MEDIENSPIEGEL 27.5.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- City Beaches Grosse Schanze ab 4. + 11.6.10
- Stadttauben weg - Stadt will Rotationsprinzip erzwingen
- Fixerstübli: Mehr Einfluss der Stadt
- Dealerszene BE: Dr. X vetickte Dormicum + Rohypnol
- Drogenszene Thun: Zeitung für Drogenabhängige
- Erich Hess: Kopfbedeckungsverbot + Sesselkleben
- Police BE: Neuer Chef Planung + Einsazt
- Big Brother Büpf: Trojaner-Angriff
- Häuserbesetzung Biel
- Neonazis Burgdorf: Sophies Bar in der Oberstadt
- Revolte BS: Polizei + Kameras gegen das Antikapital
- 1. Mai ZH: Hohe Geldstrafen
- 30 Jahre Züri brännt: Gestern wie heute, aber subito!
- Häuserkampf ZH auf DVD
- 30 Jahre Xenix ZH
- RaBe-Info 27.5.10
- Asylgesetz: Verschärfung des Verschärften
- Ausschaffung: Sonderstrafrecht; Versagen der
Nothilfe-Repression
- Amnesty: Mehr Rassismus in der Schweiz
- Sempach: Feierverlegung aus Angst vor Extremen
- Neonazis Liechtenstein: Brandstifter von rechts
- Sexwork: Inti zum Internationalen Hurentag vom 2.6.10
- Sklavereigeschichte: Muslimischer Sklavenhandel
- Anti-Atom: Menschenstrom gegen Atom; NWA; NWA-SO;
Gösgen-Pause; Endlager
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REITSCHULE
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Do 27.05.10
20.00 Uhr - Kino - Grand Prix Visions du
Réel (Nyon) 2009: L'encerclement - La démocratie dans les
rets du néolibéralisme. (Die Einkesselung- die Demokratie
in den Fängen des Neoliberalismus), Richard Brouillette, Kanada
2008, BETA SP, 160 Min., Ov/d
20.30 Uhr - Tojo - "Burn Out" Von Les Etoiles. Text:
Michael Stauffer. Regie: Ragna Guderian.
21.00 Uhr - Rössli - Punky Reggae Night mit Djane
Queen Horror und DJ Lux Vega sowie DJ Caribpunk und B.I.G.G.Y
Fr 28.05.10
20.00 Uhr - Kino - Grand Prix Visions du Réel
(Nyon) 2009: L'encerclement - La démocratie dans les rets du
néolibéralisme. (Die Einkesselung - die Demokratie in den
Fängen des Neoliberalismus), Richard Brouillette,
Kanada 2008, BETA SP, 160 Min., Ov/d
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar: Standard und
lateinamerikanische Tänze und Disco für Frau und Frau, Mann
und Mann und friends mit DJ Zardas
23.00 Uhr - Dachstock - Super Flu - live & DJ
(Monaberry/Herzblut/Traum/D), Ascion (Drumcode/ITA) - Support: Tadeo
Doberska (be) - Techno, Minimal, House
Sa 29.05.10
20.00 Uhr - Kino - Grand Prix Visions du Réel
(Nyon) 2009: L'encerclement - La démocratie dans les rets du
néolibéralisme. (Die Einkesselung - die Demokratie in den
Fängen des Neoliberalismus), Richard Brouillette,
Kanada 2008, BETA SP, 160 Min., Ov/d
20.30 Uhr - Tojo - "Burn Out" Von Les Etoiles. Text:
Michael Stauffer. Regie: Ragna Guderian.
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: Tech Itch
(TechFreak/UK), Deejaymf (cyro.ch), VCA (Biotic Rec), Lost Sequence
(DSCI4/ch)
So 30.05.10
20:00 G. - Rössli - Rag y los Hermanos Patchekos
(gutfeeling) - lo-fi beat orchestra
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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CITY BEACH
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BZ 27.5.10
Grosse Schanze
Baustart für Stadtstrände
Auch der zweite Stadtstrand ist bewilligt. Am Wochenende
beginnt der Aufbau - Eröffnung ist am 4. und 11.Juni.
Dem Strandfeeling auf der Grossen Schanze steht nun nichts
mehr im Wege: Nach der City Beach AG hat auch das zweite Strandprojekt
der Hilterfinger Concent Concert&Event GmbH von Stadt und Kanton
grünes Licht erhalten.
Der Stadtstrand der City Beach AG ist auf der
Einsteinterrasse geplant, jener der Concent Concert&Event GmbH auf
der anderen Seite, bei SBB-Personalrestaurant und Lebensbrunnen. Wie
Beat Hofer, Geschäftsführer der Concent Concert&Event
GmbH, erklärt, beginnen die Aufbauarbeiten diesen Freitag. Am
Dienstag werden 270 Tonnen Sand geliefert und am Mittwoch die
Rattanmöbel. Eröffnung ist laut Hofer am 4.Juni.
Auch die City Beach AG baut ihren Strand ab Samstag auf.
Eröffnung ist laut Remo Neuhaus am 11.Juni "rechtzeitig zum
WM-Beginn".
as
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STADTTAUBEN
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derbund.ch 27.5.10
"Stadttauben" haben besetztes Grundstück geräumt
pd / js
Am 19. Mai wurden die "Stadttauben" durch die Stadt
aufgefordert, das besetzte Grundstück in Bern-Bümpliz bis
Ende Monat zu räumen. An Pfingsten hat die alternative Wohngruppe
diese Forderung erfüllt. Wo sie sich nun niedergelassen hat, ist
der Stadt nicht bekannt.
Die Stadttauben hatten das städtische Grundstück
in Bern-Bümpliz seit dem 13. März besetzt. Weil die Stadt
eine einvernehmliche Lösung suchte, wurde die ehemalige
Regierungsstatthalterin Regula Mader beauftragt, mit allen alternativen
Wohngruppen auf Stadtboden Verhandlungen zu führen. Eine
einvernehmliche Lösung konnte jedoch keine gefunden werden.
Stadt bot Wankdorf-City an
Am 19. Mai wurde den Stadttauben und dem Verein
Alternative (Stadtnomaden) ein Gebrauchsleihevertrag für das Areal
Wankdorf-City angeboten. Der Vertrag hätte eine Nutzung des Areals
vom 31. Mai bis zum 31. August vorgesehen.
Während sich die Stadtnomaden bereit erklärt
haben, auf das offerierte Grundstück umzuziehen, blieben die
Stadttauben eine Antwort schuldig. Wo sie sich zurzeit aufhalten, ist
der Stadt nicht bekannt.
Rotationsprinzip soll für alle gelten
Wie die Stadt Bern am Donnerstagmorgen mitteilte, verfolge
sie das kurzfristige Ziel, alle alternativen Wohngruppierungen auf
Stadtboden in das im Oktober 2008 etablierte Rotationsprinzip
einzubinden.
Dieses sehe vor, sämtlichen alternativen
Wohngruppierungen im Dreimonatsrhythmus ein gemeinsam zu nutzendes
Gelände der Stadt, der Burgergemeinde oder des Kantons zur
Verfügung zu stellen.
Längerfristig solle eine spezielle Wohnzohne
geschaffen werden. Bis diese Arbeiten für eine spezielle Wohnzone
abgeschlossen seien, solle am Rotationsprinzip festgehalten werden -
ohne Ausnahme.
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bern.ch 26.5.10
Stadttauben haben das besetzte Grundstück in
Bern-Bümpliz geräumt
Am 19. Mai 2010 wurden die Stadttauben durch die Stadt
aufgefordert, das besetzte Grundstück in Bern-Bümpliz bis am
31. Mai 2010 zu räumen. Dem städtischen Ultimatum sind die
Stadttauben nun über Pfingsten nachgekommen. Das Angebot eines
Gebrauchsleihevertrages für das Areal Wankdorf City vom 31. Mai
bis am 31. August 2010 haben sie jedoch bis jetzt nicht angenommen. Ihr
jetziger Standort ist unbekannt.
Am 13. März 2010 haben die Stadttauben, eine Gruppierung,
die alternative Wohnformen pflegt, ein städtisches Grundstück
in Bern-Bümpliz besetzt. Im Hinblick auf eine einvernehmliche
Lösung hat die Stadt darauf alt Regierungsstatthalterin Regula
Mader beauftragt, mit allen alternativen Wohngruppen auf Stadtboden
Verhandlungen zu führen und das Gespräch zu suchen. Eine
einvernehmliche Lösung konnte jedoch keine gefunden werden.
Stadt bietet Wankdorf-City an
Am 19. Mai 2010 wurde den Stadttauben und dem Verein Alternative
(Stadtnomaden) das Angebot zu einem Gebrauchsleihevertrag für das
Areal Wankdorf-City vom 31. Mai bis zum 31. August 2010 übergeben.
Gleichzeitig stellte die Stadt den Stadtbauten das Ultimatum, das
Grundstück in Bern-Bümpliz bis am 31. Mai 2010 zu
räumen. Letzterem sind die Stadttauben über Pfingsten
nachgekommen. Wo sie sich momentan aufhalten, ist der Stadt nicht
bekannt. Der Verein Alternative hat sich einverstanden erklärt,
per Ende Mai auf das offerierte Grundstück auf dem Areal
Wandorf-City umzuziehen. Die Stadttauben blieben eine Antwort schuldig.
Rotationsprinzip soll für alle gelten
Die Stadt verfolgt das kurzfristige Ziel, alle alternativen
Wohngruppierungen auf Stadtboden in das anlässlich eines Runden
Tisches mit der Burgergemeinde, den Stadtbauten Bern, dem
Regierungsstatthalteramt, dem kantonalen Amt für Grundstücke
und Gebäude, Energie Wasser Bern sowie der Stadtverwaltung im
Oktober 2008 etablierte Rotationsprinzip einzubinden. Dieses sieht vor,
sämtlichen alternativen Wohngruppierungen im Dreimonatsrhythmus
ein gemeinsam zu nutzendes Gelände der Stadt, der Burgergemeinde
oder des Kantons zur Verfügung zu stellen. Der Gemeinderat hat
entschieden, längerfristig eine spezielle Wohnzone zu schaffen
(vgl. Medienmitteilung des Gemeinderats vom 12. Mai 2010). Bis die
hierfür nötigen Arbeiten abgeschlossen sind, soll am
Rotationsprinzip festgehalten werden. Ausnahmen vom Rotationsprinzip
sollen keine geduldet werden.
Informationsdienst der Stadt Bern
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DROGENSZENE BE
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Bund 27.5.10
Stadt hat mehr Einfluss bei Fixerstübli
Kanton, Stadt und Contact-Netz arbeiten beim Betrieb der
Drogenanlaufstelle in Bern enger zusammen.
Rahel Bucher
Am Morgen ist der Platz vor der Drogenanlaufstelle meist
menschenleer. Manchmal streicht ein verirrter Hund umher, oder ein
Strassenwischer räumt Abfälle vom Trottoir weg. Ab 14.30 Uhr
nimmt der Betrieb laufend zu. Menschen gehen ein und aus, passieren die
Securitas-Männer, die am Eingang stehen, unterhalten sich, lachen,
streiten oder streicheln ihren Hund. Die Kontakt- und Anlaufstelle
für Drogenabhängige an der Hodlerstrasse in Bern ist ein
wichtiges Angebot im Bereich Schadensminderung der städtischen
Drogenpolitik. "Sie fördert die Gesundheit und die soziale
Integration drogenabhängiger Menschen und entlastet den
öffentlichen Raum", wie Jakob Huber, Geschäftsleiter
Contact-Netz Bern, sagt.
Vor allem der zweite Punkt sorgt in der
Öffentlichkeit immer wieder für Diskussionen. Insbesondere
dann, wenn die Menschenansammlung vor der Anlaufstelle gross und
unübersichtlich zu werden droht, wenn beschränkte
Öffnungszeiten am Sonntag oder am Montagabend und
Eintrittsbeschränkungen (siehe Text im Kasten) zu reden geben oder
wenn ausserhalb der Anlaufstelle konsumiert wird.
Mehr Verantwortung für Stadt
Diese Kritikpunkte wurden letztes Jahr auch in einer
Motion der bürgerlichen Parteien aufgegriffen. Allerdings
forderten sie nicht primär konkrete Problemlösungen, sondern
mehr Führungsverantwortung für die Stadt Bern. Denn die
Anlaufstelle ist gemäss Aufgabenteilung nach Sozialhilfegesetz
hauptsächlich vom Kanton gesteuert und finanziert. Dementsprechend
hat der Kanton einen Leistungsvertrag mit dem Contact-Netz, das die
Anlaufstelle betreibt.
In der Motion wurde kritisiert, dass die Stadt dadurch zu
wenig direkten Einfluss auf die Betriebsführung und die
konzeptuelle Umsetzung der Anlaufstelle habe. Stattdessen forderten die
Motionäre, den Leistungsvertrag für die Anlaufstelle direkt
zwischen Kanton und Stadt Bern abzuschliessen. Damit hätte die
Stadt die volle Verantwortung für das Fixerstübli
übernehmen sollen, wie das beim Alkistübli der Fall ist.
Der Gemeinderat hat diese Motion aber nun abgelehnt. Die
Zusammenarbeit zwischen Gesundheits- und Fürsorgedirektion des
Kantons Bern (GEF) als Leistungsvertragspartner, der Stadt als
Standortgemeinde und Contact-Netz als Leistungserbringer funktioniere
"auf politischer wie fachlicher Ebene" sehr gut, heisst es in seiner
Antwort. "Die Schadensminderung ist primär eine kantonale Aufgabe.
Sie kann nicht nur aus kommunaler Sicht angeschaut werden. Das
Drogenproblem macht nicht an den Gemeindegrenzen halt", so Edith Olibet
(SP), Direktorin für Bildung, Soziales und Sport (BSS), in der
Antwort.
Fehlende finanzielle Mittel
Trotzdem führte die Motion dazu, dass die Akteure im
Suchthilfebereich vernetzter zusammenarbeiten und die Stadt mehr
direkte Mitsprache- und Steuerungsmöglichkeiten hat. Dafür
hat die BSS einige Anpassungen in der städtischen
Organisationsstruktur vorgenommen. So haben neu alle Akteure - Stadt,
Kanton und Contact-Netz - jeweils eine eigene Vertretung in den
für die Suchtpolitik relevanten Gremien der anderen. Die
wichtigste sich daraus ergebende Veränderung ist, dass ein
Vertreter der Direktion BSS im Stiftungsausschuss des Contact-Netzes
Einsitz nimmt. Damit kann die Stadt ihre Anliegen direkt beim
Contact-Netz als ausführende Institution und bei der GEF
einbringen. Auch bezüglich Anlaufstelle bedeutet das für die
Stadt mehr Lenkungsmöglichkeiten.
"Die engere Zusammenarbeit gewährleistet schnellere
Entscheidungsabläufe mit tragfähigen Lösungen", sagt
Huber. Auch Olibet ist mit den Anpassungen zufrieden. "Es ist
unabdingbar, dass die Steuerung beim Kanton ist und wir im Vorfeld
unsere städtischen Anliegen einbringen können."
Doch sowohl Gemeinderat als auch Huber sehen das
Hauptproblem im Suchthilfebereich vielmehr bei den fehlenden Finanzen
als in der Organisation der Zusammenarbeit. Die Idee einer zweiten
Anlaufstelle etwa scheiterte letztes Jahr nicht an den
unterschiedlichen politischen oder fachlichen Ansichten der
Institutionen, sondern an den notwendigen finanziellen Ressourcen.
--
Anlaufstelle Bern
Lediglich 49 Prozent der Benutzer sind Stadtberner
Wer Einlass in die Drogenanlaufstelle Bern will, muss
seinen Ausweis zeigen. Dies unter anderem, um zu verhindern, dass etwa
Drogenabhängige aus Thun oder dem weiteren Oberland hinein wollen.
Denn diese erhalten seit den Auseinandersetzungen zwischen Thun und
Bern (vgl. Text nebenan) keinen Zugang mehr. Da auf den neuen
Identitätskarten der Wohnort aber nicht mehr angegeben ist,
müssen die Süchtigen eine Wohnortbestätigung
beziehungsweise einen Niederlassungsausweis mitbringen. Wer die
Anlaufstelle regelmässig aufsucht, kann bei deren Leitung einen
eigenen Ausweis beantragen, der zum regelmässigen Zugang
berechtigt. Die Daten, welche für die Ausweiserstellung erhoben
werden, liefern Aufschluss darüber, woher die Süchtigen
kommen. Dabei fällt auf, dass nicht einmal die Hälfte aus der
Stadt Bern stammt, nämlich 49 Prozent. 27 Prozent der
Abhängigen kommen aus Köniz und Ostermundigen, die restlichen
24 Prozent aus weiteren Regionen des Kantons. Zusammengefasst kann man
auch festhalten, dass 76 Prozent der Abhängigen aus der
Grossregion Bern-Mittelland stammen, die restlichen 24 Prozent kommen
aus dem weiteren Kantonsgebiet. (gum)
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DEALERSZENE BE
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20 Minuten 27.5.10
"Dr. X" verschrieb Pillen an Süchtige
BERN. Massenhaft Beruhigungsmittel hat ein Berner Hausarzt
an Drögeler verkauft. Vor Gericht gab er sich gestern aber als
Wohltäter: Er habe damit Beschaffungskriminalität und
Prostitution verhindern wollen. Seine Medikamente hätten die
Abhängigen stabilisiert. Der in der Szene als "Dr. X" bekannte
Arzt gab grundsätzlich zu, in den Jahren 2000 bis 2009 neunzehn
Patienten mit mehreren Tausend Einheiten Schlaf- und
Betäubungsmitteln versorgt zu haben. Der Umsatz wird auf 270 000
Franken geschätzt. Wie sich vor Gericht zeigte, war "Dr. X" den
Behörden längst bekannt: Seit 1988 hatten sie gegen ihn mit
einer Ermahnung, einer Aufsichtsanzeige und einem Berufsverbot
interveniert. Sein Anwalt plädierte nun für eine bedingte
Geldstrafe von 330 Tagessätzen. Das Urteil wird heute
eröffnet.
---
Bund 27.5.10
Der Berner Dr. X sieht sich als Wohltäter
Ein 57-jähriger Allgemeinmediziner aus der Stadt Bern
steht derzeit vor dem Kreisgericht Bern-Laupen: Er soll während
Jahren starke Beruhigungsmittel in grossen Mengen an
drogenabhängige Patienten verkauft haben, so die Anklage. Dabei
hat er es unterlassen, eine Bewilligung bei den zuständigen
kantonalen Kontrollstellen einzuholen. Der Arzt, der auf der Gasse als
"Dr. X" bekannt sein soll, ist geständig. Er macht geltend, dass
er den Patienten habe helfen wollen. Allerdings richtete er für
die Erträge aus diesem Medikamentenverkauf ein separates Konto mit
der Bezeichnung "Kosmetika" ein. Das Urteil wird heute gefällt.
(jäg) - Seite 24
--
Dr. X sagt, er habe den Abhängigen nur helfen wollen
Ein Berner Arzt ist geständig, illegal raue Mengen
gefährlicher Beruhigungsmittel verkauft zu haben.
Simon Jäggi
Die Zahlen, die gestern am Kreisgericht Bern-Laupen
bekannt wurden, sind erschreckend. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2009
hat ein Berner Allgemeinmediziner in grossen Mengen Beruhigungsmittel
an drogenabhängige Patienten verkauft - ohne nötige
Bewilligung des Kantonsarztes ("Bund" von gestern).
Erwiesen sind unter anderem 2416 Grosspackungen Dormicum -
die jeweils 100 Tabletten enthielten, wie dem
Überweisungsbeschluss des Untersuchungsrichteramtes zu entnehmen
ist. Dazu kommen 2911 Einheiten Rohypnol à 30 Stück. Weiter
hat der Arzt grössere Mengen an Valium, Paceum und dem inzwischen
vom Markt genommenen Toquilone abgegeben. Und das sind nur die in den
Krankengeschichten niedergeschriebenen Dosen: Über den
Pharma-Vertrieb hat der Arzt nämlich weit mehr Medikamente
bezogen, die zur Gruppe der Benzodiazepine gehören und zu starker
Abhängigkeit führen können. Von Rohypnol bestellte er
gesamthaft 288 210 Tabletten, von Dormicum gar 621 900. Was mit den
nicht ausgewiesenen Medikamenten geschehen ist, ist unklar.
Wegen dieser Machenschaften muss sich der 57-jährige
Mediziner nun wegen des Vorwurfs der schweren Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz verantworten. Gestern ist das
Beweisverfahren abgeschlossen und das Plädoyer des Verteidigers
gehalten worden, heute folgt das Urteil. Der Arzt, der auf der Gasse
als "Dr. X" bekannt gewesen sein soll, streitet den Sachverhalt nicht
ab, den man ihm vorwirft. Sein Fürsprecher Andreas Damke macht
aber mildernde Umstände geltend: Sein Mandant sei kein Dealer im
weissen Kittel gewesen. Er habe die Benzodiazepine aus
sozialmedizinischen Gründen an die Drogenabhängigen verkauft.
"Er war von seiner Aufgabe überzeugt", so Damke, dabei habe er
aber die bewilligungstechnischen Aspekte völlig ausgeblendet. Zu
berücksichtigen sei, dass er nur bei der Behandlung von vier
Patienten die medizinischen Standards überschritten habe, die sich
bei der Behandlung von Drogenabhängigen mit Benzodiazepinen
etabliert hätten. Der Fürsprecher beantragt eine bedingte
Geldstrafe von 330 Tagessätzen zu 140 Franken und eine Busse von
8000 Franken.
Die Kartei ist verschwunden
Erwiesen ist, dass der Arzt an 19 Drogenabhängige die
Medikamente verkaufte, die als Betäubungsmittel gelten. Die
Kartei, in der "Dr. X" seine Benzodiapezin-Bezüger aufgeführt
hat, ist aber verschwunden. Der Angeschuldigte hat es nicht nur
unterlassen, die vorgeschriebenen Bewilligungen beim Kantonsarzt
einzuholen, er hat auch unerlaubterweise eine eigene Apotheke
geführt und die Medikamente direkt an die Drogenabhängigen
verkauft.
Die illegale Abgabepraxis des "Dr. X" wurde im Herbst 2008
von Kantonsarzt und Kantonsapotheker unterbunden. Sie reichten
Strafanzeige ein und sprachen ein einjähriges Berufsverbot aus.
Dieses führte dazu, dass auf der Gasse eine eigentliche
Versorgungslücke bei Benzodiazepinen entstand. Der Chefarzt der
heroingestützten Drogenabgabe Koda meinte damals im "Bund", dass
ein Drittel seiner Klienten die Beruhigungsmittel konsumiere. Koda
verschreibt die Medikamente aber ebenfalls aus Therapiegründen.
Er habe seinen drogenabhängigen Patienten helfen
wollen, betonte Dr. X gestern mehrmals im Gerichtssaal. Die Abgabe der
Benzodiazepine hätte dazu gedient, die Patienten zu stabilisieren
- und den Konsum von harten Drogen zu senken. Dies habe auch die Folgen
der Sucht verringert: "Sie waren weniger kriminell, mussten sich
weniger prostituieren", sagte der Arzt. Obwohl ihm bewusst sei, dass
Benzodiazepine in Kombination mit anderen Drogen eine gefährliche
Wirkung entfalten, kenne er keinen Fall, bei dem jemand zu Schaden
gekommen sei. "Die Leute sind geübt im Umgang mit solchen
Medikamenten."
