MEDIENSPIEGEL 25.5.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, Tojo, Kino)
- Kokain BE: 4000 Linien pro Tag
- Hess-Sozhilfe-Pranger floppt
- RaBe-Info 25.5.10
- Rote Falken BE
- Stadtrats-Sitzung 27.5.10
- Graffiti-Anzeigen BE: starke Zunahme
- Käser will Rausch-Knast
- Police BE: Käser stellt Ressourcenvertrag in Frage
- Big Brother Sport: Verzwangigfachung Repressionskosten;
SBB-Sorgen
- Antira-Cup Soletta: Rote Karte den RassistInnen
- Revolte BS: Shopping-Meile-Scherbenhaufen für die Polizei
- Für immer Züri Punk
- 30 Jahre Sedel LU
- Attac GE: Wieder Demo-Beteiligung
- Ausschaffung: Wieder Ausschaffungsflüge; Keine
Verkürzung Haft
- Neues von Eva Herman
- Homohass: Neonazis gegen Gay Pride Bratislava
- 3. Intifada: Boykott statt Steine
- Google: Google-Gesetz; Strafanzeige
- Facebook: Datenleck
- Gipfelsoli-News 21.5.10
- Anti-Atom: 5000 an Menschenstrom gegen Atom;
GösgenII-Frage; Endlager-Frage; SBB-AKW;
Mühleberg-Abstimmung; Atomausstieg SG; Versorgungsfrage
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REITSCHULE
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Do 27.05.10
20.00 Uhr - Kino - Grand Prix Visions du
Réel (Nyon) 2009: L'encerclement - La démocratie dans les
rets du néolibéralisme. (Die Einkesselung- die Demokratie
in den Fängen des Neoliberalismus), Richard Brouillette, Kanada
2008, BETA SP, 160 Min., Ov/d
20.30 Uhr - Tojo - "Burn Out" Von Les Etoiles. Text:
Michael Stauffer. Regie: Ragna Guderian.
21.00 Uhr - Rössli - Punky Reggae Night mit Djane
Queen Horror und DJ Lux Vega sowie DJ Caribpunk und B.I.G.G.Y
Fr 28.05.10
20.00 Uhr - Kino - Grand Prix Visions du Réel
(Nyon) 2009: L'encerclement - La démocratie dans les rets du
néolibéralisme. (Die Einkesselung - die Demokratie in den
Fängen des Neoliberalismus), Richard Brouillette,
Kanada 2008, BETA SP, 160 Min., Ov/d
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar: Standard und
lateinamerikanische Tänze und Disco für Frau und Frau, Mann
und Mann und friends mit DJ Zardas
23.00 Uhr - Dachstock - Super Flu - live & DJ
(Monaberry/Herzblut/Traum/D), Ascion (Drumcode/ITA) - Support: Tadeo
Doberska (be) - Techno, Minimal, House
Sa 29.05.10
20.00 Uhr - Kino - Grand Prix Visions du Réel
(Nyon) 2009: L'encerclement - La démocratie dans les rets du
néolibéralisme. (Die Einkesselung - die Demokratie in den
Fängen des Neoliberalismus), Richard Brouillette,
Kanada 2008, BETA SP, 160 Min., Ov/d
20.30 Uhr - Tojo - "Burn Out" Von Les Etoiles. Text:
Michael Stauffer. Regie: Ragna Guderian.
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: Tech Itch
(TechFreak/UK), Deejaymf (cyro.ch), VCA (Biotic Rec), Lost Sequence
(DSCI4/ch)
So 30.05.10
20:00 G. - Rössli - Rag y los Hermanos Patchekos
(gutfeeling) - lo-fi beat orchestra
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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kulturstattbern.derbund.ch 24.5.10
Von Manuel Gnos am Montag, den 24. Mai 2010, um 06:21 Uhr
Kulturbeutel 21/10
Herr Gnos empfiehlt:
Sollten Sie tatsächlich zu jenem Teil der Menschheit
gehören, der nicht an die Bad Bonn Kilbi geht, sind Sie zwar ein
hoffnungsloser Fall (siehe auch hier), Sie können sich aber
anderweitig etwas Gutes tun: zum Beispiel am Mittwoch mit dem
Liederzüchter Sarbach in der letztmals geöffneten
Cinébar; oder am Donnerstag mit dem Power-Folk von C. Gibbs im
Restaurant Kreuz in Solothurn; dann am Samstag bei der Burlesque-Show
in der Progr-Turnhalle; und schliesslich am Sonntag mit dem
Openair-Konzert von G.Rag Y Los Hermanos Patchekos im Innenhof der
Reitschule.
(...)
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kulturagenda.be 27.5.10
"Burn out" im Tojo Theater
Der hohe Leistungsdruck, der Dauerstress und das damit
verbundene Ausbrennen gehören zur gegenwärtigen
Arbeitskultur. Im Stück "Burn out" thematisiert der Autor Michael
Stauffer diese "strukturellen Defizite unserer Zeit". Vier
Schauspielerinnen und Schauspieler stellen sie unter der Regie von
Ragna Guderian dar.
Tojo in der Reitschule, Bern. Mi., 26.5., bis Sa., 29.5., 20.30
Uhr
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kulturstattbern.derbund.ch 23.5.10
Von Grazia Pergoletti am Sonntag, den 23. Mai 2010, um 11:04 Uhr
Fertig Feuer und Flamme
Foto 84 Das AUA-Festival ist schon bald vorbei, das Theater an
sich aber geht trotzdem weiter, wie seit jeher. Theater ist
saumässig alt, so alt ist höchstens noch die Musik (ja, und
ein paar andere Dinge, einverstanden). So gesehen ist es eigentlich
lustig, dass man seit Jahrzehnten gerne davon spricht, dass das Theater
ausgerechnet jetzt sterben soll.
Nächste Woche wird in Bern eine Neuauflage der Produktion
"Burn out" der Truppe Les Etoiles um Regisseurin Ragna Guderian
gezeigt. Die köstlichen Plakate von cosmic.ch - hier ganz schlecht
von mir selbst fotografiert, sorry - wurden unter die 100 besten
Plakate 09 Deutschland/Österreich/Schweiz gewählt. Die Idee
ist simpel und genial: Den Schauspielerinnen und Schauspielern kippte
man einen Eimer Wasser über den Kopf und dann wurde
abgedrückt: Ausgebrannt!
Interessant am Text von Michael Stauffer ist, dass er dem
gestressten Manager (Michael Rath), der zusehends selbst
überforderten Psychologin (Catriona Guggenbühl), der ratlosen
Ehefrau (Hildur Ottarsdottir) und der positivistischen
Ernährungsberaterin (Marie Omlin) ein Wunderkind (Michael
Glatthard) gegenüber stellt, das vor lauter Unterforderung und
Freiheit eine Art umgekehrtes Burn-Out erlebt, ein Vakuum der
Nutzlosigkeit.
Die Aufführungen vor einem Jahr hatten ganz schöne
Momente, wirkten aber nicht wirklich schlüssig. Nun hat die Truppe
daran weitergearbeitet. Was dabei heraus gekommen ist, kann man ab
Mittwoch im Tojo sehen.
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Kino in der Reitschule 27.-29.5.10
Neue Dokumentarfilme
Donnerstag, 27. Mai, 20.00 Uhr
Freitag, 28. Mai, 20.00 Uhr
Samstag, 29. Mai, 20.00 Uhr
L'encerclement - La démo-cratie dans les rets du
néolibéralisme.
(Die Einkesselung - die Demokratie in den Fängen des
Neoliberalismus), Richard Brouillette, Kanada 2008, BETA SP, 160 Min.,
Ov/d
GRAND PRIS, Visions du Réel 2009
l'encerclement
"Ein hageldichtes, gescheites, kritisches Thesenstück zu
Wurzeln und Strategien des Neoliberalismus mit seinem globalen
neokolonialistischen Effekt."
Martin Walder, Neue Zürcher Zeitung.
Richard Brouillette brauchte zwölf Jahre für die
Fertigstellung seines Films. Dabei amtierte er zugleich als Produzent,
Drehbuchschreiber, Cutter und sogar Übersetzer. Er befragte
dreizehn Fachleute über den Kapitalismus, den Neoliberalismus und
dessen Auswirkungen und möchte diese Kenntnisse zugänglich
machen. Wir sehen eine Art Theater der Sprache, das trotz der vielen
Erklärungen und der Wissensvermittlung spannend ist, begleitet von
der prägnanten Musik Eric Morins. Ein Film in zwei Teilen
und zehn Kapiteln: Der Schnitt ist so ausgeführt, dass sich die
verschiedenen Teile überlappen. Jede Intervention ist zugleich
Kommentar und Kritik der vorausgehenden Aussagen und eine
Weiterführung der dargelegten Konzepte und Überlegungen. Der
Filmemacher fügt Gedanken und Wissensfragmente zu einem grossen
Mosaik zusammen. Es geht nicht nur um die momentane globale
Wirtschaftskrise. Richard Brouillette konnte sie nicht voraussehen,
aber sie wirkt wie eine unverhoffte Bestätigung. Gibt
L'Encerclement eine voreingenommene Sicht der Dinge? Es geht dem Film
um mehr. Er gibt den brillantesten Vertretern und Gegnern des
Neoliberalismus das Wort und nimmt den Zuschauer auf eine interessante
Reise mit, damit er durch ein besseres Verständnis den
möglicherweise revolutionären Weg zu selbständigem
Denken und Handeln beschreiten kann. (Quelle: Katalog Visions du
Réel 2009)
weitere Infos bei http://cinelible.ch
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KOKAIN
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Sonntagszeitung 23.5.10
4000 Berner ziehen sich täglich eine Linie Kokain rein
Eine neue Abwasser-Analyse liefert die bisher
verlässlichsten Daten
Von Petra Wessalowski
Bern Die Universität Bern hat erstmals in einem
Pilotprojekt im Sommer 2009 systematisch den Kokaingehalt im Abwasser
von fünf Schweizer Städten untersucht. Erste Hochrechnungen
zeigen, dass knapp drei Prozent der 140 000 Berner im Alter zwischen 16
und 64 Jahren täglich eine Linie Kokain konsumieren. Bisher wurde
die Durchschnittszahl der Konsumenten aufgrund von Umfragen auf rund
ein Prozent geschätzt.
Studienautor Christoph Mathieu arbeitete mit dem
Gewässer- und Bodenschutzlabor des Kantons Bern zusammen, das
über ein hochempfindliches Analysegerät verfügt, welches
selbst Suchtstoffe von einem Milliardstelgramm pro Liter erkennt. Das
konsumierte Kokain wurde mit Modellrechnungen ermittelt, welche
Faktoren wie Einzugsgebiet, Volumen der Abwässer und den
Stoffwechsel der Konsumenten berücksichtigen.
Das grösste Problem der Forscher: eine
Abwasser-Vergleichsprobe ohne Kokainspuren zu beschaffen. In der
Kläranlage Därligen am Thunersee wurden sie schliesslich
fündig. Die Messungen bestätigen auch für Bern, dass an
Wochenenden mehr gekokst wird. Bei nationalen Events, wie etwa Mitte
Juli während des dreitägigen Gurten-Festivals, schnellte der
Konsum um weitere 50 Prozent hoch.
2009 wurden in der Schweiz 556 Kilogramm Koks konfisziert
Das gleiche Ergebnis zeigen die Werte aus anderen
Städten wie Basel, Genf, Luzern oder Zürich (siehe Grafik).
In der grössten Schweizer Stadt lieferte das
Street-Parade-Wochenende Anfang August den absoluten Spitzenwert aller
Proben: Ein Liter Abwasser enthielt fast 3 Mikrogramm des
Kokain-Hauptabbauprodukts Benzoylecgonin. Das ist doppelt so viel wie
an einem normalen Wochenende.
Bereits Ende 2005 spürte der deutsche Chemiker Fritz
Sörgel vom Nürnberger Institut für Biomedizinische und
Pharmazeutische Forschung Kokainrückstände im Abwasser von
Basel, Bern, St. Moritz und Zürich auf. Die Resultate sorgten
für Aufsehen. Sörgel errechnete für St. Moritz den
Höchstwert von 14,3 Linien Kokain à 100 Milligramm. Der
Wissenschafter räumte damals ein, Eintagesmessungen hätten
keine wissenschaftliche Aussagekraft.
Für den Drogenverbrauch gab es bisher keine
verlässlichen Daten. "Mit dieser Analyse können wir den
Konsum besser abschätzen", sagt Rudolf Brenneisen, Pharmazeut und
Leiter des Pharmakologie- und Analytiklabors an der Universität
Bern.
Die Messungen zu Kokain sind denn auch erst der Anfang.
Untersuchungen zu anderen Suchtmitteln und Medikamenten wie
Schmerzmitteln oder Aufputschmitteln laufen bereits. Als Nächstes
sollen Gewässer sowie Trinkwasser aus Grundwasserfassungen
untersucht werden.
Dass Kokain boomt, bestätigt auch die Statistik der
Beschlagnahmungen: Im vergangenen Jahr konfiszierte die Polizei in der
Schweiz 556 Kilogramm der Droge. So viel wie noch nie.
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HESS-PRANGER
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Zentralschweiz am Sonntag 23.5.10
Sozialhilfe-Betrüger
Pranger erweist sich als Flop
Kari Kälin
Unter medialem Getöse hat Erich Hess, Präsident
der Jungen SVP Schweiz und Mitglied des Berner Stadtparlaments, im Juli
2009 eine Denunziantenhotline (031 398 42 00) installiert. Hess
ermunterte die Bürger, mutmassliche Sozialhilfebetrüger zu
melden. Gut 10 Monate nach Errichtung des Dienstes fällt die
Bilanz ernüchternd aus. "Es gab nicht mehr anonyme Meldungen als
sonst", sagt Sven Baumann, Generalsekretär der Stadtberner
Sozialdirektion. Hess habe keine Fälle gemeldet - was dieser
bestätigt.
Immerhin seien die Behörden dank der Hotline aber
doch über zwei potenzielle Schummler orientiert worden. Nach
Rücksprache mit Hess deponierten die Hobbysozialdetektive ihren
Verdacht bei der Verwaltung. Steuermillionen lassen sich damit keine
sparen. Dafür hat Hess unterdessen wieder etwas mehr Ruhe. Zu
Beginn der Aktion läutete das Telefon 8 bis 10 Mal pro Tag. Aus
der ganzen Schweiz wollten aufmerksame Zeitgenossen mutmassliche
Sozialhilfe- und auch IV-Betrüger anprangern. Jetzt ruft noch alle
2 Monate jemand an.
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RABE-INFO
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Di. 25. Mai 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_25._Mai_2010.mp3
- Net-City: Spielerisch den sicheren Umgang im Internet erlernen
http://www.netcity.org
http://www.kampagne-netcity.org
- Ohrenblicke: Reportage eines blinden Rucksacktouristen
http://ohrenblicke.eu
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ROTE FALKEN
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Bund 25.5.10
Die Roten Falken sind zurück in Bern
Eine Art "rote Pfadi" - das sind die Roten Falken. Die
Kinder- und Jugendgruppe hat ihre historischen Wurzeln in der
Arbeiterbewegung an der Wende zum 20. Jahrhundert - und ist jetzt
wieder in Bern aktiv.
Felicie Notter
"Die Falken fliegen wieder!" Nach fast zwanzig Jahren
Pause verkündet die Kinder- und Jugendgruppe ihre erneute
Aktivität in Bern auf ihrer Webseite. Dabei hatte die Bewegung in
der Schweiz ausgerechnet in Bern ihren Anfang genommen: Die Sozialistin
Anny Klawa-Morf gründete hier in den Zwanzigerjahren die ersten
Gruppen. 1930 erwarb sie das "Kinderfreundeheim Hüsi" in Belp.
Dort, an der Aare, fand am Wochenende das diesjährige Pfingstlager
der Roten Falken statt.
Die Arbeiterkinder herausholen
Die "Kinderfreunde"-Bewegung entstand im "roten Wien" der
Jahrhundertwende und schwappte nach dem Ersten Weltkrieg nach
Deutschland und in die Schweiz über. "Es war eine Art
Kinderhilfswerk", erklärt Fabio Weiler, Ethnologiestudent, der
seit Jahren bei den Roten Falken dabei ist und das diesjährige
Lager mitorganisiert hat. Die Arbeiterkinder sollten aus dem Milieu der
Armut heraus- und in sozialistische Werte eingeführt werden. Der
Pionierin Anny Klawa-Morf schien es damals "unmöglich, dass Leute
erst mit dreissig oder vierzig Jahren zu Sozialisten werden
können". In der Folge wurden schweizweit bis zu vierzig
Ortsgruppen gegründet.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs setzte dem Aufschwung
aber ein jähes Ende. "Angesichts der faschistischen
Machtübernahme war die Angst gross, sich politischen Gruppierungen
anzuschliessen", erklärt Weiler. Im Gegensatz etwa zu Deutschland
wurden die Gruppen hierzulande nicht verboten. Doch auch nach dem Krieg
konnten die Roten Falken den Mitgliederrückgang nicht wieder
wettmachen. Der Landesverband wurde schliesslich 1996 aufgelöst.
Auch in Bern verschwanden die aktiven Roten Falken Anfang der
Neunziger; nur der Trägerverein blieb bestehen.
Heute ist Zürich, wo die Gruppen nie ganz ausstarben,
die Hauptstadt der Roten Falken. Von dort aus kommt nun auch die
"Entwicklungshilfe", die Fabio Weiler in Bern leistet, und zusammen mit
Nadja Olloz, Studentin der Sozialanthropologie, leitet er eine Gruppe
mit regelmässigen Freizeitaktivitäten. Diese werden
finanziert durch den Trägerverein, dem oft die Eltern der Kinder
angehören, die einen Jahresbeitrag von zwanzig Franken bezahlen.
"Während in Deutschland noch heute Gelder der SPD fliessen, stehen
wir den Sozialdemokraten nur noch ideell nahe", sagt Weiler. Die
Grundwerte seien dieselben geblieben: "Es sind linke Grundwerte - aber
nicht auf eine Partei fixiert."
Kinder, die für ihre Welt kämpfen
Von den Erziehungsgrundsätzen haben nach Weiler
einige gar eine gesellschaftliche Vorreiterrolle eingenommen: "Etwa die
Koedukation von Mädchen und Jungen, die hat sich später
nahezu flächendeckend durchgesetzt." Das Wichtigste sei aber die
Partizipation: "Die Kinder sollen lernen, dass ihre Meinung gefragt ist
und ernst genommen wird." Im Lager geschieht das jeden Morgen im
Lagerrat. Da könne es schon mal vorkommen, dass das Programm
völlig umgestellt werde. Autorität durch Vertrauen statt
durch Stärke, so der Grundsatz. "Heute würde man dem wohl
Kuschelpädagogik sagen."
Die sozialistische Erziehung der Kinder ist mit der Zeit
in den Hintergrund getreten, die Verankerung in der Arbeiterschaft hat
sich gelockert. Die Veränderungen sind etwa ablesbar an dem
"Falkenversprechen", einer Art Werte-Charta. Der erste Punkt "Ich bin
ein Kind des arbeitenden Volkes" lautet nun: "Wir sind Kinder und
Jugendliche, die sich für das Geschehen auf der Welt
interessieren." Ihre konkreten Themen sind etwa Kinderrechte oder das
Leben in der Konsumgesellschaft. "Aber der Renner sind derzeit
Umweltprobleme", sagt Weiler. Im Lager können die Kinder selber
Diskussionen anreissen - und wer will, macht mit. Oder sie spielen das
"Sans-Papiers-Spiel". Daneben finden jedoch auch apolitische
Beschäftigungen statt wie zum Beispiel der Siebdruck des
Falkenlogos auf rote T-Shirts.
"Manche Leute fragen, ob wir die Kinder indoktrinieren",
erzählt Weiler. "Natürlich nicht - aber in der Erziehung
werden immer irgendwelche Werte vermittelt." Wie diese bei den Roten
Falken liegen, ist jedenfalls klar.
http://www.bern.rotefalken.ch
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STADTRAT
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bern.ch/stadtrat
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/2010-05-17.5435515083/gdb_sitzung_view
Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 27. Mai 2010 17.00 Uhr und 20.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus
Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich
(Besuchertribüne)
Traktanden
(...)
8. Motion Fraktion SVPplus (Peter Wasserfallen, SVP): Innenstadt
- Mehr Sicherheit durch zivile und uniformierte Fusspatrouillen der
Kantonspolizei als Grundauftrag (SUE: Nause) 09.000244
(...)
13. Motion Rolf Zbinden (PdA) vom 24. Januar 2008: Kein Einsatz
von Soldaten der Schweizer Armee mit durchgeladener Dienstwaffe auf dem
Gebiet der Gemeinde Bern; Begründungsbericht (SUE: Nause) 08.000023
14. Motion Fraktion SP/JUSO (Beni Hirt, JUSO) vom 24. Januar
2008: Keine durchgeladenen Armeewaffen in unserer Hauptstadt;
Begründungsbericht (SUE: Nause) 08.000024
15. Postulat Robert Meyer (SD): Wann endlich wieder
Armee-Defilees in Bern? (SUE: Nause) 09.000302
(...)
17. Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB): Wie viel
Aufwand betreibt die Polizei für Graffiti-Ermittlungen? (SUE:
Nause) 09.000361
(...)
19. Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB): Illegale
Videoüberwachung des öffentlichen Raums in der Stadt Bern!
(SUE: Nause) 09.000374
(...)
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GRAFFITI BE
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Bund 22.5.10
12 Mal mehr Anzeigen wegen Sprayereien
In der Stadt und der Agglomeration Bern gab es im letzten
Jahr nicht weniger als 3349 Anzeigen wegen Sprayereien, was einer
Verzwölffachung in den letzten fünf Jahren entspricht. Seit
der Gründung des Vereins Casa Blanca im Jahr 2004 werden
Schmierereien konsequenter angezeigt. Aber laut dem Jugenddienst der
Kantonspolizei steigt wahrscheinlich auch die effektive Deliktzahl
weiter an. Das grösste Problem seien die sogenannten Tags - kurze
Schriftzüge, die in Windeseile angebracht werden. Die
Aufklärungsquote ist gering. (bro) - Seite 25
--
Neun Anzeigen pro Tag wegen Sprayereien in Bern und Umgebung
In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der
Anzeigen damit verzwölffacht.
Christian Brönnimann
Zuerst die nackten Zahlen: Über 2500 Anzeigen wegen
Sprayereien auf Berner Stadtgebiet gingen im vergangenen Jahr bis Mitte
Dezember bei der Kantonspolizei ein. Dies ist einer Antwort des
Gemeinderates auf einen GB-Vorstoss zu entnehmen. Die bisher bekannten
Schätzungen betrugen rund die Hälfte (siehe "Bund" vom 27.
10. 2009). In den letzten Jahren sei die Zahl der Anzeigen "stark
angestiegen", schreibt der Gemeinderat. 2008 gingen gut 2200 Anzeigen
ein. Auch der eingeklagte Sachschaden ist gestiegen, von 1,8 Millionen
Franken 2008 auf über 2,4 Millionen Franken 2009. Das heisst, im
Durchschnitt liegen pro Anzeige Schäden von knapp 1000 Franken vor.
"Der langfristige Vergleich der Zahlen macht einen
Zusammenhang mit der Aktion Casa Blanca deutlich", schreibt die
Kantonspolizei auf Anfrage. Im Rahmen dieser 2004 gestarteten Aktion
werden Sprayereien konsequent angezeigt. Im Jahr 2005 lag die Zahl der
Anzeigen laut Polizei für Stadt und Agglomeration noch bei 278.
2006 stieg sie auf 350 und 2007 auf rund 1200. Da die Anzeigen auch
rückwirkend erfasst werden, ist die Zahl für Stadt und
Agglomeration für das Jahr 2009 inzwischen auf 3349 angestiegen.
Damit gingen im Durchschnitt jeden Tag über neun Anzeigen ein.
Die Aufklärungsquote bei Sprayereien lässt sich
laut Kantonspolizei nicht exakt beziffern. Einen Anhaltspunkt gibt der
Blick auf den Bereich der Deliktart "Sachbeschädigungen", worunter
auch die Sprayereien fallen. Da lag die Aufklärungsquote im
vergangenen Jahr bei zehn Prozent.
Grösstes Problem sind Tags
Es sei schwierig, zu beurteilen, ob nur die Zahl der
Anzeigen oder auch die Zahl der tatsächlich verübten Delikte
gestiegen sei, sagt Pascal Schöpfer vom Jugenddienst der
Kantonspolizei. Der Jugenddienst ist für die Ermittlungen bei
serienmässig begangenen Sprayereien zuständig. Wahrscheinlich
sei beides der Fall, so Schöpfer. Klar sei auch, dass nach wie vor
mehr "getagt" werde als noch vor einigen Jahren. Tags sind keine
kunstvollen Graffiti, sondern kurze Schriftzüge, die in Windeseile
angebracht werden können. "Tags sind das grösste Problem",
sagt Schöpfer.
Zu den beliebtesten Orten für Tags gehören laut
Schöpfer "alle Wege zu Ausgehlokalen". Häufig machten sich
Jugendliche auf dem Nachhauseweg mitten in der Nacht mit Spraydosen und
Stiften an den Hausfassaden zu schaffen. Es gebe zwei Hauptmotive dazu:
"Einerseits wollen die Täter ihr Revier markieren, andererseits
verschaffen sie sich mit grösseren Graffiti den Respekt in der
Szene." Der durchschnittliche Sprayer sei männlich, zwischen 14
und 24 Jahre jung, Mitglied einer Crew oder Bande, nachtaktiv und auf
der Suche nach einem Nervenkitzel, erklärt Schöpfer.
Wie gross der Aufwand ist, den die Anzeigeflut
auslöst, kann die Polizei nicht beziffern. Für die
Ermittlungen des Jugenddienstes sind in dieser Sache 150
Stellenprozente vorgesehen. Hinzu kommt die Arbeit im Rahmen der
normalen polizeilichen Tätigkeit.
Aufwand ist den einen zu gross . . .
Für GB-Stadtrat Hasim Sancar unternimmt die Polizei
zu viel bei der Bekämpfung der Sprayer. "Anstatt
übermässig Zeit und Ressourcen in die Ermittlungen rund um
Sprayereien zu investieren, muss die Polizei ihre Mittel gegen die Leib
und Leben gefährdende Kriminalität einsetzen", schreibt er in
seinem Vorstoss. In dieser Sache werde ein "kaum zu rechtfertigender
Aufwand getrieben" und es komme der Verdacht auf, "dass hier Ressourcen
übermässig eingesetzt werden".
Dieser Auffassung widerspricht nun der Gemeinderat in
seiner Antwort. Die Sprayereien seien "kein Kavaliersdelikt", sondern
verursachten "nicht zu unterschätzende Sachschäden". Ein sehr
grosser Teil der Bevölkerung empfinde Sprayereien als
störend. Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) ergänzt auf
Anfrage: "Ist ein Ort schmutzig und verschmiert, setzt dies die
Schwelle für weitere Delikte nach unten." So sei an "Unorten" eine
Negativspirale zu befürchten. Das rechtfertige den Aufwand bei
Graffiti-Ermittlungen bei weitem.
. . . den anderen zu klein
Schützenhilfe erhält der Gemeinderat zum
Beispiel von FDP-Stadtrat Philippe Müller. Gegen die Schmierereien
werde zu wenig unternommen, sagt er. Schon nur die steigende Zahl der
Anzeigen zeige dies deutlich. "Die Stadt müsste zudem die
Sprayereien konsequenter beseitigen", sagt Müller. Die Aktion Casa
Blanca sei zwar ein guter Ansatz, jedoch würden die Ideen nicht
ausreichend umgesetzt. "Es gibt in Bern Sprayereien, die über
Jahre hinweg nicht weggeputzt werden. Das dürfte einfach nicht
sein." Laut dem Gemeinderat erbringt der Verein Casa Blanca alleine in
der Innenstadt jährliche Reinigungsleistungen zwischen 270 000 und
545 000 Franken.
