MEDIENSPIEGEL 4.5.10
(Online-Archiv:
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, GH, DS)
- Hoppe Hoppe Reiter: Kuhtreiber Erich Hess
- Rabe-Info 3. + 4.5.10
- Kultur & Medien: Podium
- Bad Bonn: Jetzt doch mehr Geld
- Kokain: Entzug im Wohnheim
- BfM vs Nigeria: Inti mit Botschafter
- Sexwork BE: Widerstand gegen Wohnwagen-Projekt
- 1. Mai Bern: Deisswil + Revolutionäres Fest
- 1. Mai Thun: Pnos beklagt sich
- 1. Mai Zureich: Nach den Riots und dem illegalen Fest
- 1. Mai BS/BL: Harassenlauf und 1. Mai-Riots
- 1. Mai Lausanne: SP-Büro besetzt
- 1. Mai Berlin: Erfolgreiche Nazidemo-Blockade
- Gewaltdebatte SG: "ExpertInnen" unter sich...
- Neonazis: Hakenkreuze in Triengen + Rheinfelden
- Ueli Mauerer unerwünscht am 6.5.10 an der Uni ZH
- Anti-Atom: Endlager Jurasüdfuss?
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REITSCHULE
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Di 04.05.10
20.30 Uhr - Kino - Uncut - Warme Filme am Dienstag
Mi 05.05.10
19.00 Uhr - SousLePont - Himalaya-Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - "Kosmose" Butoh-Tanztheater von Cie
Elektra.
20.30 Uhr - Kino - Schwarz auf Weiss, Günter
Wallraff, Pagonis
Pagonakis, Susanne Jäger, Gerhard Schmidt, D 2009
21.00 Uhr - Rössli - Aluminum Babe
Do 06.05.10
10.15 Uhr - Grosse Halle - Frühlings Erwachen, von
Ensemble U18 I,
Junge Bühne Bern (Schulvorstellung)
14.00 Uhr - Grosse Halle - Frühlings Erwachen, von
Ensemble U18 I,
Junge Bühne Bern (Schulvorstellung)
20.30 Uhr - Tojo - "Kosmose" Butoh-Tanztheater von Cie
Elektra.
20.30 Uhr - Kino - Mitgliederversammlung Cinébern:
Golem2000 mit
Musik-Begleitung
21.00 Uhr - Rössli - Plattentaufe: Meienberg
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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kulturagenda.be 6.5.10
Bill Ayers liest im Rössli in der Reitschule
So ein Lebenslauf war wohl nur in den Sechzigern möglich.
Damals
ging der Bürgerrechtler
Bill Ayers mit Gleichgesinnten in den Untergrund und versuchte,
die
Gesellschaft mit
unblutigen Bombenanschlägen aufzurütteln. Ayers ist
längst geläutert, unterrichtet
heute Pädagogik in Chicago und hat über die Sechziger
eine
nostalgiefreie Autobiografie
geschrieben. Rössli-Bar in der Reitschule, Bern. Mi.,
12.5., 21 Uhr
---
kulturagenda.be 6.5.10
Die Junge Bühne spielt "Frühlings Erwachen"
Die U18-Auswahl der Jungen Bühne Bern nimmt sich Frank
Wedekinds
bekanntes Sozialdrama "Frühlings Erwachen" vor. In der beliebten
Schullektüre geht es ums Erwachsenwerden, um Aufklärung,
Liebe und die Schwierigkeiten, die das alles mit sich bringt. Leitung:
Karin Maurer und Christoph Hebing.
Grosse Halle der Reitschule, Bern. Fr., 7.5., Sa., 8.5., 19.30
Uhr, und
So., 9.5., 19 Uhr
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kulturstattbern.derbund.ch 3.5.10
Von Manuel Gnos am Montag, den 3. Mai 2010, um 17:05 Uhr
Yann tappt in die Post-Rock-Falle
In völliger Unkenntnis des aktuellen Schaffens von Yann
Tiersen
abseits der Amélie-Pfade ist der Schreibende gestern im
Dachstock eingetrudelt - gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Band
die Bühne betritt.
Das Konzert war schon seit ein paar Tagen ausverkauft, was doch
einigermassen überraschend ist, weil er trotz seiner Erfolge mit
der Filmmusik keine der ganz grossen Figuren der Szene ist. Doch schien
mir, dass viele der Anwesenden gute Kenntnisse von Tiersens aktuellen
Arbeiten hat. Jedenfalls genügend, um die Liedanfänge zu
beklatschen, sobald man den entsprechenden erkannte. Auch die
Gespräche rundherum deuteten darauf hin, dass viele schon an einem
seiner früheren Auftritte in der Region waren.
Ich selbst war, wie gesagt, bis gestern ein Frischling und war
deshalb
gespannt, wie sich die Sache angehen würde. Leider muss ich
gestehen, dass ich doch einigermassen enttäuscht war von der
insgesamt fünfköpfigen Band beziehungsweise vor allem von der
gespielten Kompositionen.
Da wurde doch allzu uninspiriert vermengte Ware feilgeboten:
Irgendwo
zwischen Post-Rock, französischem Chanson, Brachial-Klassik,
Amélie-Zauberhaftigkeiten und noch mehr Postrock entstand eine
Musik, die mir zu wenig Persönliches, zu wenig Intimes hatte.
Auch der fast konsequente Verzicht auf Gesang führte dazu,
dass es
ein Konzert blieb, das auf eigenartige Weise an mir vorbeizog. Einzig
einige mit der Violine gespielte Passagen, sowie die Melodika-Duette,
die Gesangs-Quartette und so manches aus der
Korg-Synthesizer-Küche vermochten etwas Begeisterung und Schaudern
aufkommen lassen.
Da gäbe es doch so einige Konzerte, die es mehr verdient
hätten, ausverkauft zu werden als dieses gestern in der Reitschule.
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kulturstattbern.derbund.ch 3.5.10
Kulturbeutel 18/10
(...)
Frau Feuz empfiehlt:
Am Donnerstag tauft der Herr Meienberg im Rössli sein
zweites Solo
Album "Rapid Cycling". Erwartet werden darf ein Kaleidoskop
avantgardistischer Electronica. Wers mehr mit Worten hat, der soll sich
am Mittwoch die Lesung von Jürgen Teipel im Kairo anhören
gehen, dieser liest dort nämlich aus seinem Neuling "Ich weiss
nicht".
(...)
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HOPPE HOPPE REITER
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Blick am Abend 3.5.10
Cowboy Hess auf einer Rinderfarm in Bolivien
Kuhtreiber
Mit Gegengift gegen Schlangen in der Satteltasche: Erich
Hess gab
den Cowboy.
Während drei Wochen bereiste er Südamerika;
jetzt ist
Erich Hess zurück in Bern. Wie kam er auf die Idee, in Bolivien
auf einer Rinderfarm zu arbeiten? "Seit drei Jahren hatte ich keine
Ferien mehr. Der Farmer ist Schweizer und hat mich eingeladen", sagt
der SVP-Stadtrat und neu gewählte Grossrat. Den ganzen Tag war er
mit drei Cowboys unterwegs. "So stellt man sich den Wilden Westen vor:
Mit dem Lasso fi ngen wir die 700 Rinder ein und trieben sie zusammen."
Und was befand sich in den ominösen Satteltaschen,
die Hess
wie seinen Augapfel hütete? "Kein Schnaps. Während des Tages
waren wir seriös", sagt Hess. "Wir hatten immer Gegengift gegen
Schlangenbisse dabei, weitere Medikamente und Salz für die Rinder
und Kühe."
Erst am Abend gönnte sich der SVP-Hardliner jeweils
ein
kühles Bier. ehi
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KUBB
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20 Minuten 4.5.10
Kubb im Hoch: Eigenes Turnier in der Innerschweiz
HORW. Das Kubb-Fieber hat den Kanton Luzern erreicht: Am
22. Mai
findet in der Horwer Seebadi der erste Pilatus-Kubb-Cup statt. Erwartet
werden 40 Teams.
Sobald die Temperaturen steigen und der Frühling
kommt,
zieht es Kubb-Fans im ganzen Land nach draussen. "Auch in der
Innerschweiz gibt es immer mehr Menschen, die Kubb spielen", sagt
Martin Hauser (44). Zusammen mit Raffy Koch (36) organisiert er am
Pfingstsamstag den ersten Pilatus-Kubb-Cup in der Seebadi Horw.
Bierernst soll es dort aber nicht zugehen. "Bei uns steht der Spass im
Vordergrund, aber natürlich ist auch ein bisschen Ehrgeiz dabei",
so Hauser. Ein DJ sorgt dafür, dass die Kubber in den richtigen
Groove kommen. Hauser und Koch wollen 40 Teams à mindestens drei
Spieler zusammenbringen; 17 Mannschaften haben sich bereits angemeldet.
"Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen", so Hauser.
Um den Sieg mitkämpfen wird auch ein Team des
Kubb-Klubs
Luzern, der letztes Jahr gegründet wurde. "Aber auch bei uns steht
die Geselligkeit im Vordergrund", sagt Aktuar Burghard Förster.
Die Trainings finden in der Ufschötti statt, die Daten werden
jeweils auf Facebook kommuniziert.
Markus Fehlmann
http://www.pilatuskubbcup.ch
http://www.kubb-klub-luzern.ch
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"Wikingerschach" aus Schweden
LUZERN. Kubb stammt ursprünglich aus Schweden und
wird auch
als Wikingerschach bezeichnet. Es ist ein Freiluftspiel, bei dem zwei
Gruppen gegeneinander um den Sieg kämpfen. Ziel ist es, die
gegnerischen Holzklötze (Klotz = Kubb) und letztlich den
König mit Wurfhölzern umzuwerfen. Kubb gilt als ideales Spiel
für den Strand, Grillabende oder einfach zwischendurch. In der
Schweiz gibt es mehrere grosse Turniere; als Kubb-Hochburgen gelten das
Welschland, Basel und Baden.
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RABE-INFO
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Di. 4. Mai 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_4._Mai_2010.mp3
- Kosovo-Schweiz: UNIA verlangt die Weiterführung des
Sozialversicherungs-Abkommens
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Kanton Bern informiert
auf
eigener Website
- Was ist Los in Bern?: Podium über Kulturberichterstattung
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Mo. 3. Mai 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._Mai_2010.mp3
- Sanierung der Sozialversicherungen: die PdA will Grosskonzerne
zur
Kasse bittet
- Erneuerbar statt Atomar - der zurücktretende
Sp-Nationalrat
Rudolf Rechsteiner ist unser Kopf der Woche
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KULTUR & MEDIEN
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Bund 4.5.10
Der "Jazzband- aus-Tokio-Vorwurf"
Wie berichten "Bund" und BZ über das Berner
Kulturleben? Das
war gestern Thema an einem Podium.
Simon Jäggi
Daniel Kölliker, Veranstalter des kleinen
Kulturlokals Ono,
war der erste Votant aus dem Publikum. Und er brachte gleich einen
zentralen Konflikt aufs Parkett, der wohl manchem Kulturveranstalter
unter den Nägeln brannte, der gestern Abend das Kunstmuseum
besuchte. Stehe eine bekannte Band auf dem Programm, sagte
Kölliker, so habe er kein Problem, sein Haus zu füllen. Wenn
aber eine innovative Jazzband aus Tokio spiele, dann sei er auf die
Zeitungen angewiesen. Doch "Bund" und BZ berichteten immer dann
über sein Lokal, wenn er feste Grössen bringe.
"Was ist los in Bern?" war das gestrige Kulturpanel
übertitelt, das Bekult organiserte, der junge Verband der Berner
Kulturveranstalter. Und es kamen 200 Leute, darunter etliche grosse
Fische des Berner Kulturteichs. Der Untertitel "Kultur, Kulturpolitik
und Kulturberichterstattung" war etwas gar breit angelegt, die
Diskussion selbst konzentrierte sich aber auf die Frage, ob "Bund" und
BZ angemessen über die Kultur berichten. Auf dem Podium anwesend
waren nämlich unter anderem die Chefredaktoren der beiden Berner
Tageszeitungen. Und sie äusserten sich auch zum
"Jazzband-aus-Tokio"-Vorwurf. "Es ist nicht unser Job, Ihr Lokal zu
füllen", sagte BZ-Chef Michael Hug. Gerade über die
Veranstaltungen zu berichten, die kaum Publikum anzögen, und die
grossen Anlässe zu ignorieren - dies könne sich seine Zeitung
nicht leisten. "Da wären wir doch völlig neben den Schuhen."
Auch "Bund"-Chefredaktor Artur K. Vogel unterstrich, dass
eine
Zeitung nicht nur ein Minderheitenprogramm bieten könne. Er
betonte aber auch, dass sich seine Kulturredaktion durchaus leiste,
Perlen hinauszupicken - aus dieser Flut von 200 Veranstaltungen, die
wöchentlich in Bern stattfinden. Eine Zahl übrigens, die
Kultursekretärin Veronica Schaller in die Runde warf. Sie nahm
zusammen mit Thomas Beck, Direktor der Hochschule der Künste Bern,
ebenfalls an der Diskussion teil. Eine Diskussion, die nicht hitzig
verlief, aber einen Grundgefühlszustand des Berner Kulturbefindens
gut widerspiegelte: mittlere Unzufriedenheit.
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kulturstattbern.derbund.ch 4.5.10
Von Manuel Gnos am Dienstag, den 4. Mai 2010, um 01:34 Uhr
Wir haben die Zeitungen, die wir verdienen
Dem Schreibenden ist auch jetzt, einige Stunden nach der
Bekult-Podiumsdiskussion, nicht ganz klar, was eigentlich ihr Ziel war.
Das Thema war mit "Was ist los in Bern? — Kultur, Kulturpolitik,
Kulturberichterstattung" weit gefasst, zu weit vielleicht. Dass die
beiden Chefredaktoren der zwei grossen Berner Tageszeitungen zum Podium
geladen waren, machte jedoch die Richtung, die das Gespräch nehmen
sollte, schon etwas klarer.
Neben Michael Hug von der "Berner Zeitung" und Artur K. Vogel
vom
"Bund" sassen Veronica Schaller, Leiterin der Abteilung Kulturelles der
Stadt Bern, sowie Thomas Beck, Direktor der Hochschule der Künste
Bern auf dem Podium. Geleitet wurde die Sache von Bekult-Vertreter Beat
Glur.
Nehmen wir es gleich vorneweg: Das Resultat gestern Abend
entsprach dem
Resultat einer jeden Podiumsdiskussion… Ratlosigkeit. Einige
interessante Themenfelder wurden trotzdem abgesteckt. Hier deshalb in
recht willkürlicher Form ein kurzer Überblick:
Veronica Schaller: "Bern macht sich kleiner, als es ist." Sie
verwies
dazu auf eine Auszählung der "Berner Kulturagenda", in der man
herausfand, dass in Bern 200 kulturelle Veranstaltungen pro Woche
angeboten werden. Zudem würden jährlich 60 bis 70 Millionen
Franken an öffentlichen Geldern in die Kultur investiert, was
für die Grösse der Stadt ein ansehnlicher Betrag sei. "Warum
also ist man hier so unzufrieden?"
Thomas Beck: "Die Berner Kulturszene ist sehr vielfältig,
gleichzeitig fehlt es ihr aber an Profil." Gravitationszentren und
Akzente wie die Art Basel oder das KKL in Luzern gebe es hier nicht.
"Deshalb ist die Wahrnehmung von aussen nicht besonders gross."
Michael Hug: "Wir sind nicht da, um den Kulturschaffenden ein
Feedback
zu geben, sondern um den Leserinnen und Lesern bei der Auswahl aus den
vielen Veranstaltungen zu helfen." Dabei könne man nicht in
grossem Ausmass auf Nischenangebote Rücksicht nehmen. Wer aber gut
programmiere, werde dank grösseren Namen die Aufmerksamkeit auch
auf den Rest des Programms lenken können. "Wir können den
Veranstaltern dieses Risiko jedoch nicht abnehmen."
Artur K. Vogel: "Wir hätten die Kulturagenda sehr gerne als
Beilage im ‘Bund' gehabt." Das habe leider nicht geklappt; aus
Gründen, die er heute noch nicht verstehe. Es sei heute zudem
illusorisch zu erwarten, dass eine Tageszeitung alleine eine
Veranstaltungsbeilage finanzieren könne. Auch deshalb, weil in
Bern niemand in einem solchen Produkt inseriert habe, wie Michael Hug
ergänzte: "Das ist ein trauriges Zeichen für diese Stadt."
Zum Schluss brachte es Bekult-Präsident (und
KulturStattBern-Autor) Christian Pauli auf den Punkt: "Jede Stadt hat
die Zeitungen, die sie verdient." Man könne die Verantwortung
dafür nicht nur den Redaktionen zuschieben, sondern müsse
auch die Politik und nicht zuletzt das Publikum in die Verantwortung
nehmen; denn offenbar wolle dieses keine andere Kulturberichterstattung
einfordern.
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Ohne Bad Bonn, ohne mich!
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BAD BONN
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BZ 4.5.10
Düdingen
Deutlich mehr Geld fürs Bad Bonn
Die Behörden antworten auf den Brief der
Bad-Bonn-Betreiber.
Die Agglo Freiburg teilt mit, dass sie in diesem Jahr 50000 Franken an
das Bad Bonn überweisen wird, der Staatsrat bleibt hingegen hart
in der Rauchverbotsfrage.
"Das Bad Bonn hat für unsere Kulturförderung
Priorität", sagt Markus Baumer, Kulturdelegierter der Agglo, auf
Anfrage.
Tatsächlich habe die Kulturkommission am 17.April
entschieden, fürs Jahr 2010 50000 Franken zu überweisen.
"Leider haben wir den Entscheid den Betreibern bisher noch nicht
mitgeteilt, da hat die Kommunikation nicht geklappt", bedauert Baumer.
Der Entscheid ist also keine direkte Folge des Briefs der
Bad-Bonn-Betreiber.
"Keine Bevorteilung"
Bisher war der Beitrag bedeutend kleiner, da Düdingen
nicht
Mitglied von Coriolis war. Mit dem Beitritt zur Agglo habe sich das
geändert, erklärt Baumer. "Uns ist klar, dass Institutionen
wie das Fri-Son, Nouveau Monde oder die Spirale deutlich mehr Geld
erhalten, aber diese sind bereits seit sieben Jahren Vollmitglied im
Verband."
In welche Richtung sich der Beitrag der Agglo Freiburg ans
Bad
Bonn in Zukunft bewegen wird, kann Baumer noch nicht sagen. Eines sei
aber klar: "Mit einer Bevorteilung der Lokale im
französischsprachigen Gebiet hat die Verteilung nichts zu tun."
Schritt in richtige Richtung
Patrick Boschung, Finanzchef des Bads Bonn, freut sich
über
den deutlich erhöhten Beitrag: "Es ist schön, dass es Leute
gibt, die sich für uns einsetzen. Für uns sind diese 50000
Franken sicher ein Schritt in die richtige Richtung."
Keine Bewegung kommt hingegen in die Rauchverbotsfrage.
"Für
die kulturellen Anlässe verfügt das Bad Bonn über ein
Patent H, das den Verkauf von Getränken und Speisen erlaubt.
Für die anderen Abende existiert kein Patent. Folglich darf nichts
verkauft werden", erklärt Alain Maeder, Chef der Gewerbepolizei.
Das Lokal sei dennoch wie eine Beiz geführt, da sei auch das
Rauchen nicht erlaubt.
Staatsrat Erwin Jutzet doppelt nach: "Die Betreiber haben
freiwillig auf das Wirtepatent verzichtet. Den Betrieb gleich
weiterführen und behaupten, man sei jetzt ein privater Verein, das
ist doch reine Schlaumeierei." Jutzet bedauert, dass es zum Prozess vor
dem Verwaltungsgericht kommen wird: "Ich habe nichts gegen das Bad
Bonn. Aber wir können für keine Beiz eine Ausnahme machen.
Sonst könnte ja jeder kommen."
Eine offizielle Fürsprache für mehr kulturelle
Fördergelder wird es vom Staatsrat nicht geben, doch Erwin Jutzet
sagt, dass er persönlich die kulturelle Arbeit der letzten Jahre
im Bad Bonn sehr geschätzt hat.
Pascal Jäggi
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BZ 3.5.10
Düdingen
Steht Bad Bonn vor dem Aus?
Seit Samstag, 1. Mai, ist das Bad Bonn geschlossen.
Geöffnet
wird es nur noch für Konzerte. Die Betreiber kommen damit der
angedrohten Schliessung durch die Behörden zuvor. Sie fordern
Lösungsvorschläge vom Staatsrat.
Die Betreiber haben das Bad Bonn geschlossen und sind
damit nach
eigenen Angaben den Behörden zuvorgekommen. Anstehende Konzerte
und die international geschätzte Bad-Bonn-Kilbi vom letzten
Maiwochenende seien gefährdet gewesen, so die Verantwortlichen,
deshalb hätten sie sich zu diesem Schritt entschlossen. In einem
Brief, der an alle zuständigen Behörden sowie die
Kulturverantwortlichen geschickt wurde, wenden sich die Betreiber an
den Freiburger Staatsrat und fordern eine Stellungnahme.
Rauchverbot umschifft
Dabei hinterfragen die Verantwortlichen zwei Punkte: das
Rauchverbot in ihrem Lokal sowie die Kulturpolitik in Freiburg und den
umliegenden Orten. Die Unterzeichner des Briefs, Daniel Fontana und
Patrick Boschung, erklären, dass sie seit dem 1. Januar keine
öffentliche Gaststätte mehr führen. "Wir betreiben ein
Vereinslokal, und dieses ist nur unseren Vereinsmitgliedern offen",
schreiben sie. Damit falle das Lokal unter ein anderes Gesetz als eine
Gaststätte, so der Standpunkt der Betreiber. Um diesen Punkt
werden sich die Parteien vor dem Verwaltungsgericht streiten.
Angesichts der Entwicklung in Basel, wo sich über hundert Beizen
im Verein Fümoar zusammengeschlossen haben, geben sich Boschung
und Fontana zuversichtlich.
Neben dem Rechtsstreit bemängeln die Verantwortlichen
aber
noch einen zweiten Punkt. Als Kulturveranstalter - über 1500
Konzerte in 20 Jahren Tätigkeit - fühlen sich Boschung und
Fontana benachteiligt. "Unser Schaffen wird nicht mit den gleichen
Ellen gemessen, wie dies bei unseren Kollegen in der Stadt Freiburg der
Fall ist." Die Kulturförderbeiträge würden ungleich
verteilt, was sich vor allem an die Adresse der Agglo Freiburg
(früher Coriolis) richtet. Bisher hätten sie die Konzerte
durch die Einnahmen an den anderen Abenden quersubventionieren
können. Dass dies nicht mehr möglich sei, liege auch an der
Herabsetzung der Promillegrenze im Strassenverkehr, dem Verbot von
Glücksspielautomaten und am Rauchverbot, so die Betreiber.
Geld wird sofort gebraucht
Als Lokal an der Peripherie - nicht umsonst prangt der
Spruch
"Where the hell is Bad Bonn?" am Lokal - sei das Bad Bonn durch all
diese Massnahmen hart getroffen worden, halten Daniel Fontana und
Patrick Boschung fest. Um weiterhin ein qualitativ und quantitativ
hochstehendes Programm zu bieten, müssten daher die Beiträge
der Kulturförderung erhöht werden, fordern sie.
In der Vergangenheit hat das Bad Bonn von Coriolis jeweils
15000
Franken erhalten. Zum Vergleich: Das Fri-Son erhält jährlich
145000 Franken. Die Agglo habe eine schrittweise Anpassung der
Fördergelder versprochen. "Wir veranstalten aber hier und heute",
entgegnen die Betreiber. "Bisher haben wir 90 Prozent unserer
Finanzierung selber gedeckt." Das sei nun nicht mehr möglich. Die
Loterie Romande unterstütze das Lokal immerhin mit 80000 Franken
jährlich, schreiben die Träger des Prix Atec. Das
Jahresbudget des Bad Bonn betrage 1,95 Millionen Franken, so die
Betreiber.
Nun müsste sich der Staatsrat für das Schaffen
des Bad
Bonn einsetzen, fordern die Betreiber, um der Ungleichbehandlung ein
Ende zu setzen.
pj/bol
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DROGEN
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20 Minuten 4.5.10
Koksende Teenager: Entzug im Wohnheim
BERN. Berner Teenager fallen wegen Drogen immer öfter
durchs
soziale Netz. Eine neue Therapie soll Süchtigen jetzt helfen,
schnell clean zu werden.
"Wir wollen Personen mit Drogenproblemen helfen, bevor sie
Job
und soziales Umfeld verlieren", sagt Anita Marxer von der Stiftung
Terra Vecchia in Kehrsatz. Deshalb startete die Stiftung ein
Pilotprojekt: Personen ab 16 Jahren, die ein Suchtproblem haben,
können sich während drei Monaten stationär therapieren
lassen. "Die Klienten wohnen während dieser Zeit bei uns in
Kehrsatz", so Marxer. So wolle man in kurzer Zeit den Ausstieg aus der
Abhängigkeit erreichen. Nur an den Wochenenden dürfen die
Klienten nach Hause. Wer dann Drogen nimmt, muss mit Konsequenzen
rechnen: "Am Montag müssen die Klienten jeweils eine Urin-Probe
abgeben", erklärt Marxer. Das Pilotprojekt läuft seit Januar.
Die meisten Süchtigen haben sich selbst für eine Therapie
angemeldet, diese kann aber auch richterlich verordnet werden.
"Noch mehr als Cannabis und Pillen wurde in letzter Zeit
Kokain
konsumiert", so Marxer. Dies bestätigt auch Fritz Brönnimann
von der Stiftung Contact Netz: "Wir merken, dass Kokain bei immer
jüngeren Leuten hoch im Kurs ist." Dies liege vor allem am
günstigen Preis und daran, dass es leicht zu bekommen sei. "Die
Jugendlichen konsumieren oft Drogen, um Grenzen zu erfahren und zu
überschreiten und um zu provozieren", so Brönnimann.
Fabienne Wittwer
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BFM VS NIGERIA
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Bund 4.5.10
"Nigerianer sind keine Dämonen"
Martin Uhomoibhi, der Botschafter von Nigeria, wehrt sich
gegen
pauschale Kritik an seinen Landsleuten, denen Drogendelikte vorgeworfen
werden.
Interview: Thomas Knellwolf, Genf
Herr Botschafter, wie viele Ihrer Landsleute in der
Schweiz sind
kriminell?
Ich kann solch eine Frage nicht beantworten. Ich kenne
keinen
einzigen kriminellen Landsmann hier. Nigerianer sind gute Menschen.
Nigeria hat 150 Millionen Einwohner. Die nigerianische Gemeinde in der
Schweiz ist mit etwas mehr als 2000 Personen äusserst klein. Die
meisten von ihnen tragen viel Gutes zum Wohlergehen der Schweiz bei.
Sie beziehen sich auf Nigerianer, die sich in der Schweiz
niedergelassen haben. Sie sprechen aber nicht von den Asylbewerbern,
von denen der Chef des Bundesamts für Migration sagte, dass viele
kriminell würden.
Alard du Bois-Reymond hat diese Worte nach einem
Gespräch
mit mir vergangene Woche zurückgenommen und in den korrekten
Zusammenhang gestellt. Im Übrigen gibt es keinen Grund für
Nigerianer, in der Schweiz Asyl zu suchen. Nigeria ist ein stabiles
Land.
Aber weshalb tun es viele Ihrer Landsleute trotzdem?
Wir haben seit 1999 ununterbrochen demokratische
Regierungen. Es
stehen die vierten demokratischen Wahlen in Folge an. Diese
Wahlgänge haben - bei allen Unzulänglichkeiten - allseits
respektierte Führungen hervorgebracht. Sogar Demokratien mit
jahrhundertelanger Tradition kämpfen mit Herausforderungen. Und
wir arbeiten hart an unseren.
Weshalb suchen denn viele Nigerianer in Europa Asyl?
Migration ist ein Teil der Menschheitsgeschichte. Menschen
sind
immer ausgewandert. Und sie werden es immer tun - aus politischen
Gründen sowie aus ökonomischen, weil es sich andernorts
besser leben lässt.
Doch weswegen kommen Nigerianer hierher?
Aus all diesen Gründen. Aber die Nigerianer bezahlen
es
teuer, wenn sie nach Europa kommen wollen. Einige kommen, um Ferien zu
machen, andere für Business, ich bin als Diplomat hier.
Schieben Ihre Landsleute Asylgründe nur vor, um die
Monate
zu nutzen bis zur Abschiebung?
Sie müssen das Ganze ganzheitlich betrachten und
nicht eine
einzelne Gruppe Menschen ins Visier nehmen. Sonst finden Sie nur
Symptome, nicht die Ursachen. Es gibt viele Gründe, die jemanden
dazu bewegen können, Asyl zu suchen. Ein Asylgesuch kann unter
anderem eine Ausrede sein, um die Einreise zu ermöglichen. Viele
Menschen aus Afrika wollen einen anderen Ort zum Leben.