Im Jahr 2008 sei ihm die Sache aber zunehmend über
den Kopf gewachsen, räumte der Angeschuldigte ein. Er habe bei
einem Patienten die Dosis heraufsetzen müssen - was dazu
geführt habe, dass eine andere drogenabhängige Klientin
ebenfalls eine höhere Dosis verlangt habe. Wenn er ihr nicht die
höhere Menge abgebe, werde sie ihn bei den Behörden
anschwärzen, habe sie ihm gedroht. "Danach ist es eskaliert",
sagte Dr. X. Zwei weitere Fälle seien dazugekommen, die ihn
ebenfalls massiv unter Druck gesetzt hätten. Ein Patient habe eine
Patrone auf den Tisch gelegt: "Die ist für dich, hat er gesagt."
Finanzielle Interessen seien aber nicht ausschlaggebend
gewesen, sagt Dr. X. Er habe für die Medikamente
handelsübliche Preise verlangt. "Gratis habe ich sie ja nicht
abgeben können", meinte er. Der Arzt hat für die illegalen
Einkünfte eigens ein Konto eingerichtet - mit "Kosmetika" war es
betitelt. 143 000 Franken soll er mit dem illegalen Medikamentenverkauf
verdient haben, ermittelten die Untersuchungsbehörden.
Behörden reagierten nicht
Die Aktivitäten des Arztes wären schon
länger bekannt. Nur: Die Behörden liessen ihn lange Zeit
unbehelligt. Schon Ende der 1980er-Jahre wurden diese darauf aufmerksam
gemacht, dass der Arzt unerlaubterweise Grosspackungen abgegeben hatte.
1999 wies ihn der damalige Kantonsarzt zurecht, weil er ohne
Bewilligung Rohypnol und Valium verschrieben hatte. 2003 forderte
Swissmedic den damaligen Kantonsapotheker auf, Dr. X unter die Lupe zu
nehmen: Der Arzt fiel nämlich als "grösster
Rohypnol-Bezüger der Schweiz" auf. Dennoch geschah wieder nichts.
"Wären die zuständigen Stellen ihrer Aufsichtsfunktion
nachgekommen, würde dieser Prozess nicht stattfinden", sagte der
Verteidiger des Angeklagten gestern.
Inzwischen darf der Arzt wieder in seiner Praxis arbeiten.
Er habe aber aus seinen Fehlern gelernt, sagte er im Schlusswort. Er
behandle auch keine drogenabhängige Patienten mehr.
---
BZ/Thuner Tagblatt 27.5.10
Handel mit Medikamenten
Drogenarzt verkaufte Pillen für 270000 Franken
Ein Berner Hausarzt hat Drogensüchtige jahrelang mit
illegalen Substanzen versorgt. Jetzt wird ihm der Prozess gemacht.
In der Drogenszene trägt er den Namen Doktor X. In
seiner Praxis in der Stadt Bern hat er in den Jahren 2000 bis 2010
drogenabhängige Patienten mit illegalen Beruhigungsmitteln
versorgt. Er erzielte damit einen Umsatz von 270000 und einen
Reingewinn von 143000 Franken. Laut Fachleuten landete ein grosser Teil
der abgegebenen Medikamente auf dem Drogenmarkt in Berns Gassen.
Vor dem Kreisgericht VIII Bern-Laupen gab der angeklagte
Arzt die ihm zur Last gelegten Taten zu. Er muss sich wegen
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und
widerrechtlichen Führens einer Privatapotheke verantworten.
Er sei nicht der geldgierige "Dealer im weissen Kittel",
wie er in Presseberichten dargestellt worden sei, sagte er aus. Zu
Beginn seiner illegalen Tätigkeit habe er die Süchtigen in
ihrem Alltag stabilisieren wollen. "Meine Medikamente halfen ihnen, die
Beschaffungskriminalität und die Prostitution zu umgehen." Als er
gemerkt habe, dass die Sache aus dem Ruder laufe, habe er damit
aufhören wollen. Doch die Abhängigen hätten ihm gedroht:
"Mit Briefen und Anrufen - aber auch mit Waffengewalt."
Nach dem Gerichtsurteil, das heute gefällt wird, will
Doktor X wieder "ohne Druck" als Hausarzt arbeiten. Drogensüchtige
Patienten werde er in Zukunft aber strikte ablehnen. tob
Seite 19
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Drogen-Doktor vor Gericht:
"Ich wurde von Süchtigen bedroht"
Er war in der Drogenszene als Doktor X bekannt.
Während Jahren hat er Patienten mit illegalen Substanzen versorgt.
Jetzt steht der Arzt vor Gericht und sagt: "Ich wollte aufhören.
Doch mir wurde mit Waffengewalt gedroht."
Abstreiten hätte keinen Sinn gehabt. Zu
erdrückend ist die Beweislage. Der angeklagte Berner Hausarzt gab
die ihm vorgeworfenen Taten unumwunden zu. Der Mann, der in der
Drogenszene als Doktor X bekannt ist, hatte in den Jahren 2000 bis 2010
drogenabhängige Patienten mit verschiedenen zur Gruppe der
Benzodiazepine gehörende Beruhigungsmitteln versorgt. Diese
Medikamente werden in der Notfallmedizin als Narkosemittel eingesetzt.
Aber auch Heroin- und Kokainsüchtige nehmen sie als Zusatz- oder
Ersatzdroge ein.
Der Hausarzt gab die verschreibungspflichtigen Medikamente
ohne Bewilligung ab. Er erzielte damit einen Umsatz von 270000 Franken
und einen Reingewinn von 143000 Franken. Im Jahr 2003 bezog Doktor X
laut der Schweizerischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde
Swissmedic "die schweizweit grössten Mengen an Rohypnol". In
seiner Praxis verkaufte er die Medikamente teilweise in 100er-Packungen
(sogenannte Spitalpackungen). Zum Vergleich: In einer vom Kantonsarzt
bewilligten Verschreibung erhalten Drogensüchtige o,5 bis 8 (in
schweren Fällen) Tabletten pro Tag.
Dealer oder Mediziner?
In ruhigem Ton und mit überlegt ausgewählten
Worten beantwortete der Angeklagte gestern die Fragen des
Gerichtspräsidenten und der vier Kreisrichterinnen und
Kreisrichter. Trotz des Geständnisses wurde er einen ganzen Morgen
lang ins Verhör genommen. Die Richter versuchten herauszufinden:
Sitzt da wirklich der geldgierige "Dealer im weissen Kittel" vor ihnen,
so wie es von Fachleuten aus dem Sucht- und Sozialbereich und in
Zeitungsberichten transportiert wurde? Immerhin lassen sich die
Tabletten, die von Ärzten für 50 Rappen pro Stück zu
haben sind, auf dem Drogenmarkt zum Preis von bis zu 5 Franken
verkaufen.
Der Angeklagte und dessen Anwalt stellten sich auf einen
anderen Standpunkt. Er habe seine drogenabhängigen Patienten
stabilisieren wollen, sagte der Arzt. "Ich haben ihnen ein kleines
Übel beschafft, um ein grosses Übel zu verringern." Oder
anders ausgedrückt: Dank den Beruhigungsmitteln sei bei den
Patienten der Konsum harter Drogen zurückgegangen. "Und damit auch
die Beschaffungskriminalität."
Drohung und Waffen
Irgendwann in den Jahren 2007 und 2008 sei die Sache
"eskaliert", sagte Doktor X. Einer der Süchtigen habe mehr
Medikamente verlangt als andere - und erhalten. "Eine andere Patientin
verlangte die gleiche Menge. Sie drohte mir, sie werde mich beim
Kantonsarzt anschwärzen. Und ich habe dem Druck nachgegeben."
Nachdem er im Herbst 2008 trotzdem einen Verweis vom
Kantonsarzt erhalten hatte, beschloss Doktor X, damit aufzuhören.
Doch die Drohungen seitens der Abhängigen hätten zugenommen.
"Ich erhielt Anrufe und Briefe. Bei mir zu Hause wurde eingebrochen.
Einer hat mir mit Waffengewalt gedroht." Im Nachhinein wäre es
wohl besser gewesen, sagte der Angeklagte, wenn er sich damals bei der
Polizei gemeldet hätte.
"Nie mehr Süchtige"
Nach einem einjährigen Berufsverbot hat Doktor X in
diesem Februar seine Praxis wieder aufgenommen. "Ich betreue keine
drogensüchtigen Patienten mehr und nehme auch nie mehr welche an."
Vom restlichen Patientenstamm seien ihm 95 Prozent treu geblieben. Vom
Verfahren habe er diesen nichts erzählt. "Ich habe ihnen gesagt,
ich nähme eine Auszeit."
Das Berufsverbot habe seinem Klienten einen
Einkommensverlust von 100000 Franken beschert, führte der Anwalt
von Doktor X aus. Diese Summe müsse in der Strafbemessung
berücksichtigt werden. Das Urteil fällt heute Nachmittag.
Danach will Doktor X einen Schlussstrich ziehen. "Ich will wieder ohne
Druck als Mediziner arbeiten."
Tobias Habegger
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DROGENSZENE THUN
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Bund 27.5.10
Thuner Drogenszene
Zeitungsmacher hoffen auf gesprächsbereite Polizisten
Ehemalige Drogenabhängige planen, eine Zeitung
herauszugeben. Und hoffen, die Polizei lasse sie diese dann auch
überall verteilen.
Mireille Guggenbühler
Die Zeitung ist noch nicht gedruckt. Doch in den
Köpfen einiger ehemaliger oder im Ausstieg begriffener
Drogenabhängiger aus Thun existiert sie schon: die
Strassenzeitung, die an Thunerinnen und Thuner verteilt werden soll und
in der über aktuelle Themen in der Stadt informiert wird.
"Stadtaktuell": So soll die neue Zeitung heissen. Der Name ist
Programm: Die Autorinnen und Autoren wollen nebst politischen Themen
auch Trend- und Modefragen aufgreifen. Die erste Ausgabe wird in der
zweiten Augustwoche erscheinen und ist den Jüngsten gewidmet:
"Kinderstadt Thun" heisst die Nummer. Sie geht der Frage nach, wie
kinderfreundlich die Stadt am See wirklich ist.
Ein Projekt für viele Städte
"Stadtaktuell" ist zwar ein Thuner Projekt. Es liesse sich
indes auch in jeder beliebigen anderen Stadt umsetzen. Die Initianten
wollen einmal in Thun beginnen und hoffen, dass sich - im Falle eines
Erfolgs - die Ausdehnung in andere Städte ergibt. "Durch die
Zeitung soll sozial benachteiligten Menschen der Einstieg in eine
sinnvolle Beschäftigung ermöglicht werden", erklärt
Manuel Welf, einer der Initianten. Doch zurzeit fürchten die
Initianten eher, die Zeitung nicht an den Mann oder die Frau bringen zu
können. Und zwar, weil die Polizei keine Ansammlungen
Drogenabhängiger toleriere. Doch gerade an die Randständigen
möchten die Zeitungsmacher ihr Produkt auch verteilen, um dabei
nebenbei mit ihnen ins Gespräch zu kommen - etwa auch ins
Gespräch über Unterstützungsangebote und die
Möglichkeiten zum Ausstieg.
Seit fünf Jahren ein Marathon
Fakt ist: Seit dem 13. Juni 2005 läuft in Thun die
Aktion Marathon. Sie will verhindern, dass es zu einer grossen, offenen
Drogenszene kommt, wie dies einst auf dem Mühleplatz der Fall war.
Aufgegleist worden ist die Aktion noch unter dem ehemaligen Gemeinderat
und Polizeivorsteher Heinz Leuenberger (SP). Versammeln sich heute
Randständige oder Drogenabhängige, greift die Polizei ein und
spricht - gestützt auf das kantonale Polizeigesetz -
Fernhalteverfügungen aus. Zurzeit läuft die Aktion indes auf
sehr tiefem Niveau, wie man bei der Polizei und der
Sicherheitsabteilung der Stadt erklärt. Verstärkt
kontrolliert wird aber beim Coop Kyburg am Rand der Altstadt, wie der
heutige Polizeivorsteher Peter Siegenthaler (SP) sagt. An der
Kyburg-Ecke halten sich vorab Alkoholabhängige auf. Ab Juli 2010
soll dort zudem eine Videokamera für Überwachung sorgen,
sofern es gegen das geplante Videoüberwachungskonzept der Stadt
keine Einsprachen gibt.
Es ist indes nicht der einzige Punkt, welchen die Polizei
jüngst vermehrt observiert hat: Auch beim Spritzentausch (Sput)
hat sie sich diskret aufgehalten. Und zwar weil die Abhängigen
trotz Dealverbot in der Einrichtung und um das Haus herum untereinander
mit Stoff gehandelt haben. In der Folge liessen die
Sput-Verantwortlichen die Abhängigen ein Formular unterschreiben,
mit dem sie den Verzicht auf Drogenhandel im Haus erklärten. "Wenn
dann auch das nichts nützt und man in der Folge zwei bis drei
Hausverbote aussprechen muss, dann wird dies schnell einmal als
verstärkte Repression wahrgenommen", sagt der städtische
Suchtbeauftragte Heinz Bucher.
Der Spritzentausch ist eines der Angebote, das im
Zusammenhang mit dem von der Sozialdirektion initiierten
Schadensminderungspaket ausgebaut worden ist. Das Paket umfasst die
Ausweitung diverser bestehender Angebote für Süchtige.
Aufgegleist worden sind die Massnahmen nach politischen
Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Bern und Thun. Weil zahlreiche
Drogensüchtige aus Thun die Anlaufstelle in Bern benutzten und die
dortigen Verantwortlichen den Andrang kaum mehr bewältigen
konnten, forderte Berns Sozialdirektorin Edith Olibet (SP) Thun dazu
auf, eine eigene Anlaufstelle einzurichten. Für den Thuner
Sozialdirektor Andreas Lüscher (SVP) wiederum kam die Einrichtung
einer Anlaufstelle nicht infrage. Als Alternative wurde das
erwähnte Massnahmenpaket lanciert.
Austausch mit Bern
Regelmässig tauschen sich die Stadtberner
Suchtbeauftragte Regula Müller und Heinz Bucher aus. Bis jetzt
habe es zwischen Bern und Thun keine Probleme mehr gegeben, sagen sie.
Der Fokus ist zurzeit in beiden Städten auf die
gemeindespezifischen Probleme gerichtet.
Zurück an die Zeitungsfront: Manuel Welf hofft nun,
dass die Zeitung über eine längere Zeit finanziert werden
kann. Entsprechende Anfragen seien hängig. Heinz Bucher weiss vom
Projekt bis jetzt noch nichts. Grundsätzlich töne die Idee
spannend. Viele Leute aus der Szene fänden ein Vorhaben, das von
ehemaligen Szenegängern aufgegleist werde,
"vertrauenswürdiger" als Projekte von Fachleuten. Für den
Ansatz, den die ehemals Betroffenen mit dem Projekt verfolgen, haben
Fachleute sogar einen Begriff: "Peer to Peer", von Betroffenen zu
Betroffenen.
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ERICH HESS
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20 Minuten 27.5.10
"Schleierverbot" auch für Hip-Hopper
BERN. Nicht nur Burkas und Kopftücher sollen in den
Berner Amts- und Schulstuben verboten werden: Die SVP fordert eine
generelle Regelung für Kopfbedeckungen.
Jungen Muslimas, Juden und Hip-Hoppern droht das gleiche
Schicksal: "Egal ob Käppis oder Burkas - im Unterricht muss das
Tragen sämtlicher Kopfbedeckungen verboten werden", verlangt
SVP-Grossrat Erich Hess. Auch in der Stadt- und Kantonsverwaltung will
er eine strenge Ordnung durchsetzen: Die Angestellten sollen sich nicht
verschleiern dürfen. Auf allen Amtsstellen, auf denen man sich
identifizieren muss, würde dies auch für Besucher gelten. "Es
geht um den Erhalt unserer Schweizer Werte und Traditionen",
begründet Hess seine Motion, "die Verschleierung hat keine
religiöse Bedeutung, sondern diskriminiert die Frau".
Dem Leiter des kantonalen Personalamts, Hans-Ulrich
Zürcher, ist kein Fall bekannt, in dem es ein
Verschleierungsverbot gebraucht hätte: "Über die
Kleiderordnung entscheiden die jeweiligen Vorgesetzten." Ähnlich
tönt es bei Max Suter von der Erziehungsdirektion: "Der Kanton hat
bisher keine Vorschriften und Empfehlungen zu Bekleidung und Haartracht
erlassen." Allerdings liege es im Ermessen der Schulbehörden,
diese Freiheit einzuschränken.
Patrick Marbach
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Doppelmandat: Was tut Hess?
BERN. Um das Verschleierungsverbot durchzusetzen, hat
Erich Hess seinen Vorstoss zweimal eingereicht: einmal als Stadtrat und
einmal als Grossrat. Dieses Doppelmandat sorgt bei Parteikollegen
für Unmut (20 Minuten berichtete). Inzwischen traf sich die
Fraktion zu einer Aussprache, die zu keiner Einigung geführt hat.
Hess zeigt sich unbeeindruckt vom drohenden Fraktionsausschluss. Er
werde bald entscheiden, ob er aus dem Stadtrat zurücktrete.
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BZ 27.5.10
SVP-Politiker Erich Hess
Qual nach der Wahl
SVP-Stadtrat Erich Hess unter Druck: Seine Partei legt dem
neu gewählten Grossrat den Rücktritt aus dem Stadtrat nahe.
Bei den Grossratswahlen im März schaffte Erich Hess
den Sprung ins Kantonsparlament. Jetzt steht der SVP-Politiker in der
eigenen Partei unter Druck: Weil er bislang keine Anstalten gemacht
hat, sein Stadtratsmandat abzugeben, verstösst er gegen den
Ehrenkodex der Partei. Wie "20 Minuten" vermeldete, stellte eine Gruppe
von SVP-Stadträten den Antrag, Hess deshalb aus der Fraktion
auszuschliessen, die er derzeit noch präsidiert. Tatsächlich
hat der Berner Politiker einige Ämter inne: Neben den beiden
Parlamentsmandaten steht Hess der Jungen SVP Schweiz vor und ist als
Präsident der kantonalen Jungen SVP Mitglied des Zentralvorstands
der nationalen SVP.
"Rücktritt wäre besser"
Wie Peter Bernasconi, Präsident der Stadtberner SVP
bestätigt, diskutierte die Fraktion den Antrag auf Ausschluss von
Erich Hess am Dienstagabend. "Er hat nun eine Woche Zeit, zu
entscheiden, ob er beide Mandate behalten will", sagt Bernasconi. Dies
sei zwar grundsätzlich möglich, jedoch nicht im Interesse der
Partei. "Aus Parteisicht ist es besser, wenn die Sitze auf viele
Köpfe verteilt sind."
Erich Hess jedoch lässt sich nicht drängen.
"Selbst wenn ich mich an den Ehrenkodex halte, bleibt mir bis Ende
August Zeit, mich zu entscheiden." Sicher sei, dass er das
Fraktionspräsidium niederlege. "Dieses will ich aber erst in
sicheren Händen wissen, bevor ich weitere Entscheide treffe."
Hess: "Zeitlich machbar"
Hess kann sich vorstellen, beide Parlamentsmandate
auszuüben. "Ich bin vom Volk gewählt und könnte mich auf
städtischer und auf kantonaler Ebene einbringen." Das Doppelmandat
sei auch zeitlich kein Problem. "Beruflich kann ich es mir so
einrichten, dass ich jeweils an jenen Tagen nicht arbeite, an denen ich
politische Termine wahrnehmen muss." Zudem bewiesen Politiker wie der
Könizer SVP-Gemeinderat und -Grossrat Ueli Studer, dass ein
Doppelmandat zu bewältigen sei.
Zum Rücktritt zwingen könne man Erich Hess
nicht, sagt SVP-Präsident Bernasconi. Betreffend den Ehrenkodex
könne die Parteileitung zudem Ausnahmen entscheiden. Falls Erich
Hess aber Hand zu einer einvernehmlichen Lösung bietet, dann wird
Roland Jakob seinen Stadtratssitz übernehmen.
Andrea Sommer
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POLICE BE
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be.ch 27.5.10
Kantonspolizei Bern: Gregor Bättig wird Chef Planung +
Einsatz
Der Regierungsrat des Kantons Bern hat Gregor Bättig zum
neuen Chef Planung + Einsatz der Kantonspolizei Bern gewählt. Er
wird sein Amt spätestens per 1. Oktober 2010 antreten. Gregor
Bättig ersetzt Andreas Hosner, der per 31. Juli 2010 in Pension
geht. Gregor Bättig absolvierte ursprünglich eine Lehre als
Chemielaborant. Nach der Rekrutenschule leistete er Dienst bei der
Päpstlichen Garde in Rom. 1991 wurde Gregor Bättig Offizier
im damaligen Festungswachtkorps. Danach war er in verschiedenen
Funktionen als Berufsoffizier (Genietruppen, Einheitsinstruktor)
tätig. Schliesslich wurde er im Rahmen des Projekts Armee XXI
für Arbeiten im Bereich Raumsicherung und Verteidigung eingesetzt.
2008 wurde Gregor Bättig als Stabschef der
Militärischen Sicherheit berufen. Diese Funktion übt er im
Rang eines Obersten im Generalstab zurzeit immer noch aus. Der
44-jährige Gregor Bättig hat ein wissenschaftliches
Masterstudium "Global Security" an der Cranfield University (GB) und
auch die höhere Kaderausbildung der Armee absolviert.
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BIG BROTHER BÜPF
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WoZ 27.5.10
Überwachung
Trojanerangriff
Jetzt haben wir es schwarz auf weiss: Der Schweizer Staat
will sich in Computer und Mobiltelefone seiner Bürger Innen
einhacken und dort sogenannte Bundestrojaner installieren dürfen.
Behörden erhielten so die technischen Mittel, auf alle vorhandenen
Daten zuzugreifen und infizierte Systeme über das Internet
fernzusteuern. Betroffen wären Personen, gegen die ein
Strafverfahren läuft - bei weitem nicht nur wegen
Kinderpornografie, Terrorismus und Drogenhandel, wie das Bundesamt
für Justiz suggeriert. Das Bundesamt hat letzte Woche einen
Vernehmlassungsentwurf veröffentlicht, der nicht nur die
rechtliche Grundlage für den Einsatz von Bundestrojanern
beinhaltet, sondern Internetprovider auch dazu zwingen würde, auf
eigene Kosten beim Trojaner-Schnüffeln mitzuwirken. dg
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Online-Durchsuchungen - Der Bund will mit heimlich
eingeschleusten Trojanern Computer durchsuchen. Experten erklären,
wie das funktioniert. Die Piratenpartei droht mit einem Referendum.
Der Staat in deinem Computer
Von Dinu Gautier (Text) und Patric Sandri (Illustration)
Die Strafverfolgungsbehörden wollen künftig Trojaner
auf die Computer von Verdächtigen schleusen dürfen. Mithilfe
dieser Überwachungsprogramme soll der Staat nicht nur
verschlüsselte Mails oder verschlüsselte Internettelefonate
(VoIP) mitverfolgen können, sondern sich auch gleich auf der
Festplatte der überwachten Personen umsehen dürfen. "Es kann
auf das ganze Datenverarbeitungsprogramm zugegriffen werden", so die
offizielle Beschreibung.
Die neue Massnahme ist in einem Vernehmlassungsentwurf für
ein überarbeitetes Bundesgesetz betreffend die Überwachung
des Post- und Fernmelde verkehrs (Büpf) zu finden.
Veröffentlicht wurde der Entwurf letzte Woche. Deutschschweizer
Nachrichtenagenturen und Medien haben die neue Massnahme bisher nicht
bemerkt.
Dabei betont sogar das Bundesamt für Justiz (BJ) in seinen
Erläuterungen, um welch heiklen Eingriff in die Privatsphäre
der Betroffenen es sich handelt: Mit dieser Technik könne auch auf
Daten zugegriffen werden, welche nicht in Zusammenhang mit dem
Überwachungszweck stünden und "die zur Privat- oder sogar
Intimsphäre gehören". Als Beispiele werden "Fotos", "Filme"
sowie "Korrespondenz" genannt.
