MEDIENSPIEGEL 21.5.10
(Online-Archiv:
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, Kino)
- Rathouse Records im Breitenrain wiedereröffnet
- Demorecht: Die Entfernungsartikel-Utopien des Initiativkomitees
- RaBe-Info 20.+21.5.10
- Deisswil: Eklat bei Sozialplan-Gesprächen
- Stadtentwicklung: Picnic Kritik Biel 19.6.10
- Bilanz Libertäre Büchermesse
- Autonome Schule ZH: Kurzfilm von a-films
- Gefangene ZH: nach 3 Wochen frei
- Police ZH: Datensammelwut in der Kritik
- Homohass: Vergewaltigung von Lesben in Südafrika; Homoeheverbot
Malawi; Verbot Moskauer Pride
- Big Brother Sport BS: FCB unter Fackel-Verdacht
- Big Brother Sport SG: Scheissstimmung
- Hooligan und Polizist Seelenverwandte? Ein Buchtipp.
- Ausschaffungs-Intiative: SP für Gegenvorschlag
- Neonazi-Prozess SO: in 41 von 42 Anklagepunkten schuldig
- Anti-Atom: AKW-Standort-Einigung in Sicht; Stromnetzfrage
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REITSCHULE
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Fr 21.05.10
20.30 Uhr - Tojo - "Fische in Griechenland ...und dann mussten wir die
kranke Wildsau pflegen" von Sans Cible.
21.00 Uhr - Kino - Cash & Marry, Atanas Georgiev, Österreich
/Kroatien / Mazedonien, BETA SP
22.00 Uhr - Grosse Halle - UNREAL - drum&bass festival: CHASE &
STATUS DJ SET (UK), & MC RAGE (UK), LTJ BUKEM (UK), & MC CONRAD
(UK), DIESELBOY (USA), ED RUSH (UK), MC RYMETYME (UK), Deejaymf
(cryo.ch), VCA (biotic
rec.), Andre
(loccomotion), Oliv (loccomotion),
Toni B(silent extent), MC Badboy (family business)
Sa 22.05.10
20.30 Uhr - Tojo - "Fische in Griechenland ...und dann mussten wir die
kranke Wildsau pflegen" von Sans Cible.
21.00 Uhr - Kino - Cash & Marry, Atanas Georgiev, Österreich /
Kroatien / Mazedonien, BETA SP
22.00 Uhr - Dachstock - Plattentaufe: Steff la Cheffe
"Bittersüessi Pille", Support: Lo & Order, DJ Kermit
22.00 Uhr - Grosse Halle - DEKADANCE: SVEN VÄTH World Tour 2010
So 23.05.10
19.00 Uhr - Tojo - "Fische in Griechenland ...und dann mussten wir die
kranke Wildsau pflegen" von Sans Cible.
20.30 Uhr - Dachstock - Dachstock & Bee-Flat present: Jimi Tenor
& Tony Allen with Band (FIN/NIG/USA/D) & Da Cruz (BRA/CH)!
Mo 24.05.10
20.30 Uhr - Rössli - Lesung: Eugene S. Robinson (from Oxbow)
reading from his novel "A Long Slow Screw"
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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20 Minuten 21.5.10
Steff la Cheffe fliegen die Fan-Herzen zu
BERN. Steff la Cheffe sammelt derzeit Fans wie kein anderer
Newcomer.
Nach einem Auftritt bei "Aeschbacher" und einem grandiosen
Charteinstieg folgt bei der Berner Rapperin mit ihrer Plattentaufe die
nächste Sammelaktion.
Steff la Cheffe und ihrem Debüt-Album "Bittersüessi
Pille" fliegen die
Fanherzen zurzeit nur so zu. Diese hievten das Meitschi usem Breitsch
letzten Sonntag auf Platz sieben der Schweizer Album-Hitparade und
machten die Rapperin so zur höchstplatzierten Newcomerin in dieser
Woche. "Völlig unerwartet", kokettiert die Überfliegerin.
"Mein
Produzent Dodo und ich sahen uns in den Top 30, aber Platz sieben- das
ist schon sehr krass", freut sich die 23-Jährige.
Fans gewonnen hat sie auch danach. Mit ihrem
charmant-schlagfertigen
Auftritt in der SF-Sendung "Aeschbacher" am Donnerstag nach der
Platzierung trumpfte die selbstbewusste Rapperin sogar bei älteren
Frauen. Und bei einer ganz besonders: "Seit der Sendung ist selbst die
Grossmutter eines Kollegen ein Fan", erzählt Steff. "Er wollte
sogar
eine Autogrammkarte für sie", witzelt sie.
Die nächste Sammelaktion startet die Bernerin schon morgen,
wenn sie
ihr hochgelobtes Album tauft. Begleitet wird die Chefin von ihrer neuen
Band und Featuring-Partnern wie Dodo, James Gruntz oder Brandy Butler.
Support-Act ist Lo & Leduc, ein weiterer vielversprechender Berner
Rap-Act. Im Vorfeld heizen die DJs Kermit und Thrilling ein,
während
die Goldfinger Brothers die After-Party schmeissen.
Pedro Codes
Sa, 22.5., 22 Uhr, Plattentaufe - Steff la Cheffe, Dachstock.
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work 21.5.10
Filmische Abrechnung mit dem Neoliberalismus
Die Einkreisung
Vom Mont Pèlerin über Bretton Woods bis nach
Griechenland: Ein spannender Film folgt der neoliberalen
Verwüstungsspur.
Matthias Preisser
Arbeitslose sollen von individuell angespartem Vermögen
statt von der
Arbeitslosenversicherung leben, denn diese Sozialversicherung mache
Arbeitslosigkeit nur attraktiv. Das sagt nicht irgendein
marktgläubiger
Spinner, das sagt der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Jean-Luc
Migué. Er ist einer der führenden Exponenten der Neuen
Politischen
Ökonomie und leitender Wissenschaftler am Fraser Institute in
Montreal,
einem neoliberalen Think-Tank. Weiter ist Migué Mitglied der
äusserst
einflussreichen Mont Pèlerin Society. Dieses Netzwerk stand am
Anfang
des Siegeszuges der neoliberalen Ideologie. Gegründet wurde es
1947 vom
österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek.
Und damit ist man mitten im Kernthema des Films "L'Encerclement"
(die
Einkreisung), aus dem Migués Zitat stammt. Der frankokanadische
Regisseur Richard Brouillette versucht nichts anderes, als die
Geschichte des Neoliberalismus, seine Thesen und deren Auswirkungen
kritisch und umfassend darzustellen. Das Vorhaben ist ambitioniert und
gigantisch. Entsprechend ist der Film 160 Minuten lang geraten. 160
Minuten nichts als Interviews mit 13 Köpfen. Rund ein Drittel von
ihnen
sind Vertreter des Neoliberalismus. Die Mehrheit der Zeit gehört
aber
den Kritikern und mit der französisch-amerikanischen Politologin
Susan
George auch einer Kritikerin.
Handfeste Ideologie
Die fast dreistündige filmische Vorlesung wird nicht einen
Moment
langweilig. Dafür sorgt einerseits die formale Strenge des Films:
Er
arbeitet mit ruhigen, klaren Schwarzweissbildern und langen
Einstellungen. Dazu kommt die strenge Gliederung in zwei Teile von je
fünf Kapiteln, wobei jedes Kapitel durch einführende
Texttafeln vom
anderen getrennt ist.
Andererseits fesselt einen vor allem die Erzählung des
Films. Sie
entlarvt den Neoliberalismus als wackliges ideologisches Konstrukt. Und
zeigt, wie sich die neoliberale Ideologie nicht nur in Politik und
Wirtschaft, sondern bis in unsere Köpfe breitgemacht hat.
Regiesseur
Brouillette geht von einem Aufsatz Ignácio Ramonets aus. Der
damalige
Chefredaktor der französischen Monatszeitung "Le Monde
diplomatique"
hatte 1995 in seinem Aufsatz "La pensée unique" festgehalten,
wie der
Neoliberalismus zu einem "neuen Einheitsdenken" geführt hat.
Eindrücklich schildert dies der kanadische
Erziehungswissenschaftler
Normand Baillargeon. Er beschreibt, wie selbst Betroffene, die wegen
dem Profitdenken ihre Stelle verloren haben, ihre Entlassung als
notwendig verstehen und einfach hinnehmen.
Geradezu wie ein Wirtschaftskrimi fühlt sich die Szene an,
in der der
kanadische Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Michel Chossudowsky
schnell und plastisch erklärt, wie in der Asienkrise 1997 gegen
die
südkoreanische Währung Won spekuliert wurde. Und wie sich die
Spekulanten so nicht nur die koreanische Wirtschaft einverleibten,
sondern gleich auch noch die Rettungsgelder von IWF und Weltbank.
Brouillettes Film wurde vor dem Ausbruch der Finanzkrise produziert.
Kein Problem: Die gleichen Mechanismen laufen heute im Fall der
Griechenland- und Euro-Krise ab.
L'Encerclement - Die Demokratie in den Fängen des
Neoliberalismus:
Stadtkino Basel: So, 30.5.10, 20.30 Uhr.
Kino in der Reitschule Bern: Do, 27.5.10, 20.30 Uhr; Fr, 28.5.10, 21.00
Uhr; Sa, 29.5.10, 21.00 Uhr.
Kellerkino Bern: ab So, 30.5.10 jeden So um 11.00 Uhr.
Filmpodium Zürich: ab Do, 10.6.10. Diskussionsrunde zum
Neoliberalismus: Fr, 11.6.10 um 18.30 Uhr.
Die DVD kostet Fr. 36.- und ist erhältlich bei www.artfilm.ch.
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RATHOUSE RECORDS
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BZ 21.5.10
Rathouse Records im Breitenrain
Daniel Sutter verkauft ein Stück Nostalgie
Nach sechsjähriger Pause hat Daniel Sutter seinen
Schallplattenladen Rathouse Records im Breitenrain eröffnet.
Daniel Sutter ist eine Plattenratte. 6000 Vinylscheiben hat der
Sozialarbeiter in seiner Wohnung im Breitenrain untergebracht. Und
jetzt teilt der 50-Jährige sein Wohnzimmer mit anderen
Nostalgikern. Er
hat im angebauten Ladenraum seiner Wohnung nach sechsjähriger
Pause
seinen Schallplattenladen Rathouse Records wiedereröffnet. Das
Geschäft, welches sich zuvor in der Rathausgasse befand, bleibt
auch
jetzt ein zweites Standbein: Leben kann der langjährige Discjockey
von
seiner Leidenschaft nicht. Seine Brötchen verdient er im
Gesundheitswesen, freitags und samstags steht er hinter der
Verkaufstheke des Plattenladens.
Sammler und Discjockey
Das Schaufenster fällt auf. An einer Wäscheschnur
hängen Scheiben von
Led Zeppelin, Janis Joplin und Baby Woodrose. Zwischen Wohnhäusern
eingeklemmt, verirrt sich kaum Laufkundschaft in den Laden von Sutter:
"Von dieser habe ich sowieso nie gelebt. Hier stöbern Sammler und
DJs."
Und selten sogar Bands, deren Platten im Laden stehen. Sutter kann
manche Anekdote erzählen. Eine besondere Freundschaft verbindet
ihn mit
der Band Baby Woodrose aus Kopenhagen, welche den ehemaligen Laden in
der Altstadt besuchte.
Trotz iTunes und anderen digitalen Musikanbietern machte Sutter
in den
letzten Jahren wieder vermehrtes Interesse an den nostalgischen
Musikträgern aus. "Zum einen haben die neuen Vinylplatten dank der
Technologie bessere Tonqualität", nennt er einen Grund für
die
Entwicklung. "Zudem wollen die Leute wieder etwas in der Hand haben.
Viele Musiklabels geben sich grosse Mühe, schöne
Schallplattencovers zu
kreieren." Wenn man zudem die Möglichkeit habe, die Songtexte
nachzulesen, gewinne man einen anderen Bezug zur Band, ist Sutter
überzeugt.
"Splendid" ist Rarität
Zwar stehen in Sutters Kisten Scheiben aller Musikrichtungen,
aber
spezialisiert ist er auf Rock. Sogar ein Buch hat er geschrieben
über
psychedelische Rockmusik, und jeden zweiten Mittwochabend moderiert er
auf Radio RaBe eine Sendung über Indie-Rock.
Etwa 500 Platten liegen im Laden. Diese bezieht er von
Börsen und
Flohmärkten, oder er bestellt sie im Internet. Er bietet nicht nur
gebrauchte, sondern auch neue Schallplatten an. Rarität hat er
zurzeit
keine im Laden. Sutter als Sammler ist aber schon lange auf der Suche
nach einem erschwinglichen Exemplar der allerersten
Züri-West-Single
"Splendid". Diese Seltenheit wechselt, laut Sutter, seinen Besitzer
selten unter 400 Franken.
Annina Hasler
Rathouse Records, Elisabethenstrasse 33, 3014 Bern. Offen:
freitags und samstags zwischen 13 und 17 Uhr. 031 9711902.
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DEMO-RECHT
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Bund 21.5.10
Gewaltprävention zum Nulltarif
Das Initiativkomitee "Keine gewalttätigen Demonstranten!"
will mit dem
Entfernungsartikel die Polizeiarbeit vereinfachen und setzt auf
präventive Wirkung.
Christian Brönnimann
"Wir sind nicht gegen Demonstrationen, aber es gibt kein Recht
auf
Gewalt." So drückte Erwin Bischof, Mitglied des Komitees "Keine
gewalttätigen Demonstranten!" gestern vor den Medien seine
grundsätzliche Haltung aus. Der Entfernungsartikel, über den
die
Stadtberner Stimmbevölkerung am 13. Juni befinden wird, gebe der
Polizei "ein bisschen mehr Kompetenz", wenn es darum gehe, eine
brenzlige Situation an einer Kundgebung zu entschärfen. "Der
Artikel
bietet mehr Sicherheit zum Nulltarif", sagte Bischof.
Das Initiativkomitee war unter den Eindrücken der Krawalle
bei der
Anti-SVP-Demo vom 6. Oktober 2007 gegründet worden. Es setze sich
aus
"sorgenvollen, verängstigten Bürgern" zusammen, wie es
Komiteepräsident
Fred Moser umschrieb. Politische Parteien oder Verbände sind nicht
an
Bord. Der Berner Stadtrat hat sich wider den Willen des Gemeinderates
in den letzten Jahren bereits drei Mal gegen den Entfernungsartikel
ausgesprochen. Dank der Initiative soll nun das Volk "endlich selber
darüber entscheiden können", so Moser.
Mit dem Entfernungsartikel könnte die Polizei Demonstranten
zum
"unverzüglichen" Verlassen einer Kundgebung auffordern.
Ähnliches ist
laut kantonalem Polizeigesetz bereits heute möglich, jedoch sei
dessen
Anwendung zu "schwerfällig", wie Komiteemitglied Rolf
Bodenmüller
sagte. Die neue Regelung würde "den Ablauf vereinfachen und
gleichzeitig eine Strafbestimmung einführen". Bei Nichtbeachtung
drohten Bussen bis 5000 Franken. Der Entfernungsartikel würde das
Demonstrationsrecht sogar aufwerten, ergänzte Fred Moser.
"Friedliche
Demonstranten müssten keine Angst mehr vor Demo-Hooligans haben."
Polizei in die Pflicht nehmen
Belle-Epoque-Hotelier Jürg Musfeld, ebenfalls Mitglied im
Komitee,
schilderte die Ereignisse vom 6. Oktober 2007 aus seiner Sicht: "Die
Krawalle hätten verhindert werden können, wenn die Polizei
rechtzeitig
eingeschritten wäre", sagte er. Dafür habe der Befehl
gefehlt, obwohl
die Demonstranten auch gegen das Vermummungsverbot verstossen
hätten.
"Der Polizeieinsatz sollte schneller beginnen können", sagte
Musfeld.
Dabei sei es gar nicht falsch, die Polizei mit dem Entfernungsartikel
stärker in die Pflicht zu nehmen.
Einen weiteren Aspekt brachte Rolf Bodenmüller zur Sprache:
"Der
Hauptzweck ist die Prävention. Der Artikel soll verhindern, dass
es bei
Demonstrationen überhaupt zu Gewalt kommt", sagte er. Die
Argumente des
gegnerischen Komitees seien "an den Haaren herbeigezogen" und richteten
sich "in polemischer Weise gegen die Polizei im Allgemeinen", so
Bodenmüller. Der Entfernungsartikel sei nötig und auch
durchsetzbar,
"wenn man Vertrauen in die Polizei hat".
Über die Argumente des gegnerischen Komitees berichtete der
"Bund" in der Ausgabe vom 12. Mai.