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RAUSCH-KNAST
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BUND 25.5.10
Bern möchte Ausnüchterungszellen nach Zürcher
Modell
Der Polizeidirektor begrüsst eine Zentrale
Ausnüchterungsstelle und der politische Vorstoss dazu ist
unterwegs.
Anita Bachmann
Mitte März hat die Zürcher Stadtpolizei 12
Ausnüchterungszellen in Betrieb genommen. Für eine
Beurteilung sei es noch zu früh, aber die sogenannte Zentrale
Ausnüchterungsstelle (ZAS) in der Polizeiwache Urania habe sich an
den ersten Betriebswochenenden bewährt, sagt Reto Casanova,
Mediensprecher des Polizeidepartements der Stadt Zürich. Besonders
ist an der ZAS, die von einer privaten Medizinalfirma und einer
privaten Sicherheitsfirma betrieben wird, dass die von der Polizei
aufgegriffenen Betrunkenen für ihren Ausnüchterungsaufenthalt
bezahlen müssen. Eine Zelle kostet je nach Aufenthaltsdauer 600
bis 950 Franken.
Von diesem Pilotprojekt liess sich der Berner EVP-Grossrat
Ruedi Löffel inspirieren. In der Fragestunde der letzten
Grossratssession wollte er deshalb wissen, ob eine ZAS auch für
Bern infrage käme. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP)
steht der Idee positiv gegenüber. "Ich bin jetzt daran, einen
politischen Vorstoss auszuarbeiten", sagt Löffel.
Eltern sollen Kinder abholen
Ob Bern so viele Ausnüchterungszellen wie Zürich
benötige, wisse er nicht, sagt Löffel. Untergebracht werden
könnte eine ZAS aber beispielsweise im City-Notfall. Ein wichtiger
Punkt seiner Motion werde die Kostenfrage sein. Im Kanton Bern fehlen
die gesetzlichen Grundlagen für eine Weiterverrechnung. Käser
erklärte aber vor dem Parlament, dass er die Möglichkeit dazu
bereits prüfen lasse. "Minderjährige sollen von den Eltern in
der ZAS abgeholt werden", sagt Löffel. Das erlaube eine
Erstintervention, welche auf eine Beratung oder eine Therapie
hinauslaufen könnte, sagt Löffel. Heute würden die
Eltern wegen der Schweigepflicht nicht informiert. Schliesslich will er
mit den Ausnüchterungszellen die Notfallstationen der
Spitäler entlasten. Gemäss einer Statistik des Inselspitals
wurden 2007 373 Notfallpatienten mit einer Alkoholvergiftung
eingeliefert. Dies entspreche 3,3 Prozent aller Notfälle.
Nicht alle können in die ZAS
Obwohl Käser in der Fragestunde sagte, das
Inselspital stehe der Idee einer ZAS grundsätzlich positiv
gegenüber, scheint es Bedenken zu geben. Das Notfallzentrum sei
für die Betrunkenen die sicherere Lösung. Viele der Patienten
hätten eine starke Alkohol- oder Mischvergiftung mit Medikamenten
oder Drogen und müssten deshalb medizinisch sehr intensiv
überwacht werden, heisst es beim Inselspital. Dafür
würden die Fachärzte der Intensivstation zur Verfügung
stehen. Ähnlich tönt es aus dem Ziegler- und dem
Tiefenauspital der Spitalnetz Bern AG, bei denen die Betrunkenen
ebenfalls etwa 3 Prozent der Notfallpatienten ausmachen würden.
Leute mit einer Alkohol- oder Mischvergiftung brauchten eine
Überwachung der Herzfunktionen oder der Atmung. Eine
ärztliche Triage sei zudem immer nur eine Momentaufnahme, der
Zustand der Leute könne sich schnell ändern, sagt Felix Noll,
ärztlicher Leiter der Notfallstationen des Ziegler- und des
Tiefenauspitals. Auch wenn private Medizinalfirmen die Betreuung in
einer ZAS übernehmen würden, könnten trotzdem nicht alle
Betrunkenen dorthin gebracht werden, weil es ihnen zu schlecht gehen
würde oder sie zusätzlich verletzt seien.
Da liegt der Schwachpunkt am Pilotprojekt in Zürich:
Wer in die ZAS kommt, erhält anschliessend eine Rechnung. Für
die Kosten der Betrunkenen, die in einem noch schlechteren Zustand sind
und deshalb in die Notfallstation eingeliefert werden, kommt die
Krankenkasse auf. "Darüber müssen die Krankenkassen
nachdenken", sagt Casanova.
Nichts dagegen hätte Noll, wenn die Betrunkenen
für ihren Aufenthalt auf der Notfallstation selber aufkommen
müssten. Aber grundsätzlich gehörten sie dorthin, und
obwohl sich die Alkoholnotfälle auf die Wochenenden
konzentrierten, legten sie den Notfall nicht lahm. Der
Unterstützung der Spitäler würde aber ein
Sicherheitsdienst dienen, sagt Noll. Betrunkene seien oft aggressiv.
Die Entlastung insbesondere des universitären Notfallzentrums
würde einem Neuaufbau und dem Betrieb einer
Ausnüchterungsstation gegenüberstehen, gab auch Käser zu
Bedenken.
Keine grosse Entlastung würde eine Zentrale
Ausnüchterungsstelle für die Polizei bringen, wie Manuel
Willi, Chef Region Bern der Kantonspolizei, sagt. Wenn die Polizei
Betrunkene in die Ausnüchterungszellen am Waisenhausplatz bringt,
stehe dies im Zusammenhang mit einer begangenen Straftat oder einer
Selbst- oder Fremdgefährdung. Wenn es ganz schlimm sei,
müssten die Personen in die Überwachungsstation der Insel
eingeliefert werden. Auch bei der Polizei würden Betrunkene nicht
unbeaufsichtigt gelassen, aber eine permanente medizinische Beobachtung
existiere nicht.
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POLICE BE
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bernerzeitung.ch 22.5.10
Bernischer Polizeidirektor Käser erhöht Druck auf
Stadt Bern und YB
sda / jek
Die jüngsten Ausschreitungen von Fussballfans in Bern
rufen den kantonalen Polizeidirektor Hans-Jürg Käser auf den
Plan: Die Fussballklubs sollten sich endlich stärker an den
Sicherheitskosten beteiligen, fordert er.
Falls sich die Fussballklubs nicht stärker an den
Sicherheitskosten beteiligen, behalte er sich als letzten Schritt vor,
den Ressourcenvertrag des Kantons mit der Stadt Bern zu kündigen,
bestätigte Käser am Samstag einen Bericht der Tageszeitung
"Der Bund".
Der Ressourcenvertrag regelt Preis und Leistungen der
Kantonspolizei für die Stadt. Im Preis inbegriffen seien auch die
Leistungen vor dem Stadion bei Fussballspielen, räumte Käser
ein, allerdings "nicht in diesem Ausmass".
Um die Grundversorgung während eines Fussballspiels
sicherzustellen, reichten 25 Polizisten, sagte Käser. Doch das
meisterschaftsentscheidende Spiel zwischen den Young Boys und Basel vom
letzten Sonntag galt als Hochrisikospiel, deshalb standen 600
Polizisten im Einsatz.
Damit entstanden Kosten von schätzungsweise 250'000
Franken. Davon tragen die Young Boys nur einen sehr geringen Teil: Sie
berufen sich auf einen laufenden Vertrag mit der Stadt, wonach sie nur
gerade 60'000 Franken pro Jahr an die Sicherheitskosten rund um die
Fussballspiele zu zahlen haben.
Das dürfe so nicht weitergehen, bekräftigte
Käser gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Entweder
würden die Kosten durch anderweitige Massnahmen nachhaltig gesenkt
oder die Stadt gebe die hohen Kosten an YB weiter. Geschehe beides
nicht, behalte er sich vor, den Ressourcenvertrag Kanton-Stadt zu
kündigen.
Umstrittene Mustervereinbarung
Die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren
bedrängen die Schweizer Spitzenklubs seit längerem, mehr
gegen die Gewalt im Sport zu unternehmen. Mitte April
präsentierten die Kantone eine Mustervereinbarung, die
sämtliche Profiklubs bis Ende Juni unterzeichnen sollen.
Mit der Vereinbarung sollen sich die Vereine verpflichten,
mehr gegen randalierende Fans zu unternehmen und enger mit den
Behörden zusammenarbeiten. Je mehr der Klub für die
Sicherheit unternimmt, desto weniger soll er bezahlen müssen.
Doch die Begeisterung der Klubs über die
Mustervereinbarung hält sich in Grenzen. So haben die Berner Young
Boys Widerstand gegen das Abkommen signalisiert, weil sie ihrer Meinung
nach bereits genügend Anstrengungen für die Sicherheit
unternehmen.
Auch andere Vereine konnten sich bislang nicht dazu
durchringen, die Vereinbarung zu unterzeichnen. Sie fürchten vor
allem die hohen Rechnungen, die ihnen dann von Seiten der Polizei
drohen könnten.
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Bund 22.5.10
Käser droht mit der Kündigung des Ressourcenvertrags
Polizeidirektor will die Sicherheitskosten für
Sportanlässe nicht länger tragen.
Anita Bachmann
Der Ressourcenvertrag zwischen der Stadt Bern und dem
Kanton regelt Preis und Leistungen der Kantonspolizei für die
Stadt. Im Preis inbegriffen seien auch die Leistungen vor dem Stadion
bei Fussballspielen - "aber nicht in dem Ausmass", sagt der kantonale
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP). Während der
Finalissima zwischen dem BSC Young Boys und dem FC Basel standen 600
Polizisten im Einsatz. Gekostet haben dürfte dies mindestens so
viel wie andere Hochrisikospiele, bei denen mit 250 000 Franken
gerechnet wird. Im Gegenzug zahlt YB gemäss einem Vertrag mit der
Stadt jährlich 60 000 Franken an die Sicherheitskosten rund um
Sportveranstaltungen. Wenn die Kosten nicht nachhaltig gesenkt werden
könnten oder die Stadt Bern diese nicht an die Sportklubs
weiterverrechne, behalte er sich vor, den Ressourcenvertrag zu
künden, sagt Käser. Denn was er früher bereits gemacht
hat, kann er seit der Umsetzung der Einheitspolizei nicht mehr: selber
Rechnung stellen.
Grundversorgung: 25 Polizisten
Käsers Ungeduld basiert möglicherweise auch auf
dem Umstand, dass die Stadt Bern und die Sportvereine die
Mustervereinbarung nicht unterzeichnen wollen, die die Konferenz der
kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren mit den Fussballverbänden
ausgearbeitet hat. Alle Forderungen seien bereits in das eigene
Vertragswerk zwischen der Stadt und den Sportklubs eingeflossen, sagt
der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Bis auf eine
Ausnahme, die Weiterverrechnung der Sicherheitskosten, die über
die Grundversorgung hinausgehen. Die Grundversorgung während eines
Fussballspiels würden 25 Polizisten sicherstellen, sagt
Käser. Für die restlichen 575 Polizisten müsste demnach
YB aufkommen. - Seite 25
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"Den Ressourcenvertrag kann man künden"
Weil der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg
Käser für Sicherheitsleistungen rund um Sportveranstaltungen
keine Rechnungen verschicken kann, stellt er die grundsätzliche
Leistungsvereinbarung zwischen Stadt Bern und Kanton infrage.
Anita Bachmann
Als wäre die Niederlage des BSC Young Boys im alles
entscheidenden letzten Meisterschaftsspiel gegen den FC Basel nicht
genug. Gezündete Pyros, Scharmützel und Sachschäden rund
um die sogenannte Finalissima hinterlassen einen bitteren
Nachgeschmack. Einmal mehr enden die negativen Begleiterscheinungen in
Rechnungen über die Kosten für Sicherheit rund um
Sportanlässe. 600 Polizisten seien am Sonntag im Einsatz
gestanden, liess nun der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg
Käser (FDP) verlauten, obwohl sonst über solche Zahlen
hartnäckig geschwiegen wird. Was dieser Einsatz in
Frankenbeträgen ausmacht, ist nicht klar, er dürfte aber
mindestens mit den seit längerem bekannten Kosten von einer
Viertelmillion Franken für ein Hochrisikospiel zu Buche schlagen.
"Für die Grundversorgung stehen während eines Fussballspiels
25 Polizisten im Einsatz", sagt Käser. Würde man diese Zahl
in die von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren
(KKJPD) und den Fussballverbänden ausgearbeitete
Mustervereinbarung eintragen, wären die restlichen 575 Polizisten
oder knapp 240 000 Franken von YB zu bezahlen. "Für jede weitere
Einsatzkraft stellt die Behörde dem Sportklub () Rechnung", steht
in der Mustervereinbarung. Man kann es drehen und wenden, wie man will,
die 60 000 Franken, die YB seit der vergangenen Saison jährlich an
die Sicherheitskosten beisteuert, reichen nirgends hin.
Langenthal bezahlte Rechnung
Dass die KKJPD-Mustervereinbarung nicht in Kraft ist,
müsste Käser nicht daran hindern, Rechnung zu stellen. Der
Stadt Langenthal hat er beispielsweise bereits 2008 für die
Unterstützung der Stadtpolizei durch die Kantonspolizei an einem
einzigen Eishockeyspiel eine Rechnung über 60 000 Franken
gestellt. "Die Rechnung wurde bezahlt", sagt Käser. Seit es nur
noch die Kantonspolizei gibt und die Städte polizeiliche
Leistungen mit einem Ressourcenvertrag einkaufen, kann der
Polizeidirektor aber für Leistungen der Kantonspolizei weder bei
den Städten noch direkt bei den Klubs Rechnungen verschicken.
Zuständige Behörde ist im Fall von YB die Stadt Bern, sie
müsste die Rechnung stellen.
Doch die Stadt stellt weder Rechnungen, noch ist sie mit
den Sportklubs die KKJPD-Mustervereinbarung eingegangen. Wenn die
Mustervereinbarung nicht zumindest "im Sinn und Geist" umgesetzt werde
und die Stadt keine Kosten weiterverrechnen werde, sind für
Käser die vertraglich festgelegten Polizeileistungen aber nun
infrage gestellt. "Den Ressourcenvertrag kann man künden", sagt
er. Als letzten Hebel behalte er sich diesen Schritt vor.
Ausnahme: Kostenbeteiligung
"Das ist für mich neu", sagt Reto Nause,
städtischer Sicherheitsdirektor (CVP). Für ihn sei der
Ressourcenvertrag, der noch zwei Jahre gültig ist, nicht
antastbar. "Auch die Leistungen der Polizei vor dem Stadion sind im
Vertrag inbegriffen", sagt er. Ebenso wenig gedenkt er, den Vertrag mit
den Sportklubs nicht einzuhalten, den er seinem Vorgänger Stephan
Hügli (Mitte) zu verdanken hat und der insgesamt fünf Jahre
dauert. Mit der Zusatzvereinbarung, die im letzten November
unterzeichnet worden ist, seien materiell alle Punkte der
KKJPD-Vereinbarung erfüllt. "Mit Ausnahme der Kostenbeteiligung",
sagt Nause. In der Zusatzvereinbarung sei aber eine Klausel enthalten,
die erlaube, auf die Kostenbeteiligung zurückzukommen. Wenn die
Sicherheitskosten nicht nachhaltig kleiner würden, müsse man
über die 60 000 Franken reden, sagt Nause. Eine nachhaltige
Reduktion entspreche mehr als einer Halbierung. Heute leiste die
Polizei jährlich gegen 26 000 Stunden Arbeit rund um
Sportveranstaltungen. 10 000 bis 12 000 Stunden wären anzustreben,
sagt Nause. 2008 kostete die Sicherheit rund um Sportveranstaltungen im
ganzen Kanton 2,8 Millionen Franken - selbst von der Hälfte dieses
Betrags wären die 120 000 Franken, die YB und SCB heute gemeinsam
leisten, ein bescheidener Beitrag.
Selbstverständlich halte YB am Vertrag mit der
Kostenbeteiligung von 60 000 Franken fest, sagt YB-Mediensprecher
Albert Staudenmann. "Es hat in dieser Saison im Stade de Suisse keine
Ausschreitungen gegeben", sagt er. Zudem seien bereits viele
Anstrengungen unternommen worden und weitere Investitionen geplant. Die
Kosten für einen zusätzlichen Fanarbeiter und eine
Verlängerung des Fantrennungszauns würden von YB getragen.
Auf die Fantrennung setzt der städtische Sicherheitsdirektor
grosse Hoffnungen. Erste Erfahrungen wurden damit bereits in der
vergangenen Saison gemacht. "Damit kann man den Aufwand erheblich
reduzieren. Es braucht bis zu 100 Polizisten pro Spiel weniger", sagt
Nause. Grundsätzlich ist er der Ansicht, dass der im letzten
November unterzeichneten Vereinbarung noch mehr Zeit eingeräumt
werden müsse. "Gewisse Massnahmen kann man rasch umsetzen, andere
brauchen länger." Kernpunkte der Vereinbarung waren etwa die
verschärften Eintrittskontrollen, bei denen vor allem
pyrotechnisches Material abgefangen werden soll, und der
Alkoholausschank - zwei Massnahmen, die auch die
KKJPD-Mustervereinbarung vorsieht.
FC Thun könnte Kosten steigern
Käser hingegen befürchtet, dass die Kosten in
der kommenden Saison eher noch ansteigen könnten. Der FC Thun ist
am letzten Wochenende in die höchste Liga aufgestiegen.
Sicherheitstechnisch sei das Lachen-Stadion nicht vergleichbar mit dem
modernen Stade de Suisse, spielen würden aber dort die gleichen
Mannschaften wie in Bern, sagt er.
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BIG BROTHER SPORT
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NZZ 25.5.10
Klubs in die Pflicht nehmen
Immer mehr Polizei für Sicherheit in Schweizer
Stadien nötig
(sda) ⋅ Immer mehr Polizisten müssen für die
Sicherheit in den Schweizer Stadien sorgen - doch die Rechnung
dafür will niemand zahlen. Bund und Kantone möchten die Klubs
stärker in die Pflicht nehmen und stossen dabei auf Widerstand. Im
Schweizer Fussball werden beträchtliche Summen umgesetzt, die
Topklubs verfügen über Budgets im zweistelligen
Millionenbereich. Angesichts solcher Summen könnten die Vereine
durchaus mehr für die Sicherheit rund um die Stadien tun, finden
manche Politiker. Schliesslich sei ein Fussballklub ein privater
Veranstalter und könne nicht erwarten, dass der Steuerzahler die
hohen Sicherheitskosten einfach übernehme, sagte der bernische
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser am Samstag in der
"Tagesschau" des Schweizer Fernsehens. Im Kanton Bern sind die
Sicherheitskosten für Sportanlässe exorbitant gestiegen. Im
Jahr 2002 wurden nur 200 000 Franken dafür aufgewendet, letztes
Jahr waren es mehr als 4 Millionen Franken. Anderswo ist die Tendenz
ähnlich. - Schweizweit standen letzte Saison fast 30 000
Polizisten im Einsatz, um die Sicherheit an Fussball- und
Eishockeyspielen der obersten Ligen zu gewährleisten. Diese Zahl
hat das Bundesamt für Polizei (Fedpol) ermittelt, wie es einen
Bericht der "Sonntags-Zeitung" bestätigte.
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sf.tv 24.5.10
Jedes Hochrisikospiel kostet Steuerzahler 250'000 Fr.
sda/fasc
Immer mehr Polizisten müssen für die Sicherheit
in den Schweizer Stadien sorgen - doch die Rechnung dafür will
niemand bezahlen. Bund und Kantone möchten die Klubs stärker
in die Pflicht nehmen und stossen dabei auf Widerstand. Jedes
Hochrisikospiel beispielsweise kostet rund 250'000 Franken. Die Kosten
sind im Kanton Bern in den vergangenen acht Jahren um das 20-fache
gestiegen. Diese berappt der Steuerzahler.
Im Schweizer Fussball werden beträchtliche Summen
umgesetzt, die Top-Klubs verfügen über Budgets im
zweistelligen Millionenbereich. Angesichts solcher Summen könnten
die Vereine durchaus mehr für die Sicherheit rund um die Stadien
tun, finden manche Politiker.
Schliesslich sei ein Fussballklub ein privater
Veranstalter und könne nicht erwarten, dass der Steuerzahler die
hohen Sicherheitskosten einfach übernehme, sagte der bernische
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser am Samstag in der
"Tagesschau" des Schweizer Fernsehens.
600 Polizisten bei der "Finalissima"
Im Kanton Bern sind die Sicherheitskosten für
Sportanlässe exorbitant gestiegen. Im Jahr 2002 wurden 200'000
Franken dafür aufgewendet, letztes Jahr waren es mehr als vier
Millionen Franken. In anderen Kantonen ist die Tendenz ähnlich.
Schweizweit standen letzte Saison fast 30'000 Polizisten
im Einsatz, um die Sicherheit an Fussball- und Eishockey-Spielen der
obersten Ligen zu gewährleisten. Diese Zahl hat das Bundesamt
für Polizei (fedpol) ermittelt, wie es einen Bericht der
"SonntagsZeitung" bestätigte.
Für einen Fussballmatch der Super League brauchte es
demnach im Schnitt 101 Polizeikräfte. In Hochrisikospielen sind es
weit mehr; so standen bei der "Finalissima" YB-Basel rund 600
Polizisten im Einsatz. Ein Hochrisikospiel verursacht Kosten von etwa
einer Viertelmillion Franken.
YB und SCB zahlen pauschal 60'000 Franken
Angesichts solcher Zahlen drängen die kantonalen
Polizeidirektoren die zehn Super-League-Klubs dazu, bis Ende Juni eine
Vereinbarung mit den Behörden zu unterzeichnen. Darin sollen sich
die Vereine verpflichten, mehr für die Sicherheit zu tun - oder
aber deutlich mehr an die Kosten für die Polizeieinsätze zu
zahlen.
Die Begeisterung der Klubs hält sich allerdings in
Grenzen - die Verhandlungen mit den Behörden verlaufen vielerorts
harzig. YB zum Beispiel will die Vereinbarung nicht unterzeichnen.
Schliesslich habe man einen laufenden Sicherheitsvertrag mit der Stadt
Bern, sagt Sprecher Albert Staudenmann. YB muss - wie der SC Bern -
jährlich nur eine Pauschale von 60'000 Franken zahlen, der Rest
geht zu Lasten der öffentlichen Hand.
Keiner will "schwarzer Peter" sein
Die Stadt Bern steht nach wie vor hinter dem Vertrag, wie
Stadtpräsident Alexander Tschäppät und
Sicherheitsdirektor Reto Nause am Wochenende signalisierten. Das
könnte ihnen aber Ärger mit dem Kanton bescheren. Denn der
bernische Polizeidirektor Käser mahnte die Stadt Bern und YB, die
Kostenfrage neu aufzurollen.
Andererseits behalte er sich vor, den Ressourcenvertrag
Kanton-Stadt zu künden, wie Käser einen Bericht im "Bund"
bestätigte. Der Ressourcenvertrag regelt, welche Leistungen die
Kantonspolizei auf Stadtgebiet erbringt. Die Stadt zahlt dafür
pauschal 28 Millionen Franken.
YB wehrte sich derweil gegen die "Schwarzpeter-Rolle".
"Wir investieren schon heute viel in die Sicherheit", sagte YB-Sprecher
Staudenmann. Zusätzlich werde man jetzt den Fan-Trennungs-Zaun
ausserhalb des Stadions verlängern; alleine dies koste über
100'000 Franken - ein Beitrag, den YB freiwillig zahle.
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Newsnetz 23.5.10
30'000 Polizisten im Einsatz gegen Schweizer Hooligans
sda / raa
Grossaufgebot gegen Randale an Sportanlässen: In der
abgelaufenen Saison mussten fast 30'000 Polizisten bei Fussball- und
Eishockey-Spielen der obersten Ligen Gewalt verhindern.
Für einen Fussballmatch der Super League brauchte es
im Durchschnitt 101 Polizeikräfte. Das Bundesamt für Polizei
(Fedpol) bestätigte einen einen entsprechenden Bericht der
"SonntagsZeitung". Diese Polizisten waren jeweils etwas mehr als sechs
Stunden im Einsatz. Weniger Polizeipersonal war an Eishockeyspielen der
National League A erforderlich: Pro Match sorgten durchschnittlich 29
Polizisten während 4,6 Stunden für Sicherheit.
Zähle sie alle Einsätze zusammen, ergebe das
insgesamt 160'111 Einsatzstunden, sagte Fedpol-Sprecherin Eva Zwahlen
am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Mehr als zwei
Drittel der Polizeiarbeit gehen auf das Konto des Fussballs: An 180
Spielen wandte die Polizei insgesamt 111'803 Stunden auf. Für die
368 Eishockeyspiele betrug der Aufwand 48'380 Stunden.
Die Angaben des Fedpol basieren auf Zahlen des
elektroischen Informationssystems Hoogan. Darin speichern die lokalen
Polizeien ihre Berichte über die Einsätze bei den jeweiligen
Sportveranstaltungen. Noch nicht erfasst sind bislang die
Fussballspiele der letzten Runde und die Auf- und Abstiegsspiele, die
noch stattfinden werden.
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Sonntagszeitung 23.5.10
Hooligans kosten 30 Millionen
Die Ausgaben für Polizeieinsätze und
Schäden an den SBB auf Rekordhoch
Von Matthias Halbeis und David Bauer
Zürich Erstmals lässt sich genau beziffern, wie
teuer die Polizeieinsätze bei Meisterschaftsspielen im Fussball
und Eishockey sind: In der abgelaufenen Saison waren es 27,5 Millionen
Franken. Dazu kommen Schäden an SBB-Sonderzügen in der
Höhe von drei Millionen Franken. Die Steuerzahler in den
Städten, Kantonen und beim Bund begleichen somit eine Rechnung von
mehr als 30 Millionen Franken, um Ausschreitungen an
Sportveranstaltungen zu verhindern - mehr denn je. Der Basler
Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass erklärt: "Unsere Kosten sind in
der letzten Saison nochmals angestiegen, von drei auf jetzt dreieinhalb
Millionen Franken." Gleichzeitig hat sich der Kostenteiler zwischen dem
FC Basel und dem Kanton verschoben - erneut zuungunsten des
Steuerzahlers. 87 Prozent der Sicherheitskosten bezahlte er in der
letzten Saison.
Laut Gass kostet ein Aufgebot der Basler Polizei für
ein Hochrisiko-Spiel des FCB inzwischen 260 000 Franken. Für
Spiele mit mittlerem und tiefem Risiko schlagen Kosten von 180 000
respektive 100 000 Franken zu Buche. In Basel hat sich der Aufwand in
den letzten sieben Jahren verdoppelt. Gemäss Gass sind diese
Beträge auch für Aufgebote in anderen Städten
repräsentativ.
Die Vollkosten für einen Polizisten veranschlagen
mehrere Korps mit 1000 Franken pro Tag. Dies auch deswegen, weil der
Dienst bei Meisterschaftsspielen derart lange dauert, dass die
Polizisten am entsprechenden Tag keine anderen Aufgaben mehr
erfüllen können. Die Einsätze bei Sportveranstaltungen
gehen zulasten normaler Polizeiaufgaben.
Widerspenstige Klubs werden stärker zur Kasse gebeten
Die Berechnung der gesamtschweizerischen Zahlen
stützt sich auf Informationen des Bundesamtes für Polizei
(Fedpol). Dieses sammelt alle Matchverlaufsberichte, welche die
Polizeikorps nach den Spielen nach Bern leiten.
Gemäss Fedpol boten die Kommandanten während der
Saison 2009/2010 für Fussballspiele insgesamt 17 230 Polizisten
auf, bei Eishockeyspielen waren 10 218 Mann im Einsatz. Insgesamt
wandte die Polizei 160 183 Stunden auf, um die Sicherheit für 180
Fussball- und 368 Hockeymatches zu garantieren. Weil im Fussball noch
Auf- und Abstiegsspiele im Gange sind, werden sich die Einsatzstunden
nochmals leicht erhöhen.
