nimmt die Eidgenossenschaft routinemässig die Dienste privater Sicherheitsfirmen in Anspruch. Die internationale Diskussion um die Auslagerung staatlicher Aufgaben an private Sicherheits- und Militärfirmen hat den Bundesrat bereits Ende 2007 bewogen, die Auftragsvergabe an derartige Firmen mit einer Verordnung zu regeln.

 Bevor eine Bundesbehörde die Dienste einer privaten Sicherheitsfirma in Anspruch nimmt, muss sie die Erfüllung verschiedener Voraussetzungen prüfen. Die Firma hat Garantien bezüglich Rekrutierung, Ausbildung und Kontrolle ihres Sicherheitspersonals zu erbringen. Im Vertrag wird ausserdem festgelegt, in welchem Umfang die Ausübung der Schutzaufgabe die Anwendung polizeilicher Zwangsmassnahmen erfordert und ob das Sicherheitspersonal im Hinblick auf Notwehrsituationen bewaffnet sein darf.

 Ungeregelte Lage im Inland

 Während der Bund zum Einsatz privater Sicherheits- und Militärfirmen klare Regelungen kennt, wird die Marktzulassung derartiger Firmen in den Kantonen nach wie vor unterschiedlich gehandhabt. Die Westschweizer Kantone regeln die Marktzulassung in einem Konkordat, einige Deutschschweizer Kantone kennen eigenständige Zulassungsbedingungen, andere gar keine. Zu letzteren gehört der Kanton Bern. Unter dem geltenden Binnenmarktgesetz kann eine im Kanton Bern domizilierte Firma im Sicherheitsbereich ihre Dienste in anderen Kantonen oder im Ausland anbieten, ohne je auf die Erfüllung spezifischer Zulassungsvoraussetzungen hin überprüft worden zu sein.

 Dieser Punkt widerspricht dem Problembewusstsein auf Bundesebene. In einer Motion verlangte die Berner Nationalrätin Evi Allemann (SP) deshalb im März 2008 die Einführung eines entsprechenden Zulassungssystems für private Anbieter von Dienstleistungen im Militär- oder Sicherheitsbereich. Die Schweiz könne es nicht verantworten, argumentierte die Motionärin, dass private, in der Schweiz ansässige Firmen, die sich nicht auf gewisse Mindeststandards verpflichten, ihre Dienstleistungen im Ausland anbieten würden.

 Arbeit an einem Konkordat

 Obwohl die Motion am 3.März 2010 abgelehnt wurde, scheint nun doch Bewegung in die Sache zu kommen. Roger Schneeberger, Generalsekretär der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und Direktoren (KKJPD), attestiert den Kantonen eine hohe Sensibilität bezogen auf Fragen des Gewaltmonopols. Insbesondere die Bahnreform 2 und die Frage der Bahnpolizei hätten zu einem neuen Bewusstsein bei der Wahrnehmung staatlicher Sicherheitsaufgaben durch private Anbieter geführt.

 Derzeit läuft in der KKJPD ein Vernehmlassungsverfahren zu einem gesamtschweizerischen Konkordat über Sicherheitsunternehmen, das sich auf das seit 1996 existierende Westschweizer Konkordat abstützt. So soll schweizweit die gleiche Bewilligungspflicht für private Sicherheitsunternehmen geschaffen werden. Schneeberger hofft, dass das Konkordat an der Herbstversammlung der KKJPD zur Ratifikation freigegeben werden kann.

Marcus Moser

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ANTI-ATOM
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NZZ am Sonntag 18.4.10

Die Wahrheit lässt sich nicht erzwingen

 Erkranken Kinder in der Umgebung von Atomkraftwerken eher an Leukämie? Eine Schweizer Studie wird diese Frage kaum endgültig klären.