--
Ja zum Entfernungsartikel
(sda)
Die Parteimitglieder der CVP der Stadt Bern haben die Initiative
"Keine gewalttätigen Demonstranten" einstimmig angenommen. Mit dem
Entfernungsartikel werde der Polizei ein effizientes und schnelles
Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit gegeben,
schreibt die Partei in einer Mitteilung. Auch zu den beiden anderen
Vorlagen, über die am 13. Juni abgestimmt wird, sagt die CVP
einstimmig
Ja. (pd)
---
BZ 21.5.10
Initiative
Gegen Hooligans an Demos
Das Berner Stimmvolk entscheidet am 13. Juni über die
Einführung eines
Entfernungsartikels im Kundgebungsreglement. Für die Initianten
wäre
dieser Artikel ein Abschreckungsmittel gegen "Prügeldemonstranten".
Eine Woche nach den Gegnern des sogenannten Entfernungsartikels
hat
sich auch das rechtsbürgerliche Komitee der Initiative "Keine
gewalttätigen Demonstranten" an die Medien gewandt. Im Säli
des Café
Fédéral schilderte gestern Jürg Musfeld, Hotelier
des Belle Epoque, ein
weiteres Mal die Strassenschlachten rund um die Anti-SVP-Demonstration
am 6.Oktober 2007. Diese geschahen zu einem grossen Teil unmittelbar
vor der Terrasse seines Hotels in der Gerechtigkeitsgasse. "Vermummte
Menschen konnten sich minutenlang besammeln, ehe sie die Polizei mit
Steinen, Sockeln von Sonnenschirmen und Flaschen mit ätzender
Säure
bewarfen" , erzählte Musfeld. Diese Szenen hätten die
Gesetzeshüter mit
einem frühzeitigen Eingreifen verhindern können, ist der
Hotelier
überzeugt.
5000 Franken Busse drohen
Damit die Polizei ein weiteres Werkzeug erhält, um gegen
"Hooligans an
Demos" (Komiteepräsident Fred Moser) vorzugehen, wurde von den
Initianten der sogenannte Entfernungsartikel formuliert. Demnach soll
die Polizei Demonstrierende auffordern können, eine Kundgebung
unverzüglich zu verlassen. Wer sich der Aufforderung widersetzt,
dem
drohen bis zu 5000 Franken Busse.
Nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung entscheidet am
13.Juni
nun das Berner Stimmvolk, ob dieser Entfernungsartikel ins
städtische
Kundgebungsreglement aufgenommen wird. Der Gemeinderat befürwortet
den
Artikel, der Stadtrat lehnt diesen ab.
Chaoten abschrecken
Zwar bestehe im kantonalen Polizeigesetzt bereits ein
Wegweisungsartikel. Doch dieser sei für die Umsetzung während
einer
gewalttätigen Demonstration "viel zu kompliziert", weil es
für eine
Wegweisung eine schriftliche Verfügung brauche, wie Erwin Bischof
sagte. Mit dem neuen Entfernungsartikel wäre laut Bischof eine
mündliche Ansage mittels Megafon ausreichend.
"Die drohende Strafe würde zudem präventiv wirken",
fügte Rolf
Bodenmüller an. "Zum Nulltarif erhielten Berns Bürgerinnen
und Bürger
mehr Schutz vor Demo-Chaoten", sagte Bischof. Das Komitee selber hat
20000 Franken in die Initiative investiert.
Tobias Habegger
---
Langenthaler Tagblatt 21.5.10
Kampagne gegen "Demo-Chaoten"
Stadt Bern Abstimmungskampf über Entfernungsartikel lanciert
Ein Komitee bürgerlicher und gewerblicher Kreise um den
Verein "Bern
sicher und sauber" lancierte gestern die Abstimmungskampagne zur so
genannten "Demo-Initiative". Am 13. Juni befindet die Stadt über
das
Begehren des Vereins zur Verschärfung des Demo-Reglements. Konkret
fordert dieses einen Entfernungsartikel. Die Polizei soll Demos damit
bei drohenden Ausschreitungen auflösen können. Auch sollen
Gewalttäter
neu mit bis zu 5000 Franken gebüsst werden.
Die Initiative gegen "Demo-Chaoten", die das rot-grüne Lager
geschlossen ablehnt, verursacht laut den Initianten keine Kosten. Sie
ist eine Folge linksautonomer Ausschreitungen am SVP-Umzug vom 6.
Oktober 2007.
Diskussionen über einen Entfernungsartikel jedoch sind nicht
neu für
Bern. Der Stadtrat lehnte einen solchen als unpraktikabel bereits
mehrfach ab; der Gemeinderat dagegen sagt Ja zur Verschärfung.
(sat)
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RABE-INFO
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Fr. 21. Mai 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_21._Mai_2010.mp3
- Menschenstrom gegen Atom - Die Anti-AKW Bewegung erhält neuen
Aufwind
http://www.menschenstrom.ch/
- Die Velofreundlichste Stadt heisst Burgdorf - Die
Schweizer-Velofahrenden sind aber unzufrieden
- ArtBudget - Kunst fürs kleine Portmonnaie
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Do. 20. Mai 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_20._Mai_2010.mp3
- Kulturzentrum Progr- ein Jahr nach dem Berner Volksentscheid
http://www.progr.ch/
- Situation in Sri Lanka- ein Jahr nach Ende des Bürgerkriegs
- Schoggi in Reinform: Blick in Schokolademanufaktur in Guatemala
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DEISSWIL
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Bund 21.5.10
Deisswil: Eklat bei Gesprächen über Sozialplan
Die zweite Runde der Sozialplanverhandlungen wurde nach Streit
abgebrochen.
Simon Thönen
Mit ihrer Reise zur Zentrale des Konzerns Meyr-Melnhof in Wien
hatten
die entlassenen Angestellten der Kartonfabrik Deisswil das
Zugeständnis
erreicht, dass die Konzernführung Verhandlungen mit der
Belegschaft
aufnimmt. Doch gestern endete bereits die zweite Runde der
Verhandlungen über einen Sozialplan in einem Eklat. Die
Gespräche
zwischen der Geschäftsführung und der Gewerkschaft Unia
wurden ohne
Ergebnis abgebrochen. Beide Seiten warfen einander
Gesprächsverweigerung vor.
Die Arbeitnehmerseite habe sich "standhaft geweigert", in die
Sozialplanverhandlungen einzutreten, schrieb die
Geschäftsführung der
Karton Deisswil AG gestern in einer Medienmitteilung: "Statt wie
vereinbart konkrete Vorschläge zum Inhalt des Sozialplans
einzubringen,
verweigerte sie jegliche Diskussion zur Sache." Zudem warf die
Geschäftsführung der Gewerkschaft vor, sie habe es
versäumt, von der
Betriebsversammlung ein Mandat für die Sozialplanverhandlungen
einzuholen.
Gewerkschaft wollte Auskunft
Diesen Vorwurf wies die Gewerkschaft zurück. "Die
Geschäftsführung hat
die Gespräche abgebrochen", sagte auf Anfrage Roland Herzog,
Leiter der
Unia Sektion Bern.
Die Gewerkschaftsvertreter hätten sich, so Herzog, zuvor
lediglich
nach der finanziellen Grössenordnung des Sozialplans erkundigt.
"Es
versteht sich von selbst, dass man diese Frage zuerst klärt",
meinte
er. Erst wenn man die Summe kenne, die für den Sozialplan zur
Verfügung
steht, könne man Verhandlungen über die konkreten
Modalitäten
aufnehmen. Die Betriebsversammlung werde kommende Woche abgehalten.
Herzog: "Das Vorgehen des Konzerns spottet jeglicher Beschreibung."
Trotz dem Eklat gehen beide Seiten davon aus, dass die
Gespräche
wieder aufgenommen werden. "Die Geschäftsführung wird
einsehen, dass es
so nicht geht", meinte Herzog. Die Karton Deisswil AG teilte mit, sie
halte ihre "grundsätzliche Bereitschaft zur Fortführung der
Gespräche
aufrecht".
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BZ 21.5.10
Karton Deisswil
Abbruch: Sozialplan in Gefahr?
Die gestrige Verhandlungsrunde zum Sozialplan für die
Mitarbeitenden der Karton Deisswil AG wurde abgebrochen.
Die Lage in Deisswil spitzt sich zu. Die Gewerkschaft redet von
einem
"weiteren Affront gegen die Belegschaft", die Geschäftsleitung
wirft
der anderen Seite vor, jegliche Diskussion zu verweigern. Zum ersten
Mal nach Ablauf der Konsultationspflicht sprachen die Sozialpartner
gestern Nachmittag über den Sozialplan. Die Arbeitnehmerseite
wurde
durch die Gewerkschaft Unia und die Betriebskommission vertreten,
vonseiten des Arbeitgebers setzte sich der Geschäftsführer
der
Kartonfabrik, Stephan Schneider, an den Verhandlungstisch. Weit ist man
bei den gestrigen Gesprächen allerdings nicht gekommen.
Ohne den Mutterkonzern
Vonseiten der Karton Deisswil war geplant, bei den ersten
Verhandlungsrunden nur über den Verteilungsschlüssel, nicht
aber über
Geld zu verhandeln (siehe BZ vom 14.5.2010). Dadurch erhoffte sich die
Geschäftsleitung laut Schneider eine bessere Ausgangslage, um
schliesslich mit dem österreichischen Mayr-Melhof-Konzern (MM) -
der
Entscheid über Geld fällt letztlich in Wien - zu verhandeln.
MM-CEO
Wilhelm Hörmannseder hat den Deisswilern versichert, dass er bei
den
Verhandlungen persönlich nach Bern kommen wird. Zu welchem
Zeitpunkt er
mit dabei sein wird, liess der Konzernchef aber offen. Deisswils
Geschäftsführer Stephan Schneider hat keine finanziellen
Kompetenzen im
Bezug auf den Sozialplan.
"Scheinverhandlungen"
Vor diesem Hintergrund spricht die Gewerkschaft nun von
"Scheinverhandlungen". Unia-Sektionsleiter Roland Herzog zeigte sich
kämpferisch: "Die Belegschaft hat bis heute auf eine Eskalation
des
Konfliktes verzichtet. Das heutige verantwortungslose Verhalten des
Konzernmanagements bedeutet eine weitere Zuspitzung der
Auseinandersetzung."
Stephan Schneider will weiter verhandeln: "Trotz des
enttäuschenden
Verlaufs der heutigen Sozialplanverhandlungsrunde bin ich weiterhin
gesprächsbereit. Unser Ziel ist es, einen Sozialplan
auszuarbeiten."
Wie die Arbeitgeberin weiter vorgeht - ob allenfalls bei der
nächsten
Verhandlungsrunde ein Vertreter aus Wien am Tisch sitzen wird -, konnte
Schneider gestern nicht sagen. Die Belegschaft wird an der
Betriebsversammlung vom 26. Mai ab 13.30 Uhr ihre nächsten
Schritte
beschliessen.
Ralph Heiniger
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work 21.5.10
Die Schliessung der Kartonfabrik trifft die Deisswiler mitten ins Herz
Die Kartoni war ihre Familie
Das definitive Aus für die Kartoni ist für die Deisswiler
bitter. Denn
sie hatten sich für ihre Fabrik gewehrt und trugen ihren Protest
bis
nach Wien. work war mit dabei.
Sina Bühler
Kartonbüezer Roger D' Incau zuckt mit den Schultern: Jetzt habe
man
wenigstens Klarheit. Die österreichische Besitzerin der
Kartonfabrik in
Deisswil BE hat nun definitiv entschieden, den Betrieb zu schliessen.
Roger D'Incau muss jetzt auf Jobsuche. Dabei stand er noch am
Nachmittag des 28. April voller Hoffnung vor dem Steigenberger
Seminarhotel im Wienerwald. Westlich von Wien. Zusammen mit den anderen
150 Kollegen und Kolleginnen aus Deisswil. Alle im gleichen T-Shirt.
"Ausgepresst und weggeworfen" steht drauf. Etwas müde schwenken
sie
blaue "Karton Deisswil"-Fahnen, lassen rote Unia-Flaggen flattern: Die
Arbeiterinnen und Arbeiter sind die ganze Nacht durchgefahren. Von
Deisswil bis nach Wien. Am 8. April, während der Betriebsferien,
war
die Nachricht gekommen: die Kartonfabrik Deisswil werde geschlossen.
253 Angestellte würden die Stelle verlieren. Nun sollte ihnen die
österreichische Konzernleitung der Mayr-Melnhof Karton AG, zu der
die
Karton Deisswil AG gehört, Red und Antwort stehen.
27. April, 17 Uhr, Deisswil. Ein Grossteil der Belegschaft hat sich auf
dem Fabrikgelände versammelt. Die Arbeiterinnen und Arbeiter
wollen die
Schliessung nicht einfach hinnehmen. Sie sind hässig und wollen
sich
wehren. Also auf nach Wien! Denn im Wiener Grand Hotel soll die
Aktionärsver-sammlung der österreichischen
Deisswil-Besitzerin
Mayr-Melnhof Karton AG stattfinden. Die Deisswiler wollen nachfragen,
weshalb sie von der Schliessung während der Betriebsferien
erfahren
mussten. Protestieren, dass niemand in Deisswil in die Entscheidung
einbezogen worden war. Um 19 Uhr steigen sie in drei Reisecars und
nehmen den Weg nach Österreich unter die Räder. Die Fahrt
beginnt wie
ein Betriebssausflug. Die meisten sind wohl froh, ihre
Zukunftsängste
für eine Weile vergessen zu können. Oder zufrieden, dass sie
vielleicht
etwas dagegen tun können.
Achille Di Carlo: Am 8. April war ich trotz Betriebsferien bei meiner
Arbeit in der Logistik. Am Vormittag habe ich den Direktor im
Gebäude
gesehen, das ist aussergewöhnlich. Später kam ein Mail, und
alle, die
da waren, wurden zu einer Besprechung gebeten. Da habe ich mir gedacht:
Entweder muss der Direktor jetzt gehen, oder wir alle. Es waren
tatsächlich alle. Ich war einer der wenigen, die das
persönlich
erfahren haben. Die meisten waren ja in den Ferien. Was jetzt wird,
weiss ich nicht, ich hoffe, ich finde bald etwas. Leid tut es mir vor
allem, weil Deisswil meine Familie war. Nicht nur im übertragenen
Sinn:
Meine halbe Familie arbeitet hier. Mein Cousin, mein Schwager, dessen
Schwager. Schon mein Vater war ein Deisswiler.
28. April, St. Pölten. Die Cars kommen kurz nach fünf Uhr
morgens an
einer Autobahnraststätte in St. Pölten an, 60 Kilometer vor
Wien. Man
streckt die Glieder, raucht eine erste Zigarette. Dann gibt es
Frühstück. Frau und Mann warten auch auf die
österreichischen
Gewerkschafter. Am Vortag hat die Arbeitnehmervertretung der gesamten
Mayr-Melnhof Karton AG mit der Konzernleitung verhandelt. Als die
Gewerkschafter und der Präsident der Deisswiler
Betriebskommission,
Manfred Bachmann, eintreffen, ist deren Stimmung gedrückt. Das
besagt
nichts Gutes. Und tatsächlich: Während die einen bereits im
Car auf die
Weiterreise warten, stehen andere im Kreis und diskutieren die
Nachrichten aus Wien. Es ist plötzlich die Rede von 300
Rechtsextremen,
die eine Störung der Demo angekündigt hätten. Von einem
Grossaufgebot
der Polizei. Man erzählt, der Hauptaktionär habe aus Angst
seine
Teilnahme an der Versammlung abgesagt. "Das wollen wir doch nicht!",
sagt Manfred Bachmann: "Niemand soll Angst vor uns haben. Wir wollen
nur um unsere Arbeitsplätze kämpfen." Unia-Sekretär
Roland Herzog
schlägt der Belegschaft vor, mit dem CEO von Mayr-Melnhof zu
telefonieren. Zusagen einzufordern und dann anzubieten, die Demo
abzusagen: "Alleine mit dieser Carfahrt haben wir schon viel bewegt",
muntert er die Deisswiler auf.
Roger D'Incau: Bereits vor einem Jahrhundert arbeitete ein D'Incau in
Deisswil. Ich bin sein Urenkel, und in jeder Generation gab es
mindestens einen von uns, der in der Kartonfabrik war. Auch mein Vater.
Sofort nach Bekanntgabe der Schliessung habe ich mit zwei Kollegen eine
Facebook-Protestgruppe gestartet. Viele aus der Belegschaft haben extra
ein Facebook-Konto eröffnet, damit sie unserer Gruppe "Gegen das
endgültige Aus der Karton Deisswil" beitreten konnten.
Mittlerweile
sind wir über 3000. Wir haben unzählige Mails bekommen, sogar
aus
Dänemark und Australien. Diese Art von Propaganda spricht sich
schnell
und weit herum. Bei der Kartonfabrik war ich zuständig für
die
Hülsenzubereitung. Seit nicht mehr produziert wird, habe ich in
die
Spedition gewechselt. Ich bin einer von denen, die zurzeit noch
arbeiten. Erst vor vier Monaten bin ich in die Kartonfabrik
zurückgekehrt, nach fünf Jahren Unterbruch. Diese Zeit soll
noch nicht
vorbei sein.