Es ist eine Tatsache, dass ein Teil in der
Kleinkriminalität
landet.
Ich habe nie eine Statistik gesehen, die das besagt.
Generalisierende Aussagen ohne harte Fakten darüber stigmatisieren
die Nigerianer in der Schweiz.
Polizisten erzählen von ihren Problemen mit
nigerianischen
Asylsuchenden.
Das möchte ich schwarz auf weiss sehen.
Schwarz auf weiss lässt sich in der Schweizer Presse
immer
wieder von Prozessen wegen Drogenhandels gegen Westafrikaner lesen.
Ich brauche harte Fakten und Statistiken. Davor beteilige
ich
mich nicht an dieser Debatte. Ich sage nur: Nigerianer sind keine
Dämonen. Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir generalisieren.
Das zeigt die Geschichte des Rassismus.
Ist es nicht ebenso gefährlich, die Probleme zu
ignorieren?
Ich bin vor allem vorsichtig mit vorschnellen
Schlüssen. Im
Moment läuft ein politisches Spiel. Die Wahrheit wird sich aber
durchsetzen.
Ein nigerianischer Asylsuchender starb im vergangenen
Monat in
Zürich, als er gewaltsam ausgeschafft werden sollte. Was dachten
Sie, als Sie davon hörten?
Es machte mich traurig. Er ist ja nicht einmal der Erste,
der so
starb. Ein Landsmann war früher im Wallis bei einer
Zwangsausschaffung umgekommen. Jeder Tote ist einer zu viel.
Sie stellen zurzeit keine Papiere aus für abgewiesene
Nigerianer, welche die Schweiz nicht freiwillig verlassen wollen.
Werden Sie das je wieder tun?
Ich rede jetzt nicht als Botschafter, sondern als Mensch:
Es ist
nicht weise, Leute entgegen ihrem Willen irgendwo hinzubringen. Ich
hoffe, dass all jene, die für die Grundfreiheiten der Menschen
einstehen, dies ähnlich sehen. Es bringt nichts, Migration zu
kriminalisieren. Menschen sollten frei reisen dürfen, sofern sie
sich ans Gesetz halten.
Was machen Sie denn mit illegal Eingereisten?
Auch die muss jeder Staat so behandeln, dass keine
Menschenrechte
verletzt werden. Unter keinen Umständen darf die
Menschenwürde verletzt werden.
Soll Zwangsausschaffung erlaubt bleiben?
Wichtig ist, dass solche Flüge ausgesetzt bleiben,
bis wir
Klarheit haben über diesen tragischen Vorgang in Zürich. Dies
habe ich mit Herrn du Bois-Reymond vereinbart.
FDP-Nationalrat Otto Ineichen schlägt vor, gegen
Einwanderer
die Armee einzusetzen.
Dazu sage ich nur: Die Schweiz war nie Kolonialmacht, sie
war
kaum in den Sklavenhandel involviert. Die Schweiz muss aufpassen, dass
sie ihren guten Ruf als Ort der Humanität nicht verliert.
Martin I. Uhomoibhi
Martin I. Uhomoibhi ist Botschafter Nigerias in der
Schweiz. Er
präsidierte während eines Jahres den UNO-Menschenrechtsrat.
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Zwei tote Nigerianer
In Polizeigewahrsam gestorben
Innert sechs Wochen sind in der Schweiz zwei Nigerianer in
Polizeigewahrsam umgekommen. Der eine starb Mitte März auf dem Weg
zur Zwangsausschaffung vom Flughafen Zürich. Die Umstände des
Todes sind Gegenstand von Ermittlungen. Am vergangenen Donnerstag starb
ein 42-jähriger Nigerianer in einer Schaffhauser
Gefängniszelle. Laut Ermittlern war er beim Drogenschmuggel
erwischt worden. Er soll in der Haft an geschluckten Drogenpackungen
erstickt sein. Ebenfalls am Donnerstag hatte BFM-Chef Alard du
Bois-Reymond seine Äusserung zurückgenommen, wonach viele
Nigerianer in der Schweiz kriminell würden. (tok)
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SEXWORK BE
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20 Minuten 3.5.10
Wohnwagen als Sexlauben: Gegenwehr von Anwohnern
BERN. Die Stadt Bern prüft, eine Rotlichtzone
für
Wohnwagen-Bordelle einzurichten. Doch die Quartierbewohner wehren sich
gegen den Tummelplatz für Freier, Prostituierte und Spanner.
"Unhaltbar und menschenunwürdig", seien die
Zustände
auf dem Berner Strassenstrich, klagt CVP-Stadtrat Henri-Charles
Beuchat. Statt auf der Strasse sollen die Prostituierten ihre Kunden
künftig in Wohnwagen auf besonderen Puff-Parkplätzen
empfangen (20 Minuten berichtete). Beuchats Idee fiel im Stadtparlament
auf fruchtbaren Boden: Es hat den Gemeinderat nun beauftragt, die
Umsetzung der Idee zu prüfen.
Beim Lorraine-Breitenrain-Leist schrillen deshalb die
Alarmglocken. Denn als Standplatz für die Wohnwagen kommt fast nur
die Lorraine-Brückenkanzel in Frage. Dies haben bereits
Abklärungen vor der Euro 08 ergeben. "Wir haben schon mehrere
Bordelle im Quartier und sind mit dieser Art Dienstleistung ausreichend
versorgt", sagt Leistpräsident Patrick von Burg. Der
Brückenkopf liege zudem in unmittelbarer Nachbarschaft mehrerer
Schulen: Darauf hat der Leist in einem Schreiben an Beuchat
hingewiesen. Mit einem Brief an die Stadt wehren sich aber auch die
Anwohner der Dreifaltigkeitskirche, die den Strich nicht länger
vor der eigenen Türe haben wollen.
Patrick Marbach
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1. MAI BERN
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Bund 3.5.10
Die Krise bringt Berner auf die Strasse
Der erste Mai war geprägt von der Solidarität
mit den
"Deisswilern", der Forderung nach Arbeit und Lohn für alle - und
vom Regen. Es kam nicht zu Ausschreitungen, aber zu unangemeldeten
Konzerten.
Felicie Notter
Die Wirtschaftsprognosen werden allmählich
optimistischer,
doch in der Realität ist die Krise auch in Bern noch präsent
- dies machen etwa die Entlassungen bei der Wifag klar. Der Berner Tag
der Arbeit steht denn auch ganz im Zeichen der Solidarität, etwa
mit den "Deisswilern". Die Gruppe, die von Deisswil nach Bern
marschiert ist (siehe Text unten), führt den Umzug an, der sich
nachmittags in der Kramgasse Richtung Bundesplatz in Bewegung setzt.
Deisswil führt die Krise vor Augen
Am traditionellen 1.-Mai-Umzug nehmen nebst verschiedenen
Gewerkschaften auch Gruppierungen von Kurden,
marxistisch-leninistischen Türken und Nepalesen teil. Auch die
geschichtsträchtige sozialdemokratische Kinder- und Jugendgruppe
Rote Falken, die seit kurzem wieder in Bern aktiv ist, ist dabei - die
"Roten" scheinen Aufwind zu haben. Den Abschluss bildet eine Gruppe
Autonomer, die altbekannte Solidaritätsparolen skandieren. Dagegen
versucht sich die Spitze des Umzugs mit Trillerpfeifen durchzusetzen
und ruft ihrerseits "Hopp Deisswil". Zum Auftakt der Kundgebung auf dem
Bundesplatz bekräftigt ein "Deisswiler" nochmals den Willen der
Arbeiter, mit "diversen Aktionen" weiterzukämpfen. Immerhin habe
man durch den Besuch beim österreichischen Besitzer Mayr-Melnhof
erreicht, den Direktor Hörmannseder "nach Bern zu zitieren".
Ruedi Keller, SP-Stadtrat und Präsident des
Gewerkschaftsbundes Bern und Umgebung sowie Paul Rechsteiner,
SP-Nationalrat ,und Präsident des Schweizerischen
Gewerkschaftsbundes, verknüpfen in ihren Reden die
Solidarität mit den "Deisswilern" mit der Werbung für
anstehende sozialdemokratische Initiativen. Rechsteiner warnt zudem vor
der Hetze gegen Minderheiten, die von den krisenbedingten
Unsicherheiten geschürt werde. Unia-Geschäftsleitungsmitglied
Vania Aleva hebt die Bedeutung der Losung "Arbeit, Lohn und Rente"
für gesellschaftliche Gruppen hervor. Während ältere
Menschen ihre Arbeit verlören, werde den jugendlichen
Stellensuchenden der Eintritt in die Arbeitswelt verwehrt. Trotz des
schlechten Wetters nehmen gemäss polizeilicher Schätzung rund
1500 Personen an den Feierlichkeiten teil.
Das "revolutionäre 1.-Mai-Bündnis" hat in
kämpferischen Tönen zur Demonstration aufgerufen und sich
dezidiert von den "System-Linken" distanziert. Diese wollten den
Kapitalismus lediglich reformieren, anstatt ihn gänzlich zu
überwinden. Trotzdem bleibt es im Sektor der Autonomen ruhig,
abgesehen von ein paar Rauchpetarden und etwas Feuerwerk. Eine Handvoll
Personen ist vermummt.
In Bern bleibt es friedlich
Wie bereits letztes Jahr verabschieden sich die Autonomen
am
Bärenplatz von der offiziellen Kundgebung und ziehen weiter zur
Reitschule. Ausschreitungen gibt es keine.
Auch in den Augen der Kantonspolizei ist der Umzug ruhig
verlaufen. Während der Konzerte auf dem Reitschul-Vorplatz sei es
jedoch zu Lärmklagen gekommen. "Wir sind nicht über die
Konzerte informiert worden, wie dies abgemacht gewesen wäre", sagt
Sicherheitsdirektor Reto Nause. Ob sich die Veranstaltung insgesamt im
Rahmen der Vereinbarungen zwischen Stadt und Reitschule bewegt hat,
werde noch abgeklärt. "Für uns war wichtig, dass der 1. Mai
friedlich über die Bühne geht."
--
1.-Mai-Reden in der Schweiz Kämpferische Töne am
Tag
der Arbeit
Wieder sind Schweizer Politiker ausgeschwärmt, um am
Tag der
Arbeit im ganzen Land Reden zu halten. Bundesrätin Micheline
Calmy-Rey (SP) hat am Samstag in Thun zur Solidarität mit den
Benachteiligten aufgerufen. Diese tue mehr not denn je, sagte sie vor
mehreren Hundert Anwesenden auf dem Rathausplatz. Die Stärke des
Volkes messe sich am Wohl der Schwachen. Die SP und die Gewerkschaften
hätten sich immer für soziale Gerechtigkeit eingesetzt. Die
Ursachen und Auswirkungen der Wirtschaftskrisen, die Lohnexzesse und
die Arroganz der Top-Manager "zeigen, dass wir die richtigen Fragen zum
richtigen Zeitpunkt stellen". Nur eine soziale Wirtschaft ist nach den
Worten von Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizer
Gewerkschaftsbundes (SGB), eine stabile Wirtschaft. Die Boni
gehörten daher nicht den Abzockern, sondern der Allgemeinheit: Sie
habe Banken vor dem Untergang gerettet, sagte Lampart in Aarau.
Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer Wyss (SP) sprach sich in
Baden für eine Regulierung von überrissenen Boni aus. Solche
Vergütungsmodelle führten zu problematischen Fehlanreizen.
Sie würden der Volkswirtschaft und dem gesellschaftlichen
Zusammenhalt schaden. Es sei eine Aufgabe der Politik, über die
Parteigrenzen hinweg auf diese Boni eine Antwort zu finden. Für
die Bürgerlichen seien Arbeitslose "Faulpelze", die an ihrem
Schicksal selbst schuld seien, sagte SP-Präsident Christian Levrat
in Bremgarten AG. Es sei Zeit für eine politische Wende zu mehr
Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit, erklärte Paul Rechsteiner
in Uster. Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes
(SGB) prangerte das herrschende korrupte System an. Seit Wochen
prügle die internationale Finanzwelt auf Griechenland ein. Den
Takt gäben jene Ratingfirmen an, welche "das Weltfinanzsystem fast
in Grund und Boden gefahren" hätten. Allen solle damit klargemacht
werden: Nicht die Banker müssen die Suppe auslöffeln, sondern
die Bevölkerung. "Der Zynismus ist grenzenlos." (sda)
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BZ 3.5.10
1.-Mai-Demonstration in Bern
Solidarität für Deisswiler
Die Schliessung der Kartonfabrik Deisswil ist im Zentrum
der
1.-Mai-Feierlichkeiten auf dem Bundesplatz gestanden.
An der Spitze des 1.-Mai-Umzugs, der von der Kramgasse zum
Bundesplatz führt, skandieren entlassene Deisswil-Arbeiter: "Eins,
zwei, drei, Deisswil bleibt" und "Hopp Deisswil". Mit diesen Parolen
protestieren sie gegen die Schliessung der Papierfabrik.
Zum Teil vermummte, schwarz gekleidete Aktivisten rufen
"What
Solution? Revolution!" Immer wieder feuern sie krachende Raketen ab und
werfen Stinkbomben auf das Pflaster in den Gassen. Der Demozug durch
die Kram- und Marktgasse verläuft friedlich. Am Bärenplatz
trennen sich die rund 100 Autonomen und ziehen durch die Spitalgasse
übers Bollwerk zur Reitschule zum "Blockfest".
Regen beeinträchtigte Feier
Die Abzockerei und die Schliessung der Kartonfabrik
Deisswil
standen auf dem Bundesplatz im Zentrum der 1.-Mai-Feier. Etwa 600
Personen nahmen an der Feier teil, die durch den Regen
beeinträchtigt wurde. Prominentester Redner war der Präsident
des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, SP-Nationalrat Paul Rechsteiner.
Für mehr Gerechtigkeit
Rechsteiner rief zu mehr Gerechtigkeit, Gleichheit und
Freiheit
auf. Seine Rede schloss er mit einem Appell zur Solidarität mit
den über 200 Arbeitern der kürzlich geschlossenen
Kartonfabrik Deisswil. 60 der Betroffenen waren an die Feier nach Bern
gekommen. Auch eine Delegation der vom Stellenabbau betroffenen Berner
Maschinenfabrik Wifag war anwesend.
"Deisswil ist eine skandalöse Schliessung", sagte
Vania
Alleva, Mitglied der Geschäftsleitung der Gewerkschaft Unia. "Der
weltweit führende Kartonhersteller Mayr-Melnhof hat 2009 ein
hervorragendes Ergebnis erzielt und macht enorme Renditen", rief Vania
Alleva vor dem Bundeshaus.
Jürg Spori
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1. MAI THUN /PNOS
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Thuner Tagblatt 4.5.10
Thun
Festnahmen am 1. Mai: Pnos jammert
Ihre Leute seien "in Haft genommen und mehrere Stunden
festgehalten worden", jammert die Pnos nach der 1. Mai-Demo in Thun.
Mitglieder der rechtsextremen Partei national orientierter
Schweizer (Pnos) wollten an der 1. Mai-Feier am Samstag Nachmittag auf
dem Thuner Rathausplatz Flugblätter verteilen. Doch die Polizei
hinderte sie daran und nahm sieben Aktivisten vorübergehend fest
(vgl. Ausgabe von gestern), "um ihre Personalien eingehend zu
kontrollieren", wie Polizeisprecher Stefan von Below gestern sagte. Die
Pnos jammerte nämlich am Wochenende in einer Mitteilung: "Die
Thuner Polizei hat schonungslos vor Augen geführt, dass sie in der
Verfassung verbriefte Grundrechte wie Versammlungs- und
Meinungsfreiheit mit den Füssen tritt." Die Polizei habe die
Personen gestützt auf Artikel 27 des kantonalen Polizeigesetzes
abgeführt, so von Below weiter. "Eine Kontrolle vor Ort hätte
als Provokation aufgefasst werden und die Situation verschärfen
können. Deshalb haben wir die Leute auf der Wache kontrolliert."
Die Kontrollen seien nach zwei Stunden abgeschlossen gewesen und die
Leute freigelassen worden. Einzig der Zutritt zum Festplatz wurde ihnen
für die Dauer der 1. Mai-Feier untersagt.
Maz
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Thuner Tagblatt 3.5.10
Polizeibilanz
Feier verlief friedlich
Die 1.-Mai-Feier in der Thuner Innenstadt stand heuer
unter dem
Motto "Arbeit, Lohn und Rente - statt Profit und Gier". Die
Feierlichkeiten gingen friedlich und ohne grosse Zwischenfälle
über die Bühne", erläuterte Thuns Sicherheitsvorsteher
Peter Siegenthaler gestern auf Anfrage. Weil der Umzug abgesagt wurde,
kam es auch zu keinen nennenswerten Verkehrsbehinderungen. Kurz vor
Beginn der Feierlichkeiten auf dem Rathausplatz machten am Samstag
indessen rund ein Dutzend Anhänger der Partei National
Orientierter Schweizer (Pnos) auf sich aufmerksam. Sie wurden von der
Polizei in der Thuner Innenstadt angehalten und am Verteilen von
Flugblättern gehindert.
sku
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1. MAI ZUREICH
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Tagesanzeiger 4.5.10
1.-Mai-Komitee soll Polizei zahlen
Geht es nach dem Willen der Partei für Zürich
(PFZ),
muss das 1.-Mai-Komitee in Zukunft den Einsatz der Polizei bei
Nachdemos selber berappen. Rund 500 000 Franken kostete der Einsatz am
Samstag gemäss einer Schätzung des "Tages-Anzeigers". Die PFZ
hat gestern eine entsprechende Einzelinitiative im Kantonsrat
eingereicht. Nötig für die Umwälzung der Kosten
wäre eine Ergänzung im kantonalen Polizeigesetz.
Die Änderung hätte einschneidende Folgen
für das
1.-Mai-Komitee: "Das wäre für uns nicht tragbar", sagt deren
Sprecherin Anna Klieber. Faktisch würde dieser Vorschlag das Aus
für den 1.-Mai-Umzug und das Fest danach bedeuten, so Klieber.
Die Einzelinitiative hat im Kantonsrat beste Chancen auf
eine
vorläufige Unterstützung, wofür 60 Stimmen nötig
sind. Vertreter von SVP, FDP wie auch CVP äusserten gestern
Sympathien für den Vorstoss. (TA) - Seite 17
--
1.-Mai-Komitee müsste eine halbe Million bezahlen
Das 1.-Mai-Komitee soll die Kosten für den Einsatz
der
Polizei selber tragen. So wollen es die Bürgerlichen. Für das
Fest und den Umzug bedeutete dies das Aus.
Von Stefan Häne
Zürich - Markus Schwyn und Susi Gut von der Partei
für
Zürich (PfZ) haben gestern im Kantonsrat eine Einzelinitiative
eingereicht. Darin fordern die beiden abgewählten
Gemeinderäte, das 1.-Mai-Komitee müsse den Polizeieinsatz vom
Samstag aus dem eigenen Sack bezahlen. Nötig ist dazu eine
Ergänzung des kantonalen Polizeigesetzes: Bei bewilligten
Veranstaltungen haben die Organisatoren gemäss PfZ-Vorschlag nur
dann keine Kosten zu tragen, wenn es "bei Nachdemonstrationen nicht zu
Sachschäden oder zu einem massiven Polizeieinsatz kommt". Heute
gilt diese Regel nur, sofern die Veranstalter "nicht
grobfahrlässig gegen Auflagen der Bewilligung verstossen". In
Luzern ist man einen Schritt weiter. Der Kantonsrat hat im Winter ein
Postulat andie Regierung überwiesen. Organisatoren sollen demnach
die Vollkosten für die öffentliche Sicherheit mittragen, und
zwar bei allen Veranstaltungen.
Die Bürgerlichen in Zürich orten eine
Ungleichbehandlung: Dank dem neuen Polizeigesetz ist es seit diesem
Jahr möglich, nach Ausschreitungen die Sportklubs zur Kasse zu
bitten - nicht aber die Veranstalter politischer Manifestationen. Der
FC Zürich hat im April eine erste Rechnung für einen
Polizeieinsatz beim Spiel gegen Basel erhalten. 200 Mannstunden der
Polizei gelten als Grundversorgung. Was darüber hinausgeht, wird
verrechnet. Die Hooligans kosten die Stadt Zürich jährlich
rund drei Millionen Franken. Auch der Polizeieinsatz am 1. Mai hat viel
gekostet: Eine Schätzung des TA beläuft sich auf rund 500 000
Franken (siehe Tabelle).
"Das wäre für uns nicht tragbar"
Die Überwälzung der Polizeikosten zöge
einschneidende Folgen nach sich. "Das wäre für uns schlicht
nicht tragbar", sagt Sprecherin Anna Klieber.Das Komitee habe keine
Sponsoren. Faktisch, so Klieber, würde der PfZ-Vorschlag das Aus
für den 1.-Mai-Umzug und das Fest danach bedeuten. Remo
Schädler, Vizepräsident beim Gewerkschaftsbund des Kantons
Zürich, mahnt: "Das verfassungsmässig garantierte
Demonstrationsrecht darf in keiner Art und Weise ausgehöhlt
werden." Gemeinderat Walter Angst (AL) ist der Ansicht, eine
Kostenüberwälzung würde gegen die Verfassung verstossen.
Den PfZ-Vorschlag bezeichnet er als "blöde Stimmungsmache". Es
gebe ein Grundrecht auf Demonstrationen, aber keines auf Fussballspiele.
Trotz der Einwände hat die Einzelinitiative im
Kantonsrat
beste Chancen auf eine vorläufige Unterstützung; nötig
sind hierfür 60 Stimmen. Das Anliegen geniesst nicht nur in der
SVP Sympathien, sondern auch in der FDP und der CVP, die sich von ihrer
Zustimmung eine vertiefte Debatte erhoffen. CVP-Fraktionschef Philipp
Kutter ist mit dem 1.-Mai-Komitee "nicht zufrieden". Es müsse sich
künftig von jeglicher Gewalt distanzieren. Dies fordert auch
FDP-Fraktionschef Thomas Vogel. Im Zentrum steht die Frage, wie sich
bei Krawallen die Verantwortlichkeiten sauber klären lassen.
Kutter spricht von der Gefahr einer Sippenhaftung. Auch Vogel hält
es für schwierig, einen "adäquaten Kausalzusammenhang
zwischen Veranstaltern und Krawallen" herzuleiten. Am diesjährigen
1. Mai sieht er diese Wirkungskette aber als gegeben. Das
1.-Mai-Komitee habe den Festbeginn eigenmächtig auf den Nachmittag
vorverlegt und so den Krawallanten ermöglicht, sich aus der
Festgesellschaft heraus zu formieren.
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NZZ 4.5.10
Eine Person weiter in Haft
Krawallmacher vom 1. Mai
Lorenz Frischknecht (fri)
fri. ⋅ Auch wenn die Scharmützel und
Sachbeschädigungen
am 1. Mai in Zürich 4 geringer ausfielen als in früheren
Jahren, kann der Tag der Arbeit für einzelne Krawallmacher
einschneidende Folgen haben. Gegen 84 Personen wurde zunächst ein
Strafverfahren eröffnet; die Untersuchungen laufen unter
Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Beamte,
Sachbeschädigung, Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz oder
Hinderung einer Amtshandlung. Von diesen 84 Personen waren am Sonntag
noch 14 in Polizeihaft, unter ihnen 6 Jugendliche unter 16 Jahren. Am
Montag durften alle Inhaftierte wieder nach Hause gehen - bis auf eine
Person, für die wegen Körperverletzung ein Antrag auf
Untersuchungshaft noch pendent war. In einem zweiten Fall wies ein
Haftrichter diesen Antrag ab.
Wie der Medienchef der Stadtpolizei Zürich, Marco
Cortesi,
sagte, wurde auch jener 20-Jährige freigelassen, der einen Stein
geworfen und mit diesem einen 17-Jährigen am Kopf getroffen haben
soll. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren wegen einfacher
Körperverletzung. Nur durch ein Wunder erlitt der Jüngere
bloss einen Kopfschwartenriss. Noch offen ist die Frage, inwiefern die
beiden an den Konfrontationen mit der Polizei beteiligt waren und
welcher Zusammenhang zwischen Steinwurf und Scharmützeln besteht.
Der Vorfall ereignete sich kurz vor 20 Uhr am Rand der Krawalle, auf
der Kreuzung von Müller- und St.-Jakob-Strasse. Zu diesem
Zeitpunkt waren die heftigsten Kämpfe schon vorbei.
Mit keinem Strafverfahren rechnen müssen die 269
Personen,
die vorübergehend festgenommen wurden und mit einer sogenannten
Wegweisung belegt wurden. Sie durften das Seebecken sowie die
Stadtkreise 1, 4 und 5 während 24 Stunden nicht mehr betreten.
Sofern sie sich an diese Auflage gehalten haben, ergeben sich für
sie keine weiteren Konsequenzen. Es war das erste Mal, dass in
Zürich diese Bestimmung des im letzten Juli in Kraft getretenen
kantonalen Polizeigesetzes in diesem Ausmass angewendet wurde.
---
Tagesanzeiger 3.5.10
Polizei verfügte Verbotszone für freigelassene
1.-Mai-Chaoten
Nach einem friedlichen Umzug mit rund 8000 Teilnehmerinnen
und
Teilnehmern ist es am 1. Mai in Zürich wieder zu Krawallen
gekommen. Die Polizei griff hart durch und erstickte die
Ausschreitungen im Keim. Sie kesselte gewaltbereite Demonstranten ein
und verhaftete 353 Personen - so viele wie noch nie an einem 1. Mai. 14
Personen befanden sich am Sonntagabend noch in Haft. Die übrigen
bekamen ein Rayonverbot mit auf den Weg: Sie durften sich während
der nächsten 24 Stunden nicht mehr in einem weiträumig
abgesteckten Sperrbezirk in der Zürcher Innenstadt aufhalten.
FDP-Stadtrat Andres Türler verfolgte als einziger diensttuender
Stadtrat den Polizeieinsatz aus der Hauptwache. Er habe nicht anders
reagiert als die ehemalige Polizeivorsteherin Esther Maurer (SP), sagt
Türler im Interview. Berichte und Kommentar Seite 15
--
Die Teilnehmer waren jung, die Parolen pragmatisch
8000 Menschen verloren am 1.-Mai-Umzug nicht die
Beherrschung.
Und demonstrierten friedlich. Das Fest auf dem Zeughausareal litt unter
dem Wetter.
Von Doris Fanconi (Bilder) und Denise Marquard (Text)
Mit dem Slogan "Verlieren wir die Beherrschung" hatte das
1.-Mai-Komitee schon Wochen vor dem Tag der Arbeit provoziert. Der Satz
sei eine Aufforderung zur Gewalt, kritisierten Bürgerliche und
sogar Gewerkschafter. Die Befürchtungen waren unbegründet:
Die 8000 Teilnehmer des samstäglichen Umzugs wurden zwar
verregnet. Aber Umzug und Fest blieben friedlich.
"Der 1. Mai verläuft jedes Jahr gleich", mäkeln
die
Kritiker. Das stimmt nicht ganz. Am Samstag waren auffallend viele
junge Menschen dabei, und die klassenkämpferischen Parolen aus des
Steinzeit fehlten weitgehend. Natürlich wurde die Gier der Manager
und der Banker angeprangert, doch viele Parolen waren sehr pragmatisch.
"Gesundheit ist keine Ware", stand auf den Transparenten einer Gruppe
weiss gekleideter Demonstranten. Die Vereinigung unabhängiger
Ärzte wollte damit auf fehlende Hausärzte,
Qualitätsabbau, steigende Krankenkassenprämien und
ökonomisierte Bildung aufmerksam machen. "Wir konsumieren die
Welt", warnte eine Gruppe Jugendlicher auf ihren T-Shirts.
Trämler fühlen sich ausgenutzt
Obwohl die Trams am 1. Mai nicht mehr im Depot bleiben,
waren
auch die Trämler stark vertreten. Auf dem Banner der
VBZ-Gewerkschafter war zu lesen: "Hört auf mit dem Minutenklau -
kein weiterer Gesundheitsraubbau." Bei den Trämlern ist die
Stimmung mies. Sie leiden unter Spardruck und dem Zwang, die
Produktivität zu steigern. "Der Stress hat in den letzten 15
Jahren ganz beträchtlich zugenommen", schimpft einer. "Die Neuen
erhalten weniger Lohn, die Älteren werden unter Druck gesetzt, um
schlechtere Verträge abzuschliessen."