Die Zahlen des Fedpols überraschen den
Präsidenten der kantonalen Polizeikommandanten, Pierre Nydegger,
nicht. Der Freiburger Kapo-Chef sagt: "Aufgrund unserer eigenen
Erfahrung mit Spielen des Hockeyklubs Fribourg-Gottéron habe ich
diesen Umfang erwartet." Die Höhe der Gesamtkosten findet der
Berner Polizeidirektor Hans-Jürg Käser "erschreckend". So
könne und dürfe es nicht weitergehen. Dafür habe die
Konferenz der Polizeidirektoren (KKJPD) das Massnahmenpaket gegen
Gewalt im Sport verabschiedet. Durch verstärkte Zusammenarbeit mit
den Klubs will Käser erreichen, dass die Zahl der
Einsatzkräfte "auf ein tragbares Mass heruntergefahren werden
kann". Klubs, die nicht kooperieren, sollen stärker zur Kasse
gebeten werden. KKJPD-Vizepräsidentin Karin Keller-Sutter sieht
erste positive Effekte der härteren Haltung: "Die Verantwortlichen
in den Klubs begreifen immer besser, dass die Geduld der Steuerzahler
am Ende ist."
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Zentralschweiz am Sonntag 23.5.10
Max Friedli, Direktor Bundesamt für Verkehr
Fan-Züge: Klubs sollen zahlen
Randalierende Fans verursachen den SBB Schäden in
Millionenhöhe. Jetzt hat der Bund genug.
bu. Max Friedli, der Direktor des Bundesamtes für
Verkehr, spricht sich für eine härtere Gangart gegen
randalierende Fans aus. Im Interview mit der "Zentralschweiz am
Sonntag" fordert er, dass Schäden an Sonderzügen den Vereinen
in Rechnung gestellt werden. "Die Verbände und Clubs können
sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen und sagen, es handle
sich um ein gesellschaftliches Problem", sagt Max Friedli.
Gleichzeitig wirft er den Vereinen vor, zu wenig
konsequent gegen Krawallmacher vorzugehen. "Wenn ich ins Ausland
schaue, habe ich den Eindruck, dass dort vom Staat und von den
Sportvereinen rigoroser vorgegangen wird." Die Transportpflicht der SBB
habe ihre Grenzen, so Friedli. Ausnahmen seien bereits heute
möglich, etwa bei Betrunkenen.
Laut den SBB beliefen sich die Schäden bei
Fan-Zügen im vergangenen Jahr auf 3 Millionen Franken.
Seite 3
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Fanzüge
"Schäden den Vereinen in Rechnung stellen"
adm/eno
Die SBB stellen in Frage, ob sie künftig
randalierende Fans noch transportieren sollen. Sie wollen auf jeden
Fall eine Lockerung von der Beförderungspflicht. Macht dies Sinn?
Max Friedli: Dass man nicht einfach hinnimmt, dass nach
gewissen Sportereignissen das Rollmaterial mutwillig kaputtgemacht und
der öffentliche Verkehr gestört wird, ist verständlich.
Man muss sich in der Tat überlegen, was für Massnahmen zu
ergreifen sind. Denn nebst den eigentlichen Schäden, die ins Geld
gehen, sind gewöhnliche Zugsbenützer einfach nicht mehr
bereit, Störungen und Verspätungen einfach so hinzunehmen.
Das heisst?
Friedli: Ich bin überzeugt, dass die Bereitschaft der
grossen Masse der Besucher je länger, je kleiner wird, über
den Billettpreis von Sportveranstaltungen auch für die zum Teil
massiven Sicherheitsaufwendungen oder eben auch für Schäden
an Transportfahrzeugen aufzukommen. Da muss etwas geschehen. Ideen gibt
es viele.
Macht man in der Schweiz zu wenig gegen randalierende Fans?
Friedli: Sicher ist, dass man dieses Problem nicht einfach
so hinnehmen darf, auch wenn es sich letztlich um ein
gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Aber wenn ich ins Ausland
schaue, habe ich den Eindruck, dass dort vom Staat und von den
Sportvereinen aus rigoroser vorgegangen wird. In der Schweiz werden
nach wie vor nicht alle Möglichkeiten ausgenützt. Ich bin
regelmässig im Berner Stade de Suisse. Immer in den gleichen Ecken
werden Fackeln von den gleichen Leuten abgebrannt. Ich finde, die
Schweizer Sportvereine machen viel zu wenig gegen diese angeblichen
Fans, die sich nicht an die Regeln halten.
Sie sagen also auch, dass Sportvereine für die
Schäden ihrer Fans in den Transportfahrzeugen aufkommen sollen.
Friedli: Ja, die Verbände und Clubs können sich
nicht einfach aus der Verantwortung stehlen und sagen, es handle sich
um ein gesellschaftliches Problem. Das ist es zwar auch, aber für
meinen Geschmack - und ich gehe oft an Fussball- oder Eishockeymatches
- unternehmen die Vereine zu wenig. Es ist mir auch klar, weshalb. Es
ist unangenehm, gegen solche Personen vorzugehen. In anderen
Ländern haben die Behörden und Vereine bei weit
grösseren Besucherzahlen Nulltoleranz durchsetzen können. Ich
sehe nicht ein, weshalb das nicht auch bei uns machbar sein soll.
Was schlagen Sie vor?
Friedli: Man soll Spezialzüge für Fans machen
und den Vereinen die Kosten für die Schäden anschliessend in
Rechnung stellen. Die Transportpflicht der SBB hat Grenzen. Das gilt
schon heute, für Betrunkene, Leute unter Drogeneinfluss oder
sonstwie renitente Personen. Hier sieht das Gesetz auch jetzt bereits
Ausnahmen vor.
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ANTIRA-CUP SOLETTA
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Langenthaler Tagblatt 25.5.10
Den Rassisten die rote Karte gezeigt
Solothurn Der "Antira-Cup Soletta" macht vor, dass
Fussball ohne Gewalt und Rassismus auskommt
Unter dem Motto "Love Football - Hate Racism" fand bereits
das vierte antirassistische Fussballturnier in Solothurn statt. Obwohl
der Spass im Vordergrund stand, wurde an den Infoständen auch
über ernste Themen diskutiert. Im Fokus stand dabei die kommende
WM in Südafrika.
Christoph Neuenschwander
Reggae-Musik schallt über das Gelände des
Vorstadtschulhauses in Solothurn. An Verkaufsständen werden
Bratwürste und T-Shirts feilgeboten. Hunderte von Jugendlichen
haben es sich auf dem Rasen oder an den Festbänken gemütlich
gemacht. Die Atmosphäre erinnert an ein Open air. Zugejubelt wird
jedoch nicht Musikern, sondern den Fussballern, die sich jenseits der
Bänke tummeln. Auf vier Plätzen kämpfen derzeit gleich
acht Mannschaften um den Eintritt ins Achtelfinale. 16 weitere Teams
sitzen am Spielfeldrand, schauen zu und warten auf ihren nächstes
Match. Das alljährliche Grümpelturnier mit dem Namen
"Antira-Cup Soletta" ist in vollem Gange.
Problematische WM
Seit das Solothurner Fussballturnier 2007 im Rahmen der
Antifaschisten-Kampagne "Die Dinge in Bewegung bringen" erstmals
durchgeführt wurde, hat es sich als fester Bestandteil des linken
Veranstaltungskalenders etabliert. Und dies landesweit, wie es scheint.
Etwa die Hälfte der 24 Teams stammt aus der Region Solothurn; der
Rest ist teilweise von weit her angereist. Unter den Teilnehmenden
finden sich Oberwalliser, Luzerner, Berner und Zürcher
Mannschaften.
Mehrere Pokale
Wer gewinnt, ist freilich nebensächlich; Pokale
erhalten nicht nur die Sieger, sondern auch die Mannschaften mit den
besten Trikots und den treusten Fans. Es geht, wie bei jedem
Grümpelturnier, um den Spass. Aber auch darum, ein Zeichen zu
setzen. Ein Zeichen gegen Gewalt und Rassismus, die leider beide bei
grösseren Fussballanlässen oft mit dabei sind.
In diesem Sinne ist es den Mitgliedern der
Antirassistischen Aktionsgruppe ein Anliegen, auch auf die
Missstände und Probleme der kommenden Weltmeisterschaft in
Südafrika aufmerksam zu machen. Vielen Fussballfans hierzulande
sei "mangels Wissen oder mangels Interesse" nicht bewusst, dass mehr
als 15 Jahre nach der Apartheid Weisse in vielen Unternehmen immer noch
bevorzugt werden, dass zwecks Stadionbauten Tausende Menschen aus den
Armenvierteln zwangsumgesiedelt wurden oder dass Polizeigewalt und
repressive Massnahmen auf die WM hin zunehmen, um die Kriminalität
kurzfristig, aber ineffizient zu bekämpfen.
Fairness ohne Schiri
An Infoständen wird deshalb am "Antira-Cup Soletta"
auf die Gefahren des Rassismus im Sport hingewiesen. Ausserdem soll ein
Shakehands vor jedem Spielbeginn sowie die Abwesenheit eines
eigentlichen Schiedsrichters (lediglich "Spielbeobachter" stehen zur
Verfügung) die Teams für ein faires Miteinander auf dem Rasen
sensibilisieren.
Die Idee eines antirassistischen Fussballturniers stammt
ursprünglich aus Bologna (Italien), wo seit Jahren der Anlass
"Mondiali Antirazzisti" mit über 200 Mannschaften aus der ganzen
Welt stattfindet. Der Cup in Solothurn wiederum hat andere Regionen der
Schweiz zur Nachahmung inspiriert. So wird heuer, wie schon im
vergangenen Jahr, auch in Luzern ein Turnier ausgetragen. Mit grosser
Wahrscheinlichkeit finden dieses Jahr ebenfalls in Bern und im
Oberwallis Ableger des "Antira-Cups" unter deren Motto "Love Football -
Hate Racism" statt.
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REVOLTE BS
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Basler Zeitung 25.5.10
Ladenbesitzer fordern mehr Schutz
Polizeidirektor Gass prüft, ob die
Polizeipräsenz an Hotspots verstärkt werden soll
Markus Prazeller
Am Wochenende richteten Chaoten in der Innenstadt
erhebliche Schäden an. Das Gewerbe ist alarmiert, Polizeidirektor
Hanspeter Gass will reagieren.
Nach dem verheerenden Saubannerzug durch die Freie Strasse
ist die Empörung unter Ladenbesitzern und Politikern gross.
Gewerbedirektor Peter Malama (FDP) zeigte sich bestürzt über
die massiven Sachbeschädigungen am Wochenende. "Das Gewerbe leidet
nicht zum ersten Mal unter bewilligten und nicht bewilligten
Demonstrationen", so Malama. Den Ladenbesitzern empfiehlt er, Anzeige
gegen unbekannt einzureichen.
Am späten Freitagabend waren Unbekannte durch die
Freie Strasse gezogen und hatten rund achtzig Schaufenster
zertrümmert und zehn parkierte Autos beschädigt. Nach ersten
Schätzungen beläuft sich der Schaden auf rund 350 000
Franken. Aufgrund der Parolen, die auf mehrere Gebäude gesprayt
wurden, vermutet die Staatsanwaltschaft die Täter im
linksautonomen Lager. Auch im Internet tauchten entsprechende Hinweise
auf. Bereits am 1. Mai hatten mehrere Vermummte grossen Schaden in der
Innenstadt angerichtet. Damals nahm die Polizei fünf Beteiligte
fest, von den Tätern der jüngsten Sachbeschädigungen
fehlt bisher jede Spur.
Mehr Polizisten
Derweil wird unter den Ladenbesitzern die Forderung nach mehr
Polizeipräsenz laut. Gewerbedirektor Malama könnte sich den
Einsatz von zusätzlichen Überwachungskameras in den
Ladengeschäften vorstellen.
Im Interview mit der BaZ zeigt Justiz- und
Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (FDP) Verständnis für den
Ärger der Gewerbetreibenden. Er wolle sich in den nächsten
Tagen mit der Polizeileitung über mögliche Massnahmen
austauschen. Gass schliesst nicht aus, dass die Polizeipräsenz an
Hotspots wie dem Barfüsserplatz erhöht wird. "Ich
persönlich könnte mir eine Art mobilen Polizeiposten
vorstellen, wie wir ihn auch an der Herbstmesse im Einsatz haben", so
Gass.
Der FDP-Politiker warnt jedoch vor unrealistischen
Erwartungen. Aktionen wie am Freitag könnten auch mit mehr
Polizisten nicht verhindert werden. "Feige Anschläge aus dem
Hinterhalt sind immer möglich." > Seite 23
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Die Täter kamen wie aus dem Nichts
Basel. Chaoten richten in der Freien Strasse Schäden von
350 000 Franken an
Markus Prazeller
In der Nacht auf Samstag schlagen Unbekannte in der
Innenstadt innerhalb weniger Minuten die Schaufenster von vierzig
Geschäften ein. Ihr Vorgehen erinnert an den Saubannerzug am 1.
Mai.
Die Freie Strasse gleicht einem Schlachtfeld. Es ist
Freitagabend, kurz vor 23 Uhr. Überall liegt zerstörtes Glas,
an den Gebäuden prangen einschlägige Parolen wie "Reclaim the
streets" - holt euch die Strassen zurück. Die Polizei riegelt die
Freie Strase grossräumig ab. Zeugen werden befragt. Ein
herbeieilender Ladenbesitzer verwirft die Hände. "Was ist hier nur
passiert?" - Fassungslosigkeit ist zu spüren.
Es war gegen 22.30 Uhr. Eine Horde von Vermummten zieht
von der Streitgasse her in die Freie Strasse, bewaffnet mit
Bauhämmern und Spraydosen. Sie zerstören rund 80 Schaufenster
von beinahe allen Geschäften in der Strasse. Auch zehn abgestellte
Autos werden beschädigt. Nach wenigen Minuten ist der Spuk vorbei.
Auf Höhe der Rüdengasse zerstreut sich die Gruppe. Die
Tatwerkzeuge bleiben auf der Strasse liegen.
Durch die Anrufe mehrerer Passanten und den Einbruchalarm
in der Bijouterie Mezger erfährt die Polizei vom Saubannerzug -
und kommt zu spät. Eine sofort eingeleitete Fahndung bleibt
erfolglos. Markus Melzl von der Staatsanwaltschaft: "Es ging alles
unglaublich schnell." Laut einer ersten Berechnung einer Glaserei
könnte sich der Schaden auf 350 000 Franken belaufen. Vielleicht
mehr.
Linksautonome
Es ist nicht der erste derartige Vorfall in Basel. Am 1. Mai
zogen Vermummte am späten Abend durch die Innenstadt und richteten
vor allem in der Clarastrasse zum Teil massive Schäden an. Von den
rund 120 Beteiligten konnte die Polizei 15 festnehmen. Wie damals
rechnen die Ermittlungsbehörden die Täter dem linksautonomen
Lager zu. Die Parolen und entsprechenden Flyer auf der Strassen legen
diesen Schluss nahe.
Und auch das Vorgehen gleicht sich. Am 1. Mai schlossen
sich die Chaoten zunächst einer spontanen Demonstration von
Harassenlauf-Befürwortern an. Im jüngsten Fall sind die
Täter wahrscheinlich mit einem Demonstrationszug mitmarschiert,
der laut Transparenten mehr Freiräume für Jugendliche
forderte und sich gegen das Pyro-Verbot richtete. Laut mehreren
Jugendlichen, die der Demo gefolgt waren, hätten sich auf der
Höhe Streitgasse mehrere Teilnehmer vermummt und seien in Richtung
Freie Strasse gelaufen.
Heute Dienstag beginnt die Staatsanwaltschaft mit der
Auswertung des Beweismaterials. Hinweise erhofft sie sich von den
Überwachungskameras der betroffenen Läden und den
liegengelassenen Tatwerkzeugen.
--
"Völlig neue Dimension von Gewaltausübung"
Basel. Hanspeter Gass erklärt, wieso die Polizei bei
den Vandalenattacken auf mehrere Läden zu spät kam
Interview: Markus Prazeller
Nach den jüngsten Sachbeschädigungen in der
Freien Strasse will Polizeidirektor Hanspeter Gass (54) die
Polizeipräsenz an sogenannten Hotspots ausbauen.
In der Nacht auf Samstag richteten Unbekannte in der
Freien Strasse einen Schaden von mindestens 350 000 Franken an (siehe
Text unten). In Interview zeigt sich Polizeidirektor Hanspeter Gass
(FDP) empört über die "feigen Anschläge".
BaZ: Herr Gass, Sie waren nach dem Saubannerzug selbst in
der Freien Strasse. Was ging Ihnen beim Anblick der Zerstörung
durch den Kopf?
Hanspeter Gass: Es ging mir wie wahrscheinlich den
meisten, die seither in der Freien Strasse waren. Es kamen Gefühle
hoch wie Ärger, Empörung, Unverständnis und Wut. Und es
bleibt die Frage: Was treibt diese Leute an, dass sie mit einer solchen
Zerstörungswut durch eine Strasse ziehen und alles kaputt schlagen?
Haben Sie eine Antwort auf diese Frage?
Das sind gesellschaftliche Entwicklungen: Für eine
zunehmende Zahl von Jugendlichen gehört es offenbar zu einer Art
Freizeitbeschäftigung, in der Stadt oder auch an
Sportveranstaltungen in blinder Wut Gewalt auszuüben. Diese
Jugendlichen fallen nicht einfach vom Himmel. Das sind Söhne und
Töchter von Menschen, die hier in der Region leben und verwurzelt
sind. Das stimmt mich nachdenklich. Ich orte eine gewisse
Vernachlässigung von Werten wie Anstand und Respekt.
Bereits am 1. Mai kam es in der Innenstadt zu einem
Saubannerzug. In beiden Fällen wurde die Polizei auf dem falschen
Fuss erwischt.
Wir sprechen hier von einer völlig neuen Dimension
von Gewaltausübung. Es gab keine Hinweise auf die Tat, keine
Ankündigung. Alles passierte in wenigen Minuten.
Die Polizei scheint solchen Aktionen machtlos ausgeliefert.
Mit den neuen Kommunikationsformen haben die Täter
auch neue Instrumente in der Hand, um ihre Taten minutiös zu
planen und schnell zu mobilisieren. Hier steht die Polizei - nicht nur
in Basel - vor einer neuen Herausforderung.
Kurz vor der Tat demonstrierten Jugendliche in der Stadt
gegen das Pyro-Verbot. Die Polizei könnte mit dem Strafverfahren
gegen FCB-Spieler Xherdan Shaqiri gewaltbereite Chaoten auf den Plan
gerufen haben.
Das habe ich jetzt auch mehrmals im Internet gelesen.
Oftmals richteten sich die Vorwürfe auch gegen meine Person. Diese
Leute verkennen jedoch die Realität. Erstens kann ich als
Regierungsrat meinen Polizisten nicht vorschreiben, wen sie zu
büssen haben und wen nicht. Wir leben ja nicht in einer
Bananenrepublik. Zweitens kann es nicht sein, dass die Polizei zwischen
Prominenten und Nichtprominenten unterscheidet. Wenn ein Vergehen
festgestellt wird, hat der Polizist seine Arbeit zu tun.
Nach den Zerstörungen am Wochenende verlangen
Ladenbesitzer nach mehr Polizeipräsenz. Kommen Sie dieser
Forderung nach?
Ohne mich konkret zur Polizeitaktik zu äussern: Die
Polizeileitung hat für die nächsten Tage Sofortmassnahmen
ergriffen. Über längerfristige Massnahmen werden wir noch in
dieser Woche diskutieren.
Wie könnten diese aussehen?
Es ist denkbar, dass wir die Präsenz an weiteren
Hotspots wie beispielsweise dem Barfüsserplatz verstärken.
Ich persönlich könnte mir eine Art mobilen Polizeiposten
vorstellen, wie wir ihn auch an der Herbstmesse im Einsatz haben. Man
muss jedoch sehen: Wir haben begrenzte Ressourcen. Wenn mehr Polizisten
auf dem Barfi sind, fehlen sie an anderen Orten, beispielsweise in den
Quartieren.
Konkret heisst das: Sie fordern mehr Personal.
Feige Anschläge aus dem Hinterhalt können -
unabhängig vom Personalbestand - überall und jederzeit
stattfinden. Die Polizeileitung wird sich deshalb über die zu
treffenden Gegenmassnahmen Gedanken machen und mir berichten. Für
Schlussfolgerungen ist es zu früh.
---
sf.tv 22.5.10
Saubannerzug verwüstet Basler Einkaufsmeile
sz/blur
15 bis 20 Vermummte haben in der Nacht auf Samstag in der
Freien Strasse in Basel eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Bei
über zwei Dutzend Einkaufsgeschäften wurden die
Schaufensterscheiben eingeschlagen Die Staatsanwaltschaft Basel
beziffert den Schaden auf mehrere hunderttausend Franken. Trotz
ausgelöstem Alarm konnten die Täter unerkannt flüchten.
Über 100 Personen zogen gestern gegen 22:30 Uhr mit
Fackeln und "Pyros" durch die Steinenvorstadt Richtung
Barfüsserplatz. Plötzlich hätten sich 15 bis 20
Vermummte aus dem Zug gelöst und stürmten in die nahegelegene
Freie Strasse, die Basler Shoppingmeile. Innert kürzester Zeit
wurden bei gegen 30 Geschäften Schaufenster und Vitrinen
zerstört, sagt Markus Melzl Mediensprecher der Basler
Staatsanwaltschaft auf Anfrage von "tagesschau.sf.tv".
Alarmiert wurde die Polizei durch den Einbruchsalarm bei
einer Bijouterie und von mehreren Augenzeugen. Als die Polizei mit
einem Grossaufgebot eintraf, waren die Täter bereits in
unterschiedliche Richtungen geflüchtet.
Aufgeschreckt durch den Alarm wurde auch der Besitzer der
Bijouterie Urs Mezger: "Als ich am Tatort eintraf, war die Freie
Strasse weiträumig abgesperrt. Drei Scheiben waren zerstört,
gestohlen wurde dank dem Spezialglas aber nichts. Der Schaden
beträgt rund 10‘000 Franken. In den vergangenen Jahren war unser
Geschäft mehrmals Opfer von Einbruchversuchen, einen Vandalenakt
dieser Art habe ich bisher erst einmal bei einer WEF-Demo erlebt", sagt
Urs Mezger.
Bereits vor drei Wochen wüteten Chaoten
Trotz dem Grossaufgebot von Polizei, Grenzwacht und
Verstärkung aus dem Kanton Baselland konnten die Täter
unerkannt flüchten. "Wir haben mehrere Kleidungsstücke und
Bauhämmer sichergestellt. Kriminaltechniker werden sich jetzt um
diese Material kümmern. Auf Grund der antikapitalistischen
Sprayparolen vermuten wir, dass die Täter aus dem linksautonomen
Lager kommen sagt Markus Melzl gegenüber "tagesschau.sf.tv".
Der erneute Saubannerzug weist Parallelen auf mit jenem
vom vergangenen 1. Mai. Damals zogen rund 120 Personen durch die Basler
Innenstadt . Auf der Strecke wurden Häuser und Trams mit Farbe
versprayt. Vor dem Clara-Polizeiposten schleuderten Chaoten Farbbeutel,
Stühle, Velos und Steine gegen das Gebäude. Zudem wurde ein
Molotow-Cocktail in den Eingangsbereich geworfen, der sogleich in
Vollbrand stand. Nach dem Angriff flüchteten die Demonstranten.
Die Polizei konnte damals 15 Tatverdächtige - dreizehn Männer
und zwei Frauen im Alter zwischen 17 und 41 Jahren - festnehmen.
---
bazonline.ch 22.5.10
Wieder ein Saubannerzug in Basels Innenstadt
Joël Gernet
Am späten Freitagabend verursachte ein vermummter Mob
in der Freien Strasse nach einem Fackelumzug Sachbeschädigungen
von vermutlich über 350'000 Franken. Die Täter werden im
linksautonomen Lager vermutet.
"Fast alle Läden in der Freien Strasse waren von den
Sachbeschädigungen betroffen, bei H & M war die ganze Scheibe
weg, da hätte man reinspazieren können", erklärt
Kriminalkommissär Markus Melzl. Was war passiert? Gemäss
Staats-anwaltschaft (Stawa) meldeten Passanten am Freitag um 22:30 Uhr
der Polizei, dass eine Horde von Vermummten in der Freien Strasse
massive Sachbeschädigungen verüben würde. Gleichzeitig
wurde bei einer Bijouterie an der Streitgasse der Einbruchalarm
ausgelöst, worauf mehrere Polizeieinsatzkräfte
anrückten. Gemäss den bisherigen Erkenntnissen muss kurz
zuvor ein Fackelzug mit mehreren Teilnehmenden und einem
Begleitfahrzeug im Bereich Steinenvorstadt/Barfüsserplatz
stattgefunden haben.
Dieser Zug soll sich dann durch die Streitgasse bis zur
Freien Strasse bewegt haben, als sich plötzlich Exponenten des
Fackelzuges vermummten und durch die Freie Strasse bis zur
Rüdengasse rannten. Auf der rund 300 Meter langen Strecke zwischen
Streit- und Rüdengasse schlugen diese Vermummten bei nahezu
sämtlichen der etwa 30 Geschäften die Schaufensterscheiben
und die Vitrinenverglasungen ein.
Vermutlich Linksautonome - Luxuskarosse wurde verschont
Zudem wurden etliche Gebäude versprayt mit dem
Anarchie-Symbol, Hammer und Sichel sowie antikapitalistischen Parolen.
"Die Täter kommen wohl aus dem linksautonomen Lager", so Markus
Melzl gegenüber baz.ch. Nicht auszuschliessen sei auch, dass sich
die Gruppe dem Fackelzug "angehängt" habe, welcher
möglicherweise im Zusammenhang mit der Polemik um verbotenes
Fackelabbrennen durch FCB-Spieler Xherdan Shaqiri gestanden sei. Es
gebe Hinweise auf Linksautonome wie auf Hooligans, sagte Melzl
gegenüber der Nachrichtenagentur sda.
Zusätzlich wurden etwa zehn parkierte Autos
vorwiegend an den Scheiben beschädigt. Von den Vandalen verschont
wurde erstaunlicherweise ein nagelneuer Maserati gegen Ende der Freien
Strasse. "An dieser Stelle ist den Tätern wohl die Zeit zu knapp
geworden", so Melzl. Ob ein Zusammenhang zum Saubannerzug vom 1. Mai
bestehe, könne derzeit nicht gesagt werden. Allerdings habe sich
die Menschenmenge auch in diesem Fall sehr spontan zusammengerottet.
Auch, dass sich die Täter mit einem Pulk von Mitläufern
schützten, sei ähnlich wie beim Vorfall vor drei Wochen.
Verstärkung von der Baselbieter Polizei nötig
Der Spuk in der Freien Strasse war nach kürzester
Zeit vorbei, wobei sich die Täter bei der Verzweigung Freie
Strasse/Rüdengasse trennten und in verschiedene Richtungen
flüchteten. Die Tatwerkzeuge - überwiegend Bauhämmer -
und Kleidungsstücke zur Vermummung wurden teilweise auf der
Strasse zurückgelassen. Die Polizei zog augenblicklich ein
grösseres Mannschaftsaufgebot zusammen, wobei dieses durch ein
Kontingent der Baselbieter Polizei und durch die Grenzwache
unterstützt wurde.
Gemäss Angaben der Glaserei Cimei & Söhne
wurden 98 Schaufenster und Türen zerschlagen. Der geschätzte
Glasschaden betrage etwa 350'000 Franken. Die Scheiben sind noch in der
selben Nacht bis morgens um 4.30 Uhr gesichert worden. Zuvor mussten
die zerbrochenen Scheiben durch die Feuerwehr überwacht und die
Scherben durch die Stadtreinigung entfernt werden. Die Untersuchungen
des Kriminalkommissariates sind im Gange. Während den Ermittlungen
und Abklärungen blieb der betroffene Abschnitt der Freien Strasse
für jeglichen Durchgangsverkehr gesperrt. Die Polizei sucht Zeugen.