Den geplanten Einsatz von Bundes trojanern rechtfertigt das
Bundesamt für Justiz mit der zunehmend verschlüsselten
Kommunikation von Verdächtigten, sei dies per Mail oder
VoIP-Telefonie (beispielsweise Skype), die mit herkömmlichen
Methoden nicht überwachbar sind. "Wir führen keine Statis tik
darüber, wie viele Personen in der Schweiz verschlüsselte
E-Mails verschicken", sagt Eva Zwahlen vom Bundesamt für Justiz
auf Nachfrage. Heutzutage würden aber zahlreiche Mailsysteme die
Verschlüsselung standardmässig ausführen.
Passwörter mitlesen
(Bundes-)Trojaner sind Programme, die unbemerkt auf dem Rechner
(oder dem Mobiltelefon) der zu überwachenden Person laufen. Einmal
installiert, sind sie kaum zu entdecken. Übers Internet sendet der
Trojaner Informationen an die Behörde. Diese erhält so
Zugriff auf alle Dateien, kann die Tastatureingaben mitlesen (wodurch
sie zu Verschlüsselungspasswörtern kommt) oder das System gar
fernsteuern. Bei Laptops kann beispielsweise das Mikrofon eingeschaltet
werden, was das unbemerkte Abhören von Gesprächen im Raum
ermöglicht, in dem der Laptop steht.
Patrick Rohner, beim BJ zuständig für die
Büpf-Revision, redet nicht gerne von Trojanern: "Der Begriff ist
negativ besetzt. Der Staat ist ja kein Internetkrimineller, sondern
handelt im Rahmen des Gesetzes." Technisch sei mit den Programmen
vieles möglich, räumt Rohner ein. Die Aktivierung von
Laptopmikrofonen etwa hält er nicht nur technisch, sondern dank
des vorgeschlagenen Gesetzes künftig auch juris tisch für
möglich. Rohner betont aber, dass die Untersuchungsbehörden
vor dem Einsatz der Trojaner verschiedene Verfahrenshürden nehmen
müssen.
Das unbemerkte Einschleusen von Trojanern auf den Computer oder
das Mobiltelefon des Verdächtigten ist anspruchsvoll. Wie das
gehen könnte, erklärt ein IT-Experte mit Erfahrungen auf dem
Gebiet. Er möchte anonym bleiben, nennen wir ihn Pit
Schürmann: "Man müsste zuerst mittels herkömmlicher
Überwachung das Verhalten der Zielperson analysieren, um einen
geeigneten Weg zu finden, ihr den Trojaner unterzujubeln." Getarnt als
Freund der Person, könnte man ihr dann beispielsweise ein
Computerspiel zusenden, in welchem sich der Trojaner versteckt. "Eine
weitere Möglichkeit ist die Installation vor Ort im Rahmen einer
verdeckten Polizeiaktion", so Schürmann.
Ruben Unteregger hat früher für die Schweizer Firma
ERA IT Solutions gearbeitet. Bereits 2006 berichtete die
"SonntagsZeitung", die Firma habe im Auftrag des Bundes Trojaner zur
Überwachung von Skype-Gesprächen entwickelt. Letzten Sommer
hat Ruben Unteregger Bausteine für solche Trojaner der
Öffentlichkeit online zugänglich gemacht. Er geht davon aus,
dass die Behörden zur Einschleusung von Trojanern weniger die
"klassischen Hackermethoden" verwenden würden, sondern auf die
Mithilfe der Provider zählten. "Nicht umsonst zwingt das neue
Büpf diese ja zur Kooperation in diesem Punkt" (vgl. "Unternehmen
zur Schnüffelei gezwungen"). Mithilfe der Provider könne man
sich in den Datenstrom einklinken. Wolle der Nutzer ein Programm aus
dem Internet runter laden, könne man den Trojaner um das
nachgefragte Programm herumwickeln, was eine "elegante Methode" und nur
mittelmässig aufwändig sei, so Unter egger. "So würden
zudem Antivirenprogramme umgangen, da es sich ja um einen legitimen,
vom Benutzer initiierten Download handelt."
Alles Kinderpornografie?
Für Viktor Györffy, Anwalt und Präsident von
grundrechte.ch, hat der Einsatz von Trojanern einen grundsätzlich
anderen Charakter als die traditionelle Kommunikationsüberwachung.
"Das ist, wie wenn Sie, statt die Briefe abzufangen und zu öffnen,
den Schreibtisch aufbrechen und neben dem Büro gleich auch noch
das Wohn- und das Schlafzimmer durchstöbern." Man müsse sich
bewusst sein, wie zentral die Computer für die Menschen geworden
sind. "In ihnen bilden sich sehr grosse Teile unseres Lebens ab." Es
handle sich hier um einen "wahnsinnig einschneidenden Eingriff" in die
Persönlichkeitsrechte eines Betroffenen, so Györffy.
Betroffen von Überwachungsmassnahmen (und damit auch von
Trojaner angriffen) können Personen sein, bei denen der Verdacht
besteht, ein bestimmtes Delikt begangen zu haben. Die Liste der
Delikte, für welche das Gesetz eine solche Überwachung
zulässt, verweist auf nicht weniger als 97 Strafartikel. Darunter
Klassiker wie die Finanzierung einer terroristischen Organisation,
verbotene Pornografie oder Mitgliedschaft in einer kriminellen
Organisation, aber auch schwerere Drogendelikte, Diebstahl,
Veruntreuung, Betrug, Sachbeschädigung mit hohem Schaden,
unbefugte Datenbeschaffung, gewerbsmässiger Wucher, Drohung,
Schreckung der Bevölkerung oder Störung des
Eisenbahnverkehrs, um nur einige Beispiele zu nennen.
Patrick Rohner vom BJ betont, dass der Trojanereinsatz nur
"doppelt subsidiär" angewandt werden soll. Bereits die
herkömmliche Kommunikations überwachung werde nämlich
nur bewilligt, wenn normale Untersuchungsmethoden nicht ausreichten.
Nur wenn auch die Kommunikationsüberwachung "erfolglos geblieben"
sei, etwa wenn der Verdächtige Mails verschlüsselt, komme es
zum Einsatz der Trojaner. "Bei allen Kommunikationsüberwachungen
gilt: Es braucht eine Bewilligung eines Gerichts", so Rohner. Beim
Trojaner einsatz "muss der Staatsanwalt zudem die Art der Daten, die er
will, genau angeben". So soll vermieden werden, dass auf Daten
zugegriffen wird, die von vornherein nutzlos sind.
IT-Experte Pit Schürmann: "Ohne sich erst einmal durch die
Dateien zu ackern, kann man sich kein abschliessendes Bild machen." Es
gebe zwar Spezialprogramme, die zum Beispiel automatisiert
Kinderpornografie finden würden, schliesslich könne aber nur
ein Mensch eine seriöse Durchsuchung garantieren. Viktor
Györffy von grundrechte.ch: "Sind die Dateien einmal
durchschnüffelt, dann ist die Privatsphäre bereits verletzt -
egal, was dann weitergereicht wird und was nicht."
Hohe Kosten
Bezüglich Aufwand rede man bei einem Trojanerangriff nicht
von fünf Stunden, sondern eher von fünfzig Stunden Arbeit -
"bei Stundenansätzen von rund 250 Franken wird das schnell sehr
teuer", sagt Pit Schürmann. Ruben Unteregger betont, dass man
einen Trojaner nicht einfach schreiben und dann ewig einsetzen
könne. "Die Programme müssen ständig gepflegt und
erweitert werden, um mit der technischen Realität auf den Rechnern
mitzuhalten."
Patrick Rohner vom BJ zu den Kos ten: "Es ist teuer, weil es
A-la-carte-Lösungen braucht. Die genauen Kosten kenne ich nicht.
Wir reden in einem Fall vielleicht von 10 000, in einem anderen
vielleicht von nur 1000 Franken." Die Kosten würden für die
Staatsanwälte ein weiterer Grund sein, diese Art der
Überwachung sorgfältig zu prüfen, so Rohner.
Politischer Widerstand gegen die Büpf-Revision ist
abzusehen. Zur Wehr setzen will sich etwa die Piratenpartei. Deren
Präsident Denis Simonet zur WOZ: "Nützt Aufklärung
nichts, so halten wir uns die Möglichkeit offen, das Referendum zu
ergreifen." Simonet weist darauf hin, dass laut Gesetzesentwurf nicht
nur Verdächtige betroffen wären, sondern auch Leute aus dem
engeren Umfeld der Verdächtigten. "Man findet in jedem Umfeld
jemanden, den man eines Deliktes verdächtigen kann." Wichtig sei
es, nun eine Debatte über Überwachung an sich zu lancieren.
"Schuldig ist man erst, wenn man verurteilt wurde", sagt der
Piratenpräsident. "Das nennt sich Unschuldsvermutung."
--
Unternehmen zur Schnüffelei gezwungen
Heute bekommen Kommunikationsdienstleister für
Überwachungen eine Entschädigung ausbezahlt. In der Praxis
betrifft das vor allem Telefon- und Mobilfunkdienstleister sowie
Anbieter von Internetzugängen (Access-Provider). Letztere
müssen seit April dieses Jahres in der Lage sein, den gesamten
Datenverkehr ihrer KundInnen bei Bedarf in Echtzeit mitzuschneiden, wie
die WOZ letzten Sommer enthüllte (siehe WOZ Nr. 29/09). Neu
müssen die sogenannten Randdaten aller Internet-, Mobil- und
TelefonnutzerInnen während zwölf statt sechs Monaten
gespeichert werden.
Die staatlichen Entschädigungen für
Kommunikationsüberwachungen hingegen sollen wegfallen.
Grössere Firmen protestieren bereits dagegen. Gegenüber der
"Aargauer Zeitung" sprach etwa die Cablecom von "Zusatzkosten im
sechsstelligen Bereich". Die Swisscom befürchtet, dass
künftig auch die Anzahl der Behördenanfragen steigen wird.
Kommt der vorliegende Entwurf für das Gesetz zur
Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) durch,
erweitert sich zudem der Kreis jener beträchtlich, die auf eigene
Kos ten die Überwachungsarbeit für den Staat erledigen
müssen. Betroffen wären neu alle sogenannten "reinen
Serviceprovider", darunter auch Kleinstbetriebe oder Privatpersonen,
die Speicherplatz für Webseiten anbieten (Webhosting), sofern sie
dies beruflich tun.
Das stellt gerade kleine Betriebe vor grosse Probleme: Silvan
Gebhardt ist 23-jährig, Inhaber eines Start-up- Unternehmens in
Frauenfeld und spezialisiert auf Kommunikationslösungen für
Unternehmen, die dank Gebhardts Firma OpenFactory über Internet
telefonie kommunizieren können. "Was dieses Gesetz von mir
verlangt, kostet mich zwei bis drei Monatsumsätze - noch bevor
überhaupt eine Überwachung angeordnet wird." Für seine
GmbH mit zwei Angestellten sei dies "existenzbedrohend". Der
Jungunternehmer, der schon als Dreizehnjähriger
IT-Dienstleistungen angeboten hat, sagt: "Sollte das Gesetz so
durchkommen, könnte ich es einfach ignorieren - und dabei eine
Busse in ebenfalls existenzbedrohender Höhe riskieren." Wer den
Weisungen nicht Folge leistet, kann laut Büpf-Entwurf mit bis zu
100 000 Franken gebüsst werden.
Dinu Gautier
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HÄUSERKAMPF BIEL
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WoZ 27.5.10
Hausbesetzer heute - Biel ist eine Hochburg alternativer
Wohnprojekte. Zu Besuch im grössten besetzten Haus der Stadt, wo
es die BewohnerInnen nicht stört, als "Lifestylebesetzer"
bezeichnet zu werden.
"Aufstehen, wann ich will"
Von Dinu Gautier
"La Biu" heisst das grösste der drei besetzten
Häuser von Biel. Vom Bahnhof hierhin sind es nur fünf
Minuten, die Fassaden sind grossflächig mit Graffiti besprayt -
und doch versprüht das Gelände den Charme eines Anwesens auf
dem Lande. Das hat mit der Grösse des Doppelmehrfamilienhauses und
dem stattlichen Garten zu tun, vielleicht auch mit den zahlreichen
herumtollenden Hunden und den sich entspannt in der Abendsonne
räkelnden Katzen.
Aurelien ist 21-jährig und sieht aus, wie man sich
einen Hausbesetzer gemeinhin vorstellt: dunkle Kleider, eine mit Nieten
besetzte Baseballmütze, dar unter ein Irokesenschnitt, in der Hand
eine Billigmarkenbierdose. "Wir versuchen, so gut es geht, uns selber
zu versorgen", sagt Aurelien. Er zeigt auf die Gemüsebeete, dann
geht es zum grosszügigen Gehege für die neun Hühner.
"Der Hahn ist im Topf gelandet", sagt Aurelien, "den Nachbarn ging sein
Krähen auf den Wecker."
"La Biu" wurde 2007 besetzt. 2008 wollte das Berner
Tiefbauamt die BesetzerInnen rauswerfen. Elf Parkplätze sollten
entstehen. 300 Leute gingen auf die Strasse. Im Parlament setzten sich
die Grünen und die SozialdemokratInnen geschlossen für die
Besetzer Innen ein. Ein Sozialarbeiter vermittelte erfolgreich zwischen
BesetzerInnen und Kanton, seither zahlen die BewohnerInnen insgesamt
600 Franken Miete im Monat - so viel hätten die Parkplätze
dem Tiefbauamt eingebracht.
Aurelien lebte damals noch bei seinen Eltern im Kanton
Freiburg, machte die Matura. Er kannte Leute aus der Bieler Szene und
wollte seine "Lebensweise" ändern. "Hier arbeitest du für
dich und nicht fürs Geld." Er stehe auf, wann er wolle, gehe ins
Bett, wann er wolle, arbeite am Haus, wenn er Lust habe. "Es gibt
keinen finanziellen Druck. Das Essen holen wir bei einer Organisation
ab, bei der Läden Lebensmittel abgeben, die sie nicht mehr
verkaufen können."
Von der Kulturbesetzung …
Die Hausführung geht weiter: Im Keller ein
improvisiert wirkender Konzertraum mit Bar, im Erdgeschoss das Bistro,
wo immer donnerstags zum Mahl geladen wird. Dann kommen Gäs te
vorbei, zum Beispiel aus anderen besetzten Häusern oder von den
drei Wagenplätzen Biels.
Ein in die Wand geschlagenes Loch verbindet die beiden
Treppenhäuser. Es gibt mehrere Gemeinschaftsküchen,
Schlafzimmer, Ateliers, Büros und einen Raum mit Hochbetten
für Gäste. Letzterer ist zurzeit leer. Als vor kurzem in Biel
die Anarchistische Buchmesse stattfand, seien aber fast alle Matratzen
belegt gewesen. "Hier schliefen Leute aus Deutschland, aus Israel, aus
Frankreich."
In einer der Gemeinschaftsküchen steht Anna und
spielt mit einem Welpen. Anna ist Künstlerin. Ihr Studium an der
Kunsthochschule in Lausanne hat sie abgebrochen. "Hier kann man
problemlos fast ohne Geld leben", sagt sie. Einige der zehn
MitbewohnerInnen würden voll arbeiten, andere hätten
Gelegenheitsjobs. "Etwas mehr als die Hälfte sind Westschweizer."
Einen hausinternen Röstigraben gebe es aber nicht. "Wir sind wie
Biel - in Miniatur." Daher auch der Name des Hauses. "La Biu, das ist
ein Wortspiel. Einerseits tönt es wie ‹Biel› mit
französischem Artikel, anderseits wie ‹labil›, Berndeutsch
ausgesprochen". Und labil seien hier alle ein bisschen, sagt Anna und
lacht.
"Ich bin politisch kaum aktiv. Ich organisiere grosse
Essen oder Konzerte - keine Demos", so die Frau mit den schwarzen
Dreadlocks und der dick umrahmten Brille. Auch Aurelien definiert sich
nicht über Politik: "Natürlich habe ich Ideale, meine Lust,
zu revoltieren, ist aber viel schwächer als früher." Wichtig
ist ihm die basisdemokratische Funktionsweise des Kollektivs, die
Entscheidfindung über den Konsens. "Das hat für mich schon
eine politische Komponente, aber mehr gegen innen. Es geht mir nicht
darum, uns als eine Art leuchtendes Vorbild gegen aussen zu
präsentieren." Überhaupt, da sind sich Anna und Aurelien
einig, gelte "La Biu" als Kulturbesetzung, während etwa das
besetzte Haus der "Familie von Allmen" sich vielmehr über
politische Ziele definiere.
… zum Häuserkampf
Der 33-jährige Matthias ist ein ehemaliger Bewohner
der "La Biu". Mit der Zeit und nach vielen Bewohner Innenwechseln sei
ihm die "Subkulturatmosphäre" der "Spassfraktion" im Haus zu
dominant geworden. Der Mann mit dem verschmitzten Lächeln macht
kein Hehl daraus, dass er sich etwas mehr aktivistisches Engagement der
BewohnerInnen wünschen würde. An Anknüpfungspunkten
würde es nicht fehlen, das wird klar, wenn Matthias über die
Stadtentwicklung zu sprechen beginnt: von Spekulanten,
"grössenwahnsinniger Aufwertung des Stadtzentrums" und den
Kämpfen, die es zu führen gelte. "Der Kampf hängt an
wenigen Personen - auch wenn dann an Partys in leer stehenden
Häusern wieder 700 Leute kommen."
Auch die BewohnerInnen von "La Biu" werden sich wohl
früher oder später wieder im Häuserkampf üben
müssen. Auf dem Gelände soll im Jahr 2012 der Werkhof
für den Bau einer neuen Autobahn entstehen. Wenn der Bau beginnt,
endet der Vertrag mit dem Tiefbauamt. Dazu Aurelien: "Bis dahin gehts
noch lange."
Der Kalender "Hot-Squats 2010" zeigt BewohnerInnen der "La
Biu" und ihre Neuinterpretation bekannter Gemälde (vgl. Foto).
Alle Sujets auf http://www.labiu.ch.
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NEONAZIS BURGDORF
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BZ 27.5.10
Burgdorf
Eine Bar für Neonazis?
Kaum eröffnet - schon im Gerede: Die Royal Aces
Tattoo-Bar in Burgdorf sei ein Neonazi-Treffpunkt, behauptet die Antifa.
Über dieses gastronomische Novum sind in Burgdorf
nicht alle glücklich: Die vor zwei Wochen eröffnete Royal
Aces Tattoo-Bar an der Rütschelengasse 29 ist nach Ansicht der
Antifa Bern "ein öffentlicher Treffpunkt für die
örtliche Neonaziszene". Sophie Güntensperger, die Betreiberin
des Lokals, streitet Kontakte zur rechten Szene nicht ab. Aber: "Die
Bar ist für alle da." Der Regierungsstatthalter will das Lokal und
seine Gäste "sehr genau" kontrollieren. jho
Seite 19
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Burgdorfer Oberstadt
Bar mit Links zu Ultrarechten
Die neue Royal Aces Tattoo-Bar in der Burgdorfer
Rütschelengasse sei ein Neonazi-Treffpunkt, behaupten Anwohner und
die Antifa. Klar ist: Die Lokalbetreiberin sympathisiert mit Exponenten
der rechtsradikalen Szene.
"Eine Bar für Jung und Alt": So wird die Royal Aces
Tattoo-Bar in Burgdorf im Internet angepriesen. Seit dem 12.Mai ist das
Lokal an der Rütschelengasse 29 von Mittwoch bis Sonntag
geöffnet. Als Inhaberin ist im Handelsamtsblatt Sophie
Güntensperger verzeichnet.
Verwaltet wird die Liegenschaft von einem
Immobilientreuhänder aus Oberburg, der sich darüber beklagt,
dass "die Medien" in Burgdorf "wieder einmal" zur "Hetzjagd auf
sogenannte Rechtsradikale" blasen würden, und verlangt, man
müsste, wenn schon, "das linke Pack" genauso hart anfassen. Auf
eine namentliche Erwähnung in der Zeitung legt er keinen Wert.
Dafür droht er mit nicht näher spezifizierten Konsequenzen,
bevor auch nur eine Zeile über die Bar erschienen ist.
In Burgdorf kursieren seit Wochen Gerüchte, die
besagen, dass im früheren Coffee-Shop ein
Rechtsradikalen-Tummelplatz entstehe. Gestern teilte die Antifa Bern
mit, dass es sich bei der Royal Aces Tattoo-Bar um einen
"öffentlichen Treffpunkt" für "die örtliche
Neonaziszene" handle.
Bekannte "Freunde"
Ein Indiz dafür, dass Sophie Güntensperger mit
Anhängern des äussersten rechten Politspektrums
sympathisiert, sind für die Linken einige der über 200
Personen, die sich auf Facebook als "Freunde" der Bar registrieren
liessen: Alex und Cédric Rohrbach sowie Dominic Lüthard von
der Ultrarechtsband Indiziert, die Burgdorferin Denise Friederich und
Michael Herrmann von der Pnos-Führungsriege oder der Kirchberger
Adrian Segessenmann von der Avalon-Gemeinschaft sind nicht nur in der
Szene, sondern auch dem Staatsschutz bekannt. Abgesehen davon sei
Güntensperger "die Freundin des langjährigen Burgdorfer
Naziskins Reto Siegenthaler", behauptet die Antifa. Recherchen dieser
Zeitung ergaben, dass Güntensperger an derselben Adresse wie
Siegenthaler wohnt.
Ein weiterer Anhaltspunkt für die Gesinnung der
Gastgeber und Gäste sei der Name der Bar: "Er dürfte Bezug
nehmen auf den Song ‹Royal Aces sterben nie› der Nazirockband Barking
Dogs", vermutet die Antifa.
"Nichts gefunden"
Laut Beatrix Rechner, der für das Justizwesen
verantwortlichen Burgdorfer Gemeinderätin, hatte und hat die Stadt
"keine Handhabe", um Güntensperger den Barbetrieb zu untersagen.
"Wir haben die Gesuchstellerin überprüft und nichts gefunden,
was gegen sie gesprochen hätte." Dem Wunsch der Antifa nach einer
Schliessung des Lokals könne die Stadt nicht nachkommen, "solange
in der und um die Bar alles in Ordnung ist".
Auch Statthalter Markus Grossenbacher sind gemäss
seinen eigenen Aussagen die Hände gebunden: Weil das Lokal
höchstens 30 Sitzplätze aufweise und von Mittwoch bis Sonntag
von 17 bis 0.30 Uhr geöffnet sei, benötige Güntensperger
weder einen Fähigkeitsausweis noch eine Überzeitbewilligung.
Ihr Vorstrafenregister sei blank.
Gründe dafür, ihr die Bewilligung zu verweigern,
habe es deshalb keine gegeben. "Frau Güntensperger versicherte uns
und der Stadt Burgdorf, sie wolle eine ganz normale Bar für eine
ganz normale Kundschaft betreiben", erinnert sich Grossenbacher.
Unter Kontrolle
Mit Blick auf die nun vorliegenden Informationen über
den Hintergrund der Chefin sei klar, dass die zuständigen Personen
bei der Stadt und das Regierungsstatthalteramt Emmental "ein Auge auf
die Bar" haben werden. Die Royal Aces Tattoo-Bar und ihre Gäste
lasse er "sehr genau" kontrollieren, sagt Grossenbacher. Darüber
hinaus werde abgeklärt, ob Sophie Güntensperger die
Voraussetzungen zum Führen eines Gastrobetriebes auch unter
nichtjuristischen Gesichtspunkten erfülle.
Johannes Hofstetter
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Sophie Güntensperger
"Verschiedenste Gäste"
"In der Royal Aces Tattoo-Bar verkehren auch Leute aus der
rechten Szene. Aber nicht nur", sagt Chefin Sophie Güntensperger.