Der Umzug setzte sich zu spät in Bewegung und wuchs
dann
lawinenartig an. Frauen, Männer, Ausländer, ganze Familien
gesellten sich dazu. Für einen ersten Stopp sorgte am Stauffacher
ein kurzes Agitproptheater. Auf dem Dach des ehemaligen
Tramhäuschens und derzeitigen Restaurants Bubu inszenierte eine
Gruppe Vermummter die permanente Effizienzsteigerung und die damit
einhergehende Ausbeutung bis zur Entlassung. Dann ging es weiter
Richtung Bahnhofplatz und via Limmatquai bis zum Bürkliplatz. Die
Stimmung war heiter: Wie Kinder liessen einzelne Teilnehmer
Seifenblasen steigen und zerplatzen. Andere nutzten die Gelegenheit,
quer durch alle Berufsgattungen hindurch über die allgemeine
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu schimpfen.
4000 Franken Mindestlohn
Der Klassenkampf kam diesmal erst am Schluss: Die neue
Präsidentin des VPOD, die grüne Nationalrätin Katharina
Prelicz-Huber, hielt auf dem Bürkliplatz eine flammende Rede gegen
den weltweiten Bankenkollaps und seine Folgen, gegen die weltweite
Staatsverschuldung und die Zunahme der Armut. "Sie wollen unsere Renten
kürzen und die Pflegleistungen abbauen", sagte sie. "Bei der
Invalidenversicherung wird gestrichen, und gleichzeitig werden die
Superreichen mit einem Steuergeschenk belohnt. Schluss damit! Wir
fordern Arbeit für alle und einen Mindestlohn von 4000 Franken."
Die Hauptrednerin, die venezolanische Frauenministerin
Maria
León, rief dazu auf, den Kampf für Gleichberechtigung und
soziale Gerechtigkeit zu globalisieren. Den Abschluss bildete Vania
Alleva, Geschäftsleitungsmitglied der Gewerkschaft Unia. Sie
stellte die wachsende soziale Ungleichheit an den Pranger, die bald zu
Spannungen führen werde.
--
Kaum Schäden, viele Verhaftungen
Erstmals haben verhaftete Gaffer und Mitläufer am 1.
Mai von
der Polizei eine Wegweisung erhalten und mussten sich anschliessend
während 24 Stunden von der Innenstadt und den Kreisen 4 und 5
fernhalten.
Von Stefan Hohler
Zürich - Die befürchteten Krawalle im Nachzug
der
1.-Mai-Feier sind ausgeblieben. Zwar lieferten sich die Chaoten mit der
Polizei das übliche Katz-und-Maus-Spiel, zu
Sachbeschädigungen kam es aber kaum. Offensichtlich kommt bei den
mehrheitlich jugendlichen Demonstranten immer mehr "in Mode", mit
Flaschen und Steinen auf die Polizei zu werfen. Dabei wurde am Samstag
kurz vor 20 Uhr aber nicht ein Polizist, sondern ein 17-jähriger
Mann im Bereich Müller-/St.-Jakob-Strasse von einem Pflasterstein
am Kopf getroffen. Der Verletzte musste ins Spital eingeliefert werden.
Er konnte es in der Zwischenzeit wieder verlassen. Ob es sich bei ihm
um einen Passanten, Gaffer oder Randalierer handelte, wird
abgeklärt. Die Polizei konnte den 20-jährigen Steinewerfer
verhaften. Daneben wurde auch ein Polizist am Fuss verletzt und musste
für kurze Zeit hospitalisiert werden.
Helvetiaplatz abgesperrt
Stadt- und Kantonspolizei unterdrückten die geplante
Nachdemonstration schon von allem Anfang an. Im Kanzleiareal, wo zum
"revolutionären Treff" aufgerufen wurde, versammelten sich gegen
14 Uhr rund 250 Personen. Als eine Stunde später 30 Linksautonome
das Areal verlassen und die Nachdemo organisieren wollten, kesselten
die Polizisten das Kanzleiareal ein und sperrten auch den Helvetiaplatz
grossräumig ab. Darauf kam es in der Umgebung der Langstrasse zu
Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Chaoten und der Polizei.
Diese setzte Gummischrot, Tränengas und Wasserwerfer ein. Das Fest
des 1.-Mai-Komitees auf dem Zeughausareal konnte aber problemlos
durchgeführt werden, und die Besucher blieben von
Scharmützeln und Tränengas verschont.
Die Polizei nahm so viele Verhaftungen vor wie noch nie;
hauptsächlich im Kanzleiareal. Von den 353 Personen waren 45
Frauen. 14 Personen befinden sich noch in Haft. Bereits am Vormittag
hatte die Polizei im Hauptbahnhof und in der Innenstadt mögliche
Chaoten kontrolliert und gefilzt. Was auffällt: Nur jeder siebte
Verhaftete kommt aus der Stadt. Der Grossteil der Randalierer sind
Krawalltouristen aus dem übrigen Kantonsgebiet und aus vorwiegend
deutschsprachigen Kantonen. Zehn Festgenommene wohnen in Deutschland,
einer in Italien. Die meisten Verhafteten sind Schweizer und zwischen
18 und 25 Jahre alt.
269 Wegweisungen
Von den 353 Verhafteten wurden 269 nach der
Personenkontrolle in
der Haftstrasse der Polizeikaserne wieder freigelassen. Diese Gaffer
oder Mitläufer, denen die Polizei keine Straftat nachweisen
konnte, erhielten eine Wegweisung; dies aufgrund des neuen
Polizeigesetzes. Das heisst, sie durften sich nach der Festnahme
während 24 Stunden in einem bestimmten Gebiet nicht mehr blicken
lassen. Sonst hätten sie bei einer erneuten Personenkontrolle mit
Konsequenzen rechnen müssen. Das Wegweisungsgebiet umfasste das
Seebecken sowie die Kreise 1, 4 und 5. Den Personen wurde ein
entsprechender Kartenausschnitt abgegeben (siehe Bild). Die restlichen
der Verhafteten müssen mit einem Strafverfahren wegen
verschiedener Delikte wie Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen
Beamte, Sachbeschädigung oder Hinderung einer Amtshandlung rechnen.
Erstmals war an einem 1. Mai auch ein Super Puma der Armee
im
Einsatz. Der Helikopter überflog während Stunden die
Innenstadt. Ziel des Einsatzes war, Ansammlungen von Demonstranten
frühzeitig zu erkennen und sofort darauf zu reagieren.
--
Der stellvertretende Polizeivorstand äussert sich
"Die Wegweisung ist eine gute Sache"
Mit Andres Türler (FDP) sprach Stefan Hohler
Zürich - Die FDP gratuliert ihrem Stadtrat Andres
Türler zum erfolgreichen Polizeieinsatz. Unter dem Titel
"Konsequentes Durchgreifen: Offenbar geht es doch", schreibt die
Partei, dass es zum ersten Mal seit Jahren der Polizei und einem
freisinnigen Polizeivorstand gelingt, die Ausschreitungen am 1. Mai im
Griff zu haben und das Gewerbe zu schützen.
Herr Türler, was haben Sie anders gemacht als Ihre
ehemalige
SP-Stadtratskollegin Esther Maurer?
Nichts, Esther Maurer hat sicherlich jeweils mit der
gleichen
Klarheit der Stadtpolizei den Auftrag gegeben, bei einer unbewilligten
Nachdemo sofort und konsequent einzugreifen. Diese Strategie ist der
Schlüssel zum Erfolg. Zudem hat die Zusammenarbeit zwischen Stadt-
und Kantonspolizei hervorragend geklappt.
Sie haben also am 1. Mai der Polizei nicht gesagt, wie sie
bei
einer Nachdemo und den Krawallen handeln muss?
Operativ habe ich mich da rausgehalten. Es wäre
völlig
verfehlt, wenn ein Stadtrat der Polizei dreinredet. Aber in den
Vorbereitungsgesprächen, die noch unter Esther Maurer geführt
wurden, hatte der Stadtrat der Polizei den klaren Auftrag gegeben,
jegliche Nachdemonstrationen zu unterbinden. Zudem war ich am 1. Mai
auf der Hauptwache. Dort habe ich den Polizeieinsatz mitverfolgt und
wäre, falls es die Situation erfordert hätte, jederzeit zur
Verfügung gestanden.
Von der FDP und von der Einsatzleitung ist der frühe
Festbeginn im Zeughausareal kritisiert worden.
Dieses Thema wird die 1.-Mai-Delegation des Stadtrates
nochmals
ausführlich diskutieren müssen. Die örtliche und
zeitliche Trennung von Umzug und Fest ist für die Polizeiarbeit
absolut notwendig. Sicherheit geht vor Umsatz. Die Einsätze der
Polizei sind auch dieses Jahr durch den Festbeginn im Zeughausareal um
14 Uhr behindert worden. Das muss sich ändern.
Erstmals wurden von der Polizei am 1. Mai Wegweisungen
ausgesprochen. Wie haben sie sich bewährt?
Mit der Wegweisung hat die Polizei eine gute Handhabe
gegen
Gaffer und Mitdemonstranten. Sie kann Personen, denen strafrechtlich
nichts nachgewiesen werden kann, für 24 Stunden aus der Innenstadt
und den Kreisen 4 und 5 fernhalten. Ein gutes Mittel, wenn man sieht,
dass nur ein Siebtel der Verhafteten in der Stadt Zürich wohnt.
Andres Türler
Der FDP-Stadtrat war am 1. Mai als stellvertretender
Polizeivorstand im Einsatz. Der Posten ist im Moment verwaist, weil
Daniel Leupi (Grüne) das Amt noch nicht angetreten hat.
--
Fest auf dem Zeughausareal
Das 1.-Mai-Komitee rechnet mit einer saftigen Busse
Nass und kalt war es. Wer mag da schon feiern? Anna
Klieber,
Sprecherin des1.-Mai-Komitees, staunte deshalb über die
Besucherzahlen. Sie schätzt, dass sich allein am Samstag zwischen
4000 und 5000 Menschen auf dem Zeughausareal aufhielten. Das ist zwar
ein Klacks im Vergleich zum letzten Jahr, als bei hochsommerlichen
Temperaturen 12 000 Menschen zusammengeströmt waren. Es
hätten aber aufgrund der Umstände auch massiv weniger sein
können, sagt Klieber. Trotzdem rechnet sie mit einem Defizit.
Zudem erwartet das Komitee eine Verzeigung und eine
saftige
Busse. Denn es hat sich nicht an die vom Stadtrat gemachte Auflage
gehalten, den Festbetrieb erst ab 20 Uhr zuzulassen. Schon letztes Jahr
kam es zu dieser Befehlsverweigerung. Allerdings sagt Klieber, sei man
damals von den Besuchern buchstäblich überrannt worden. Das
Komitee kassierte eine Verzeigung,300 Franken Busse und 200 Franken
Schreibgebühren. Dieses Jahr verhielt es sich anders. Das Komitee
hat die Befehlsverweigerung, die auch von SP, Grünen und AL
unterstützt wurde, via Medien angekündigt. Und rechnet
deshalb mit einer höheren Busse.
Babylonische Teller
Drei Tage lang hätte das Fest auf dem Zeughausareal
dauern
sollen, doch nur am Samstag kam so etwas wie Stimmung auf. Aber auch an
diesem Tag zogen die Besucher geschlossene Räume vor. In den
Zeughäusern fand ein vielseitiges politisches und kulturelles
Programm statt, das laut Komitee auf so grosses Interesse gestossen sei
wie schon lange nicht mehr. Auf dem Areal selbst reihten sich
Essstände wie an einem fernöstlichen Basar. Die meisten davon
befanden sich in türkischer Hand. Das zeigte sich auch im Angebot:
Falafel, Kebab und Baklavi so weit das Auge reichte. Nur Kenner
bemerkten die kleinen Unterschiede. Zum Beispiel bei Hülya
Gabriel. Dort gab es einen babylonischen Teller mit Couscous und
Gemüseeintopf. Wer fragte, was das sei, wurde gleich in ein
Gespräch über die Geschichte der Assyrer verwickelt, die 1915
zusammen mit den Armeniern und Griechen massakriert worden waren.
Aufgefallen sind auch Mitglieder der Erklärung von
Bern,
einer Organisation, die sich für die Anliegen der Dritten Welt
einsetzt. Sie verkleideten sich als George Clooney und klärten
über fairen Kaffeehandel auf. Daneben wurden an einem Stand
Unterschriften für die Kampagne "Kein Kind ist illegal" gesammelt.
Sie hat zum Ziel, die Lebenssituation von Sans-Papiers-Kindern und
-Jugendlichen zu verbessern.
Denise Marquard
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Kommentar von Stefan Hohler
Noch einmal Schwein gehabt
Stefan Hohler
Dass es am 1. Mai kaum Schäden gegeben hat, ist nur
zum Teil
dem klugen Polizeieinsatz und dem schlechten Wetter zu verdanken.
Sicher haben die 353 Festnahmen und die Wegweisungen zahlreiche Chaoten
ins Leere laufen lassen. Aber vor allem war viel Glück im Spiel:
Selbst kleinste versprengte Grüppchen hätten viel Schaden
anrichten können.
Die FDP schreibt den Polizeierfolg ihrem Stadtrat Andres
Türler zu. Das ist der Partei, die kaum noch mit Erfolgen
glänzen kann, nicht zu verübeln. Aber es entspricht nicht der
Realität: Den Auftrag an die Polizei hatte der ganze Stadtrat
erteilt. In die Einsatzleitung hat sich Türler ebenso wenig
eingemischt wie seine Vorgängerin Esther Maurer in den Jahren
zuvor.
Dass der rot-grün dominierte Stadtrat das Fest beim
Zeughaus
erst um 20 Uhr beginnen lassen wollte, war richtig. Doch das
1.-Mai-Komitee hat die Auflage bewusst ignoriert - und wurde von SP und
Grünen unterstützt. Das ist unverständlich. Sicherheit
geht vor Kommerz, auch wenn es sich um ein linkes Volksfest handelt. Da
ist jetzt der neue grüne Polizeivorstand Daniel Leupi gefordert.
Es kann nicht sein, dass die Polizei im Umkreis des Zeughauses aus
Rücksicht auf die Besucher mit angezogener Handbremse agieren
muss. So viel Glück wie dieses Jahr ist nicht
selbstverständlich.
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NZZ 3.5.10
Event-Chaoten am 1. Mai in Zürich
Die Polizei greift hart durch
mbm. ⋅ Auch dieses Jahr hat es in der Stadt Zürich am
Tag
der Arbeit nach dem offiziellen Umzug wieder Ausschreitungen gegeben.
Doch dieses Mal ging die Polizei im Kreis 4 hart und konsequent gegen
die Chaoten vor und liess ihnen kaum Raum zur Entfaltung. Mit der
Taktik der Einkesselung und mit etwas Wetter-Glück liessen sich -
anders als sonst üblich - grössere Sachbeschädigungen
verhindern. Insgesamt nahm die Polizei 353 Personen fest, viele von
ihnen waren aus anderen Kantonen oder aus dem nahen Ausland angereist.
Stadtrat Andres Türler sprach von Event-Chaoten. Sämtliche
politischen Parteien bewerteten die Arbeit der Stadt- und der
Kantonspolizei durchwegs als positiv.
Zürich und Region, Seite 10
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Harte Gangart zahlt sich aus
Weniger Schäden am 1. Mai als sonst
mbm. ⋅ Mehr als in anderen Jahren hat es heuer Gründe
gegeben, am Tag der Arbeit auf wirtschaftliche und soziale Probleme
sowie auf die damit verbundenen Anliegen der Arbeitnehmer aufmerksam zu
machen. Der Volkszorn im Nachgang der Bankenkrise ist nach wie vor
gross, was sich auf den Transparenten am friedlichen offiziellen
1.-Mai-Umzug in Zürich ablesen liess. Aber auch 2010 missbrauchte
eine Horde von Hitzköpfen und Krawallmachern den traditionellen
Tag der Gewerkschaften und linken Parteien, um den 1. Mai auf ihre Art
zu begehen. Damit lenkten sie die Aufmerksamkeit auf den inoffiziellen
Teil - auf die Ausschreitungen.
In diesem Jahr gelang es der Polizei aber wieder einmal,
das
Ausmass der Krawalle einigermassen in Grenzen zu halten. Mit einer
harten Gangart traten die Stadt- und Kantonspolizisten dem Ansinnen der
Chaoten entgegen und erstickten ihre Aktionen, so gut es ging, im Keim.
Das konsequente Unterbinden einer Nachdemonstration sowie das
Kontrollieren und Verhaften von zahlreichen Personen zeigten Wirkung
und brachten zusammen mit etwas (Wetter-)Glück am Schluss aus
Sicht der Polizei - im Vergleich mit anderen Jahren - ein gutes
Resultat. Insbesondere Anschläge auf Banken konnten bis am
Sonntagabend verhindert werden.
Allerdings betrieb die Polizei einen grossen Aufwand. Es
wäre interessant, die Kosten des Einsatzes zu kennen. Zudem
schützten sich viele Gewerbetreibende im Kreis 4 selber, indem sie
ihre Läden verbarrikadierten - eine verständliche, aber
traurige Entwicklung. Dies zeigt, dass das Problem am 1. Mai alles
andere als im Griff ist und allein mit hartem Vorgehen der Polizei
nicht gelöst werden kann. Daniel Leupi, der designierte
Polizeivorsteher, und der ganze links-grüne Stadtrat sind weiter
gefordert. Ganz sicher ist das 1.-Mai-Komitee mehr in die Pflicht zu
nehmen.
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Gute Polizeitaktik verhindert "Nachdemo"
Praktisch keine Sachbeschädigungen, aber mehr
Festnahmen -
Stadträtlicher Auftrag für den 1. Mai erfüllt
Trotz strömendem Regen haben mehrere hundert
Krawallmacher
die Auseinandersetzung mit der Polizei gesucht. Diese ist konsequenter
als in den Vorjahren eingeschritten und hat eine "Nachdemo" mit
allfälligen grossen Beschädigungen verhindert.
fri./tri. ⋅ Um 15 Uhr traten etwa 30 Anhänger des
schwarzen
Blocks aus dem Kanzleiareal in Zürich 4. Kaum hatten sie sich
unter Leuchtfackeln und hinter einem Transparent für eine
"Nachdemo" versammelt, eilten Hunderte Polizisten herbei. Mehrere
Mannschaftswagen mit Blaulicht und Sirene brausten auf den
Helvetiaplatz, und innert Sekunden gruppierten sich die
Ordnungspolizisten mit ihren Schutzanzügen zu langen Kordons.
Gleichzeitig verliessen weit mehr Autonome als in der Vorhut das
Kanzleiareal; vermutlich wollten sie mit einer zweiphasigen Strategie
die Polizei täuschen. Doch diese hatte das ganze Gebiet im Nu
umstellt. Zahlreiche der rund 250 Demonstranten wurden eingekesselt.
Vandalenzug verhindern
Damit hat die Polizei eine "Nachdemo" verhindert, und dies
nicht
zum ersten Mal. Seit 2008 haben es die Autonomen nicht mehr geschafft,
durchs Quartier zu ziehen und zu randalieren. Im Gegensatz zum letzten
Jahr blieben auch in der Nacht die Sachbeschädigungen bei Banken
und Gebäuden anderer Firmen weitgehend aus. Bis am Sonntagabend
fielen die gemeldeten Schäden derart gering aus, dass die Polizei
sie nicht einmal beziffern konnte.
Es sei ein Auftrag des Stadtrates gewesen, einen illegalen
Umzug
zu unterbinden, sagten die Einsatzleiter der Stadt- und der
Kantonspolizei, Beat Oppliger und Hansjakob Baumann, am Abend des 1.
Mai. Zur Erfüllung des Auftrages gehörte, dass die Polizisten
sichtbarer und rascher präsent waren als in den Vorjahren. Der
Helvetiaplatz wurde weiträumig abgesperrt. Dadurch wurde
zunächst auch das Festareal auf dem Kasernenareal von den
Krawallen getrennt.
Die eingekesselten Personen - unter ihnen zahlreiche
Zuschauer -
mussten bis zu zwei Stunden ausharren. Vor dem Volkshaus dauerte die
Kontrolle bis um 17 Uhr, und die Leute im Kasernenareal mussten noch
länger warten. Wer nicht zur Verhaftung ausgeschrieben war und
keine illegalen Gegenstände dabei hatte, wurde aus dem
abgesperrten Gebiet begleitet. Die einen Freigelassenen machten einen
aufgelösten Eindruck, andere waren wutentbrannt und gestikulierten
wild. Einige wenige grinsten und schüttelten den Polizisten zum
Abschied die Hand.
Zur Taktik gehörten ferner strenge
Personenkontrollen. Nach
dem offiziellen Umzug wurden auf der Sihlbrücke beim Stauffacher
verdächtige Personen, die vom Bürkliplatz in Richtung
Festareal zogen, kontrolliert. An weiteren Orten im Kreis 4 war
dasselbe zu beobachten. Bei den Kontrollen sowie bei den Einkesselungen
wurden mehr als 350 Personen festgenommen. In den beiden Vorjahren
bewegte sich die Zahl jeweils bei knapp 300.
Steine, grösser als zwei Fäuste
Mit der Verhinderung einer "Nachdemo" und den Festnahmen
wurden
die Autonomen vertrieben oder verbrachten ihren Feiertag in der
Haftstrasse der Polizei. Jedenfalls waren nur vereinzelte Autonome
unter den rund 250 Krawallmachern erkennbar, die an der Langstrasse und
den Seitengassen stundenlang die Konfrontation mit der Polizei suchten
und gegen Gummischrot, Wasserwerfer und Tränengas kämpften.
Stadtrat Andres Türler verwendete für die Krawallmacher den
Begriff "Event-Chaoten". Die meisten waren Jugendliche mit
Migrationshintergrund.
Ohne Rücksicht auf Verluste warfen sie Flaschen, aber
auch
Steine, die grösser sind als zwei Fäuste. Um 20 Uhr traf ein
Stein eines 20-jährigen Schweizers, ebenfalls mit
Migrationshintergrund, einen 17-Jährigen. Dieser erlitt dabei
einen Kopfschwartenriss und blieb eine Nacht im Spital. Was für
ein Strafverfahren gegen den mutmasslichen Steinwerfer eröffnet
wird, ist noch offen.
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Friedliche Demonstration gegen Abzocker in Chefetagen
els. ⋅ Rund 8000 Personen haben am Samstag laut den
Organisatoren
an der offiziellen Kundgebung zum 1. Mai in der Zürcher Innenstadt
teilgenommen. Hauptthemen waren die Wirtschaftskrise, unter deren
Folgen die Arbeitnehmer leiden, und die Banken, die trotz Staatshilfe
hohe Boni verteilen. "Missbrauch betreiben nicht Arbeitnehmende und
Menschen mit Sozialhilfe, sondern Abzocker in Chefetagen", rief die
grüne Zürcher Nationalrätin und VPOD-Präsidentin
Katharina Prelicz-Huber am Schluss des friedlichen Umzugs in die
Menschenmenge auf dem Bürkliplatz. Mit dem Referendum gegen den
"Rentenklau" hätten die Gewerkschaften im März aber einen
wichtigen Erfolg verbucht, "und nun bringen wir die Arbeitslosenkasse
aufs Tapet", versprach Prelicz-Huber. Für dieses Anliegen wurden
während der Kundgebung fleissig Unterschriften gesammelt - kaum
ein Teilnehmer, der das Referendum "gegen den Abbau der
Arbeitslosenversicherung" nicht unterzeichnet hätte.
Auch die Frauen waren am Umzug ein Thema - nicht zuletzt
wegen
der 1.-Mai-Hauptrednerin María León. Die venezolanische
Ministerin für Frauen und Gleichstellung unterstrich die
Wichtigkeit von weiblichen Kräften in Führungspositionen. Sie
verwies auf ihre Heimat, in der viele politische Posten durch Frauen
ausgeübt würden, unterstützt von "líder" und
"comandante" Hugo Chávez. Die lokalen 1.-Mai-Teilnehmer nahmen
das Thema mit Blick auf die längeren Ladenöffnungszeiten auf.
Diese würden auf dem Buckel von Frauen ausgetragen, die schlecht
bezahlt und auf Abruf arbeiten müssten.
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Rundum Lob für das harte Durchgreifen der Polizei
Stadtzürcher Parteien mit Polizeieinsatz am 1. Mai
zufrieden
- Bürgerliche üben Kritik am vorzeitigen Festbeginn
Den Einsatz der Polizei beurteilen Parteien von links bis
rechts
durchwegs positiv. Weniger Einigkeit herrscht darüber, wem dies zu
verdanken ist.
els. ⋅ "Offenbar geht es doch" - unter diesem Titel hat
die
Stadtzürcher FDP am Sonntag eine Mitteilung verschickt und das
harte Vorgehen der Polizei am 1. Mai gelobt. Im Gegensatz zu
früheren Jahren sei "sofort und konsequent" durchgegriffen worden.
Und zum ersten Mal seit langem sei es der Polizei und einem
freisinnigen Polizeivorstand gelungen, die Ausschreitungen in den Griff
zu bekommen. "Andres Türler hat das super gemacht", gibt sich auch
Ernst Danner von der EVP der Stadt Zürich euphorisch. "Es hat
einen Freisinnigen gebraucht, damit die Polizei energisch gegen die
Krawallmacher vorgeht." Anders sieht das die SP. Türler habe nur
das umgesetzt, was unter der früheren Polizeivorsteherin Esther
Maurer ausgearbeitet worden sei, sagt SP-Co-Präsidentin Beatrice
Reimann.
Türler nur im Hintergrund
Der Zürcher Stadtrat Andres Türler
bestätigt denn
auch: "Die Vorbereitungen für den 1. Mai wurden unter Esther
Maurer in enger Zusammenarbeit mit der Polizei getroffen." Er habe sich
nicht in die Arbeit der Sicherheitskräfte gemischt und sich im
Hintergrund gehalten. Bei Bedarf sei er aber jederzeit zur
Verfügung gestanden.
Lob für die Polizei kommt auch von der SVP: "Erstmals
wurde
energisch durchgegriffen, das fordern wir schon seit Jahren", sagt
Fraktionschef Mauro Tuena. Die grosse Polizeipräsenz habe aber
hohe Kosten verursacht. Diese stünden in keinem Verhältnis zu
Aufwand und Ertrag der 1.-Mai-Festivitäten. Deshalb sei für
die SVP klar, dass in Zukunft in Zürich keine
1.-Mai-Aktivitäten mehr bewilligt werden dürften. "Für
die diesjährigen Kosten muss das 1.-Mai-Komitee aufkommen",
verlangt Tuena. Auch an Sportanlässen würden schliesslich
Klubs für ihre randalierenden Fans zur Kasse gebeten. Diesen
Vergleich lässt Christoph Hug, Co-Präsident der Grünen,
nicht gelten. "Die Chaoten hat niemand bestellt, weder das
1.-Mai-Komitee noch die SP, noch die Grünen oder sonst irgendwer",
so Hug. Es sei traurig, dass der Tag der Arbeit für derartige
Ausschreitungen missbraucht werde. "Die Krawalle werden von Leuten
verursacht, die nicht wissen, welche politische Bedeutung der 1. Mai
hat", pflichtet Beatrice Reimann von der SP bei. Dennoch, der Slogan
des 1.-Mai-Komitees, "Moneypulation - verlieren wir die Beherrschung",
hatte im Vorfeld für Irritationen gesorgt.
Festbeginn sorgt für Probleme
Dass sich das 1.-Mai-Komitee zudem über die
stadträtliche Auflage, das Fest erst um 20 Uhr zu beginnen,
hinwegsetzte, sorgt auch im Nachhinein für Kritik bei FDP und SVP.
Die Polizei beklagte, dass durch den frühen Festbeginn kurz nach
Mittag ihre Arbeit erschwert worden sei. Das 1.-Mai-Komitee weist die
Kritik zurück - das Fest sei friedlich verlaufen, und den
Besuchern den Weg zum Festareal zu versperren, wäre einer
Deeskalation kaum zuträglich gewesen. Umzug und Fest seien
traditionell miteinander verbunden, sagt Reimann. "Die Leute haben auf
dem Kasernenareal friedlich gefeiert - das Sicherheitsdispositiv hat
funktioniert."
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353 Festnahmen an 1.-Mai-Krawallen
Wegweisungsartikel angewendet
fri./tri. ⋅ Die Polizei hat während der
Ausschreitungen im
Langstrassenquartier insgesamt 353 Personen festgenommen. Laut einer
Medienmitteilung handelt es sich bei ihnen um 308 Männer und 45
Frauen. Die meisten haben einen Schweizer Pass und sind zwischen 18 und
25 Jahre alt. 16 Personen sind jünger als 15 Jahre, 55 haben das
18. Altersjahr noch nicht erreicht, über 25 Jahre alt ist knapp
ein Viertel der Personen. Rund die Hälfte der Festgenommenen wohnt
in der Stadt oder dem Kanton Zürich. Die Übrigen haben in
einem anderen Kanton Wohnsitz oder reisten aus Deutschland (11) und
Italien (1) an.
269 der Festgenommenen wurden nach einer Personenkontrolle
in der
Polizeikaserne wieder entlassen, weil keine Haftgründe vorlagen
oder die Voraussetzungen für einen Polizeigewahrsam nicht
erfüllt waren. Gegen sie wurde eine Wegweisung ausgesprochen.