---
nzz.ch 22.5.10
Vermummte auf Saubannerzug in Basler Einkaufsstrasse
Mit Bauhämmern wahllos Scheiben an Läden und
Fahrzeugen zertrümmert
Eine Gruppe von etwa 20 Vermummten hat am Freitagabend in
Basel auf einem Saubannerzug durch eine Einkaufsstrasse grossen Schaden
hinterlassen. Die Randalierer schlugen Schaufenster und Autoscheiben
ein besprayten Hauswände mit Parolen.
(sda) Passanten, die die Vandalen beobachteten,
alarmierten die Polizei. Gleichzeitig ging bei einer Bijouterie der
Einbruchalarm los. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot vor Ort. Sie
erhielt Verstärkung von der Baselbieter Polizei und der
Grenzwache, wie die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt mitteilte.
Die Schadensumme ist noch nicht bekannt. Zunächst
müssten sämtliche Verantwortlichen der Geschäfte
kontaktiert werden, sagte Markus Melzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft
Basel-Stadt.
Wahllos Scheiben eingeschlagen
Die Vermummten hätten auf einem 200 bis 300 Meter
langen Abschnitt der Freien Strasse wahllos praktisch sämtliche
Schaufenster zertrümmert, berichtete Melzl. 25 bis 30
Ladengeschäfte waren betroffen.
Ein Motiv sei nicht auszumachen, sagte der Polizeisprecher
weiter. Die Vandalen hätten Losungen und Symbole gegen den
Kapitalismus an Gebäude gesprayt.
Mit Bauhämmern gewütet
Bei der Kreuzung der Freien Strasse mit der
Rüdengasse trennte sich der Vandalen-Trupp. Die unbekannten
Täter liefen in unterschiedliche Richtungen davon. Ihre
Tatwerkzeuge - meist Bauhämmer - liessen sie ebenso zurück
wie Kleidungsstücke, mit denen sie ihre Gesichter bedeckt hatten.
Aus Fackelzug ausgeschert
Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass am Abend
zunächst ein unbewilligter Fackelzug mit rund 100 Personen im Raum
Steinenvorstadt und Barfüsserplatz stattgefunden hatte. Laut
Staatsanwaltschaft vermummten sich einige Teilnehmer unversehens,
rannten durch die Freie Strasse und richteten dabei die Schäden an.
Der Fackelzug hatte laut Melzl möglicherweise einen
Zusammenhang mit der Polemik um eine Anzeige gegen einen FCB-Spieler
wegen unerlaubten Abbrennens einer Fackel an der Cup-Feier.
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ZÜRI-PUNK
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Limmattaler Zeitung 22.5.10
Züri brännt
Mit dem Opernhauskrawall brach am 30.Mai 1980 in
Zürich die Zeit der "Bewegung" an. Demonstrationen und
Ausschreitungen, die sich an der Forderung nach Raum für
alternative Kultur und ein autonomes Jugendzentrum (AJZ)
kristallisierten, hielten die Stadt bis zum Abbruch des AJZ am
28.März 1982 in Atem. Zu den Kulturbetrieben, die aus dieser Zeit
hervorgingen, gehören die Rote Fabrik und das Jugendhaus Dynamo.
In loser Folge stellen wir Ihnen Menschen vor, die in der
Jugendbewegung eine Rolle spielten. Heute: Achmed von Wartburg. (liz)
--
Vom Protest zur Freiheit
Achmed von Wartburg, Rebell im "bewegten" Sommer 1980,
lebt auch heute fern der Norm
Vor dreissig Jahren, im "Sommer der Bewegung",
protestierte Achmed von Wartburg handfest gegen den Bürgermief.
Heute findet der ehemalige Punk seine Freiheit in Tango und
Konsumverzicht.
Martin Reichlin
Als wir die Wohnung im Kreis4 betreten, ist Achmed von
Wartburg dabei, Setzlinge in die Blumentöpfe vor dem
Küchenfenster zu pflanzen. "Krautstiel", erklärt der
51-jährige, einstige Rebell, während er mit beiden
Händen die frische Erde um einen Keimling festdrückt. "Damit
kann ich mich den ganzen Sommer hindurch selbst mit ein wenig frischem
Gemüse versorgen." Selbstversorgung, sprich die
Unabhängigkeit vom gängigen Konsum, spielt eine zentrale
Rolle im Leben des in Aarau aufgewachsenen Lebenskünstlers. Seit
1986 lebt von Wartburg beispielsweise in derselben Altbauwohnung ohne
Zentralheizung und sammelt das Brennholz für den Ofen, mit dem er
die einfache Bude heizt, in den Wäldern rund um Zürich. Auch
auf Kinobesuche oder die Fahrt mit dem Tram verzichtet er, Fleisch ist
aus Kostengründen vom Speiseplan verschwunden und Kleidung "findet
man oder man erhält sie geschenkt".
Er lebe von rund 1000 Franken im Monat, ohne dass ihm
etwas fehle, erklärt von Wartburg. Im Austausch dafür erhalte
er den Luxus, der ihm immer schon am wichtigsten gewesen sei: die
Freiheit, seinen Wünschen und Neigungen nachzuleben. Etwa, jeden
Tag drei Stunden Tai Chi zu trainieren oder sein Leben dem Tango zu
widmen.
Anders zu sein und die herrschende Ordnung herauszufordern
- das waren schon die Motive, die Achmed von Wartburg zur "Bewegung"
und ins Alternative Jugendzentrum AJZ führten. "Ich wuchs in einem
anthroposophischen Elternhaus in Aarau auf", erzählt "El Tigre
Tanguero", "schon das war eine Form von Subkultur. In der Schule war
ich deshalb so etwas von anders - es war die Hölle." Er habe darum
mit 15 beschlossen, Maler zu werden, die Schule geschmissen und sei mit
18 nach Paris emigriert. "Ich dachte, an der Seine könne sich die
Malerei gut entfalten. Ein Irrtum, wie sich herausstellte." Nach zwei
Jahren zog von Wartburg weiter nach Kairo, um Arabisch zu lernen.
Im Juli 1980 kehrte der Weltenbummler in die Schweiz
zurück, "um etwas Geld für mein Studium zu verdienen". Doch
dann kam er mit der eben begonnen "Bewegung" in Kontakt und
"plötzlich gefiel es mir in Zürich."
Was war denn so faszinierend?
Achmed von Wartburg: Die Bewegung war für Schweizer
Verhältnisse so unerhört, das sich bei mir die Lust regte,
mitzumachen. Zudem hatte ich endlich das Gefühl von
Zugehörigkeit. Seit meiner Kindheit sah ich mich als Aussenseiter,
der schief in der Welt hing. Und plötzlich waren da Tausende, die
ebenso schräg waren. Da begann ich, aufzublühen.
Wann gingen Sie erstmals an eine Demo?
Von Wartburg: Am 4.September 1980. Zuvor hatte ich mich
nicht aufraffen können, ins AJZ oder auf die Strasse zu gehen.
Doch dann wurde das AJZ erstmals geschlossen und ich dachte: Jetzt
musst du dich für ein neues AJZ einsetzen, schliesslich hast du
das erste verpasst.
Woran ist die Bewegung gescheitert?
Von Wartburg: An sich selbst und an der Politik der Stadt.
Zu Anfang sollte die Bewegung repressiv zerschlagen werden. Doch dann
kam die Stadt auf die Idee, das AJZ wieder zu öffnen und eine
Million Franken für die Renovation zu sprechen. Ab diesem Moment
waren die Leute entweder damit beschäftigt, alles zu ordnen, zu
organisieren und zu sanieren - gut schweizerisch - oder das Geld zu
verkiffen und zu klauen. Ich war damals so naiv, dass ich mir nicht
vorstellen konnte, dass einige von uns ihre eigenen Ziele verfolgten.
Noch 1981 kandidierte ich unter dem Slogan "Das nackte Chaos" fürs
Stadtpräsidium. Den Todesstoss, erzählt von Wartburg weiter,
hätten schliesslich die Drogen dem AJZ und damit dem
Jugendaufstand versetzt: "Wir waren offen und tolerant gegen- über
den Heroinabhängigen, schliesslich waren sie wie wir eine
Randgruppe. Die Polizei nützte das aber blitzschnell aus und
drängte die ganze Drogenszene von den bekannten Orten wie dem
Hirschenplatz ins AJZ. Mit den Junkies kamen aber auch der Heroinhandel
und in der Folge mehr Junkies. Je höher aber der Heroinpegel
stieg, desto stärker setzten sich die kreativen und politischen
Köpfe in Richtung Rote Fabrik ab. Irgendwann blieben im AJZ nur
noch die Süchtigen übrig."
Was ist von der "Bewegung" geblieben?
Von Wartburg: Einerseits die Rote Fabrik, um die es
schliesslich von Anfang an gegangen war. Andererseits wäre
Zürich heute nicht so offen, lebendig und kulturell reichhaltig,
hätte es die Bewegung nicht gegeben. Vorher wurden hier um
Mitternacht die Trottoirs hochgeklappt.
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SEDEL LU
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Zentralschweiz am Sonntag 23.5.10
"Es ist geil hier - der echte Burner"
Von Pirmin Bossart
Hinter dicken Mauern proben über 100 Bands. Was ist
das Erfolgsrezept des bald 30 Jahre alten Musikzentrums Sedel?
Eine junge Frau haut auf die Trommeln. Die Schlagzeugerin
ist ganz alleine in der Zelle. Überrascht hält sie inne.
Foto? Vielleicht später. Als die Türe ins Schloss fällt,
kübelt sie wieder los. Die Frau bleibt dran. Im Sedel kann sie das
ungestört. Niemand, der verärgert an die Türe klopft.
Niemand, der "Ruuuhe" schreit. Aber viele, die sonstwie Lärm
machen. Oder zu Action aufrufen. "Fassade zu sauber. Der Vorstand" ist
beim Eingang an die Wand gesprayt.
Eröffnung im Jahr 1981
Das massive Gebäude über dem Rotsee ist von
weither sichtbar. Wer weiss genau, was hinter den Mauern abgeht? Mit
Probenräumen, Punk und Happenings hatte es 1981 begonnen. Der
Anfangselan hat sich ausgetobt, aber die Lust am eigenen Ding hat das
Musikzentrum wach gehalten. Der Sedel ist ein Phänomen. Rundherum
wird über Kulturräume debattiert und um die Geldverteilung
gestritten, werden Kulturzentren eröffnet und wieder geschlossen.
Der Sedel hockt auf dem Hügel und zuckt belustigt mit den Achseln.
Was die für Probleme haben. Er macht einfach. Es tut in ihm. Und
die Buchhaltung schreibt - bei einem Umsatz von 300 000 bis 400 000
Franken - schwarze Zahlen.
Wie zum Teufel geht das? "Wenig Bürokratie,
unkomplizierte Abläufe", sagt Bar-Chef Boris Rossi,
langjähriger Aktivist in der Boa. Er ist inzwischen Vater einer
kleinen Tochter, die munter durch die langen Gänge trippelt. Boris
sorgt seit sieben Jahren dafür, dass der Beizenbetrieb läuft
und die Einnahmen stimmen. Da ist auch Nicole Odermatt, "Mutter" von
300 Musikern, die im Sedel proben. Sie koordiniert die Vermietungen.
Die Probenräume sind das Kerngeschäft des Sedels. Adi
Albisser kümmert sich als Präsident der
Interessengemeinschaft Luzerner Musikerinnen und Musiker (ILM) mit drei
weiteren Vorstandsmitgliedern um die Organisation des Zentrums. "Wir
haben Regeln, aber wir lassen die Leute weitestgehend machen. Die
Freiheit in diesem Haus ist ein tragendes Element, dass es
funktioniert."
Bis zu acht Untermieter pro Zelle
Nicole Odermatt öffnet die Gittertüre, die das
Treppenhaus vom ersten Stock trennt. Wände und Decken sind bunt
bemalt. Wir streifen durch die ehemaligen Knastkorridore, klopfen an
Zellentüren, gucken in der Piano-Bar und im Club vorbei, steigen
in den Keller, wo manchmal Elektro-Partys abgehen, treten in den wilden
Garten hinter dem Gebäude. Es rauscht in den Baumkronen, der
Rotsee zu Füssen, bald wird hier wieder gegrillt. Ab und zu trifft
man Musiker in den Gängen, begrüsst sich, tauscht kurz ein
paar Worte aus. Nicole kennt längst nicht alle, die hier proben.
Wie sollte sie. Die 54 Räume sind alle mehrfach belegt und oft bis
zu sieben- und achtmal untervermietet. "Hier proben weit über 100
Bands. Die Warteliste ist lang. Wir könnten sofort 20 weitere
Räume mehrfach vergeben."
50 Franken kostet eine Einzelzelle pro Monat. Vielfach
sind zwei oder drei Zellen zusammengelegt, das verdoppelt oder
verdreifacht die immer noch bescheidene Miete. "Es ist einfach geil
hier, der echte Burner", grinst DJ Flat Diaz, der im zweiten Stock bei
seinem Kumpel Onomaac auf Besuch ist. Onomaac ist ein Rapper, er
schreibt Texte, sein Bruder Probiber sorgt für die Beats. Zurzeit
tüftelt er an der CD, die sie aufnehmen wollen. "Wo kann man sonst
einen Raum bieten, in dem man noch laut Sound machen kann? Du bist
willkommen hier, triffst andere Musiker, es entstehen neue Projekte. So
etwas ist unbezahlbar."
Im Dachstock knallen die Farben von Decken und
Wänden. Sämi Hofmann, Maler und Schlagzeuger, steht mit der
Bierbüchse in der Hand vor seinen Bildern und entschuldigt sich
mit einem allwissenden Lächeln für die Unordnung.
Überall Farben, Utensilien, Krims und Krams. Hier oben arbeitet
seit gut 20 Jahren auch Gössi, Sänger der Punk-Band Moped
Läds und Gestalter von legendären Plakaten. Gössi ist
ein Urgestein des Sedels und Symbolfigur für die unbekümmerte
Do-it-yourself-Haltung, die den Sedel in der Frühzeit geprägt
hat. Do it. Mach einfach.
Der Geist lebt weiter
Was hat sich geändert? Nicht viel, sagt Gössi.
"Das ist ja das Wunderbare." Null Konkurrenzdenken, man helfe sich aus,
unterstütze sich. "Es gibt im Sedel einfach immer wieder Leute,
die etwas anpacken und sich den Arsch aufreissen, egal, welchen Support
sie haben. Solange das geschieht, wird es auch diesen Sedel-Geist
geben."
Später steigen die Kerle von The Bonkers die Treppen
hoch, verschwinden in der Zelle, stecken die Gitarren ein. Es ist 21
Uhr. Jetzt wird gerockt.
Bilder: Mehr Impressionen vom Sedel auf www.zisch.ch/bilder
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Sedel
Vom Knast zum Musikzentrum
1838 übernahm der Kanton Luzern den Sedelhof vom
Zisterzienserinnenkloster Rathausen, sozusagen als Entschädigung
für Steuerschulden. Ab 1887 diente die Liegenschaft als
Zwangsarbeitsanstalt. 1887 wurde ein Neubau für männliche
Zwangsarbeiter - darunter sind in erster Linie Personen mit
Alkoholproblem und "liederlichem Lebenswandel" - erstellt. Das heutige
Sedel-Gebäude wurde 1932 als Strafanstalt gebaut und 1971
geschlossen. Unter dem Druck der Jugendunruhen in Zürich und Basel
einigten sich die Behörden, den Sedel für Probenräume
von jungen Bands zu öffnen. Ab dem 15. April 1981 übernahm
die Interessengemeinschaft Luzerner Musikerinnen und Musiker (ILM) die
Verwaltung des Sedels.
Ein Vorzeigemodell
Der Betrieb des Musikzentrums Sedel kommt ohne
Subventionen aus, wird aber indirekt unterstützt: Die ILM zahlt
der Stadt Luzern lediglich eine symbolische Miete. Die Stadt
übernimmt auch die Nebenkosten. Alles andere wird selber
finanziert (Einnahmen Vermietung und Clubbetrieb).
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ATTAC GE
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Tribune de Genève 22.5.10
Attac lève son moratoire sur les manifs
Xavier Lafargue
L'association tenait son assemblée
générale jeudi.
La section genevoise d'Attacadécidé jeudi
soir, à l'unanimité de la poignée de membres
présents, de lever son moratoire sur les manifestations.
L'Association pour une taxation des transactions financières et
pour l'action citoyenne s'était retirée de toute
organisation de manifs, suite à celle contre l'OMC qui avait
dégénéré, le 29 novembre
dernier.
"Les actes de violence perpétrés par un
groupe de 200 casseurs environ nous avaient fait perdre toute
crédibilité, rappelle Gérard Scheller, membre du
comité d'Attac. J'ai aussi trouvé cela très
frustrant, après les nombreuses séances de
préparation. Ce moratoire traduisait notre volonté de
nous éloigner de ce genre de manifs. "
Jeudi soir, l'assemblée l'a levé. "Organiser
des débats, c'est bien, mais il est important que nous puissions
défiler et nous exprimer dans la rue", ont souligné
plusieurs membres.
"Désormais, nous serons plus fermes par rapport aux
divers groupements avec lesquels nous organisons les manifs,
précise Gérard Scheller. Nous estimons avoir
été trompés par certains groupes autonomes, qui
n'ont pas respecté les accords auxquels nous étions
parvenus afin de manifester de façon non violente. "
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AUSSCHAFFUNG
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NZZ 22.5.10
Wiederaufnahme von Sonderflügen
Abgewiesene Asylbewerber aus Nigeria werden vorläufig
bloss in Drittstaaten zurückgeführt
Der Stopp für Sonderflüge, mit denen abgewiesene
Asylbewerber mit Zwangsmassnahmen in ihre Heimat
zurückgeführt werden, wird aufgehoben.
Marcel Gyr
Was sich im Laufe der Woche abzeichnete, hat das Bundesamt
für Migration (BfM) am Freitag bestätigt. Sonderflüge,
mit denen besonders renitente Ausschaffungshäftlinge in ihr
Heimatland zurückgeführt werden, sollen wieder aufgenommen
werden. Amtsdirektor Alard du Bois-Reymond verfügte Mitte
März einen vorübergehenden Stopp derartiger Sonderflüge,
nachdem ein 29-jähriger Nigerianer auf dem Flughafen Zürich
gestorben war.
Zahl der Gesuche vervielfacht
Ursprünglich war vorgesehen gewesen, das
gerichtsmedizinische Gutachten über die Todesursache abzuwarten.
Weil der Schlussbericht nach wie vor aussteht, ist das BfM aber nun auf
die Forderung der Kantone eingegangen. Diese mussten zuletzt zunehmend
Ausschaffungshäftlinge entlassen. Die Wiederaufnahme der
Sonderflüge gilt nicht für Nigeria. Auch nach einem Besuch
von Urs von Arb, dem Chef Rückkehr im BfM, im
bevölkerungsreichsten Land Afrikas konnte keine Einwilligung
erreicht werden (NZZ 20. 5. 10). Nigeria nimmt vorläufig nur
Landsleute auf, die freiwillig zurückkehren.
Hingegen sollen nigerianische Asylbewerber, auf deren
Gesuch nicht eingetreten oder deren Gesuch abgelehnt wurde, in einen
Drittstaat zurückgeführt werden. Dank dem Informationssystem
des elektronischen Fingerabdrucks, das im Dublin-Abkommen geregelt ist,
kann ausfindig gemacht werden, ob ein Asylbewerber bereits in einem
Drittstaat ein Gesuch gestellt hat. Dieser Drittstaat ist verpflichtet,
den Asylsuchenden zurückzunehmen. Gemäss Angaben des BfM sind
von dieser neuen Regelung rund zwei Drittel aller
zurückzuführenden Nigerianer betroffen; beim Drittstaat
handelt es sich zumeist um Italien.
In der Schweiz stellten im letzten Jahr Personen aus
Nigeria die grösste Gruppe von Asylbewerbern. Ihre Zahl nahm
innerhalb von drei Jahren um ein Vielfaches auf 1786 zu. Das ist umso
bemerkenswerter, als 2009 in einem einzigen Fall Asyl gewährt
wurde. Auf die grosse Mehrheit der Gesuche, nämlich 95 Prozent,
wurde gar nicht eingetreten. Derzeit eruiert eine Task-Force die
Gründe für dieses Missverhältnis. Bei den nigerianischen
Asylbewerbern handelt es sich vorwiegend um junge Männer; Frauen
oder Familien hingegen sind kaum darunter. Als Sofortmassnahme will das
BfM bei den Sonderflügen die medizinische Versorgung verbessern.
So sollen bei jedem Sonderflug ein Arzt und ein Rettungssanitäter
zugegen sein. Der verstorbene Nigerianer war zum Todeszeitpunkt an
Händen und Füssen gefesselt, zudem trug er eine Haube,
ähnlich jener von Bienenzüchtern.
Hilfe aus Nigeria?
Anfang nächsten Jahres sollen bei Sonderflügen
unabhängige Beobachter eingesetzt werden. Das BfM hat zudem
angeregt, Beamte aus Nigeria beizuziehen. Dadurch erhofft man sich
nicht zuletzt weniger Gegenwehr der Zurückzuführenden. Im
vergangenen Jahr wurden 43 Sonderflüge durchgeführt, 5 davon
nach Nigeria. Weitere Destinationen sind unter anderen Gambia,
Kongo-Kinshasa, Georgien oder Kosovo.
--
Gegen EU-konforme Ausschaffungshaft
Kommission hält an 2 Jahren fest
C. W. ⋅ Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats
hat die Anpassung des Ausländer- und des Asylgesetzes an die
Rückführungs-Richtlinie der EU als Ganzes mit 17 zu 8 Stimmen
gutgeheissen. Mit 17 zu 9 Stimmen hat sie es dabei aber abgelehnt, die
gesamte Dauer der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft
von maximal 24 auf 18 Monate zu verkürzen.
Die Mehrheit sieht laut Mitteilung keinen Grund, eine
Bestimmung zu ändern, die vom Volk angenommen wurde und erst seit
2007 in Kraft ist. Für alle anderen Anpassungen und Revisionen des
Ausländerrechts gilt dieses Argument offenbar nicht. Die
Kommissionsmehrheit scheint beim Stichwort "Ausschaffung" Härte
und Souveränität demonstrieren zu wollen. Die konkrete
Bedeutung des Streitpunkts ist gering, da nach offiziellen Angaben die
Haft 2007 und 2008 in weniger als einem Prozent der Fälle
länger als 18 Monate dauerte.
Die Schweiz hat sich gegenüber der EU vertraglich
verpflichtet, einschlägige Änderungen des Schengen-Rechts zu
übernehmen. Lehnt sie dies ab und wird im Gemischten Ausschuss
nicht innert 90 Tagen eine einvernehmliche Lösung gefunden, so
fällt das Schengen-Abkommen automatisch dahin. An der gleichen
Sitzung lehnte die Kommission übrigens einen SVP-Vorstoss ab,
wonach neuere Bundesgesetze Vorrang vor einem Staatsvertrag haben
sollten.
Der gleiche Erlass enthält Regelungen zum
Dublin-Verfahren (Rückweisung Asylsuchender in einen anderen
europäischen Staat). Einerseits wird das effektive Beschwerderecht
gewährleistet, anderseits werden neue Gründe für die
Ausschaffungshaft eingeführt.
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NLZ 22.5.10
Ausschaffungshäftlinge
Sonderflugzeuge fliegen wieder
sda. Die Sonderflugzeuge für Zwangsausschaffungen aus
der Schweiz heben bald wieder ab. Das Bundesamt für Migration will
die Flüge wieder aufnehmen, nachdem sie nach dem Tod eines
nigerianischen Ausschaffungshäftlings während zweier Monaten
gestoppt waren. Gemeinsam mit den Kantonen habe der Bund
Sofortmassnahmen beschlossen, damit sich der Ablauf der Flüge
verbessere, teilte das Bundesamt gestern mit. Dazu gehört, dass
künftig für jeden Sonderflug ein Arzt und ein
Rettungssanitäter aufgeboten werden.
Auch die staatspolitische Kommission des Nationalrats
befasste sich gestern mit der Ausschaffungshaft: Sie widersetzt sich
dem Ständerat und lehnt es ab, die Höchstdauer der
Ausschaffungshaft von 24 auf 18 Monate zu senken. Es gebe keinen Grund,
eine Bestimmung zu ändern, die in einer Volksabstimmung angenommen
worden sei.
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EVA HERMAN
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Bund 25.5.10
Der tiefe Fall der Eva Herman
Sie war Deutschlands beliebteste Moderatorin. Dann schrieb
sie gegen die Emanzipation an - und wurde beschuldigt, mit Ideen der
Nazis zu sympathisieren. Ihr neues Buch beschreibt ihren Weg zur
Unperson.
Bettina Weber
Als Eva Herman am 6. September 2007 in Berlin ihr Buch
"Das Arche-Noah-Prinzip" vorstellte, ging es darum, dass Kinder ihre
Mutter brauchten und es unverantwortlich, ja, katastrophal für
ihre Entwicklung sei, sie in Krippen zu geben. Hermann beklagte die
mangelnde Wertschätzung von Müttern und gleichzeitig den
Selbstverwirklichungswahn der berufstätigen Frauen mit Kindern,
die diesen mit der Fremdbetreuung Schlimmes antäten. Dann machte
sie in diesem Zusammenhang einen etwas komplizierten Relativsatz zum
Nationalsozialismus sowie zu den Achtundsechzigern. Und weil dieser
Satz vom "Hamburger Abendblatt" verkürzt zitiert wurde, hiess es
danach, Eva Herman verherrliche die Familienpolitik des Dritten Reiches.
Das hätte zwar gut ins Bild gepasst, da Herman
bereits mit dem 2006 erschienenen Buch "Das Eva-Prinzip" heftige
Entrüstungsstürme ausgelöst hatte. Sie galt als
reaktionär mit ihrer Forderung, Frauen sollten ihrer
natürlichen Bestimmung gemäss zu Hause bei ihren Kindern
bleiben - gleichzeitig aber auch als nicht ganz glaubwürdig, zumal
sie selbst bis zur Geburt ihres Sohnes mit 35 Jahren Karriere gemacht
hatte.
Der Fall ins Bodenlose
Schon damals hatte sie allerdings geschrieben, dass es
eben gerade die Nazis gewesen seien, die den Grundstein für den
heutigen Zerfall der Familien gelegt hätten. Das interessierte im
medialen Geschrei aber niemanden. Es begann eine Hexenjagd. Herman
verlor ihren Job beim NDR, wo sie 20 Jahre lang tätig gewesen war,
man nannte sie öffentlich "Eva Braun", Freunde gingen auf Distanz,
und selbst ihre Bank kündigte ihr das Konto, mit der
Begründung, sie hätte es um 250 Euro überzogen.
In ihrem neuen Buch "Die Wahrheit und ihr Preis"
beschreibt sie nun ihren Fall ins Bodenlose. Kein angesehener Verlag
mochte es veröffentlichen; erschienen ist es jetzt beim
Kopp-Verlag, gemäss Eigenreklame einem "Verlag und Fachbuchversand
für Enthüllungsliteratur, Verschwörungen,
unterdrückte Informationen und Erfindungen und
Geheimgesellschaften".