Auf der Raststätte St.Pölten ist eine Stunde vergangen. "CEO
Wilhelm
Hörmanseder ist bereit, uns heute zu empfangen", sagt Unia-Mann
Herzog.
Er werde nach Bern kommen, um mit ihnen weiterzudiskutieren. Die
Deisswiler jubeln, auch wenn die Demo damit abgesagt ist. Das war das
Zugeständnis an Hörmanseder. Die Cars fahren dennoch nach
Wien, das
Treffen mit dem CEO ist erst für den Nachmittag angesagt. Zuerst
gibt
es eine Stadtrundfahrt, dann ein Mittagessen im Prater. Dort
stösst
auch ein kleines Wiener Solidaritätskomittee dazu. Sie standen am
Morgen vor dem Grand Hotel, zu zwölft, umgeben von 20 Kastenwagen
der
Polizei. "Kein einziger Rechtsextremer ist aufgetaucht", erzählt
die
Wienerin Amela Mirkovic, "ebensowenig Linksautonome". Das Gerücht
sei
wohl von Mayr-Melnhof in die Welt gesetzt worden, um eine Begegnung mit
den Aktionärinnen und Aktionären zu verhindern. Mirkovic
hängt ein
Transparent in der Gartenwirtschaft auf: "Solidarität mit der
Belegschaft von Karton Deisswil."
28. April, Wien. Nach Wiener Schnitzel und Bier geht die Fahrt weiter,
aus Wien hinaus. Hörmanseder wartet in einem Hotel im Wienerwald
auf
die Deisswiler. Mit Fahnen und Kuhglocken stellen diese sich im
Konferenzraum auf. Alle haben sie Fragen an den CEO. Sie wollen vor
allem wissen, warum einfach über ihre Köpfe hinweg
entschieden worden
ist. Warum die Mayr-Melnhof nicht auf ihren Rettungsplan einsteigen
will.
Bernhard Bichsel: Ich bin Personalplaner in Deisswil und seit 25 Jahren
in der Firma. Ich stecke voll im Zwiespalt: Wenn die Jungs mich jetzt
fragen, ob sie eine neue Stelle suchen sollen, weiss ich gar nicht, was
ich ihnen raten soll. Wahrscheinlich ist es zurzeit besser, jeden guten
Job anzunehmen. Ich selber schaue noch nicht so rum. Ich finde, solange
ich den blauen Brief noch nicht bekommen habe, ist es noch nicht
vorbei. Bis dahin bin ich nicht entlassen. Viele sind verzweifelt, und
die Einzelschicksale finde ich bedrückend. Manche hatten nicht die
Kraft, nach Wien mitzukommen. Sie kommen nicht zurecht mit der
Situation.
"Warum hat niemand mit uns geredet?" fragen die Angestellten.
Hörmanseder sagt, er habe die Betriebskomission nicht
Gewissensbissen
aussetzen wollen, indem er sie vorher informiert hätte. Und diese
dann
Stillschweigen hätten bewahren müssen. Er sei selbst sehr
betroffen von
den Schicksalen der Arbeiter. Die Deisswiler glauben ihm nicht.
Hörmanseder beharrt: die Schliessung sei der einzige Weg. Er will
gar
nicht richtig ins Gespräch kommen. Nach einer knappen Stunde steht
Hörmanseder auf und packt zusammen. Vier Bodyguards begleiten ihn
zu
seinem Chauffeur. Die Deisswiller packen ihre Fahnen in die Cars. Auch
die Kuhglocken. Die Kartonbüezer fragen sich bange, wie es wohl
weitergeht. So oder so, die Reise nach Wien sei richtig gewesen. Und
gut. Finden viele.
--
Der Entscheid ist gefallen:
Nie mehr Karton aus Deisswil
Die Kartonfabrik Deisswil BE wird definitiv geschlossen. Jetzt fordert
die Unia einen guten Sozialplan für die Kartonbüezer.
Matthias Preisser
Man hat es von Anfang an befürchtet. Nun ist es Gewissheit: Die
österreichische Mayr-Melnhof Karton AG wollte nie ernsthaft
über
Alternativen zur Schliessung ihrer Tochterfirma Karton Deisswil AG
nachdenken. Man hat die Lüge mit der CO2-Abgabe als
Schliessungsgrund
vorgeschoben (siehe ganz rechts). Dabei geht es schlicht um schnelleren
Profit. Und weniger Konkurrenz. Darum ist man auch nicht bereit, die
Fabrik dem Management oder irgendeiner Investorengruppe zu
übergeben.
Vors Bundeshaus. "In Deisswil wird es keine Kartonproduktion mehr
geben", machte CEO Stephan Schneider klar, als er am 12. Mai die
Belegschaft in Deisswil über das negative Ergebnis der
Konsultation
informierte. Schneider glaubt auch heute noch an den Investitionsplan,
den er als Firmenchef ausgearbeitet hat. Dieser Investitionsplan war
auch Grundlage des Rettungsplans, den Betriebskommission und Unia
für
die Kartonfabrik vorlegten. Doch in Wien wollte man nicht investieren.
Punkt. Stattdessen schickte man den 253 Angestellten in Deisswil die
Kündigung. Per Ende Mai.
Die Fahrt nach Wien und weitere Aktionen der Belegschaft haben den
medienscheuen Mayr-Melnhof-Clan zwar unter Druck gesetzt. Zuletzt am
10. Mai, als rund 60 "Kartoni"-Büezer spontan vors Bundeshaus
zogen.
Mit Kuhglocken und Transparenten. "Geiz ist Scheisse", hiess es darauf.
Und: "Frau Leuthard, bitte helfen Sie uns". Gleichzeitig übergaben
sie
einen Brief, der die Volkswirtschaftsministerin zum Handeln auffordert.
Doch da waren bei Mayr-Melnhof die Würfel schon längst
gefallen.
Brief an Doris Leuthard. Auch Silvia Harnisch von der ehemaligen
Schweizer Besitzerfamilie war in Wien. Auch sie hat den Brief an
Leuthard unterschrieben. Noch will sie sich nicht mit der
endgültigen
Schliessung der Fabrik abfinden: "Wenn man ihnen nur die beiden
Kartonmaschinen wegnehmen könnte", denkt sie laut. Und
Kartonbüezer
Roger D'Incau findet, "der Staat kann doch nicht einfach zusehen, wie
eine rentable Fabrik geschlossen wird". Doch die Bundesrätin will
zu
Deisswil nicht Stellung nehmen.
Jetzt suchen Kanton und Gemeinden verzweifelt nach Alternativen zur
Kartonfabrikation. Dazu will selbst Mayr-Melnhof Hand bieten. Es gebe
Kontakt zu einer Investorengruppe, die das Fabrikgelände
übernehmen
würde, sagt Gemeindepräsident Lorenz Hess. Genauere Angaben
will er
nicht machen. So sollen möglichst viele Stellen geschaffen werden.
Bei
der für die "Kartoni" eingerichteten Jobbörse gibt es schon
134
Stellenangebote. Wie viele davon aber für über 50jährige
und auf die
Kartonfabrikation spezialisierte Büezer in Frage kommen, weiss
niemand.
"Die Auseinandersetzung um die Kartonfabrik Deisswil ist nicht
beendet", sagte Unia-Sekretär Roland Herzog am 12. Mai vor der
Belegschaft, "sie geht nur in die nächste Phase." Für Herzog
heisst das
nun, wenigstens einen möglichst guten Sozialplan auszuhandeln. Die
erste Verhandlungsrunde fand am 20. Mai, nach Redaktionsschluss, statt.
--
"Rücksichtslos"
"Mayr-Melnhof ist in der Konsultation nicht im Geringsten auf unsere
substantiellen Vorschläge für Alternativen zur
Betriebsschliessung
eingegangen. Man wollte keine Alternativen, sondern einfach schliessen.
Das ist arrogant und rücksichtslos. Es hätte Perspektiven
gegeben,
rentabel weiterzufahren. Nun ist für Mayr-Melnhof ein
vorbildlicher
Sozialplan für alle Entlassenen Pflicht."
Roland Herzog, Sektionsleiter Unia Bern
"Inakzeptabel"
"Ich empfinde das Vorgehen des österreichischen Unternehmens nach
wie
vor als inakzeptabel. Vor allem die Informationspolitik gegenüber
den
öffentlichen Stellen. Der Kanton sucht nun zusammen mit den
Gemeinden
nach Nachfolgelösungen für die Karton Deisswil. Auch dabei
wirkt die
Art, uns nicht zu informieren, nicht gerade förderlich. Trotzdem
sind
wir intensiv auf der Suche nach Alternativen."
Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor Kanton Bern, SP
"Voraussehbar"
"Die definitive Stilllegung ist tragisch, war aber voraussehbar. Jetzt
geht es darum, die bestmögliche Zukunft für den Standort zu
bieten. Bei
einem Nachfolgeprojekt muss die Schaffung von Arbeitsplätzen im
Vordergrund stehen. Und so schnell wie möglich braucht es eine
Zwischennutzung. Damit das Gelände nicht verkommt und damit schon
möglichst viele Leute wieder am Standort arbeiten können.
Dazu
engagieren wir uns bei der Suche nach Investoren."
Lorenz Hess, Gemeindepräsident Stettlen, BDP
"Kein Kommentar"
Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard lässt durch ihre
Sprecherin
Evelyn Kobelt ausrichten, es gebe zu Deisswil "keinen Kommentar.
Würden
wir jetzt einen Kommentar abgeben, müssten wir das sonst in jedem
ähnlichen Fall immer wieder machen. Dafür ist der jeweilige
Kanton, im
konkreten Fall der Kanton Bern, zuständig. Ich gehe jedoch davon
aus,
dass es eine Antwort auf den Brief aus Deisswil geben wird."
Doris Leuthard, Bundesrätin, CVP
--
Schliessung mit einer Lüge begründet
Adlige Abzocker
Die Karton Deisswil AG gehört der österreichischen
Mayr-Melnhof Karton
AG, der Nummer eins in Europa. Am 8. April, mitten in den
Betriebsferien, gab MM Karton bekannt, man wolle den Standort Deisswil
schliessen. Grund sei die hohe Schweizer CO2-Abgabe. Eine Lüge,
denn
die Karton Deisswil ist seit 2008 von der CO2-Abgabe befreit.
Tatsächlich will man sich auf Hochleistungsstandorte und
Investitionen
mit schneller Rendite konzentrieren. Besitzerin von MM Karton ist die
steirische Adelsfamilie Mayr-Melnhof. Die grösste private
österreichische Waldbesitzerin wird angeführt vom
88jährigen
Patriarchen Carl Anton Goess Saurau und seinem 33jährigen Enkel
Franz
VI. Mayr-Melnhof Saurau. Franz VI. ist mit 1,5 Milliarden Euro
Vermögen
der fünftreichste Österreicher.
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STADTENTWICKLUNG
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Indymedia 20.5.10
19.06.2010 PICNIC KRITIK biel/bienne ::
AutorIn : picnic kritik
DIE STADT GEHÖRT UNS!
14:00-22:00 Barbarie Wiese (hinter dem Gaskessel)
***Konzerte: Calavera, Monoblock, Zimbabwe Bird, Schlakra,
Chèvre Chô, Brekfast on a Battle Field
***Animationen: Zirkus, Feuer, Geschichten,
***Infos zur Stadtentwicklung in Biel: Reden, Vorstellung von
Projekten, Infowände und Tische
***Verpflegung, Bar
+AFTER SURPRISE
Was wollen wir für eine Stadt? Werden wir die ungebremste
Betonierung
und deren sozialen Auswirkungen weiterhin zulassen oder haben wir mehr
Mut als der eines passiven Zuschauers?
Ein Treffen für ein nachhaltiges Zusammenleben in unsereren
Städte um
die Dynamik und den Charme unserer Gassen zu verteidigen. Für die
nächsten Jahre, für die Freude am Leben und gegen die grauen
Warzen.
Es reicht schon, dass die Polit-Unternehmer von denen wir nur den
Schatten ihrer Immobilien sehen, das Geld der Steuerzahler verpumpen.
Sie dürfen nicht auch noch an unserer Stelle die Zukunft unserer
Stadt
planen. Wir, die Bewohner_innen, die den Beton jeden Tag ertragen
müssen haben bis jetzt gar kein Recht ausser zu kritisieren gegen
die
Bagger der Profithungrigen Bauherren. In Biel vor allem seit der Expo
02, weht ein neuer Wind der Sterilität und der unpersönlichen
Bauten
diskret immer stärker. Für dies wird der Druck auf die
unproduktiven
Klassen erhöht und entfernt sie von den Orten, die sie sich
angeeignet
haben. Die öffentlichen Plätze werden der Rentabilität
geopfert anstatt
dass sie dem sozialen Austausch dienen. Wir sind unzufriedene
Bewohner_innen. Um die sozialen Beziehungen zu pflegen und die
Solidarität zu fördern laden wir euch herzlich zu einem
grossen Fest am
19. Juni auf der Barbarie Wiese hinter dem Kessel ein, um miteinander
zu diskutieren, festen, sich vermischen, tanzen und ein hoffentlich
sonniges Wetter zu geniessen.
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LIBERTÄRE BÜCHERMESSE
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Indymedia 20.5.10
Abschlusscommuniqué der Libertären Buchmesse in Biel ::
AutorIn : anarchist bookfair
Am Wochenende vom 15. und 16. Mai fand in Biel die zweite
libertäre
Buchmesse der Schweiz statt. Gut 30 Verlage, Vertriebe und
Organisationen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz beteiligten
sich mit antikapitalistischer und herrschaftsfreier Literatur an dem
Anlass.
Dass solche Literatur in Zeiten zunehmender Verschärfung der
Klassengegensätze auf reges Interesse stossen, zeigte die hohe
Zahl von
gut 500 Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland. Ebenso
fanden die parallel durchgeführten Lesungen und Referate grossen
Anklang beim Publikum. Schliesslich waren auch die
musikalisch-lyrischen Inputs - ein Poetry-Slam mit anschliessendem
Hip-Hop-Konzert am Freitag- und ein am Samstagabend über die
Massen gut
frequentiert.
Wir wollen an dieser Stelle nochmals allen ReferentInnen,
AusstellerInnen, SlamerInnen und HelferInnen danken, die zum Gelingen
der Buchmesse beigetragen haben!
Die Organisationsgruppe der Libertären Buchmesse Biel/Bienne 2010
PS: Mehr Bilder und Audio-Aufnahmen findet ihr auf unserer Webseite: http://www.buechermesse.ch
---
Indmedia 20.5.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/05/75901.shtml
(mit ausführlicheren Links)
Anarchist Bookfair Biel/Bienne ::
AutorIn : eine Besucherin
Am Wochenende vom 15.-16. Mai fand in Biel/Bienne - zum zweiten Mal in
der Schweiz - eine anarchistische Buchmesse statt.
http://www.buechermesse.ch
|
Bilder | Audio | Pressefeedback
Einige der Besucher_innen machten es sich schon am Donnerstag abend im
Bistro im besetzten Haus LaBiu gemütlich.
Am Freitag abend machte ebenfalls im LaBiu ein Poetryslam namens
"Literattentat" den Auftakt für die diesjährige Buchmesse. Da
mensch
sich nicht anmelden musste, um daran teilzunehmen, waren alle gespannt,
ob den auch wirklich jemensch auftreten würde.. Melancholisch,
kämpferisch, nachdenklich und freudig präsentierten über
20
Aktivist_innen und Künstler_innen gute zwei Stunden lang ihre
französischen, deutschen und schweizerdeutschen Texte. Die
Stimmung war
- nicht zuletzt aufgrund der amüsanten Moderation eines Genfer
Genossen
- sehr ausgelassen. Nach dem Poetryslam spielten La Dernière
Mesure
(HipHop, Paris) und La k-trième dimension (HipHop,
Genève) und sorgten
für die angemessene Partystimmung.