Gemäss dem im Juli 2009 in Kraft getretenen neuen Zürcher
Polizeigesetz ist es den Entlassenen während 24 Stunden untersagt,
sich im Gebiet aufzuhalten, von dem sie weggewiesen wurden. Es ist das
erste Mal, dass in Zürich der Wegweisungsartikel in diesem Ausmass
angewendet wurde. Gegen 84 Personen wurde ein Strafverfahren
eingeleitet. Sie müssen sich unter anderem wegen Delikten wie
Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Polizisten oder
Sachbeschädigung verantworten.
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Landbote 3.5.10
1. Mai: Ruhiger als in den Vorjahren
winterthur/Zürich - Die Redner an der Winterthurer
1.-Mai-Feier gaben sich kämpferisch, es sei Zeit, den Text der
Internationale ernst zu nehmen und für ein besseres
Wirtschaftssystem und die Verteidigung der Sozialwerke einzustehen,
sagte beispielsweise die SP-Kantonsrätin und Gewerkschafterin Hedi
Strahm. Auch ein Redner des "Revolutionären Bündnisses" trat
in Winterthur ans Rednerpult, der Linksradikale rief der Menge zu, dass
sie sich die "Waffen nicht aus der Hand nehmen lassen" solle. Trotz
dieser Kampfrhetorik blieb es während der Kundgebung aber
friedlich. Laut der Stadtpolizei ist es zu "keinem einzigen
Zwischenfall" gekommen. Allerdings wurde am letzten Freitag ein
Farbanschlag auf das Winterthurer Stadthaus verübt.
Auch in Zürich verlief der 1. Mai trotz des
provokativen
Mottos "Moneypulation - verlieren wir die Beherrschung" im Vergleich zu
anderen Jahren recht friedlich. Am offiziellen Umzug nahmen rund 8000
Personen teil. Dank konsequentem Durchgreifen konnte die Polizei eine
Eskalation weitgehend vermeiden, und eine unbewil- ligte Nachdemo des
Schwarzen Blocks kam nicht zustande. Die Polizei verhaftete 353
Personen. Zu schaffen machten der Polizei offenbar auch
Krawalltouristen. (red) lSeiten 13 + 27
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"Bullen und Banken - alle sollen wanken"
Oliver Graf
Die Verärgerung über Banker-Boni war
grösser als
der Ärger über den Regen: Am diesjährigen 1.-Mai-Umzug
haben rund 8000 Personen teilgenommen. Trotz gewaltbereiten Personen
ist der Tag der Arbeit weitgehend friedlich verlaufen.
ZÜRICH - Die Forderungen sind vielfältig. Die
Stimmung
ist teilweise gereizt. "Bullen, Faschos, Banken - alle sollen wanken",
ruft der Schwarze Block. "Klassenkampf, Klassenkampf - machen wir den
Bossen Dampf", tönt es aus Lautsprechern. Und auch das offizielle
Motto des diesjährigen 1.-Mai-Umzugs klingt martialisch:
"Moneypulation - verlieren wir die Beherrschung".
Der Unmut ist gross. Trotz anfänglichen heftigen
Regenfällen laufen rund 8000 Personen vom Helvetiaplatz über
Teile der Bahnhofstrasse zum Bürkliplatz mit. Wirtschaftskrise,
Staatsunterstützung und Banker-Boni - das seien die heissen
Themen, derentwegen er am Tag der Arbeit auf die Strasse gehe, sagt
Giovanni Critelli, der eine rote Gewerkschaftsfahne trägt und sich
tagtäglich "auf dem Bau für wenig Geld den Rücken kaputt
macht". Für den SP-Gemeinderat Salvatore Di Concilio zeigt der
grosse Aufmarsch, dass der 1. Mai "noch immer sehr, sehr wichtig" sei.
Und ein Banker aus dem Zürcher Oberland, der zum ersten Mal am
Umzug teilnimmt, zeigt sich ob der "gelebten, friedlichen
Solidarität" erfreut. Den eigenen Namen will er nicht nennen. Er
dürfte ja eigentlich gar nicht hier sein, er passe hier nicht hin.
"Aber das Geschäftsgebahren des obersten Kaders ist auch mir
suspekt", sagt er. Entlassungen hätten ihn aufgeschreckt, die
neuerlichen Boni für die Manager verärgert. "So gewinnt man
doch kein Vertrauen." Neben ihm laufen Kurden, hinter ihm folgen
Tamilen, und vor ihm gehen die Gewerkschafter. "Eine bunte Truppe",
sagt der Banker. "Vielleicht werden sie ja alle gehört."
"Die Zeichen sind gesetzt"
Der Umzug und der anschliessende Festakt verlaufen
weitgehend
friedlich. Nur bei der Alten Kaserne lassen Mitglieder des Schwarzen
Blocks einige laute Heuler in die Luft steigen ("Freiheit für alle
politischen Gefangenen"). Und an Fenster und Fassade der zweiten
UBS-Filiale, an der die Teilnehmer vorbeikommen, fliegen zwölf
Eier ("Abzockerbude"). Erst nach Abschluss des offiziellen Teils kommt
es zum inzwischen üblichen Katz-und-Maus-Spiel zwischen
Randalierern und Polizisten (Kasten).
Auf dem Bürkliplatz folgen derweil die offiziellen
Ansprachen, in denen die schon auf Transparenten gestellten Forderungen
aufgenommen werden. So prangert etwa Katharina Prelicz-Huber,
Nationalrätin der Grünen und Präsidentin des Verbandes
des Personals öffentlicher Dienste, die Bonuskultur der Banken an.
Die "deftigste Wirtschaftskrise" seit den 30er-Jahren habe das
Gefälle zwischen Arm und Reich in der Schweiz in krasser Weise
wachsen lassen. Und die gleichen Personen, die diese Krise verursacht
hätten, zahlten sich nun saftige Belohnungen aus, so Prelicz.
Die Zeichen seien gesetzt, es gelte sich aktiv zu wehren,
sagt
ein 21-Jähriger nach dem offiziellen Akt. "Wir können uns
nicht einfach alles gefallen lassen." Damit meine er keine Gewalttaten,
sondern politisches Handeln. Auf dem Weg zum Fest auf dem
Kasernen-Areal drückt ihm einer eine "Amtliche Bekanntmachung" in
die Hände. Er schaut auf den Flyer, schüttelt den Kopf. "Das
zeigt doch, dass wir mitreden müssen, dass wir uns aktiv
einbringen müssen."
Der 21-jährige Zürcher zeigt auf den Zettel und
liest
verärgert vor: "Der Stadtrat von Zürich weist darauf hin,
dass am 1. Mai alle Outdoor-Veranstaltungen auf dem Festareal bis 20
Uhr untersagt sind. Sie betreten das Areal auf eigene Gefahr." Und dann
lacht er, denn weiter heisst es: "Der Stadtrat - soweit er nicht
ferienabwesend ist - bedauert, dass nicht nur Leichtbier ausgeschenkt
wird."
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Polizei greift konsequent durch - 353 Verhaftungen
Am Rande der offiziellen Feier kam es in diesem Jahr zu
keiner
unbewillig- ten Nachdemo. Ein Ausbrechen des Schwarzen Blocks, der noch
während der ersten Ansprache eine rote Fahne vor den Banken auf
dem Paradeplatz hissen wollte, konnte die Polizei rasch verhindern.
Später lieferten sich Autonome und Polizei aber insbesondere im
Bereich der Langstrasse kleinere Strassenschlachten. Die Polizei setzte
Gummischrot, Reizstoff und Wasserwerfer ein. Die Randalierer, die die
Kantonspolizei in einer Mitteilung "Krawalltouristen" nennt, warfen
Steine.
Wie die Zürcher Stadtpolizei gestern informierte,
wurden 353
Personen verhaftet. 14 befanden sich gestern noch in Haft. Die
übrigen wurden, nachdem ihre Personalien aufgenommen worden waren,
mit einer Wegweisungsverfügung wieder entlassen. Das heisst, sie
durften das auf einem Stadtplan eingezeichnete Gebiet während der
nächsten 24 Stunden nicht mehr betreten.
Von den Festgenommenen war der Grossteil zwischen 18 und
25 Jahre
alt (203). 79 Personen waren älter, 71 minderjährig.
Gemäss Stadtpolizei stammten 173 Personen aus dem Kanton
Zürich, die übrigen reisten unter anderem aus Genf, Fribourg,
Graubünden und Nidwalden an.
Der Sachschaden blieb vergleichsweise gering. Auch
Verletzte gab
es nur einige wenige. Ein 17-Jähriger wurde von einem
Pflasterstein am Kopf getroffen, ein Polizist verletzte sich am Fuss.
Beide konnten das Spital gestern wieder verlassen.
Stadtrat Andres Türler lobte das
"unmissverständliche
und disziplinierte Durchgreifen der Polizei". Eine Nachdemo sei
verhindert worden, der Auftrag des Stadtrates sei damit erfüllt
worden.
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20 Minuten 3.5.10
1.-Mai-Chaoten: Mehrheit waren Krawall-Touristen
ZÜRICH. 353 Personen hat die Polizei am 1. Mai in
Zürich verhaftet. Die grosse Mehrheit der Chaoten reiste von
auswärts an - und jeder Fünfte war minderjährig.
Nach dem Einsatz am 1. Mai haben Stadt- und Kantonspolizei
Zürich gestern Bilanz gezogen: Insgesamt wurden 308 Männer
und 45 Frauen festgenommen. 269 von ihnen wurden nach der
Personenkontrolle wieder freigelassen - mit der Auflage, sich
während 24 Stunden nicht mehr in der Gegend blicken zu lassen. Die
Beamten drückten ihnen eine Karte in die Hand, in denen der
entsprechende Rayon in den Stadtkreisen 1 bis 6 eingezeichnet war.
Diese Wegweisungen, die dank des neuen Polizeigesetzes erstmals
möglich waren, wirkten offenbar: "Wir haben nur zwei Personen
angetroffen, die den verbotenen Rayon erneut betreten hatten", sagt
Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei Zürich.
Auffällig war laut Cortesi auch in diesem Jahr die
grosse
Zahl von "gewaltbereiten jungen Menschen, die offenbar nur wegen der
Krawalle nach Zürich reisten". 16 Verhaftete waren jünger als
15, 55 noch nicht 18-jährig, 203 zwischen 18 und 25 Jahren. Aus
der Stadt Zürich stammte nur jeder siebte, nur jeder dritte aus
dem Kanton Zürich. Die Wohnorte der übrigen Chaoten liegen in
13 anderen Kantonen von Aargau über Genf bis Zug sowie in
Deutschland oder Italien.
83 der Festgenommenen steht nun ein Strafverfahren wegen
Landfriedensbruch oder anderen Delikten bevor. 14 sassen auch gestern
noch in Haft. Glück hatten die Gewerbetreibenden: Der Sachschaden
sei "gering", so Cortesi. Als "sehr hoch" bezeichnet er dagegen die
Kosten für den Polizeieinsatz.
Marco Lüssi
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Von Stein an Kopf getroffen
ZÜRICH. Bei den 1.-Mai-Scharmützeln rund um die
Langstrasse gab es zwei Verletzte: Ein 17-Jähriger wurde gegen 20
Uhr von einem Pflasterstein am Kopf getroffen, kam aber erstaunlich
glimpflich davon: Wie die Stadtpolizei gestern mitteilte, konnte der
junge Mann das Spital mittlerweile bereits wieder verlassen. Der
20-Jährige, der den Stein geworfen hatte, wurde festgenommen. Auch
in den Reihen der Polizei gab es einen Verletzten: Ein Beamter musste
mit einer Fussverletzung ins Spital gebracht werden. Er konnte es
wieder verlassen, muss aber weiter behandelt werden.
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Mauch voll Lob für die Arbeit der Polizei
ZÜRICH. Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) hat
den Tag
der Arbeit in Zürich verbracht und liess sich über die
Geschehnisse in den Strassen auf dem Laufenden halten. "Es ist
bedauerlich, dass einige Dutzend Krawallanten und Krawall-Touristen den
1. Mai missbraucht und gewaltsame Auseinandersetzungen gesucht haben",
sagte sie gestern auf Anfrage. Dass als Folge dieses "destruktiven
Treibens" ein Jugendlicher von einem Stein am Kopf verletzt worden ist,
sei bedenklich. Lob findet Mauch für die Polizei: "Positiv ist,
dass dank der guten Arbeit der Polizei die Sachschäden begrenzt
werden konnten." Erfreulich sei, dass 8000 Personen bei der offiziellen
Kundgebung ihre Anliegen friedlich zum Ausdruck gebracht
hätten. lüs
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Limmattaler Tagblatt 3.5.10
Anna Kliebers Tag der Arbeit
Unterwegs mit der Sicherheitsverantwortlichen des
Zürcher
1.-Mai-Komitees
Der 1. Mai war mehr als Pflastersteine, Gummischrot und
Tränengas. Einblicke in die gesunde Seite des Fests der Arbeit.
Michele Coviello
Sie wartet auf trockene Socken und Schuhe. Anna Klieber
ist
Vorstandsmitglied des 1.-Mai-Komitees und seit 8Uhr morgens an diesem
nassen 1.Mai in Zürich unterwegs. Der Abend bricht an. Ihre
letzten Aufgaben stehen ihr auf dem Zürcher Kasernenareal bevor.
Bald wird auch sie sich unter die rund 7000Festbesucherinnen und
-besucher mischen, vielleicht ein Konzert besuchen.
Seit sieben Jahren arbeitet die Sozialpädagogin
für das
1.-Mai-Komitee. Heute trägt sie für die Sicherheit
Verantwortung. Um 11Uhr startet der Umzug vom Helvetiaplatz. Anna
Klieber steht konstant mit ihrem Team über Funk in Kontakt. "Wir
markieren mit unseren Westen Präsenz und überwachen die
Situation." Wenn Probleme auftreten, kontaktieren sie die Polizei.
Über Löwenplatz, Bahnhofstrasse,
Rudolf-Brun-Brücke und Utoquai gelangt die 1.-Mai-Demonstration
zur Mittagszeit zum Bürkliplatz. Reggae-Musik tönt aus den
Lautsprechern, dann Balkan-Folk. Alles ist friedlich. Anna Klieber ist
über die Besucherzahl erstaunt. "Rund 8000Personen sind hier",
sagt sie in schon halb durchnässten Schuhen, "wegen des schlechten
Wetters erwarteten wir höchstens 5000."
Der 1.Mai nimmt im Jahr 2010 eine besondere Bedeutung ein.
"Täglich wird über Boni berichtet", sagt Klieber,
"während die Bürger für Banker bürgen müssen
und das Prekariat steigt." Unterdessen ist der Hauptgast auf dem
Bürkliplatz auf die Bühne gestiegen: Die venezolanische
Frauenministerin María León hält eine feurige Rede
über den Kampf um die Frauenrechte und soziale Gerechtigkeit.
Zu den Noten der Internationale beginnt die Rückkehr
der
Demonstranten auf das Kasernenareal. Die Polizei empfiehlt die sichere
Route über die Sihlporte. In Vollmontur stehen die
Sicherheitskräfte mit grossen Wagen auf dem Paradeplatz oder auf
der Gessnerbrücke. Immer wieder klingelt Anna Kliebers Telefon.
Ein Radio will ein Interview, oder dann sind zu wenige Zelte auf dem
Festgelände aufzufinden. Dort mischen sich schon die Rauchschwaden
der Grills mit dem herunterprasselnden Regen. "Kurden, Tamilen,
Italiener, Armenier", zeigt Klieber die Vielfalt der Stände.
Bratwurst und Koriander liegen in der Luft. Das 1.-Mai-Komitee isst
gemeinsam im eigenen Büro. Anschliessend leitet Anna Klieber die
Sicherheitssitzung. Die Aufgaben werden für die Überwachung
des Areals neu besprochen.
Innen herrscht Friede. Trotz heftigen Regens sind viele
Besucher
an den Ständen oder den Veranstaltungen. Wie jetzt, da Ruhe den
Saal einnimmt und María León wieder die Aufmerksamkeit
des Zürcher Publikums auf sich zieht, über die Übermacht
der USA über Südamerika spricht und sich den Fragen aus dem
Publikum stellt.
Ausserhalb des Areals hat die jährliche Schlacht
begonnen.
An der Langstrasse kracht es. Das hatte die Stadt befürchtet.
Deshalb wollte sie das Fest auf dem Kasernenareal erst ab 20Uhr
bewilligen. Das 1.-Mai-Komitee widersetzte sich. Die Polizei kann
grösstenteils die Chaoten vom Fest fernhalten. Nur kurz kommt
Hektik auf. Gummischrot treibt einige Krawallanten in Richtung Kaserne.
Das Sicherheitsteam des Komitees kann die Situation entschärfen.
Alles ist im Trockenen, auch Anna Kliebers Füsse
wieder.
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Krawall-Tourismus am 1.Mai
Ein grosser Teil der Randalierer, die in Zürich
festgenommen
wurden, sind offenbar aus der ganzen Schweiz und dem angrenzenden
Ausland eigens zum Krawall angereist. Am Sonntagvormittag waren noch
14Personen in Haft.
Insgesamt hat die Polizei 353Menschen festgenommen, wie
sie am
Sonntag mitteilte. Die meisten wurden wieder freigelassen, nachdem ihre
Personalien festgestellt worden waren. Sie erhielten zudem eine
Wegweisungsverfügung in die Hand gedrückt: Darauf ist ein
Plan, auf dem eingezeichnet ist, in welchem Gebiet sie sich in den
folgenden 24Stunden nicht aufhalten dürfen. Insgesamt 83
Krawallmacher müssen mit einer Strafe rechnen. Ihnen werden
Delikte wie Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Beamte,
Sachbeschädigung oder Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz
vorgeworfen werden, wie die Polizei weiter mitteilte. Von den
353Festgenommenen sind laut Mitteilung 308Männer und 45 Frauen.
Die allermeisten sind zwischen 18 und 25Jahre alt. 16 sind jünger
als 15Jahre, 55 sind unter 18, 79 über 26Jahre alt. Die meisten
sind Schweizer. Nur etwa jeder siebte Festgenommene wohnt in der Stadt
Zürich; 121 haben Wohnsitz in einer anderen Zürcher Gemeinde.
Zehn Festgenommene wohnen in Deutschland, einer in Italien. Zudem waren
Randalierer aus den verschiedensten Kantonen angereist.
Einem 17-Jährigen, der von einem Stein getroffen und
am Kopf
verletzt wurde, geht es gemäss Polizeimitteilung wieder besser. Er
habe das Spital verlassen können.
Die von Randalierern verursachten Sachschäden fielen
laut
Polizeisprecherin Judith Hödl gering aus. Mit hartem und
konsequentem Durchgreifen konnte die Polizei grössere
Ausschreitungen und eine eigentliche Nachdemo verhindern. Es blieb bei
stundenlangen Scharmützeln.
"Konsequentes Durchgreifen: Offenbar geht es doch",
überschrieb die Stadtzürcher FDP ihre Bilanz zum 1.Mai.
FDP-Stadtrat Andres Türler hatte als stellvertretender
Polizeidepartements-Chef die Verantwortung übernommen, da der
neugewählte Polizeivorsteher Daniel Leupi (Grüne) sein Amt
erst am 17.Mai antritt. (sda/mts)
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sf.tv 2.5.10
Krawall-Tourismus in Zürich - über 350 Verhaftete
sf/gern
Am 1. Mai wurden in der Limmatstadt zahlreiche Personen
verhaftet, welche ihren Wohnsitz ausserhalb der Stadt oder des Kantons
Zürich haben. Selbst aus dem Ausland reisten die Krawallmacher
extra an. Erstmals kam zur Überwachung der Demonstration und der
Ausschreitungen auch ein Super Puma zum Einsatz.
Insgesamt wurden im Zusammenhang mit den Ausschreitungen
nach dem
offiziellen 1.-Mai-Anlass 353 Personen verhaftet - 14 davon befinden
sich nach wie vor in Haft. Bei den Festgenommenen handelt es sich laut
einer Medienmitteilung der Stadtpolizei Zürich um 308 Männer
und 45 Frauen. 71 der Verhafteten waren noch nicht Volljährig, 16
Jugendliche waren sogar unter 15 Jahre alt. Nur jeder siebte Verhaftete
lebt tatsächlich in der Stadt Zürich.
Super Puma als Überwachungshelikopter
Einige Personen waren selbst aus dem Ausland nach
Zürich
gereist. Die meisten der Verhafteten sind Schweizer Bürger. Bei
269 Festgenommenen wurden die Personalien festgestellt, anschliessend
wurden sie wieder entlassen. Gegen 83 Personen wurde jedoch ein
Strafverfahren eröffnet. Hier geht es um Delikte die
Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Beamte,
Sachbeschädigung, Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz sowie
Hinderung einer Amtshandlung.
Erstmals hat die Stadtpolizei Zürich am 1. Mai ein
Super
Puma eingesetzt, wie sie gegenüber "tagesschau.sf.tv"
bestätigte. Der Helikopter kreiste über der Stadt und
übermittelte die Strömungen der Demonstranten in die
Zentrale. Wie Mediensprecher Marco Cortesi erklärte, habe der
Super Puma dazu beigetragen, die Ausschreitungen einzugrenzen. Bereits
an der Euro 08 kam ein Super Puma als Übersichtshelikopter zum
Einsatz.
Verletzte nicht mehr im Spital
Über die Kosten dazu konnte sich Cortesi nicht
äussern,
ebenfalls wollte er aus taktischen Gründen nicht bekannt geben,
wie viele Polizeikräfte sich im Einsatz befanden. Es sei aber ein
"sehr grosses Aufgebot" von Stadt- und Kantonspolizei vor Ort gewesen.
Die Kosten der Sachbeschädigungen liessen sich auf weniger als
10‘000 Franken beziffern, so Cortesi.
Der junge Mann, welcher gestern von einem Stein am Kopf
getroffen
wurde, befindet sich auf dem Weg der Besserung. Er konnte das Spital in
der Zwischenzeit wieder verlassen. Auch der am Fuss verletzte Polizist
konnte das Spital wieder verlassen. Bei ihm sind jedoch noch weitere
Abklärungen nötig.
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Sonntagszeitung 2.5.10
250 Verhaftete in Zürich
Die Polizei greift am 1. Mai hart durch - der Sachschaden
ist
relativ gering
Von David Bauer (Text) und Michele limina (Foto)
Zürich Der angekündigte Sturm auf den Zürcher
Paradeplatz ist ausgeblieben. Die Polizei hat am 1. Mai hart
durchgegriffen und so die gewaltbereiten Demonstranten weitgehend unter
Kontrolle halten können. 250 Personen wurden im Verlauf des Tages
festgenommen. Nach der bewilligten Demonstration war es zwar zu
vereinzelten Scharmützeln zwischen Autonomen und der Polizei
gekommen. Im Vergleich zu früheren Jahren fielen die Schäden
aber deutlich geringer aus.
Am Helvetiaplatz bewarfen einzelne Demonstranten kurz nach
drei
Uhr die Beamten mit Bierflaschen und Steinen. Die Polizei räumte
daraufhin den Platz mit einem Grossaufgebot. Zahlreiche Demonstranten,
aber auch Schaulustige, wurden eingekesselt und kontrolliert. "Es war
erklärtes Ziel des Einsatzes, viele Personen zu kontrollieren",
sagte Einsatzleiter Beat Oppliger.
Am späteren Nachmittag verlagerten sich die
Auseinandersetzungen in die Langstrasse und dauerten bis in die
späten Abendstunden an. Immer wieder warfen kleine Gruppen von
Vermummten Steine und Bierflaschen, die Polizei setzte Wasserwerfer,
Tränengas und Gummigeschosse ein. Ein 17-Jähriger musste mit
mittelschweren Kopfverletzungen ins Spital eingeliefert werden, nachdem
er von einem Pflasterstein getroffen worden war.
Der zuständige Stadtrat Andres Türler beurteilte
den
Polizeieinsatz am Abend als gelungen: "Dank dem
unmissverständlichen und disziplinierten Durchgreifen der
Polizeikräfte konnte Schlimmeres verhindert werden."
Keine rote Fahne am Paradeplatz in Zürich
An der offiziellen Kundgebung am Vormittag haben trotz
nasskaltem
Wetter rund 8000 Menschen teilgenommen. Danach versuchte eine kleine
Gruppe des Revolutionären Aufbaus um die Alt-Aktivistin Andrea
Stauffacher, zum Paradeplatz vorzustossen, um dort eine rote Fahne zu
hissen - sie wurde jedoch von der Polizei daran gehindert.
Viele 1.-Mai-Ansprachen in der ganzen Schweiz standen im
Zeichen
der Wirtschaftskrise. In Stäfa ZH griff SP-Präsident
Christian Levrat in seiner Rede Bürgerliche und den Bundesrat an.
Sie würden die Banken schonen und die Arbeitnehmenden den Preis
für die Krise zahlen lassen.
Der Präsident des Schweizerischen
Gewerkschaftsbundes, Paul
Rechsteiner (SP St. Gallen), sprach in Uster ZH von einer neuen Art der
Asozialen: der "Kaste von Bankern, die mit dem Volksvermögen
zocken". Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer (SP Aargau)
sprach sich in Baden für eine Regulierung von überrissenen
Boni aus. Diese würden der Volkswirtschaft und dem
gesellschaftlichen Zusammenhalt schaden.
In Basel gingen rund 1500 Menschen auf die Strasse, am
traditionellen 1.-Mai-Umzug in Bern nahmen rund 600 Personen teil. An
beiden Demonstrationen beteiligten sich auch Autonome, zu
Ausschreitungen kam es jedoch nicht.
--
Anzeigenanstieg nach Fussballspielen und am 1. Mai
Der 1. Mai lässt die Anzeigen wegen Landfriedensbruch
und
Gewalt gegen Beamte schweizweit in die Höhe schnellen. Das zeigt
eine Auswertung nach Datum der Kriminalitätsstatistik des
Bundesamts für Statistik erstmals. Während an einem normalen
Tag im letzten Jahr die Anzeigen wegen dieser zwei Delikte im
einstelligen Bereich lagen, kam es am 1. Mai 2009 bei beiden Straftaten
zu 39 Anzeigen. Ähnlich hohe Werte gibt es nur nach
Ausschreitungen bei Fussballspielen.
---
Sonntag 2.5.10
Tausende gegen Boni-Millionen
Der Tag der Arbeit stand im Zeichen der Abzocker. In
Zürich
kam es nach der Feier wieder zu Gewalt
von Michele Coviello und Pirmin Kramer
Ein Schwerverletzter und 250 Verhaftungen: Gestern
Nachmittag und
Abend lieferten sich in Zürich Linksautonome Scharmützel mit
der Polizei. Überall sonst wurde friedlich gefeiert.
Der Regen verzog sich just dann, alsMicheline Calmy-Rey
das
Podium in Thun BE betrat. Wie Dutzende Redner am gesrigen 1. Mai nahm
auch die SP-Bundesrätin die Banker und ihre Boni ins Visier. "Die
Lohndifferenz ist derzeit viel zu gross und entspricht nicht der
Tradition unseres Landes", sagte sie nach ihrem Auftritt zum "Sonntag".
In ihrer Rede vor etwa 200 Menschen sagte sie, die
Topmanager in
der Schweiz seien besser bezahlt als irgendwo sonst. Da sei die Frage
berechtigt, wie viel Geld Arbeit wert sein könne, und die
Diskussion darüber werde noch lange andauern. Besonders wichtig
sei derzeit die Solidarität mit den Benachteiligten. "Denn die
Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen."
Scharf gegen die Abzocker schoss SP-Präsident
Christian
Levrat in seinen Ansprachen in Chur und Stäfa ZH. "Mit ihren
riesigen Salären verhöhnen die Ospels, Dougans und Vasellas
die Arbeit und Mühen der Arbeitnehmer im Land." Auch die
höchste Schweizerin, Pascale Bruderer Wyss, wandte sich gegen
überrissene Boni. Sie forderte in Baden AG eine Regulierung. Die
Politik müsse über die Parteigrenzen hinweg eine Antwort
darauf finden.
Am meisten Teilnehmer versammelten sich an der Feier in
Zürich. Als Hauptrednerin trat die venezolanische Frauenministerin
Maria León auf. Das Motto der Feier lautete dieses Jahr:
"Moneypulation - verlieren wir die Beherrschung."
Das nahmen einige Randalierer wörtlich. Ab 16 Uhr kam
es an
der Zürcher Langstrasse zu den gewohnten Scharmützeln
zwischen Linksautonomen und der Polizei. Die Chaoten warfen Flaschen
und Pflastersteine gegen die Ordnungshüter. Diese reagierten mit
Gummischrot und vertrieben die meist Jugendlichen mit Tränengas.