Die Bar sei "für alle da". In den ersten zwei Wochen sei das Lokal
von den verschiedensten Gästen besucht worden. Von ihren
Facebook-Beziehungen zu Rechtsradikalen distanziere sie sich "sicher
nicht". Es sei ohnehin undenkbar, dass alle ihre virtuellen Freunde in
der Bar verkehren. Die öffentliche Warnung der Antifa wirke wohl
eher kontraproduktiv: "Viele Rechtsradikale wissen erst jetzt, dass es
die Bar gibt."
jho
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REVOLTE BS
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Basler Zeitung 27.5.10
Mehr Polizei für Innenstadt
Basel. Gewerbetreibende verlangen Kameras als Abschreckung
Mischa Hauswirth
Gewerbetreibende rund um die Freie Strasse haben genug von
Sachbeschädigungen und fordern mehr Sicherheit. Die Polizei hat
eine mobile Einrichtung in der Innenstadt zugesagt.
Gestern Morgen kam es zur Aussprache. Am Tisch im
Spiegelhof sassen Hanspeter Gass, Sicherheitsdirektor Basel-Stadt, und
Gerhard Lips, Polizeikommandant Basel-Stadt. Auf der anderen Seite
Peter Malama, Gewerbedirektor Basel-Stadt, und Urs Welten von Pro
Innerstadt. Thema: Was tun nach den massiven Sachbeschädigungen
durch linke Chaoten vom vergangenen Freitag?
Peter Malama: "Ladenbesitzer und Gewerbetreibende in der
Innenstadt sehen sich genötigt, ihren Raum besser zu
schützen." Gemäss Urs Welten seien die Geschäfte nicht
mehr gewillt, die finanziellen Folgen nach solchen Saubannerzügen
zu tragen. "Vor einem Jahr gab es nach einer unbewilligten
Anti-WEF-Demo Sachbeschädigungen", sagt Welten. "Am 1. Mai kam es
zu Zerstörungen und vergangene Woche schon wieder, uns reicht es."
Und Peter Malama doppelt nach: "Die Stadt Basel gibt Millionen für
Marketing und Wirtschaftsförderung aus. Solche Verwüstungen
schaden unserem Image enorm." Die Gewerbetreibenden verlangen mehr
Sicherheit in Form von Polizei und die Möglichkeit, Videokameras
zu installieren.
Sichtbarer Auftritt
Der Forderung nach mehr Polizeipräsenz können
Hanspeter Gass und Gerhard Lips nachkommen. Lips: "Wir werden an den
Hotspots in der Innenstadt künftig deutlich sichtbarer auftreten.
Geplant ist auch eine mobile Einrichtung."
Der Polizeikommandant weiss, dass er nicht automatisch
über mehr Personal verfügt, nur weil er die Prioritäten
neu setzt. Fehlen Patrouillen in den Quartieren, wenn sie in der
Innenstadt unterwegs sind? Gerhard Lips sagt dazu nur: "Wir werden
sehen, wie wir mit den bestehenden Mitteln für eine ausgeglichene
Sicherheit sorgen können."
Der Forderung nach Videoüberwachung nachzukommen,
wird sich wesentlich schwieriger gestalten. Das weiss auch Hanspeter
Gass: "Das ist nicht ohne Weiteres möglich. Es wird Einwände
von Datenschützern geben." Die gesetzlichen Grundlagen fehlen, um
Leute zu filmen, die sich auf Allmendgebiet aufhalten.
Neues Gesetz
Am 9. Juni wird im Grossen Rat eine Gesetzesänderung
diskutiert, welche künftig der Polizei Videoüberwachungen
erlauben soll. Geplant sind sechzig bis siebzig Kameras an rund zwanzig
neuralgischen Punkten. Dabei handle es sich um ein "Steuerungselement"
für die Polizei, so Gass. Und: "Wir brauchen dieses Instrument, um
grössere Menschenmengen wie an Demonstrationen oder einer
Fussball-EM temporär zu überwachen."
Selbst wenn die Basler Politiker das Gesetz gutheissen,
bedeutet das noch kein grünes Licht für Kameras in
Geschäften. Zwar sind sich Lips und Welten einig, dass auch eine
Videoüberwachung Sachbeschädigungen nicht hundertprozentig
verhindern liessen. Aber die abschreckende Wirkung von Kameras sei
unbestritten.
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Basellandschaftliche Zeitung 27.5.10
Mehr Polizei in der "Freien"
Nach Saubannerzug: Kanton und Gewerbe für mehr Polizei und
Kameras
Hans-Martin Jermann
Generalstabmässig geplante Sachbeschädigungen
wie der Saubannerzug in der Freien Strasse vom letzten Freitag lassen
sich nicht verhindern. Die Basler Polizei soll künftig aber
schneller und flexibler auf Exzesse reagieren. Darauf haben sich
Polizeidirektor Hanspeter Gass und sein Kommandant Gerhard Lips mit
Gewerbedirektor Peter Malama und Pro-Innerstadt-Präsident Urs
Welten geeinigt.
Polizei kriegt nicht mehr Mittel
Konkret wird die Polizei ihre Patrouillentätigkeit
entlang der Achse
Heuwaage-Steinen-Barfüsserplatz-FreieStrasse-Marktplatz
verstärken. An diesen Hotspots kommt es neben
Sachbeschädigungen immer wieder zu Schlägereien. Hier wolle
die Polizei künftig sowohl zeitlich als auch zahlenmässig
stärker präsent sein, präzisiert Gerhard Lips.
Allerdings kriegt der Polizeikommandant dazu keine zusätzlichen
Mittel: "Ich werde Umlagerungen vornehmen müssen."
Flankierend sollen in der Innenstadt neue Videokameras zum
Einsatz gelangen. Wie bereits kommuniziert, beantragt Regierungsrat
Gass dem Parlament im Rahmen eines Ausgabenberichts die Installation 60
bis 70 neuer Kameras an 20 neuralgischen Punkten. Entschieden wird noch
dieses Jahr.
Die Kameras seien kein Allheilmittel, aber neben Polizei
und Bürgern ein wertvolles unterstützendes Element, findet
Lips. "Die Polizei könnte schneller und zielgerichteter
reagieren." Die Ergreifung der Täter würde dies erleichtern.
Ob sich damit Sachbeschädigungen wie letzte Woche verhindern
liessen, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Will man dies schon
nur versuchen, wäre eine 24-Stunden-Überwachung unabdingbar.
Politisch ist das heikel: Das wäre ein tiefer Einschnitt in die
Freiheit der Bürger, gibt Regierungsrat Gass zu bedenken. "Wir
wollen mehr Kameras, aber eine Rundumüberwachung ist nicht unsere
Idee", stellt er klar. Auch Peter Malama ist dagegen.
Gegen Rundumüberwachung
Wie der Regierungsrat plädiert aber auch der
Gewerbedirektor dafür, dass künftig auf Antrag der
Staatsanwaltschaft eine fallweise und zeitlich beschränkte
Videoüberwachung möglich ist. Der Grosse Rat befindet
darüber voraussichtlich am 9. Juni im Rahmen der Revision des
Informations- und Datenschutzgesetzes. Malama appelliert an die Linken,
zu dieser "Minimalvariante" Hand zu bieten - zumal sie sich
medienwirksam von den Chaoten von letztem Freitag distanziert
hätten.
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20 Minuten 27.5.10
Mehr Polizei und Kameras
BASEL. Um massive Sachbeschädigungen wie etwa den
Saubannerzug vom vergangenen Freitag in der Freien Strasse zu
verhindern (20 Minuten berichtete), soll es in Basel verstärkte
Polizeipräsenz und Videoüberwachung an zwanzig neuralgischen
Stellen geben. Dies haben gestern Vertreter des Basler Gewerbeverbands,
der Pro Innerstadt sowie des Justiz- und Sicherheitsdepartements
entschieden. "Nach den Sommerferien wird die Überwachung bei der
Regierung und dem Parlament Thema sein", so Regierungsrat Hanspeter
Gass.
Für ihn ist klar, dass Exzesse auch mit
einschneidenden Massnahmen nicht ganz verhindert werden können.
"Wichtig ist jedoch, dass die Polizeipräsenz verstärkt
wahrgenommen wird", so Gass. Dies sei etwa durch mehr
Polizeipatrouillen der Fall. "Eine weitere Möglichkeit ist, mit
einem Polizeiwagen auf dem Barfi präsent zu sein", so der
Polizeidirektor. dd
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Blick am Abend 26.5.10
SP geht auf Distanz
URTEIL
Linke verwüsteten die Freie Strasse. "Kriminelle!",
schimpft nun sogar die SP.
Über 350000 Franken beträgt der Schaden, den
Chaoten am Freitag in der Freien Strasse anrichteten.
Tatverantwortliche: Linksautonome. Symbole wie Hammer und Sichel und
Parolen wie "Kampf dem Kapital" würden darauf hindeuten, sagt
Markus Melzl von der Staatsanwaltschaft.
Gewalt aus dem linken Lager: Gestern behauptete
SVP-Präsident Sebastian Frehner im Blick am Abend, dass linke
Politiker diese teilweise tolerieren würden und forderte
"knüppelhartes Vorgehen" gegen die Täter. Ein Ausrufezeichen
gegen die Vorfälle setzt aber auch die Linke. "Ein solches
Vorgehen ist eine Tat von Kriminellen", sagt SP-Parteipräsident
Martin Lüchinger nun. Derweil glaubt die "BaZ", die Täter
genauer zu kennen.
Frustrierte aus der Hausbesetzerszene sollen für den
Scherbenhaufen in der Freien Strasse gesorgt haben. Ein Insider der
Szene sagte heute der "BaZ": "Die Aktion war geplant, um der Polizei zu
zeigen, wie machtlos sie ist." Die Polizei nimmt zu dieser provokativen
Aussage keine Stellung. Aller Mutmassungen zum Trotz: Bis jetzt gab es
keine Verhaftung. rw
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1. MAI ZUREICH
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Tagesanzeiger 27.5.10
Zwei 1.-Mai-Chaoten standen vor Gericht
Staatsanwaltschaft fordert happige Geldstrafen für
zwei junge Männer, die an der Nachdemo vom 1. Mai 2009 verhaftet
wurden.
Von Stefan Hohler
Die Staatsanwälte fahren einen harten Kurs bei
Wiederholungstätern an Demonstrationen und Fussballspielen. Wer an
öffentlichen Zusammenrottungen teilnimmt, muss mit unbedingten
Geldstrafen rechnen, auch wenn keine Gewalttätigkeiten
nachgewiesen werden können. Ein 23-jähriger Soziologiestudent
soll 7500 Franken bezahlen, ein 26-jähriger Automonteur gar 9000
Franken. Gestern standen die Männer vor Gericht. Beide Fälle
hängen miteinander nicht zusammen und wurden von zwei
verschiedenen Einzelrichtern behandelt. Die Urteile stehen noch aus und
werden den Angeklagten schriftlich mitgeteilt.
Dem Studenten wird vorgeworfen, bei der 1.-Mai-Nachdemo
vom letzten Jahr sich mit einer Taucherbrille und einem Schal vermummt
als Rädelsführer hervorgetan zu haben. Er habe mit einem
Megafon zum Widerstand gegen die Polizei aufgerufen. Aus der von ihm
angefeuerten Gruppe seien dann Molotowcocktails und Steine auf die
Polizisten geworfen worden. Der 23-Jährige gab zwar zu, auf dem
Kanzlei-Areal an einem Konzert gewesen zu sein. Von einer Teilnahme an
den kurz darauf folgenden gewalttätigen Ausschreitungen wollte er
aber nichts wissen. Es müsse sich um eine Verwechslung durch den
Polizisten handeln.
Der Soziologiestudent aus dem Umfeld des
"Antikapitalistischen Kollektivs Zürcher Oberland" war aber
bereits am 1. Mai 2008 wegen Hinderung einer Amtshandlung verhaftet und
zu einer bedingten Geldstrafe von zehn Tagessätzen verurteilt
worden. An diesem 1. Mai, so auf die Frage des Richters, habe er aber
nur am Umzug teilgenommen. Der Staatsanwalt verlangt für den
Angeklagten wegen Landfriedensbruchs und Widerhandlung gegen das
Vermummungsverbot eine unbedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen
zu 50 Franken (7500 Franken) und eine Busse von 500 Franken.
Beim zweiten Angeklagten handelt es sich um einen
26-jährigen Automonteur. Er war mit einer Gruppe von
Fussball-Hooligans ebenfalls an der letztjährigen 1.-Mai-Nachdemo
beteiligt. Laut Anklageschrift waren die Hooligans während rund
zweier Stunden in Schlägereien mit Linksautonomen verwickelt.
Dabei hätten einzelne Hooligans wahllos Demonstranten angegriffen
und verprügelt. Der Angeklagte gab lediglich zu, als Gaffer dabei
gewesen zu sein. Mit der Gruppe habe er nichts zu tun. Dem hielt der
Einzelrichter entgegen, dass die Videoaufnahmen der Polizei ein anderes
Bild zeigen würden. "Sie waren mitten im Geschehen drin. Mit ihrem
Verhalten und Auftreten passten Sie sich gut in die Gruppe der
Hooligans ein." Man habe ihn zwar keine Schlägereien nachweisen
können, die Gruppe sei aber sehr gewalttätig aufgetreten.
Polizist erlitt Bänderriss
Vier Monate später war der Angeklagte wieder dabei,
als es Zoff gab. Diesmal nach dem Champions-League-Spiel FCZ gegen Real
Madrid vom 15. September 2009 vor dem Letzigrundstadion. Die
Stadtpolizei kesselte ein Gruppe von militanten FCZ-Fans ein, um sie zu
kontrollieren. Dabei stand der 26-Jährige plötzlich auf und
versuchte vergeblich den Polizeicordon zu durchbrechen. Ein Polizist
wurde auf den Boden geworfen und erlitt einen Bänderriss an der
Hand. Der Angeklagte gab den Fluchtversuch zu, bestritt aber, den
Polizisten absichtlich zu Fall gebracht und verletzt zu haben. Der
Zusammenstoss sei unbeabsichtigt gewesen, sagte sein Verteidiger.
Deshalb könne man nicht von Gewalt und Drohung gegen Beamte und
einfacher Körperverletzung ausgehen, wie dies der Staatsanwalt tue.
Dieser fordert für den vorbestraften Automonteur aus
dem Zürcher Oberland eine unbedingte Geldstrafe von 180
Tagessätzen zu 50 Franken (9000 Franken) und eine Busse von 300
Franken. Sein Verteidiger dagegen plädiert auf eine bedingte
Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu 30 Franken und eine Busse von 100
Franken. Sein Mandant habe sich von den gewalttätigen Hooligans
gelöst und seine Lehren aus der Verhaftung gezogen. Er sei am
diesjährigen 1. Mai auch nicht mehr dabei gewesen.
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NZZ 27.5.10
Bezirksgericht Zürich
Ein Hooligan und ein Antikapitalist
Zwei Strafprozesse - zwei Angeklagte, die nur zugeschaut
haben wollen
Brigitte Hürlimann (brh)
Vor den Strafrichtern werden nun die 1.-Mai-Krawalle vom
vergangenen Jahr beurteilt. Am Mittwoch mussten sich ein Hooligan und
ein Antikapitalist in separaten Prozessen verantworten.
brh. ⋅ Die zwei jungen Männer, die am Mittwochmorgen
hintereinander am Bezirksgericht Zürich anzutraben hatten, haben
so manches gemeinsam. Sie hielten sich am 1. Mai 2009 im Kreis 4 auf,
als es zu Krawallen kam, sie waren nicht zufällig dort, wollen
aber nur zugeschaut haben und nicht Teil einer gewalttätigen
Gruppe gewesen sein - und sie sind empört über die
Strafanträge der Staatsanwaltschaft. Beiden 1.-Mai-Teilnehmern
drohen unbedingte Geldstrafen und Bussen, falls sie verurteilt werden,
was noch offen ist, weil beide Einzelrichter nach den kurzen
Verhandlungen keine Urteile eröffnen mochten.
Zumindest in einer Sache jedoch unterscheiden sich die
zwei Angeklagten deutlich: Der eine sympathisiert mit
antikapitalistischen Ideologien, der andere hält sich lieber unter
rechtsgerichteten Hooligans auf, die an Fussballspielen
herumpöbeln und den Tag der Arbeit dazu nutzen, Linke zu
vermöbeln. Der heute 26-jährige Hooligan ist dreimal
vorbestraft, verbrachte wegen der jüngsten Vorwürfe drei Tage
in Haft und muss sich wegen dreier Vorfälle verantworten: Er soll
zu einer Gruppe von dreissig Hooligans gehört haben, die am
Nachmittag des 1. Mai 2009 durch den Kreis 4 zogen und Autonome
schlugen; selber gewalttätig geworden zu sein, wird ihm nicht
vorgeworfen, sondern "nur" Landfriedensbruch.
Der zweite Vorfall geschah einige Monate später, im
September 2009, beim Champions-League-Spiel FCZ gegen Real Madrid. Der
26-Jährige befand sich wiederum in einer Hooligan-Gruppe, die von
der Polizei eingekesselt wurde. Er versuchte zu fliehen und rammte
dabei einen Polizisten, der zu Boden fiel und leicht verletzt wurde.
Bei seiner Verhaftung wurde dann noch ein Säcklein mit
Kokainspuren gefunden. Von all den Vorwürfen akzeptiert der
arbeitslose Mann die Hinderung einer Amtshandlung (Fluchtversuch) und
das Betäubungsmitteldelikt, verlangt aber einen Freispruch, was
das "blöde Gaffen", wie er sagt, am 1. Mai betrifft.
Der Antikapitalist seinerseits war schon am 1. Mai 2008 im
Kanzleiareal verhaftet und wegen Hinderung einer Amtshandlung
verurteilt worden. Beim letztjährigen 1. Mai soll er sich,
wiederum im Kanzleiareal, mit Megafon, vermummt und als
Rädelsführer in einer gewalttätigen Gruppe befunden
haben. Dies streitet der Student ab und fordert einen Freispruch: Er
habe nur ein Konzert besucht, sei weder Rädelsführer noch
vermummt gewesen, es müsse sich um eine Verwechslung handeln.
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30 JAHRE ZÜRI BRÄNNT
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WoZ 27.5.10
Do-do-dossier
1980! Und 2010?
Am 30. Mai vor dreissig Jahren sorgte der Opernhauskrawall
in Zürich weitherum für Aufsehen. In der Folge kam es zu
zahlreichen Ausein andersetzungen um Freiräume in der Stadt. Aber
finden die Häuserkämpfe von damals heute eine Fortsetzung?
(Seiten 21-27)
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Zürcher Jugendunruhen - "Öis passt die Luft nöd i
dere Stadt!" - Vor dreissig Jahren bescherte Zürichs Jugend der
Stadt einen heissen Sommer. Er wirkt bis heute nach.
"… und zwar subito!"
Von Franziska Meister
"Wir sind die Kulturleichen dieser Stadt" -
mit diesem Transparent hatte sich am 30. Mai 1980 eine Gruppe von kaum
200 Jugendlichen vor dem Opernhaus in Zürich versammelt. Sechzig
Millionen Franken sollte der bürgerliche Kulturpalast für
Renovationsarbeiten erhalten. Die Jugendlichen forderten einen
Bruchteil dieses Geldes für ein eigenes alternatives
Kulturzentrum. Ein Grossaufgebot an bewaffneten Polizisten hatte sich
rund um die Demonstrie renden gebildet. Die Stimmung kippte. Im Verlauf
der Nacht flogen Pflastersteine, und Container brannten, als immer mehr
Jugendliche in die Innenstadt strömten und sich an den Unruhen
beteiligten. Mit dem "Opernhauskrawall" hatte sich die Zürcher
Bewegung begründet.
Tausende Jugendliche demonstrierten in den Tagen danach in
den Strassen, um ihrer Forderung nach einem eigenen Kulturzentrum
Nachdruck zu verleihen. Sie taten dies mit spontanen Aktionen und viel
kreativem Witz. Die "Drachensaat in der Gosse" war aufgegangen, es
galt, "Grönland" zu befreien - "nieder mit dem Packeis", lautete
die Botschaft, "und zwar subito!". Tatsächlich konnten sie Ende
Juni in ein leer stehendes Fabrikgebäude hinter dem Hauptbahnhof
einziehen: Der Traum vom Autonomen Jugendzentrum (AJZ) war Wirklichkeit
geworden - zumindest vorübergehend.
Städtische Behörden und bürgerliche Kreise
reagierten konsterniert, empört, fassungslos auf den Sponti- und
Subito-Stil der Jugendlichen, die sich selbst "Bewegte" nannten und
dezidiert un-ideologisch und antiintellektuell auftraten. Die
legendäre "Telebühne"-Fernsehsendung, an der zwei Jugendliche
als biederes "Ehepaar Müller" die Position der Bürgerlichen
ad absurdum führten, endete im Tumult. Freche Sprüche und
Collagen in den Bewegungszeitungen "Eisbrecher" und "Brächise"
führten wiederholt zu Beschlagnahmungen. Überhaupt schienen
die Behörden nur eine Antwort zu finden: Repression und
Polizeigewalt.
Was sich in Zürich Bahn brach, wurde bald auch von
Jugendlichen in andern Städten in und ausserhalb der Schweiz
aufgegriffen. Für einmal schaute ganz Westeuropa nach Zürich
- einer Stadt, in der der Wohlstand noch ein bisschen
grösser, das Leben ein bisschen wohlgeordneter, die Ordnung ein
bisschen bürgerlicher war als anderswo. Bereits Anfang September
schloss die Polizei das AJZ wieder, erstickte Demonstrationsversuche im
Tränengas und lieferte den militanteren "Stadtindianern" aus der
Bewegung nächtelange Strassenjagden.
Im November 1980 veröffentlichte die
Eidgenössische Kommission für Jugendfragen "Thesen zu den
Jugendunruhen", die weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung
fanden. Im Fokus der Kritik standen der bürgerliche Ruf nach Ruhe
und Ordnung und die Repression der Polizei. "Wenn Ruhe Erstarrung und
Ordnung Unterdrückung heisst, dann kann von den Betroffenen nur
zweierlei erwartet werden", hielt die Kommission fest: "Entweder
Resignation, Betäubung und Selbstzerstörung oder Unruhe und
Unordnung."
Tatsächlich sollte sich, nachdem das AJZ im März
1981 wieder offen war, eine wachsende Drogen- und Hänger szene
dort ausbreiten, die einen geregelten Kulturbetrieb bald
verunmöglichte. Diese Entwicklung war das Resultat einer gezielten
städtischen Ghettoisierungspolitik: Die Polizei ging aktiv gegen
die Drogenszene an den bekannten Umschlagplätzen vor und trieb
Süchtige wie Dealer quasi ins AJZ. Überhaupt suchte sie
Jugendliche im AJZ und seiner Umgebung einzudämmen. Damit traf sie
den Protest der Bewegten im Kern.
Slogans wie "Öis passt die Luft
nöd i dere Stadt!", die auf Flugblättern und
in den Bewegungszeitungen auftauchten, verwiesen nämlich nicht
allein auf das bürgerlich- konservative Klima, sondern auf die in
Beton erstarrten städtischen Strukturen - eben: das
"Packeis" in "Grönland". Als "Bewegte" eroberten die Jugendlichen
den Stadtraum als Lebens- und Erlebenswelt für sich. Sie machten
leer stehende Häuser und Strassen zu ihrem zentralen Handlungs-
und Kommunikationsraum. Häuser wurden besetzt und Sponti-Aktionen
durchgeführt, um auf die drückende Wohnungsnot aufmerksam zu
machen. Die Tramkommune 13 etwa richtete sich mit Möbeln aus dem
Brockenhaus in verschiedenen Trams ein und suchte mit Kaffee und
Guetzli das Gespräch mit den Fahrgästen. An Ostern 1981
entstand an der Seepromenade über Nacht die Bretterbudensiedlung
Chaotikon. Und als die Polizei sie abreissen liess, errichteten die
Jugendlichen kurzerhand Chaotikon II beim Platzspitz (das selbstredend
umgehend wieder plattgemacht wurde).