Am Samstag um 10:00h gings dann los. Über 30 Aussteller_innen
präsentierten auf ihren Büchertischen im Farelsaal
anarchistische
Theorie und Literatur. Im Gegensatz zur letzten Buchmesse waren dieses
Jahr vorallem die französischsprachigen Verlage sehr gut vertreten
-
was nicht zuletzt daran lag, dass Biel/Bienne die grösste
zweisprachige
Stadt der Schweiz ist.
a propos Kritischer Verlag | Abbruch Distro kleiner Vertrieb für
anarchistische Hefte, Magazine und Bücher |ALiVe Assoziation
Linker
Verlage |Anares Libertärer Buchvertrieb und Verlag |Buchhandlung
Schwarzmarkt Libertäre Buchhandlung und Bibliothek im LA BIU |CIRA
(Lausanne) Centre international de recherches sur l'anarchisme |CIRA
Marseille Centre International de Recherches sur l'Anarchisme |Direkte
Aktion Anarchosyndikalistische Zeitung |Edition AV Anarchistischer
Verlag für Sachbücher und Belletristik |Editions du Monde
libertaire
"Le Monde libertaire" Journal de la Fédération anarchiste
|Edizioni La
Baronata Casa editrice anarchica del Ticino |éditions SENONEVERO
théorie critique du capitalisme |FAU Bern Herausgeberin von "di
schwarzi chatz" |Gesammelte Texte Schriften zum mitnehmen
|Graswurzelrevolution Verlag & Monatszeitung für eine
gewaltfreie,
herrschaftslose Gesellschaft |Infoladen Schwarz Auf Weiss Antipolitik
gegen die Routine |IWW - Industrial Workers of the World
Unabhängige
Globale Gewerkschaft mit anachosyndikalistischen Inhalten |Karakök
Autonome Isyan! Devrim! Anarsi! - Aufruhr! Revolution! Anarchie!
|Killroy media Erlesenes Programm für Social Beat und Underground
|Konverter Das Kunstkollektiv |Le Courrier Quotidien suisse et
indépendant |Les éditions Entremonde Un projet d'Action
Autonome |Les
éditions Libertalia Sciences humaines, littérature
sociale, pamphlets,
photos... |Libertäre Aktion Winterthur Ihre Ansprechpartnerin
für
anarchistische Theorie & Praxis |Libertärer Büchertisch
Berlin/Grauenhagen libertäre antiquarische Bücher |Librairie
EspaceNoir
histoire de la région et du mouvement ouvrier, anarchisme
|Little
Records Maison de disques et livres engagés |Longo maï
selbstverwaltete
landwirtschaftliche und handwerkliche Kooperativen |Nachtschatten
Verlag Der Fachverlag für Drogenaufklärung |Orange Press
Verlag und
Buchhandlung |Organisation Socialiste Libertaire Editeur de Rebellion
|Paranoia City Buchhandlung & Verlag |SowieSo Bücher
Linke/anarchistische Internetbuchhandlung |Zeitpunkt Zeitschrift
für
intelligente Optimistinnen und konstruktive Skeptiker
Am Samstag und Sonntag fanden diverse Vorträge, Lesungen und
Workshops statt. Einige davon wurden auch aufgezeichnet:
* Présentation: Le mouvement anarchiste et l'importance des
bibliothèques | Marianne Enckell
o http://refractions.plusloin.org/spip.php?article255
o >> download ogg
* Lesung: "Die wilden Schafe" | Werner Portmann
o http://www.unrast-verlag.de/unrast,2,256,5.html
o >> download ogg
* Présentation: Albert Camus et l'anarchisme | Lou Marin
o http://www.graswurzel.net/verlag/camus.shtml
o >> download ogg
* Présentation: Fédération Jurasienne | Michel
Némitz
o http://fra.anarchopedia.org/F%C3%A9d%C3%A9ration_jurassienne
o >> download ogg
* Referat: Anarchosyndikalismus | Rudi Mühland
o http://www.fau.org/
o >> download ogg
* Lesung: "Mord im Paradies der Nackten" ein Krimi von Jean-Bernard
Pouy | Michael Halfbrodt
o http://www.edition-av.de/buecher/pouy_nus.html
o >> download ogg
* Referat: "Die Anarchie ist das Leben der Menschen" - Gustav Landauers
kommunitärer Anarchismus | Siegbert Wolf
o http://www.dadaweb.de/wiki/Gustav_Landauer
o >> download ogg
* Lesung (+ Musik): "Planet und PRIMATEN" | Damian Bugmann (+ Philippe
Delacombaz)
o http://www.damianbugmann.ch/6136.html
o >> download mp3
* Lesung: Konverter - Das Kunstkollektiv
o http://konverter.wordpress.com/
o >> download mp3
Leider tauchten diverse Leute aus Deutschland, welche eine
Veranstaltung angekündigt haben, nicht auf. So sass am Samstag ein
gespanntes Publikum drei Mal vergebens in der Villa Fantasie und
wartete auf die Referenten.. Als beim Vortrag zu Hausbesetzungen der
Referent ebenfalls nicht erschien, behalf sich das Publikum kurzerhand
selbst: Besetzer_innen aus verschiedenen Schweizer Städten
tauschten
sich über ihre Erfahrungen aus und standen dem vorallem jungen
Publikum
Red und Antwort zu diversen Fragen rund um die Praxis des Hausbesetzens.
Am Samstag Nachmittag versammelten sich auf dem Place Central, wo
dieses Wochenende auch der alljährlicher Bieler Bauernmarkt
stattfand,
Aktivist_innen und Punks und veranstalteten zu Musik und Bier ein
Punkerpicknick. Um 15:00h kamen noch weitere Menschen dazu und
gemeinsam spazierten sie lautstark zum Knast, wo Genossin Silvia seit
mehreren Tagen eingesperrt ist. Tutti liberi!
Am Abend - nach einer leckeren veganen VoKü und einer kurzen
Schickane
durch die Bieler Stapo, welche unsere Genoss_innen aus Freiburg vom
Platz verweisen wollte - gings dann im Gaskessel/Coupole weiter mit
einem Konzert mit Berlinska Dròha (Folk-Punk, Berlin), Fred Alpi
(Rock
Libertaire, Paris) und Traktorkestar (Balkan-Folk, Bern).
Das Camp, welches den Gästen auf einer Wiese neben dem
Gaskessel/Coupole ermöglichte ihr Zelt aufzuschlagen, wurde wegen
schlechtem Wetter nicht wirklich genutzt - es konnten aber alle
Besucher_innen in diversen Häusern in Biel untergebracht werden.
Squat
on, Bienne!
Nach einer durchzechten Nacht gabs am Sonntag dann nochmals diverse
Lesungen und drei Vorträge zu Anarchosyndikalismus. Um 14:00 gab
der
der anarchistische Chor Le Choeur Mixte Libre Intercommunal
"L'émeute
enchantée" ein Ständchen zum besten und um 15:00 gabs
nochmals einen
Knastspaziergang für die drei Verhafteten Genoss_innen aus
Italien.
Gegen 19:00 wurde der Farelsaal aufgeräumt, und die übrig
gebliebenen
Gäste begaben sich auf ein letztes Bier ins LaBiu, wo um 22:00 zum
Abschluss noch der Film "Dalle Alpi Apuane" gezeigt wurde. Danach
plumpste ich müde aber glücklich ins Bett.
Mit rund 400 Besucher_innen war die diesjährige Buchmesse ein
voller
Erfolg. Danke euch allen für das schöne, interessante und
kämpferische
Wochenende!
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AUTONOME SCHULE ZH
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Indymedia 20.5.10
Zürich: Kurzfilm zur Autonomen Schule ::
AutorIn : a-films: http://a-films.blogspot.com
Am 19. April wurde in Zürich eine Baracke auf dem Areal des
Güterbahnhofs besetzt und neu belebt. Die Baracke stand mehr als
ein
Jahr lang leer. Der Kanton Zürich will darauf für 570
Millionen Franken
ein neues Polizei- und Justizzentrum errichten.
Durch die polizeiliche Räumung der Autonomen Schule Zürich in
Örlikon
im Januar 2010 wurde auch der "Verein Bildung für alle" zum
erneuten
Umzug gezwungen. Nach diversen Zwischenstationen ist der Verein nun in
der Baracke beim Güterbahnhof untergekommen.
Der Verein Bildung für alle, der Teil des Zürcher
Bleiberechtkollektivs
ist, ermöglicht seit mehr als einem Jahr hunderten illegalisierter
Flüchtlinge und MigrantInnen sowie Asylsuchenden mit laufendem
Verfahren Deutschkurse. Er setzt sich für das Recht auf Bildung,
Migration und Asyl ein.
Ein 10-minütiger Kurzfilm erlaubt einen Einblick in die Autonome
Schule, während Lernende und Moderatoren ihre Sicht der Dinge
schildern.
Der Kurzdoku kann hier angeschaut und/oder heruntergeladen werden:
http://a-films.blogspot.com/2010/05/10may20de.html
Das autonome Medienkollektiv 'a-films' dokumentiert seit eineinhalb
Jahren den politischen Kampf von MigrantInnen in der Schweiz. Die
Gruppe hat zahlreiche Reportagen und Kurzfilme veröffentlicht,
welche
auf ihrer Website verfügbar sind:
http://a-films.blogspot.com/2009/03/150309de.html
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GEFANGENE ZH
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Indymedia 20.5.10
Die beiden Genossen sind wieder frei! ::
AutorIn : Revolutionärer Aufbau Schweiz: http://www.aufbau.org
Nach dreiwöchiger Untersuchungshaft wurden heute die beiden am 29.
April verhafteten Genossen wieder auf freien Fuss gesetzt.
Drei volle Wochen sassen die beiden mit dem Vorwand der
Verdunkelungsgefahr im Knast, ohne dass in dieser Zeit die
Konfrontationseinvernahme, welche die angebliche Kollusionsgefahr
aufgehoben hätte, durchgeführt wurde. Absurderweise sind sie
nun einen
Tag vor dieser Einvernahme freigelassen worden. Damit zeigen die
Repressionsorgane unfreiwillig den wahren Charakter dieser
Verhaftsaktion. Mangels Beweisen für die angebliche Beteiligung an
einem Farbanschlag gegen die CS sollten die beiden offensichtlich mit
Isolationshaft weich geklopft werden.
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Für den Kommunismus
Revolutionärer Aufbau Schweiz, 19. Mai 2010
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POLICE ZH
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20 Minuten 21.5.10
Ombudsfrau: Kritik an Polizeiweisung
ZÜRICH. Die Stadtpolizei Zürich darf bei jeder Person,
die auf die
Wache mitgenommen wird, die Fingerabdrücke überprüfen.
So steht es in
einer Dienstanweisung, die seit Dezember 2008 gilt. Die
Stadtzürcher
Ombudsfrau Claudia Kaufmann ist kritisch eingestellt gegenüber
dieser
internen Regelung: "Der Eingriff ins Persönlichkeitsrecht ist
nicht so
harmlos", sagte sie gestern vor den Medien. "Es muss ein konkreter
Tatverdacht und der Verdacht bestehen, dass es sich um eine
gefährliche
Person handelt." Auch der Hinweis der Stadtpolizei, die
Fingerabdrücke
würden ja wieder gelöscht, lässt sie nicht gelten. So
wird im
Jahresbericht 2009 ein Fall geschildert, bei dem die Abdrücke erst
auf
Nachfrage der Ombudsfrau gelöscht wurden. Die Ombudsstelle
erreichten
letztes Jahr 550 neue Geschäfte und 888 neue Anfragen. 2008 waren
es
554 Geschäfte und 760 Anfragen gewesen.
---
NZZ 21.5.10
Die Verwaltung darf nicht alles
Ombudsfrau Claudia Kaufmann übt konstruktive Kritik
Die Verwaltung darf vieles, aber nicht alles, und wenn sie
tätig wird
(oder untätig bleibt), muss sie sich an die Gesetze halten. Daran
erinnert die Stadtzürcher Ombudsfrau Claudia Kaufmann; auch an die
Adresse der Polizei und der Sozialen Dienste.
Brigitte Hürlimann
Darf die Polizei einen Elfjährigen ohne Beizug der Eltern
einvernehmen? Oder eine Sechzigjährige vor dem
Superpunkte-Automaten
mitten im belebten Coop verhaften, sie mit auf den Posten nehmen, wo
sie sich in der Zelle nackt ausziehen muss? Und warum nimmt die Polizei
regelmässig Fingerabdrücke ab und überprüft sie im
neuen, bundesweiten
Fahndungssystem, obwohl die bundesrechtlich definierten Voraussetzungen
dafür nicht vorliegen?
Veränderungen erwirkt
Das sind nur wenige Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von
Claudia
Kaufmann, die seit fünf Jahren als Stadtzürcher Ombudsfrau
der
Verwaltung streng auf die Finger schaut - sich notfalls einmischt und
mahnt. Viel mehr kann sie nicht tun, doch indem sie unkorrektes Handeln
oder Nichthandeln (was genauso schlimm sein kann) den Behörden
meldet
und in ihren Jahresberichten öffentlich thematisiert, hat sie
einiges
an Veränderungen bewirkt. Beispielsweise bei den Sozialen
Diensten,
deren Vorgehensweise seit drei Jahren zu überdurchschnittlich
vielen
Fällen führt, die bei der Ombudsfrau landen.
An ihrer Jahrespressekonferenz vom Donnerstag in Zürich
sagte Claudia
Kaufmann, die Fokussierung auf die Missbrauchs-Thematik, welche die
Arbeit der Sozialen Dienste immer noch präge, führe zu
unkorrekten
Vorgehensweisen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten
derart
Angst, Fehler zu machen oder zu grosszügig zu sein, dass sie dazu
tendierten, Leistungen zu kürzen oder einzustellen, ohne die
Regeln
strikt einzuhalten. Sie habe aber im vergangenen Jahr einiges bewirken
können, so die Ombudsfrau: zum Beispiel die Anerkennung der
aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde. Das klingt überaus
technisch
und abstrakt, bedeutet für die Betroffenen aber, dass sie
Leistungen
zumindest vorübergehend weiterhin erhalten, wenn sie
Kürzungen oder
Einstellungen auf dem ordentlichen Rechtsweg anfechten - was von
existenzieller Bedeutung sein kann.
Dauerthema Polizei
Zu den weiteren Dauerthemen der städtischen Ombudsstelle
gehört, neben
der Sozialhilfe, die polizeiliche Arbeit, was nicht erstaunlich ist:
Genau diese beiden Behörden greifen mit ihrem Handeln oder
Nichthandeln
in äusserst sensible Alltagsbereiche ein. Während es bei den
Sozialdiensten darum geht, zu verhindern, dass Menschen kein Dach
über
dem Kopf oder kein Brot auf dem Tisch haben, darf die Polizei
Verdächtige festnehmen, sie auf den Posten führen, in eine
Zelle
sperren, untersuchen und befragen. Das alles ist oft notwendig, dient
der öffentlichen Sicherheit und der
Kriminalitätsbekämpfung, doch die
Ombudsfrau betont auch gegenüber der Stadtpolizei beharrlich, man
habe
sich an die Gesetze zu halten und verhältnismässig vorzugehen.
In ihrem jüngsten Jahresbericht legt Kaufmann den Finger auf
das neue
Personen- und Sachfahndungssystem IDS/AFIS, das vom Bundesamt für
Polizei zusammen mit den Kantonen betrieben wird. Das Instrument steht
erst seit Anfang 2009 zur Verfügung. Und der Ombudsfrau ist nun
aufgefallen, dass sich die Stadtpolizei nicht streng an die
bundesrechtlichen Vorgaben zur Benützung des Systems hält,
sondern sich
auf eigene Dienstanweisungen beruft. Diese internen Regeln enthalten
nach Auffassung der Polizei eine "Generalerlaubnis" dafür, das
neue
Fahndungssystem immer dann anzuwenden, wenn eine Person mit auf die
Wache genommen wird. Nach Einschätzung der promovierten Juristin
geht
dieser Umgang viel zu weit, ist rechtsstaatlich bedenklich und wird vom
Bundesrecht auch nicht gedeckt. Auf all diese Bedenken und
Einwände hat
die Ombudsfrau die Stadtpolizei hingewiesen, jedoch noch keine
Praxisänderung erwirkt.
Klagen von Dunkelhäutigen
Sorge bereitet ihr die Feststellung, dass sich schon seit einigen
Jahren überdurchschnittlich viele jüngere Männer mit
dunkler Hautfarbe
bei der Stelle melden und die Vorgehensweise der Polizei bei Kontrollen
beanstanden. Die Ombudsfrau bemängelt hier
Unverhältnismässigkeit sowie
das Fehlen von konkreten Verdächtigungen im Einzelfall.
In einem anderen, im Jahresbericht geschilderten Fall geht es
zwar
ebenfalls um eine unverhältnismässige Polizeikontrolle und
Festnahme -
bei der Betroffenen handelt es sich aber um eine sechzigjährige,
frühpensionierte Frau. Diese wollte sich in einem
Coop-City-Warenhaus
vor dem Superpunkte-Automaten ein bisschen die Zeit vertreiben und
spielte gleich mit neun Superkarten um zusätzliche Punkte. Die
Karten
waren ihr von Freunden geschenkt worden. Ihr Verhalten fiel einer
Angestellten auf, welche die Polizei anvisierte. Die
Sechzigjährige
wurde verdächtigt, die Karten gestohlen zu haben. Sie musste im
Warenhaus ihre Einkäufe am Boden ausbreiten, an Ort und Stelle die
Quittungen vorweisen, was ihr gelang, und wurde trotzdem auf die Wache
geführt: im Kastenwagen. Auf der Wache sperrte man die Frau in
eine
Zelle, sie musste sich ausziehen, damit Kleider und Schuhe untersucht
werden konnten. Dann durfte sie wieder gehen. Es konnte ihr nichts
nachgewiesen werden.