Von Felicitas Witte

 In den nächsten paar Jahren steht in der Schweiz der Entscheid darüber an, ob hierzulande neue Kernkraftwerke gebaut werden oder nicht. Jetzt, in dieser politischen heiklen Phase, bringt das "Forum Energie und Medizin" - ein Verein von 200 Ärzten - eine aufwendige Broschüre über Kernkraftwerke und Kinderleukämie heraus. Das Fazit: "Die minimale Strahlung aus Kernkraftwerken kann als Ursache für ein höheres Leukämierisiko bei Kleinkindern praktisch ausgeschlossen werden." Claudio Knüsli, Präsident der Schweizer Sektion des Vereins Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), schreibt daraufhin: "Strahlung aus Atomkraftwerken ist als Ursache für Leukämien nicht ausgeschlossen." Wem soll man glauben?

 "Strahlen aus Kernkraftwerken können Leukämie erzeugen", sagt Joachim Schüz, Leiter der Abteilung Statistik und Epidemiologie der Dänischen Krebsgesellschaft. "Aber vermutlich nicht im Normalbetrieb. Wir haben bis jetzt nicht genügend Daten, um einen Zusammenhang eindeutig nachweisen oder widerlegen zu können."

 Strahlung aus Kernkraftwerken gehört zu den ionisierenden Strahlen, ebenso wie Röntgenstrahlen oder natürliche Strahlung aus Erde oder Luft. "Der Mensch ist täglich solchen Strahlen ausgesetzt", sagt André Herrmann, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Strahlenschutz und Überwachung der Radioaktivität. "Jede ionisierende Strahlung verursacht biologische Schäden." Treffen die Strahlen auf Körperzellen, werden im Erbmaterial falsche Bausteine eingesetzt oder die Erbsubstanz bricht. Glücklicherweise gelingt es dem Körper, die allermeisten dieser Schäden zu reparieren. "Schafft er dies nicht, können sich die beschädigten Zellen irgendwann bösartig verändern und zu Krebs führen."

 Bei der Diskussion um ionisierende Strahlen und Krebs geht es vor allem um Leukämien bei Kindern, der häufigsten Krebsform in dieser Altersgruppe. In der Schweiz erkranken jährlich etwa 70 Kinder, meist im Alter zwischen 2 und 5 Jahren. Dass ionisierende Strahlen Leukämie verursachen können, ist bekannt: Studien mit Überlebenden der Atombombenabwürfe in Japan zeigen, dass diese deutlich häufiger eine Leukämie bekamen. Kinder von Schwangeren, die in den 1940er bis 1970er Jahren mit den damals üblichen Dosen geröntgt wurden, erkrankten häufiger, als wenn die Mutter nicht geröntgt wurde.

 In den 1980er und 1990er Jahren bemerkten Wissenschafter, dass in der Nähe einiger Kernkraftanlagen Kinder häufiger an Leukämie erkrankten. Viele Experten untersuchten daraufhin den Zusammenhang in Europa, Kanada, Japan und den USA. "Zusammenfassende Studien mit insgesamt knapp 200 Kernanlagen zeigen kein generell erhöhtes Risiko", sagt Joachim Schüz. "Ausschliessen können wir damit einen Zusammenhang aber nicht."

 Umstrittene KiKK-Studie

 Für Aufsehen sorgte nämlich vor zwei Jahren die KiKK-Studie in Deutschland: Kinder unter 5 Jahren, die näher als 5 Kilometer bei einem Atomkraftwerk wohnten, erkrankten etwa doppelt so häufig an Leukämie wie diejenigen, die weiter weg lebten. "Die Strahlenmengen im Umkreis der Kernkraftwerke sind etwa tausend- bis hunderttausendmal geringer als die natürlich vorkommende Strahlendosis aus Erde oder Luft", sagt Schüz. "Das reicht nach unseren Kenntnissen eigentlich nicht, um die Erbsubstanz der Zellen zu schädigen." Er sieht mehrere Erklärungen für das erhöhte Risiko: "Erstens könnte die schädliche Strahlendosis geringer sein, als wir vermuten. Das sollen bald Studien mit Kindern klären, bei denen eine Computertomografie durchgeführt wurde. Zweitens könnten andere Faktoren zu dem erhöhten Risiko geführt haben, etwa Pestizide, Chemikalien, Magnetfelder von Hochspannungsleitungen oder Infektionen. Drittens birgt die KiKK-Studie wie jede Studie statistische Fehlerquellen."