Wie die Stadtpolizei am Abend mitteilte, wurde ein 17-Jähriger
kurz vor 20 Uhr von einem Pflasterstein am Kopf getroffen und schwer
verletzt, eine weitere Person musste mit leichten Blessuren ins Spital
eingeliefert werden. Grössere Sachschäden seien nicht
festgestellt oder gemeldet worden - ganz im Gegensatz zu den
vergangenen Jahren. Die Polizeipräsenz hat verhindert, dass sich
Linksautonome wie angekündigt am Paradeplatz versammeln konnten.
Sie wichen auf das Kanzleiareal aus, wo die ersten Auseinandersetzungen
losgingen. Das Katz-und-Maus-Spiel dauerte bis in den Abend hinein. Die
Polizei nahm über 250 Personen fest.
Krawalle gab es in der Schweiz sonst nicht, jedoch bei den
1.-Mai-Feiern in mehreren europäischen Städten, so in Berlin
und Hamburg. Zu schweren Ausschreitungen kam es bei der Demonstration
in Athen, wo die Menschen gegen die Sparmassnahmen protestierten.
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NZZ am Sonntag 2.5.10
250 Festnahmen bei 1.-Mai-Demo in Zürich
(brk)
Bei Ausschreitungen an der 1.-Mai-Nachdemo in Zürich
ist am
Samstag ein 17-Jähriger von einem Stein am Kopf getroffen und
verletzt worden. Er erlitt einen Kopfschwartenriss. 250 Personen wurden
von der Polizei festgenommen. In der Schweiz haben am Tag der Arbeit
Tausende gegen Boni und Sozialabbau demonstriert. In Thun warnte
SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, der soziale Frieden im Land
sei deswegen in Gefahr. (brk.)
Seite 11
--
Protest mit Worten und Steinen
Scharmützel zwischen Polizei und Chaoten
überschatten
den friedlichen 1.-Mai-Umzug in Zürich
Am Tag der Arbeit haben Tausende gegen Sozialabbau und
Millionen-Boni demonstriert. In Zürich kam es zu Ausschreitungen,
bei denen ein 17-Jähriger verletzt wurde.
Katharina Bracher
Mit einiger Nervosität hatte man in Zürich dem
Tag der
Arbeit entgegengesehen. Das diesjährige Motto des 1.-Mai-Komitees
- "Verlieren wir die Beherrschung" - verstanden Kritiker als Aufruf zur
Gewalt. Zwar flogen auch dieses Jahr Steine und Gummigeschosse, doch
die grosse Schlacht blieb bis Redaktionsschluss aus. Gesamthaft
bewegten sich die Ausschreitungen laut offiziellen Angaben etwa im
Rahmen des Vorjahres. Polizei und Chaoten lieferten sich bis zum
späten Abend Scharmützel im Langstrassenquartier und um den
Helvetiaplatz. Gesamthaft wurden 250 Personen festgenommen. Bei den
Auseinandersetzungen wurde ein 17-Jähriger von einem faustgrossen
Stein am Kopf getroffen und schwer verletzt. Er wurde ins Spital
gebracht.
Kämpferisches aus Venezuela
Zuvor hatten bei garstigem Wetter mehrere tausend Personen
an der
offiziellen 1.-Mai-Kundgebung teilgenommen. Zahlreiche Familien mit
Kindern waren unterwegs, die den Tag der Arbeit mit kämpferischen
Parolen gegen Sozialabbau und "Abzocker" auf friedliche Weise begingen.
Am Bürkliplatz stand die venezolanische Frauen-Ministerin Maria
León für die Schlusskundgebung auf der Bühne.
Während León in einer kämpferischen Rede die
Schweizerinnen dazu aufrief, ihre politischen Partizipationsrechte
vermehrt wahrzunehmen, scherte der erste Tross von "Autonomen" aus der
Versammlung aus und machte sich auf den Weg zum Paradeplatz. Wie in den
einschlägigen Online-Medien angekündigt, wollten sie den
symbolisch für die Hochfinanz stehenden Platz "für den 1. Mai
zurückerobern". Doch die Polizei riegelte den Platz ab und konnte
so den ersten Pulk Demonstranten zerstreuen.
Doch die Ruhe war von kurzer Dauer, denn kurz nach 15 Uhr
brachen
am Helvetiaplatz die ersten Scharmützel zwischen Polizei und
gewaltbereiten Jugendlichen los. Auffällig war, dass Schaulustige
und Medienschaffende die tatsächlichen Teilnehmer an den
Ausschreitungen zahlenmässig in den Schatten stellten. So waren es
lediglich ein paar Dutzend Chaoten, welche die Polizei durch das
Langstrassenquartier trieb - beobachtet von Hunderten von Gaffern. Nach
ersten Provokationen griff die Polizei hart durch. Die jugendlichen
Chaoten warfen Flaschen und Steine nach den Sicherheitskräften,
die mit Wasserwerfern und Gummischrot reagierten. Vereinzelt traten
auch zivile Polizisten, die sich unter die randalierenden Gruppen
gemischt hatten, mit Tränengas in Erscheinung.
Warnung von Calmy-Rey
In der restlichen Schweiz wurde der Tag der Arbeit
mehrheitlich
friedlich begangen. Die Kritik an Millionen-Boni und Abzockern
dominierte die Reden zum 1. Mai. SP-Bundesrätin Micheline
Calmy-Rey rief in Thun zur Solidarität mit den Benachteiligten
auf. Der soziale Frieden in der Schweiz sei in Gefahr. Topmanager seien
hier deutlich besser bezahlt als anderswo. Da stelle sich schon die
Frage, wie viel Geld Arbeit wert sein könne.
Die höchste Schweizerin, Nationalratspräsidentin
Pascale Bruderer Wyss, forderte im aargauischen Baden Regeln, um
Lohnexzesse zu verhindern. SP-Präsident Christian Levrat sagte in
Chur und Stäfa (ZH), mit ihren riesigen Salären und Boni
verhöhnten die Ospels, Dougans und Vasellas die Arbeit und die
Mühen der Arbeitnehmenden. Paul Rechsteiner, Präsident des
Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, prangerte den "grenzenlosen
Zynismus" der Banker an. Das herrschende System sei korrupt, sagte er
in seinen Reden in Bern und Uster ZH.
--
Spaziergang statt Massenbesäufnis
Ein am 1. Mai im Kanton Baselland zur Tradition gewordenes
Massenbesäufnis von jungen Leuten hat am Samstag nicht
stattgefunden. Dauerregen und die Einschränkungen der Baselbieter
Behörden zeigten Wirkung. Nur 200 bis 300 junge Leute nahmen am
Anlass in Reinach und Münchenstein teil, der unter dem Namen
"Harassenlauf" in früheren Jahren bis zu 3000 Personen angelockt
hatte.
Die Behörden verfügten ein Alkoholverbot und
drohten
bei Widerhandlung mit hohen Bussen und Verzeigungen. Die meist jungen
Männer liefen deshalb Bier trinkend durch die Quartiere, wobei sie
von der Polizei begleitet wurden. (jt.)
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Sonntagsblick 2.5.10
Ein 1. Mai der Polizei
Störung statt Zerstörung: Die Proteste gegen
Abzocker
und Arbeitslosigkeit waren weniger gewalttätig als sonst.
Aus Wut über Millionen-Abzocker und aus Angst um
Arbeitsplätze versammelten sich an vielen Orten der Schweiz
Tausende bei den Feiern zum 1. Mai. SP-Präsident Christian Levrat
warf den "Ospels, Dougans und Vasellas" bei mehreren Auftritten vor,
mit riesigen Salären und Boni die Arbeitnehmer zu verhöhnen.
In Basel und Zürich kam es zu Störaktionen durch
vermummte Chaoten. Die befürchteten Zerstörungsaktionen des
Schwarzen Blocks blieben jedoch aus.
Die Zürcher Stadtpolizei riegelte mit einem massiven
Aufgebot den Besammlungsort der Autonomen ab und reagierte bereits bei
ersten Anzeichen für Ausschreitungen mit Tränengas und
Gummischrot; sie nahm über 250 Personen fest.
Zivilfahnder kontrollierten gezielt potenzielle
Steinewerfer,
darunter viele Teenager. Im Verlauf des Abends lieferten sich Polizei
und Demonstranten das übliche Katz-und-Maus-Spiel rund um die
Langstrasse.
Die Sachbeschädigungen blieben laut Polizei bis am
Abend
geringer als früher. Ein 17-Jähriger erlitt durch einen
Steinwurf eine Kopfwunde.
Anna Vonhoff
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1. MAI BS / HARASSENANLAUF BL
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Baselandschaftliche Zeitung 4.5.10
Chaoten haben Basler Polizei überrascht
Saubannerzug durch Basel am 1.Mai hat grossen Schaden
verursacht
Einen Schaden von bis zu 100000 Franken haben die Vandalen
am
Samstagabend in der Basler Innenstadt angerichtet. Die Basler Polizei
haben sie ausgetrickst.
Der Sachschaden des Saubannerzugs durch die Stadt Basel
vom
Samstagabend beträgt 50000 bis 100000 Franken. Dies sei eine
vorläufige Schätzung, sagte Klaus Mannhart, Mediensprecher
der Basler Polizei, gestern der Nachrichtenagentur SDA. Die
Schäden würden noch aufgenommen.
Für die Bewältigung des Saubannerzugs mussten
weitere
Polizeibeamte aufgeboten werden. Von den 15 Festgenommenen waren
gestern zehn noch in Untersuchungshaft. Fünf Jugendliche seien
freigelassen worden, sagte Markus Melzl von der Basler
Staatsanwaltschaft. Im Vorfeld des 1.Mai habe es keine Anzeichen
für eine derartige Aktion gegeben, sagte Mannhart weiter. Als sich
die rund 120 vermummten Personen vom Barfüsserplatz in Richtung
Kleinbasel in Bewegung gesetzt hatten, war die Basler Polizei laut
Mannhart mit Fällen von häuslicher Gewalt, Schlägereien
und Belästigungen durch Betrunkene beschäftigt.
Aufruf mittels SMS
Gemäss Angaben des Polizeisprechers muss eine
Tätergruppe den Saubannerzug vorbereitet haben. Es seien viele mit
Farbe gefüllte Ballone und Glasflaschen geworfen worden - diese
müsse man erst basteln. Die Chaoten kontaktierten weitere Personen
per SMS und riefen sie auf, sich beim Barfüsserplatz zu
versammeln. Auch der Basler Polizeikommandant Gerhard Lips
bestätigt im Interview, dass die gewalttätige Aktion durch
die Innenstadt völlig überraschend gewesen sei.
Hätte man davon Wind bekommen, so hätte man die
Beamten, die am 1.Mai im Einsatz gestanden seien, nicht schon am
Nachmittag nach Hause gehen lassen, sagt Lips. Er bestätigt, dass
sich unter den Festgenommenen keine sogenannten Gewalttouristen
befinden. Zudem stellt der Polizeikommandant klar, dass der Einsatz am
Bierlauf in Münchenstein nichts mit der verspäteten Reaktion
auf den Saubannerzug zu tun habe. (lv/sda)
Seite 17, Kommentar rechts
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"Wir sind überrascht worden"
Basler Polizei hatte keinen Hinweis auf Saubannerzug,
räumt
Kommandant Gerhard Lips ein
Die Chaoten, die am 1.Mai in der Basler Innenstadt grossen
Schaden angerichtet haben, haben die Polizei auf dem falschen Fuss
erwischt. Schuld daran sei aber nicht der Polizeieinsatz am Bierlauf
gewesen, versichert Polizeikommandant Gerhard Lips.
Loris Vernarelli
Herr Lips, die 1.Mai-Demonstration in der Basler
Innenstadt
verlief wie in den letzten Jahren friedlich. Umso mehr überrascht,
dass es am Abend zu gewalttätigen Zwischenfällen gekommen
ist. Wie erklären Sie sich diese Eskalation?
Gerhard Lips: Es ist für Basel ein neues
Phänomen. Am
Abend des 1.Mai ist es noch nie zu einer unvermittelten Zusammenrottung
gekommen. Auch deswegen wurden wir auf dem falschen Fuss erwischt. Die
Polizei hatte keinerlei Hinweise oder Informationen, dass ein
Saubannerzug durch die Innenstadt geplant war.
Warum reagierte die Polizei so spät? Immerhin
verwüsteten die Chaoten den Eingangsbereich des Clarapostens.
Waren zu viele Basler Beamte am Bierlauf in Münchenstein
stationiert?
Lips: Nein, das kann ich mit Sicherheit ausschliessen.
Natürlich haben auch wir Polizisten für den Bierlauf zur
Verfügung gestellt, aber verknüpft mit der Bedingung, dass
wir diese nicht in Basel brauchen. Wie schon gesagt, wir hatten keine
Hinweise auf einen Saubannerzug. Sonst hätten wir die Leute kaum
schon am frühen Samstagnachmittag gehen lassen.
Das Aufgebot zur Aktion ist per SMS erfolgt. Kann die
Polizei
dagegen überhaupt etwas unternehmen?
Lips: Es ist sehr schwierig, da wir bei der
Nachrichtenbeschaffung auf die öffentlich zugänglichen Mittel
angewiesen sind. Wir hätten am Samstagabend also nur dann im
Voraus einschreiten können, wenn uns diese SMS zugeschanzt worden
wäre.
Hätten die Vandalen auf Facebook abgemacht, wäre
ihnen
die Polizei womöglich auf die Schliche gekommen?
Lips: Das ist möglich. Aber es ist letztlich eine
Frage der
verfügbaren Mittel. Einerseits braucht es das nötige
Personal, andererseits muss dieses Personal genau zum richtigen
Zeitpunkt das fragliche Medium konsultieren. Doch ohne Hinweise sucht
man eine Nadel im Heuhaufen."
Was erschreckt, ist die Heftigkeit des Angriffs auf den
Claraposten. Molotow-Cocktails werden in Basel eher selten eingesetzt...
Lips: Es war ein massiver, aussergewöhnlicher
Angriff. Zudem
kam er aus heiterem Himmel, niemand hat der Basler Polizei in letzter
Zeit mit Vergeltungsaktionen gedroht. Diverse Schmierereien auf den
Wänden lassen aber darauf schliessen, dass mit dem Angriff auf den
Claraposten ein gewisser Zorn auf die Polizei zum Ausdruck gekommen ist.
Die Polizei hat 15 Personen festgenommen. Aus welchem
Milieu
stammen sie? Sind FCB-Hooligans dabei, wie gemunkelt wird?
Lips: Dieses Gerücht kann ich nicht bestätigen.
Auch
nicht, dass sie zuerst am Bierlauf waren. Hingegen ist sicher, dass
alle aus dem Raum Basel stammen. Es sind also keine "Gewalttouristen"
dabei.
Die Basler Polizei befolgt seit mehreren Jahren das
3-D-Prinzip
(Dialog - Deeskalation - Durchgreifen). Von aussen hat man den
Eindruck, dass sehr viel passieren muss, bis eingegriffen wird. Stimmt
das?
Lips: Die Kunst ist, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige
zu tun.
Mit randalierenden Chaoten den Dialog zu suchen, hat
selbstverständlich keinen Sinn. Hier muss die Polizei sofort
durchgreifen, was auch gemacht wird, falls die nötigen Mittel zur
Verfügung stehen. Genau das ist am Samstagabend geschehen:
Für die Bewältigung des "Saubannerzugs" mussten zwar weitere
Polizeibeamte aufgeboten werden, aber dann haben wir konsequent
durchgegriffen. Mit der Folge, dass im Bereich des Messeplatzes
Einsatzfahrzeuge beschädigt und Polizisten massiv angegriffen
worden sind.
---
Basler Zeitung 4.5.10
Politik kritisiert Polizeieinsätze
Vorstösse in beiden Basel
Krawalle. Die Polizeieinsätze vom 1. Mai führen
in
beiden Basler Halbkantonen zu politischen Vorstössen: In
Basel-Stadt will LDP-Grossrat Heiner Vischer von der Regierung wissen,
weshalb es am Samstagabend zu den Verwüstungen mit
angezündeten Autos, Sprayereien und dem Brandanschlag auf einen
Polizeiposten kommen konnte. Er fragt, ob die Polizei über
genügend Einsatzkräfte verfügte. Im Baselbiet
ärgert sich FDP-Landrat Patrick Schäfli über das
Vorgehen der Sicherheitskräfte rund um den Harassenlauf. Er nennt
den Einsatz eine "Verschwendung von Steuergeldern". Schäfli
fordert von der Regierung, sie solle aufzuzeigen, wie sie künftig
die Prioritäten bei Polizeieinsätzen zu setzen gedenke.
hws > Seiten 21, 25
--
Der Anschlag war geplant
Basel. Behörden ermitteln gegen die Urheber des
Angriffs auf
den Claraposten
MIscha Hauswirth
Die Drahtzieher des Anschlages auf den Polizeiposten
riefen mit
SMS zum Saubannerzug durch die Stadt auf.
"Der Anschlag auf den Claraposten wurde mit grosser
Wahrscheinlichkeit geplant", sagt Markus Melzl, Sprecher der
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Der Vermummtenumzug vom 1. Mai war also
keine spontane Organisation von ein paar Frustrierten, die ihren
Ärger über den abgesagten Harassenlauf Luft machen wollten,
sondern eine gezielte Aktion.
Am Samstagabend um 21.30 Uhr starteten gegen 120 meist
jugendliche Demonstranten vom Tinguely-Brunnen Richtung Marktplatz.
Dann ging es über die Mittlere Brücke ins Kleinbasel, wo es
vor dem Claraposten zu dem Anschlag kam. Auf der unbewilligten Route
wurden Trams und Gebäude versprayt, Autos in Brand gesteckt.
Sachschaden: über 100 000 Franken (siehe BaZ von gestern).
Genügend Polizei
Der Saubannerzug beschäftigt mittlerweile auch die Politik.
Die
LDP Basel-Stadt reichte gestern eine Interpellation zum Polizeieinsatz
ein. "Insbesondere interessiert, ob die Einsatzkräfte voreilig
entlassen wurden oder an anderen Orten (Harassenlauf) gebunden waren",
heisst es im Schreiben von LDP-Grossrat Heiner Vischer.
Klaus Mannhart, Sprecher des Sicherheitsdepartementes
Basel-Stadt, bestätigt, dass die Polizei um diese Zeit ihr
Aufgebot bereits "abgerüstet" habe. Mannhart: "Da die Baselbieter
Polizei aber wegen des Harassenlaufes noch über ein Grossaufgebot
verfügte, konnten wir aus dem Nachbarkanton Einsatzkräfte
beiziehen."
Einige der Chaoten führten mit Farbe gefüllte
Ballone
sowie einen Molotowcocktail mit sich. Deshalb spricht die
Staatsanwaltschaft davon, dass der Anschlag organisiert gewesen sein
müsse (vgl. Interview unten). Die Ermittler vermuten einen harten
Kern, der beim Farb- und Brandanschlag die Federführung
übernahm.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass einige wenige
Chaoten
die Attacken geplant und Mitläufer gesucht hätten, um weniger
aufzufallen. "Wir kennen das von den Fussballspielen her. Eine kleine
Gruppe zettelt etwas an, um in der Menge untertauchen zu können",
sagt Mannhart.
Die Drahtzieher hätten per SMS zu der unbewilligten
Demonstration aufgerufen. Melzl: "Wir prüfen nun bei den
beschlagnahmten Handys, ob wir den oder die Urheber hinter der Aktion
ermitteln können."
Die SMS mit dem Aufruf zu einem Saubannerzug wurde am
Samstagnachmittag verschickt.
Häuserkampf-Szenen
Vor dem Claraposten kam es zum finalen Gewaltakt. Die Szenen
erinnerten
an einen Häuserkampf. Nachdem das Glas des Eingangbereichs
zerstört worden war und der Mob immer aggressiver wurde,
verteidigten sich die Polizisten mit Gummischrot gegen die Angreifer.
Der Molotowcocktail explodierte mit einer Stichflamme und verletzte
einen Polizisten leicht. Die Chaoten flohen in alle Richtungen.
Die Einsatzkräfte nahmen 15 Personen fest. Die
meisten sind
Schüler, arbeitslose Jugendliche und Studenten aus der Region.
Fünf Minderjährige waren am Montag wieder auf freiem Fuss.
Zehn Erwachsene dürften bis heute Abend aus dem Polizeigewahrsam
entlassen werden.
Die Polizei hat eine Untersuchung des Falles angeordnet,
um
für den kommenden 1. Mai besser gewappnet zu sein. Die Person,
welche den Molotowcocktail geworfen hat, ist noch flüchtig.
--
FDP-Landrat kritisiert Polizeieinsatz scharf
Patrick Schäfli fordert per Motion eine klare
Prioritätenordnung bei der Baselbieter Polizei
Thomas Gubler
Während sich Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro
(FDP)
erleichtert über den Ausgang des Harassenlaufes zeigt, stösst
sie mit dem Grossaufgebot an Polizeikräften bei Parteikollegen auf
wenig Verständnis.
FDP-Landrat Siro Imber bezeichnete den Einsatz von 420
Polizisten
sowie eines Super-Puma-Helikopters der Armee am Harassenlauf mit 300
Teilnehmern als "krank". Sein Landratskollege Patrick Schäfli hat
gestern nachgelegt. In einer Motion, die der Prattler am Donnerstag
einreichen wird, verlangt er von der Regierung, dem Landrat eine
Vorlage zu unterbreiten, in welcher sie "eine eindeutige
Prioritätenordnung der Polizei für eine erhöhte
Sicherheit der Bevölkerung vor Einbrüchen und schweren
Straftaten vorlegt". Dabei seien die Gewichte insbesondere auf
häufigere und auch nächtliche Patrouillen zu legen, wogegen
"auf unverhältnismässige Präventivaufgebote zur Abwehr
von potentiell friedlichen Veranstaltungen" zu verzichten sei.
Schäfli verweist dabei auf die Zunahme bei den
Einbruchdiebstählen um 53 Prozent im Jahre 2009 gegenüber dem
Vorjahr. Da liege die Vermutung nahe, dass sich die Polizei anderen,
eventuell einfacheren Aufgaben widme. "Ich war schockiert über
dieses Polizeiaufgebot am Bierlauf. Es entstand der Eindruck, als ob es
gegen eine Gruppe ginge, die den Staatsstreich plant." Da werde mit
Kanonen auf Spatzen geschossen, und das nicht erst seit letztem
Wochenende, meint Patrick Schäfli.
Falsch eingeschätzt
Der Prattler FDP-Landrat betont, dass er die Vorkommnisse in der
Vergangenheit, die zum Verbot des Harassenlaufes geführt haben,
weder rechtfertigen noch verharmlosen wolle. "Die Lage wurde diesmal
aber komplett falsch eingeschätzt." Dies, so Schäfli weiter,
sei möglicherweise darauf zurückzuführen, dass bei der
künstlich angeheizten Situation "die Sicherheitsdirektion gar
nicht mehr anders konnte, als so zu reagieren". Angesichts der
tatsächlichen Gefahrenlage komme das "gigantische Polizeiaufgebot"
mit Kosten von 450 000 Franken aber einer Verschleuderung von
Steuergeldern gleich.
Ob Schäfli in seiner eigenen Fraktion mit grosser
Unterstützung rechnen kann, ist jedoch wenig wahrscheinlich.
FDP-Fraktionschef Daniele Ceccarelli hegt gewisse Zweifel an der
"Flughöhe" des Begehrens. "Man kann sich fragen, ob man mit einem
solchen Begehren nicht zu stark in den operativen Bereich der Polizei
eingreift", erklärt Ceccarelli, der Schäfli aber nicht von
der Einreichung seines Vorstosses abhalten will.
Kein Kommentar
Von Sabine Pegoraros Sicherheitsdirektion (SiD) war gestern kein
Kommentar zur Motion zu erhalten. "Wir nehmen wie immer nicht Stellung
zu parlamentarischen Vorstössen, bevor diese im Landrat diskutiert
werden", erklärte SiD-Sprecher Dieter Leutwyler.
---
20 Minuten 4.5.10
Wegen Grosseinsatz: Breite Kritik an Pegoraro
LIESTAL. Politiker aus den eigenen Reihen kritisieren das
Vorgehen von Sabine Pegoraro und fordern eine Änderung der
Harassenlauf-Strategie.
"Eine Verschwendung von Steuergeldern" - dieser Vorwurf an
die
Adresse der Baselbieter Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro stammt
nicht von einem politischen Gegner, sondern von Parteikollege Patrick
Schäfli. Der FDP-Landrat forderte gestern in einer Motion die
politische Aufarbeitung des Grosseinsatzes mit 420 Polizisten beim
Harassenlauf. "In einem halben Tag wurde eine halbe Million verlocht",
so Schäfli. Und auch andere Parteikollegen sind mit dem Vorgehen
ihrer Regierungsrätin nicht sonderlich glücklich.
FDP-Landrat Siro Imber nervt sich vor allem über den
Armeeeinsatz: "Das geht laut Militärgesetz nur bei schwerwiegenden
Bedrohungen der inneren Sicherheit des Landes - und das hatten wir
sicher nicht." Auch der Baselbieter FDP-Präsident Michael Herrmann
hält fest: "Um ein Exempel zu statuieren, war der Einsatz gut,
aber das kann nicht jedes Jahr die Lösung sein." Weitere
Landräte kündigten gestern an, den Einsatz im Parlament
besprechen zu wollen.
Sie habe die Kritik erwartet, so Pegoraro, "aber bisher
konnte
mir keiner eine plausible Alternative liefern." Sie steht nach wie vor
hinter dem Grosseinsatz: "Wir wussten nicht, ob ein paar hundert oder
ein paar tausend kommen", so die Regierungsrätin. Entsprechend
habe man mit der Obergrenze rechnen müssen. Für nächstes
Jahr hofft sie, dass sich ein Organisator meldet und das Ganze so
anders aufgezogen werden kann.
Jonas Hoskyn
--
Harassenläufer als Vandalen
BASEL. Beim Saubannerzug, der am Samstagabend durch Basel
zog,
wüteten auch verhinderte Harassenläufer. "Einige der
Verhafteten haben ausgesagt, dass sie am Nachmittag an den Harassenlauf
gehen wollten und dort abgewiesen wurden", sagt Kriminalkommissär
Markus Melzl. Andere seien im Umfeld des 1. Mai anzusiedeln. Am Abend
machte dann ein SMS die Runde: "Man trifft sich auf dem Barfi." Wer die
Urheber der Nachricht sind, wird noch ermittelt. Klar ist: "Jemand muss
den Saubannerzug vorbereitet haben." Es seien viele mit Farbe
gefüllte Ballone, Flaschen und beim Clarapolizeiposten sogar ein
Molotowcocktail geworfen worden - "sowas muss man erst basteln", so
Melzl. Der Schaden des Umzuges wird auf 50 000 bis 100 000 Franken
geschätzt. Gestern hat LDP-Grossrat Heiner Vischer eine
Interpellation zum Saubannerzug eingereicht. hys/SDA
---
Bund 4.5.10
Trotz Verboten wurde zum Harassenlauf gestartet
Reinach/Münchenstein BL - Trotz Verboten begaben sich
junge
Leute am Samstag auf den sogenannten Harassenlauf. Die Polizei stand
mit einem Grossaufgebot im Einsatz und begleitete den Zug. 200 bis 300
junge Leute hatten sich in Reinach auf den Weg gemacht. Sie hielten am
traditionellen Lauf fest, an dem am 1. Mai seit Jahren 2000 bis 3000
junge Leute mit Bierharassen von Reinach nach Münchenstein
spazierten. Dieses Jahr wollte die Baselbieter Sicherheitsdirektion
aber den jeweils in einem Trinkgelage endenden Anlass stoppen. Die
Route entlang der Birs wurde mit Alkoholverbot belegt, den
"Grün-80"-Park in Münchenstein, Zielort des Laufs, riegelte
ein Grossaufgebot der Baselbieter Polizei für jedermann ab. Die
trotz Regen erschienenen Harassenläufer wichen aus und spazierten
auf Strassen und durch Quartiere.
Im Vorfeld war das grosse Polizei-Aufgebot kritisiert
worden; es
werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, hiess es. (sda)
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Beim Bierkastenlauf in Worb geht es "gesitteter" zu
(wal)
Worb - Im Baselbiet hat ein nicht bewilligter Harassenlauf
am 1.
Mai zu einem massiven Polizeiaufgebot mit 400 Sicherheitsbeamten und
Kosten von fast einer halben Million Franken geführt. "Ein Kanton
im Ausnahmezustand" titelte die "Basler Zeitung". Ein ähnliches
Szenario ist beim 6. Bierkastenlauf in Worb am 31. Juli, mit Start und
Ziel auf dem Gelände der Egger-Brauerei, nicht zu erwarten. "Bei
uns geht es gesitteter zu", sagt Michael Egger vom
Organisationskomitee. "Bisher gab es keine Zwischenfälle,
Schlägereien oder Alkoholleichen." Es werde viel Wert auf den
Jugendschutz gelegt. Ohne Ausweis werde niemand zum Start zugelassen.