Das Buch liest sich in der ersten Hälfte über
weite Strecken als ziemlich schwülstige Abhandlung ihrer
anti-emanzipatorischen Theorien. Feministinnen bezeichnet Herman als
"Bräute des Teufels" und Gender Mainstreaming ist für sie
"das grösste und gefährlichste Umerziehungsprogramm der
Menschheit". Sie unterstellt Alice Schwarzer, ein vernachlässigtes
Kind gewesen zu sein, das nun als Erwachsene allen anderen Kindern auch
keine Geborgenheit gönnen möge und deshalb die Krippen
befürworte. Das ist dumm. Auch befremden Sätze wie "Der
Erwerbswahn, der kleine Kinder von ihren Müttern trennt, der
Familien zerstört, der die Liebe tötet, er macht aus Menschen
Monster!" doch sehr. Oder: "Die Gleichstellung der Frau, die zum
Grundgerüst des Sozialismus und Kommunismus gehört, hat in
den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Gesellschaften an den
Rand des Zusammenbruchs geführt."
Mit Ironie geschrieben
Im zweiten Teil beschreibt sie auf beinahe 100 Seiten
minutiös den Ablauf jener Sendung, die in die Fernsehgeschichte
Deutschlands eingegangen ist: Einen Monat nach der
verhängnisvollen Buchpräsentation wirft Moderator Johannes B.
Kerner vor laufender Kamera Eva Herman aus der Sendung. Dieser Teil
liest sich, trotz einiger verbaler Entgleisungen, gut: Er ist
amüsant und mit überraschend viel Ironie geschrieben.
So wenig man mit der Weltanschauung der Eva Herman einig
sein mag: Was sie in ihrem Buch berichtet und teilweise auch mit
Beweisen untermauern kann - sie hat gegen mehrere deutsche Titel
geklagt und jedes Mal recht bekommen -, stellt der deutschen Presse ein
miserables Zeugnis aus. Um sich verteidigen zu können, brauchte
sie beispielsweise die Aufnahmen der Buchpräsentation; die
Herausgabe sei ihr, so schreibt sie, von allen Fernsehsendern, die vor
Ort gewesen waren, verweigert worden. Als sie nach zwei Wochen im
Internet endlich fündig wurde und alle Anschuldigungen widerlegen
konnte, druckte die "Bild am Sonntag" die Richtigstellung zwar ab, aber
da war der Schaden längst angerichtet.
Dass der Vorwurf, sie vertrete braunes Gedankengut, falsch
war, wusste auch Johannes B. Kerner. Die Originalversion des
verhängnisvollen Satzes habe ihm vorgelegen, schreibt Herman,
genauso die Analyse eines Sprachwissenschaftlers, der bestätigte,
dass sie damals mitnichten im positiven Sinn Bezug auf die Nazis
genommen hatte. Kerner interessierte sich nicht dafür. Seine
Sendung war als Tribunal geplant, als eigentliche Inquisition. Er
wollte eine Entschuldigung von Herman, eine reuige Sünderin, die
öffentlich um Vergebung fleht. Herman weigerte sich, versuchte
richtigzustellen, was es richtigzustellen gab, Kerner hörte gar
nicht zu. Zum Schluss warf er ihr noch vor, den Begriff
"Gleichschaltung der Presse" benutzt zu haben, was eindeutig
Nazivokabular sei. Herman erwiderte, dass sich der Begriff doch
längst im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert habe und
man ja auch auf Autobahnen fahre, die damals gebaut worden seien.
Darauf fordert Kerner Eva Herman auf, das Studio zu verlassen.
Und wieder wird sie falsch zitiert. Deutschlands
grösste Nachrichtenagentur, die DPA, formuliert den Satz so: "Wenn
man nicht über die Familienwerte der Nazis sprechen darf, kann man
auch nicht über die Autobahnen sprechen, die damals gebaut worden
waren." Alle übernehmen den nachweislich falschen Satz, von "Bild"
bis zu "Spiegel", und alle sind sich einig: Eva Herman sympathisiert
definitiv mit dem Nazitum. Sie ist endgültig erledigt.
Der eigentliche Skandal
Weil dieser Vorwurf, besonders in Deutschland, noch immer
und sehr verlässlich tödlich ist, arbeitet die
51-Jährige, in vierter Ehe verheiratete Mutter eines Sohnes heute
als freischaffende Publizistin. Im Vorwort ihres Buches schreibt sie,
es gehe ihr nicht um "kalte Rache". Rachsüchtig wirkt es auch
nicht, selbst wenn sie gegen zahlreiche bekannte Journalisten Spitzen
lanciert und sich mitunter im Ton vergreift.
Es ist vielmehr der nachvollziehbare Versuch einer tief
gefallenen Frau, die Öffentlichkeit dazu zu bringen, sich ihre,
die richtige Version der Geschichte anzuhören. Und ja, ihre
anti-emanzipatorische Mission nimmt bisweilen sektenhafte Züge an,
und ja, sie hat einen Hang zu Verschwörungstheorien und sieht sich
in der Rolle der Märtyrerin, die man mit der Nazikeule mundtot
gemacht hat, weil sie nicht dem Zeitgeist entsprechende Ansichten
vertritt. Dennoch bleibt das unangenehme Gefühl, dass sie nicht
ganz unrecht hat damit. Das ist der eigentliche Skandal, nicht ihre
gestrig anmutenden Theorien. Entschuldigt habe sich bis heute niemand
bei ihr. Die deutsche Presse schweigt "Die Wahrheit und ihr Preis"
mehrheitlich tot. Nur die FAZ schrieb: "All jene, die sich für
Medien interessieren oder selbst in ihnen arbeiten, sollten dieses Buch
lesen."
Eva Herman: Die Wahrheit und ihr Preis. Meinung, Macht und
Medien. Kopp-Verlag, Rottenburg 2010. 281 S., ca. 35 Fr.
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HOMOHASS
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Tagesanzeiger 25.5.10
Neonazis verhindern Gay Pride Parade in der Slowakei
Es sollte ein deutliches Lebenszeichen der Homosexuellen
im Osten Europas werden - die erste Regenbogenparade in der Slowakei.
Doch was in den meisten europäischen Ländern schon fester
Bestandteil des kulturellen Lebens ist, endete am Samstag in Bratislava
mit blutigen Köpfen und Verhaftungen.
Obwohl die Gay Pride Parade der Schwulen- und
Lesbenbewegung mehrere Wochen lang angekündigt und vorbereitet
worden war, konnte die slowakische Polizei die rund 500 Teilnehmer
nicht vor den verbalen und tätlichen Angriffen von 80 Neonazis
schützen. Der Umzug durch die Innenstadt musste abgesagt werden,
die Kundgebung fand schliesslich auf einem Areal ausserhalb der
Innenstadt jenseits der Donau statt.
Gleich zu Beginn der Parade auf dem Hviezdoslav-Platz im
Zentrum der slowakischen Hauptstadt versuchten Anhänger der
rechtsextremen Slowakischen Gemeinschaft die Veranstaltung zu sprengen.
Sie warfen Steine und Eier auf die Bühne, auf der unter anderem
die EU-Abgeordneten Ulrike Lunacek (Österreich) und Marije
Cornelissen (Niederlande) kurze Reden hielten.
Die Extremisten trugen ein Transparent mit der Forderung:
"Für die traditionelle Familie! Gegen Perverse!" und dem Logo
einer neuen Partei, die bei den Parlamentswahlen am 12. Juni
kandidieren wird. Zwei junge Männer mit Regenbogenfahnen wurden
attackiert und blutig geschlagen. Als eine Tränengasgranate in der
Menge explodierte, musste die Regenbogenparade durch die Innenstadt
kurzfristig abgesagt werden.
Weitere Übergriffe der Rechtsextremen wurden durch
Spezialeinheiten der Polizei verhindert, die mehrere Rechtsextremisten
verhaftete. Homosexuellen-Aktivistin Lunacek kritisierte dennoch in
einer österreichischen Zeitung, dass die slowakische Polizei die
Sicherheit der Paradeteilnehmer nicht garantieren konnte. Scharfe
Kritik an der geplanten Regenbogenparade war in den vergangenen Wochen
von der katholischen Kirche und von der nationalistischen
Regierungspartei SNS (Slowakische Nationalpartei) gekommen. SNS-Chef
Jan Slota hatte ein Verbot der Parade gefordert und angekündigt,
er werde persönlich auf die Strasse gehen, um "auf die Teilnehmer
zu spucken".
Keine Partei im Parlament wollte die Parade gegenüber
den Angriffen verteidigen. Der Chefkommentator der liberalen
Tageszeitung "Sme" schrieb deshalb von einem "Tag der Schande" für
die Slowakei: Beim Schutz von Minderheiten habe der Staat
jämmerlich versagt.
Bernhard Odehnal, Wien
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queer.de 22.5.10
Bratislava: Erster CSD von Gegenprotesten erschüttert
Die CSD-Demo muss abgesagt werden, nachdem Rechtsextreme Steine
und Tränengas einsetzen. Am Nachmittag transportiert die Polizei
die CSD-Teilnehmer von einer Kundgebung zu einem Partyboot.
Von Norbert Blech
Die erste CSD-Demo in der Geschichte der Slowakei, die
"Regenbogenparade" durch die Innenstadt der Hauptstadt Bratislava
musste am Samstag in letzter Sekunde abgesagt werden, nachdem
Gegendemonstranten die Versammlung mit Gewalt störten und
Neonazis, größtenteils von der "slowakischen Volkspartei",
in der ganzen Innenstadt gesichtet worden waren.
Eigentlich wollten sich die 500 bis 1000 Teilnehmer des
"Dúhový Pride" auf einen mindestens einstündigen
Marsch durch die Innenstadt begeben. Nachdem die Polizei die
Veranstalter gewarnt hatten, dass sie nicht für die Sicherheit der
Teilnehmer garantieren könne, sagten die Veranstalter die
Demonstration ab. Stattdessen kam es direkt zu der Abschlusskundgebung
am Hviedzoslavovo-Platz.
Unter Zwischenrufen von rund 80 Gegendemonstranten gab es Musik
und Redebeiträge, die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek
aus Österreich wurde bei ihrer Ansprache mit kleinen Steinen und
Eiern beworfen. Ein Gegendemonstrant hatte sich offenbar unter die
CSD-Teilnehmer mischen können. "Er hat mich aber nicht getroffen",
sagte Lunacek dem Standard. Sie war zusammen mit ihrer
niederländischen Kollegin Marije Cornelissen nach Bratislava
gereist.
Die Polizei tat sich Medienberichten zufolge schwer damit, die
Lage unter Kontrolle zu halten. Der deutsche Grünenpolitiker
Volker Beck kritisierte das Vorgehen der Behörden bereits kurz
nach Eintreffen der ersten Meldungen: "Die Polizei in Bratislava ist
offenkundig völlig überfordert. Es war ein Fehler, die
Gegendemonstranten so nah an die Regenbogenparade zu lassen. Dabei war
von vornherein absehbar, dass die Neo-Nazis die Strategie verfolgen,
die Parade durch Gewalt zu sprengen." Die Verantwortlichen nähmen
die Eskalation offenbar bewusst in Kauf.
Einer der CSD-Organisatoren, Peter Weisenbacher, kritisierte,
die Polizei habe im Vorfeld nicht genügend abgesperrt. Aufgrund
der großen Präsenz von Neonazis sei damit keine
Möglichkeit mehr vorhanden, durch die Innenstadt zu ziehen. Allein
auf dem Platz hatten die Polizisten alle Hände damit zu tun, die
Veranstaltung zu schützen, Gegendemonstranten setzten sogar
Tränengas ein. Mindestens vier Personen wurden am Rande der
CSD-Veranstaltung festgenommen.
Auch in der Nähe kam es zu einem Übergriff:
Rechtsradikale hatten des Haupt-Geschehens Personen in der Innenstadt
angegriffen, die sie anhand einer Regenbogenflagge auf einer Tasche als
schwul identifizierten. Ein Jugendlicher soll Verletzungen am Kopf
davon getragen haben, auch Personen, die eingegriffen hätten,
seien verletzt worden, einer davon ebenfalls am Kopf. Dem
blutüberstömten Jugendlichen sei auch eine Digitalkamera
gestohlen worden.
(Fortsetzung nach Anzeige und Video)
Polizei erkämpft den Weg zum Partyschiff
Um 17 Uhr und damit eine Stunde früher als geplant begann
die Polizei damit, die Teilnehmer der Kundgebung vom
Hviedzoslavovo-Platz zum Ort der Abschlussparty auf einem Schiff an der
Donau zu eskortieren.
Die Demonstranten bekamen damit doch noch eine Art CSD-Parade:
nach einem Bericht des Portals Cas.SK grüßten die Teilnehmer
die Menschen am Straßenrand, einige grüßten
zurück.
Um diesen Marsch zu ermöglichen, musste die Polizei zuvor
eine Brücke von Gegendemonstranten räumen. Auch hier warfen
Rechtsradikale Steine und Tränengas, einige Polizisten und
Demonstranten wurden verletzt, rund 20 Menschen wurden festgenommen.
Zum Schluss hatte die Polizei den Weg mit Schlagstöcken
freigeräumt.
Nun entspannte sich offenbar die Lage: "Die Demo hat das
Partyschiff erreicht. Man versammelt sich vor dem Schiff. Überall
Polizei, keine Gegendemonstranten mehr zu sehen", berichtet ein
deutscher Besucher von einem Schiff aus gegenüber Queer.de.
Die Zeitung "SME" kommentiert am Abend, der Tag habe ein
"doppeltes Versagen" gezeigt: Zum einen brächte die Gesellschaft
Menschen hervor, die anderen mit Gewalt ihre Meinung aufdrücken
wollten. "Man kann zwar argumentieren: Primitive gibt es überall.
Aber in der Slowakei addiert sich das zweite Versagen: das des
Staates". Was hätten die Veranstalter denn noch mehr machen
sollen, um einen akzeptablen Polizeischutz zu bekommen, fragt der
Kommentator Lukáš Fila. Egal was man von Homosexualität
halte, jeder Bürger des Landes müsse die Vorkommnisse
verdammen. Zumindest Scham scheinen die Bürger tatsächlich zu
empfinden: auf die SME-Online-Umfrage, ob Bratislava an dem Tag als
tolerante Hauptstadt oder "Provinzloch" gewirkt habe, antworteten 84
Prozent mit letzterem.
Die Grünenpolitikerin Ulrike Lunacek hält den Tag
trotz allem für erfolgreich: "Auf jeden Fall: die heutige
Kundgebung, das Fest hier am Hauptplatz macht trotz der Bedrohung
vielen Leuten, Mut. Und es ist ein erster Sieg, dass es überhaupt
stattfindet", schreibt sie in ihrem Blog.
Der Chef der slowakischen Nationalpartei (SNS), Ján
Slota, veröffentlichte am Nachmittag hingegen eine
Presseerklärung, in der er den CSD kritisierte. "Wir glauben, dass
Sexualität nicht in die Öffentlichkeit gehört", so der
Politiker. Die Demonstranten hätten nicht nur moralische Werte in
Gefahr gebracht, sondern hätten Gewalt provoziert und enorme
Kosten für die Polizei verursacht.
Heftig umstrittener CSD
Bereits im Vorfeld hatte es Proteste gegen den ersten CSD der
Slowakei gegeben. Gerade Ján Slota hatte vor einer
"gesellschaftlich inakzeptablen" Demonstration von Schwulen und Lesben
in Bratislava gewarnt und gedroht: "Ich werde persönlich kommen,
um sie anzuspucken" (queer.de berichtete). Der Chef der kleinen Partei,
die mit den Sozialdemokraten von Premier Robert Ficos reagiert, hatte
zuvor Schwule mehrfach als "Schmutz" bezeichnet.
Es gab im Vorfeld aber auch Unterstützung. Die
Europäische Kommission und 16 Botschaften, darunter die Deutsche,
verschickten am Freitag eine solidarische Presseerklärung, einige
EU-Botschaften wurden Sponsor der Veranstaltung. Homo-Aktivisten aus
ganz Europa sowie Amnesty International unterstützten den CSD vor
Ort.
Gleichgeschlechtlicher Sex ist (in der Tschechoslowakei) seit
1962 erlaubt und seit 1990 gibt es das gleiche Schutzalter wie für
Heterosexuelle. Während das liberalere Tschechien inzwischen
Eingetragene Lebenspartnerschaften kennt, gibt es im Nachbarland
weiterhin keine Pläne zur Anerkennung von gleichgeschlechtlichen
Partnern. Durch EU-Richtlinien sind allerdings
Antidiskriminierungsgesetze in Kraft.
Links zum Thema:
Webseite des CSD Bratislava
http://www.duhovypride.sk/en/
Videos:
http://www.youtube.com/watch?v=A77RykCDjWo
(02:06) Unkommentierte Originalbilder einer slowakischen
Nachrichtenagentur, die auf den meisten slowakischen Portalen
verbreitet wurde
http://www.sme.sk/c/5387857/duhova-bratislava-tolerantne-mesto-ci-provincna-diera.html
Bilder des Tages vom Portal sme.sk
http://www.youtube.com/watch?v=A8wTcGPpv9I
(01:59) Videobilder der Gegendemonstration am
Hviedzoslavovo-Platz
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INTIFADA
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Bund 22.5.10
"Schweizer sollten keine Datteln mehr kaufen"
Eine junge Generation von Palästinensern setzt auf
gewaltlosen Widerstand. Der Boykott israelischer Exportgüter ist
eine der Methoden der sogenannten weissen Intifada, sagen die beiden
Aktivistinnen Hind Awwad und Basma Fahoum.
Interview: Claudia Kühner
Eine neue Widerstandsform macht als "weisse Intifada" von
sich reden. Was genau heisst das?
Hind Awwad: Es ist eine Form von gewaltlosem Widerstand.
Den gibt es aber seit Jahrzehnten, auch wenn man immer nur von
Gewalttaten gehört hat.
Was sind die Methoden?
Hind Awwad: In Israel gedenken die Araber seit Jahren der
Zerstörung von 500 ihrer Dörfer in den Jahren 1948/49. Und in
der Westbank gibt es regelmässig Demonstrationen und Boykotte.
Wer boykottiert was?
Hind Awwad: In Israel selber wie in den besetzten Gebieten
werden die Produkte von Firmen boykottiert, die hier aktiv sind, auch
internationale Unternehmen. Ein grosser Teil der Zivilgesellschaft
macht mit, soweit es irgendwie geht.
Sie sind doch völlig abhängig von der
israelischen Wirtschaft und von internationalen Firmen.
Basma Fahoum: Das ist richtig. Ich kann kein Konto
führen, ohne dass die Bank profitiert. Wir setzen uns aber
dafür ein, dass die internationale Zivilgesellschaft entsprechende
Firmen boykottiert. Schweizer sollten zum Beispiel aufhören,
Datteln aus Israel zu kaufen.
Wie sollen Konsumenten unterscheiden, welche Produkte aus
Israel, aus Siedlungen oder von palästinensischen Produzenten
stammen, die man ja nicht boykottieren will?
Basma Fahoum: Fast alles ist israelischen Ursprungs. Und
fast jede israelische Firma hat in der einen oder anderen Weise auch
mit den besetzten Gebieten zu tun.
Hind Awwad: Es geht nicht so sehr um solche
Unterscheidungen. Israel als Besetzer ist als Ganzes schuldig. Die
Mehrheit der Palästinenser weiss, dass ein Boykott auch für
sie einen Preis hat.
Was halten Sie von Ministerpräsident Fayyads Plan,
zivile Strukturen aufzubauen und in Bälde einen Staat auszurufen?
Hind Awwad: Wir Palästinenser müssen auf drei
Grundrechten beharren - dem Ende der Besetzung inklusive Räumung
der Siedlungen, der Gleichberechtigung aller Palästinenser in
Israel selber und dem Recht auf Rückkehr der Flüchtlinge
gemäss der UNO-Resolution von 1948. Fayyads Plan sieht nichts von
alle dem vor. Nicht seine politische Vorstellung ist wichtig, unsere
Rechte sind es.
Wie viel Unterstützung hat er in der
palästinensischen Gesellschaft?
Hind Awwad: Keine. Er ist nicht gewählt, er ist als
Ministerpräsident der Autonomiebehörde eingesetzt und
finanziert vom Nahostquartett, von den USA. Der Westen sollte ihm keine
Legitimität verschaffen, welche auch immer.
Wer würde bei freien Wahlen denn gewählt? Etwa
der im Gefängnis sitzende Fatah-Führer Marwan Barghouti?
Hind Awwad: Wir würden uns für einen
Volksaufstand entscheiden, nicht für eine Figur.
Basma Fahoum, Sie kämpfen für Gleichberechtigung
als Israeli, aber auch für die Menschen in den besetzten Gebieten.
Basma Fahoum: Ich bin in einer schwierigen Position. Wir
israelischen Palästinenser sehen uns als Teil des
palästinensischen Volkes. Drohen israelische Politiker zum
Beispiel mit "Transfer" der Menschen aus den besetzten Gebieten,
berührt das auch uns.
Können Sie die Wirkung Ihres ökonomischen
Kampfes beziffern?
Natürlich gibt Israel keine Zahlen heraus. Wir wissen
aber, dass zum Beispiel in Grossbritannien kaum noch israelische
Produkte gekauft werden. Während des Gaza-Kriegs meldeten
israelische Farmer einen Verkaufsrückgang um 20 Prozent. Immer
mehr Universitäten, Kirchen, Gewerkschaften, NGOs folgen dem
Boykottaufruf. Massgebliche israelische Politiker und Militärs
bezeichnen die internationale Boykottbewegung inzwischen als
strategische Bedrohung. Unsere Kampagne bewegt also etwas.
Divestment ist ein weiteres Stichwort: Ein wichtiger
norwegischer Pensionsfonds hat seine Investitionen in Israel
abgestossen. Kennen Sie noch andere Beispiele?
Hind Awwad: Es gibt eine Reihe ähnlicher Aktionen,
vor allem in Skandinavien. Im restlichen Europa herrscht aber noch
weitgehend die Furcht, als antisemitisch angeprangert zu werden, weil
man nicht unterscheidet zwischen Judenhass und Kritik an der Besetzung.
Und in Amerika?
Privatuniversitäten sind sehr aktiv. Das israelische
Aussenministerium will keine offiziellen Abgesandten mehr dorthin
entsenden, weil sie dauernd von Studenten unterbrochen werden. Die
offizielle Politik sieht düster aus. Aber an der Basis tut sich
einiges.
Was wissen Sie über die Schweiz?
Basmah Fahoum: Es gibt eine enge Zusammenarbeit im
militärischen Sektor.
Hind Awwad: Es scheint sich im öffentlichen
Bewusstsein etwas zu tun, obwohl unsere Kampagne hier noch keine starke
Unterstützung hat. Der Schweiz käme aber besondere
Verantwortung zu als Depositärstaat der 4. Genfer Konvention von
1949, die den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten festhält.
Die OECD nimmt Israel als Mitglied auf, obwohl es auch
hier Diskussionen über die Besetzung gab. Wie sehen Sie das?
Hind Awwad: Das ist schlimm. Denn Israel erfüllt die
Aufnahmekriterien nicht. Zum Beispiel schliessen die Statistiken, die
vorgelegt wurden, auch die besetzten Gebiete mit ein. In Israel selber
besteht punkto Lebensstandard eine grosse Diskrepanz zwischen
jüdischen und arabischen Bürgern. Schon dies alleine
würde eine Mitgliedschaft verbieten.
Basma Fahoum: Fast 40 Prozent der israelischen Araber -
und fast 60 Prozent der arabischen Kinder - leben unter der
Armutsgrenze.
Wie ist die wirtschaftliche Entwicklung in den besetzten
Gebieten? Die Israeli sprechen von Fortschritten, auch Salam Fayyad tut
es. Ramallah ist eine fast florierende Stadt.
Hind Awwad: Ramallah blüht, weil hier die
Palästinensische Autoniomiebehörde sitzt und alles Geld hier
investiert, auch die Gelder, die durch internationale
Entwicklungshilfeorganisationen, unter anderem aus der Schweiz,
hereinströmen. Unter Okkupation kann es aber keine florierende
Wirtschaft geben. Israel hat unsere Landwirtschaft, die Industrie, die
Umwelt zerstört.
Wie sehen Sie die Spaltung der Palästinenser in Hamas
und Fatah?
Hind Awwad: Uns stellt sich die Frage so nicht. Das
Problem sind die Flüchtlinge, die Besetzung. Hamas oder Fatah sind
Teil unseres Volkes.
Realistischerweise wird es aber nie eine Rückkehr von
drei Millionen Palästinensern nach Israel geben.
Hind Awwad: Es geht nicht um drei Millionen. Wir sind
insgesamt zehn Millionen, und 70 Prozent sind Flüchtlinge oder
deren Abkömmlinge. Gemäss Völkerrecht gibt es ein Recht
auf Rückkehr und auf Reparationszahlung. Es ist also nicht die
Frage, ob das praktikabel ist oder nicht.
Basmah Fahoum: Juden aus aller Welt können sich
jederzeit in Israel niederlassen, Palästinenser, die dort lebten,
dürfen das nicht. Gewährt man uns nicht dasselbe Recht, nenne
ich das rassistisch.
--
Neue Formen des Widerstands
Palästinensische Aktivistinnen
Hind Awwad, 22, lebt in Ramallah und hat in den USA
studiert. Sie koordiniert Kampagnen der Nichtregierungsorganisation BDS
(Boykott, Sanktionen, Desinvestition, http://www.bdsmovement.net).
Basma Fahoum, 22, ist israelische Araberin und lebt in Tel
Aviv. Sie ist Aktivistin der NGO Who profits? (http://www.whoprofits.org). Auf
deren Liste von 400 Firmen, die in den besetzten Gebieten aktiv sind,
stehen die Schweizer Unternehmen Liebherr und Von Roll. Beide Frauen
waren dieser Tage auf Einladung des Forums für Menschenrechte in
Israel/Palästina in der Schweiz. (aus)
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GOOGLE
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Sonntag 23.5.10
Datenschützer will Gesetz gegen Google
Hanspeter Thür startet europäische Gegenoffensive
Von Sandro Brotz und Nadja Pastega
Der Internet-Konzern Google hat private Daten aus
Computernetzen gespeichert - jetzt rollt der Widerstand an. Google hat
die umstrittenen Kamerafahrten in der Schweiz gestoppt.
Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter
Thür erhöht den Druck auf den US-Konzern Google. Nach der
gravierenden Datenpanne fordert er in einem Interview mit dem "Sonntag"
ein Google-Gesetz: "Jeder, der mit
persönlichkeitsgefährdenden Applikationen auf den Markt geht,
muss sich zertifizieren lassen. Er muss nachweisen, dass er die
Privatsphäre bestmöglich berücksichtigt."
Internet-Angebote und Applikationen, die eine Gefährdung der
Persönlichkeitsrechte zur Folge haben könnten, müssten
sich einem Genehmigungsverfahren unterziehen, so Thür: "Hier hat
der Gesetzgeber mit der Ergänzung des Datenschutzgesetzes noch
eine Aufgabe zu erfüllen."
Im Nachgang zur Daten-Affäre, bei der Google bei
Kamerafahrten für Street View auch personenbezogene Daten
abgefischt hat, ist eine gemeinsame, europäische Strategie
angelaufen. Die Gegenoffensive wurde von Thür lanciert. Er hat
diese Woche mit den europäischen Datenschutzbehörden Kontakt
aufgenommen: "Wir verlangen von Google, dass man uns die Daten zur
Verfügung stellt."
Google Switzerland - der grösste Standort ausserhalb
den USA - hat die Kamerafahrten für Street View vorläufig
gestoppt, wie ein Sprecher erstmals bestätigte. In einem ersten
Schreiben an Datenschützer Thür hatte Google Switzerland noch
erklärt, es handle sich bei den gesammelten Informationen
"grundsätzlich nicht um Personen-daten". Für Thür hat
Google "ein Glaubwürdigkeitsproblem".
SEITEn 6/7, Kommentar Seite 15
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Wie sich Google im Netz verstrickte
Noch am 7. Mai widersprach der Leiter Recht von Google
Switzerland, Daniel Schönberger, in einem Brief an den
Datenschutzbeauftragten vehement, es seien personenbezogene Daten
gesammelt worden. Der "Sonntag" bringt die wichtigsten Auszüge:
"(...) grundsätzlich nicht um Personen-daten handelt."