Sich nicht alles gefallen lassen
Claudia Kaufmann rügt dieses Vorgehen. Erstens hätte
die Frau schon im
Warenhaus diskreter behandelt werden müssen, zweitens habe es
keine
Hinweise auf einen Diebstahl gegeben, drittens gehe es bei den
Superkarten nicht um Kreditkarten oder Ähnliches, und viertens
seien
weder der Transport im Kastenwagen noch die Leibesvisitation nötig
gewesen. - Bei der Nennung all dieser Einzelfälle, unabhängig
davon, ob
sie nun die Polizei, die Sozialdienste oder andere
Verwaltungsbehörden
betreffen, geht es der Ombudsfrau grundsätzlich immer um das
Gleiche:
aufzuzeigen, was die Schranken des Verwaltungshandelns sind, und daran
zu erinnern, dass man sich als Bürgerin und Bürger nicht
alles gefallen
lassen muss.
---
Limmattaler Tagblatt 21.5.10
Polizei speicherte Daten aus Versehen
Die Ombudsfrau kritisiert das Vorgehen der Stadtpolizei
Zürich
Manche Shoppingtour endet in Zürich auf der Polizeiwache -
mit
unliebsamen Folgen. Drei Fälle dokumentiert Claudia Kaufmann,
Ombudsfrau der Stadt Zürich, in ihrem gestern
veröffentlichten
Jahresbericht 2009.
Matthias Scharrer
Fall 1: Ein dunkelhäutiger Brasilianer besucht in
Zürich seinen
Lebensgefährten. Im Migros will er ein Fernseh-Antennenkabel
für ihn
besorgen, findet aber keines. Er verlässt den Laden durch den
Kundeneingang, ohne etwas zu kaufen. Dort kontrollieren Polizisten in
Zivil seinen Pass und nehmen den Brasilianer mit auf die Quartierwache
- im Rahmen einer Aktion gegen Taschendiebe, wie sich die Stadtpolizei
später rechtfertigt. Weiter gehts in die Wohnung seines
Lebensgefährten, wo die Polizei nach einer Durchsuchung
feststellt,
dass das Antennenkabel wirklich fehlt.
Damit nicht genug: Der Brasilianer muss noch auf die
Regionalwache
mitkommen. Dort fotografiert ihn die Polizei und erfasst seine
Fingerabdrücke, um sie elektronisch mit dem neuen bundesweiten
automatisierten Personen- und Sachfahndungssystem (Afis) abzugleichen.
Wie sich später herausstellt, wird sein Fingerabdruck
"versehentlich
eingescannt und zusammen mit dem Verhaftsrapport in der Polis-Datenbank
erfasst", heisst es im neusten Jahresbericht der Stadtzürcher
Ombudsfrau. Erst aufgrund der Beschwerde der Ombudsstelle löscht
die
Polizei die Daten.
Fall 2: Eine 60-jährige Schweizerin hat neun
Coop-Supercards. Freunde
und Verwandte haben sie der Sammlerin geschenkt. Nachdem sie damit
einer Kundendienstmitarbeiterin auffällt, wird sie im Coop von der
Polizei kontrolliert und anschliessend im Kastenwagen auf die
Regionalwache gebracht. Dort muss sie sich nackt ausziehen. Auch ihr
werden die Fingerabdrücke genommen und mittels Afis-Anfrage
überprüft.
Fingerabdrücke wegen einer Parkbusse
Fall 3: Fahri Ozlem (Name geändert) ist mit fünf
Kollegen im
Einkaufszentrum Letzipark, als sie von Zivilpolizisten kontrolliert
werden. Alle können sich ausweisen. Die Polizei stellt fest, dass
gegen
Ozlem im Kanton Solothurn eine unbezahlte Verkehrsbusse von 50 Franken
vorliegt. Er wird in Handschellen gelegt und auf eine Polizeiwache
gebracht. Dort werden auch ihm die Fingerabdrücke genommen -
für den
elektronischen Datenabgleich Afis.
Afis steht der Polizei seit 2009 als Instrument zur
Identitätsüberprüfung zur Verfügung. Claudia
Kaufmann, Ombudsfrau der
Stadt Zürich, kritisiert, wie die Stadtpolizei damit umgeht: "Die
Ombudsstelle bearbeitete wiederholt Beschwerden, bei denen diese
Datenüberprüfung extensiv und weit über den gesetzlichen
Zweck
hinausschiessend zur Anwendung kam."
Eingriffe in Persönlichkeitsrechte
Sie verweist darauf, dass das Bundesrecht abschliessend regelt,
wann
Afis eingesetzt werden darf. Die drei in ihrem Jahresbericht 2009
dokumentierten Fälle entsprächen nicht diesen Kriterien.
"Dass die
Polizei jedes Mal, wenn jemand auf die Wache zur Überprüfung
mitmuss,
elektronisch Fingerabdrücke erfasst und abgleicht, sprengt den
rechtlich zulässigen Rahmen", sagt Kaufmann. "Dabei handelt es
sich um
einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte."
Und dass die Daten in einem Fall versehentlich gespeichert und erst auf
Intervention der Ombudsstelle hin gelöscht wurden, zeige: "Je mehr
Daten gesammelt und gespeichert werden, umso grösser ist die
Gefahr,
dass Fehler passieren."
Kaufmann hält die Praxis der Stadtpolizei und das Fehlen
klarer
Kriterien für die Anwendung des Afis-Systems für
"rechtsstaatlich
bedenklich". Marco Cortesi, Sprecher der Stadtpolizei Zürich,
erklärt
dazu: "Afis-Abfragen werden durchgeführt, wenn die Identität
nicht
feststeht und ein Verdacht vorliegt." Und hält zum Thema
Polizeidatenbanken fest: "Ob jemand fälschlicherweise darin
erfasst
ist, können wir nicht überprüfen - ausser, die
betreffende Person
meldet sich bei uns oder es geht sonst ein entsprechender Hinweis ein."
--
Spitzenreiter Sozialdepartement
550Geschäfte bearbeitete die Stadtzürcher Ombudsstelle
im Jahr 2009.
Die meisten betrafen das Sozialdepartement (218), gefolgt vom
Gesundheits- und Umweltdepartement (66) und dem Polizeidepartement (59).
Die Zahl der Fälle aus dem Polizeidepartement ist dabei wie
schon in
den vorangehenden vier Jahren rückläufig. "Vor allem
einfachere Fälle
werden seltener eingereicht", heisst es in der gestern
veröffentlichten
Bilanz der Ombudsfrau Claudia Kaufmann. Zu den Beschwerdeführern
hätten
auch 2009 überdurchschnittlich viele jüngere
dunkelhäutige Männer
gezählt. Zudem habe die Ombudsstelle wiederholt Fälle
bearbeitet, bei
denen ein für die Stadtpolizei neues
Datenüberprüfungsinstrument "weit
über den gesetzlichen Zweck hinausschiessend" angewandt worden sei
(siehe Haupttext). (mts)
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HOMOHASS
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hirschfeld-eddy-stiftung.de
21.5.10
Hirschfeld-Eddy-Stiftung
Stiftung für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen
und Transgender
Kampf gegen Vergewaltigung an Lesben in Südafrika
Spendenaufruf für das Lesbian and Gay Equality Project Johannesburg
Seit Jahren gilt Südafrika in Bezug auf Lesben- und Schwulenrechte
als
"Vorhut der Toleranz" in Afrika. Die sexuelle Identität ist qua
Verfassung geschützt, doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
Immer wieder kommt es zu grausamen Hassverbrechen. Insbesondere in den
Townships der Großstädte werden offen lesbisch lebende
Frauen Opfer
schlimmster Gewalttaten. Beleidigungen, Prügel, Vergewaltigung
sind ein
alltägliches Phänomen. Die Täter vergewaltigen Lesben
und behaupten,
sie so zu "heilen". Strafanzeigen werden von der Polizei meist
ignoriert. Mehr als 30 offen lesbisch lebende Frauen sind in den
vergangenen Jahren in Südafrika ermordet worden. Einen Anstieg von
Gewalt und Hassverbrechen während der
Fußballweltmeisterschaft ist zu
befürchten.
Das Lesbian and Gay Equality Project (Projekt zur Gleichstellung von
Lesben und Schwulen in Südafrika, kurz LGEP) kämpft gegen
Hassverbrechen, gegen dieses Phänomen der "korrigierenden
Vergewaltigung" (corrective rape). Das LGEP aus Johannesburg ist eine
gemeinnützige Organisation, die für die vollständige
rechtliche und
soziale Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender
und Intersexuellen in Südafrika kämpft. Das Projekt bietet
Rechtsberatung und Betreuung für traumatisierte Opfer.
Phumzile Mtetwa, Geschäftsführerin von LGEP, ist derzeit in
Deutschland, um für Solidarität mit den lesbischen Frauen in
Südafrika
zu werben. Internationale Unterstützung ist ein unverzichtbares
Mittel
gegen Homophobie und Menschenrechtsverletzungen.
Dieser Kampf verdient unsere Unterstützung. Die
Hirschfeld-Eddy-Stiftung leitet Spenden eins zu eins an das Lesbian and
Gay Equality Project in Johannesburg weiter. Die Spenden sind
steuerlich absetzbar.
Hirschfeld-Eddy-Stiftung
Konto 50 100 00
Bank für Sozialwirtschaft
BLZ: 370 205 00
Stichwort: Südafrika
---
Bund 21.5.10
Malawi
Schwules Ehepaar zu 14 Jahren Haft verurteilt
Das erste schwule Paar, das im afrikanischen Staat Malawi
geheiratet
hat, ist zu 14 Jahren Haft und Zwangsarbeit verurteilt worden. Damit
verhängte das Gericht die Höchststrafe. Die Strafe solle
Nachahmer
abhalten, dem "abscheulichen Beispiel" zu folgen, sagte der Richter. In
38 von 53 afrikanischen Staaten wird Homosexualität bestraft. Nur
in
Südafrika ist die Homo-Ehe erlaubt. (sda)
---
queer.de 21.5.10
Schwulen-Verfolgung: Die Kritik an Malawi wächst
Der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), das Weiße
Haus und
auch Sängerin Madonna setzen sich für zwei Männer aus
Malawi ein, die
wegen Homosexualität zu 14 Jahren Haft verurteilt wurden - die
malawische Regierung begrüßte dagegen das Urteil.
Der 26-jährige Steven Monjeza und der 20-jährige
Tiwonge Chimbalanga
haben bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einlegen zu
wollen. Aus ganz Europa und Nordamerika hagelte es Proteste gegen die
Verurteilung des Paares nach einem alten Kolonialgesetz. Für
Berlin
erklärte Entwicklungsminister Niebel, dass die Verfolgung von
Homosexuellen unvereinbar sei mit der Achtung von Menschenrechten. Er
wies darauf hin, dass Malawis Verfassung die Einhaltung der
Menschenrechte garantiere. Markus Löning,
Menschenrechtsbeauftrager der
Bundesregierung, erklärte zudem, die Verurteilung verstoße
gegen
internationales Recht und gegen die Afrikanische Charta für
Menschen-
und Bürgerrechte.
Auch die amerikanische Regierung forderte Malawi auf,
Homosexuelle
nicht länger zu verfolgen: "Die Kriminalisierung von sexueller
Orientierung und Geschlechtsidentität ist unverschämt und
dieser Fall
beschädigt die Menschenrechte in Malawi", so die Obama-Regierung
in
einer Erklärung. "Wir fordern Malawi und alle anderen Länder
auf, nicht
mehr sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als Basis
für
Verhaftungen, Internierungen oder Exekutionen heranzuziehen."
Popsängerin Madonna, die in den letzten Jahren zwei Kinder
aus Malawi
adoptiert hatte, zeigte sich entsetzt über die Verurteilung: "Das
ist
ein Riesenschritt zurück für Malawi", erklärte die
51-Jährige. "Unsere
Welt ist so voller Leid, daher müssen wir das Menschenrecht
darauf, zu
lieben und geliebt zu werden, verteidigen." Sie rief "fortschrittliche
Männer und Frauen von Malawi" auf, sich für eine Freilassung
der Männer
einzusetzen.
Menschenrechtsorganisation wie Amnesty International oder Action
Against Homophobia haben nun Unterschriftenaktionen gestartet, um Druck
auf die Regierung von Malawi auszuüben. Allerdings scheint dies
auf
taube Ohren zu stoßen: So erklärte der malawische
Informationsminister
Leckford Mwanza Thotho, seine Regierung sei zufrieden mit der
Entscheidung des Gerichts. Das Urteil reflektiere die Mehrheitsmeinung
in Malawi und stelle sicher, dass "mit unseren Traditionen kein
Schindluder getrieben wird". Homosexualität sei "unmalawisch", so
Mwanza Thotho weiter. (dk)
---
aktuell.ru 20.5.10
Wie üblich: Moskauer Schwulen-Parade verboten
Moskau. Die Moskauer Stadtverwaltung hat zum fünften Mal in
Folge die
jedes Jahr geplante Schwulenparade verboten. Die Homosexuellen wollen
nun am 29. Mai illegal demonstrieren - und in Straßburg Klage
einreichen.
Nikolaj Alexejew, der Organisator des bisher nie legal
stattfindenden
Moskauer Homosexuellen-Umzuges, erklärte, er habe von der
Stadtverwaltung eine telefonische Absage für die angemeldete
Demonstration erhalten. Eine schriftliche Begründung stehe noch
aus.
"Entgegen der geltenden Gesetzgebung hat die Moskauer
Stadtregierung
den Organisatoren keine Alternative zur Durchführung der geplanten
Veranstaltung gegeben", so Alexejew.
Aktion soll auch ungenehmigt stattfinden
Die Aktion werde aber in jedem Fall stattfinden - wobei Format und Ort
noch abgeklärt werden müssen. Die Paraden-Organisatoren
hatten
beantragt, von der Metrostation Tschistije Prudy über die Uliza
Mjasnizkaja zum Ljubjanka-Platz ziehen zu wollen. An dem Zug sollten
etwa 5.000 Personen teilnehmen.
Das Verbot der Schwulen-Parade ist bereits das fünfte in
Folge seit
2006. Wie Alexejew erklärte, werde man mit dem Widerspruch dagegen
wieder bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gehen.
Das
Gericht werde noch in diesem Jahr über eine Klage gegen die
Verbote der
Schwulen-Parade in den Jahren 2006 bis 2008 entscheiden.
Miliz-Gewalt gegen "satanistische" Homosexuelle
"Unabhängig davon sind jedes Mal Schwulen-Aktivisten zu nicht
genehmigten Aktionen gekommen, wobei sie seitens der Miliz
Schlägen und
Festnahmen ausgesetzt waren", so Alexejew. Festnahmen gab es oft aber
auch in den Reihen der teils gewalttätigen Gegendemonstranten aus
nationalistischen und ultraorthodoxen Kreisen.
Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow hatte im Januar
erklärt, er werde
Umzüge sexueller Minderheiten als eine Form "satanistischer
Handlungen"
in Moskau nicht zulassen. "Das ist kein Theorem, sondern ein Axiom", so
das Stadtoberhaupt.
"Slawische Schwulenparade" in Petersburg angesetzt
Eine ähnliche Veranstaltung unter dem Titel "Slawische Gay-Parade"
wird
von Schwulen-Aktivisten für den 26. Juni in St. Petersburg
geplant.
Beim ersten Versuch dieser - wie üblich nicht genehmigten - Aktion
im
Mai letzten Jahres waren in Moskau 40 Teilnehmer festgenommen worden.
Am letzten Wochenende wurde versucht, den Umzug im
weißrussischen
Minsk abzuhalten. Auch dort wurden acht Teilnehmer von der Polizei
abgeführt.
Ob die Parade in Petersburg genehmigt wird oder nicht, ist noch
offen.
Der Antrag dafür soll wie vom Demonstrations-Gesetz gefordert,
zwei
Wochen vor der geplanten Aktion bei der Stadtverwaltung eingereicht
werden.
(ld/.rufo/St.Petersburg)
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BIG BROTHER SPORT BS
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Basler Zeitung 21.5.10
Mehrere FCB-Spieler unter Fackel-Verdacht
Basel. Nicht nur Xherdan Shaqiri (18) soll gegen das
Sprengstoffgesetz verstossen haben
Kritik an Polizei. Nach Xherdan Shaqiri droht nun weiteren
FCB-Spielern Ungemach, weil sie brennende Fackeln in der Hand gehalten
haben sollen. Der "Blick am Abend" meldete in seiner gestrigen Ausgabe,
dass sich der Vorfall mit Shaqiri an der Cup-Feier bei der Meisterfeier
wiederholt habe. Diesmal hätten drei andere FCB-Spieler auf dem
Balkon
des Stadtcasinos zum Leuchtfeuer gegriffen. Gemäss "Blick am
Abend"
handelte es sich dabei um Marcos Gelabert, Jacques Zoua und Adilson
Cabral. Klaus Mannhart, Mediensprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt,
spricht von mindestens einem weiteren Verfahren. Mannhart
präzisierte
aber nicht, ob es sich gegen einen FCB-Spieler oder einen Fan handelte.
Die Basler Polizei will Xherdan Shaqiri wegen eines Verstosses gegen
das Sprengstoffgesetz büssen und gerät damit immer mehr in
die Kritik.