"Wir wehren uns - wir wehren uns gegen eine
Stadt der Reichen, gegen die Gentrifizierung von Stadtkreisen wie dem
Kreis 4 und 5, gegen die ständige Schikanierung", steht auf einem
elektronischen Flugblatt, das aus der Besetzerszene im
Güterbahnhof stammt: "Wie vor dreissig Jahren." Es ist Mai 2010.
Auf dem Areal des Güterbahnhofs soll für 630 Millionen
Franken ein neues Justiz- und Polizeizentrum gebaut werden
- "ein in Beton gegossenes Symbol einer Politik, die von
Ausgrenzung und Repression gezeichnet ist. Ein Symbol einer Politik
auch, die autonome Projekte immer stärker einschränkt."
Jüngst ist das Autonome Kulturzentrum an der Kalkbreitestrasse
abgerissen worden. Wie geht es weiter? Wiederholt sich die Geschichte,
weil niemand etwas aus ihr gelernt hat?
--
"Eigentlich wollten wir vor dreissig Jahren genau dasselbe"
Eine bewegte Familie - Der Vater ist mittlerweile
Zürcher Gemeinderat und engagiert sich im Bereich
Stadtentwicklung. 1980 hat seine Biografie nachhaltig geprägt. Im
Gespräch mit ihm und seinem jüngsten Sohn wird deutlich:
Alternative Lebensformen wirken fort, auch wenn die Vorzeichen andere
geworden sind.
Von Jan Jiràt, Franziska Meister (Text) und Ursula
Häne (Foto)
Dass sie Vater und Sohn sind, sieht man gleich: dieselben
feingliedrigen, agilen Hände, derselbe Lockenkopf - fast
zumindest. Was bei Jonathan wild und dunkel wuchert, ist bei Richi
schon etwas ausgedünnt und angegraut.
Die beiden eint mehr als Familienbande: Richi Wolff hat
sich 1980 in Zürich als junger Student kopfüber in die
Bewegung gestürzt, Jonathan ist vor ein paar Monaten mit knapp
sechzehn Jahren in die "Szene" abgetaucht und lebt jetzt in einem
besetzten Haus. Anderswo die besten Voraussetzungen für einen
handfesten Familienstreit. Jonathan möchte gern anonym bleiben,
was sein Vater unterstützt - immerhin steht bald das erste
Lehrjahr an. Überhaupt hält Richi seinem Sohn die Stange, ist
stolz darauf, dass sich Jonathan seine eigenen Freiräume
geschaffen, sein eigenes soziales Netz aufgebaut hat. Entsprechend
verblüfft reagiert Jonathan auf die Frage, ob er es mit einem so
verständnisvollen Vater nicht manchmal schwer habe: "Abgrenzen?
... warum?"
Im "Nordpol" zu Hause
"‹Läbe wie me wott›, das forderten wir damals",
erinnert sich Richi. "Wir wollten Freiräume: Freiräume
für unsere Kultur, Freiräume zum Wohnen, uns unsere eigenen
Strukturen schaffen." Häuser zu besetzen, gehörte da zentral
dazu. Richi lebte in verschiedenen WGs, meist in Zürich. Teil
einer Besetzergruppe war er nie. Am nächsten sei er wohl bei der
Stauffacher-Besetzung dran gewesen, meint er, aber nicht drin. Kollegen
von ihm waren dabei, und mit denen hat er sich solidarisiert, hat an
Demos mitgemacht.
1981 gründete er mit FreundInnen eine grosse WG an
der Nordstrasse - ein ganzes Haus haben sie gemietet, später sogar
gekauft. Richi ringt die Hände, scheint für einen Moment fast
verlegen. "Ich hatte kein Bedürfnis, andere Häuser zu
besetzen - wir hatten ja unser Zuhause." Er lebt mit seiner Familie
noch immer dort, im "Nordpol".
Richi: "Wir waren eine riesige WG, so sechzehn, achtzehn
Leute. Und wir hatten sehr viele Beziehungen in andere Häuser, in
die Besetzerszene. Wechsel waren bei uns häufig: Leute zogen ein,
zogen dann weiter in besetzte Häuser oder kamen von dort zu uns.
Aber die Kerngruppe von damals, die ist heute noch im Haus.
Pärchen bildeten sich, die ersten Kinder kamen, und mit der Zeit
entwickelte sich die Gross-WG in Richtung Familienetagen. Jetzt sind
die Kinder am Ausziehen. Obwohl: Wir haben auch schon darüber
diskutiert, dass die Kinder bleiben und wir ausziehen."
Jonathan: "Eigentlich ist das der Plan, genau: Die Alten
sollen ausziehen ... Aber dazu muss man sie erst mal überreden,
nachdem sie dreissig Jahre hier gewohnt haben."
So ganz ist Jonathan noch nicht von zu Hause ausgezogen.
Seine Sachen sind noch alle dort. Überhaupt, sein richtiges
Zuhause sieht er nicht im besetzten Haus. "Es ist ein Wohnraum, gut zum
Schlafen, aber wenn ich morgens früh arbeiten gehen muss,
übernachte ich doch lieber im ‹Nordpol›, weil der Arbeitsweg von
da aus viel bequemer ist." Er schläft vor allem im besetzten Haus,
wenn dort etwas läuft, wenn Bar ist und ein DJ auflegt. Den
"Nordpol" will er so schnell nicht aufgeben. Das Haus mit dem grossen
Gemeinschaftsraum findet er "voll cool". Dort würde er später
gern mit einer WG einziehen und ganz regulär Miete zahlen.
Jonathan: "In unserm Haus leben sehr viele verschiedene
Leute mit unterschiedlichen Interessen. Wir haben eine
Gemeinschaftsküche, aber das Essen ist mehr oder weniger
Privatsache. Wir containern manchmal für den Kühlschrank, ein
Kässeli gibt es nicht."
Richi: "Wir haben das viel kollektiver zu organisieren
versucht. In den ersten Jahren war die grosse Stube im ersten Stock der
gemeinsame Essraum. Dann, als wir das Haus gekauft hatten, haben wir
gleich die ehemalige Backstube im Keller ausgebaut, damit wir dort
zusammen kochen und essen konnten. Wir haben sicher fünfmal die
Woche zusammen gegessen. Das war einfach Teil des Lebensstils."
Der Frust mit der Roten Fabrik
Und dieser Lebensstil war "Punk", sagt Richi: "Jetzt und
alles und sofort." Mit dieser Grundhaltung grenzten sich die Achtziger
auch von den theorielastigen Achtundsechzigern ab. Ihr Verhältnis
zu Studierenden und zur Uni war dis tanziert. Richi fühlte sich
trotzdem akzeptiert - auch, weil er nie herausstrich, dass er
studierte. Mit den Bewegten teilte er vor allem den Frust darüber,
dass es in der Stadt im Frühling 1980 keine Lokale mehr gab, in
denen sich Jugendliche überhaupt treffen konnten. "Etwas trinken,
tanzen - das lief zum grossen Teil privat ab, jemand organisierte einen
Fez." Die wenigen Privatclubs, die dank Spezialbewilligung auch nach
Mitternacht noch geöffnet hatten, kosteten zehn oder sogar zwanzig
Franken Eintritt, und den Alkohol musste man auch selber mitbringen.
"Dieses Geld hatten wir nicht", sagt Richi. "Der Notstand war riesig."
Und dann kam der Sechzigmillionenkredit für das Opernhaus.
Die angestaute Wut entlud sich explosionsartig in einer
Strassenschlacht, die eigentlich mit einer harmlosen Kundgebung vor dem
Opernhaus angefangen hatte. "Von da an war klar: Jetzt gibts Bewegung",
sagt Richi, der seit Tag zwei mit Tausenden anderen Jugendlichen an den
Demos teilgenommen hat. "Wir forderten unsern eigenen Kulturraum." Eine
Forderung, die sich zu Beginn ganz auf die Rote Fabrik konzentrierte.
Ge mäss einer Volksabstimmung aus dem Jahr 1977 hätte die
Rote Fabrik in ein Kultur- und Freizeitzentrum umgewandelt werden
sollen. Geschehen war nichts. Im Mai 1980 lagerten dort vor allem
Kulissen und Kostüme des Opernhauses.
Richi: "Die Forderung nach einem AJZ überlagerte den
Kampf um die Rote Fabrik aber schon bald - und es wurde dann auch ganz
rasch Realität. Denn unser Druck von der Strasse war enorm. Die
hatten richtig Angst, dass so etwas wie ein Bürgerkrieg ausbrechen
könnte. Es war unglaublich! Ich war an den meisten Demos mit
dabei. Aber zu denen, die in der vordersten Reihe kämpften,
gehörte ich nicht. Jene, die Tränengaspetarden vom Boden
auflasen und zurückschmissen - so einer war ich nicht."
Voll engagiert war Richi auch im AJZ und in den einzelnen
Arbeitsgruppen dort nicht. "Aber es gab so etwas wie eine
Rückwirkung von der Strasse ins Studium hinein", sagt er. Die
Stadt wurde zum zentralen Thema für das Grüppchen autonomer
Geografiestudenten, dem er angehörte. Sie wollten Wissenschaft in
den Alltag überführen, sie in den Dienst der
Stadtbevölkerung stellen. Die Gruppe SAU - Ssenter for Applied
Urbanism - entstand. "Wir begaben uns gezielt in verschiedene
Quartiergruppen hinein und beteiligten uns an ihrem Kampf, den
städtischen Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Wir
versuchten unser Uni-Wissen in politischen Diskussionen umzusetzen."
Die Rote Fabrik war ein zentraler Ort dafür. Für
die Fabrik-Uni, eine Art Volkshochschule, produzierten Richi und seine
SAU-Kollegen eine Agitprop-Tonbildschau zur Stadtentwicklung von
Zürich, mit der sie später auf Tournee nach Deutschland,
Österreich, Holland und Polen gingen. Wiederholt organisierten sie
in der Roten Fabrik auch ganze Veranstaltungsreihen unter Namen wie
"Capitales Fatales" oder "Città Frontale", zu denen sie
Gäste aus Städten wie London oder Amsterdam einluden, um
politische Debatten zur Stadtentwicklung zu lancieren. Er sei ein alter
"Fabrikaktivist", sagt Richi.
Jonathan: "Ich bin praktisch in der Roten Fabrik
aufgewachsen. Meine Eltern haben beide dort gearbeitet, in Betriebs-
und Konzeptgruppen, und ich bin in den Hinterräumen, den
Büros oder auf der Bühne rumgekrabbelt. Bin auch aufgewachsen
mit den Leuten, die dort verkehrten, den Punks, den Säufern, den
andern aus der Szene. Eigentlich finde ich die Fabrik total
lässig. Aber heute muss man sich schon fragen, ob man dort noch
hinwill - aus politischen Gründen. Zum Beispiel wegen der
Geldpolitik. Die Rote Fabrik macht alternative Kultur für 25
Franken, die sich niemand leisten kann, der sich dafür
interessiert, und kriegt dafür sogar noch Geld von der Stadt."
Richi: "Ohne die Subventionen würde das doch gar
nicht funktionieren. Aber die Eintrittspolitik ist tatsächlich ein
Problem. Die geht vorbei an den Jugendlichen."
Jonathan: "Ein Problem habe ich auch mit der Roten Fabrik,
wenn sie gegen ihre eigenen Statuten verstösst und das nicht mal
schlimm findet. Zum Beispiel hat sie dem bekanntermassen sexis tischen
jamaikanischen Reggaemusiker Sizzla einen Auftritt erlaubt - trotz
Protesten aus der linken und alternativen Szene. Dabei steht in den
Statuten ganz klar: kein Sexismus."
Richi: "Ja, das ist dumm gelaufen ..."
Jonathan: "Und dann hat Sizzla sogar noch ein zweites
Konzert gegeben. Sehr toll. Sehr alternative Kultur. Wir wollen unser
eigenes alternatives Ding, unsere eigenen Räume. Wo jemand, der
sich ein Konzert für fünf Franken nicht leisten kann, halt
trotzdem reinkommt. Wo nicht Sizzla auftritt, sondern ein Schweizer
Musiker oder einer aus den Nachbarländern. Einer, der nicht in der
Hitparade läuft."
Richi: "So wie du das jetzt sagst ... eigentlich wollten
wir vor dreissig Jahren genau das Gleiche. Nur, wir haben uns die se
alternativen Kulturräume erkämpft, und die haben sich
mittlerweile etabliert und institutionalisiert. Klar: Das sind nicht
mehr die Räume, die ihr wollt."
"Huberta" - der Traum
Der erste Schritt in die Szene führte Jonathan im
Februar 2010 gleich ins Paradies: In ein Fabrikgebäude im Kreis 9,
die "Huberta". "Ich kannte zwar ein paar Leute aus der Szene, aber ein
Teil davon war ich nicht. Ich bin aus dem Nichts gleich in die
‹Huberta› rein. Das war einfach toll! Das Zusammenleben, wie wir aus
dem Nichts in ein paar Tagen alles eingerichtet hatten ... Es war
genial!"
Zwanzig Leute waren sie etwa, die aus dem leer stehenden,
zweistöckigen Fabrikgebäude innert zweier Wochen Jonathans
Paradies aufstellten. Im Erdgeschoss entstand der Gemeinschaftsraum, wo
eine Küche für alle, die sogenannte Vokü
(Volksküche) eingerichtet wurde. Und eine Bar samt Musikanlage.
Zwei-, dreimal pro Woche fand ein Konzert statt. Sie richteten auch ein
kleines Kino ein, malten die Wände an, immer war etwas los. Im
Obergeschoss war der Wohnbereich, im Grunde genommen eine grosse Stube,
in der sich die BesetzerInnen so einrichteten, wie es gerade passte.
Manchmal übernachteten auch "Partygäste" dort. Jonathan
gefiel es in der "Huberta" so gut, dass er praktisch einen ganzen Monat
lang dort wohnte. Nur der teure Compi und die Gitarre blieben im
"Nordpol".
Auch die Autonome Schule Zürich (ASZ), die ein
breites Programm an kos tenlosen Bildungskursen zu Computern,
Selbstverteidigung oder Sprachen anbietet (siehe WOZ Nr. 42/09), fand
in der "Huberta" Unterschlupf, nachdem sie von der Polizei zuvor aus
diversen Räumlichkeiten vertrieben worden war. "Die Zusammenarbeit
hat super geklappt. Die Leute von der ASZ haben uns beim Aufbau der
Strukturen sehr geholfen", sagt Jonathan. "Zu Beginn war es schon nicht
ganz einfach: Plötzlich standen dreimal wöchentlich 120 Leute
im Haus, die wir nicht kannten. Aber das hat sich automatisch ergeben."
Es waren vorwiegend MigrantInnen, die die ASZ-Deutschkurse in der
"Huberta" besuchten. Die Begegnungen mit ihnen haben Jonathan sichtlich
geprägt. Das Thema "Migrationspolitik", mit dem sich ein Teil der
Szene ohnehin intensiv auseinandersetzt, hat nicht nur einen aktuellen,
sondern auch einen sehr persönlichen Bezug erhalten.
Jonathan: "Viele Migranten sind Kollegen geworden. Ich
sehe immer mehr, wie sie leben, wie sie denken und wie sie vom Staat
wahrgenommen und behandelt werden. Vor rund zwei Wochen ist ein
Sans-Papiers und Kursleiter der ASZ von der Polizei wegen fehlender
Ausweispapiere verhaftet worden. Wir sind daraufhin vors
Kasernenareal gezogen. Der Verhaftete ist jetzt wieder draussen, und
wer weiss, vielleicht haben wir dazu beigetragen, dass es so schnell
ging. Früher hätte ich gedacht: Okay, den sollte man schon
rausholen. Aber heute, da kenne ich ihn, habe mit ihm geredet, da gibt
es keine Frage: Der muss raus!"
Raus musste auch Jonathan aus seinem Paradies. Nach
eineinhalb Monaten standen die "Bullen" vor der Tür: Drei Tage
liessen sie ihnen Zeit, die "Huberta" zu räumen. Jonathans kurzer,
fiebriger, schöner Traum endete ...
Bei Richi hiessen sie "d Schmier", und 1980 wären
eineinhalb Monate in einem besetzten Haus noch unmöglich gewesen.
Richi: "Damals sind die Hausbesetzungen meistens innerhalb
von wenigen Stunden geräumt worden. Eine Ausnahme war die
Stauffacher-Besetzung, die hat ungefähr zehn Tage gedauert. Ich
denke, man ist heute allgemein viel toleranter. 1980 haben die Polizei,
aber auch die Medien völlig hysterisch auf uns reagiert. Heute ist
fast schon eher eine Art von Gleichgültigkeit entstanden. Das
Häuserbesetzen hat sich etabliert."
Jonathan: "Wir kriegen ein Ultimatum gestellt und wissen,
bis dann und dann müssen wir draussen sein. Im Gegenzug
boykottieren wir den Auszug nicht, wie das in den achtziger Jahren der
Fall war, wo es zu Zusammenstössen kam. Aus der ‹Huberta› sind wir
übers Osterwochenende ausgezogen. Als die Bullen kamen, war das
Gebäude leer. Es läuft jetzt viel friedlicher ab. Das finden
die einen gut und die anderen weniger. Wie immer, wenn man bei uns im
besetzen Haus über Politik redet, dann ist das eher schwierig.
Denn es sind Anarchisten dabei, es gibt Linke, die den
parlamentarischen Weg für richtig halten, und jene, die ihn
ablehnen, es hat Gewaltbefürworter und solche, die sie kategorisch
ablehnen. Würde man über all das reden, gäbe das nur
Streit. Bei uns sagt man deshalb einfach, wir machen das jetzt so."
Richi: "Das macht ihr besser als wir früher.
Früher hat man sich auseinanderdividiert in all diesen politischen
Diskussionen."
"Friesi" - der Kampf
Im neu besetzten Haus, einem Wohnreihenhaus am Fuss des
Uetlibergs, musste Jonathan freilich erleben, dass sich die Szene im
Vergleich zur "Huberta" ebenfalls auseinanderdividiert hat. "In der
‹Friesi› ist alles ... anders."
Das liegt massgeblich an den Räumlichkeiten; wo in
der "Huberta" grosse, offene Flächen zur Verfügung standen,
besteht die "Friesi" hauptsächlich aus Zweieinhalbzimmerwohnungen.
"Jeder baut für sich, macht seine eigenen Dinge in seiner Wohnung.
Ich habe mir aus lauter Langeweile schon eigene Möbel gebaut - ein
Bett und einen Schrank", sagt Jonathan. Kommt hinzu, dass nicht alle
BesetzerInnen in einem Wohnreihenhaus Platz gefunden haben. So gibt es
ein vorderes Haus, in dem Jonathan wohnt, und ein hinteres. Und die
Trennlinie scheint nicht bloss räumlich zu verlaufen. Im hinteren
Haus haben sie vor allem am Wohnraum Interesse und beschäftigen
sich sonst mit anderen Dingen. Aber sie seien trotz der
unterschiedlichen Interessen auf jeden Fall noch immer eine Gruppe,
sagt Jonathan.
Die bewusste Abgrenzung "seiner" Szene spielt für
Jonathan eine wichtige Rolle. Fast scheint es, als sei sein
Lebensentwurf weniger gegen die Bullen, die Kapitalisten oder den Staat
gerichtet (und schon gar nicht gegen die eigenen Eltern), als vielmehr
gegen die eigene Jugend: Gegen die "Teeniepartys im Dynamo", die
"blöden Hools, die am 1. Mai nur zum Prügeln in die Stadt
kommen", und die ehemaligen Mitschüler, die "nur am Gamen
interessiert waren".
Am meisten zu schaffen macht Jonathan aber die aktuelle
Lage im "Friesi". "Es ist super für diejenigen Leute, die einfach
einen Platz zum Wohnen brauchen", sagt Jonathan, aber für
diejenigen, die Kultur machen wollen, bräuchte es etwas anderes.
Immerhin ist zumindest ins vordere Haus Bewegung gekommen: Sie haben
Wände rausgerissen und andere angestrichen, eine Küche zur
Vokü ausgebaut. Auch eine Bar ist mittlerweile eingerichtet.
Jonathan: "Bei uns läuft was, wir wollen Leben ins
‹Friesi› bringen. Wir haben uns deshalb in unserm Stock zu einer WG
zusammengeschlossen. Ein Zimmer ist zur Stube erkoren worden, wir
kochen und essen auch gemeinsam. Zudem haben wir erste Kontakte zur
Nachbarschaft geknüpft. Die hängen zwar nicht an unserer neu
eingerichteten Bar ab, sind aber freundlich. Und von einer nahen
Bäckerei haben wir schon öfter Gipfeli oder Brötli
erhalten. Es kommt langsam. Trotzdem: Wir wollen möglichst rasch
ein Kultur squat. Einen Ort für alternative Kultur, wo man einfach
so hingehen kann und weiss: Dort läuft etwas, selbst wenn es nur
darum geht, spannende Leute zu treffen. So wie in der ‹Huberta›. Das
werden wir uns holen und organisieren."
An einen heissen Sommer wie 1980 mag Jonathan aber nicht
glauben. Das habe sich damals ja auch nicht abgezeichnet, sagt Richi
nur.
--
Richi Wolff
Seit März 2010 sitzt Richi Wolff (52) für die
Alternative Liste im Gemeinde rat der Stadt Zürich. Er lebt mit
seiner Partnerin seit Mitte der achtziger Jahre im "Nordpol" in
Zürich und ist Vater von drei Söhnen. Der Geograf und
Stadtforscher hat 1991 die Inura mitbegründet, ein internationales
Netz für Forschung und Aktionen im städtischen Raum, mit
Hauptsitz in Zürich. Wolff organisiert unter anderem
Partizipationsprozesse in städtischen Quartieren. Vom 26. bis zum
28. Juni 2010 findet in der Roten Fabrik in Zürich die 20.
Inura-Konferenz statt. 150 ReferentInnen aus über vierzig
Ländern werden die wichtigsten Themen der Stadtentwicklung der
letzten zwei Jahrzehnte diskutieren.
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HÄUSERKAMPF ZH
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WoZ 27.5.10
Häuserkampf im Film - Eine achtstündige
Videodokumentation von Mischa Brutschin zeichnet den Kampf um ein
selbstbestimmtes Leben in Zürichs Strassen von 1979 bis 1995 nach.
"Allein machen sie dich ein"
Von Daniel Stern
Jahrelang hat Mischa Brutschin Film- und Videoausschnitte
sowie Ton- und Textdokumente aus der Zürcher Besetzerszene
zusammengetragen. Diesen riesigen Haufen Material hat er zu einer
achtstündigen Collage verwoben, die vor allem den Kampf um Wohn-
und Freiräume zwischen 1979 und 1995 dokumentiert. Eine
Zeitperiode, die mit dem Kampf um ein Autonomes Jugendzentrum (AJZ)
begann und mit der Räumung der besetzten Wohlgrot endete, einer
Fabrik an den Geleisen nahe dem Bahnhof. Der gigantische weisse
Schriftzug "Zureich", auf blauem Hintergrund an ihre Mauer gemalt,
hatte Zugspassagiere jahrelang in der Metropole begrüsst.