"(...) in aller Regel nicht um Personendaten im Sinne des
Datenschutzgesetzes."
"Die Daten werden nicht für personenbezogene Zwecke
verwendet."
- "(...) und wenn doch, wird bekanntlich die Vermutung
gelten, dass die Bearbeitung der Daten nicht
persönlichkeitsverletzend ist."
"(...) dass im Rahmen dieser Kamerafahrten nebst
Bildaufnahmen auch andere Daten gesammelt werden."
"Das System von Google arbeitet überdies passiv."
Drei Tage später musste Google zugeben, dass doch
persönliche Daten gespeichert wurden. (BRO/PAS)
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Google fischt im Graubereich
Von Sandro Brotz
Die Nachricht: Der Eidgenössische
Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür fordert ein Google-Gesetz.
Der Suchmaschinen-Gigant hat bei Kamerafahrten für Google Street
View auch Daten von nicht gesicherten WLAN-Netzen gespeichert -
angeblich aus Versehen.
Der Kommentar: Stellen wir uns vor: Die Polizei fährt
mit 360-Grad-Kameras durch die ganze Schweiz und saugt präventiv
alle Daten ab, die aus öffentlichen Funknetzwerken erhältlich
sind. Ob E-Mail-Fragmente oder besuchte Websites- alles wird
gespeichert. Daneben werden Hausfassaden mittels Laser gescannt und die
Kamera blickt in die Vorgärten hinein. Die Empörung wäre
riesig. Und sie wäre berechtigt.
Wenn aber nicht die Polizei, sondern das hype Google-Auto
herumkurvt und im Datenteich fischt, bleibt es merkwürdig still.
Einzig der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte stellt sich dem
Internet-Riesen in den Weg. Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Hier
Hanspeter Thür mit gerade mal vier Computer-Experten, dort Google
mit rund 20000 Mitarbeitern. Dass ausgerechnet ein
Technologie-Unternehmen rein zufällig auch noch personenbezogene
Daten abspeichert, ist schwer zu glauben. Warum hat Google
überhaupt eine solche Software entwickelt? Auch wenn alles nur ein
Fehler war: Google hat die Grenzen überschritten.
Das Vertrauen ist angeschlagen, die Vorwürfe sind
längst nicht ausgeräumt und die Krisenkommunikation
miserabel. Es wird immer genau so viel zugegeben, wie bewiesen werden
kann. Die Selbstregulierung funktioniert jedenfalls nicht mehr, wie
auch "Die Zeit" feststellte ("Google an die Leine"). Der Auslauf
für die Truppe des kongenialen Google-Gründer-Duos Sergey
Brin und Larry Page ist zu grosszügig bemessen.
Damit es nicht vergessen geht: Google ist keine
Wohltätigkeitsorganisation, sondern ein knallharter,
hochprofitabler Milliarden-Konzern, der mit einem Selbstbewusstsein
agiert, das mitunter an Arroganz grenzt. In ihrem Business-Modell steht
die Privatsphäre nicht an oberster Stelle. Transparenz schon gar
nicht. Google verführt mit einem zugegebenermassen grossartigen
Gratisangebot: Wer sucht, der findet - ohne bezahlen zu müssen. Im
Gegenzug bekommt Google den gläsernen Benutzer. Damit der Preis
für die Datenfreiheit am Schluss nicht zu hoch wird, braucht es
jetzt eine gesetzliche Firewall gegen die Google-Schnüffelei.
sandro brotz@sonntagonline.ch
--
Promi-Gemeinde will Google-Auto ausbremsen
Für Gemeindepräsident von Wollerau SZ ist Grenze
überschritten - Google Switzerland stoppt Kamerafahrten
Von Sandro Brotz und Nadja Pastega
Mit seinen Kamerafahrten späht Google auch die
Wohnsitze von Prominenten aus. Nach der jüngsten Datenpanne tritt
der Internet-Gigant jetzt auf die Notbremse.
Diese Woche waren die Google-Autos wieder unterwegs: in
Graubünden, der Ostschweiz und in der Innerschweiz. Auf dem
Dachgepäckträger thront die Panorama-Kamera, in zwei Meter
Höhe - damit lässt sich bequem über Gartenhecken hinweg
in private Grundstücke hineinfilmen. Jetzt wurde bekannt: Bei den
Kamerafahrten für das Internetangebot Street View hat Google auch
persönliche Daten aus ungesicherten Computernetzen abgefischt -
ohne Wissen der Netzbenutzer. Gesammelt wurden nach bisherigem
Informationsstand Ausschnitte aus E-Mails und abgerufene Homepages.
Der Promi-Gemeinde Wollerau SZ reichts. "Die Grenze des
Tolerierbaren ist überschritten", sagt Gemeindepräsident
Markus Hauenstein (CVP): "Die Kamerafahrten müssen gestoppt
werden, bis die rechtlichen Fragen geklärt sind."
Wollerau ist die Gemeinde mit der höchsten
Prominenten-Dichte. Tennis-Star Roger Federer hat mit seiner Frau Mirka
und den Zwillingen eine Luxus-Wohnung in Wollerau bezogen. An der
"Diamantenküste" wohnen auch Marcel Ospel, UBS-Chef Oswald
Grübel und Franco Knie. Zusammen mit der Nachbargemeinde
Freienbach zählt Wollerau 170 Einkommensmillionäre. "Wir sind
uns bewusst, dass Google Street View bei uns speziell heikel ist", sagt
Gemeindepräsident Hauenstein. Nach der Datenfichierung müsse
man jetzt ein Verbot prüfen: "Wenn Google die
Datenschutzrichtlinien verletzt hat, muss Street View gesperrt werden."
Druck kommt auch vom eidgenössischen
Datenschützer Hanspeter Thür. Diese Woche lancierte er eine
europäisch koordinierte Offensive der Datenschutzbehörden
gegen den US-Internetgiganten. Für die Schweiz fordert Thür
neue gesetzliche Bestimmungen mit einer Bewilligungspflicht für
Angebote wie Street View (siehe Interview rechts).
Google-Sprecher Matthias Meyer bestätigt erstmals,
dass die Kamerafahrten in der Schweiz vorerst eingestellt wurden. Er
verweist auf einen Blog des Google-Chefprogrammierers Alan Eustace.
"Als wir das Problem bemerkt haben, wurden die Street-View-Autos
gestoppt und die Daten auf unserem Netzwerk isoliert. Dann haben wir
sie abgekoppelt, um den Zugang zu diesen Daten zu sperren", heisst es
darin wörtlich. Das gelte auch für die Schweiz, so Meyer. Der
Kartendienst Street View wurde im August 2009 für die Schweiz
lanciert. Zunächst kurvten die Google-Autos mit der
360-Grad-Kamera in Zürich, Bern, Genf und Basel herum. Inzwischen
sei die Panorama-Kamera "praktisch überall in der Schweiz"
gewesen, so Meyer.
In Deutschland, wo ebenfalls Daten aus ungeschützten
Netzen abgesaugt worden sind, ist der Widerstand gegen den
Internet-Giganten weit vorangeschritten. Jurist Jens Ferner hat
Strafanzeige eingereicht - jetzt ermittelt die Hamburger
Staatsanwaltschaft: "Wir wissen nicht, was von Google erfasst wurde.
Das soll jetzt meine Strafanzeige klären", sagt Ferner. Er ist der
Ansicht, dass die Justiz bei Google eine Durchsuchung machen und
allfällige Beweismittel sicherstellen müsste. "Wer in
Deutschland offene Netzwerke benutzt, macht sich strafbar",
erklärt Ferner. Falls es sich nicht um eine zielgerichtete Aktion
des US-Konzerns handle, müsse zumindest festgestellt werden, "dass
bei Google pures Chaos herrscht".
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat
Google ein Ultimatum gestellt. In einer Woche muss das Unternehmen
Details zu den abgefangenen Daten liefern. In Bayern verlangte
Innenminister Joachim Herrmann von Google, die Aufnahmen für
Street View so lange zu stoppen, bis der Sachverhalt im Zusammenhang
mit der Erfassung und Speicherung von privaten Netzdaten geklärt
sei. Der Technologieriese ist dieser Forderung nachgekommen - die
Kamerawagen bleiben vorerst in der Garage.
Die Datenpanne trifft Google ins Mark. In Zürich
befindet sich der grösste Firmen-Standort ausserhalb des
Hauptsitzes in Kalifornien. Die Rolle von Zürich sei für
Google "sehr wichtig", sagt Kommunikationschef Matthias Graf. Was 2004
mit zwei Mitarbeitern begonnen habe, sei mit über 600 Angestellten
aus 50 Ländern zum Hauptentwicklungszentrum für Europa, den
Mittleren Osten und Afrika angewachsen. Graf spricht von einem
"internationalen Entwicklungshub" und einer "Koordinationsdrehscheibe".
Google Switzerland legt Wert auf die Feststellung, dass
die Datenpanne den Standort Zürich nicht infrage stelle. "Das hat
keinen Zusammenhang", sagt Kommunikationschef Graf.
Kommentar Seite 15
--
Das sagt der Google-Insider
Ein Ex-Google-Kadermann gegenüber dem "Sonntag" zur
WLAN-Affäre:
"Ich kann nicht glauben, dass die Daten zielgerichtet
abgefischt und ausgewertet wurden. Andererseits: Solche Daten haben ein
riesiges Potenzial! In diesem Fall scheint mir aber die Rechte nicht
gewusst zu haben, was die Linke macht. Google ist auch in der Schweiz
so stark gewachsen, dass strukturelle Probleme entstanden sind. Das
Unternehmen leidet am Microsoft-Syndrom: Statt nur noch positiven News,
wird das Unternehmen wegen seiner Machtstellung kritisiert. Google hat
sich von der Grundphilosophie entfernt. Statt ‹User first› heisst es
jetzt: ‹Shareholder first›." (BRO/PAS)
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NZZ am Sonntag 23.5.10
Lauschangriff von Google
Raffael Schuppisser
Dass Google Daten sammelt, ist lange bekannt und nichts
anderes als die Geschäftsgrundlage der Internetfirma aus
Kalifornien. Seit vergangener Woche aber hat die Kritik an Google eine
neue Qualität erreicht. Denn der Konzern musste zugeben, dass die
Fahrzeuge, mit denen er weltweit die Street-View-Aufnahmen macht, nicht
nur die öffentlich zugänglichen Identifikationsnummern von
drahtlosen Internetroutern gespeichert haben, sondern auch die von den
privaten WLAN-Netzen übertragenen Nutzdaten - Inhalte von E-Mails
zum Beispiel oder von aufgerufenen Websites.
Google hat dieses Vergehen nach einer Anfrage des
Hamburger Datenschutzbeauftragten eingestanden und als ein Versehen
bezeichnet. Man habe nur unverschlüsselte WLAN-Netze abgehört
und nicht solche, die durch ein Passwort geschützt waren. Privat
waren die Daten natürlich trotzdem, und dass Google offenbar
Methoden von Hackern angewendet hat, gibt Datenschützern neue
Munition im Kampf gegen den Internetgiganten.
Dabei ist die Behauptung, dass es sich um ein Versehen
gehandelt habe, noch gar nicht einmal abwegig. Personenbezogene Daten
dürften die vorbeifahrenden Autos jedenfalls kaum gewonnen haben,
dazu wäre der Analyseaufwand vermutlich zu gross. Ohnehin sammelt
Google auf ganz legalem Weg viel mehr und höherwertige
persönliche Daten, als es ein Street-View-Auto jemals könnte.
Plausibel wäre allenfalls, dass Google aus den in einem Quartier
abgegriffenen Daten indirekt Rückschlüsse auf die
sozio-ökonomische oder auch ethnische Zusammensetzung der
Bevölkerung ziehen kann. Google jedoch bestreitet, die
"irrtümlich" gespeicherten Daten genutzt zu haben. Ob das stimmt,
wird sich vermutlich nie überprüfen lassen.
WLAN-Schnüffeln beendet
Als Reaktion hat der Konzern nun aber immerhin das Sammeln
sämtlicher WLAN-Daten - also auch öffentlicher
Identifikationsnummern und der Namen der WLAN-Netze - durch die
Street-View-Autos gestoppt.
Die Skepsis gegenüber Google wird trotzdem weiter
wachsen. Das Image des sympathischen und unkonventionellen
Internetkonzerns dürfte endgültig ramponiert sein. "Google
hat sich zur unkontrollierten Macht im Internet entwickelt. Google ist
<ein Wolf im Schafspelz>, ein Monopolist, der eifrigste
Datensammler der Welt, der Dutzende Patente auf Methoden hat, die aus
der Überwachungsindustrie stammen könnten", schreibt der
österreichische Autor Gerald Reischl in seinem Buch "Die
Google-Falle".
Google wurde 1998 mit dem Ziel gegründet, die
"Informationen der Welt zu organisieren und allgemein nutzbar und
zugänglich zu machen." In Rekordzeit ist Google zur wertvollsten
Marke der Welt geworden. 23,6 Milliarden Dollar hat die Firma letztes
Jahr umgesetzt, das meiste durch Vermarktung von personalisierter
Werbung, die vielen Datenschützern ein Dorn im Auge ist.
Als im August letzten Jahres Google seinen Dienst Street
View für Schweizer Städte aufschaltete, gerieten auch die
hiesigen Datenschützer in Rage. Street View unterwandere unsere
Privatsphäre, hiess es. Um seinen digitalen Kartendienst Google
Maps attraktiver zu gestalten, hat Google kurzerhand ganze Städte
und Landstriche abgefahren, fotografiert und das Bildmaterial auf dem
Netz öffentlich zugänglich gemacht. Dass Google dabei auch
WLAN-Daten aufnahm, ahnte damals noch niemand. Den Kritikern ging es
schon zu weit, dass die Google-Autos auch private Grundstücke
einfingen. Dabei zeigt Street View eigentlich nichts anderes, als jeder
tagtäglich selber auf den Strassen sehen kann, verwischt dabei
sogar - so gut es mit automatischen Verfahren geht - Gesichter und
Nummernschilder. Trotzdem schürt Street View die Angst, weil hier
allfällige Verletzungen der Persönlichkeitsrechte direkt
fassbar werden.
Das Buzz-Debakel
Weniger offensichtlich, im Grunde aber schwerwiegender ist
ein anderer Fall, der ebenfalls zu einem entrüsteten Aufschrei im
Web geführt hat. Anfang Jahr lancierte Google - als Antwort auf
Facebook und Twitter - sein Social Network Buzz. Der Dienst ist in
Googles E-Mail-Service, Gmail, eingebettet. Um Buzz einen Startvorteil
zu verschaffen, hat Google bei der Vernetzung der Gmail-Nutzer
nachgeholfen und all jene Kontakte, mit denen man häufig E-Mails
austauscht, automatisch in die Freundesliste integriert. So fand eine
Amerikanerin plötzlich ihren gewalttätigen Ex-Mann in ihrem
Buzz-Freundeskreis. "Fuck You Google", lautete ihr Statement in einem
öffentlichen Blog. Buzz habe ohne ihr Wissen ihrem Ex-Mann ihre
sozialen Kontakte und ihren Wohnort verraten.
Dass Google so exakt Bescheid weiss, mit wem genau die
Gmail-Nutzer E-Mail-Verkehr haben, mag ahnungslose Internetsurfer
erstaunt haben. Dass der Konzern das aber so hemmungslos zu seinen
Gunsten ausnutzt, ist brisant und hat zu harscher Kritik in der
Web-Öffentlichkeit geführt. Nach wenigen Tagen schon gab
Google nach: Die automatische Vernetzungs-Strategie wurde
fallengelassen, und Google-Manager Todd Jackson hat sich
persönlich in einem Blog entschuldigt.
Warum aber liegt Google so viel an einem Social Network,
dass der Konzern bei der Etablierung von Buzz alle Skrupel beiseite
schob? Die Antwort ist simpel: weil Google noch mehr persönliche
Daten von uns will. Ein soziales Netz ist eine Datenfundgrube. Die
Nutzer müssen sich mit Namen registrieren und geben in
Statusmeldungen oft detailreiche Angaben über ihr Privatleben
preis.
Doch auch wer keinen Account bei Gmail hat und bloss die
Suchmaschine von Google verwendet, verrät dem Unternehmen einiges
über seine Identität, seine persönlichen Vorlieben und
vielleicht sogar seine Geheimnisse. Letzten Dezember hat Google die
"personalisierte Suche" lanciert. Seither protokolliert Google alle
Suchanfragen der letzten sechs Monate - also jedes einzelne Wort, das
wir in die Suchmaske von Google eingetippt haben. Dafür verwendet
Google ein sogenanntes Cookie, eine auf dem eigenen Computer
hinterlegte Information. Dieses Cookie bleibt auch nach dem
Herunterfahren des Rechners gespeichert, so dass Google nun bei jeder
Suchanfrage den Computer identifizieren kann.
Ein Tauschgeschäft
Wer zudem eine Gmail-Adresse besitzt oder für andere
Online-Anwendungen wie etwa Youtube einen Google-Account eingerichtet
hat, der verrät Google zusätzlich zu diesen Suchergebnissen
seinen Namen. Die personalisierte Suche lässt sich deaktivieren
(vgl. Box), doch die wenigsten User tun das; den meisten dürfte es
nicht einmal bewusst sein, dass Google ihre Suchanfragen speichert.
Google betont, dass diese Funktion dabei helfe, bessere
Suchergebnisse zu generieren. Gleichzeitig hilft die personalisierte
Suche Google aber auch dabei, uns noch präziser mit Werbung zu
versorgen.
Wenn wir Google-Dienste verwenden, gehen wir ein
Tauschgeschäft ein: Wir erhalten gratis Zugang zu Google-Angeboten
wie Suchmaschine, digitale Karten oder E-Mail-Account und gewähren
dafür Google Einsicht in unser Leben. Je mehr Dienste wir nutzen,
desto mehr Daten geben wir preis. Aus den Daten schlägt Google
Kapital in Form von passgenauer Werbung.
Wer die Vorteile von Gmail nutzt, willigt auch ein, dass
Google die Mails maschinell liest und diese mit passender Werbung
flankiert. Wer etwa eine E-Mail schreibt mit den Worten "Schweden" und
"Urlaub", erhält Werbung für eine Website, die
Ferienhäuser in Schweden vermietet. Installiert man auch die
"Google Toolbar" im Browser, so profitiert man von vereinfachten
Surfoptionen, gestattet aber auch, dass Google mitsurft - also weiss,
welche Websites man besucht. Und wer den Dienst "Google Desktop"
installiert, kann seine Festplatte ebenso einfach durchsuchen wie das
Web. Wer die Suche jedoch auf mehrere Computer erstrecken möchte,
muss damit leben, dass der Suchindex - das Inhaltsverzeichnis der
Festplatten - auf einem Server von Google gespeichert wird.
Auch wer keine Google-Services nutzt, entgeht dem Konzern
nicht ganz. Seit Google DoubleClick, einen führenden Vermarkter
von Internet-Bannerwerbung, erworben hat, kann Google seine Fühler
über die eigenen Websites hinaus ausfahren. DoubleClick hat sich
darauf spezialisiert, Werbung auf Internetseiten zu vermarkten und
diese zu analysieren. Dabei erfasst DoubleClick auch, von welchen
Computern aus die mit Werbung angereicherten Websites aufgerufen werden.
Und damit ist Googles Datenhunger noch nicht gestillt. Mit
dem Mobiltelefon-Betriebssystem Android hat sich Google auch in unsere
Handys eingeklinkt. Denn hier schlummert das Potenzial für einen
gigantischen Werbemarkt. Über vier Milliarden Handys sind weltweit
in Gebrauch, deutlich mehr als Computer. Immer mehr Menschen nutzen das
Mobiltelefon, um im Web zu surfen. Und Handys haben noch einen weiteren
Vorteil: Dank den GPS-Empfängern lassen sich Mobiltelefone orten.
"Na und?", könnte man auf all das erwidern. Solange
Google diese Informationen nur dafür verwendet, persönliche
Werbung zu placieren, mag das wenig kümmern. Irgendwie muss Google
ja Geld verdienen, um seine Dienste zu finanzieren.
Weisheit der Masse
Google spioniere niemanden aus, sei auch gar nicht an den
Namen der Nutzer interessiert und gebe die Daten keinesfalls an Dritte
weiter, sondern verwende diese nur dazu, um die Suche zu optimieren,
betont der Konzern. Und Jeff Jarvis, Professor für interaktiven
Journalismus und Star-Blogger, schreibt in seinem
Google-enthusiastischen Buch "What Would Google Do?": "Google nutzt die
Weisheit der Masse und respektiert dabei jeden Einzelnen innerhalb
dieser Masse." Doch auch er räumt ein, dass das Vertrauen
schlagartig verspielt wäre, wenn die Daten, die man über uns
gesammelt hat, missbraucht würden. Oder wenn, wie nun im Falle des
WLAN geschehen, private Daten heimlich und ohne rechtliche Grundlage
gesammelt werden, möchte man hinzufügen.
Die Vorstellung, dass unsere Daten in der Hand eines
einzigen Konzerns liegen, kann ein mulmiges Gefühl auslösen.
Irgendwo auf den Hunderttausenden von Google-Computern, die in
Dutzenden von Rechenzentren vor sich hinsummen, sind auch unsere Daten
gespeichert. Wer garantiert uns, dass Google sein Wissen nicht doch
einmal missbraucht? Oder von einem Geheimdienst dazu gezwungen wird?
"Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es
irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst
tun", sagte Google-CEO Eric Schmidt im Dezember gegenüber dem
amerikanischen Fernsehsender CNBC. Ob ihm die Tragweite dieses Satzes
wirklich bewusst war oder ob er das nur so dahinsagte, blieb offen.
Doch nicht nur verschlossene Spiessbürger, sondern auch die offene
Facebook-Generation müsste bei einer solchen Aussage eigentlich
aufhorchen.
Google-Fahrzeuge mit Street-View-Kamera auf der
Cebit-Messe in Hannover. (3. März 2010)
Datenschutz
Wie man das Datensammeln verhindert
Drahtlose WLAN-Netze sollte man nie ohne
Verschlüsselung betreiben, weil sie sonst für kriminelle
Zwecke missbraucht werden könnten. Als sicher gilt derzeit einzig
der Standard WPA2. Ob er aktiviert ist, überprüft man, indem
man in der Systemsteuerung die "Netzwerkverbindungen" öffnet und
dort per Rechtsklick die "Eigenschaften" der WLAN-Verbindung
kontrolliert.
Um Google daran zu hindern, Suchanfragen aufzuzeichnen,
muss man die personalisierte Suche deaktivieren. Das geht so: Auf
Google.ch eine Suche durchführen und auf der Ergebnisseite oben
rechts auf "Webprotokoll" und dann auf "Anpassung auf der Grundlage der
Suchaktivitäten deaktivieren" klicken. Wer einen Google-Account
besitzt, muss das Webprotokoll im Bereich "Mein Profil" abschalten.
Auch die Google-Tochter DoubleClick kann am Datensammeln
gehindert werden. Dafür wählt man auf der Seite
doubleclick.com oben die Registerkarte "Privacy & Opt-Out" an und
klickt dann auf "ad cookie opt-out". Wichtig: Bei all diesen
Deaktivierungen wird ein neues Cookie auf den Rechner geladen, das
Google und DoubleClick am Protokollieren der Web-Tätigkeiten
hindert. Wird dieses gelöscht, beginnt das Datensammeln von neuem.
(upp.)
--
(hir) Ein soziales Netz ist eine Datenfundgrube. Die Nutzer
machen oft detaillierte Angaben über ihr Privatleben.
--
(hir) Mit dem Mobiltelefon-Betriebssystem Android hat sich
Google auch in unsere Handys eingeklinkt.
---
Bund 22.5.10
Strafanzeige gegen Google
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen
unbekannte Mitarbeiter von Google Deutschland eingeleitet. Diese stehen
im Verdacht, Daten abgefangen zu haben. Vergangene Woche hatte Google
eingeräumt, dass man bei den Fahrten für den Dienst
Street-View nicht nur Standorte und Namen privater Internetfunknetze
(WLAN) erfasst, sondern auch Nutzerdaten ungeschützter Netze
gespeichert hat. Nun hat der in der Nähe von Achen ansässige
Rechtsanwalt Dieter Ferner Strafanzeige eingereicht, wie er der
"Süddeutschen Zeitung" erklärte.
In der Schweiz sind ebenfalls Daten aus ungeschützten
Netzen abgesaugt worden. Laut Hans Bebié, dem stellvertretenden
leitenden Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Zürich, ist man
daran, Kontakt mit dem eidgenössischen Datenschützer
Hanspeter Thür aufzunehmen und Vorermittlungen durchzuführen.
In Juristenkreisen zweifelt man indessen daran, ob das Vorgehen von
Google strafrechtlich relevant sei. Der Artikel 143 im schweizerischen
Strafgesetzbuch stellt die unbefugte Datenbeschaffung dann unter
Strafe, falls die Daten gegen diesen Zugriff "besonders gesichert"
sind. (rf)
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FACEBOOK
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Sonntagszeitung 23.5.10
Datenleck bei Facebook & Co
Anzeigenkunden hatten Zugang zu Nutzerdaten
Facebook, MySpace und andere soziale
Online-Netzwerkdienste haben laut "Wall Street Journal" Daten ihrer
Nutzer an Anzeigenkunden weitergegeben - trotz gegenteiliger
Versprechungen. Bei jedem Klick auf eine Anzeige schicken Facebook und
Co. Informationen über die Nutzerkennung mit; je nach
individuellen Profileinstellungen der Nutzer können Anzeigenfirmen
wie DoubleClick (Google) und Right Media (Yahoo) daraus auch
Informationen über die Nutzer selber gewinnen. Diese verneinen
allerdings, die Daten genutzt zu haben. Facebook sieht sich in letzter
Zeit heftiger Kritik ausgesetzt, weil die Webseite die
Privatsphäre ihrer Nutzer zu wenig schütze. Auf die
jüngsten Vorwürfe hat Facebook reagiert und das Datenleck
gestopft. (NW)
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GIPFEL-SOLI
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gipfelsoli.org/Newsletter 21.5.10
21.5.2010 Genua -- Ontario -- Heiligendamm -- Strasbourg/
Baden-Baden
- Top Italian policemen get up to five years for violent attack
on G8 protesters
- Knast für Prügelpolizisten
- Gewalt auf G8-Gipfel in Genua: Polizisten müssen in den
Knast
- Diaz Sentence 18th May 2010
- Italy backs convicted Genoa G8 police
- ANTI-CAPITALIST CONVERGENCE 2010
- Direct Action in Ottawa
- Ottawa police have suspects in firebombing
- G20 will give homeless the heave-ho
- Cops ask truckers to act as 'look outs' during summits
- If CSIS comes knocking
- DLR maps for G8 Summit in Heiligendamm, June 6 to 8, 2007
- NATO summit in Strasbourg/France
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/8400.html
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ANTI-ATOM
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Oltner Tagblatt 25.5.10
Atomgegner auferstanden
Niederamt-Olten MenschenStrom gegen Atom mit über
4000 Teilnehmern
An der internationalen Kundgebung "MenschenStrom gegen
Atom" marschierten gestern 4000 bis 5000 Personen durchs Niederamt.
Beat Wyttenbach
Organisiert von über 80 Vereinigungen aus der
Schweiz, Deutschland, Frankreich und Österreich, fand gestern
Pfingstmontag ein Marsch von Aarau durchs Niederamt nach Olten statt.
Der "MenschenStrom gegen Atom" setzte sich gegen den Bau neuer
Kernkraftwerke und für eine möglichst sichere Lösung bei
den Endlagern ein. In den Referaten, die bei der Zwischenstation im
Niedergösger Mülidorf und an der Schlussveranstaltung in der
Oltner Schützenmatte gehalten wurden, vertraten die Rednerinnen
und Redner die Auffassung, dass die Stromversorgungslücke von den
Kraftwerksbetreibern und den sie unterstützenden Politikern
herbeigeredet werde, um neue Kernkraftwerke bauen zu können. Die
erneuerbaren Energien würden ausreichen, um den Strom aus den
auslaufenden Kernkraftwerken ersetzen zu können, meinten sie.