Auf der Internetseite von baz.ch bezeichnen Leser das Vorgehen der
Ermittlungsbehörden als "unverhältnismässig". An den
Feiern auf dem
Barfi hatten Dutzende von Fackeln gebrannt, ohne dass die Polizei
eingegegriffen hätte.
Josef Zindel, Sprecher des FC Basel, will an der
Meisterschaftsfeier
keine Spieler mit Fackeln gesehen haben. Er wiederum kritisiert die
Polizei dafür, dass er erst über die Medien von der geplanten
Busse
gegen Shaqiri erfuhr. Wie Bilder und Fernsehaufnahmen zeigen, nahmen
während der Cup-Feier neben Shaqiri auch weitere Spieler eine
Fackel
zur Hand.
js/pra >
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Blick 21.5.10
Shaqiri als Opfer
Heiss -
Die Stimmung auf dem Barfüsserplatz ist schon nach dem
Cupsieg gegen
Lausanne meisterlich. Rund 10 000 FCB-Fans feiern ausgelassen und
brennen den ganzen Abend Pyros ab - was eigentlich verboten ist. Die
Polizei schaut zu, die roten Fackeln tragen zu einer tollen
Atmosphäre
bei. Die Party verläuft friedlich - genau wie bei der Meisterfeier
am
Sonntag.
Doch als jetzt Bilder von FCB-Star Xherdan Shaqiri mit einer
brennenden Fackel auftauchen, wird das Sicherheitsdepartement aktiv (im
BLICK). Shaqiri drohen nun rund 800 Franken Busse. Laut "Blick am
Abend" sind drei weitere Spieler bekannt, die an der Meisterfeier
zündelten. Konsequenterweise müsste die Polizei auch Marcos
Gelabert,
Jacques Zoua und Adilson Cabral bestrafen. "Bis jetzt ermitteln wir nur
gegen einen Spieler", sagt Klaus Mannhart von der Polizei. Die
FCBSpieler haben sich trotz klarer Ansage des Klubs verleiten lassen,
das war unüberlegt. Dass nun aber am 18-jährigen Shaqiri ein
Exempel
statuiert werden soll, klingt in Anbetracht Hunderter abgebrannter
Pyros wie ein schlechter Witz. Übrigens: Auch Sion-Spieler Didier
Crettenand wurde nach dem Cupsieg 2009 mit einer Fackel "erwischt" und
kam ungestraft davon. 57 % der Blick.ch-User finden, dass auch Shaqiri
keine Strafe verdient hätte.
Heiko Ostendorp
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Blick am Abend 20.5.10
FCB-Stars in der Pyro-Falle
FACKEL
Xherdan Shaqiri und weitere Spieler-Kollegen brachen das Gesetz.
philipp.schraemmli@ringier.ch
Xherdan Shaqiriistwohlnicht der einzige Star, der Post von der
Polizei bekommt. Auch anderen FCB-Spielern drohen Bussen.
Bei der Cupfeier zündete der Neo-Natispieler auf dem Balkon
des
Stadtcasinos eine Fackel. Die Polizei eröffnete ein Verfahren
wegen
Verstosses gegen das Sprengstoffgesetz. Doch neben Shaqiri versuchten
sich noch andere als Pyromanen. Blick am Abend sind drei weitere
Spieler bekannt, die an der Meisterfeier zündelten.
Konsequenterweise
müsste die Polizei auch Marcos Gelabert, Jacques Zoua und Adilson
Cabral bestrafen. "Bis jetzt ermitteln wir nur gegen einen Spieler",
sagt Klaus Mannhart von der Polizei.
Die Polizei könnte den Spielern und Gigi Oeri zudem eine
Verkehrsbusse
ausstellen. Immerhin sind sie ohne Helm auf Harleys durch die Steinen
gefahren - dort herrscht Fahrverbot. "Das wäre
unverhältnismässig, und
für den Corso gab es eine Bewilligung", sagt Mannhart.
800 Franken müssen Shaqiri und Co. für ihre
Freudenfeuer hinblättern.
Folgenschwerer wäre es, wenn die Polizei den Spielern ein
Stadionverbot
aufbrummt. Die halbe Mannschaft müsste nächste Saison 500
Meter vor dem
Stadion warten. "Ein Stadionverbot sprechen wir nicht aus", sagt
Mannhart. "Das Vergehen fand auf dem Barfi statt, und es kam nicht zu
Gewalt."
(c)Finden Sie die Bussen für FCB-Profisrichtig?
Schreinreiben Sie uns: basel@blickamabend.ch
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BIG BROTHER SPORT SG
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St. Galler Tagblatt 21.5.10
"Vieles ist kaputtgegangen"
Seit dem Cup-Aus des FC St. Gallen herrscht zwischen Verein und
Fans
Funkstille. Michael Blatter vom Fan-Dachverband und der
Fan-Verantwortliche Urs Baumgartner äussern sich.
Die Saison ist vorbei. Steht Ihnen nach der FCSG-intensiven nun
eine FCSG-freie Zeit bevor?
Michael Blatter: Nein, bei uns im Dachverband 1879 beginnt diese
Woche bereits die Planung für die neue Saison.
Urs Baumgartner: Für mich als Fan-Verantwortlichen stehen
Sitzungen
und Weiterbildungen mit den SBB wegen den Extrazügen an. Und wir
haben
ja noch einige Baustellen zwischen den Fans und dem Verein.
Seit dem Cup-Halbfinal gegen Lausanne herrscht zwischen dem
Verein und den Fans Funkstille.
Baumgartner: Die Niederlage war brutal. Einerseits aus
sportlicher
Sicht und andererseits wegen der Konsequenzen, die von der Clubleitung
danach gezogen wurden. Durch das Choreo-Verbot ist zwischen dem Verein
und den Fans sehr vieles kaputtgegangen. Und in der Aufregung ging
vergessen, was wir gemeinsam erreicht haben. Zum Beispiel, dass es mit
den St. Galler Fans vor und nach Heimspielen rund um das Stadion nie
Probleme gab, wofür wir von der Polizei auch mehrmals gelobt
worden
sind.
Blatter: Die momentane Situation ist für alle sehr
unangenehm. Wir vom
DV 1879 warten, bis der Verein einen Schritt auf uns zu macht. Es ist
klar, dass wieder Gespräche geführt werden müssen. Aber
so schnell wird
man nicht wieder auf dem Stand von vor dem Spiel sein.
Mit den Choreos seien Pyros ins Stadion geschleust worden, lautet
der
Vorwurf des Vereins. Könnte sich die Situation entspannen, wenn
sich
der Dachverband klar gegen Pyros aussprechen würde?
Blatter: Vorweg: Wir warten bis heute auf den Beweis, dass die
Pyros
mit der Choreo ins Stadion gelangten. Zu unserer Haltung: Zu den Pyros
haben wir keine. Gewisse Leute im Dachverband sind für das
Abbrennen
von Pyros, andere sind dagegen. Letztlich ist das Sache des Espenblocks.
Trotzdem, ihr wurdet ja in die Vermittlerrolle gedrängt und
habt diese
teilweise auch angenommen. So hat der Espenblock auf eure Initiative
hin einen Flyer mit Verhaltensregeln erarbeitet.
Blatter: In diesem Fall war es für uns einfach, eine klare
Meinung zu
haben. Denn natürlich sind wir vom DV 1879 gegen Gewalt. Bei den
Pyros
ist die Sache komplizierter. Diese gehören für viele im
Espenblock zur
Fankultur. Ausserdem ist es meiner Ansicht nach klar falsch, Pyros und
Gewalt gleichzusetzen.
Und wie ist Ihre Rolle, Herr Baumgartner? Sie sind als
Fan-Verantwortlicher ja vom Verein angestellt.
Baumgartner: Ich sehe mich als Bindeglied zwischen Verein und
Fans.
Wenn im Espenblock der Wunsch nach Pyros da ist, muss ich das zur
Kenntnis nehmen. Ich versuche, die Parteien wieder an einen Tisch zu
bringen, um einen Kompromiss möglich zu machen.
Was haltet ihr von den verschiedenen Sicherheitsmassnahmen
für
Sportveranstaltungen, die derzeit landesweit diskutiert werden?
Beispielsweise, dass in Stadien künftig nur noch Light-Bier
ausgeschenkt werden soll?
Blatter: Die Massnahme ist meiner Ansicht nach nicht sinnvoll. Es
ist
für uns jedoch heikel, gegen repressive Massnahmen Stellung zu
nehmen,
weil dann jeweils schnell der Vorwurf kommt, der DV legitimiere Gewalt.
Deshalb ist für uns auch der Aufbau der geplanten soziokulturellen
Fanarbeit so wichtig.
Inwiefern?
Blatter: Professionelle Fanarbeiter wären neutral und
könnten in der
Öffentlichkeit eher sagen: "Das ist kontraproduktiv." Und sie
könnten
besser vermitteln. Auch wir versuchen neutral zu sein, aber das ist
schwierig, wenn man aus der Fanszene kommt und viele Leute im
Espenblock kennt.
Zum Schluss: Was haltet ihr von den Ticketpreis-Erhöhungen,
die der Verein bekanntgegeben hat?
Baumgartner: Der Aufschlag zwischen 30 und 60 Prozent ist happig.
Ich
würde sagen: Der Entscheid ist das i-Tüpfelchen auf all das,
was in den
letzten Wochen passiert ist.
Interview: Peter Brühwiler
--
Die Saison: Sitzstreik, Messerwurf, Choreoverbot
Die Fans des FC St. Gallen waren auch in der vergangenen Saison
regelmässig im Mittelpunkt von Medien und Öffentlichkeit. Um
die
Geschehnisse in der vergangenen Saison besser einordnen zu können,
ist
zunächst ein Blick weiter zurück nötig. Vor zwei Jahren
hatte das
Verhältnis zwischen Fans, Club und öffentlicher Hand einen
Tiefpunkt
erreicht, dies wegen der Ausschreitungen nach dem Bellinzona-Spiel im
Espenmoos, als der FCSG in die Challenge League abstieg.
Danach schien sich die Situation zu entspannen, als Michael
Hüppi im
Sommer 2008 beim FCSG das Amt des Präsidenten übernahm und
Gesprächsbereitschaft mit den Fans zeigte. Ein Runder Tisch wurde
einberufen, an dem Mitglieder des Fan-Dachverbands 1879, Polizei-,
Stadion- und Clubvertreter teilnahmen.
Demo gegen Polizeikontrolle
Vergangene Saison nun haben sich die Fronten wieder etwas
verhärtet.
Begonnen hat dies mit den verschärften Massnahmen gegen Hooligans,
zum
Beispiel der Einführung der Schnellgerichte im Sommer 2009. Im
Oktober
vor dem Spiel FCSG - FC Zürich machte die Polizei eine Kontrolle
in
einem Fanrestaurant im Westen der Stadt. Gemäss Polizei war es
eine
routinemässige Personenkontrolle, gemäss Fans ein
unverhältnismässiger
Grosseinsatz. Die Folge der Aktion: Fans machten auf der Zürcher
Strasse nach dem Spiel einen Sitzstreik, sorgten so für
Verkehrschaos.
Der DV 1879 schrieb am Folgetag ein Communiqué: "Generell werden
momentan von Medien, Politik, Polizei und den Vereinen Fussballfans wie
Verbrecher behandelt."
Im November hinderten St. Galler Fans nach dem Auswärtsspiel
in Aarau
den Extrazug in Wil an der Weiterfahrt. Rund 100 FCSG-Fans verliessen
laut Polizei die Waggons und trafen sich zu Streitereien mit Wiler
Fans. Auch im April dieses Jahres gab es beim Auswärtsspiel in
Aarau
Probleme: Es gab Ausschreitungen in der Innenstadt Aaraus, zudem brach
im Extrazug, mit dem 700 FCSG-Anhänger nach Aarau gereist waren,
nach
der Ankunft im Bahnhof ein Feuer aus.
Dachverband stellt Regeln auf
Den schlechten Ruf, den die Fans bei einem grossen Teil der
Öffentlichkeit haben, will der DV verbessern. Im Februar verteilte
er
im Espenblock einen Flyer mit Fanregeln. Damit wendet er sich gegen
"aktives Suchen von Gewalt", gegen Rassismus und gegen das Werfen von
Gegenständen. Auf geordnet abgebrannte Pyros will der Espenblock
und
der DV aber weiterhin nicht verzichten - obschon dem Club darob
Geldstrafen drohen. "Pyros gehören zur Fankultur", ist der
Grundtenor.
Im Halbfinal gegen Lausanne sorgten in der AFG Arena ein
Sackmesserwurf und Pyro-Aktionen für Aufsehen. Hüppi
verhängte darauf
ein Choreoverbot im Stadion. Fackeln seien mit dem
Choreographie-Material ins Stadion gebracht worden. Auf dieses Verbot
wiederum reagierte ein Teil des Espenblocks mit einem Stimmungsboykott
in der AFG Arena. Dieser Boykott hielt - wenn auch in etwas
abgeschwächter Form - bis Ende Saison an. (rst)
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HOOLIGAN
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Tagesanzeiger 21.5.10
Der Polizist, der ein Hooligan war
Acht Jahre lang führte der Deutsche Stefan Schubert ein
Doppelleben,
bis er durch einen Zufall enttarnt wurde. In seinem Buch beschreibt er
Polizisten und Hooligans als Seelenverwandte.
Von Dario Venutti
Manchmal trifft Stefan Schubert auf alte Gegner wie kürzlich
auf der
Toilette einer Bar. Dann kommen Dialoge wie dieser zustande:
Unbekannter: "Kennst du mich noch?"
Schubert: "Nein, sollte ich?"
Unbekannter: "Du hast mich einmal verprügelt."
Schubert: "Dann hast du es wohl verdient gehabt."
Früher schlug Schubert in Konfrontationen zu. Ohne zu reden
und ohne
zu zögern. Hatte er jemanden als Gegner identifiziert, flogen die
Fäuste: Ein Nasenbeinbruch hörte sich dann an wie ein
"Geräusch, als
würde man ein dickes Stück Holz brechen". Wenn der Schlag ins
Gesicht
mit voller Wucht den Schädel traf, "zerbrachen einige der 25
Knochen in
der Hand wie Hähnchenflügel".
Ostwestfalen-Terror
Acht Jahre lang war Stefan Schubert Mitglied der
Hooligan-Gruppierung
Blue Army des Fussballvereins Arminia Bielefeld, die sich wahlweise
auch Ostwestfalen-Terror nannte. Von 1988 bis 1996 fuhr er jedes
Wochenende an die Spiele der Arminia, wo es fast immer knallte, wenn
die Blue Army auf gegnerische Gruppierungen traf: auf unbewachten
Parkplätzen und in dunklen Seitenstrassen. Oder im Stadion selber.
Kameraüberwachung und Polizeipräsenz waren damals noch nicht
so weit
gediehen, dass sich Hooligans auf abgelegenen Feldern und Wiesen
treffen mussten wie heute.
Als Stefan Schubert erstmals an einer Schlägerei teilnahm,
war er 18
Jahre alt. Acht Jahre später hörte er auf. Mitder Distanz von
14 Jahren
legt er jetzt ein Buch vor, dessen unzählige Episoden sich zur
Geschichte eines langen Erwachsenwerdens verdichten. Schuberts Werk ist
zwar ein spröder Report und sprachlich an manchen Stellen
unbeholfen.
Doch das Buch beschränkt sich nicht auf die (sattsam) bekannten
Erzählungen von Hooligans, die durch gemeinsame Reisen, Saufgelage
und
Gewaltrausch zusammengehalten werden. Und die sich einen Spass daraus
machen, der Polizei Schnippchen zu schlagen und den
Durchschnittsbürgerzu erschrecken.
Schubert war, und das ist der eigentliche Skandal, in seiner Zeit
als
Hooligan auch Polizist. Wer ihn anfänglich als Spitzel in Verdacht
hatte, dem wurde schnell klar, dass er Hobby und Beruf trennte. Bald
einmal hatte er sich den Ruf eines guten Schlägers erarbeitet und
genoss deshalb den Respekt des Bosses der Blue Army, intern "Onkel"
genannt. Schubert war bei fast jedem Gewaltexzess dabei, ob nach
Fussballspielen, in der Stammkneipe oder auf einer Party. Ein Anlass
für Schlägereien fand sich immer. "Ein wilder Haufen
fleischgewordener
Waffen mit durchtrainierten, tätowierten Oberkörpern war dann
entsichert."
Schubert hinterliess bei Gegnern posttraumatische
Belastungsstörungen.
Er wusste von Einbrüchen seiner Gangmitglieder und von deren
Drogenhandel. Als Straftaten nahm er das aber nicht wahr: "In unserem
Vokabular kamen Begriffe wie Krawalle oder Schlägerei gar nicht
vor.
Das wurde unter dem Satz ‹Ich fahre zum Fussball› subsumiert und
gleichzeitig ignoriert", sagt er im Gespräch. Wer nicht über
Gewalt und
Verletzungen redete, musste auch nicht darüber nachdenken. So
einfach
sei das gewesen.