Hier und jetzt
Brutschin macht deutlich, dass die Wurzeln der Forderung
nach einem Begegnungszentrum für Jugendliche bis in die
fünfziger Jahre zurückreichen. Damals entstand das Jugendhaus
Drahtschmidli. Später dann, 1968, war es das Globus-Provisorium
auf der Quaibrücke, um das sich Jugendliche mit der Polizei
Strassenschlachten lieferten. Anfang der siebziger Jahre kochten die
Emotionen anlässlich der Auseinandersetzungen um den Bunker beim
heutigen Parkhaus Urania erneut hoch. Die bewegendsten Bilder aus den
siebziger Jahren hat Brutschin über den Kampf um eine
Häuserzeile an der Venedigstrasse zusammengetragen. Dort sollte
ein ganzes Wohnquartier einem Geschäftsviertel weichen. Alt und
Jung diskutierten damals auf Versammlungen darüber, wie sie sich
wehren könnten.
Auf diese seit 1968 geschaffenen Strukturen und
Erfahrungen konnte die Achtzigerbewegung zurückgreifen. In diesem
Zusammenhang spielte auch das Ende der siebziger Jahre besetzte
Schindlergut eine Rolle, das ursprünglich ein von einem
Träger verwalteter Jugendtreff gewesen war. Die Bewegung
schöpfte ihre Kraft aber vor allem aus ihrem Kampf im Hier und
Jetzt, mit dem sie sich vielen Strömungen, die nach 68 entstanden
waren, entgegenstemmte. Man verlachte die maoistischen Grüppchen,
die sich als Speerspitze des Proletarias verstanden, wie man diejenigen
verachtete, die auf dem "langen Marsch durch die Institutionen" selber
Teil des verhassten Systems geworden waren.
1980 ging es um Selbstbefreiung, um Autonomie, um
Verweigerung gegenüber der herrschenden Kultur, und nicht um
zukünftige Heilsversprechungen oder um Stellvertreterkämpfe
für Unterdrückte anderswo.
Schwarzer Faden
Auch wenn die eigentliche Bewegung schon zwei Jahre
später faktisch zerschlagen war, loderte das Feuer weiter, wie
Brutschin dokumentiert. Gerade die Kämpfe um die Wohnhäuser
am Stauffacher und später an der Schmiede Wiedikon konnten ihre
Stärke nur entfalten, weil sie auf die Unterstützung vieler
zählen konnte, die sich im AJZ kennengelernt hatten. 1989 dann kam
es mit den "Aufläufen gegen den Speck" wieder zu
Auseinandersetzungen, die an 1980 erinnerten. Eine neue Generation
integrierte sich in die Häuserkampfszene. Die neue Bewegung rang
den Stadtbehörden mit wöchentlichen Demonstrationen und
unzähligen Besetzungen eine faktische Tolerierung von
Hausbesetzungen bis zum Abbruchtermin ab.
Brutschin hat für seine Dokumentation einen
subjektiven Ansatz gewählt: die Perspektive des Aktivisten. Neben
Archivaufnahmen des Schweizer Fernsehens zeigt er vor allem
Filmmaterial, das aus der Szene selbst stammt. Texte aus
Flugblättern und Bewegungszeitungen werden mit eigenen Kommentaren
verwoben. Dazu montiert Brutschin Töne aus dem
öffentlich-rechtlichen Radio, von Piratensendern und vom
bewegungsnahen Radio Lora. Ihren ganz eigenen Stempel drücken der
Dokumentation schliesslich die Aufnahmen von unzähligen Bands auf,
die damals in den besetzten Häusern und Zentren auftraten.
Die Ideen, Aktionsformen und Strategien der AktivistInnen
ziehen sich wie ein Faden - ein "schwarzer Faden", wie Brutschin ihn im
Begleitheft nennt - durch die Jahrzehnte der Strassenkämpfe. Je
länger man zuschaut, desto mehr lässt sich eine Logik hinter
den Aktionen und deren Abläufen erkennen: Aus Erfahrungen gehen
neue Strategien hervor; entscheidender noch: Der Kampf um
selbstbestimmte Räume schafft persönliche Beziehungen. Netze
entstehen. Gruppen finden zusammen.
"Nur Stämme werden überleben" stand 1980 auf
Zürichs Hausmauern. Brutschin zeichnet in seiner Dokumentation den
Verlauf einiger dieser Stämme nach; etwa jener der Leute an der
Hüttisstrasse, einer inzwischen abgerissenen Wohnsiedlung im
peripheren Zürich-Oerlikon. Hier kämpften die BewohnerInnen
ab den frühen achtziger Jahren um den Erhalt der Arbeithäuser
und zogen schliesslich, als die Abrissbagger nicht mehr aufzuhalten
waren, in selbst gebaute Wohnwagen stadteinwärts auf die
Kronenwiese. Später besetzten sie von dort aus weitere
Häuser. In Zürich-Aussersihl verliert sich 1997 dann ihre
Spur.
Und die Drogenszene?
Brutschin dokumentiert auch die oft erbittert
geführten internen Ausein andersetzungen: Man stritt über
Militanz, den Geschlechterkampf oder den Graben zwischen
"DominatorInnen" und "Fussvolk" innerhalb der Besetzergruppen. Und
man rang darum, ein Verhältnis zur Drogenszene zu finden. Denn die
prägte Zürich auf ähnliche Weise. Auch die Junkies
besetzten Räume, wurden vertrieben. Nur wehrten sie sich selten.
Brutschin vergleicht: Wie gingen die Leute in der Wohlgrot mit der
Drogenszene um? Wiederholten sie die Fehler, die man zehn Jahre zuvor
gemacht hatte? Ebenso wie im AJZ experi mentierten auch die
AktivistInnen aus der Wohlgrot mit einem für alle offenen
Drogenraum - und scheiterten. Anders als die Leute vom AJZ verstanden
sie es jedoch, sich der Ghettoisierungsstrategie der Polizei
entgegenzustellen: Sie schauten nicht tatenlos zu, als die Polizei
gezielt die Drogenszene in die Wohlgrot zu treiben suchte.
Die achtstündige Collage zum Zürcher
Häuserkampf ist Geschichtsschreibung aus der Perspektive des
Handelnden. Und sie zeigt auf, wie Kämpfe erfolgreich geführt
werden können.
Mischa Brutschin: "Allein machen sie dich ein". Box mit
5 DVDs und Begleitheft. Zürich 2010. 80
Franken. Erhältlich unter http://www.zureich.ch
oder im einschlägigen Fachhandel.
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KINO-LEBEN ZH
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WoZ 27.5.10
Fest
30 Jahre Xenix
Es ist auch in einer Stadt wie Zürich keine
Selbstverständlichkeit mehr, dass Kinos die Filme im Originalton
vorführen - und schon gar nicht, dass es noch Programmkinos gibt,
die über eine bestimmte Zeitspanne thematische Filmreihen zeigen.
Umso schöner ist es, dass heuer das Kino Xenix seinen dreissigsten
Geburtstag feiern kann.
Dazu lädt das Kino zu einem Fest für Gross und
Klein auf dem Kanzleiareal ein. Für die Kleinen wird ab 15 Uhr ein
Blasio-Universum zum Hüpfen aufgepumpt, ab 16 Uhr ist die Sirupbar
mit Luftballons eröffnet. Die Grossen können in der
Siebdruckecke ihr T-Shirt mit dem Jubliäumslogo bedrucken lassen.
Stets ein Vergnügen für Jung und Alt sind
Stärneföifi. Die Band um Boni Koller und Sibylle Aeberli
spielt ab 17 Uhr. Musikalisch geht es dann um 20 Uhr weiter, mit Cat
Vulcano und um 22 Uhr mit Big Zis feat. Domenico Ferrari und Se Uppers.
Natürlich werden am Xenix-Jubiläumsfest auch Filme gezeigt:
Um 19 Uhr wird zur Vorpremiere des irischen Kinderfilms "Das grosse
Rennen" eingeladen, der von einem Mädchen handelt, das
Seifenkistenrennen fährt. Um Mitternacht ist mit Emir Kusturicas
"Chat Noir, Chat Blanc" (1998) ein vergnüglicher Klassiker zu
sehen. süs
Dreissig Jahre Xenix in: Zürich Kanzleiareal, Fr, 28.
Mai, ab 15 Uhr. http://www.xenix.ch
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RABE-INFO
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Do. 27. Mai 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_27._Mai_2010.mp3
- Lage der Menschenrechte: weltweit gehts nur langsam bergauf
http://www.amnesty.ch/de/themen/menschenrechte/amnesty-report/jahre/2010
- Verschärfung Asylgesetz: die lauten Stimmer der Kritiker
http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2010/2010-05-261.html
- Lernort Kiesgrube: outdoor Schulzimmer mit
Anschauungsunterricht
http://www.lernortkiesgrube.ch/
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ASYL
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BZ 27.5.10
Teilrevision
Bundesrat verschärft das Asylgesetz
Trotz kritischen Stimmen von links und rechts will der
Bundesrat die Asylverfahren weiter beschleunigen und verschärfen.
Die Zahl neu eingereichter Asylgesuche ist zwischen 2007
und 2008 von 6000 auf 16000 hochgeschnellt. Seither verharrt sie auf
diesem Niveau. Das ist nach Ansicht des Bundesrats zu viel. Er will
darum das Asyl- und Ausländergesetz wenige Jahre nach
Inkrafttreten der letzten Revision erneut verschärfen. Das Ziel:
Die Schweiz soll für Asylsuchende an Attraktivität verlieren.
"Aus diesem Grund müssen die Verfahrensabläufe unbedingt
beschleunigt und effektiver werden", sagte Justizministerin Eveline
Widmer-Schlumpf gestern vor den Medien, als sie die Botschaft zur
Teilrevision des Asyl- und Ausländergesetzes präsentierte.
Das bisherige "komplizierte und unübersichtliche System"
müsse vereinfacht werden. So sollen etwa die Tatbestände
für einen Nichteintretensentscheid von 13 auf 3 reduziert werden.
Nichteintretensentscheide werden fortan nur noch bei Dublin-Verfahren
und bei Wegweisungen in einen sicheren Drittstaat ausgesprochen sowie
in Fällen, in denen Asylsuchende keine Asylgründe vorbringen
(z.B. ausschliesslich medizinische oder wirtschaftliche Gründe).
In den übrigen Fällen soll ein rasches materielles Verfahren
durchgeführt werden. Dabei will der Bundesrat die Beschwerdefrist
von 30 auf 15 Tage verkürzen.
Die Revision sieht weitere Einschränkungen vor. Die
Möglichkeit, auf einer schweizerischen Botschaft im Ausland ein
Asylgesuch zu stellen etwa, wird aufgehoben. "Die Schweiz ist noch der
einzige Staat in Europa, der diese Möglichkeit bietet", sagte
Widmer-Schlumpf. Die Vertretungen würden durch dieses Angebot
jedoch über Gebühr belastet.
Keine Deserteure mehr
Verschärfungen sind auch bei den Asylgründen
vorgesehen: Personen, die einzig wegen Wehrdienstverweigerung oder
Desertion in die Schweiz flüchten, sollen nicht mehr als
Flüchtlinge gelten und auch kein Asyl erhalten. Sie können
höchstens vorläufig aufgenommen werden, wenn dem
Asylsuchenden in der Heimat eine unmenschliche Behandlung droht.
Ebenfalls unterdrücken möchte Widmer-Schlumpf
exilpolitische Tätigkeiten der Asylsuchenden in der Schweiz, die
ausschliesslich zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft
dienen. Solche Aktivitäten sollen strafrechtlich sanktioniert
werden. Auch Personen, die Asylsuchenden dabei zur Seite stehen, drohen
Strafen.
Rechtsstaatlich bedenklich
Wie bereits in den zwei Vernehmlassungen vom letzten Jahr
stiessen die Vorschläge des Bundesrats vor allem bei den linken
Parteien, den Flüchtlingsorganisationen und den Kirchen auf
Kritik. Es sei höchst bedauerlich, dass der Bund das Verfahren
einzig auf Kosten der Flüchtlinge beschleunigen wolle und dabei
die Qualität der Verfahren abbaue, teilten sie unisono mit.
Insbesondere die verkürzte Beschwerdefrist im Asylverfahren sei
"mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar", monierte die
Schweizerische Flüchtlingshilfe. Es sei schon absehbar, dass die
Verfahrensbeschleunigung ihre Wirkung verfehlen werde. "Es ist kein
Geheimnis, dass die eigentlichen Probleme beim Vollzug liegen." Und die
Grünen schlossen: "Die Rechte der Flüchtlinge kommen unter
die Räder."
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums gab sich
die SVP kritisch. Es sei eine Asylpolitik "für die Galerie",
teilte die Partei mit, die Widmer-Schlumpf au ihren Reihen
ausgeschlossen hat.
Pascal Schwendener
---
NZZ 27.5.10
Vereinfachungen und Restriktionen im Asylrecht
Der Bundesrat beantragt erneut Änderungen am
Verfahren und eine Einschränkung des Flüchtlingsbegriffs
Der Bundesrat hat die Botschaft zu einer weiteren
Asylgesetzrevision verabschiedet. Das Verfahren wird vereinfacht,
für die Asylsuchenden teilweise erschwert. Erstmals schränkt
die Regierung die Asylgründe ein.
C. W. ⋅ Das geltende Asylgesetz trat teils 2007, teils
2008 in Kraft. Als einen Grund für die neuerliche Revision gab
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf vor der Presse an, die Zahl
der Asylgesuche habe 2008 stark zugenommen - wie in ganz Europa. Im
Jahr darauf sank die Kurve wieder leicht. Wie dem auch sei, es werden
erneut Wege gesucht, die Verfahren effizienter zu gestalten.
Zurück zu üblichen Verfahren
Die Vorlage des Bundesrats entspricht weitgehend dem
Vernehmlassungsentwurf. Dieser war aber ergänzt worden, nachdem
mehrere Organisationen auf die kontraproduktive Wirkung der Ausdehnung
der Nichteintretensentscheide hingewiesen hatten. Die Chefin des
Justiz- und Polizeidepartements unternahm es insofern, die Folgen von
früherem unbedachtem gesetzgeberischem Aktivismus zu korrigieren.
Es sind mittlerweile 13 Gründe, die dazu führen,
dass auf ein Asylgesuch nicht eingetreten wird. Dabei ist allerdings
die Gefährdung mindestens im Fall einer Rückkehr ebenfalls zu
prüfen, und der Rechtsweg wird allenfalls zweimal beschritten.
Zudem erhalten heute auch die im normalen Verfahren abgewiesenen
Bewerber keine Sozialhilfe mehr. Daher sind nun
Nichteintretensentscheide nur noch vorgesehen, wenn jemand in einen
sicheren Drittstaat, speziell im Rahmen des Dublin-Systems,
zurückgeschickt werden kann.
Im materiellen Verfahren, das in allen anderen Fällen
durchzuführen ist, wird die Beschwerdefrist von 30 auf 15 Tage
halbiert. Diese Zeit (in Deutschland sind es 14 Tage) reiche, um die
wesentlichen Gründe für einen Rekurs zusammenzustellen, sagte
Widmer-Schlumpf. Die Flüchtlingshilfe betrachtet die
Einschränkung für die landesfremden Asylsuchenden als
rechtsstaatlich unangemessen. - Die Präsenz einer
Hilfswerkvertretung bei den Anhörungen wird abgeschafft. Der Bund
soll aber eine Verfahrens- und Chancenberatung unterstützen. Wie
diese Aufgabe genau aussieht und wer sie erfüllen wird, ist noch
offen. Es sollen sich nicht nur Hilfswerke dafür interessieren.
Keine Gesuche im Ausland
Eine Entlastung der Verwaltung erhofft sich der Bundesrat
von der Abschaffung der Möglichkeit, Asylgesuche bei Vertretungen
der Schweiz im Ausland einzureichen. Kein anderes Land biete dies an,
und von den 3800 im letzten Jahr gestellten Begehren seien die meisten
unbegründet gewesen. In 261 Fällen wurde die Einreise zur
näheren Prüfung bewilligt. Dies soll laut Botschaft weiterhin
möglich sein, wenn jemand ernsthaft und unmittelbar gefährdet
ist. Im Vernehmlassungsverfahren war dieser Vorschlag einerseits aus
humanitären Gründen, anderseits aus der Befürchtung, er
führe zu mehr illegalen Einreisen, kritisiert worden.
Im Weiteren sollen Wiedererwägungsbegehren und
Zweitgesuche nur noch schriftlich abgewickelt werden. Die Rückkehr
abgewiesener Asylsuchender soll einfacher für zumutbar
erklärt werden können, indem der Bundesrat Länder
bezeichnen kann, in denen grundsätzlich keine Gefährdung
besteht. Auf eine Pflicht des Betroffenen, persönliche Hindernisse
für den Vollzug einer Wegweisung zu beweisen, wird aufgrund von
Einwänden in der Vernehmlassung verzichtet. An der Strafbarkeit
von politischen Aktionen in der Schweiz, die der nachträglichen
Schaffung von Asylgründen dienen sollen, hält der Bundesrat
hingegen fest, obschon an der Wirkung einer solcher Bussenandrohung zu
zweifeln ist.
Mühe mit Dienstverweigerern
Erst am Schluss erwähnte Widmer-Schlumpf einen
substanziellen Revisionspunkt, der auf die Verärgerung ihres
Vorgängers Christoph Blocher über ein Urteil der
Asylrekurskommission zurückgeht. Die Flüchtlingsdefinition,
die bisher von allen Revisionen verschont blieb, wird ergänzt um
den Satz: "Keine Flüchtlinge sind Personen, die einzig wegen
Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt
sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt
zu werden." Anvisiert sind besonders Eritreer. Sie sollen künftig
nur noch vorläufig aufgenommen werden, wenn sie wegen
Dienstverweigerung als Staatsfeinde verfolgt werden und keine
zusätzlichen Asylgründe anführen.
In der Botschaft heisst es, die Rechtsprechung (das
Eritreer-Urteil) solle weiterhin beachtet werden, es gehe nur um jene
Personen, bei denen keine asylrelevante Verfolgung vorliege. Eine
solche Klärung wäre aber überflüssig. Nach den
Ausführungen an der Pressekonferenz wird denn auch eine
Praxisänderung angestrebt. Die Logik erinnert (bei allen
Unterschieden) an jene der Schweiz von 1942: "Flüchtlinge nur aus
Rassegründen, z. B. Juden, gelten nicht als politische
Flüchtlinge."
---
Basler Zeitung 27.5.10
Kein Asyl für Armeeverweigerer
Der SP geht das neue Asylgesetz zu weit, die SVP
drängt auf weitere Verschärfungen
Martin Rupf, Bern
Der Bundesrat will das Asylverfahren beschleunigen und die
Attraktivität der Schweiz als Asylland senken. Für die Linken
stellen die Vorschläge eine unzulässige Verschärfung
dar, die Rechte spricht hingegen von einer Revision für die
Galerie.
Das geltende Asyl- und Ausländerrecht ist erst seit
zwei Jahren in Kraft. Zwar habe dieses Recht nach Ansicht der
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf viele Verbesserungen im
Vollzug gebracht, wie sie gestern in Bern sagte. Dennoch ist die Zahl
der neu eingereichten Asylgesuche seither gestiegen. Von 2007 bis 2008
nahm ihre Zahl um 6000 auf rund 16 000 zu und verharrt seither auf
diesem Niveau. Deshalb verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur
Revision des Asyl- und Ausländergesetzes. Ziel der Revision ist
es, den Vollzug weiter zu beschleunigen und Missbräuche
konsequenter zu bekämpfen. Folgend die wichtigsten Änderungen:
> Heute treten die Behörden auf Asylgesuche
häufig erst gar nicht ein. Etwa dann, wenn ein Asylbewerber keine
Papiere aufweisen kann. Diese Nichteintretensverfahren sollen bis auf
wenige Ausnahmen abgeschafft und durch ein rasches Verfahren ersetzt
werden. Nach einem negativen Entscheid hat der Gesuchsteller neu nur
noch 15 Tage (vorher 30 Tage) Zeit, Beschwerde einzureichen.
> Stellt jemand in der Schweiz ein zweites Asylgesuch,
so muss dies neu schriftlich passieren.
> Auf einer Schweizer Botschaft im Ausland dürfen
künftig keine Asylgesuche gestellt werden.
> Personen, die einzig wegen Wehrdienstverweigerung in
die Schweiz flüchten, erhalten kein Asyl. Im Blick hat der
Bundesrat dabei Asylsuchende aus Eritrea, die in den letzten Jahren
besonders häufig in der Schweiz um Aufnahme baten.
> Neu bezeichnet der Bundesrat die Länder, in
welche die Wegweisung zumutbar ist. Es liegt am Asylsuchenden, das
Gegenteil zu beweisen. Dadurch sinkt der Aufwand der Schweizer
Behörden, die Zumutbarkeit im Einzelfall abzuklären.
> Weiter sollen die Kantone Ausländer, die
Sozialhilfe empfangen, bestimmten Wohnungen oder Gemeinden zuweisen
dürfen. Damit sollen insbesondere grosse Gemeinden entlastet
werden.
Amnesty kritisiert
Die Reaktionen auf diese Vorschläge fallen
erwartungsgemäss sehr unterschiedlich aus. Kritik äussern
Amnesty International Schweiz und die Schweizerische
Flüchtlingshilfe (SFH). "Asylsuchende sind oft traumatisiert,
rechtsunkundig und beherrschen zudem die Sprache nicht. Die
Verkürzung der Beschwerdefrist ist deshalb unzulässig", sagt
Denise Graf von Amnesty International. Und SFH-Sprecherin Susanne Bolz
fügt an: "15 Tage sind vor allem deshalb zu kurz, weil wir in der
Schweiz mit dem Bundesverwaltungsgericht nur eine einzige
Beschwerdeinstanz kennen."
Dass hingegen Dienstverweigerer kein Asyl bekämen,
sei nicht neu, so Bolz: "Ein Deserteur erhält auch heute nur dann
Asyl, wenn noch andere asylrelevante Motive dazukommen."
Für die SP und die Grünen ist klar, dass sie die
Vorlage im Parlament bekämpfen werden. "Im letzten Jahr ist die
Zahl der Asylgesuche wieder zurückgegangen", so Andy
Tschümperlin, SP-Nationalrat des Kantons Schwyz. Er verstehe
deshalb nicht, weshalb es jetzt eine weitere Verschärfung brauche.
Und für Antonio Hodgers (Grüne, GE) ist klar: "Wenn
Asylsuchende ihr Gesuch nicht mehr im Ausland stellen können, wird
der Missbrauch eher gefördert, denn bekämpft, weil die
Menschen dann illegal in die Schweiz reisen."
SVP unzufrieden
Kritisch äussert sich auch das bürgerliche Lager.
SVP-Präsident Toni Brunner: "Die Probleme etwa mit dem
Rückführungsstopp der Nigerianer sind damit nicht
gelöst; wir werden die Vorlage ebenfalls bekämpfen." Und der
Aargauer FDP-Nationalrat Philipp Müller sagt: "Diese Revision ist
nur für die Galerie."
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20 Minuten 27.5.10
Bundesrat will Asylbewerber von der Schweiz fernhalten
BERN. Kürzere Fristen für Beschwerden und
weniger Gründe, um in der Schweiz aufgenommen zu werden: Der
Bundesrat will das Asyl- und Ausländerrecht erneut
verschärfen.
Zwar hat laut Eveline Widmer-Schlumpf das seit 2007/2008
geltende neue Asylrecht viele Vollzugs-Verbesserungen gebracht. Dennoch
sei die Zahl der neu eingereichten Asylgesuche seither gestiegen. Von
2007 bis 2008 nahm ihre Zahl um 6000 auf rund 16 000 zu und verharrt
seither auf diesem Niveau. Das ist nach Ansicht des Bundesrats zu viel.
Er will deshalb das Asyl- und Ausländerrecht in folgenden Punkten
verschärfen:
- Die Beschwerdefrist für abgewiesene Asylbewerber wird von
30 auf 15 Tage verkürzt.
- Tatbestände für das Nichteintreten auf ein
Asylgesuch werden von 13 auf drei reduziert.