Nach Angaben der Veranstalter wie auch der Kantonspolizei
Solothurn verlief die Aktion friedlich und wurde durch keine Gewaltakte
oder Sachbeschädigungen gestört. Seite 19
--
Über 4000 Menschen marschierten mit
MenschenStrom gegen Atom Friedliche Kundgebung führte
von Aarau durchs Niederamt nach Olten
Es waren über 4000 Personen, die sich am gestrigen
Pfingstmontag auf den Weg machten, um gegen den Bau neuer
Kernkraftwerke zu demonstrieren. Der "MenschenStrom gegen Atom"
marschierte dabei von Aarau über Niedergösgen zur
Schlusskundgebung auf der Schützenmatte in Olten.
Beat Wyttenbach
Bereits morgens um 10 Uhr hatten sich die ersten rund 700
Personen von Aarau aus auf den Weg gemacht auf ihrem "MenschenStrom
gegen Atom"; nochmals gegen 2000, gemäss Schätzungen der
Organisatorinnen und Organisatoren, machten sich vom Däniker
Bahnhof aus auf den Weg, um ins Niedergösger Mülidorf zu
gelangen. Zehn respektive zwei Kilometer hatten sie zurückgelegt,
als sie in Niedergösgen ankamen.
"Gegen Ausbau der Kernenergie"
Dort wurden den Medienschaffenden an einer Pressekonferenz
die Rednerinnen und Redner kurz vorgestellt. "Wir haben die Aktion
lanciert, weil uns mit den drei Rahmenbewilligungsgesuchen seitens der
Axpo, der BKW und der Alpiq ein massiver Ausbau der Kernenergie droht",
erklärte Leo Scherer vom OK. "Leider glauben viele, es gäbe
kaum ungefährlichere Alternativen. Dabei erleben die Windkraft und
die Sonnenenergie einen massiven Aufschwung. Nur die Schweiz hinkt
hinterher", so Scherer, der die Meinung vertritt, dass man die
Bevölkerung von der starken Förderung alternativer Energien
überzeugen müsse.
Auf den Eindruck, es seien weniger Leute erschienen als
erwartet, meinte Scherer: "In Kaiseraugst waren es auch nicht auf
Anhieb 10 000." "Mit gegen 3000 Teilnehmenden ist jedenfalls schon ein
guter Anfang gemacht", doppelte Michael Tanner, Mediensprecher der
Vorbereitungsgruppe, nach. 83 verschiedene Organisationen von der
Alternativen Liste Zürich über das "Sortir du
nucléaire" aus Frankreich bis hin zur "Vorarlberger Plattform
gegen Atomgefahren" und zur "Werkstatt für gewaltfreie Aktion
Baden" hatten zu dem Anlass eingeladen.
"Energiewende wurde sabotiert"
Pünktlich um 12.30 Uhr begannen im Mülidorf, wo
mit Wimpelmalen, Kinderschminken und der Spielzeugkiste auch für
die jüngsten Teilnehmenden etwas geboten wurde, die Referate.
Jürg Aerni von "Fokus Anti-Atom" monierte, dass der Stromverbrauch
lange Zeit künstlich hochgetrieben und verteuert worden sei. "So
wurde eine Energiewende sabotiert", meinte er.
Die Energiekonzerne würden bereits von den
Bauplänen für neue KKWs sprechen, "als ob diese schon eine
sichere Sache wären". Hinter diesen Diskussionen würden
Anstrengungen laufen, die bisherigen Kraftwerke "bis zu 60 Jahre zu
betreiben". Dies gelte es zu verhindern. Mühleberg und Beznau
beispielsweise seien mit rund 40 Betriebsjahren "mehr als ausgereizt"
und gehörten "zu den gefährlichsten Industrieanlagen der
Schweiz, ja sogar Europas". Deshalb gelte es, eine
Stilllegungsverfügung durchzusetzen.
Hannes Lämmler vom Europäischen Bürgerforum
zeigte anschliessend das Schicksal des Dorfes Falea in Mali im
Grenzgebiet zu Guinea und dem Senegal auf. Dort, so Lämmler, werde
unter anderem Uran abgebaut, was auf mehrere Jahrhunderte hinaus zur
Verseuchung von Umwelt und Grundwasser führen würde. Ganze
Weiler, Dörfer, Felder, Wälder und Gärten würden
gemäss der entsprechenden Vertragskarte mit den Abbaukonzernen
voneinander getrennt; es handle sich dabei um eine "moderne Form des
Kolonialismus".
"Zukunft ohne atomare Risiken"
Hannah Fasnacht von "Klar! Schweiz", eine 20-jährige
Aktivistin, referierte anschliessend zum Thema der
Atommüllproblematik. "Heute und jetzt wollen wir zeigen, dass wir
eine Zukunft ohne atomare Risiken wollen", hielt sie einleitend fest.
Das Atommüllproblem, so Fasnacht, bleibe ungelöst. "Wir
wissen nicht, wie lange die Atommüllbehälter halten und
welche Gefahren von ihnen ausgehen, wenn sie verrotten", sagte sie. Man
wisse generell vieles in diesem Zusammenhang nicht.
Sie werde die Atommüllproblematik auch noch als alte
Frau umtreiben, glaubte sie. Und viele Generationen würden sich
noch damit beschäftigen müssen. "Wir sind dafür
verantwortlich, dass für den Atommüll nur die sicherste
Lösung ohne ungelöste Fragen und Probleme und ohne zeitlichen
Druck realisiert wird", mahnte sie abschliessend.
"Gefährlich und unnötig"
Nach musikalischen Einlagen der Songpoeten Aernschd Born
und Markus Rüeger äusserte sich noch die Solothurner
Nationalrätin Brigit Wyss (Grüne) zum Thema "AKW sind
gefährlich und unnötig". Sie fragte provozierend: "Braucht es
AKWs, um eine Stromlücke zu verhindern, oder braucht es eine
Stromlücke, um den Bau von AKWs zu forcieren?" Kernkraftwerke, so
Wyss, seien "alles andere als CO 2-neutral", und die angedrohte
Versorgungslücke existiere gar nicht.
Vielmehr gehe es im "grossen Strompoker" um "ein
Geschäft mit ganz viel Geld". Sie zeigte auf, welche Pannen in den
vergangenen Jahrzehnten weltweit aufgetreten sind und hielt fest, dass
das 1990 eingegangene Atommoratorium deshalb "kein Zufall" gewesen sei.
Sie wies auch auf die Risiken hin, die bei militärischer Nutzung
der Kernenergie entstünden und forderte: "Genug ist genug!
Spätestens 2013 wird die Bevölkerung den Bau von neuen
Atomkraftwerken ablehnen. Davon bin ich überzeugt."
Es folgten Grussworte aus Frankreich (Claude Ledergerber
vom Comité pour la Sauvegarde de Fessenheim et de la plaine du
Rhin sowie Charlotte Mijjeon von "Sortir du Nucléaire") und aus
dem Tessin (SP-Nationalrat Fabio Pedrina und Matteo Buzzi von
Greenpeace Ticino), bevor sich die Kolonne in Gang setzte, um die
restlichen sieben Kilometer bis zur Schützenmatte in Olten unter
die Füsse zu nehmen, wo der Menschenstrom zeitweilig "auf 4000 bis
5000 Personen" anschwoll, wie Tanner und Andreas Mock vom Mediendienst
der Kantonspolizei Solothurn übereinstimmend bestätigten.
Auffallend dabei war, dass die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer
sich von ausserhalb der Region rekrutierten und viele Familien mit
Kindern, aber auch viele Jugendliche mitmarschierten.
"Profite wichtiger als Sicherheit"
Dort angekommen, führte Nationalrat Rudolf
Rechsteiner (SP, Basel-Stadt) den Anwesenden die Risiken vor Augen, die
seines Erachtens von Kernkraftwerken ausgingen, wie den
umweltbelastenden Uranabbau, das Unfall- und Krebsrisiko, die
Terrorrisiken durch Plutonium und die hohen Kosten. Bei Kernkraftwerken
handle es sich um alles andere als um sichere Technologie. Den
Betreibern seien "Profite wichtiger als Sicherheit".
Es gehe dabei um Menschenleben. "Menschenleben sind nicht
verhandelbar", so Rechsteiner. Er gab sich überzeugt, dass der
"Kampf gegen neue Atomkraftwerke" zu gewinnen sei, wenn man "die
Solarenergie auch in unserem Land endlich voranbringt" und
zusätzlich auf Holz und Wasserkraft als Energiequellen setze. Die
Bevölkerung der Schweiz, so Rechsteiner abschliessend, müsse
"vor neuen Atomkraftwerken geschützt werden". Auch Christian van
Singer, grüner Nationalrat aus dem Kanton Waadt, unterstrich die
Gefährlichkeit der Kernenergie.
Nach Einlagen des Poetry Slammers Simon Chen
überbrachten Iris Wallaschek vom Bündnis 90/Die Grünen
(Kreis Waldshut) sowie Hildegard Breiner vom Naturschutzbund Vorarlberg
die Grussbotschaften aus Deutschland und Österreich. Danach liess
die Schweizer Rap-Beatboxer-Queen Steff la Cheffe den Anlass
musikalisch ausklingen.
--
"Die Erwartungen wurden übertroffen"
Michael Tanner zog am Schluss der Kundgebung eine positive
Bilanz des Anlasses. "Es war total genial, dass so viele kamen". Die
Erwartungen seien übertroffen worden. Die wichtigste Erkenntnis
des Tages: Die Aktion blieb von A bis Z friedlich; es kam zu keinerlei
Zwischenfällen, wie Tanner und Mock ebenfalls übereinstimmend
bekräftigten. Einzig beim Marsch von Niedergösgen auf Olten
sei es zwischenzeitlich zu Verkehrsbehinderungen gekommen, so Mock.
Für die Zukunft gesehen, dürfte dies wohl nicht der letzte
Anlass seiner Art gewesen sein, liess Tanner durchblicken. "Man wird
wieder von uns hören", bemerkte er. (bw)
---
NLZ 25.5.10
Neue Atomkraftwerke
4500 Gegner demonstrierten in Gösgen
Lange war es still um die Anti-AKW-Bewegung. Jetzt meldet
sie sich zurück. Und schon wächst die Hoffnung auf ein
grosses Comeback.
sda/red. Rund 4500 Gegner haben gestern mit einem Marsch
gegen den Neubau von Atomkraftwerken (AKW) in der Schweiz protestiert.
Politiker und Umweltverbände sehen den Pfingstmontagmarsch als
Auftakt zu einer neuen Anti-AKW-Bewegung.
Atomkraft stehe der Förderung erneuerbarer Energien
im Weg, sagte die grüne Solothurner Nationalrätin Brigit Wyss
an der Kundgebung in Mülidorf, einem zu Niedergösgen im
Kanton Solothurn gehörenden Weiler in unmittelbarer Nähe des
Atomkraftwerks Gösgen. Mit dem Protestmarsch werde der Grundstein
für den Ausstieg aus der Atomenergie gelegt. An der
Schlusskundgebung in Olten sprach sich unter anderen auch der Basler
SP-Nationalrat Rudolf Rechsteiner gegen den Bau neuer Atomkraftwerke
aus. Rechsteiner sagte, der Protest sei mehr als nur eine politische
Demonstration; er sei auch eine Kundgebung für eine neue
"industrielle Revolution".
"Erst der Anfang"
Der gestrige Protestzug sei erst ein Anfang, betonte Leo
Scherrer von Greenpeace Schweiz. Bis zur voraussichtlich im Jahr 2013
stattfindenden Volksabstimmung wolle man wieder "eine neue
Anti-AKW-Bewegung" in Gang bringen. Die letzte politische Bewegung
gegen den Bau von Kernkraftwerken liegt rund 40 Jahre zurück. Um
das Jahr 1970 formierte sich in unserem Land die ersten
Anti-AKW-Bewegungen. Sie besetzten unter anderem 1975 das Gelände
des projektierten Kernkraftwerks Kaiseraugst AG.
Zur gestrigen Kundgebung hatten 83 Organisationen und
Parteien aus der Schweiz sowie aus den Nachbarländern Frankreich,
Österreich und Deutschland aufgerufen. Unter den Teilnehmern waren
sowohl Veteranen der alten Anti-AKW-Bewegung wie auch zahlreiche junge
Menschen zu finden.
Der Anlass verlief laut einer Mitteilung der Polizei ohne
jeglichen Zwischenfall. Die Sicherheitskräfte schätzten, dass
an der Schlusskundgebung in Olten bis zu 5000 Personen teilnahmen.
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Zofinger Tagblatt 25.5.10
Verkehr, Umweltschutz und Sicherheit
Niederämter Gemeinderäte äussern sich zum
Richtplanverfahren für ein zweites Atomkraftwerk
Der Gemeinderat Dulliken lehnt ein zweites AKW im
Niederamt ab. Die übrigen 14 Gemeinden des Niederamts, in denen
der Richtplan aufgelegt wird, sagen nicht a priori Nein, sondern haben
- teilweise - Richtplanänderungen beantragt.
Beat Wyttenbach
Der Gemeinderat Dulliken lehnt ein zweites AKW im
Niederamt einstimmig mit 7:0 Stimmen ab. Es stellt sich nun die Frage,
wie sich die Stimmung innerhalb der Gemeinderäte der übrigen
14 Gemeinden des Niederamts (ohne Hauenstein-Ifenthal, Trimbach und
Wisen) präsentiert. Diese hatten bis am Freitag Zeit, ihre
Anträge zum Entwurf der Richtplananpassung an das kantonale Amt
für Raumplanung einzureichen.
Gemeinsam ausgearbeitet
Niedergösgens Gemeindepräsident Kurt Henzmann
hielt als Präsident des Vereins Gemeindepräsidentenkonferenz
Niederamt in seiner Reaktion auf das Nein des Dulliker Gemeinderates
fest, dass die drei möglichen Standortgemeinden Däniken,
Gretzenbach und Niedergösgen ein Konsenspapier ausgearbeitet
hätten, das alle aus heutiger Sicht denkbaren Aspekte dieses
Bauverfahrens abdeckt. "Die drei Gemeinden haben ihren Standpunkt
gemeinsam verfasst und treten auch gemeinsam auf; dies im Bestreben um
Objektivität und Fairness sowie mit dem Ziel, das regionale Denken
zu fördern und die bisher sehr gute Zusammenarbeit zu
stärken. Die Diskussionen haben einige Schwerpunkte ergeben, die
der Regierung und dem Amt für Raumplanung in einem Bericht
übermittelt wurden."
In der Zusammenfassung des zehnseitigen Dokuments stellen
die drei Gemeinden folgende Hauptforderungen:
- Die Richtplanänderung soll nur für ein neues
Atomkraftwerk gelten und weder ein Nachfolgewerk noch den Ersatz des
KKG noch ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle
präjudizieren.
- Ein- und Umzonungen sollten nicht zulasten der bestehenden
rechtskräftig ausgeschiedenen Bauzonen gehen.
- Die "reizvolle Auen- und Uferlandschaft" der alten Aare sei
während der Bauzeit bestmöglich zu schonen, danach im alten
oder ökologisch aufgewerteten Zustand der Natur und der
Bevölkerung zurückzugeben und zugänglich zu machen.
- Das Bauvorhaben sei auf andere Grossprojekte in der Region
abzustimmen. Insbesondere sei sicherzustellen, dass das KKN mindestens
im bestehenden Ausmass auf drei Seiten an das Verkehrsnetz angebunden
werde, ohne Wohngebiete zu beeinträchtigen: An die Hauptstrasse H5
im Süden Dänikens und im Raum Gretzenbach und an die
Oltnerstrasse Niedergösgen via Industriestrasse.
- Die Belastung von Verkehr und Infrastruktur während des
Baus sei zuverlässig zu ermitteln und es seien geeignete
Massnahmen zu ergreifen. Die Immissionen seien minimal und der Verkehr
flüssig zu halten.
- Die Anbindung der Arbeitszonen aller drei Standortgemeinden an
das Schienennetz sei mindestens im heutigen Umfang aufrechtzuerhalten.
- Die betroffene Region sei für die aus dem Bauvorhaben
resultierende Mehrbelastung angemessen zu entschädigen.
- Die Betreiber würden aufgefordert, sowohl in der
Projektierungs- als auch in der Bauphase und beim späteren Betrieb
eng mit den Standortgemeinden zu kooperieren.
Die Gemeinden reagieren
Eppenberg-Wöschnau, so Gemeindepräsident Stephan
Bolliger, habe eine Stellungnahme eingereicht. Darin stehe der Verkehr
im Zentrum. Zum einen sei für den Gemeinderat ein
Verkehrsaufkommen von lediglich 5 Prozent "unrealistisch". Zum anderen
fehle dem Rat ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept.
Lostorf, so Gemeindepräsidentin Ursula Rudolf, habe
diverse Änderungsanträge eingebracht. Im Bereich Umwelt
störe sich der Gemeinderat, dass der alte Aarelauf
beeinträchtigt werde, falls das KKN auf dem Teilareal Nord
realisiert würde. Im Bereich Verkehr fordere der Rat, dass
vermehrt das Schwergewicht auf den öV zu legen sei. Allgemein
erachte der Rat einen Parallelbetrieb von Gösgen I und II als
nicht sinnvoll.
Man sei bei der Stellungnahme "mehr oder weniger" vom
Entwurf der drei möglichen Standortgemeinden ausgegangen, so der
Obergösger Gemeindepräsident Christoph Kunz. Der Rat habe
ferner festgehalten, dass bautechnisch keine Nachteile für die
Region entstehen dürften. Generell seien saubere Lösungen in
den Bereichen Verkehr, Umwelt und Raumordnung grosse Anliegen seitens
des Rates. Das Wichtigste aber sei, dass ein zweiter Bauplatz nicht auf
die Dauer legitimiert würde. Will heissen: Gösgen I und
Gösgen II sollten nicht auf Ewigkeiten parallel betrieben werden.
Mit einem Zweizeiler zu Wort gemeldet hat sich Rohr, wie
Gemeindepräsident Max Ernst sagt. "Wir werden Wert darauf legen,
dass Rohr einen angemessenen Anteil aus dem Kostenverteiler
erhält." Wenn dem so sei, unterstütze der Rat das Projekt
Gösgen II, sonst nicht.
In seiner Stellungnahme habe der Gemeinderat
Schönenwerd unter anderem bemängelt, dass der Nuklearteil zu
wenig umschrieben sei und dass keine Angaben zur Abfallentsorgung
während des Betriebes gemacht worden seien, so
Gemeindepräsident Peter Hodel. Beim Thema Verkehr habe der Rat
bemerkt, dass noch weitere grössere Baustellen wie der
Eppenberg-Tunnel in Planung seien, die ebenfalls zur Steigerung des
Verkehrsaufkommens beitragen könnten. Es fehlten Hinweise auf
flankierende Massnahmen.
Auch Winznau habe eine Stellungnahme eingereicht, so
Gemeindepräsident Markus Scheiwiller: "Wir wollten damit
sicherstellen, möglichst nichts zu vergessen, was man im
Nachhinein bereuen könnte."
Kanton im gleichen Boot
Kantonsplaner Bernard Staub vom Amt für Raumplanung
hat die Änderungsanträge der zehn Gemeinden zur Kenntnis
genommen. Er nehme die Anliegen der Gemeinden ernst und diese sowie die
Anliegen des Kantons würden sich zu grossen Teilen decken. "Wir
sitzen im selben Boot", so Staub. Welche Änderungen im Richtplan
aufgenommen werden, entscheide sich in den kommenden Wochen. Am
Mittwoch, 9. Juni, ist eine Info-Veranstaltung für die
Niederämter Bevölkerung angesetzt. Diese findet um 19 Uhr in
der Mehrzweckhalle Inseli in Niedergösgen statt. Der Richtplan
liegt vom 7. Juni bis 7. Juli in den Gemeinden auf.
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sf.tv 24.5.10
Anti-AKW-Demo: Generationen gegen Dinosaurier-Technik
Zwischen 4000 und 5000 AKW-Gegner haben mit einem Marsch
gegen den Neubau von Atomkraftwerken (AKW) in der Schweiz protestiert.
Politiker und Umweltverbände sehen den Pfingstmarsch als Auftakt
zu einer neuen Anti-AKW-Bewegung.
sda/from
Die gelbe Anti-Akw-Sonne ist wieder da - wie zur Zeit der
grossen Anti-AkW-Demos der 70er-Jahre. Farbig, vielfältig -
mittlerweilen generationen-übergreifend und friedlich ist der
Protest.
Tessin bietet sich an
Atomkraft stehe der Förderung erneuerbarer Energien
im Weg, sagte die Grüne Solothurner Nationalrätin Brigit Wyss
an der Kundgebung in Mülidorf, einem zu Niedergösgen (SO)
gehörenden Weiler in unmittelbarer Nähe des Atomkraftwerks
Gösgen. Mit dem Protestmarsch werde der Grundstein für den
Aussteig aus der Atomenergie gelegt.
Auch der Tessiner SP-Nationalrat Fabio Pedrina rief zum
Kampf gegen den Neubau von Atomkraftwerken in der Schweiz auf. Matteo
Buzzi von "Greenpeace Ticino" erinnerte, dass gerade in der Sonnenstube
der Schweiz die Rahmenbedingungen für alternative Energien sehr
gut seien.
Die Botschaft der Demonstranten ist klar: Atomkraftwerke
sind überholte, eine "Dinosaurier-Technologie", die abgeschafft
werden müsse. Die Zukunft gehöre den erneuerbaren Energien.
Alles ohne Zwischenfall
Der Protestzug von rund 4500 Personen sei erst der Anfang,
sagte Leo Scherrer von Greenpeace Schweiz. Bis zur - voraussichtlich
2013 stattfindenden - Volksabstimmung wolle man "eine neue
Anti-AKW-Bewegung" in Gang bringen. In der Schweiz formierten sich um
1970 die ersten Anti-AKW-Bewegungen. Sie besetzten 1975 das
Gelände des projektierten AKW Kaiseraugst (AG). Die neue Bewegung
müsse sich nun erst entwickeln, sagte Scherrer.
Im Publikum waren sowohl Veteranen der alten
Anti-AKW-Bewegung wie auch zahlreiche junge Menschen zu finden. Der
Anlass war mit vielen Angeboten für Kinder familienfreundlich
gestaltet und verlief ohne jeglichen Zwischenfall, wie der
Mediensprecher der Solothurner Kantonspolizei vor Ort festhielt.
Zahlreiche Organisationen
Zur Kundgebung hatten insgesamt 83 Organisationen und
Parteien aus der Schweiz sowie aus Frankreich, Österreich und
Deutschland aufgerufen. Bis zu 700 Personen marschierten mit
Transparenten in Aarau los. Gegen 3000 Menschen hatten sich in
Mülidorf versammelt, teilte die Kantonspolizei Solothurn mit.
Zahlreiche Menschen kamen vom Bahnhof in Däniken (SO) dazu.
Die Schlusskundgebung fand in Olten (SO) statt, wo unter
anderem die Nationalräte Christian van Singer (Grüne/VD) und
Rudolf Rechsteiner (SP/BS) Reden hielten. Dort waren gemäss
Polizeiangaben 4000 bis 5000 Menschen anwesend.
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swissinfo.ch 24.5.10
Suche nach geeignetem Standort für Atomabfall
swissinfo
Die Firma Arius im aargauischen Baden hilft den
europäischen Nachbarn bei der Suche nach einem passenden
Tiefenlager für radioaktive Abfälle. Zehn Länder,
darunter Österreich und Italien, nehmen die Dienstleistungen der
Firma bereits in Anspruch. Die Schweiz gehört nicht dazu.
Im Jahr 2006 hat die Schweizer Regierung ein
10-Jahres-Moratorium für die Ausfuhr von radioaktivem Abfall
erlassen. Für dessen Lagerung ist der Verursacher
verantwortlich."Ein Lager im Ausland ist nicht ganz auszuschliessen.
Dies wäre aber nur unter sehr strikten Auflagen möglich",
sagt Matthieu Buchs, Mediensprecher des Bundesamtes für Energie,
gegenüber swissinfo.ch. "Ausserdem gibt es zur Zeit keine Zeichen
dafür, dass eine internationale Lösung gefunden
wird."Vielleicht wird dies Arius ändern können. Die Firma
arbeitet mit COVRA zusammen, dem nationalen Amt für Entsorgung in
den Niederlanden. Zusammen führen sie eine multinationale
Arbeitsgruppe. Deren Aufgabe ist es, die Machbarkeit einer nicht
profitorientierten Europäischen Deponieentwicklungs-Organisation
(European Repository Development Organisation ERDO) zu untersuchen."Das
Konzept, dass sich sehr kleine Länder darum bemühen,
zusammenzuarbeiten, um eine Deponie zu errichten, macht wirtschaftlich
Sinn", sagt Charles McCombie, Geschäftsführer von Arius,
gegenüber swissinfo.ch.Neben gemeinsamen Geldmitteln, teilen die
in das ERDO-Projekt involvierten Länder auch ihr Wissen. Dabei
soll nicht nur eine gemeinsame Anlage für die Endlagerung von
atomaren Abfällen erstellt werden. Ziel ist auch herauszufinden,
wie eine künftige europäische Deponie-Organisation
funktionieren könnte.
Wessen Hinterhof?
Allein die Standortsuche für Atomenergie ist
schwierig. Wer sagt schon freiwillig ja zu einem AKW in seinem
Hinterhof? Geschweige denn zu einem Lager für gebrauchte
Brennstäbe."Tiefenlager sind sehr schwierig zu bauen. Zudem sind
sie sehr teuer", sagt McCombie: "Für ein sehr kleines Land mit
wenig Abfällen, ist es fast nicht selber finanzierbar."Der erste
Schritt ist einen Ort zu finden, der den geologischen Anforderungen
entspricht. Ein solcher Ort kann beispielsweise ein Gebiet sein, das
nicht durch Erosion der Oberfläche gefährdet ist."Es ist eine
technische Herausforderung, aber wenn es hart auf hart kommt, dann ist
das noch der leichtere Teil. Der wirklich schwierige Teil wird sein,
einen geeigneten Ort zu finden, wo die gesellschaftliche Akzeptanz
genügend hoch ist," sagt McCombie.Lokale Widerstände gegen
Deponien können zwar heftig sein. Aber es gibt auch Fälle, wo
die betroffenen Gemeinden Interesse daran hatten, die Rolle von
Abfallverwaltern zu übernehmen.In Skandinavien beispielsweise
haben sich einige Städte sogar einen Wettkampf für solche
Gelegenheiten geliefert. Sie bringen verschiedenen Nutzen wie direkte
finanzielle Anreize oder die langfristige Sicherung von
Arbeitsplätzen."Wir hoffen, dass sich die gleichen Prinzipien auf
der multinationalen Ebene anwenden lassen", sagt McCombie.
Natürlich hange der Erfolg des ERDO-Programms davon ab, ob sich
eine bereitwillige Gemeinde und ein bereitwilliges Land finden
lässt.
Schweizer Standorte
Das Schweizerische Kernenergiegesetz fordert, dass
radioaktive Abfälle in einem Tiefenlager aufbewahrt werden
müssten. Zurzeit werden die Abfälle allerdings temporär
in einer überirdischen Anlage gelagert."Die Schweiz ist der
Meinung, dass es die Pflicht jener ist, welche die radioaktiven
Abfälle produzieren, eine Lösung innerhalb des Landes zu
suchen", sagt Buchs.Die Suche für einen angemessenen und
langfristigen Deponiestandort wurde während längerer Zeit
verfolgt. Mögliche Orte wurden in den Kantonen Aargau, Nidwalden,
Obwalden, Thurgau, Schaffhausen, Solothurn und Zürich
gefunden.Nicht jeder ist allerdings darüber erfreut. Erhard
Meister, Regierungspräsident von Schaffhausen, sagte
gegenüber der Sonntags Zeitung: "Ein Atommüll-Lager ist in
der Region von Schaffhausen nicht zu akzeptieren."