Schubert, der heute ein Fitnesscenter in Bielefeld leitet,
erschien
regelmässig mit Blutergüssen oder Schürfwunden zum
Polizeidienst,
manchmal auch mit gebrochenen Knochen. Als Hobbyboxer und
Handballspieler konnte er die Verletzungen leicht erklären. Dass
sein
Name allerdings in einem halben Dutzend Straf- oder
Ermittlungsverfahren auftauchte, ohne von seinen Vorgesetzten bemerkt
zu werden, ist für ihn auch heute noch rätselhaft. War es
Unvermögen?
Oder Ignoranz? Gar stillschweigende Duldung? Im Lauf der Jahre wussten
jedenfalls immer mehr Kollegen Bescheid über sein Doppelleben.
Schubert
vermutet, dass sie ihn gewähren liessen: Weil alles andere zu viel
Aufregung verursacht hätte. Weil er als Polizist einen guten Job
gemacht habe.
Schuberts zwei Welten unterschieden sich in einem wesentlichen
Punkt:
Als Hooligan war er ein Gesetzesbrecher, als Polizist stand er auf der
Seite des Gesetzes. Das allein gibt dem Buch aber noch keine Spannung.
Lohnenswert macht die Lektüre die allmählich einsetzende
Erkenntnis,
dass es sich bei Hooligans und Polizisten um Brüder im Geiste
handelt.
"Beide waren hierarchisch streng gegliederte Männerwelten.
Eigenschaften wie Loyalität, Ehrlichkeit, Kameradschaft,
bedingungsloser Einsatz und Angstüberwindung standen auf beiden
Seiten
im Vordergrund", schreibt Schubert.
Archaische Instinkte im Mann
Dass es sich bei ihm nicht um einen Einzelfall handelte, zeigt
der
jüngst hierzulande aufgedeckte Fall eines Mitarbeiters des
privaten
Sicherheitsdienstes Delta: Mit der Rückendeckung des Gesetzes
schlug er
auf Fussballfans ein, in seiner Freizeit randalierte er am 1. Mai in
Zürich. Hooligans und Polizisten, so die Botschaft des Buches,
haben
eine ähnliche mentale Disposition: Die Rolle weckt archaische
Instinkte
im Mann. In Schuberts Worten: "Die Nähe zur Gewalt lag vielen
Kollegen
im Blut."
Bei der Polizei erlernte er die Fähigkeit, Gewaltsituationen
zu
analysieren, was ihm als Krawallmacher in der Freizeit zugutekam. Und
die Feindbilder, die dort aufgebaut wurden, hatte er auch als Hooligan
verinnerlicht: Autonome, Rocker, Skinheads - "einfach jede Horde
rivalisierender Männer waren die Gegner". Für beide Welten
galt:
"Meinungsverschiedenheiten werden nicht ausdiskutiert."
Schubert hatte seine Ausbildung beim Bundesgrenzschutz, damals
für
viele junge Polizisten ein erstrebenswerter Arbeitsort, als
Fünftbester
seines Jahrgangs abgeschlossen. Die Ausbildner hätten den
Polizeianwärtern gesagt: Am Wochenende und in der Freizeit
dürft ihr
euch prügeln. Aber verliert ja nicht. Und lasst euch vor allem
nicht
erwischen!
"Diese Ansagen sogen wir zu jener Zeit begeistert auf", schreibt
Schubert. Sie verfestigten eine Prägung, die er als Schüler
hatte und
die später seinen Werdegang als Hooligan bestimmen sollte: dass
Gewalt
eine Lösung ist. Auf dem Schulweg musste sich Schubert von einer
Türkengang ein paar Mal verhauen lassen. Dann schloss er sich mit
ein
paar Jungs zu einer Gruppe zusammen, lernte boxen - und verschaffte
sich schliesslich mit den Fäusten Respekt vor den Türken.
Am 5. November 1996 wurde Stefan Schubert verhaftet -
ironischerweise
an einem der wenigen Tage, an denen er keine Straftat begangen hatte.
Minuten nach einer Schlägerei in der Bielefelder Innenstadt lief
er zum
"Leichengucken" am Tatort, wie Hooligans das nannten - und wurde von
der Polizei aufgegriffen. Weil ein Journalist den Polizeifunk
abgehört
hatte, stand die Geschichte bald in allen deutschen Zeitungen.
Stefan Schubert: Gewalt ist eine Lösung. Riva, München
2010. 332 S., ca. 25 Fr.
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AUSSCHAFFUNG
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Bund 21.5.10
Ausschaffen, mit dem Segen aus der SP
Die Ausschaffungsinitiative der SVP soll mit einem direkten
Gegenvorschlag bekämpft werden. Dabei scheint nun auch die SP
mitzumachen.
Daniel Friedli
Der erste Teil des Plans ist aufgegangen: Die SP-Vertreter haben
die
Kröte geschluckt und gestern in der Staatspolitischen Kommission
des
Nationalrates murrend, aber mehrheitlich für schärfere Regeln
zur
Ausschaffung von kriminellen Ausländern gestimmt. Damit
können nun FDP
und CVP auch dem Nationalrat einen direkten Gegenvorschlag zur
Ausschaffungsinitiative der SVP vorlegen. Sein Inhalt: Ausländer,
die
gemordet, geraubt, vergewaltigt oder sich anderer schwerer Delikte
schuldig gemacht haben, müssen das Land verlassen. Im Vergleich
zum
Ständerat hat die Kommission den Deliktkatalog gar noch um einen
Punkt
ergänzt: Auch schwere Körperverletzung soll eine Ausweisung
nach sich
ziehen.
Flüchtlingshilfe macht Druck
Umgekehrt - und dies hat der SP die Zustimmung ermöglicht -
legt die
Kommission in ihrer Vorlage grosses Gewicht auf die Integration. Laut
SP-Wortführer Andy Tschümperlin ist dabei besonders wichtig,
dass der
Bund den Kantonen Vorschriften zur Integrationsförderung machen
kann.
Daneben denken die Befürworter auch an ein stärkeres
finanzielles
Engagement: "Integration darf etwas kosten", sagt FDP-Nationalrat
Philipp Müller. Zudem stehen die Wegweisungen im Gegenvorschlag
unter
dem expliziten Vorbehalt des Völkerrechts - ein Zusatz, der bei
der
SVP-Initiative fehlt.
Ob nun auch der zweite Teil des Plans aufgeht, wird sich zeigen,
wenn
die SP-Fraktion heute entscheidet, ob sie den Gegenvorschlag auch im
Plenum mittragen wird. Nach dem Vorentscheid der Kommission stehen die
Chancen dafür gut: "Ich denke, dank dem Zusatz zur Integration
können
nun wohl einige Fraktionsmitglieder zustimmen", sagt Fraktionschefin
Ursula Wyss. Sie selber jedenfalls gehört dazu, genauso wie jene
vier
SPler, die schon gestern mit Ja gestimmt haben. Abgelehnt wurde der
Gegenvorschlag nur von SVP und Grünen, die Sozialdemokraten Ada
Marra
und Andreas Gross enthielten sich.
Den noch zögernden Genossen wird heute auch Beat Meiner, der
Generalsekretär der Flüchtlingshilfe, als Gast ins Gewissen
reden. "Ich
verstehe jene Linken nicht, die auf einem ideologischen Nein beharren",
sagt er. Denn ohne glaubwürdigen Gegenvorschlag habe die
SVP-Initiative
an der Urne beste Chancen. Und deren Folgen wären aus seiner Sicht
dramatisch: Man geht von bis zu 1500 zusätzlichen Wegweisungen pro
Jahr
aus, die ebenfalls anvisierten Fälle von Sozialhilfemissbrauch
noch
nicht eingerechnet. Der Gegenvorschlag könnte diese Zahl auf
schätzungsweise 1000 bis 1200 drücken. Andere
Menschenrechtsorganisationen wollen indes von einem solch taktischen Ja
nichts wissen. Amnesty International lehnt sowohl die SVP-Initiative
wie den Gegenvorschlag ab, ebenso die Eidgenössische Kommission
gegen
Rassismus. Sie warnte gestern vor rassistisch motivierter
Ungleichbehandlung. Denn die neuen Regeln würden nur
Ausländer aus
Nicht-EU-Staaten treffen, also auch jene, die aufgrund der Hautfarbe
schon heute diskriminiert seien (siehe Kasten).
Dieser Punkt wird noch zu reden geben. Die SVP pocht darauf, dass
ihre
Initiative für alle Ausländer gilt, auch für jene aus
der EU. Ihre
Gegner lehnen dies hingegen mit Verweis auf die
Personenfreizügigkeit
ab. Auch darum lasse sich die SVP-Initiative gar nicht gänzlich
völkerrechtskonform umsetzen, sagt Philipp Müller. SVP-Mann
Yvan Perrin
sieht indes genau darin den Grund, wieso man der Initiative und nicht
dem Gegenvorschlag zustimmen müsse: "Es findet sich sonst immer
noch
irgendwo eine Konvention, die eine Ausschaffung verunmöglicht."
--
Rassismus EKR lehnt Gegenvorschlag und Initiative ab
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) ist
gegen die
Ausschaffungsinitiative. Die EKR warnt davor, dass beim Vollzug dieser
Initiative vermehrt Menschen aus rassistischen Motiven ungleich
behandelt würden. Gänzlich unannehmbar ist für die EKR
die
Volksinitiative der SVP. Sie verletze das Non-Refoulement-Prinzip und
verstosse damit gegen zwingendes Völkerrecht. Am Grundsatz, dass
niemand in einen Staat ausgeschafft werden dürfe, in dem ihm
Folter
oder eine andere Art unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung drohe,
dürfe nicht gerüttelt werden. Zwar sei die Durchsetzung des
Rechtsstaates wesentlich. Dies dürfe aber nicht auf Kosten der
Grund-
und Menschenrechte erfolgen. Die Kommission anerkennt in diesem
Zusammenhang, dass der vom Parlament diskutierte Gegenvorschlag das
Völkerrecht und das Verfassungsprinzip der
Verhältnismässigkeit besser
beachtet. Dennoch lehnt die EKR auch den Gegenvorschlag ab. Bereits
heute verfüge die Schweiz über die Mittel, in
begründeten Einzelfällen
kriminelle Ausländer auszuweisen. (sda)
---
NZZ 21.5.10
Verschärfungen für kriminelle Ausländer
Völkerrechtskonformer Gegenvorschlag zur
Ausschaffungsinitiative der SVP
Die Nationalratskommission folgt dem Ständerat und
präsentiert einen
direkten Gegenentwurf zur völkerrechtswidrigen
Ausschaffungsinitiative
der SVP. Der Vorschlag enthält auch Bestimmungen für eine
aktivere
Integrationspolitik.
Beat Waber, Bern
Eigentlich genügte das geltende Recht. Wenn Ausländer
straffällig
werden, riskieren sie den Verlust ihres Aufenthaltsrechtes; die
Behörden können zusätzlich zu den Sanktionen gemäss
Strafrecht auch die
Wegweisung anordnen. Die SVP will aus der Möglichkeit nun aber
eine
Pflicht machen, und sie kann sich dabei auf eine verbreitete
Unzufriedenheit stützen, wie die mit hoher Unterschriftenzahl
zustande
gekommene Initiative zeigte.
Doch wie so oft bei Volksinitiativen mangelt es an der
nötigen
Differenzierung und an der Einbettung ins Rechtssystem inklusive
Völkerrechts, wozu namentlich die Europäische
Menschenrechtskonvention
und das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU gehören.
Die
Initiative erfasst zudem auch Bagatelldelikte, während schwerere
Straftaten zum Teil unerwähnt bleiben.
Der Ständerat hatte im März daher einen direkten
Gegenentwurf
beschlossen, der diese Mängel behebt. Auch er wechselt von der
fakultativen zur obligatorischen Ausweisung, setzt aber systematisch
bei schwereren Straftaten an und enthält einen Vorbehalt, wonach
die
verfassungsmässigen Grundrechte und das Völkerrecht zu
beachten sind.
Das kleinere Übel
In der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats war lange
unklar,
ob dieser Gegenvorschlag Bestand haben würde. Die SVP lehnt ihn
ab,
weil er die Chancen ihres Begehrens in der Volksabstimmung
schmälert,
während SP und Grüne einen Gegenvorschlag an und für
sich als unnötig
erachten. Der Eintretensentscheid fiel im April nur gerade mit einer
Stimme Mehrheit. Am Donnerstag hat sich nun aber die Situation etwas
geklärt. Die Kommission ergänzte die Bestimmungen über
die
Integrationspolitik, wonach ein Teil der Linken den Gegenvorschlag im
Sinne des "kleineren Übels" unterstützte, wie
Kommissionspräsident Yvan
Perrin (svp., Neuenburg) mitteilte. Die Kommission empfiehlt nun dem
Nationalrat, der das Traktandum am 2. Juni behandelt, mit 13 zu 11
Stimmen den Gegenvorschlag zur Annahme. Die Initiative selbst wird zur
Ablehnung empfohlen; sie wird nur von der SVP unterstützt.
"Nichtintegration ist teurer"
Inhaltlich beschloss die Kommission zwei Ergänzungen. In den
Katalog
der Delikte, die zur Ausweisung führen, wurde zusätzlich zu
Gewalttaten
wie Mord, vorsätzliche Tötung und Vergewaltigung, zu
Versicherungs- und
Sozialhilfebetrug sowie schweren Wirtschaftsdelikten auch die schwere
Körperverletzung aufgenommen. Angereichert wurde zudem der
Integrationsartikel. Er verpflichtet alle auf die Respektierung der
Grundwerte der Bundesverfassung und der öffentlichen Sicherheit
und
Ordnung, verankert den bereits im Ausländergesetz enthaltenen
Auftrag
an Bund, Kantone und Gemeinden, die Integration zu fördern, und
ermächtigt den Bund, notfalls Vorschriften zu erlassen. Philipp
Müller
(fdp., Aargau) betonte, man sei sich bewusst, dass Integration auch
etwas koste: "Nichtintegration ist aber letztlich teurer."
Folgt das Parlament im Juni diesen Anträgen, führen
National- und
Ständerat acht Tage vor Sessionsschluss die vorgezogene
Schlussabstimmung über den Gegenentwurf durch, damit der
definitive
Entscheid über die Initiative in Kenntnis des Entscheids
gefällt werden
kann, ob der Gegenvorschlag zustande kam. In der Volksabstimmung, die
bereits am 28. November stattfinden könnte, wird sowohl ein
doppeltes
Nein wie ein doppeltes Ja möglich sein. Für den Fall eines
doppelten Ja
wird der Souverän die Stichfrage beantworten müssen, ob der
Initiative
oder dem Gegenentwurf der Vorzug zu geben sei.
Müller relativierte diesen Entscheid allerdings, indem er
den Willen
der Mehrheit bekräftigte, die Ausführungsgesetzgebung auf
jeden Fall
völkerrechtskonform auszugestalten. Der Gegenentwurf gebe indes
dem
Souverän die Möglichkeit, eine vollumfänglich umsetzbare
Verfassungsänderung zu beschliessen, während sich die
Initiative - wie
in früheren Fällen (zum Beispiel Verwahrungsinitiative) -
wegen der
Widersprüche zu anderen Bestimmungen der Verfassung und des
Völkerrechts nicht buchstabengetreu umsetzen liesse.
In ersten Reaktionen äusserte die FDP ihre Befriedigung
darüber, dass
der ursprünglich von ihr lancierte Gegenvorschlag nun gute Chancen
hat,
vors Volk zu kommen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe bedauerte
zwar, dass die Nationalratskommission die völkerrechtswidrige
Initiative nicht für ungültig erklären will (dieser
Entscheid war
bereits im April deutlich, mit 16 zu 9 Stimmen, gefallen). Die
Organisation bewies aber insofern Pragmatismus, als sie den
Gegenentwurf begrüsste.
Nur für Nicht-EU-Ausländer
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus hingegen
teilte mit, sie
lehne sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag ab. Das
geltende Recht biete bereits "ausreichende Mittel, um in
begründeten
Einzelfällen kriminelle Personen ausländischer
Staatsangehörigkeit
auszuweisen". Die Kommission warnt auch vor dem Risiko rassistisch
motivierter Ungleichbehandlung, weil das neue Recht aufgrund des
Personenfreizügigkeitsabkommens praktisch nur gegenüber
Ausländern aus
Nicht-EU-Staaten angewendet werden könnte.
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NEONAZI-PROZESS SO
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Solothurner Zeitung 21.5.10
Im Ideologie- und Alkoholrausch
Amtsgericht Solothurn-Lebern 22-jähriger Neonazi musste sich
wegen einer Fülle von Delikten verantworten
Er trägt Adolf Hitler auf der Brust und neigt mit zu viel
Alkohol im
Blut zu Gewalt: Das Amtsgericht Solothurn-Lebern urteilt über
einen
jungen Rechtsextremen, dessen Biografie so viele Brüche aufweist
wie
sein Sündenregister Straftaten.