Beim Harassenlauf von Reinach nach Münchenstein BL kam es im
letzten Jahr zu schweren Körperverletzungen. Es nahmen jeweils
zwischen 2000 und 3000 Jugendliche daran teil. In Worb sind es etwa 150
Zweierteams. Egger fände es schade, wenn die Repression aus dem
Baselbiet nach Worb schwappen würde. In diesem Jahr gibt es nur
noch eine Kategorie: Eine Bierharasse von Egger mit 10 Flaschen
à 33 cl muss auf der knapp 6 Kilometer langen Strecke nach
Vechigen und zurück getrunken werden. Noch letztes Jahr gab es
zwei Kategorien, eine mit 20 und eine mit 10 Flaschen à 29 cl.
Die Bewilligung für den diesjährigen Lauf ist
noch
nicht erteilt. Das Gesuch wird in der Sicherheitskommission behandelt
und geht dann an den Regierungsstatthalter. Solange der Jugendschutz
konsequent eingehalten wird, sieht Gemeindepräsident Niklaus
Gfeller kaum eine Möglichkeit, den Anlass zu verbieten. Allerdings
stellt der EVP-Politiker die Sinnfrage und sagt zudem: "Ich weiss
nicht, was an warmem und geschütteltem Bier gut sein soll."
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Basler Zeitung 3.5.10
Polizei gegen Bierlauf
Sabine Pegoraro verteidigt massives Aufgebot
teurer einsatz. Die Baselbieter Polizei reagierte am
vergangenen
Samstag mit einem Grossaufgebot auf den Harassenlauf zwischen Reinach
und Münchenstein. 420 Personen standen im Einsatz, darunter auch
60 Polizisten aus Basel-Stadt und Bern. Angefordert hatten die
Behörden auch einen Super-Puma-Hubschrauber der Armee. Dieser
überwachte die rund 200 bis 300 jugendlichen Teilnehmer, die trotz
schlechten Wetters am Bierlauf erschienen. Der Anlass verlief ohne
Zwischenfälle. Die Baselbieter Sicherheitsdirektorin Sabine
Pegoraro (FDP) zog am Sonntag eine positive Bilanz des Einsatzes. Ziel
sei es gewesen, Gewalttaten mit Verletzten und Krawalle zu verhindern,
wie es sie im vergangenen Jahr gab. Dies habe man erreicht. Im Vorfeld
des Anlasses hatten die Behörden ein Alkoholverbot verhängt
und mit Bussen von bis zu 500 Franken gedroht. Gebüsst wurde am
Samstag jedoch niemand. Die Polizei nahm drei Personen fest, davon zwei
wegen Sachbeschädigungen.
Die Kosten für den Einsatz belaufen sich auf 450 000
Franken. Je 50 000 Franken übernehmen davon die Gemeinden Reinach
und Münchenstein. Kommandant Daniel Blumer sprach am Sonntag vom
"schwierigsten Einsatz" in der Geschichte der Baselbieter Polizei. Im
Interview mit der BaZ verteidigt Regierungsrätin Pegoraro den
massiven Aufmarsch an Sicherheitskräften. Dieser habe
"präventiv" gewirkt.
ac/pra > Seiten 2, 31
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Tageskommentar
Viel Aufwand fürs Prestige
Urs Buess
Den Baselbieter Polizisten gilt es ein Kränzlein zu
winden.
Ebenso ihren Kollegen aus anderen Polizeicorps, die an diesem
verregneten 1. Mai zur Unterstützung nach Reinach und
Münchenstein aufgeboten waren, um den Harassenlauf zu verhindern.
Sie haben alles unterlassen, um die paar Jugendlichen, die biertrinkend
durch den Regen spazierten, zu provozieren. Sie hielten sich im
Hintergrund und liessen sich nicht aus dem Häuschen bringen durch
zwei, drei umgeworfene Abschrankungen. Dass ein Superpuma der Armee die
Gegend mit seinem Geratter zudröhnte, als ob ein Grossanlass wie
die Euro-2008 zu überwachen sei, war nicht ihr Entscheid, sondern
der der politisch Verantwortlichen.
Diese, allen voran Regierungsrätin Sabine Pegoraro,
finden,
der Einsatz sei gerechtfertigt. Es sei - die Kosten für den
Superpuma nicht eingerechnet - verhältnismässig, eine halbe
Million Franken auszugeben, um das Verbot des Harassenlaufs
durchzusetzen. Es sei angemessen, drei Jahre Gefängnis anzudrohen,
falls sich jemand trotz Verbot erdreistet, das Grün-80-Areal zu
betreten. Und dies alles, um einen zugegebenermassen etwas stupiden
Anlass zu verhindern. Letztes Jahr gab es eine Messerstecherei, gewiss.
Wo so viel Alkohol und Blödheit im Spiel ist, verwundert das
nicht. Das gibt es auch an anderen einschlägigen Orten und
Anlässen zu beobachten, wo die Staatsgewalt dann eher zur
Zurückhaltung neigt. Doch der Harassenlauf ist für
Regierungsrätin Pegoraro zur Prestigesache geworden. Um ihn zu
bekämpfen, scheut sie keine Kosten. Erstaunlich, kann man da nur
sagen, wie viel Geld im Baselbiet ein bisschen Prestige kosten darf.
urs.buess@baz.ch
> Seite 31
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Ein Kanton im Ausnahmezustand
Am Harassenlauf bewältigte die Baselbieter Polizei
ihren bis
dato schwierigsten Einsatz
Markus Prazeller, Alan Cassidy
Mit einem Grossaufgebot von über 400 Personen
versuchten die
Behörden, den Harassenlauf zu verhindern. Trotzdem marschierten
über 200 Jugendliche von Reinach nach Münchenstein.
Zwischenfälle blieben aus.
Grün 80, der Morgen danach. Keine leeren Flaschen,
keine
Spuren der Verwüstung. Die Spitze der kantonalen
Sicherheitsbehörden sitzt im Restaurant Seegarten. Die Stimmung
ist aufgeräumt, die Erleichterung spürbar. Daniel Blumer,
Kommandant der Baselbieter Polizei, spricht vom "schwierigsten Einsatz
in der Geschichte des Polizeikorps". Und von einem Erfolg. Das Chaos
wurde abgewendet, die befürchtete Eskalation zwischen betrunkenen
Harassenläufern und der Polizei blieb aus. Doch für den
Frieden haben die Behörden einen hohen Preis bezahlt.
Reinach, Samstag kurz nach 13 Uhr. Es regnet. Auf der
Kreuzung
oberhalb des Schwimmbads stehen sich eine Handvoll Jugendliche und
viele Polizisten gegenüber. Aus einem Geländewagen steigen
Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro, ihr Generalsekretär und ihr
Kommunikationschef. Der Anlass ist Chefsache. 420 Personen hat Pegoraro
aufgeboten. Die Kantone Basel-Stadt und Bern haben 60 Polizisten ins
Baselbiet entsandt. Über den Köpfen dreht ein Hubschrauber
der Armee seine Runden. In den vergangenen Wochen haben die
Behörden klargemacht: Wer am Harassenlauf teilnimmt, macht sich
strafbar. Die Route entlang der Birs wurde zum Sperrgebiet erklärt
und ein Alkoholverbot verhängt.
Gefängnisstrafe
Der Aufruf der Behörden scheint gewirkt zu haben. Es sind
viel
weniger Jugendliche hier als in den vergangenen Jahren. Um 14 Uhr
ziehen rund 200 Bierläufer los. Sie bewegen sich entlang der
Sperrzone in Richtung Münchenstein. Begleitet werden sie von 17
vom Kanton aufgebotenen Sozialarbeitern. Am Boden liegen die Flyer,
welche die Polizei an die Jugendlichen verteilt hat. "Wir fordern Sie
auf, auf eine Teilnahme am Harassenlauf zu verzichten", steht darauf.
Und: Wer sich trotz des Verbots in die Grün 80 wage, riskiere eine
"Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren".
Auch auf ihrer Alternativroute sind die Jugendlichen nie
alleine.
An jeder Ecke stehen Polizisten. Sie halten sich zurück, geben
sich unaufgeregt, sprechen freundlich mit den Bierläufern. Die
Polizei setzt auf Deeskalation. Trotzdem: Im Hauptquartier der
Einsatzleitung im Gewerbeareal Schoren, wohin sich Pegoraro und ihr
Führungsstab inzwischen zurückgezogen haben, sind Dutzende
von Patrouillenfahrzeugen und Kastenwägen parkiert. Falls es
brenzlig wird, steht auch die Spezialeinheit Barrakuda bereit. 450 000
Franken lässt sich der Kanton den Einsatz am Harassenlauf kosten.
Je 50 000 Franken übernehmen davon die Gemeinden Reinach und
Münchenstein.
Die Bierläufer sind mittlerweile beim MFP-Kreisel in
Münchenstein eingetroffen. Dort werden sie von einer grossen
Gruppe Polizisten erwartet. "Hier stehen unsere Steuergelder", sagt ein
Teilnehmer: Der Aufwand, den die Polizei ihretwegen betreibt, sorgt bei
vielen Jugendlichen für Gelächter. Und sogar ein
Sozialarbeiter schüttelt den Kopf. Der Bierlauf sei eine gute
Sache, sagt er. Der Einsatz sei völlig übertrieben.
Aufklärung aus der luft
Die Kritik an der Verhältnismässigkeit des Einsatzes
weist
Polizeikommandant Blumer zurück. "Wir mussten mit allem rechnen,
vom Nullereignis bis zum Chaos", sagt er tags darauf. Er verteidigt
auch den Einsatz des Super-Pumas. Dieser sei für die
Aufklärung "sehr wichtig" gewesen und habe den Kanton "nichts
gekostet". Finanziert wurde der Flug von der Armee.
Nach 16 Uhr treffen die Bierläufer in mehreren
Gruppen im
Park des Gymnasiums Münchenstein ein. Es regnet noch immer. Obwohl
auch das Schulgelände in der Sperrzone der Gemeinde liegt, halten
sich die Polizisten zurück. Sie belassen es bei ermahnenden
Worten. In die abgeriegelte Grün 80 traut sich heute niemand. Am
frühen Abend löst sich die Versammlung auf. Das wars.
Vorerst. Einige Jugendliche kündigen bereits für den
kommenden Samstag den nächsten Bierlauf an. Diesmal auf der
ursprünglichen Route. Die Polizei nimmt den Aufruf ernst. "Wir
klären jetzt ab, wie wir dem begegnen könnten", sagt Blumer.
Es sei gut möglich, dass seine Leute auch nächstes Mal massiv
aufmarschieren.
> Tageskommentar Seite 2
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"Solche Einsätze müssen wir uns leisten können"
Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro (FDP) verteidigt das
massive Polizeiaufgebot am Bierlauf
Interview: Alan Cassidy, Markus Prazeller
Die Baselbieter Regierungsrätin Sabine Pegoraro will
nicht
ausschliessen, dass die Polizei beim nächsten Bierlauf erneut
massiv einfahren wird.
BaZ: Frau Pegoraro, eine knappe halbe Million Franken
für
ein paar Bierläufer: War dieser Aufwand gerechtfertigt?
Sabine Pegoraro: Schauen Sie, es ging darum,
Ausschreitungen mit
Schwerverletzten zu verhindern, wie es sie im vergangenen Jahr gab.
Wenn wir die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleisten
können, ist der Staat nicht mehr glaubwürdig. In diesem Sinn
war der Aufwand völlig gerechtfertigt.
Nochmals: Den 200 Bierläufern standen über 400
Sicherheitskräfte gegenüber. Zudem wurden die Jugendlichen
von einem Armeehubschrauber begleitet.
Die Grösse des Einsatzes wirkte präventiv. Das
beweisen
die Teilnehmerzahlen: Vergangenes Jahr hatten wir es noch mit zwei- bis
dreitausend Bierläufern zu tun, am Samstag kam gerade mal ein
Zehntel davon.
Auf den Flyern, die am Samstag verteilt wurden, drohten
Sie den
Jugendlichen mit bis zu drei Jahren Gefängnis, falls sie die
Grün 80 betreten - ein Sinnbild für die
Einschüchterungstaktik der Polizei.
Ich finde überhaupt nicht, dass das übertrieben
war.
Wir haben die Leute darauf aufmerksam gemacht, welche strafrechtlichen
Folgen sie erwarten.
Einerseits unternahm der Kanton alles, um den Bierlauf zu
verhindern, andererseits schickte man Sozialarbeiter auf die Route, die
den Abfall einzusammeln hatten. Wie geht das zusammen?
Wir sind nicht so naiv, dass wir gar keine Teilnehmer
erwarteten.
Die Sozialarbeiter hatten den Auftrag, das Gespräch mit den
Jugendlichen zu suchen und ihnen klarzumachen, dass ihr Verhalten
illegal ist. Das können die Sozialarbeiter noch besser als die
Polizisten, weil sie die Jugendlichen zum Teil kennen.
Tatsache ist doch, dass Sie den Bierlauf verhindern
wollten. Das
ist trotz massivem Polizeiaufgebot nicht gelungen.
Wir sagten nie, dass wir den Anlass komplett verhindern
wollten.
Wir waren auch nicht darauf aus, alle Teilnehmer zu verhaften, die
trotz fehlender Bewilligung am Bierlauf erschienen. Es ging darum,
Gewalttaten und Krawalle zu verhindern. Und das hat geklappt. Wir
konnten verhindern, dass die Jugendlichen in die Grün 80 gelangten.
War es nicht eher der Regen, der die Bierläufer
abhielt?
Das schlechte Wetter kam uns zugute. Entscheidend waren
aber
unsere Appelle an die Jugendlichen, gar nicht erst teilzunehmen, und
die Massnahmen, die wir ergriffen haben.
Politisch ist Ihre Strategie umstritten. FDP-Landrat Siro
Imber
bezeichnete den Einsatz vom Samstag als "krank".
Noch einmal: Uns ging es darum, Ausschreitungen mit
Verletzten zu
verhindern. Das müssen wir uns doch leisten können.
Ihnen wurde vorgeworfen, mit dem Einsatz vorgezogenen
Wahlkampf
zu betreiben.
Ich fühle mich nicht im Wahlkampf. Ich bin
verantwortlich
für die Sicherheit im Kanton. Die Bevölkerung erwartet, dass
es bei uns keine Verletzten und Toten gibt.
Der nächste Lauf ist bereits angekündigt.
Fährt
die Polizei dann erneut so ein?
Die Voraussetzungen wer- den nächstes Mal die
gleichen sein
- ob das nun nächste Woche ist oder in einem Jahr: Der Bierlauf
ist ein bewilligungspflichtiger Anlass. Das heisst, dass auch das
Sicherheitsregime wieder in diesem Umfang ausfallen könnte.
Sie haben mit dem Grosseinsatz ein heikles Präjudiz
geschaffen.
Ist es ein heikles Präjudiz, wenn dank unseres
Einsatzes nur
ein Bruchteil der Bierläufer überhaupt erst in Reinach
erschienen ist? Vergangenes Jahr war allen klar, dass der Bierlauf in
dieser Form nicht mehr stattfinden darf. Deshalb mussten wir handeln.
Was wollen Sie noch mehr? Es ist alles verhältnismässig
abgelaufen.
--
Die Banken waren das Ziel der Kritik
Am 1. Mai wurde nicht nur friedlich für die Rechte
der
Arbeitnehmerinnen und -nehmer demonstriert
Michel Ecklin
Vermummte Jugendliche enteigneten an der 1.-Mai-Kundgebung
am
Samstag symbolisch die UBS-Filiale am Marktplatz. Auch in den Reden
kamen die Banken nicht gut weg.
Das Wort "Banken" fiel auffallend häufig in den
1.-Mai-Reden
am Samstag auf dem Marktplatz. Doch zu Beginn der Kundgebung galt die
Aufmerksamkeit der Demonstrierenden kaum den Rednern. Vielmehr blickten
alle zur UBS-Filiale am Marktplatz. Dort stellten einige schwarz
gekleidete Jugendliche eine ausziehbare Leiter an die Fassade. Sofort
rief die Polizei in Kampfmontur die Menge auf, sich vom Gebäude
fernzuhalten.
Mit "Hoch die internationale
Solidarität"-Sprechgesang
marschierten die - grösstenteils vermummten - Jugendlichen
Richtung Fischmarkt. Ein Aktionist konnte ungestört die Leiter
emporklettern. Unter dem Applaus, aber auch einzelnen Pfiffen der Menge
befestigte er am Balkon des zweiten Stocks ein Transparent mit
folgenden Worten: "UBS enteignen: heute noch symbolisch, morgen…?"
Trotz einiger aggressiver Wortwechsel kam es nicht zu
Handgreiflichkeiten mit der Polizei. Am UBS-Gebäude entstand wie
auf dem ganzen Marktplatz kein Sachschaden. Auf einem Flyer bezeichnete
das "Revolutionäre 1.-Mai-Bündnis Basel" die Aktion als "mehr
als das zurzeit opportune UBS-Bashing und das reformistische Gebell
gegen den Haifischkapitalismus". Die UBS bezeichneten sie als
"Schmiermittel der Profitaneignung".
Während ein Grossteil der Demonstranten zur
UBS-Filiale
blickte, sprach sich auf der anderen Seite des Marktplatzes
Unia-Co-Präsident Andreas Rieger gegen die "Riesenkraken
Grossbanken" aus. Kaum freundlichere Worte hatte die grüne
Nationalrätin Anita Lachenmeier für die Banken übrig.
Diese hätten die Schweiz wie Mäuse ausgehöhlt, bis der
Berg einstürzte. "Und kaum sind sie gerettet, wird wieder
abgezockt." Manche Politiker würden dieses Vorgehen auch noch
rechtfertigen und gleichzeitig den Arbeitern soziale Rechte verweigern.
Stattdessen fordere sie anständige Sozialleistungen für alle,
denn nur das ermögliche ein gutes Leben. "Wir erwarten von den
Banken, dass sie uns das zurückgeben, was sie nehmen", sagte
Lachenmeier unter dem Applaus der Demonstranten. Laut Kantonspolizei
waren es rund 1000 Personen, die trotz Regen von der Mustermesse zum
Marktplatz marschiert waren.
Gastredner. Der Gewerkschafter Carlos H. Reyes aus
Honduras
zeigte einen militanten Willen, nach dem Putsch in seinem Land eine
neue Verfassung einzuführen. "Die Kapitalisten lassen uns glauben,
dass es keine bessere Welt geben kann als die jetzige", sagte er.
"Dabei sind wir es, die ihre Gewinne finanzieren." Er hoffte, die
europäischen Medien würden mehr über den Kampf
berichten, den die Gewerkschaften in Honduras trotz Repression
friedlich führten.
Demonstriert wurde nicht nur in der Stadt. In Binningen
sprach
unter anderen Corrado Pardini, bei der Gewerkschaft Unia für
Pharma und Chemie zuständig, über den Stellenabbau bei
Clariant. Angeprangert wurden zudem die Spitzenboni der Ban- ker und
der Abbau der Arbeitslosenversicherung.
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Chaoten verwüsten Innenstadt
Gewalt. Der Tag der Arbeit wurde in Basel begleitet von
Randalen
und Sachbeschädigungen. Am Samstagabend gegen halb zehn Uhr
versammelte sich auf dem Barfüsserplatz eine Gruppe von rund
hundert Vermummten und zog via Streitgasse, Marktplatz in die
Clarastrasse. Auf ihrem Marsch durch die Innenstadt verschmierten sie
mehrere Liegenschaften und Tramzüge mit Farbe und zündeten
Fackeln an. Vor dem Claraposten eskalierte die Situation, wie
Kriminalkommissär Markus Melzl gegenüber der BaZ sagt. Die
Randalierer schleuderten Farbbeutel, Fahrräder und Stühle
gegen den Polizeiposten. Nachdem sie den Eingangsbereich des
Gebäudes mit einem Molotow-Cocktail in Brand gesteckt hatten,
flüchteten die Vermummten. Das Feuer musste durch die Basler
Berufsfeuerwehr gelöscht werden. Die Polizei nahm wenig
später im Bereich Riehenring 15 Tatverdächtige - 13
Männer und zwei Frauen zwischen 17 und 41 Jahre alt - fest. Gegen
sie wurden Verfahren wegen Landesfriedensbruch und
Sachbeschädigung eingeleitet. Bereits in der Nacht auf Samstag kam
es in Basel zu massiven Sachbeschädigungen. Unbekannte
zündeten in der Rotbergerstrasse und in der St.-Louis-Strasse zwei
Autos der Marken BMW und Mercedes an. Vor einer Autogarage an der St.
Alban-Anlage wurde zudem ein Porsche in Brand gesteckt (Foto). Es
entstand laut Melzl erheblicher Sachschaden. Die Polizei bittet die
Bevölkerung um Hinweise. pra
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Basellandschaftliche Zeitung 3.5.10
Grossaufgebot auf dem Land, Krawalle in Basel
Der Harassenlauf blieb friedlich. In Basel wütete ein
Saubannerzug
Der 1. Mai forderte die Polizei in der Region Basel
heraus. 420
Polizisten sorgten für einen ruhigen Harassenlauf. Einen
Saubannerzug in Basel hatte die Polizei hingegen erst spät unter
Kontrolle.
Andreas Maurer
Der Baselbieter Polizeikommandant Daniel Blumer spricht
vom
"wahrscheinlich schwierigsten Einsatz der Baselbieter Polizei". Der
Grund: Das Einsatzgebiet seiner Leute am Harassenlauf war nicht klar
bestimmt. Daher sei die Aufklärung aus der Luft nötig
gewesen: ein Helikopter kreiste über den Köpfen der
Biertrinker. Dieser Einsatz stellt die Armee dem Kanton nicht extra in
Rechnung. Er gehört zum Kontingent an Flügen des Kantons.
Dennoch ist das Grossaufgebot teuer: Der Einsatz kostet die Baselbieter
Steuerzahler 450000 Franken. 420 Polizisten sorgten dafür, dass
sich der Harassenlauf in geordneten Bahnen abspielte. 200 bis 300
Harassenläufer nahmen eine leicht abgeänderte Route.
Vermummte wüten in der Innenstadt
Ausser Kontrolle geriet die Situation nach den
1.-Mai-Feiern und
nach dem Harassenlauf in Basel. 100 bis 120 Vermummte zogen durch die
Innenstadt. Die Basler Staatsanwaltschaft spricht von einem
Saubannerzug. Häuser und Trams wurden verschmiert, Fackeln und
Knallkörper gezündet. Farbbeutel, Stühle, Fahrräder
und Steine flogen durch die Luft. Ein Molotow-Cocktail setzte den
Eingangsbereich des Clarapostens in Vollbrand.
Nach diesem Angriff flüchteten die Krawallmacher. Die
inzwischen aufgebotenen Polizisten verhafteten 13 Männer und 2
Frauen. Es handelt sich um Schweizer, die in der Region Basel wohnen.
Blumer sieht keinen Zusammenhang zum Harassenlauf. Nachdem sich dieser
aufgelöst hatte, hätten sich die Teilnehmer zerstreut. Einen
Teil der wegen des Harassenlaufs aufgebotenen Polizisten schickte der
Baselbieter Kommandant am Abend zur Unterstützung nach Basel.
Seiten 19, 21, Kommentar rechts
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Deeskalation war die richtige Taktik
Die offizielle 1. Mai-Kundgebung in Basel verlief
friedlich. Vor
allem der Kapitalismus war auf der Anklagebank
Redner aus dem In- und Ausland prangerten an der 1.
Mai-Kundgebung die Auswüchse des Kapitalismus an. Aus der
Wirtschaftskrise seien keine Lehren gezogen worden.
Toprak Yerguz
Die Demonstranten sangen die Internationale und lagen
damit
völlig richtig: Die Basler 1. Mai-Kundgebung war das gemeinsame
Auftreten verschiedener Gewerkschaften, linken und alternativen
Gruppierungen aus der ganzen Welt. Rund 2000 Menschen versammelten
sich, um vom Messeplatz zum Marktplatz zu marschieren. Sie liessen sich
dabei auch vom schlechten Wetter nicht beirren. Die vorgängig
geäusserte Vermutung, die apolitischen Harassenläufer
könnten ihren verbotenen Marsch im 1. Mai-Zug verstecken,
bewahrheitete sich nicht.
Die Gewerkschaften konnten sich für den Marsch den
prestigeträchtigen Platz in der Frontreihe des Demonstrationszuges
vor den autonomen Aktivisten um den revolutionären Aufbau sichern.
Diese machten zu Beginn mit Fackeln auf sich aufmerksam, hielten sich
gesamthaft gesehen aber zurück.
Deeskalation war die richtige Taktik
Es kam nur noch einmal zu einer brenzligen Situation, als
der Zug
den Marktplatz erreicht hatte. Aktivisten erklommen die dort gelegene
Filiale der UBS mit einer Leiter. Die ansonsten sehr zurückhaltend
aufgetretene Polizei rückte mit einem Dutzend Uniformierten vor,
wurde aber von der geschlossenen Front der Demonstranten mit
"Internationale Solidarität"-Rufen zurückgedrängt.
"Wir haben uns für Deeskalation entschieden",
erklärte
später Klaus Mannhart vom Justiz- und Sicherheitsdepartement die
Vorgehensweise. Diese erprobte Taktik der Polizei habe sich in den
letzten Jahren bewährt. Das erwies sich auch in diesem Fall als
die richtige Entscheidung: Die Aktivisten entrollten zwar aus dem
zweiten Stock der UBS-Filiale ein grosses Transparent, das die
Enteignung der Bank forderte. Schäden am Gebäude gab es
jedoch nicht: Es wurde nichts zerstört und es flogen keine
Farbbeutel.
Wie knapp man allerdings einer grösseren
Konfrontation
entging, zeigte sich in der Stadthausgasse. Dort standen zur
Verstärkung der Polizei schwarz gekleidete
Spezialeinsatzkräfte bereit.
Während die Aktivisten mit der Verzierung der
UBS-Filiale
beschäftigt waren, kritisierte Andreas Rieger, Co-Präsident
der Gewerkschaft Unia, das Verhalten der Grossbanken und forderte
Konsequenzen: "Die Casino-Abteilungen müssen geschlossen werden."
Er und seine Mitredner prangerten die Rückkehr der Kapitalisten zu
alten Verhaltensmustern an. "Im letzten Jahr, als die Wirtschaftskrise
ihren Höhepunkt hatte, gelobte die Wirtschaft Besserung",
erinnerte sich Rita Schiavi, Regionalsekretärin der Unia
Nordwestschweiz. Jetzt, nur ein Jahr später, sei alles wie
früher, und es zeige sich: "Die Bürgerlichen haben nichts
gelernt." Die "Profitgier des Kapitalismus" sei nicht nur für
wirtschaftliche Probleme, sondern auch für die Verschmutzung der
Umwelt verantwortlich.
"Arbeit und Natur schaffen Reichtum"
Elif Dogan, Sprecherin der kurdischen Organisationen in
der
Schweiz, pflichtete bei: "Das Gleichgewicht der Natur wird für das
Wohl der Monopolisten zerstört." Der honduranische Gewerkschafter
Carlos Reyes seinerseits mahnte: "Es ist nicht das Kapital, das
Reichtum schafft, sondern Arbeit und die Natur." Anita Lachenmeier,
Nationalrätin der Grünen, sah durch die Gebaren der
Hochfinanz den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet. Nicht
nur in der Schweiz, sondern weltweit: "Die Gier Einzelner bringt die
Völkergemeinschaft auseinander." Sie forderte die Abschaffung des
Unterschieds von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug: "Wir wehren uns
dagegen, dass die Schweiz von ausländischen Steuergeldern
profitiert, die der Bevölkerung anderswo entzogen wurde."
Krawall kam am späteren Abend
Verlief die offizielle 1. Mai-Kundgebung am
Samstagnachmittag
friedlich, kam es am späten Abend zu einigen gewalttätigen
Zwischenfällen. Zwischen 100 und 120 Personen machten sich als
"Saubannerzug" in Richtung Polizeiposten Clara auf den Weg. Dort
angekommen schleuderte eine Person einen Molotowcocktail in den
Eingangsbereich des Clarapostens. Der Brand wurde von der Feuerwehr
gelöscht.
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"Der Staat wäre unglaubwürdig"
Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro wertet den Einsatz
gegen
den Harassenlauf als Erfolg
Sabine Pegoraro glaubt den grossen Teil der
Bevölkerung
hinter sich. Die Kritik einiger Parteikollegen verwundert die
FDP-Regierungsrätin.
Andreas Maurer
Frau Pegoraro, Ihnen wird vorgeworfen, mit Kanonen auf
Spatzen zu
schiessen. Wie rechtfertigen Sie den 450000 Franken teuren
Polizeieinsatz?
Sabine Pegoraro: Es geht um den Schutz von Leib und Leben.
Wir
hatten in den letzten Jahren Schwerverletzte, Messerstechereien, bei
denen einer knapp dem Tod entgangen ist, ein anderer ein Auge verloren
hat. Es ist darum gegangen, Schlimmeres zu verhindern. Wir sind
verpflichtet, die Leute zu schützen, damit es nicht mehr zu so
schlimmen Vorfällen kommt. Daher ist der Einsatz
verhältnismässig. Sonst wäre der Staat
unglaubwürdig.