Ein langer Prozess
In einem Bericht, der Anfang Mai veröffentlicht
wurde, schreibt die Eidgenössische Kommission für nukleare
Sicherheit, dass die Gebiete um den Südranden in Schaffhausen, im
Zürcher Weinland und beim Aargauer Bözberg, "sehr passende"
Gebiete seien für schwach- und mittelaktive
Abfälle.Gemäss der Kommission und Nagra, der Nationalen
Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, ist das
Zürcher Weinland am geeignetsten für hochradioaktive
Abfälle.2011 will der Bund eine definitive Entscheidung
darüber treffen, wo radioaktive Abfälle deponiert werden
sollen. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass es zehn Jahre dauern wird,
bis die nötigen Abklärungen getroffen sind, um ein solches
Lager zu bauen.Wo auch immer die Abfälle vergraben werden -
McCombie weist darauf hin, dass es Schlimmeres als radioaktive
Abfälle gäbe, wie zum Beispiel grosse Steinbrüche oder
Anlagen der Chemieindustrie, ganz zu schweigen vom
Brennstab-Kreislauf."Das ist für die Umwelt problematischer. Der
schlimmste Teil ist der, den wir nicht sehen - der Abbau und das
Zerkleinern von Uran", sagt McCombie, der während zwanzig Jahren
technischer und wissenschaftlicher Leiter der Nagra war.Nichts in der
Welt habe "null Risiko", sagt McCombie. Trotzdem beobachte er eine
zunehmende Akzeptanz gegenüber Atomenergie, und zwar in einer
Gesellschaft, in welcher der Energiekonsum ebenfalls am Steigen sei.
"Heutzutage haben die Menschen realisiert, insbesondere in der Schweiz,
dass Atomkraftwerke vernünftig und sicher sind."
Susan Vogel-Misicka, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Sandra Grizelj)
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Sonntagsblick 23.5.10
Die Bahn in der Stromfalle
Bauen die SBB ein AKW?
Von iso Ambühl
Die Bahnen brauchen schon bald massiv mehr Strom. Der
Atomlobby ist das nur recht: Sie möchte die SBB als Partner beim
Bau eines neuen AKWs.
Über 327 Millionen Passagiere beförderten die
Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) im letzten Jahr. Diese Zahl
könnte sich laut Prognosen bis 2030 verdoppeln. Das heisst: Die
SBB brauchen massiv mehr Züge. Das bedeutet gleichzeitig: Die SBB
brauchen mehr Strom.
Viel mehr!
SBB-Sprecher Reto Kormann spricht von einer drohenden
"Energielücke". Sie wird bis 2030 auf 400 Gigawattstunden im Jahr
ansteigen. Das SBB-Stromsparprogramm, das bis in fünf Jahren 230
Gigawattstunden einsparen soll, ist in dieser Zahl bereits
eingerechnet. Zum Vergleich: 230 Gigawattstunden Strom verbrauchen 60
000 Haushalte im Jahr. Die SBB-Züge benötigten 2009 insgesamt
1700 Gigawattstunden.
Die Situation verschärft sich bereits 2017. Dann
werden die Züge durch den neuen Gotthard-Basistunnel donnern und
das Zürcher S-Bahn-Netz wird dichter denn je sein. Bereits dann
schwinden die Stromreserven für den Spitzenbedarf, etwa wenn an
einem Wintermorgen im Stossverkehr der Energiebedarf in kurzer Zeit in
die Höhe schnellt. Kommt hinzu, dass die Züge im einspurigen
Gotthard-Basistunnel wegen des höheren Luftwiderstands viel mehr
Strom schlucken als in anderen Tunnels.
Offiziell spielen die SBB das Problem herunter. Ein
Notfallplan sei nicht notwendig, sagt Jon Bisaz, Leiter von SBB
Energie. Er setze darauf, dass die Bahnen ihren Strombedarf auch
langfristig zu drei Vierteln aus klimaschonender Wasserkraft beziehen
könnten.
So einfach ist dies nicht. Die SBB stecken mitten in sehr
schwierigen Verhandlungen. Sie möchten die Konzessionen für
vier wichtige Wasserkraftwerke im Tessin, Unterwallis und am Sihlsee
(Etzelwerk) erneuern. Die Standortkantone wollen aber mehr Mitsprache
und die Preise erhöhen.
Zürich, Zug und Schwyz gingen wegen des Etzelwerks im
Januar vors Bundesverwaltungsgericht. Streitpunkt: Sie beanspruchen neu
das Eigentum am Kraftwerk, was den SBB nicht passt. Im Fall des
Ritom-Kraftwerks sind die Gespräche zwischen SBB und Tessiner
Regierung seit Jahren blockiert. Das Bundesamt für Energie gab
ihnen für eine Lösung eine letzte Frist bis Ende Juni.
Lachende Dritte ist jetzt die Atomlobby. Bei den
Stromkonzernen Axpo, BKW und Alpiq, die ein neues AKW bauen wollen,
können die Bahnen jederzeit anklopfen. "Für uns wären
die SBB ein interessanter Partner", sagt Axpo-CEO Heinz Karrer (51).
Karrers politisches Kalkül liegt auf der Hand: Mit
den beliebten SBB im Boot wäre eine Volksabstimmung über den
Bau neuer Atomkraftwerke eher zu gewinnen.
Die SBB geben sich bedeckt. Sprecher Kormann
bestätigt einzig, dass die Bahn mit Vertretern der Strombranche
immer wieder "informelle Gespräche" führe. Bereits heute
fahren die SBB-Züge zu fast einem Viertel mit Atomstrom,
vorwiegend aus französischen AKWs. Doch diese kostengünstigen
Verträge laufen ab 2016 aus.
Entscheide sind keine gefallen. Doch die Zeit drängt:
Bis 2011 definieren die SBB, wie sie die Stromversorgung künftig
sicherstellen.
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BZ 22.5.10
AKW Mühleberg
Ein Nein hätte Folgen
Der Bund gibt nicht nach: Der Kanton Bern erhält
nicht mehr Zeit für die AKW-Abstimmung. Diese ist überaus
wichtig.
Der Bund gewährt den Kantonen nicht mehr Zeit
für ihre Stellungnahmen zu den geplanten neuen Atomkraftwerken.
Der Berner Regierungsrat hatte eine Fristerstreckung verlangt, weil er
das Volk anhören will. Nun soll die Abstimmung im Februar 2011
stattfinden. Sie ist gemäss dem neuen BKW-Präsidenten Urs
Gasche überaus wichtig: Ein Nein wäre wohl das Aus für
ein neues AKW in Mühleberg.
fab
Seite 5
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AKW-Abstimmung
Leuenberger bleibt hart
Bundesrat Moritz Leuenberger lässt den Kanton Bern
abblitzen: Er findet, die Zeit für eine Abstimmung über ein
AKW in Mühleberg reiche aus. Das Hin und Her ist verwirrlich. Bern
will nun die Expressvariante wählen.
Alles Bitten half nichts: Der Kanton Bern bekommt nicht
mehr Zeit, um die konsultative Volksabstimmung über den Neubau
eines Atomkraftwerks in Mühleberg durchzuführen. Dies gab das
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek)
von Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) gestern bekannt. Die kantonale
Abstimmung soll nun wie geplant am 13.Februar 2011 stattfinden.
Die Berner Regierung hatte um eine Fristerstreckung
gebeten, da die Zeit für eine seriöse Vorbereitung der
Abstimmung zu knapp sei (wir berichteten). Das Hin und Her ist
einigermassen verwirrlich. Die Berner Regierung ging davon aus, dass
die definitive Stellungnahme - also jene des Volkes - zwingend bis Ende
März 2011 abgegeben werden müsse. Das Uvek erklärt nun
aber, bis Ende März müsse erst die "regierungsrätliche
Stellungnahme" eingereicht werden. Jene des Volkes könne der
Kanton später noch nachreichen.
"Das schaffen wir"
Das hat Barbara Egger (SP), die bernische
Energiedirektorin, verwirrt, wie sie eingesteht. Sie fragt sich, wieso
sich das Uvek dagegen sperre, die Frist zu verlängern, dafür
aber erlaube, dass auch später noch Stellungnahmen eingereicht
werden. Ihr Verdacht: "Ich werde den Eindruck nicht los, dass die
spätere Stellungnahme des Volkes gar nicht mehr wirklich
berücksichtigt würde, weil das Verfahren in der Zwischenzeit
schon weiter fortgeschritten ist." Deshalb will die Berner Regierung
alles daran setzen, dass das Volk am 13.Februar abstimmen kann.
"Irgendwie werden wir das schaffen", sagt Egger. Das Wichtigste sei,
dass Bern eine einzige Stellungnahme abgebe und nicht zuerst eine
provisorische und dann eine zweite, die der ersten womöglich noch
widerspricht. "Das würde kein Mensch begreifen."
Amt gegen Verzögerung
Beim Bundesamt für Energie wehrt man sich gegen
Eggers Verdacht: Spätere Stellungnahmen aus Volksabstimmungen
würden genauso berücksichtigt und in die Beurteilung
einfliessen wie die anderen. Dies sei möglich, auch wenn das
Verfahren parallel dazu fortgesetzt werde. Wenn aber die Frist für
die Stellungnahmen generell erstreckt worden wäre, hätte dies
zu einer Verzögerung des ganzen Verfahrens geführt.
"Nichtstellungnahme"?
Es ist kein Zufall, dass die Diskussion um die Fristen
gerade in Bern so intensiv geführt wird. Bern ist der einzige
AKW-Standortkanton mit einer mehrheitlich rot-grünen Regierung,
die neue AKW grundsätzlich ablehnt. Allerdings steht ihr ein
Grosser Rat mit einer atomfreundlichen bürgerlichen Mehrheit
gegenüber, die bei den Wahlen massiv gestärkt wurde.
Der Fahrplan sieht nun so aus: Der Grosse Rat dürfte
die Regierung in der Junisession verpflichten, eine positive
Stellungnahme zum AKW-Neubau in Mühleberg zu verfassen. Diese
dürfte im November im Grossen Rat mit klarem Mehr verabschiedet
werden. Allerdings wird der Regierungsrat beantragen, das Geschäft
dem obligatorischen Referendum zu unterstellen und damit eine
Volksabstimmung zu ermöglichen. Das Volk könnte so
entscheiden, ob es der positiven Stellungnahme zustimmt oder diese
ablehnt.
Wenn die AKW-Gegner obsiegen, gibt Bern eine Art
"Nicht-stellungnahme" ab: Der Kanton würde dem Bund mitteilen, die
Mehrheit des Volkes lehne es ab, eine positive Stellungnahme zu einem
neuen AKW in Mühleberg abzugeben. Das Signal wäre so oder so
klar.
Die Abstimmung ist zwar nur konsultativ, aber überaus
wichtig: Der neue BKW-Präsident Urs Gasche sagt, bei einem Nein,
sei der Standort Mühleberg im Rennen mit Gösgen und Beznau
"wohl ziemlich chancenlos" (siehe Interview auf Seite 38).
fab
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Bund 22.5.10
Meinungen zu AKW Gösgen II gespalten
Im Solothurner Niederamt regt sich Widerstand gegen den
Bau eines neuen Atomkraftwerks (AKW) Gösgen II. Der Gemeinderat
von Dulliken SO lehnt das neue AKW grundsätzlich ab. Die anderen
Gemeinden fordern vor allem eine gerechte Abgeltung. Ein neues AKW
würde die Lebensqualität im Niederamt zusätzlich
verschlechtern und das diffuse Sicherheitsgefühl
beeinträchtigen, sagte Theophil Frey, Gemeindepräsident von
Dulliken SO, gestern auf Anfrage. Deshalb lehnte der Dulliker
Gemeinderat in einer Vorkonsultation die Anpassungen im Richtplan
für Gösgen II ab. Damit wolle man "ein Zeichen setzen", hielt
Frey fest. Sollte das AKW dennoch kommen, wolle sich Dulliken vor allem
für eine gerechte Abgeltung einsetzen. Die Abgeltung sei auch
anderen Gemeinden im Niederamt ein Anliegen, sagte Kurt Henzmann,
Gemeindepräsident von Niedergösgen.
Beim Bundesamt für Energie liegen neben dem
Rahmenbewilligungsgesuch für das AKW Niederamt auch Gesuche
für ein neues AKW in Mühleberg BE und Beznau AG vor. Der
Bundesrat entscheidet über die drei Gesuche voraussichtlich Mitte
Mai 2012. (sda)
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Aargauer Zeitung 22.5.10
"Kein Atommüll im Bözberg"
Rund 60 Personen fanden sich auf dem Stalden ein zur
Gründung des Vereins KAIB
Grossrätin Elisabeth Burgener sagte: "Überall
regt sich Widerstand, ausser am Bözberg." Der Verein KAIB will das
nun radikal ändern.
Peter Belart
Der Grossraum Bözberg ist einer von sechs
möglichen Standorten, die von der Nagra zur Tiefenlagerung
radioaktiver Abfälle ausgeschieden wurden. Knapp 50 Gemeinden
liegen innerhalb eines Perimeters, der von einem allfälligen Bau
betroffen sein könnte. Dazu kommen grenznahe Gebiete Deutschlands.
Der neu gegründete Verein KAIB ("Kein Atommüll im
Bözberg") will sich dafür einsetzen, dass hier keine atomaren
Abfälle eingelagert werden. Er stellt jedoch auch die
Tiefenlagerung ganz allgemein infrage und plädiert für ein
Moratorium in dieser Sache.
Vier Gründe dagegen
Das Argumentarium des Vereins umfasst im Wesentlichen vier
Punkte: Erstens sei die Region schon jetzt mit diversen Anlagen aus dem
Atom- und Energiebereich weit überdurchschnittlich belastet; eine
weitere Zuweisung sei nicht zumutbar. Zweitens müsse eine
wissenschaftlich fundierte Lösung gefunden werden; beim
Bözberg dagegen stünden politische Überlegungen im
Vordergrund. Drittens fehlten Erfahrungen mit einer sicheren Lagerung
und diverse technische Aspekte seien ungelöst: "Wir wollen nicht
Versuchskaninchen sein." Viertens sei nicht nachvollziehbar, wie sich
ein Atommülllager mit der Idee eines Juraparks vertrage.
Folgende Personen wollen nun im Vorstand des Vereins KAIB
dafür kämpfen, dass diesen Argumenten Rechnung getragen wird:
Elisabeth Burgener, Gipf-Oberfrick, Grossrätin, Werklehrerin und
Erwachsenenbildnerin; Jörg Wyder, Remigen, Agronom im Ruhestand;
Elisabeth Tauss, Gipf-Oberfrick, medizinische Praxisassistentin,
Bio-Fachfrau; Wendel Hilti, Gipf-Oberfrick, Biologe; Erwin Hermes,
Gipf-Oberfrick, Pharma-Forscher; Matthias Gautschi, Brugg, Biologe,
Biochemiker. Burgener und Wyder fungieren als Co-Präsidenten.
"Atommüll XY ungelöst"
Bei der Behandlung der Statuten gab einzig die
Formulierung des Vereinszwecks einiges zu reden: "Der Verein bezweckt,
ein Atommülllager im Bözberg zu verhindern." Einzelne
Votanten empfanden die Formulierung als allzu schroff und negativ
gefärbt; sie drangen aber in der Abstimmung nicht durch.
Das Tätigkeitsprogramm sieht als ersten Punkt die
Teilnahme an einer Veranstaltung vor, die am 9. Juni um 20 Uhr im
Brugger Salzhaus stattfindet. Die Schweizerische Energie-Stiftung (SES)
wird dort unter dem Titel "Atommüll XY ungelöst" auf offene
Fragen und mögliche Risiken eingehen.
Die den Abend abschliessende Umfrage verlief animiert. Ein
Votant hielt fest, auf dem Bözberg selber rege sich kaum
Widerstand. Man müsse unbedingt die Bözberger besser
aufklären und zum Widerstand ermuntern. Es sei doch klar, was die
Nagra bezwecke, sagte ein anderer: Möglichst tief hinunter, Deckel
drauf und zu - aus den Augen, aus dem Sinn. Eine solche Politik sei
unredlich.
"Es eilt nicht"
Weiter wurde angeregt, vermehrt alternative Energien zu
fördern, um nicht weitere Problem-Abfälle zu generieren. Neue
AKW seien zu verhindern. Jemand mahnte an, die einzelnen vorgesehenen
Standorte nicht gegeneinander auszuspielen. "Es eilt nicht!", sagte ein
Mann; die Technik mache rasante Fortschritte und so seien
zukünftige neue Lösungsansätze in dieser Frage gut
vorstellbar. Eine Frau wies auf den Sinneswandel hin, den die
verantwortlichen Instanzen in letzter Zeit vollzogen hätten:
"Zuerst hiess es, Salzschichten seien am sichersten, dann hiess es,
kristallines Gestein sei zu bevorzugen, und nun steht der Opalinuston
im Vordergrund. Mein Glaube an solche Aussagen ist erschüttert."
Auch nach Versammlungsschluss wurden die Diskussionen noch
längere Zeit animiert fortgesetzt.
Weitere Informationen: KAIB, Postfach 30, 5073
Gipf-Oberfrick http://www.kaib.ch
---
St. Galler Tagblatt 22.5.10
Atom-Ausstieg bis 2050
Die Stadt unterbreitet einen Gegenvorschlag zur
SP-Initiative "Stadt ohne Atomstrom". Laut diesem sollen die Stadtwerke
künftig einen Strommix "ohne Atomstromanteil" als Standardprodukt
anbieten.
Peter Brühwiler
Die SP der Stadt St. Gallen war vor einem Jahr skeptisch:
Mit dem Auftrag für den Stadtrat, einen Gegenvorschlag zu ihrer
Initiative "Stadt ohne Atomstrom" auszuarbeiten, sei "noch in keiner
Weise gesichert, dass der Ausstieg aus der Atomenergie auch
tatsächlich erfolgen wird". Dies schrieb sie in einem
Communiqué, nachdem die Volksinitiative im Stadtparlament klar
durchgefallen war.
Ebenso klar wurde der Stadtrat im Gegenzug zur
Ausarbeitung des Gegenvorschlages beauftragt. Die SP teilte in besagtem
Communiqué weiter mit, man ziehe die Initiative nicht
zurück, "solange kein Gegenvorschlag vorliegt, der den
Atomausstieg mindestens so konkret und realistisch vorzeichnet".
Ziel: Ausstieg bis 2050
Die SP-Initiative verlangt, bestehende Verträge zum
Bezug von Atomenergie nicht zu verlängern und keine neuen
einzugehen. Dies würde einen schrittweisen Atomausstieg ab 2017
bedeuten, denn dann laufen die ersten wichtigen
Atomstrom-Lieferverträge der Stadt St. Gallen aus.
"Die Stadt verfolgt das Ziel, unter Wahrung der
Versorgungssicherheit den Bezug von Atomenergie schrittweise zu
reduzieren und spätestens im Jahr 2050 keine Atomenergie mehr zu
beziehen", heisst es nun im Gegenvorschlag. Ob diese Formulierung der
städtischen SP konkret genug ist, wird sich zeigen. Stadtrat Fredy
Brunner jedenfalls bezeichnet das Papier als "Steilvorlage" an die
Sozialdemokraten. Ein Atomausstiegsziel in der Gemeindeordnung
festzuschreiben, sei höchst ungewöhnlich. Während der
Erarbeitung der Vorlage seien denn auch "epische Diskussionen"
geführt worden.
Wie die Lücke stopfen?
Ursprünglich wollte der Stadtrat gar keinen
Gegenvorschlag zur "Stadt ohne Atomstrom"-Initiative präsentieren.
Denn "implizit" sei das Ziel des Atom-Ausstiegs bereits im
Energiekonzept 2050 enthalten, sagt Fredy Brunner. Allerdings nicht ab
2017. Die Stadt bezweifelt, den Atomstrom in dieser Frist sinnvoll
ersetzen zu können. Eine Möglichkeit wäre, die
Lücke mit Energie aus Kohlekraftwerken zu stopfen. Dies
widerspricht aber dem "Geist" des Energiekonzepts, das eine Reduktion
des CO2-Ausstosses anstrebt.
Konkret handelt es sich um 320 der jährlich
verbrauchten 520 Gigawattstunden (GWh) Strom, die laut Stadtrat nun bis
2050 schrittweise durch neue Energiequellen zu ersetzen sind.
"Theoretisch könnte diese Menge relativ rasch vollständig
durch Wasserkraft ersetzt werden, indem die erforderliche Menge
Wasserstrom am Markt zulasten anderer Bezüger aufgekauft
würde", heisst es im Gegenvorschlag. Diese
"Sankt-Florians-Politik" sei aber wenig sinnvoll, denn "sie treibt den
Preis für Wasserstrom in die Höhe und verschiebt das Problem
auf andere Städte oder Gemeinden". Als Kompromiss will die Stadt
den Wasserstrom-Anteil am Strommix von heute 30 Prozent um 150 GWh auf
60 Prozent erhöhen.
Zwei Energievorlagen
Bleiben von den 320 also noch 170 GWh, für die unter
anderem das geplante Geothermie-Kraftwerk mit maximal 40 GWh in die
Bresche springen soll. Die Vorlage für das Geothermie-Kraftwerk
soll übrigens zeitgleich mit dem Gegenvorschlag zur Initiative
"Stadt ohne Atomstrom" an die Urne gelangen. So "können die St.
Gallerinnen und St. Galler eine energiepolitisch bedeutsame
Weichenstellung vornehmen", schreibt der Stadtrat.
Die Weichen auf "atomfrei" können Stromkonsumenten
bereits heute stellen; indem sie anstelle des Standardangebotes
beispielsweise das leicht teurere Produkt "Aquapower - Strom aus
Wasserkraft" beziehen. Die städtische CVP machte im vergangenen
Herbst den Vorschlag, dieses anstelle des Produktes "Basispower - unser
Mixstrom" zum Standard zu erheben. Die Idee wird im Papier des
Stadtrates nun aufgenommen. Statt "Strom aus Wasserkraft" soll das
Anhängsel des geplanten neuen Standardproduktes allerdings "ohne
Atomstromanteil" lauten.
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Berner und Zürcher Weg
Die Stadt Zürich hat den Atomausstieg 2008 an der
Urne beschlossen. Konsequenzen hat dieser Entscheid ab 2038, wenn die
ersten wichtigen Lieferverträge auslaufen. Bereits ein Jahr
später, also ab 2039, will die Stadt Bern komplett auf Atomstrom
verzichten. Um dies zu erreichen, sollen in den kommenden 30 Jahren 470
Millionen Franken in neue Anlagen investiert werden. Die Initiative
"Energiewende Bern" fordert derweil den Atomausstieg bis ins Jahr 2020.
Entschieden wird an der Urne. (per)
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Finanz und Wirtschaft 22.5.10
Axpo warnt vor Blackout und drängt auf neue Kernkraftwerke
Versorgungsengpass droht sich zu verschärfen -
Argumentative Lücken
Christoph Gisiger
Wie die Welt in zehn Jahren aussehen wird, lässt sich
kaum sagen. Dennoch muss die Stromwirtschaft bereits heute in die
Versorgung von morgen investieren und dafür Annahmen zur Zukunft
treffen. 2005 hat sich der Elektrizitätskonzern Axpo deshalb
erstmals grundlegend mit solchen Schlüsselfragen befasst und dabei
vor einer "drohenden Stromlücke" gewarnt. Wohlwissentlich legte
der grösste Schweizer Stromproduzent damit eine argumentative
Basis, um die Diskussion über neue Kernkraftwerke neu zu lancieren.
Inzwischen hat Axpo die unter dem Namen "Stromperspektiven
2020" veröffentlichte Studie aktualisiert. Mit überraschendem
Resultat: Das Problem eines Versorgungsengpasses habe sich deutlich
verschärft, erklärte CEO Heinz Karrer an einer
Medienkonferenz. Das erstaunt vor allem deshalb, weil die
Wirtschaftskrise den Stromverbrauch in Europa um Jahre
zurückgeworfen hat und Elektrizität derzeit alles andere als
knapp ist. Was also verleitet Axpo zu dieser These?
Weil der Druck der EU auf die Schweiz zunehme, sieht der
Stromkonzern vor allem die privilegierten Importverträge für
Kernenergie aus Frankreich gefährdet. Sie passen nicht mehr in den
Rechtsrahmen eines einheitlichen und liberalisierten Strommarktes
für Europa, was vor fünf Jahren noch nicht absehbar gewesen
sei. Auch verzögere sich der Ausbau der neuen Energien, weil er
bei Umweltverbänden und der lokalen Bevölkerung auf mehr
Widerstand als erwartet stosse. Schliesslich hätten die
Abhängigkeit vom Ausland und hohe Kosten zur Kompensation des
CO2-Ausstosses Axpo dazu bewogen, Pläne zum Bau von
Gas-Dampfkraftwerken in der Schweiz zu sistieren, führte Karrer
weiter aus.
Dass die Axpo-Tochter EGL just während seines
Referats mit dem Energieriesen Eon einen Vertrag zum Bau einer
Gaspipeline durch das Adriatische Meer unterzeichnete, wurde in diesem
Zusammenhang mit keinem Wort erwähnt (vgl. Seite 19).
Problematisch ist jedoch vor allem, dass die Studie eher statisch wirkt
und auch ökonomischen Aspekten nicht Rechnung trägt. So wurde
seit 2005 beispielsweise der Bau mehrerer grosser Speicherkraftwerke in
Angriff genommen. Mit ihrer flexiblen Produktion erzielen sie hohe
Einnahmen, die sich auf dem internationalen Markt etwa zum Kauf von
günstigerem Bandstrom verwenden liessen. Auch ist die EU wegen der
stark schwankenden Produktion aus Windkraft auf rasch einsetzbare
Kraftwerke angewiesen, was der Schweiz in den bilateralen Strom- und
Energieverhandlungen keine schlechten Karten gibt. Zudem hat sich
gezeigt, dass Kernkraftwerke durch kontinuierliches Nachrüsten
länger als ursprünglich erwartet am Netz bleiben können.
An der Tatsache, dass die dienstältesten Schweizer
Kernanlagen in Beznau und Mühleberg irgendwann vom Netz
müssen, ändert das freilich nichts. An ihrem Ersatz durch
neue Kernkraftwerke führt deshalb kein Weg vorbei.CG
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Indymedia 23.5.10
Menschenstrom gegen Atom ::
AutorIn : schubiduwuawua : -
Demo am 24.05.2010 / AKW Gösgen
Die Stromkonzerne wollen drei neue AKW bauen. Dagegen wehren wir
uns! Zur Aktion "MenschenStrom gegen Atom" sind alle eingeladen, die
sich eine Zukunft ohne Atomkraft wünschen. Interessierte jeden
Alters wandern am 24. Mai 2010 gemeinsam von Aarau oder von
Däniken via Mülidorf (beim AKW Gösgen) nach Olten.
10:00 Uhr Start "Sportliche" am "Graben”, Aarau
11:13 & 11:49 Uhr Start "Gemächlichere" Bhf.
Däniken
12:30 Uhr "Nein zu neuen AKW, ja zum Atomausstieg!"
Mülidorf bei Däniken/Gösgen - Kundgebung und
Picknick
13:30 Uhr Gemeinsamer Marsch nach Olten
16:00 Uhr "Die Zukunft ist erneuerbar"
Schlusskundgebung auf der Schützenmatte Olten
mit Konzert
ab 17:30 Uhr Rückreise
Wichtig: Entgegen anderslautender Vorankündigung findet die
Schlusskundgebung in Olten auf der Schützenmatte statt.
Jede Person zählt - lassen auch Sie den MenschenStrom
anschwellen
Quelle: http://www.menschenstrom.ch/