Samuel Misteli
Es liegt Frederik S.* fern, einen Hehl aus seiner politischen
Gesinnung zu machen. Deshalb hat er auf seiner Brust ein Porträt
von
Adolf Hitler eintätowiert, und deshalb sagt er mit einiger
Gelassenheit
Sätze wie diesen: "Nationalsozialist zu sein, ist in diesem
Rechtsstaat
kein Verbrechen." Schwarz gekleidet erschien der blonde, hoch
aufgeschossene 22-Jährige vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern.
Nicht
sein freimütiges Bekenntnis zum Nationalsozialismus wurde dem
jungen
Mann vorgeworfen - aber Delikte, die zum Teil in engem Zusammenhang mit
seinen Ansichten stehen. Und es waren nicht wenige Delikte, die S. zur
Last gelegt wurden: 42 Straftaten, verübt mitunter im Wochentakt
zwischen Mitte 2005 und Mitte 2009, listet die Anklageschrift des
Staatsanwaltes auf. Fast ein Viertel der Anklagepunkte ist mittlerweile
verjährt. Und glaubt man S., werden die verjährten Delikte
nicht die
einzigen sein, für die er nicht zur Rechenschaft gezogen wird: Es
sei
Tatsache, sagte er nicht prahlerisch, sondern nüchtern, dass die
vorgeworfenen Straftaten lediglich einen Bruchteil dessen darstellten,
was er sich habe zuschulden kommen lassen. Die Palette ist indes auch
so noch überaus breit: Angriff, Körperverletzung, Raufhandel,
Rassendiskriminierung, Drohung und Beschimpfung sind nur eine Auswahl
der S. vorgeworfenen Tatbestände.
Hitlergruss und Propagandaparolen
Die Taten weisen oft ein ähnliches Schema auf: Der
häufig stark
betrunkene Frederik S. gerät sich mit Ausländern, mit
Antifaschisten,
mit Unbeteiligten in die Haare. Die Konfrontationen eskalieren
regelmässig - meist ist es S., der Schläge austeilt.
Intervenierende
Polizisten sehen sich Drohungen und Beschimpfungen von S. ausgesetzt.
Häufigster Tatort bei den drei Dutzend vorgeworfenen Straftaten
war
Grenchen. Auch die gravierendsten Vorfälle sollen sich dort
abgespielt
haben: Die Attacke einer Gruppe Rechtsradikaler auf einen Jugendlichen
Ende September 2006 etwa. Das Opfer kam mit Prellungen und
Schürfungen
und damit relativ glimpflich davon. Frederik S. soll als Teil der
Gruppe den Vorfall mindestens gefilmt - und damit den Tatbestand des
Angriffs erfüllt - haben. Weiter soll S. im Juli 2006 einem
Albaner mit
einem Schlagring eine Rissquetschwunde beigefügt haben, im
Dezember
2006 einem Barkeeper mit einem Tritt einen Nasenbeinbruch, im Mai 2007
einem Kontrahenten per Kopfstoss ebenfalls eine Nasenbeinfraktur und im
Juni 2007 einem Betrunkenen mit einem Tritt ins Gesicht eine
Hirnerschütterung.
Vergleichsweise harmlos nehmen sich dagegen die fünf
Anklagen wegen
Rassendiskriminierung aus: Wiederholt fiel S. auf, als er in der
Öffentlichkeit den Hitlergruss zeigte, Nazi-Lieder sang oder
Propagandaparolen schrie.
"Ein intelligenter junger Mann"
Vor den Richtern sass gestern freilich kein grölender
Wüterich,
sondern ein Angeklagter, der sich zumeist sachlich und gelassen
äusserte, der den Grossteil seiner Taten zugab und dem
Gerichtspräsident Daniel Wormser ein "sehr korrektes" Verhalten
attestierte. Als "intelligenten jungen Mann" sieht ihn der Psychiater.
Als intelligenten jungen Mann mit zwei grossen Problemen: einer
dissozialen Persönlichkeitsstörung und einem Alkoholproblem.
Dass im
exzessiven Alkoholkonsum ein wesentlicher Schlüssel zu den
Gewalteruptionen des Angeklagten liegt, darin sind sich Staatsanwalt
und Verteidiger ebenso einig wie Richter, Psychiater und
Bewährungshelfer. Staatsanwalt Martin Schneider verlieh denn auch
seiner Überzeugung Ausdruck, dass sich der Angeklagte vor allem
deshalb
seit zwei Jahren nur noch vereinzelte Delikte hat zuschulden kommen
lassen, weil er sich einer Antabus-Therapie unterzieht, die ihn am
Alkoholkonsum hindert.
Als "eigentlichen Knackpunkt" bezeichnete Schneider in seinem
Plädoyer
die Frage, in welcher Form Frederik S. künftig therapiert werden
soll.
S. will weder dauerhaft Antabus einnehmen noch sich psychiatrisch
behandeln lassen. "Ich glaube nicht an psychiatrischen Hokuspokus",
sagt er.
Zuerst die Matura, dann studieren
Trotz der Weigerung des Angeklagten beantragte Staatsanwalt
Schneider
neben einer Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten, einer Geldstrafe und
einer Busse die Anordnung einer stationären psychiatrischen
Massnahme.
Die Einweisung in eine Anstalt freilich will Frederik S. um jeden Preis
verhindern. Die Abneigung gründet nicht zuletzt in seiner
Biografie: In
seiner Kindheit - laut Staatsanwalt Schneider eine "Kindheit, wie man
sie keinem Kind wünscht" - wurde S. von Pflegefamilie zu
Pflegefamilie,
von Heim zu Heim weitergeschoben.
Mit neun Jahren kam S. erstmals mit der Neonazi-Szene in Kontakt.
Heute nennt er sie seine Familie. Eine Berufsausbildung hat der
22-Jährige nicht absolviert. Derzeit hangelt er sich von
Teilzeitjob zu
Teilzeitjob und wohnt bei seiner Grossmutter im Aargau. Trotz seiner
prekären Situation hat Frederik S. grosse Pläne: Er will die
eidgenössische Matur absolvieren - eine ehemalige Lehrerin
unterstützt
ihn dabei. Danach will S. studieren: Jura - die Gesetze jenes
Rechtsstaats also, der ihm zwar erlaubt, Nationalsozialist zu sein, der
ihn aber nun verurteilen wird. Zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig
Monaten, wenn das Amtsgericht dem Antrag des Staatsanwaltes stattgibt,
zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, wenn die Richter dem Antrag
des Verteidigers folgen. Gibt das Gericht den Anträgen des
Verteidigers
statt, bleibt S. zudem die unerwünschte Therapie erspart.
S. wurde mit einer Freiheitsstrafe von 40 Monaten und 20 Tagen,
einer
Geldstrafe von 150 Franken und einer Busse von 500 Franken bestraft.
Aus knapp drei Dutzend Anklagepunkten erging lediglich ein Freispruch.
* Name von der Redaktion geändert
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ANTI-ATOM
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Tagesanzeiger 21.5.10
Einigung für neue AKW ist in Sicht
Stromfirmen sind laut Axpo nahe am Kompromiss für zwei neue
Atomkraftwerke.
Von Andreas Flütsch
Seit Jahren streiten die grossen Schweizer Energiefirmen, wo neue
Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Axpo und BKW wollen gemeinsam bis
2025 zwei neue Atommeiler in Beznau und Mühleberg aufstellen,
damit
dort die angejahrten Vorgänger abgestellt werden können. Der
Energiekonzern Alpiq, der aus der Fusion von Atel mit der Westschweizer
EOS entstanden ist, will in Gösgen ein drittes AKW bauen.
Allen ist klar, dass in der Volksabstimmung, die Ende 2013
stattfinden
soll, nur ein, allenfalls zwei neue AKW eine Chance haben. Lange
scheiterte ein Kompromiss daran, dass keine Partei auf einen Standort
verzichten wollte. Nun scheint ein Durchbruch nahe. "Wir sind viel
weiter als je gekommen", sagte Axpo-Chef Heinz Karrer am Rande einer
Präsentation der Stromperspektiven der Schweiz: "Ich sehe eine
grosse
Chance, dass wir auf der Zielgeraden zu einer Einigung sind." Der
mögliche Kompromiss besteht offenbar darin, dass alle grossen
Stromfirmen gemeinsam zwei AKW bauen wollen, und zwar dort, wo die
Akzeptanz der Bevölkerung am höchsten ist. Der Streit um die
Standorte
sei in den Hintergrund gerückt, heisst es.
Die Schweiz braucht laut Axpo zwei neue AKW, und zwar dringender
als
2005 gedacht. Der Anteil von Strom im Energiemix nehme stetig zu,
desgleichen der prognostizierte Verbrauch. Im Krisenjahr 2009 ist der
Verbrauch aber deutlich gesunken, was zeigt, dass der Stromhunger kein
Automatismus ist.
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NZZ 21.5.10
Stromnetz als Problem-Faktor
Axpo-Prognosen zur Versorgung
Die aktualisierte Axpo-Studie zur Stromversorgung zeigt
Schwächen bei
den erneuerbaren Energien auf. Das Netz dürfte in den Debatten
wichtiger werden.
Davide Scruzzi
Die Diskussion um neue AKW ist zu einem grossen Teil ein Streit
um die
richtigen Prognosen zum Stromverbrauch. Am umfangreichsten sind die
Vorhersagen des Bundes, die "Energieperspektiven" mit ihren
verschiedenen Szenarien, die noch vor der AKW-Abstimmung
überarbeitet
werden. Der Stromkonzern Axpo hat am Donnerstag die aktualisierte
Version seiner energiepolitisch ebenfalls bedeutenden Studie
"Stromperspektiven" vorgestellt. Unter anderem Faktoren wie Konjunktur,
Klimawandel und Energieeffizienz haben zu einer leichten Reduktion der
Verbrauchsprognosen bis 2050 geführt. Die Annahmen des
Stromkonzerns
liegen aber weiterhin meist über jenen der Szenarien des Bundes.
Andere
Optionen, die durch massivere Effizienzmassnahmen einen tieferen
Verbrauch enthalten, werden von Axpo als unrealistisch bezeichnet. Die
Wirkung steigender Preise auf die Sparsamkeit der Konsumenten wird im
Übrigen als gering eingeschätzt.
Weniger Strom aus Wasser
Der Stromkonzern, der im Besitz der Nordostschweizer Kantone ist,
prägt mit seinen "Stromperspektiven" erfolgreich den Begriff der
"Stromlücke". Damit ist die Differenz zwischen dem steigenden
Verbrauch
und der Inlandproduktion sowie den langfristig gesicherten
Stromlieferungen aus französischen AKW gemeint. Die Axpo
fürchtet nun
mehr als bisher, dass solche privilegierten Importe aufgrund des Drucks
der EU schon bald einer teuren Auktionierung der knappen
Leitungskapazitäten werden Platz machen müssen. Nach 2020
wird mit der
Ausserbetriebnahme der AKW Beznau und Mühleberg ein weiterer
markanter
Stromanteil ersetzt werden müssen - laut Axpo mit zwei neuen
Atomkraftwerken. Aufgrund von Veränderungen durch den Klimawandel
(weniger regelmässige Niederschläge) und strengerer
Restwasser-Regelungen rechnet Axpo mit einer Reduktion der
Wasserkraftproduktion bis 2050 um 11 Prozent. Der Zubau "neuer"
erneuerbarer Formen (Photovoltaik, Wind, Kleinwasserkraftwerke usw.)
erfolgt unter anderem wegen raumplanerischer Probleme nur langsam.
Projekte für Gaskombikraftwerke hat die Axpo wegen der geforderten
Kohlendioxid-Kompensationen sistiert.
AKW-Gegner hoffen auf Netze
Gegen mehr Importe spricht gemäss Axpo das erkennbare Risiko
internationaler Stromknappheit. Zudem sei dabei mit Preisanstiegen von
klar mehr als vier Rappen pro Kilowattstunde zu rechnen, durch
Netzkosten und EU-Marktpreise. Die Schweiz soll also eine gewisse
Versorgungsautonomie aufweisen - eine Idee, welche freilich auch den
hiesigen Stromfirmen Prosperität sichert. Während Jürg
Buri von der
AKW-kritischen Schweizerischen Energiestiftung die Axpo-Studie
bemängelt und für einen gesamteuropäischen Austausch von
Ökostrom
plädiert, verweist Axpo-CEO Heinz Karrer auf die knappen
Leitungskapazitäten für den Import. Die Realisierung eines
neuen
europäischen Hochleistungsnetzes (Supergrid) sei erst noch
Zukunftsmusik, so Karrer. Buri ist dazu optimistischer. Die AKW-Gegner
wollen denn das - technisch anspruchsvolle - Thema Netze künftig
vermehrt ins Auge fassen.
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Südostschweiz 21.5.10
Axpo schwenkt von Gas auf Atom um
Die Optionen, um die angedrohte "Stromlücke" in der Schweiz
zu
stopfen, haben sich vermindert. Das zeigt der Stromkonzern Axpo in
seiner neusten Analyse - und setzt voll auf neue Atomkraftwerke.
Von Hanspeter Guggenbühl
Zürich. - Ohne Kraftwerke gibt es keinen Strom. Ohne Netz
fliesst der
Strom nicht zu den Steckdosen. Umstritten ist nur, welcher Faktor die
Schweizer Stromversorgung limitiert: Die Engpässe lägen beim
Netz,
erklärte am Mittwoch die Swissgrid, die das nationale
Übertragungsnetz
betreibt (Ausgabe von gestern). Eine wachsende Lücke zwischen
abnehmender Kraftwerk-Kapazität und weiter steigendem Strombedarf
diagnostiziert hingegen der Stromproduzent Axpo.
Auf diese Schweizer "Stromlücke", die sich ab 2020 mit der
Abschaltung
der alten Atomreaktoren in Beznau und Mühleberg öffnen werde,
hatte die
Axpo schon 2005 in ihren Stromperspektiven hingewiesen. Gestern
präsentierte sie ihre aktualisierte Studie. Gegenüber dem
alten
Ausblick zeigen die neuen Szenarien folgende Abweichungen:
- Die Nachfrage nach Strom steigt in der Schweiz weiter, aber
etwas weniger stark, als die Axpo 2005 annahm.
- Das gesicherte Angebot nimmt schneller und stärker ab als
erwartet.
So könnte die Liberalisierung die privilegierte Versorgung der
Schweiz
aus ihren AKW-Beteiligungen in Frankreich schon ab 2012 erschweren oder
verteuern. Zudem vermindern strengere Restwasservorschriften und der
Klimawandel die Produktion in Schweizer Wasserkraftwerken.
- Statt ab 2020 könnte damit die Nachfrage das sichere
Angebot im
Winterhalbjahr schon ab 2012 überschreiten. Und ab 2030 wird die
gesicherte Produktion laut Axpo nur noch 60 Prozent der
prognostizierten Schweizer Elektrizitätsnachfrage im
Winterhalbjahr
decken.
Im neuen Strommix fehlt Gaskraft
Im Jahr 2005 plante die Axpo, die sich weitende
Strom-Versorgungslücke
zuerst mit dem Bau von Gaskraftwerken im Inland zu schliessen. Importe
von Strom aus ausländischen Kohle- und Gaskraftwerken, welche die
Stromexporte überwiegen, sowie die Verstromung von neuen
erneuerbaren
Energien sollten einen weiteren Versorgungsbeitrag leisten. Erst
langfristig plante die Axpo auch den - etappierten - Bau von neuen
Atomkraftwerken (AKWs) im Inland.
Mittlerweile ist diese Vielfalt geschrumpft: Die strengen
Auflagen
bezüglich CO2-Kompensation bewogen die Axpo, ihre
inländischen
Gaskraft-Pläne zu sistieren. Auf Nettoimporte von Strom sei zu
wenig
Verlass, befand Axpo-Chef Heinz Karrer schon früher. In ihren
aktualisierten Stromperspektiven setzt die Axpo nun - neben der
Verstromung von erneuerbaren Energien - voll auf den Bau von neuen
AKWs: 2023 soll laut Axpo der erste, 2027 der zweite neue Atommeiler im
Inland den Betrieb aufnehmen. Doch diese Strategie ist unsicher. Denn
neue AKWs gibts nur, wenn das Volk diese an der Urne befürwortet.
Widerspruch zur Marktlehre
Der neue Ausblick der Axpo stösst - wie der alte - auf
Widerspruch von
Umweltverbänden und AKW-Gegnern. Diese glauben, die
Stromversorgung
lasse sich allein mit der Steigerung der Stromeffizienz und
erneuerbaren Energien sichern. Andere Kritiker meinen, dass die
Kraftwerkkapazitäten der Schweizer Stromkonzerne im In- und
Ausland
zusammen schon heute die für 2030 prognostizierte Nachfrage im
Inland
überschreitet. Und Marktgläubige meinen, im freien Markt
verhindere der
Preismechanismus jegliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage.
Die
Erfahrung zeigt aber, dass der Markt beim Strom nur bedingt
funktioniert.