 Leukämie entwickelt sich vermutlich durch ein Zusammenspiel verschiedener Risikofaktoren in zwei Schritten. Schon vor der Geburt kommt es zu Veränderungen an den Erbanlagen, aber erst durch ein zweites Ereignis entwickelt sich die Zelle zu einer Krebszelle und vermehrt sich ungebremst. "Ich halte Infektionen als Ursache für viel wahrscheinlicher als Strahlen aus einem Kernkraftwerk", sagt Felix Niggli, Leitender Onkologe am Kinderspital der Uni Zürich. "Dazu passt, dass der Krebs eher in einem Alter auftritt, in dem die Kinder oft Infektionen bekommen, und dass Leukämien häufiger in den Industriestaaten vorkommen." Gemäss dieser Hypothese soll die Immunabwehr bei Leukämie-Kindern im Säuglingsalter durch zu wenige Kontakte mit Krankheitserregern nicht genügend trainiert worden sein. "Studien zeigen, dass Kinder, die früh in die Kinderkrippe kommen, seltener an Leukämie erkranken."

 Weitere Erkenntnisse über die Ursache von Kinderleukämie erhofft man sich von der laufenden Canupis-Studie (siehe Kasten). "Sie wird aussagekräftiger sein als die KiKK-Studie", sagt Studienleiterin Claudia Kühni vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Bern. "Wir erfassen alle Kinder in der Schweiz, zudem dokumentieren wir Faktoren, die das Risiko ebenfalls erhöhen könnten. Stellen wir später ein erhöhtes Leukämierisiko fest, können wir besser sagen, ob dies auf die ionisierenden Strahlen oder auf andere Faktoren zurückzuführen ist."

 "Wertvoller Beitrag"

 "Wir fürchten, die Studie kann ein erhöhtes Risiko durch Kernkraftwerke nicht zeigen, obwohl es eigentlich da ist", sagt Claudio Knüsli vom IPPNW. Diese Gefahr besteht, wenn man Einflüsse auf Krankheiten untersuchen will, die sehr selten sind wie die Leukämie, oder wenn der Einfluss sehr klein ist. Zeigt die Canupis-Studie, dass Kernkraftwerke das Leukämierisiko nicht erhöhen, könnte tatsächlich kein Zusammenhang bestehen, oder die Studie entdeckte den Zusammenhang nicht. Welche Begründung "wahr" ist, lässt sich dann nicht sagen.

 "Dieses Problem muss man bei der Interpretation der Studie auf jeden Fall beachten", sagt Joachim Schüz. Hat es angesichts der Unsicherheit überhaupt Sinn, diese Studie durchzuführen? "Ja, denn die Daten sind ein wertvoller Beitrag für geplante grössere Studien." Knüsli bleibt skeptisch: Tschernobyl habe gezeigt, dass ein Super-GAU jederzeit möglich sei. "Die grösste Gefahr sehe ich in einem terroristischen Angriff mit katastrophalen Folgen."

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 Die Canupis-Studie

 Die Canupis-Studie untersucht, ob Kinder, die in der Nähe eines Schweizer Kernkraftwerkes leben oder aufgewachsen sind, häufiger Krebs und insbesondere Leukämien bekommen. Die Studie erfasst alle Schweizer Kinder mit Jahrgang 1985 bis 2007. Die Daten stammen aus dem Kinderkrebsregister, das seit 1976 alle Krebsfälle bei Kindern registriert. Erste Resultate sind 2011 zu erwarten (http://www.canupis.ch).

Felicitas Witte