Aber auch bei Massenveranstaltungen wie der Fasnacht kommt
es am
Rande zu Ausschreitungen, Abfall ist ebenfalls ein Problem und Bier
wird in ähnlichen Mengen wie am Harassenlauf getrunken.
Pegoraro: Kommt es an der Fasnacht zu Messerstechereien,
greift
die Polizei auch ein. Wenn das in einer Gemeinde an der Fasnacht
mehrmals passiert, müsste sich diese Gemeinde überlegen, ob
sie die Fasnacht weiterhin durchführt. Wenn ja, müsste die
Polizei ebenfalls mit einem grossen Aufgebot herbei gezogen werden. Es
ist die gleiche Ausgangslage mit dem Unterschied, dass die Fasnacht
einen Organisator hat, mit dem man die Sicherheitsmassnahmen verhandeln
kann.
Unter den rigorosen Massnahmen hat auch die normale
Bevölkerung gelitten. Die Grün 80 war gesperrt. Dabei
hätten die paar friedlichen Biertrinker doch Platz gehabt neben
den übrigen Leuten.
Pegoraro: Die auf der Wiese spielenden Kinder verletzten
sich
jeweils noch eine Woche nach dem Harassenlauf an Scherben. Die
Parkeigentümerin wollte, dass der Anlass nicht mehr stattfindet.
Die Einschränkung der Bevölkerung war gerechtfertigt, um
Schlimmeres zu verhindern.
Vor dem Gym Münchenstein haben einige Leute
gelärmt und
ans Gebäude uriniert. Wieso haben Sie das Harassenlauf-Verbot dort
nicht konsequent durchgesetzt?
Pegoraro: Das hat man durchgesetzt. Als die Polizei
gekommen ist,
sind sie friedlich abgezogen und haben sogar noch ihren Abfall
mitgenommen.
Trotz Grosseinsatz konnten Sie den Harassenlauf nicht
verhindern.
Wird nun jedes Jahr ein teures Polizeiaufgebot eingesetzt?
Pegoraro: Der Harassenlauf hat nicht stattgefunden. Es kam
ein
Zehntel der Teilnehmer des letzten Jahres. Auf der Route lief niemand,
in der Grün 80 war ebenfalls niemand. Die paar Unentwegten, die
trotzdem gekommen sind, hat man von der Route ferngehalten. Hat der
Harassenlauf stattgefunden?
Ja, in kleinerem Umfang.
Pegoraro: Nein. Sind die Leute die Strecke abgelaufen und
haben
sie in der Grün 80 ihre Harassen aufgestellt? Nein. Der
Harassenlauf hat nicht stattgefunden.
Mit ihrem Einsatz haben Sie sich stark exponiert. Auch
Parteikollegen kritisieren Sie. Schadet das Ihrer Popularität?
Pegoraro: Schauen Sie, wir hatten nach dem letzten
Harassenlauf
dermassen viele Reaktionen aus der Bevölkerung, dass etwas gehen
muss. Wir hatten Schwerverletzte. Das durfte nicht mehr passieren. Wir
sind zum Handeln verpflichtet. Die Leute haben dafür grosses
Verständnis.
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420 Polizisten, 3 Festnahmen
Am 17. Harassenlauf waren mehr Polizisten als Biertrinker
im
Einsatz. Die Polizei riegelte mit 420 Leuten, davon 60 aus anderen
Kantonen, die Reinacher Heide und die Grün 80 hermetisch ab. Der
Grosseinsatz kostet den Kanton 450000 Franken. Die Gemeinden Reinach
und Münchenstein beteiligen sich mit je 50000 Franken. Trotz Regen
und angedrohter Bussen spazierten 200 bis 300 Harassenläufer auf
einer leicht abgeänderten Route (siehe "Sonntag bz"). Drei
Personen wurden festgenommen, zwei wegen Schmierereien und
Beschädigungen. Die dritte Person wurde wieder freigelassen. Die
Verwüstungen, die sich abends in Basel ereigneten, führt die
Polizei auf 1.-Mai-Aktivisten zurück - ohne Zusammenhang zum
Harassenlauf. (öpf)
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Kommentar
Über das Ziel hinaus
Andreas Maurer
Die 420 Polizisten machten am Harassenlauf alles richtig.
Freundlich stellten sich die Beamten den Diskussionen vieler
Jugendlicher. Gegenüber Provokationen zeigten sie sich humorvoll.
Keine Spur vom Bild des grimmigen Polizisten. Auch die 17
Sozialarbeiter beherrschten die Kunst des Dialogs. In erster Linie
blieb der Harassenlauf aber aus einem anderen Grund friedlich: weil die
meisten Harassenläufer friedliche Gesellen sind.
Die Ausschreitungen des letzten Jahres in der Grün 80
wurden
von Leuten verübt, die sich nicht am feucht-fröhlichen Umzug
beteiligt hatten. Stattdessen sind sie später direkt am Zielort
aufgetaucht, auf der Suche nach einem Ventil für ihren Frust. Ob
Fasnacht, FCB-Match oder Streetparade - jede Massenveranstaltung lockt
Trottel an. Ein Totalverbot ist übertrieben. Und auch wenn sich
verantwortliche Organisatoren finden liessen: Eine Prügelei wird
damit nicht verhindert.
Im nächsten Jahr werden wieder hunderte Biertrinker
trotz
des Verbots in Reinach abmarschieren. Bei schönem Wetter wäre
wohl mit über tausend zu rechnen. Sabine Pegoraro müsste
folglich jedes Jahr eine halbe Million Franken für den 1. Mai auf
die Seite legen. Punktuelle Massnahmen wären stattdessen
sinnvoller. Für die Verhaftung von ein paar Schlägern
genügt ein Zehntel des Grossaufgebots vom Samstag. Und dank des
seit Jahren bewährten Einsatzes von Sozialarbeitern kann der
Abfall auf ein erträgliches Mass reduziert werden.
Hundertprozentige Sicherheit gibt es aber nicht. Das zeigt zum Beispiel
der unerwartete Saubannerzug durch die Stadt Basel.
andreas.maurer@bz-ag.ch
---
20 Minuten 3.5.10
Grossaufgebot und Heli gegen Harassenlauf
REINACH. Regen, Verboten und 420 Polizisten zum Trotz
marschierten gegen 300 Teilnehmer den Harassenlauf friedlich auf einer
alternativen Route.
Die Behörden hielten Wort. 420 Polizisten und ein
Armeehubschrauber wurden aufgeboten und 450 000 Franken ausgegeben, um
den Harassenlauf im Zaum zu halten. Laut Polizeikommandant Daniel
Blumer der schwierigste Einsatz, den seine Leute je erfüllen
mussten.
Gegen 300 wetterfeste Bierfreunde kamen zum Anlass. "Wir
werden
einfach eine Alternativroute laufen", sagt die 24-jährige Betty.
Viele kamen, um ein Zeichen zu setzen. "Jetzt ist es ein
Protestmarsch", meint einer. Der zivile Ungehorsam blieb friedlich und
sehr geordnet. Die 17 vom Kanton aufgebotenen Sozialarbeiter mussten
kaum eingreifen. Von Reinach aus zog der Tross durch Quartierstrasen
zum Gymnasium Münchenstein, wo sich das Trinkgelage kurz nach 17
Uhr auf Geheiss der Polizei auflöste. Unterwegs kam es zu drei
Festnahmen wegen kleinerer Vergehen.
Justizdirektorin Sabine Pegoraro zeigte sich am Sonntag
erleichtert. Das Problem Harassenlauf ist aber keineswegs abschliessend
gelöst: Auch nächstes Jahr sei ein solches Polizeiaufgebot
denkbar, sagt Pegoraro. "Wenn damit Schwerverletzte vermieden werden
können, ist das nicht unverhältnismässig", argumentiert
sie. Diese Lösung ist aber kaum befriedigend. Reinachs
Gemeindepräsident Urs Hintermann sieht alle Beteiligten in einer
blöden Situation. "Heute sind wir alle Verlierer", sagte er am
Samstag.
Lukas Hausendorf
---
Sonntag 2.5.10
Regen und Polizei schrecken Bierläufer ab
Trotz Verboten, polizeilichem Grossaufgebot und dem
Einsatz eines
Armee-Helikopters haben 200 bis 300 Unentwegte den traditionellen
Harassenlauf am 1.Mai begangen. Da diese aber mehrheitlich eine
Ausweichroute zum Gymnasium Münchenstein benutzten, blieben
grössere Konfrontationen aus. Zwischendurch kursierten
Gerüchte über Verhaftungen, die die Baselbieter Behörden
bis gestern Abend jedoch nicht bestätigen wollten.
Justizdirektorin Sabine Pegoraro zog ein positives Fazit der
getroffenen Massnahmen. Gegner kritisierten die
Unverhältnismässigkeit und die hohen Kosten des
Polizeieinsatzes. (bz) Seite 51
--
Polizei und Regen reduzieren Harassenlauf
Aus Protest nehmen ein paar Hundert Biertrinker trotz
Verbot am
Harassenlauf teil. Friedlich spazieren sie auf einer anderen Route
Ein Armeehelikopter kreist über Reinach und
Münchenstein. Über hundert Polizisten bewachen in kleine
Gruppen aufgeteilt die Eingänge zur Reinacher Heide. Sie tragen
die gewöhnliche Baselbieter Uniform, keine Kampfmontur. Wie viel
Verstärkung im Hintergrund wartet, hält die Polizei geheim.
Im Vorfeld wurde die Befürchtung laut, das
Grossaufgebot
könnte Krawalle provozieren. Doch Sabine Pegoraro hat dies nicht
den Schlaf geraubt. "Ich habe gut geschlafen", erklärt die
Baselbieter Sicherheitsdirektorin gegenüber der "Sonntag bz". Sie
fühlt sich sogar besser, je näher der Start des Harassenlaufs
rückt. Denn das Wetter ist auf ihrer Seite. Immer wieder giesst es
in Strömen.
Der traditionelle Besammlungsplatz des Harassenlaufs ist
praktisch leer. Mitten auf dem Parkplatz beim Reinacher Schwimmbad
stehen demonstrativ drei Jugendliche mit Bierflaschen. Als Pegoraro
persönlich auf sie zu geht, wird es ihnen zu heiss. Sie zotteln
ab. Dafür suchen kurz darauf drei weitere Jugendliche ihre
Nähe. Sie stossen mit alkoholfreiem Bier neben ihr an - begleitet
von Fernsehkameras und im Blitzlicht der Fotografen. "Jetzt sind wir
endlich prominent!", lacht eine junge Frau. Pegoraro lacht ebenfalls
herzhaft. Die Stimmung ist locker. Gegen ein paar Biertrinker habe sie
nichts, sagt Pegoraro. Nur die Dimensionen der letzten Jahre soll der
Harassenlauf nicht mehr erreichen.
Trotz Regen, viel Polizei und angedrohter Bussen nehmen
ein paar
Hundert Jugendliche den 17.Harassenlauf in Angriff. Der Trupp ist aber
nicht vergleichbar mit den über tausend Teilnehmer der letzten
Jahre. Er startet nicht auf dem Parkplatz, auf dem Pegoraro steht,
sondern auf der nahegelegenen Strasse. Anstatt durch die Reinacher
Heide spazieren die Harassenläufer dieses Jahr auf
Quartierstrassen Richtung Münchenstein. Bis Redaktionsschluss
dieser Seite bleibt der Harassenlauf friedlich und hinterlässt
kaum Abfall. Nach 17 Uhr beginnt sich der Anlass allmählich
aufzulösen.
Das Grossaufgebot der Polizei erntet viel Spott. Die
Messerstecherei des letzten Jahres wird von den angesprochenen
Jugendlichen einhellig verurteilt. Doch auch an der Fasnacht oder an
der Streetparade komme es am Rande zu Ausschreitungen. "Werden diese
Anlässe deswegen verboten?", wundert sich ein junger Mann. Auch
Pegoraros Parteikollege Siro Imber zeigt sich verständnislos.
"Armeeheli gegen Harassenlauf! Wirklich krank", teilt der FDP-Landrat
der Facebook-Gemeinschaft via iPhone mit.
Andreas Maurer
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1. MAI LAUSANNE
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La Liberté 3.5.10
Des autonomes squattent le PS vaudois
1er mai - A Lausanne, quelques manifestants ont
occupé le
siège du PS, faute d'avoir pris celui du POP. Ils ont eu une
vive confrontation avec le municipal Marc Vuilleumier et une brochette
de personnalités socialistes.
Jérôme Cachin
La fête du 1er Mai battait son plein au Casino de
Montbenon
samedi soir. Mais à la Maison du peuple, à 300
mètres de là, c'est une scène bien moins joyeuse
qui se déroulait. Une quinzaine de manifestants autonomes ont
envahi les locaux du Parti socialiste. Cette occupation qui a
duré près de deux heures leur a permis d'obtenir un
face-à-face avec le municipal de la police Marc Vuillleumier au
sujet de leur manif. Une brochette de responsables socialistes
participaient aussi à la rencontre. Alertés, les
policiers lausannois n'ont pas eu à intervenir. Selon nos
observations et les témoignages, aucune violence physique ne
s'est produite lors de cette soirée pourtant tendue.
Il est 20 heures, samedi soir, quand le secrétaire
général du Parti socialiste vaudois (PSV) Arnaud Bouverat
se trouve seul à son bureau, au premier étage de la
Maison du peuple, place Chauderon. "J'étais de passage",
précise-t-il. "Je rangeais du matériel du 1er Mai,
j'imprimais des affiches pour le PS d'Orbe, auquel j'appartiens." Il
ignore encore que quelques participants à la manifestation
d'Action autonome sont venus à la Maison du peuple pour occuper
les locaux du POP, au troisième étage. Ils veulent
rencontrer son seul élu à l'Exécutif lausannois,
Marc Vuilleumier. Bredouilles devant la porte verrouillée, les
autonomes vont vite constater qu'au premier étage, le
siège du PS est ouvert. Ils s'y installent.
Le frigo est pillé
Le secrétaire général du PSV parvient
à canaliser dans la salle de réunion la quinzaine de
personnes, vraisemblablement âgées de 18 à 25 ans.
Les drapeaux PSV accrochés à la façade sont
enlevés et un fumigène est allumé à la
fenêtre. Certains menacent de sprayer de peinture quelques
drapeaux stockés à l'intérieur, mais il les met
à l'abri. Une cornière d'angle est arrachée d'un
mur. Tandis que le frigo est pillé, le secrétaire
téléphone à la présidente du PSV, Cesla
Amarelle, qui relaie le message. Quelques minutes plus tard, les
élus popiste David Payot et Alain Hubler, puis Cesla Amarelle,
la conseillère aux Etats Géraldine Savary, le chef du
groupe parlementaire Grégoire Junod, la présidente du PS
lausannois Rebecca Ruiz et son secrétaire Benoît Gaillard
accourent au siège du parti à la rose.
Tout ce petit monde attend Marc Vuilleumier. Les
occupants, dont
certains étaient déjà alcoolisés en
arrivant, vident des bouteilles de vin et de bières et se font
des cafés. Un autonome fait mine de vouloir uriner sur la
moquette, mais il en est dissuadé.
Les socialistes et les popistes sont
dénigrés par
les autonomes. Malgré des négociations, ces derniers
refusent de rencontrer Marc Vuilleumier ailleurs. Vers 21 h 15,
l'arrivée du municipal popiste de la police calme les esprits.
Il est tout de suite question de la manifestation d'Action autonome
partie de la place de Milan. La discussion devient vite
répétitive et des éclats de voix résonnent
dans le couloir.
Cortège "toléré"
Face à Marc Vuilleumier, les autonomes se plaignent
d'avoir vu les rues barrées par les policiers anti-émeute
aux abords inférieurs de la Gare. Le municipal rappelle que le
cortège - ni autorisé, ni interdit, mais
"toléré" par la municipalité - ne devait pas
franchir les lignes CFF. Les manifestants se sentent trahis, affirmant
qu'ils n'en savaient rien et que l'attitude de la police est "une
déclaration de guerre".
Lors des préparatifs, un membre du comité
officiel
du 1er Mai, œuvrant comme messager entre les autonomes et Marc
Vuilleumier, aurait-il mal transmis les informations? Le plus
sérieusement du monde, les autonomes se plaignent aussi d'avoir
été repoussés par la police, après des jets
de projectiles. Pas moins fâchés qu'à leur
arrivée, ils quittent le siège du PSV vers 22 h 15. I
--
Manif pour Skander Vogt
Une nouvelle manifestation devrait se dérouler
à
Lausanne jeudi soir. Dans un tract non signé, un rassemblement
est fixé à 19h30 à la place Saint-François.
Le texte rappelle les dernières heures de Skander Vogt, mort
dans sa cellule de Bochuz, le 11 mars. Il décrit sa mort comme
le résultat d'un "assassinat" et se conclut par cette phrase:
"Vérité pour Skander Vogt, les anarchistes n'oublient
pas!" JC
--
Un petit défilé officiel et tranquille à
Lausanne
Antonino Galofaro
"S'ils veulent démonter les assurances sociales,
ils
auront la grève générale!" Plus de 300
manifestants ont scandé ce slogan et d'autres dans les rues de
Lausanne samedi en fin d'après-midi. Réunis à 16 h
30 devant le Tribunal fédéral, ils sont partis en
direction de Montbenon. Tranquillement, ils enfilent les places
Saint-François, Bel-Air et Chauderon. Pour terminer leur course
sur l'esplanade de Montbenon. Sous un ciel gris et lourd, le
défilé est passé de justesse entre les gouttes.
Larry Sarrasin, étudiant en gestion de 22 ans et
popiste,
était en bonne ligne dans le cortège: "Cette
journée sert à sensibiliser la population aux questions
sociales, à leur rappeler nos acquis sociaux. Mais je regrette
que les jeunes ne s'intéressent pas plus à ces
problématiques."
Individuellement, très peu de socialistes ont
défilé. La présence la plus remarquée a
été celle du municipal Oscar Tosato. Les bannières
du Parti socialiste lausannois (PSL) et d'UNIA étaient absentes.
Suite à un conflit au sein du comité d'organisation, les
roses et le principal syndicat ont décidé de se retirer
de l'organisation. Une première à Lausanne, de
mémoire de militant. Le 1er Mai 2009 n'avait déjà
pas été rose pour les socialistes. Quelques manifestants
avaient tenté d'empêcher le conseiller d'Etat vaudois
Pierre-Yves Maillard de tenir son discours. Cette année, sur son
stand place Saint-Laurent, jusqu'en milieu d'après-midi, le PSL
vendait des raclettes à 5 francs et récoltait des
signatures pour diverses initiatives.
Retour au 1er Mai officiel. Dans la salle des fêtes
du
Casino de Montbenon, se succèdent au micro Asunta Salvatierra,
du Mouvement des paysans sans terre, un représentant de la
communauté du Kurdistan, un ancien employé de Bobst
licencié récemment, et Valentina, une Colombienne sans
papiers. Elle a défendu l'initiative de la ville de Lausanne en
faveur des apprentis sans papiers: "Si la proposition est
sérieuse, il faut maintenant parler de la régularisation
de ces apprentis", lance-t-elle en faisant l'unanimité.
Avant de passer à la fête multiculturelle,
les
organisateurs ont aussi eu une petite pensée pour "les camarades
autonomes, qui doivent être libérés sur-le-champ."
Le groupe Action autonome s'était donné rendez-vous
à 15 h sur la place de Milan pour son propre cortège.
Capuches et fouloirs noir et rouge étaient de la partie. Vers 16
h et armés de banderoles comme "Le capitalisme est une erreur"
ou "Nous sommes la rage vivante d'une planète mourante", la
centaine d'autonomes avaient démarré. Une soixantaine de
policiers anti-émeutes avaient bloqué les passages
sous-gare. Forcés de descendre l'avenue d'Ouchy, les autonomes
avaient été maintenus sur la place de la Navigation,
avant de se disséminer. Le métro avait été
fermé jusqu'à la gare. Plus d'une cinquantaine de
personnes ont été interpellées,
contrôlées, puis relâchées.
---
24 Heures 3.5.10
Un 1er Mai contre les banquiers
Malgré la pluie, des milliers de manifestants se
sont
réunis samedi en Suisse à l'occasion de la Fête du
travail. Dans l'œil de mire des participants: les bonus et les grandes
banques. Des heurts entre la police et des anarchistes ont
éclaté à Zurich et à Bâle.
Tout avait pourtant bien commencé sur les bords de
la
Limmat. Quelque 8000 personnes ont participé dans le calme au
défilé. C'est une fois la partie officielle
terminée que les heurts ont débuté. Quelque 300
individus encagoulés ont commencé à provoquer la
police. Cette dernière a fait usage de canons à eau et de
balles en caoutchouc. Elle a interpellé 353 personnes, dont
quatorze se trouvaient toujours en détention hier matin. La
manifestation a également dégénéré
à Bâle, où quelque 120 manifestants ont
causé de gros dégâts. La police a
procédé à quinze arrestations.
Ailleurs en Suisse, les défilés se sont
déroulés dans le calme. Lausanne a quelque peu
tremblé lorsqu'une centaine de jeunes autonomes ont voulu
rejoindre le cortège officiel. Les policiers antiémeute
se sont déployés pour les confiner au sud de la ville. Le
cortège officiel a réuni entre 350 et 500 personnes.
--
La manif - alternative matée par la police
Pascale Burnier
1ER MAI - Samedi, une centaine de jeunes
autonomes
ont défié les forces de police dans le sud de la ville et
causé quelques dégâts. Pendant ce temps, la
manifestation officielle a sillonné les rues de Lausanne sans
heurt.
PASCALE BURNIER TEXTE CHRIS BLASER PHOTOS
Une frayeur de courte durée. Samedi, 16 h. La
manifestation non officielle du groupe Action autonome se met en marche
au parc de Milan. Une banderole donne le ton: "Nous sommes la rage
vivante d'une planète mourante. " Une camionnette diffuse de la
musique pendant qu'une centaine de jeunes commencent à scander
leurs slogans. "Hors de la logique des partis et des syndicats!" Suivi
d'un"Revolution"à l'anglaise. Le Grand Conseil a eu beau
interdire le port de cagoules lors de manifestation, plusieurs dizaines
de jeunes avancent masqués.
Les autonomes ont refusé de participer au
défilé officiel qui doit débuter vers 16 h 30 au
centre-ville. A leur arrivée sous le pont de la gare, un cordon
de policiers antiémeute bloque le cortège. La police a
pour mission de ne pas les laisser rejoindre la manifestation
officielle, comme le confirmera un communiqué.
Insultes et jets de pierres
Face aux forces de l'ordre, les esprits
s'échauffent.
Des"puta polizia"sont lancés. Quelques cailloux volent en
direction du barrage de police. Le défilé dévie
son parcours mais, à chaque ruelle, les forces de l'ordre sont
là. Un petit jeu du chat et de la souris contraint les
manifestants à descendre l'avenue d'Ouchy.
La tension monte d'un cran. Des containers sont
projetés
contre des voitures. Des cannettes de bière volent. La vitrine
d'un commerce est brisée. Arrivés devant le Château
d'Ouchy, les autonomes sont encerclés. Dernier sursaut de
résistance, une grande partie des manifestants prend la fuite
entre deux ruelles du bord du lac. Avant de tomber aux mains de la
police. Entre deux, le métro a été interrompu pour
des raisons de sécurité.
Plus de cinquante personnes sont interpellées pour
un
contrôle d'identité. La police embarque quatre
manifestants au poste, qu'elle relâchera en fin
d'après-midi.
Défilé officiel bon enfant
Toute autre ambiance du côté de la
manifestation
officielle. Entre 350 et 500 personnes défilent dans le calme du
Tribunal fédéral jusqu'au parc de Montbenon. Une
trentaine de militants assurent un service d'ordre interne. Seule une
petite action contre le restaurant Manora est menée. Quelques
affiches pour dénoncer le licenciement d'une
déléguée syndicale à Manor.
Entre revendications et fête populaires, le
cortège
rassemble des associations de communautés
étrangères, le syndicat SUD(ndlr:
fédération syndicale des services publics du canton de
Vaud)ou encore celui des Transports lausannois. Un défilé
bon enfant, pourtant sous le signe de la scission. Le Parti socialiste
et certains grands syndicats ont boudé le cortège. Du
jamais-vu jusqu'à ce samedi. En désaccord sur les
questions de sécurité de la manifestation, les roses,
Unia, et d'autres syndicats ont préféré tenir des
stands en ville.
En 2009, le 1er Mai avait eu son lot de
remous. Des
membres de milieux alternatifs avaient empêché Pierre-Yves
Maillard de faire son discours. •
--
Oscar Tosato, un "rebelle" socialiste dans le
cortège
officiel
Medhi-Stéphane Prin
Boycotté par les socialistes pour mésentente
avec
les organisateurs, le cortège officiel du 1er Mai
s'est pourtant offert uneguest starrose. Directeur lausannois de
l'Enfance et de la Jeunesse, Oscar Tosato a bravé la pluie et
son parti. Pourtant, les socialistes avaient notamment claqué la
porte de leur manifestation parce que leurs municipaux s'étaient
vu interdire de discours(24 heuresde vendredi). "Je suis là pour
écouter et soutenir les travailleurs. Je participe au
1er Mai par conviction personnelle, par
fidélité à mes idées. Un municipal doit
aussi savoir être à l'écoute des revendications de
manifestants, même si je peux être durement pris à
partie. " Le magistrat a réussi à séduire
largement l'extrême gauche et les milieux alternatifs, à
moins d'une année des élections communales de mars 2011.
Oscar Tosato devient du même coup
l'événement
politique de ce premier cortège historique du 1er
Mai, sans la présence officielle des socialistes et des
principaux syndicats. L'homme aux scores électoraux canon marque
surtout des points dans sa campagne pour devenir un jour le successeur
de Daniel Brélaz à la tête de Lausanne. La gauche
de la gauche ne fait peut-êtrepas un syndic, mais le municipaldes
Ecoles vient certainement de s'offrir sa bienveillance. Ce
n'était cependant pas le seul ténor socialiste à
avoir bravé la position de son parti. Le député
Jean Christophe Schwaab s'était également glissé
parmi les 500 manifestants. "J'attends vraiment des explications pour
comprendre cette situation surréaliste. " Une perplexité
partagée par plusieurs Verts goguenards. Pour la première
fois, les écologistes étaient plus nombreux que les roses.
Le défilé officiel du 1er Mai
2010 a
beau s'être déroulé sans dégâts, il
n'a pas fini de faire des remous au sein des socialistes. D'autant plus
que le nombre de manifestants n'a pas vraiment souffert de la
défection du premier parti de la gauche vaudoise. M. -S. P.
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1. MAI BERLIN
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NZZ 3.5.10
Berlins Linke blockieren erfolgreich die Neonazis
Grosseinsatz der Polizei gegen randalierende Autonome in
Kreuzberg
In Berlin haben linke Aktivisten eine bewilligte
Kundgebung von
Neonazis blockiert. Das Bürgertum zeigte sich praktisch nicht. In
Kreuzberg kam es wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen.
Ulrich Schmid, Berlin
Warten auf die Nazis. Bei der S-Bahn-Station Bornholmer
Strasse
haben sich schon um elf Uhr morgens etwa 3000 überwiegend linke
Gegendemonstranten versammelt, und jedes Mal, wenn sich ein Zug
nähert, recken sich Hälse: Kommen sie? Sie kommen nicht,
nicht bis halb zwei, und schon macht sich etwas Enttäuschung
breit. Natürlich wäre es schön, wenn die braunen Horden
aufgeben und ihren Marsch abblasen müssten - aber ehrlich:
Wäre es nicht auch schön, ihnen den Marsch zu blasen? Wozu
ist man gekommen?
Friedliche Stimmung
Man sitzt herum, plaudert, raucht ein Pfeifchen. Frauen
sind gut
vertreten, bei den Demonstranten wie bei den Polizisten. Eine
rothaarige junge Demonstrantin klebt mit buchhalterischer Sorgfalt
Zettel, der eine - "Folgt eurem Führer, gebt euch die Kugel" -
leuchtet ein, über den zweiten - "Lieber antifaschistische
Schutzwälle als Faschisten-Aufmärsche" - liesse sich
streiten. Viele tragen Kopfhörer, Genuss ist Pflicht. Wolfgang
Thierse taucht auf und schaut besorgt, und dann radelt, in duftigem
Blauweiss fast wie ein Matrose, der unvermeidliche Hans-Christian
Ströbele heran und gibt ein paar Interviews.
Dann, endlich, kommen sie. Mit markigem Schlachtruf
erklimmen die
Neonazis die S-Bahn-Treppe, fast alle in Schwarz, die meisten mit
Kapuze, Mütze und Sonnenbrille. Brav wie Lämmer lassen sie
sich von der Polizei in Kolonnen zur Bornholmer Strasse eskortieren, wo
ihr bewilligter Zug beginnen soll. Ein paar zeigen den Umstehenden den
Mittelfinger. Frauen sind rar, Nazitum ist Männersache.