- Die Möglichkeit, ein Asylgesuch in einer Schweizer
Botschaft im Ausland einzureichen, wird abgeschafft.
- Wehrdienstverweigerung oder Desertion ist kein Asylgrund mehr.
- Der Bundesrat definiert Staaten, in die eine Wegweisung
generell als zumutbar erachtet wird. Betroffene müssen das
Gegenteil beweisen.
- Kantone können Ausländer, die Sozialhilfe empfangen,
bestimmten Wohnungen oder Gemeinden zuweisen.
Die Vorschläge stossen bei den linken Parteien und
den Flüchtlingsorganisationen auf Kritik. Die SVP, die eine harte
Haltung vertritt, sprach gestern von einer Asylpolitik "für die
Galerie". nm
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10vor10 26.5.10
Tempo im Asylverfahren
Der Bundesrat hat heute bekannt gegeben, wie er sich die
Teilrevision des Asyl-und Ausländergesetzes vorstellt. Ein
wichtiger Punkt sind die kürzeren Rekursfristen. Bundesrätin
Widmer-Schlumpf nimmt Stellung zu den geplanten Verschärfungen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=25b33f30-9067-4aef-8cbf-147d6c790660
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amnesty.ch 26.5.10
Asylgesetzrevision
Die Schweiz will sich auf Kosten von verfolgten Personen
unattraktiv machen
Amnesty International ist über die heute von
Bundesrätin Widmer-Schlumpf präsentierte Asylgesetzrevision
empört. Unannehmbare Verschärfungen wie die Asylverweigerung
für DeserteurInnen, die Aufhebung des Asylverfahrens auf Schweizer
Botschaften oder die Verkürzung der Beschwerdefrist von 30 auf 15
Tage werden vorgeschlagen. Amnesty International begrüsst dagegen
den Vorschlag, das Nichteintretensverfahren aufzuheben. Es handelt sich
um einen längst überfälligen Vorschlag.
Amnesty International ist über die Aufhebung des
Botschaftsverfahrens empört, ein Vorschlag, der schon im
Vernehmlassungsverfahren sehr viel Kritik geerntet hat. "Es ist
unverständlich, dass der Bundesrat an der Aufhebung des
Botschaftsverfahrens festhält. Dies hat zur Folge, dass verfolgte
Personen in Zukunft eine lange und oft gefährliche Reise auf sich
nehmen müssen, ohne die Möglichkeit zu haben, auf der
Schweizer Botschaft in ihrer Herkunftsregion ein Asylgesuch
einzureichen", sagt Denise Graf, Flüchtlingskoordinatorin bei der
Schweizer Sektion von Amnesty International. "Amnesty International hat
sich mehrere Male für Personen in der Türkei und in Kolumbien
eingesetzt, die ihr Land nur dank dieser Möglichkeit verlassen
konnten."
Die neue Auslegung des Flüchtlingsbegriffs bezüglich
der MilitärdienstverweigerInnen ist problematisch, weil sie den
juristischen Status der Asylsuchenden verändert. Die
Verkürzung der Beschwerdefrist von 30 auf 15 Tage macht die
Beweisbeschaffung noch schwieriger. Die vom Bundesrat vorgeschlagene
Verfahrens- und Chancenberatung ist ungenügend. Amnesty
International fordert eine effektive staatlich finanzierte
Rechtsvertretung, so wie sie in anderen europäischen Staaten
existiert. "Die zahlreichen in der Gesetzesvorlage enthaltenen
Verschärfungen widersprechen der humanitären Tradition der
Schweiz. Der Bundesrat versucht, die Schweiz auf Kosten von verfolgten
Personen immer noch unattraktiver zu machen", fügt Denise Graf bei.
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AUSSCHAFFUNG
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WoZ 27.5.10
Ausschaffungsinitiative - Gibt es bald ein Sonderstrafrecht
für AusländerInnen aus Nicht-EU-Staaten?
Zwei bedingte Strafen reichen schon
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats folgte am
letzten Donnerstag dem Votum des Ständerats. Sie hält die
Ausschaffungsinitiative der SVP für völkerrechtswidrig und
will ihr deshalb einen direkten Gegenvorschlag entgegensetzen. Das
klingt kämpferisch, ist es aber nicht.
Der Reihe nach: Die SVP will einen Katalog von Delikten in
der Verfassung verankern - von der vorsätzlichen Tötung
über Vergewaltigung und Einbruch bis hin zum
"missbräuchlichen Sozialhilfebezug". AusländerInnen, die
wegen einer dieser Straftaten verurteilt werden, sollen ausnahmslos
ausgewiesen und ausgeschafft werden. Damit widerspricht die Initiative
"zwingendem" Völkerrecht. Sie träfe nämlich auch
Personen, denen in ihrem Herkunftsland Folter oder andere unmenschliche
Behandlung drohen. Man hätte die Initiative also problemlos
für ungültig erklären können, und der Spuk
wäre vorbei gewesen. Dazu fehlte jedoch schon dem Bundesrat der
Mut. Der Ständerat und jetzt die nationalrätliche Kommission
spielen ein doppeltes Spiel. Einerseits wollen sie sich von der SVP
nicht vorwerfen lassen, Angst vor dem "Volk" zu haben. Andererseits
greifen sie deren angeblich "berechtigtes Anliegen" auf und giessen es
in einen Gegenvorschlag, der zwar ausdrücklich das
Völkerrecht berücksichtigen soll, aber keineswegs weniger
scharf ist.
Der Katalog des Gegenvorschlags umfasst insgesamt 36
Delikte: alle, für die das Strafrecht eine Mindeststrafe von einem
Jahr vorsieht, plus die "schwere Körperverletzung". Ausschaffung
droht ferner bei einer Verurteilung zu achtzehn Monaten wegen
Sozialhilfe- oder anderer Formen des Betrugs. Und sie droht, wenn sich
mehrere Verurteilungen innerhalb von zehn Jahren auf Freiheits- oder
Geldstrafen von 720 Tagen beziehungsweise Tagessätzen summieren.
Zwei bedingte Strafen würden also für eine Ausschaffung
reichen - obwohl bedingte Strafen nur bei günstiger Sozialprognose
ausgesprochen werden.
Gleichgültig, welche Variante des "Ausländer
raus" die StimmbürgerInnen bevorzugen - "die
Ausführungsbestimmungen werden im Wesentlichen die gleichen sein".
Das bestätigte der Aargauer FDP-Nationalrat Philipp Müller an
der Medienkonferenz der Staatspolitischen Kommission. Wo sie dem
Völkerrecht widerspricht, ist die Ausschaffungsinitiative
nämlich "nicht umsetzbar". Das Parlament werde sich daher in jedem
Fall am Gegenvorschlag orientieren. Es wird weder die Europäische
Menschenrechtskonvention aufkündigen noch das
Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Letzteres lässt eine
Ausschaffung von EU-Bürger Innen aber nur dann zu, wenn von ihnen
auch nach Absitzen der Strafe eine erhebliche Gefahr für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, wenn also anzunehmen
wäre, dass sie weiterhin schwere Straftaten begehen.
Die neue Härte trifft also nur AusländerInnen
von ausserhalb der EU. Sie - und nur sie - sollen nicht bloss ihre
Strafe verbüssen, sondern werden mit der Ausschaffung gleich
doppelt bestraft. Für die viel beschworene Sicherheit der
BürgerInnen bringt diese offensichtliche Diskriminierung nichts.
Das ist dem FDP-Hardliner Philipp Müller egal. "Hier geht es nicht
um die Sicherheit der Schweiz, sondern um den Grundsatz, dass wer das
Gastrecht missbraucht und schwer delinquiert, die Schweiz zu verlassen
hat." In diesem Grundsatz ist sich Müller mit der SVP einig.
Die Bundeshausfraktion der Grünen beschloss am
Freitag einstimmig ein doppeltes Nein zu SVP-Initiative und
Gegenvorschlag - genauso wie Solidarité sans
frontières, Amnesty, die Kommission gegen Rassismus und der
Schweizerische Gewerkschaftsbund.
Anders dagegen die SP: In der Kommission haben ihre Leute
mit vier Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen dem Gegenvorschlag zum
Durchbruch verholfen. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht", beteuert
SP-Fraktionsvize Andy Tschümperlin. Für ihn sei wichtig, dass
der Gegenvorschlag auch einen Integrationsartikel enthält.
"Dafür haben wir uns in den letzten Jahren starkgemacht."
Am Dienstag will sich die SP festlegen. Bis dahin
können sich die SozialdemokratInnen noch überlegen, ob sie
den Grundsatz der Rechtsgleichheit für ein paar lumpige
Integrationsfranken verkaufen wollen.
Heiner Busch
http://www.ausschaffungsinitiative-nein.ch
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sf.tv 27.5.10
Gescheiterte Abschreckungspolitik: Abgewiesene Asylbewerber
reisen nicht aus
sf
Obwohl abgewiesene Asylbewerber seit zwei Jahren nur noch
Nothilfe in Form von Lebensmitteln, Notunterkunft und medizinischer
Notfallversorgung erhalten, bleiben sie in der Schweiz. 44 % der
Nothilfe-Bezüger hätten schon vor 2008 ausreisen sollen. Dies
zeigt eine unveröffentlichte Studie des Bundesamts für
Migration (BFM) die der "Rundschau" vorliegt.
Der Chef des Zürcher Sozialamts Ruedi Hofstetter sagt
gegenüber der "Rundschau": "Man kann auch gar keine Nothilfe
gewähren, die Leute würden bleiben. Die Schweiz und besonders
die Stadt Zürich mit seinen Agglomerationen sind nach wie vor sehr
attraktiv, die Leute wollen einfach hier bleiben."
Die noch unveröffentlichte Studie
"Langzeitbezüger in der Nothilfe" von Bund und Kantonen zeigt:
Jeder dritte Nothilfebezüger hat seit mindestens vier Jahren kein
Bleiberecht mehr in der Schweiz.
Heute hat das BFM die Ergebnisse mit den Kantonen
besprochen. "Die Situation ist absolut unbefriedigend", sagt Ruedi
Hofstetter vom Zürcher Sozialamt. "Diese Leute können sich
nicht integrieren, sie dürfen nicht arbeiten, sie dürfen
nichts machen. Man wartet nur darauf, dass sie ausreisen, aber das tun
sie nicht."
Die grossen Kantone leiden unter Mehrkosten, weil die
Nothilfe-Ausgaben die Pauschale von 6‘000 Franken, die der Bund den
Kantonen pro abgewiesenem Asylbewerber überweist,
übersteigen. Der Kanton Zürich legte in den letzten zwei
Jahren je 8 Millionen Franken drauf.
Ruedi Hofstetter macht auch die Unterstützung der
Nothilfebezüger durch Privatpersonen und Hilfswerke für die
enttäuschende Zahl freiwilliger Ausreisen verantwortlich: "Wenn
wir Essensgutscheine abgeben, werden diese ausgetauscht gegen Bargeld.
Es gibt Deutschunterricht, es gibt eine Tagesstruktur - eigentlich all
das, was wir nicht wollten." Das sei zwar unbefriedigend, so
Hofstetter, letztlich stelle es aber einer Gesellschaft auch ein gutes
Zeugnis aus, wenn sie sich um Leute kümmere, denen es nicht gut
geht.
Private Unterstützung
Die "Rundschau" zeigt, wie im Bündner Bergdorf
Valzeina ein Verein von Einheimischen Nothilfebezüger
unterstützt: Die syrische Kurdin M. H. lebt mit ihren vier Kindern
seit zehn Monaten in einem 14 Quadratmeter-Zimmer. Vereins-Mitglieder
fahren Mutter und Kinder einmal pro Woche nach Chur, damit sie den
Familienvater besuchen können, der dort in Ausschaffungshaft sitzt.
"Ich glaube schon, dass ich die Absicht der Behörden
sabotiere", sagt Andrea Lietha, Ex-Kadermann der UBS und Mitglied des
Vereins "Miteinander Valzeina". "Aber das mache ich bewusst, weil ich
glaube, es braucht Gegenkräfte zu einer Politik, die gewisse Leute
einfach ausgrenzt."
Mehr dazu in der "Rundschau" um 20.50 Uhr, auf SF 1
---
Rundschau 26.5.10
Gescheiterte Asylpolitik
Mit täglich acht Franken Nothilfe wollte der Bund
erreichen, dass abgewiesene Asylbewerber die Schweiz verlassen. Am
Beispiel von Nothilfe-Zentren in Zürich und Graubünden aber
zeigt die Rundschau, dass die Abschreckungspolitik des Bundes kaum
funktioniert: Die abgewiesenen Asylbewerber bleiben trotzdem hier.
http://videoportal.sf.tv/video?id=52af6798-3cc4-4d0d-81ef-50381bf0e445
--
Stuhl: Alard du Bois-Reymond
Direktor Bundesamt für Migration BFM
http://videoportal.sf.tv/video?id=e71683b9-0c51-4980-83b5-2f6ef17fb521
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RASSISMUS
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sf.tv 27.5.10
Amnesty International: Mehr Rassismus in der Schweiz
Muslime seien von den Befürwortern des
Minarett-Verbots stigmatisiert worden, heisst es im Jahresreport 2010
von Amnesty International. Auch die Gesetze gegen Rassismus in der
Schweiz würden nur bedingt wirken.
sf/buev
Mit ihren umstrittenen Plakaten sorgten die
Befürworter des Minarett-Verbots letzten Herbst für Aufsehen
bis weit über die Landesgrenzen hinaus.
EU-Kommission: Initiative verletzt Menschenrechte
Diese politische Propaganda hätte die muslimische
Minderheit stigmatisiert, schreibt Amnesty International in seinem
Jahresbericht 2010.
Auch die Europäische Kommission gegen Rassismus und
Intoleranz (ECRI) äusserte ihre Besorgnis darüber, dass
über "eine Initiative, welche die Menschenrechte verletzt,
abgestimmt werden kann".
Gesetze gegen Rassismus nur bedingt wirksam
Die ECRI zeigte Bedenken über die Zunahme von
rassistischen und fremdenfeindlichen Diskursen in der Politik,
insbesondere der SVP.
Die gesetzlichen Bestimmungen gegen Rassismus in der
Schweiz wirkten nur bedingt, wird die ECRI im Bericht weiter zitiert.
Sie fordert eine verbesserte Ausbildung von Juristen sowie höhere
Bestrafungen von rassistisch motivierten Straftaten.
UNO: Mangelnder Zugang zu Gesundheitsvorsorge
Der UNO-Menschenrechtsausschuss zeige sich besorgt
über die anhaltenden Misshandlungen der Polizei insbesondere
gegenüber der Asylsuchenden und Migranten gezeigt, ist im
Jahresbericht zu lesen. Er fordere den Einsatz eines unabhängigen
Untersuchungsgremiums.
Ebenfalls kritisiert das Gremium, dass abgewiesene
Asylsuchenden oft weder angemessene Lebensbedingungen noch Zugang zur
Gesundheitsvorsorge hätten.
Frauen besser geschützt
Im Bericht werden die Aufnahme von
Guantanamo-Häftlingen sowie die neuen Gesetze zur Bekämpfung
der Gewalt gegen Frauen, Mädchen und Menschenhandel lobend
erwähnt.
Die Verletzung dieser Menschenrechte sei aber nach wie vor
weit verbreitet. Zudem hätten nicht alle Kantone
Hilfsreinrichtungen für die Opfer von Menschenhandel.
Insbesondere müsse die Diskriminierung von Frauen
ethnischer Minderheiten und Migrantinnen bekämpft werden. Wenn
letztere sich scheiden liessen, sei der Erwerb oder die Erneuerung der
Aufenthaltsgenehmigung erschwert, kritisiert der
UNO-Menschenrechtsausschuss.
---
NZZ 27.5.10
Langer Weg zur Gerechtigkeit
Amnesty sieht grosse Fortschritte und mahnt zur Beharrlichkeit
Unter dem Schlagwort "Gerechtigkeit einfordern" zieht
Amnesty International Bilanz über die Erfolge der letzten zwei
Jahrzehnte auf dem Weg hin zu grösserer Rechenschaftspflicht. An
Herausforderungen für die Zukunft mangle es aber nicht.
rak. ⋅ "Wer in seinen Rechten verletzt worden ist, hat
Anspruch auf Wahrheit und Gerechtigkeit", schreibt Claudio Cordone, der
amtierende Generalsekretär von Amnesty International, im
Jahresbericht 2010. Die Aufarbeitung von vergangenen
Menschenrechtsverbrechen und die Benennung und Bestrafung der
Verantwortlichen seien aber nicht nur für die Betroffenen von
Bedeutung, sondern dienten der Abschreckung vor zukünftigen
Straftaten und könnten eine Reform nationaler und internationaler
Institutionen einleiten.
Als grössten Fortschritt bei der Überwindung der
Straflosigkeit in den vergangenen zwei Jahrzehnten nennt Cordone die
Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) im Jahr 1998. Der
internationalen Rechtsprechung sei so eine wichtige Rolle zugewiesen
worden. Im Jahr 2009 markierte der ICC einen Wendepunkt mit dem
Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Bashir, einen
amtierenden Staatschef, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit. Doch auch auf nationaler Ebene habe es historische
Fortschritte gegeben. So wurde im April 2009 der ehemalige
Präsident Perus, Fujimori, durch ein peruanisches Gericht wegen
Menschenrechtsverletzungen zu 25 Jahren Haft verurteilt. Trotz diesen
Fortschritten gelte es, zwei grosse Hindernisse auf dem Weg zu
Gerechtigkeit zu beseitigen: einerseits den Anspruch mächtiger
Staaten wie der USA oder Chinas, über dem Gesetz zu stehen und
sich der Rechtsprechung des ICC nicht unterwerfen zu müssen,
andererseits die Einflussnahme der Politik auf die internationale
Rechtsprechung.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich laut Cordone
ein globales Bewusstsein über die Notwendigkeit der Ahndung von
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit etabliert.
Hingegen mangle es an vergleichbarem internationalem Einsatz, Recht
durchzusetzen, wenn es um die Verletzung wirtschaftlicher, sozialer und
kultureller Rechte gehe. Anlässlich der im September
stattfindenden Uno-Konferenz zur Überprüfung der für das
Jahr 2015 angestrebten Millenniums-Entwicklungsziele prognostiziert
Amnesty International ein deutliches Verfehlen dieser Ziele. Das
Versprechen auf ein Leben in Würde werde für mehrere hundert
Millionen Menschen nicht in Erfüllung gehen. Daher sei es
notwendig, wirksame rechtliche Mittel gegen die Untätigkeit von
Regierungen zu schaffen, um sie auf die Einhaltung ihrer
Verpflichtungen zu behaften.
In Bezug auf die Schweiz erwähnt der Bericht die
Verfassungsänderung, welche den Bau von Minaretten verbietet,
sowie die Stigmatisierung der muslimischen Minderheit durch die
politische Propaganda der Befürworter des Verbots während der
Abstimmungskampagne. Der Bericht zitiert die Europäische
Kommission gegen Rassismus und Intoleranz in ihrer Besorgnis
darüber, dass über "eine Initiative, welche die
Menschenrechte verletzt, abgestimmt werden kann".
---
amnesty.ch 26.5.10
Amnesty-Report 2010
Schweiz
Amtliche Bezeichnung: Schweizerische Eidgenossenschaft
Regierungschef: Hans-Rudolf Merz (löste im Januar Pascal
Couchepin im Amt ab)
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 7,6 Mio.
Lebenserwartung: 81,7 Jahre Kindersterblichkeit (m / w) : 6 / 5
pro 1000 Lebendgeburten
Der Anstieg von Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in der
öffentlichen Diskussion gab 2009 Anlass zur Besorgnis.
Vorwürfe wegen Misshandlungen durch Polizeikräfte, darunter
auch rassistisch motivierte Vorfälle, wurden laut. Trotz
gesetzlicher Massnahmen zu deren Bekämpfung kam es nach wie vor zu
Gewalt gegen Frauen und zu Menschenhandel.
Rassismus und Diskriminierung
In einer Volksabstimmung wurde am 29. November 2009 eine
Verfassungsänderung beschlossen, die den Bau von Minaretten
untersagt. Während der Abstimmungskampagne wurde die muslimische
Minderheit durch politische Propaganda der Befürworter des
Minarett-Verbots stigmatisiert. Die Europäische Kommission gegen
Rassismus und Intoleranz (ECRI) äusserte sich daraufhin besorgt
darüber,dass über "eine Initiative, welche die Menschenrechte
verletzt, abgestimmt werden kann".
Im vierten periodischen Länderbericht zur Schweiz, der im
September veröffentlicht wurde, brachte die ECRI ihre Besorgnis
angesichts zunehmender rassistischer und fremdenfeindlicher
Äusserungen im politischen Diskurs zum Ausdruck, insbesondere mit
Bezug auf die Schweizerische Volkspartei. Als besorgniserregend
bezeichnete die ECRI ausserdem die nur bedingte Wirksamkeit der
gesetzlichen Bestimmungen gegen Rassismus. Die ECRI forderte daher eine
verbesserte Ausbildung der Juristen und Juristinnen, die für die
Umsetzung der Bestimmungen zuständig sind. Der ECRI-Bericht
empfahl ferner eine Anpassung der bestehenden zivilund strafrechtlichen
Bestimmungen zur Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit, insbesondere durch die Einführung einer
gesetzlichen Bestimmung, die ein höheres Strafmass für
rassistisch motivierte Straftaten vorsieht.
Die ECRI begrüsste, dass Massnahmen zur besseren
Integration von ausländischen Staatsangehörigen ergriffen
wurden. Sie wies jedoch auch auf die weit verbreitete Diskriminierung
aus rassistischen Gründen beim Zugang zu staatlichen Leistungen
hin. Insbesondere Kindern mit Migrationshintergrund wurde die Bildung
erschwert. Fahrenden Gemeinschaften wurden zu wenige Standplätze
zur Verfügung gestellt. Sie machten daher an nicht dafür
vorgesehenen Orten Station, so dass es vermehrt zu Spannungen mit der
ortsansässigen Bevölkerung kam.
Polizei und Sicherheitskräfte
Im Oktober äusserte sich der UN-Menschenrechtsausschuss
besorgt über die anhaltenden Berichte über Misshandlungen
durch Polizeikräfte, von denen insbesondere Asylsuchende sowie
Migrantinnen und Migranten betroffen waren. Die Kommission forderte die
Einsetzung von unabhängigen Gremien zur Untersuchung der
Vorwürfe gegen die Polizeikräfte.
Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende
Ein am 1. Januar 2009 in Kraft getretenes Gesetz sieht vor, dass
alle abgelehnten Einbürgerungsanträge begründet werden
und anfechtbar sein müssen.
Im Oktober äusserte der UN-Menschenrechtsausschuss seine
Besorgnis darüber, dass Asylsuchende, deren Antrag abgelehnt
wurde, weder angemessene Lebensbedingungen noch Zugang zur
Gesundheitsversorgung haben.
Am 12. Juni beschloss das Parlament eine Gesetzesänderung
im Zivilrecht, die schweizerischen Staatsangehörigen und
Einwanderern mit geregeltem Aufenthaltsstatus die Heirat mit
abgewiesenen Asylsuchenden und Migranten ohne regulären
Aufenthaltsstatus verbietet.
Bis Ende 2009 hatte das Bundesverwaltungsgericht kein
endgültiges Urteil hinsichtlich der im Jahr 2008 an die Schweiz
gerichteten Asylanträge von drei Häftlingen des
US-Gefangenenlagers Guantánamo gefällt. Das
Bundesverwaltungsgericht hob jedoch eine Entscheidung des
Migrationsamts auf und wies den Fall für eine erneute
Überprüfung an das Bundesamt zurück. Das Gericht
begründete seine Entscheidung damit, dass die Argumentation des
betroffenen Häftlings nicht angemessen bewertet worden sei.