Kommunikationsversuche schlagen fehl, man glotzt und schweigt und
schielt missmutig zu den Mietshäusern herüber, aus denen
heraus die Nazis verhöhnt und mit Musik traktiert werden, die sie
hassen.
Marschziel nicht erreicht
Action gibt es an diesem Tag wenig am Prenzlauer Berg. Die
linke
Strategie geht auf, die Rechtsextremen werden von etwa 10 000
Gegendemonstranten blockiert. Da die Nazi-Demo bewilligt ist, muss die
Polizei einige Demonstranten wegtragen; Thierse, der Bundestags-Vize,
kommt den Beamten entgegen und lässt sich hochziehen. Die etwa 500
Neonazis bleiben fast durchweg still, ab und zu nur brechen sie in
kleine Sprechchöre aus. Doch wie erbärmlich klingt "Die
Strasse frei der deutschen Jugend!", wenn drei, vier Polizisten
genügen, um eine Hundertschaft zu stoppen. Immer wieder werden die
Nazis blockiert. Schliesslich geben sie auf und ziehen sich zur S-Bahn
zurück. Eine klare Niederlage.
Das wirklich Bemerkenswerte an diesem Anlass war
allerdings nicht
das Ausbleiben der Gewalt, sondern das Ausbleiben der
Bürgerlichen. Sicher, es gab Aufrufe von Ortsverbänden. Der
Landesvorsitzende der FDP in Berlin Löning sagte, man müsse
klarmachen, "dass wir mit Neonazis nichts zu tun haben wollen", und
viele Unionsmitglieder äusserten sich ähnlich.
Tatsache aber bleibt, dass Bürgerliche bei der
Gegendemonstration kaum zu sehen waren. Natürlich irrte da der
eine oder andere ältere Professor herum, unsicher und linkisch in
der fremden Umgebung, und manifestierte tapfer seine Abscheu. Aber wo
waren die Fahnen der Jungen Union, der Jungliberalen? Anders als in
Dresden im Februar, als eine breite Front der Bürgergesellschaft
die Nazis beschämte, blieb diese Arbeit in Berlin Linken,
Grünen, Sozialdemokraten, den Gewerkschaften und munteren Heeren
der Alternativen überlassen. Berlins Bürgerliche, im Senat
schon lange nicht mehr vertreten, waren sich zu fein, um ihre Villen in
Dahlem, Zehlendorf und Steglitz zu verlassen.
Auch wenn man die Spezifika der "alternativen" Stadt
Berlin in
Rechnung stellt, ist das bedenklich, nicht nur in
staatsbürgerlicher Hinsicht, sondern auch, weil es den absurden,
aber in der linken Szene gerne geäusserten Verdacht einer
bürgerlich-rechtsextremen Konspiration nährt. Auch wirkte
bürgerlicher Protest gegen die linksautonomen Gewalttäter um
einiges glaubwürdiger, wenn man sich auch Nazis in den Weg
stellte. Am Samstagabend kam es in Kreuzberg wieder zu den obligaten
Strassenschlachten, und wieder war zu beobachten, wie unbehelligt und
mit welch fast religiösem Entzücken linksautonome
Gewaltbereite die "Bullen" bei solchen Anlässen jeweils angreifen.
Dass linke Gewalt stark zugenommen hat, ist bekannt; Familienministerin
Schröder ist das Regierungsmitglied, das am eindringlichsten vor
dieser Entwicklung warnt.
Öde Rituale der Gewalt
Die öden Rituale "spielerischer" Provokation waren an
dieser
Maifeier nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Städten zu
beobachten. Vor allem im erzbürgerlichen Hamburg gab es wieder
linke Randale; die Appelle der schwarz-grünen Regierung der
Hansestadt fruchteten ebenso wenig wie die des rot-roten Senats in
Berlin. Die Exzesse dumpfer Toren sind eine durch die Tagespolitik kaum
mehr beeinflussbare "Normalität" geworden. Fassbare Inhalte werden
dabei nicht vermittelt, es geht nur um Fun und Action. Dass die Polizei
dieses Jahr - widerwillig, denn an sich sollte ja dies die
Normalität sein - von einem vergleichsweise friedlichen 1. Mai
sprechen konnte, ist deshalb schierer Zufall: Nächstes Jahr kann
es schon wieder ganz anders kommen.
--
Krawalle in Hamburg
(ddp)
(ddp) ⋅ Bei schweren Ausschreitungen im Hamburger
Schanzenviertel
sind nach Angaben der Behörden am Wochenende insgesamt 28
Polizisten und ein Feuerwehrmann verletzt worden. 13 Geschäfte
seien bei den Krawallen zwischen dem 30. April und dem 2. Mai zum Teil
schwer beschädigt und Fahrzeuge in Brand gesteckt worden,
erklärte der Innensenator Christoph Ahlhaus am Sonntag in Hamburg.
Überwiegend hätten gewaltorientierte Jugendliche randaliert.
Vorwürfe, es seien in der Hansestadt zu wenige Polizisten im
Einsatz gewesen, wies Ahlhaus zurück.
---
linksunten.indymedia.org 2.5.10
Neonazistisches Kesseltreiben am 1. Mai
Verfasst von: Recherche Nord. Verfasst am: 02.05.2010 - 18:14.
Geschehen am: Samstag, 01. Mai 2010.
Die im Vorfeld angekündigten Großaufmärsche von
Neonazis blieben aus. Zu Tausenden wollten sie anlässlich des 1.
Mais 2010 in mehreren Großstädten auf die Straße
gehen. Am Ende kamen nur einige hundert, die sich wiederum mehreren
tausend Gegendemonstrant_innen gegenüber sahen. So wurden in
Berlin, Zwickau, Erfurt, Rostock, Schweinfurt, Hoyerswerda, Solingen
sowie Pirmasens die Aufmarschrouten der Neonazis zeitweise erfolgreich
blockiert, sodass die Aufmärsche teilweise nicht wie geplant
durchgeführt werden konnten. Die Demonstrationen in Erfurt und
Berlin mussten aufgrund der Proteste gar vorzeitig beendet werden.
Die Ankündigungen blieben bis zuletzt optimistisch. Mit bis
zu
3000 TeilnehmerInnen sollte es einer der größten
Neonaziaufmärsche in der jüngeren Geschichte Berlins werden.
Doch am Ende fanden lediglich knapp 900 Neonazis den Weg in die
Bundeshauptstadt. Während sich an der Demonstration im Bezirk
Prenzlauer Berg letztlich etwa 600 der angereisten Neonazis
beteiligten, versammelten sich zeitgleich rund 300 AnhängerInnen
im Westteil der Stadt um eine Spontandemonstration auf dem
Kurfürstendamm durchzuführen. Polizeikräfte verhinderten
dies, indem sie etwa 280 TeilnehmerInnen vorläufig in Gewahrsam
nahmen. Allen Beteiligten werde schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen,
so der Kommentar eines Polizeisprechers. Zuvor hatten die Neonazis
Flaschen auf Polizeikräfte und Gegendemonstrant_innen geworfen.
Unter den festgenommenen Neonazis befanden sich ehemalige AktivistInnen
des verbotenen "Frontbann 24" und führende NPD-Politiker. So wie
beispielsweise Jörg Hähnel, NPD-Bundesvorstandsmitglied sowie
ehemaliger Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Berlin.
Auch der zentrale Neonazi-Aufmarsch im Berliner Bezirk
Prenzlauer Berg
verlief nicht ohne Zwischenfälle. Bereits nach wenigen hundert
Metern erklärten die Organisatoren den Aufmarsch für beendet,
da mehrere tausend Gegendemonstrant_innen die geplante Route
erfolgreich blockierten und ein Weiterkommen der Neonazis somit
verhinderten. Am Rande des Demonstrationszuges kam es in der Folge zu
gewaltsamen Zwischenfällen. So attackierte der
niedersächsische NPD-Aktivist Dieter Riefling einen
Pressevertreter mit gezielten Faustschlägen. Das von der
Polizeigewerkschaft angekündigte Gewaltszenario brach indes nicht
aus. An dem gescheiterten Großaufmarsch beteiligten sich neben
Neonazis aus Berlin und Brandenburg vor allem UnterstützerInnen
aus Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und
Niedersachsen. Kleinere Delegationen aus den Niederlanden, Spanien,
Tschechien, Großbritannien und Italien nahmen ebenfalls an der
Zusammenkunft teil.
Ähnlich wie in Berlin scheiterte eine geplante
Demonstration der
NPD und parteiunabhängiger Neonazis im thüringischen Erfurt
letztlich am Widerstand mehrerer hundert Gegendemonstrant_innen. Die
Demonstration mit einer ursprünglich auf über acht Kilometer
ausgelegten Route wurde nach nur wenigen hundert Metern von der Polizei
für beendet erklärt. Auch hier verhinderten Sitzblockaden ein
Weiterkommen der rund 400 angereisten Neonazis. Unter ihnen befand sich
der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, welcher gemeinsam mit einer
Delegation spanischer Neofaschisten in die thüringische
Landeshauptstadt gereist war. Nach dem vorzeitigen Ende des Aufmarsches
wurde die angereiste AnhängerInnenschaft der Neonaziszene
geschlossen zum Erfurter Hauptbahnhof geleitet. Dort kam es zu
gewaltsamen Zwischenfällen nachdem Neonazis eine
Polizeikette durchbrachen und versuchten sich einen Weg durch die
Gegendemonstrant_innen zu bahnen. Die Polizei setzte daraufhin
Pfefferspray und Schlagstöcke ein.
Im Freistaat Bayern fand während dessen der zentrale
Aufmarsch der
"Jungen Nationaldemokraten" und des sogenannten "Freien Netzes
Süd" statt. Unter dem Motto: "Kapitalismus bedeutet Krieg"
versammelten sich etwa 700 Neonazis im bayrischen Schweinfurt. Wie in
anderen Städten sahen sich deren AnhängerInnen mit
lautstarkem Protest mehrerer tausend Gegendemonstrant_innen
konfrontiert. Als Redner auf der Veranstaltung traten Dennis Giemsch
(Dortmund), Daniel Knebel (Rodenbach), Jürgen Schwab
(Nürnberg), der in Österreich wegen nationalsozialistischer
Wiederbetätigung verurteilte Neonazifunktionär Gottfried
Küssel (Wien) sowie ein Vertreter der "Partei National
Orientierter Schweizer" (PNOS) in Erscheinung. Der außerdem
geplante Aufmarsch in Würzburg fiel indes aus. Zeitgleich
marschierten knapp 90 Neonazis durch das rheinland-pfälzische
Pirmasens. Polizeikräfte schirmten die angereisten Neonazis von
einigen hundert Gegendemonstrant_innen ab. Ursprünglich waren etwa
200 Neonazis in der Stadt erwartet worden. Im
nordrhein-westfälischen Solingen spielten sich ähnliche
Szenen ab. Etwa 700 Menschen protestierten hier gegen eine
Demonstration von rund 30 Neonazis.
Weitere Demonstrationen von Neonazis fanden in den
sächsischen
Städten Zwickau und Hoyerswerda statt. Doch auch hier regte sich
Widerstand. So blockierten in Hoyerswerda Gegner_innen eine Bahnstrecke
und verzögerten dadurch die Anreise der rund 400 Neonazis. Im
sächsischen Zwickau hatten zunächst etwa 1500 Menschen gegen
einen Aufmarsch der NPD demonstriert. Später sorgten Sitzblockaden
für eine erhebliche Verspätung des neonazistischen
Demonstrationszuges, welcher letztlich ebenfalls etwa 400
TeilnehmerInnen umfasste. Aufgrund der ebenso massiven wie
vielfältigen Proteste musste die Demonstrationsroute der Neonazis
schließlich geändert werden. Am Rande des Aufzuges
attackierten Neonazis Gegendemonstrant_innen mit Flaschenwürfen.
Eine weitere Demonstration mit rund 450 TeilnehmerInnen, darunter
nahezu die gesamte NPD-Landtagsfraktion, konnte derweil im
mecklenburgischen Rostock durchgeführt werden. Weit über 1000
Gegendemonstrant_innen begleiteten auch hier den neonazistischen
Aufmarsch.
Insgesamt verbucht die Neonaziszene die diesjährigen
Aktivitäten rund um den 1. Mai als Erfolg. Angesichts des
zunehmend dezentralen Charakters und des massiven Widerstandes scheint
diese Einschätzung jedoch einer zunehmenden
Realitätsverzerrung der Neonaziszene zu entspringen.
Bilder aus Berlin
http://recherche-nord.com/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=452&Itemid=149
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http://www.1-mai-nazifrei.tk/
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/foto/_bin/index.php/Berliner+Zeitung/triumph_der_linken/1
http://www.youtube.com/results?search_query=youtube+1.+mai+nazifrei+berlin&aq=f
Nazis raus (Nosliw)
http://www.youtube.com/watch?v=7E8kwZInH4U
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GEWALT-DEBATTE SG
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Südostschweiz 4.5.10
"Super, die Polizei rennt mir nach!"
Gewalttätige Jugendliche sind und haben ein Problem.
Dass in
Sachen Jugendgewalt Hopfen und Malz nicht verloren sind, führte
der anerkannte Fachmann Allan Guggenbühl an der Versammlung der
Kantonspolizisten in Jona aus.
Von Daniel Wagner
Rapperswil-Jona. - Der von Raphael Kühne geleitete
Verband
Kantonspolizei St. Gallen (VkapoSG) hielt am Freitag im Stadtsaal des
Gasthofes "Kreuz" in Jona die 103. Hauptversammlung ab. Vor den 62
Stimmberechtigten und Gästen aus Politik und Staatsanwaltschaft
thematisierten gleich drei hochrangige Persönlichkeiten die Themen
Sicherheit und Jugendgewalt.
Doppelspurigkeiten ausmerzen
Regierungsrätin Karin Keller-Sutter kam auf die
thematisierte Zusammenlegung der Stadt- und Kantonspolizei zu sprechen.
Im Hinblick auf Sparbemühungen des Staates sagte die Vorsteherin
des Sicherheits- und Justizdepartements: "Ich verstehe nicht, dass sich
die Schweiz nach wie vor den Luxus von nebeneinander bestehenden, teils
schlecht aufeinander abgestimmten Sicherheitsorganisationen leistet."
Doppelspurigkeiten gebe es beispielsweise bei der Zusammenarbeit mit
dem Grenzwachtkorps und der Bahnpolizei. Der Steuerfranken werde in
diesem Land noch nicht optimal zu Gunsten der Bürgersicherheit
eingesetzt.
Oberst Alfred Schelling, Kommandant der Kantonspolizei St.
Gallen, beleuchtete die öffentlich gemachte Aktion "Stopp der
Gewalt gegen die Polizei". Gewalt und Drohung gegen Polizei,
Strafverfolger und Beamte würden laufend zunehmen. "Das muss
Konsequenzen für die Täter haben", betonte er vehement.
Toleranz sei hier fehl am Platz
Sehnsucht nach Gegenspieler
Über Repression gegenüber gewalttätigen
Jugendlichen referierte der gefragte Fachmann Allan Guggenbühl,
Leiter und Gründer des Instituts für Konfliktmanagement und
Mythodrama. Er beleuchtete in seinen packenden, lebensnahen und von
einer Prise Humor geprägten Ausführungen die Denkweise der
Jugendlichen. Er gab wertvolle Inputs zuhanden der Polizeikräfte
weiter, welche mit randalierenden Jugendlichen konfrontiert werden.
"Jugendgewalt ist nicht etwa ein neues Phänomen",
betonte
der Referent. "Diese gab es bereits im Mittelalter." Dass die
allgegenwärtige Jugendgewalt ernst zu nehmen ist, weiss
Guggenbühl nur zu gut. Er beleuchtete die Vielfalt der
Erscheinungsbilder (Bandengewalt, Streiche, einzelne Vorfälle). Da
sei beispielsweise die Sehnsucht der Jugend nach einem Gegenspieler.
"Super, die Polizei rennt mir nach!" Diese Schilderung liess so manchen
im Saal schmunzeln. "Der öffentliche Raum wird zur Wildbahn, die
Gewalt zum Initiationsakt, die Nacht auf der Hauptwache zur Heldentat."
"Jugendliche haben durchaus das Verlangen nach
Auseinandersetzung. Dabei sind Respekt, Ehre und Gesprächskultur
wichtig." Als erstes werde der fehlbare junge Delinquent in der
Therapie als Täter angeschaut, all seinen Ausflüchten und
Verteidigungsversuchen zum Trotz. Interessanterweise stehe die Polizei
auch als Projektionsträger da. "Fehlbare junge Menschen sind von
der Polizei fasziniert und äussern nicht selten diesen
Berufswunsch", so Guggenbühl. Seinen Zahlen zufolge stirbt die
Hoffnung zuletzt: "In sieben bis acht Fällen gelingt es, strafbare
Jugendliche wieder auf die richtige Bahn zu bringen."
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NEONAZIS
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NLZ 4.5.10
Triengen
Hakenkreuz-Schmierereien an orthodoxer Kirche
Jan Flückiger
Die mazedonisch-orthodoxe Kirche in Triengen wurde mit
Nazi-Symbolen versprayt. Steckt eine nationalistische Gruppe dahinter?
Hakenkreuze und Zahlensymbole, die von rechtsextremen
Gruppierungen verwendet werden: Solche Schmierereien entdeckte ein
Mitglied der neuen mazedonisch-orthodoxen Kirche in Triengen am
Sonntagmorgen - und schaltete die Polizei ein. Die Sprayereien an der
Fassade in roter und blauer Farbe deuten auf rassistischen Hintergrund
hin. Die Zahlenkombinationen "88" ("Heil Hitler") und "848" ("Heil Dir
Helvetia") verwenden rechtsextreme Kreise, zum Beispiel die
"Bruderschaft 848". Auf deren Homepage wirbt sie mit dem Slogan "Wir
sind der nationale Widerstand, wir sind das Volk."
Die Täterschaft, die auch eine elektronische
Vorrichtung zur
Fensteröffnung demolierte, ist gemäss gestriger
Polizeimitteilung noch unbekannt. "Wir ermitteln in alle Richtungen",
sagt der Sprecher der Strafuntersuchungsbehörden, Simon Kopp. Die
Polizei sucht Zeugen (siehe Hinweis).
"Erschüttert und enttäuscht"
Der Gemeindepräsident von Triengen, Georg Dubach, ist
"erschüttert und enttäuscht". Es habe noch nie Probleme
gegeben mit den Mazedonisch-Orthodoxen. Deren Mitglieder seien sehr
zuvorkommend. Auch aus der Bevölkerung habe er bisher keine
negativen Reaktionen gespürt. Dubach vermutet hinter den
Schmierereien eher einen Zusammenhang mit anderen Vandalenakten an den
Dorfeingängen vom 1. Mai. "Sollte der Hintergrund tatsächlich
rassistisch sein, wäre das völlig neu für die Region."
Die neue Trienger Kirche ist die einzige
mazedonisch-orthodoxe in
der Deutschschweiz und noch gar nicht offiziell eingeweiht. Die
Gottesdienste finden bis zur Fertigstellung im Zelt nebenan statt.
Anzeige erstattet
Vorläufig steht laut Simon Kopp lediglich
Sachbeschädigung als Tatbestand fest. Die Kirchgemeinde hat
Anzeige erstattet. Falls die Tat tatsächlich rassistische Motive
hat, könnte auch ein Verstoss gegen die Rassismus-Strafnorm
vorliegen.
Wie die Gemeinde Triengen weiter vorgehen wird, ist noch
unklar.
"Ob es besondere Massnahmen braucht, wird sich zeigen. Die
Kirchgemeinde kann aber auf unsere Unterstützung zählen",
verspricht Gemeindepräsident Georg Dubach. Bei der
mazedonisch-orthodoxen Gemeinde war gestern niemand erreichbar.
Hinweis: Telefon Luzerner Polizei: 041 248 81 17.
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Basler Zeitung 3.5.10
Hakenkreuze auf Moschee geschmiert
Rheinfelden (D). In der Nacht auf Sonntag, zwischen 22.30
und
05.00 Uhr, haben Unbekannte Hakenkreuze auf mehrere Wände der
Moschee in Rheinfelden, Schafmatt, gesprüht. Ausserdem haben die
Täter drei Fenster mit Steinen eingeschlagen. Die Polizei
berichtet zudem vom Schriftzug "Sieg", der an einer Hauswand angebracht
worden sei. Die Kriminalpolizei Lörrach hat den Fall
übernommen. Der entstandene Sachschaden ist noch nicht bekannt.
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UELI MAURER
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Indymedia 4.5.10
6. Mai: Protest gegen Ueli Maurer an Uni ZH! ::
AutorIn : Uni von Unten
Protestkundgebung von Uni von Unten anlässlich Ueli Maurers
Besuch
an der Uni
UELI MAURER AN DER UNI - GAHT'S EIGENTLICH NO?
Donnerstag, 6. Mai
17:30 Uhr
Haupteingang Uni-Zentrum Zürich
UELI MAURER AN DER UNI - GAHT'S EIGENTLICH NO?
Dass die Uni ein Ort ist der freien Debatte, wo sich das bessere
Argument durchsetzt, ist nach wie vor eitel Wunschdenken. Hier wird
auch immer Wissenspolitik betrieben und ideologischer Konsens
hergestellt. Im Zweifelsfall zählen an der Uni die Argumente der
Macht, nicht die Macht der Argumente. Ein krasses Beispiel dafür
ist das Schweizerische Institut für Auslandforschung (SIAF),
welches direkt von der Privatwirtschaft bezahlt wird und unter
Vorgaukelung von Wissenschaftlichkeit allerlei Grossunternehmern und
rechtsbürgerlichen Politikern die Möglichkeit bietet, im
akademischen Dekor Selbstbeweihräucherung und grossspurige
Propaganda zu betreiben. Der aktuelle Stargast des SIAF ist kein
Geringerer als Verteidigungsminister Ueli Maurer. Ueli Maurer sieht
zwar drollig aus und gibt auch gerne den gmögigen Onkel, seine
Politik indessen ist alles andere als gemütlich: Ob er nun die
Kriegsmobilmachung von 1939 abfeiert (statt z.B. das Ende des Krieges),
staatliche Zuschüsse für die Rüstungslobby absegnet oder
über die "beste Armee der Welt" fabuliert, Maurer lässt
keinen Zweifel an seinen Absichten aufkommen. Am 6. Mai darf er sich an
der Uni über Sicherheitspolitik ausbreiten. Worum es dabei gehen
wird, dürfte klar sein: Die Verschärfung der globalen Krise,
Ressourcenknappheit und andere drängende soziale Probleme werden
zu einer sicherheitspolitischen Frage umdefniert, welche
militärische Antworten verlangt. Oberbuhmann und Hauptbedrohung
ist da natürlich der Islamismus, der die Begründung hergeben
soll für eine verstärkte Bewaffnung gegen innen und aussen.
Wir wollen nicht einfach zuschauen, wenn an der Uni Werbung
gemacht
wird für militärisches Krisenmanagement. Keine SVP-Politiker
an der Uni.
Keine Plattform für Ueli Maurer. Kommt alle zur
Protestkundgebung
Datum: 06. Mai
Uhrzeit: 17:30
Ort: Haupteingang Unizentrum
http://www.unsereunizh.ch/Veranstaltungen/view/Date/20100506/viewtype/details/eid/85
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ANTI-ATOM
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Langenthaler Tagblatt 3.5.10
Bund blickt weiter auf den Jurasüdfuss
Atom-Endlager Gemeinden liessen sich in Aarau orientieren - ein
Gegengutachten wurde vorgestellt
Gut 70 Behördenvertreter aus dem Niederamt und dem
Raum
Aarau waren in Aarau erschienen, um sich über ein mögliches
Endlager am Jurasüdfuss informieren zu lassen. Fazit: Obwohl nicht
die "Nummer eins", ist die Region nach wie vor im Rennen.
Beat Wyttenbach
Die "Plattform Jurasüdfuss", Brückenbauerin
zwischen
Gemeinde- und Bundesbehörden, hatte die Vertreter der 50 sich im
Planungsperimeter befindlichen Gemeinden nach Aarau eingeladen, um
über den neusten Stand der Dinge bezüglich eines
möglichen Endlager-Standorts Jurasüdfuss zu informieren;
anwesend waren zudem diverse Spezialisten der Nationalen Genossenschaft
für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) und des
Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI).
ENSI-Chemieexperte Hans Wanner erläuterte die
Beurteilungskriterien, die Nagra und ENSI bezüglich des Standorts
Jurasüdfuss vorgenommen hatten. Das ENSI, das insgesamt die
Kriterien etwas schärfer begutachtete als die Nagra, hatte
festgehalten, dass die Eigenschaften des Opalinustons und der Effinger
Schichten als Wirtegesteine günstig seien und dass "eine optimale
Anordnung der Lagerkavernen möglich" sei. Ebenfalls günstig
sei die Langzeitstabilität des Untergrundes. Weniger günstig
sei das Verhalten der Wirtegesteine in Bezug "auf den Aufbau von
erhöhten Gasdrücken durch Metallkorrosion" der gelagerten
Behälter sowie in Bezug "auf die Auflockerungszone im Nahbereich
der Untertagebauten". Ferner weise die Umgebung "ein gewisses Potenzial
zur Nutzung von Geothermie" auf, wodurch es "zu Nutzungskonflikten
kommen könnte".
"Tektonisch komplexe Zone"
Als ebenfalls nur bedingt günstig werten Nagra wie
ENSI die
bautechnische Eignung aufgrund erschwerter Bedingungen für die
untertägige Erschliessung und die Wasserhaltung. Es sei
anspruchsvoll, einen solchen Tunnel zu bauen, hielt Wanner fest, und er
gab zu, dass der Wellenberg und die Region Jurasüdfuss in mehreren
Bereichen ungünstigere Bewertungen erfahren hätten als die
übrigen vier zur Diskussion stehenden Standorte. Detailliertere
Aussagen könne er aber nicht machen; die Vor- und Nachteile
würden erst in Phase 2 abgewogen, die im kommenden Jahr beginnt.
Dass sich die Region Jurasüdfuss für ein Endlager nur bedingt
eignet, war auch den Ausführungen von Martin Herfort zu entnehmen.
Der Fachexperte Sektion Geologie beim ENSI zeigte auf, dass es sich
beim Gebiet um eine "tektonisch komplexe Zone" handle, deren Grenzen
weitgehend durch Bruchstrukturen vorgezeichnet seien. Zudem sei die
Lagerung der Schichten weniger gleichmässig - sprich:
schräger - als in anderen Gebieten. Er zeigte dabei klar die
Unterschiede der beiden möglichen Standorte auf: des
opalinustonhaltigen Bereichs im Raum
Winznau-Obergösgen-Däniken und der Effinger Schichten im Raum
Gretzenbach-Entfelden-Kölliken.
"Jurasüdfuss zu wenig erforscht"
Mark Eberhard, Geologe und Fachexperte der Plattform
Jurasüdfuss, stellte quasi ein "Gegengutachten" zu jenem des ENSI
vor. In diesem hielt er fest, dass die tektonischen Verhältnisse
im Bereich Jurasüdfuss noch weitgehend unbekannt seien.
Antiklinale Öl- und Gasaustritte in den Molasseschichten entlang
der Störzonen wiesen auf eine "starke tektonische Beanspruchung"
der Region hin. Insgesamt sei die geologische Untersuchungsbasis des
Gebiets als "zu dürftig" zu bezeichnen, und ein Vergleich mit den
anderen Standorten sei "aufgrund der unterschiedlichen
Untersuchungsbasis nicht möglich". Wanner bemerkte dazu lediglich,
dass die Region Jura-südfuss aufgrund des ENSI-Gutachtens die
Kriterien für ein Endlager weiterhin erfülle. Daraufhin wurde
er von Eberhard hart angegangen. Er könne doch zugeben, dass mit
diesem Gutachten das Gebiet Jurasüdfuss als Endlager-Standort vom
Tisch sei. Doch Wanner weigerte sich, entsprechende Bemerkungen zu
machen.
Auch beim Apéro wurde klar: Zwar scheint die Region
Jurasüdfuss aus geologischen und bautechnischen Gründen nicht
erste Wahl zu sein. Doch man traut dem Frieden nicht und glaubt sich
noch nicht aus der Schusslinie. "In Phase 2 gelten andere Kriterien",
meinte etwa Markus von Arx, Gemeindepräsident von Erlinsbach SO,
vielsagend. Eines dieser Kriterien könnte beispielsweise die
politische Akzeptanz sein. Wie hoch diese im Niederamt und im Raum
Aarau ist, dürfte das nun einsetzende Mitwirkungsverfahren an den
Tag legen. Doch besteht die Möglichkeit, dass ein Endlager einst
dort zu stehen kommt, wo der Widerstand am geringsten ist.