Im Dezember 2009 bestätigte der Bundesrat, dass man einem
usbekischen Guantánamo-Häftling humanitäre Hilfe
leisten wolle und dass dieser vom Kanton Genf aufgenommen werde, sobald
zwischen den US-amerikanischen und den schweizerischen Behörden
eine Absichtserklärung unterschrieben worden sei. Zum Jahresende
liess die Schweizer Regierung die Möglichkeit offen, weitere
Guantánamo-Häftlinge aufzunehmen, sofern andere kantonale
Behörden einer Aufnahme zustimmen sollten.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung
der Frau begrüsste im August die zur Bekämpfung der Gewalt
gegen Frauen und
Mädchen und des Menschenhandels eingeführten neuen
Gesetze. Er wies jedoch auf die nach wie vor weite Verbreitung dieser
Menschenrechtsverletzungen hin. Der Ausschuss drückte zudem seine
Sorge darüber aus, dass nur in einer begrenzten Anzahl der Kantone
Hilfseinrichtungen für Opfer von Menschenhandel eingerichtet
wurden und dass keine konsequente Anwendung der Gesetze zum Opferschutz
erfolgte.
Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung
der Frau forderte die Errichtung weiterer Hilfseinrichtungen für
Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt. Ausserdem sollen Massnahmen
gegen die Diskriminierung von Frauen ethnischer Minderheiten und
Migrantinnen angestrengt werden. Der UN-Menschenrechtsausschuss
äusserte Besorgnis darüber, dass Migrantinnen, die Opfer von
häuslicher Gewalt sind, der Erwerb oder die Erneuerung von
Aufenthaltsgenehmigungen nach einer Scheidung durch das Bundesgesetz
über die Ausländerinnen und Ausländer erschwert wird.
Institutionelle Entwicklungen
Im September 2009 ratifizierte die Schweiz das
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter. Im Oktober
ernannte der Bundesrat zwölf Mitglieder, die seither den
nationalen Ausschuss zur Prävention von Folter bilden.
Der Bundesrat erklärte im Juli, dass die Errichtung einer
unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitution "verfrüht"
sei, und bewilligte stattdessen die Schaffung eines universitären
Kompetenzzentrums für Menschenrechtsfragen in der Schweiz als
Pilotprojekt. Dieses Dienstleistungszentrum soll dem Bund, den Kantonen
und privaten Unternehmen gegen ein Entgelt Empfehlungen und Analysen zu
Menschenrechtsfragen erstellen. Menschenrechtsorganisationen
kritisierten diesen Vorschlag, da er die international anerkannten
Grundsätze nicht erfüllt, was den Status nationaler
Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte
betrifft (Pariser Grundsätze).
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SEMPACH
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NLZ 27.5.10
Sempacher Schlachtfeier
Angst vor Extremen: Stadtrat verlegt Feier
Thomas Oswald
Die Sempacher Gedenkfeier wird vom Schlachtgebiet in die
Seeallee verlegt - wegen Sicherheitsbedenken.
Die 624. Gedenkfeier der Gemeinde zur Schlacht bei Sempach
findet nicht wie von einer Arbeitsgruppe vorgeschlagen bei der
Schlachtkapelle statt. Der Sempacher Stadtrat hat entschieden, den
Veranstaltungsort in die Seeallee und bei schlechtem Wetter in die
Festhalle Seepark zu verlegen. Der Stadtrat begründet diesen
Schritt in einer Mitteilung mit "der angekündigten Teilnahme von
links- und rechtsextremen Gruppierungen" und den "damit verbundenen
Sicherheitsrisiken".
Aufrufe übers Internet
Stadtpräsident Franz Schwegler erklärt auf
Anfrage, über Internet, insbesondere über das Sozialnetzwerk
Facebook, habe es von rechts und links Aufrufe zu Aufmärschen
gegeben. "Das müssen wir ernst nehmen. Wir wollen diesen
Gruppierungen keine Plattform im Gebiet der Schlachtkapelle bieten und
verlegen darum die Feier." Eine Verlegung ist im fünfköpfigen
Stadtrat unumstritten. Gemäss Schwegler ist der Entscheid
einstimmig ausgefallen. Auf Nachfrage ging bislang weder bei der Stadt
Sempach noch bei den kantonalen Behörden ein Gesuch für eine
Kundgebung ein.
Zur Schlachtjahrzeit 2010 finden zwei Feiern statt.
Nachdem Kantonsregierung und Parlament beschlossen haben, wegen
früherer Grossaufmärsche extremer Gruppierungen die Feier
dieses Jahr zu redimensionieren, veranstaltet die Stadt Sempach
zusätzlich eine eigene kleine Feier:• Feier der Stadt Sempach: Am
Samstag, 26. Juni, findet um 9 Uhr eine ökumenische Andacht statt.
Anschliessend offeriert Sempach ein Morgenbrot, und es gibt ein
Platzkonzert. Später finden das Sempacher Schiessen, der
Hellebardenlauf und das Städtlifest statt.
- Kantonale Feier: Am Montag, 28. Juni, findet um 18.30 Uhr in
der Schlachtkapelle ein öffentlicher Gottesdienst statt.
Teilnehmer sind unter anderem der Regierungsrat, der Sempacher Stadtrat
sowie Mitglieder des Kantonsrates.
thomas.oswald@neue-lz.ch
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NEONAZIS LIECHTENSTEIN
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St. Galler Tagblatt 27.5.10
Brandstifter von rechts
Die Liechtensteiner Polizei verhaftet einen
Verdächtigen für die Brandanschläge in Nendeln.
Vaduz. Die Liechtensteiner Landespolizei ist in der
Aufklärung von zwei Brandanschlägen in Nendeln einen Schritt
weitergekommen: Sie hat einen 22-Jährigen verhaftet, der dringend
der Tat verdächtigt wird. Der Mann wird laut Polizeiangaben der
"rechten Szene" zugeordnet.
Ausserdem ordnete das Landgericht auf Antrag der
Staatsanwaltschaft zwei Hausdurchsuchungen an. Derzeit werden der
Tatverdächtige und weitere Personen aus der rechten Szene zu den
Straftaten befragt. Weitere Ermittlungen seien im Gang.
Die Brandanschläge hatten im Fürstentum grosses
Aufsehen erregt. In der Nacht vom 22. November letzten Jahres wurden
mehrere Molotow-Cocktails gegen ein Fenster sowie auf einen Balkon
eines Wohnhauses in Nendeln geworfen. Gegenstände gerieten in
Brand. Schlimmeres konnte verhindert werden, weil das Feuer von den
Bewohnern bemerkt und gelöscht wurde.
In der Nacht vom 26. Februar dieses Jahres wurden
ebenfalls in Nendeln die Fenster eines kurz vor der Eröffnung
stehenden Kebab-Bistros mit Steinen zertrümmert. Zudem warfen
Unbekannte Brandsätze ins Innere des Lokals. Es entstand
Sachschaden; Personen wurden nicht verletzt. (sda)
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Liechtensteiner Vaterland 27.5.10
Verdächtiger soll in U-Haft
Der 22-jährige Liechtensteiner, der am vergangenen
Dienstag wegen des Verdachts der Brandstiftung verhaftet worden ist,
soll in U-Haft. Das fordert die Staatsanwaltschaft. Der
Untersuchungsrichter wird vermutlich noch heute darüber
entscheiden.
Von Desirée Vogt
Nendeln. - Der 22-Jährige bezeichnet sich selbst als
Nationalsozialisten - und Türken als "die Juden der Neuzeit", wie
die Staatsanwaltschaft mitteilt. Doch mit den drei Brandstiftungen in
Nendeln will er nichts zu tun haben: Er bestreitet die Tat. Nach
Ansicht der Staatsanwaltschaft begründen die vorliegenden Beweise
und Indizien aber einen dringenden Tatverdacht. Deshalb wurde gestern
beim Untersuchungsrichter ein Antrag auf Verhängung der
Untersuchungshaft gestellt. Es bestehe Verdunkelungs- und
Wiederholungsgefahr. Die Staatsanwaltschaft geht ausserdem davon aus,
dass es mehrere Mittäter gibt.
Motiv: Fremdenhass
Der liechtensteinische Staatsangehörige ist nicht
vorbestraft, wie der Leitende Staatsanwalt, Robert Wallner, mitteilt.
Allerdings sei der Verdächtige nach den Erkenntnissen der
Landespolizei aktives Mitglied der rechten Szene und steht zu seiner
Gesinnung. Auch die Staatsanwaltschaft geht deshalb davon aus, dass das
Tatmotiv im Fremdenhass zu finden ist. Dieser Hass richte sich speziell
gegen in Liechtenstein wohnhafte türkische Staatsangehörige.
Erhärtet sich die Beweislage, so muss der
22-jährige mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren
rechnen. Denn die Voruntersuchung wird wegen des Verdachts des
Verbrechens der versuchten Brandstiftung in drei Fällen
geführt. Wie Robert Wallner informiert, richtet sich dieses
Vorverfahren auch gegen die vermuteten unbekannten Mittäter.
Aufs Schärfste verurteilt
Sämtliche involvierten Behörden stellen noch
einmal klar, dass rechte Gewalt nicht schweigend hingenommen wird und
solche Taten aufs Schärfste verurteilt werden. "Der Rechtsstaat
wird auch in Zukunft alle im Gesetz vorgesehenen Mittel ausnutzen, um
feige Verbrechen wie die Anschläge vom 22. November 2009 und vom
26. Februar dieses Jahres aufzuklären und zu verfolgen", so
Wallner.
Und auch Regierungsrat und Innenminister Hugo Quaderer
schliesst sich dem an. Es sei erfreulich, dass es nach langen und
intensiven Ermittlungsarbeiten der Landespolizei letztlich gelungen
sei, einen Haupttatverdächtigen zu verhaften. Der Innenminister
schickt allerdings voraus, dass bis zu einer rechtskräftigen
Verurteilung immer die Unschuldsvermutung gelte. "Die Verhaftung zeigt
deutlich, dass Polizei, Justiz und Behörden sehr aktiv sind und
dass der Vorwurf, die Politik unternehme nichts, schlicht nicht
stimmt", stellt Quaderer klar. Er habe bereits mehrfach
ausgeführt, dass er solche Brandanschläge im Speziellen und
die Gewaltbereitschaft im Generellen auf Schärfste verurteile.
Lob an die Landespolizei
Die Ermittlungen seien von der Landespolizei mit grossem
personellem und materiellem Einsatz konsequent verfolgt worden, freut
sich Quaderer. "Ich nutze gerne die Gelegenheit, der Polizei dafür
meinen Dank auszusprechen. Es wurde und es wird hervorragende Arbeit
geleistet, auch wenn diese nicht immer auf den ersten Blick für
die Öffentlichkeit erkennbar ist." Während eines laufenden
Verfahrens könne allerdings aus ermittlungstechnischen
Gründen nicht kommuniziert werden. "Wir sind alle gefordert, auch
weiterhin bemüht zu sein, gegen rechte Gewalt konsequent
vorzugehen. Die Aussage des Haupttatverdächtigen (Anmerkung der
Redaktion: Damit ist die Aussage "Türken sind die Juden der
Neuzeit" gemeint) ist schockierend und aufs Schärfste zu
verurteilen. Eine solche Geisteshaltung ist nicht zu akzeptieren und
zeigt, wie notwendig die Massnahmen gegen rechte Gewalt sind." Quaderer
spricht damit die von der Gewaltschutzkommission zur Umsetzung
vorgeschlagenen Massnahmen gemäss Massnahmenkatalog gegen rechte
Gewalt an. Diese würden zügig umgesetzt. "Es ist wichtig, dem
Phänomen auch mit konkreten präventiven Massnahmen mit aller
Kraft entgegenzutreten."
Spätestens seit Bekanntgabe der Ergebnisse zur Studie
"Rechtsextremismus im Fürstentum Liechtenstein" wagt heute kaum
einer mehr zu behaupten, dass Rechtsextremismus hierzulande kein
Problem ist. Gleich mehrere Vorfälle in den vergangenen Jahren
haben aufgezeigt, dass die nun eingeleiteten Massnahme keine Sekunde zu
spät kommen.
Seite 11
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Ein wichtiges Signal ausgesendet
Die Festnahme eines 22-jährigen Liechtensteiners ist
ein wichtiges Signal dafür, dass Rechtsextremismus in keiner Form
toleriert wird. Besonders für Migranten aus Südosteuropa ist
das konsequente Vorgehen der Behörden wichtig.
Von Desirée Vogt
Der Polizei ist der "harte Kern" der Rechtsradikalen in
Liechtenstein bekannt. Kripo-Chef Jules Hoch bestätigte im Februar
dieses Jahres, dass es sich dabei um 25 Personen handelt. Dazu kommen
noch Mitläufer und Sympathisanten. Ob der festgenommene
22-Jährige zu erster oder letzterer Gruppe gehört, ist bisher
nicht bekannt. Fakt ist allerdings, dass besonders Migranten aus
Südosteuropa einen schweren Stand in Liechtenstein zu haben.
Sprich: Türken, Ex-Jugoslawen oder etwa Albaner geniessen ein
geringeres Ansehen als etwa Österreicher, Schweizer oder Deutsche,
wie die Studie aus dem Jahr 2009 aufzeigt.
So auch im aktuellen Fall, bei dem ein 22-Jähriger
vornehmlich türkische Mitbürger als Störenfriede im
Visier hatte. Ihm wird vorgeworfen, in der Nacht auf den 22. November
2009 gegen 2 Uhr morgens einen Molotowcocktail gegen ein Haus in der
Schulerstrasse in Nendeln geworfen zu haben. Drei Stunden später
wurde ein weiterer Brandsatz in der Bahngasse in Nendeln auf einen
Balkon geworfen. Mehrere Objekte gerieten dabei in Brand. Nur weil die
Bewohner das Feuer bemerkten, konnte Schlimmeres verhindert werden. Der
dritte Brandanschlag erfolgte in der Nacht auf den 26. Februar dieses
Jahres - ebenfalls in Nendeln. Das Fenster eines kurz vor der
Eröffnung stehenden Kebab-Bistros wurde eingeschlagen und
anschliessend ein Molotowcocktail ins Innere des Lokals gewofen. Es
entstand erheblicher Sachschaden. Als Motiv wird Fremdenhass vermutet,
der sich speziell gegen türkische Staatsangehörige richtete.
Forderung Rechnung getragen
Die türkischen Vereine Liechtensteins hatten sich
bereits im Oktober 2008 zu Wort gemeldet, als in Mauren eine
Massenschlägerei zwischen Skinheads und türkischen Besuchern
dermassen ausartete, dass ein Polizist schwer verletzt wurde. Seitdem
ist auf der Homepage www.turkbirligi.li zu lesen: "Der Anstieg der
Provokationen und Beleidigungen an den tü¨rkischstämmigen
Mitbewohnern hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Frauen werden
auf offener Strasse von Jugendlichen angespuckt, die Kinder werden auf
dem Schulweg verbal angegriffen. Dennoch haben wir, die
tü¨rkischen Vereine, unsere Mitglieder um Vernunft und Geduld
gebeten." Weiter heisst es: "In letzter Zeit werden die
Drittstaatsangehörigen immer wieder mit den Worten ?fördern
und fordern? konfrontiert. Wir bemühen uns stark, dem
entgegenzukommen, aber jetzt, liebe Regierung, möchten wir auch
eine Forderung stellen: Wir wollen mehr Sicherheit für unsere
Kinder, Jugendliche, Frauen. Wir wollen als türkische
Staatsbürger und als Liechtensteiner türkischer Abstammung in
Liechtenstein friedlich leben und uns dabei sicher fühlen." Dieser
Forderung haben die Regierung und alle involvierten Behörden nun
konsequent Rechnung getragen - und wollen es auch weiterhin tun. Bleibt
zu hoffen, dass das harte Durchgreifen auch ein entsprechend starkes
Signal in die richtige Richtung aussendet.
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Rechtsextreme Vorfälle
September 2008: Oktoberfest in Mauren. Rechtsextreme
Jugendliche und junge Erwachsene liefern sich mit türkischen
Jugendlichen eine Massenschlägerei. Ein Polizist wird schwer am
Kopf verletzt.
Frühjahr 2008: Eine Kundgebung von meist
ausländischen Sympathisanten der Antiglobalisierungsbewegung
provoziert eine Gegenkundgebung, der sich etwa 100 bis 150 Personen
anschliessen. Die Polizei muss eingreifen.Staatsfeiertag,
15. August: Ein alkoholisierter junger Rechtsextremer
wirft mit Flaschen um sich und verletzt eine Touristin.
Antirassismuskampagne "Ohne Ausgrenzung" 2007: Plakate
werden mit Hakenkreuzen beschmiert und beschädigt.
Jungbürgerfeier Balzers: Ein Rechtsextremer
provoziert mit einem Hitlergruss, wird aber gebremst und vor die
Türe gestellt. Als rund 20 rechte Jugendliche versuchen, den
Eingang zum Saal zu blockieren, greift der Regierungschef ein.
Schule: Auch die Schule wird wiederholt mit Vorfällen
konfrontiert. Während der Fasnacht 2008 dringen drei schwarz
gekleidete und mit Palästinensertüchern maskierte
angetrunkene Jugendliche mit Luftgewehren in die Schule ein und
bedrohen einen dunkelhäutigen Schüler.
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SEXWORK
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Radio Orange 94.0 (Wien)
Sexarbeiter_innen haben immer noch Lust auf ihre Rechte -
Interview zum internationalen Hurentag am 2. Juni
http://www.freie-radios.net/mp3/20100527-sexarbeiter_-34261.mp3
Interview mit Faika A. El-Nagashi von "LEFÖ/TAMPEP
Österreich - Unterstützung und Europäisches Netzwerk
für Migrantinnen in der Sexarbeit" über den aktuellen Stand
der Diskriminierung von Sexworker_innen.
Vorschlag für Anmoderation (nicht in der Datei enthalten):
Am 2. Juni werden (wurden) am Wiener Urban-Loritz-Platz wieder
rote Regenschirme aufgespannt, als Symbole des Widerstands von
Sexworker_innen gegen Diskriminierung und zum Symbol des Kampfes um
Gleichstellung und um Rechte.
Insbesondere aber nicht nur am internationalen Hurentag fordern
Sexworker_innen auf der ganzen Welt Gleichheit vor dem Gesetz und die
Umsetzung der Menschen-, Arbeits- und Migrant_innenrechte, die auch
Sexworker_innen nach internationalen Übereinkommen zustehen.
Wir sprachen mit Faika A. El-Nagashi von "LEFÖ/TAMPEP
Österreich - Unterstützung und Europäisches Netzwerk
für Migrantinnen in der Sexarbeit" über den aktuellen Stand
der Diskriminierung von Sexworker_innen.
Vorschlag für Abmoderation:
Mehr Informationen findet ihr auf
http://tampep.eu/
http://www.lefoe.at/
http://sexworker.at/
http://www.donacarmen.de
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SKLAVEREI
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Bund 27.5.10
Muslime - die Pioniere des afrikanischen Sklavenhandels
Kaum bekannt, jetzt durch ein Buch dokumentiert: Muslime
lancierten den Menschenhandel mit Afrikanern im grossen Stil. Sie
verschleppten Millionen mehr Schwarze als später die Weissen, die
von ihnen lernten.
Thomas Widmer
Dass es einst im islamischen Raum einen Sklavenaufstand
gab ähnlich dem des Spartakus im alten Rom - kaum einer
hierzulande weiss es. Der senegalesische Anthropologe Tidiane N'Diaye
erzählt davon in seinem Buch "Der verschleierte Völkermord"*.
Dieses erschien vor einiger Zeit in Frankreich, liegt jetzt auf Deutsch
vor und macht Furore: Erstmals wird die Geschichte des muslimischen
Sklavenhandels in Afrika nachgezeichnet, mit allen Weiterungen wie dem
besagten Aufstand.
Die Revolte der afrikanischen Sklaven im Südirak
beginnt 869 nach Christus. Ali ibn Muhammad, eine Messiasfigur, nimmt
mit Zehntausenden Zugelaufenen die Metropole Basra ein. Das um Bagdad
zentrierte islamische Weltreich der Abbasiden-Dynastie wankt, mehrere
seiner Heere werden vernichtet. Erst nach 14 Jahren können die
Abbasiden die Revolte niederschlagen.
Zandsch-Aufstand heisst das Ereignis. "Zandsch", so werden
die Schwarzafrikaner auf Arabisch genannt. Für heutige Muslime ist
der Aufstand mit Hunderttausenden von Toten ein Randvorkommnis. Just
auf die Abbasiden-Periode sind sie stolz, in der die islamische
Zivilisation einen Höhepunkt erlebt. Bagdad gilt zu jener Zeit als
die kultivierteste Stadt der Welt. Doch ein Gutteil des Glanzes
verdanken die Abbasiden der Sklaverei, so Forscher N'Diaye. Um bei der
Revolte der Zandsch zu bleiben: Die Afrikaner im Südirak schuften
wie Tiere, während sie die Salzsümpfe trockenlegen. Die
Plantagen, die sie bauen, liefern die Luxusprodukte, die den arabischen
Reichtum mitbegründen: Baumwolle, Datteln, Zuckerrohr; Europa
giert nach diesem Zucker.
360 Nubier pro Jahr
Dass das Thema des muslimischen Sklavenhandels lange im
Dunkeln blieb, hat auch mit dem Antikolonialismus afrikanischer
Intellektueller zu tun: Sie gewichteten die Allianz mit der islamischen
Welt wider den Westen höher als die historische Wahrheit. Und auch
westliche Fachleute haben das Kapitel des muslimischen Sklavenhandels
nicht ausgeleuchtet. Sie waren mit dem Menschenhandel der eigenen
Kultur beschäftigt, dem "transatlantischen". Grob gesagt, dauert
dieser ab 1500 dreieinhalb Jahrhunderte. Geschätzte 12 Millionen
Afrikaner wurden nach Amerika und in die Karibik gebracht.
Der muslimische Sklavenhandel hingegen dauerte fast
viermal so lang. Rund 17 Millionen Afrikaner wurden, rechnet N'Diaye
aufgrund einzelner Forschungsarbeiten vor, in islamisches Gebiet
verschleppt. Und: Die Muslime richteten in Afrika jene Handelswege ein,
von denen später die Weissen profitierten. Der Sklavenhandel laut
N'Diaye: "eine Erfindung der arabomuslimischen Welt".
Der muslimische Sklavenhandel in Afrika setzt mit der
Ausbreitung des Islam ein, dessen Prophet Mohammed 632 stirbt. Die
Heere des neuen Glaubens erobern in Windeseile ganze Länder. Einer
der frühen muslimischen Generäle zwingt 652 den besiegten
Nubiern im Sudan einen Vertrag mit folgender Klausel auf: "Ihr liefert
jedes Jahr 360 Sklaven beiderlei Geschlechts, die unter den besten
eures Landes ausgewählt und an den Imam der Muslime
überstellt werden. Alle müssen makellos sein. Es werden weder
gebrechliche Greise noch alte Frauen und keineswegs Kinder angenommen,
die das Pubertätsalter noch nicht erreicht haben."
In den nächsten Jahrhunderten geraten riesige
Landstriche Afrikas unter muslimische Herrschaft. Der in Kleinreiche
zersplitterte Kontinent ist ungenügend gewappnet gegen die
Eindringlinge. Und man kann die Minikönige gegeneinander
ausspielen - bald wachsen den Eroberern zudienende afrikanische
"Helfergebilde". Über zwei Hauptrouten führen sich die
Muslime billige Arbeitskräfte zu: Die "transsaharische" Route
führt durch die Sahara ins arabische Nordafrika. Die
"orientalische" führt via Rotes Meer in den Nahen und Mittleren
Osten
Der Afrikaner als Halbmensch
Die Grundregel über allem lautet: Muslime dürfen
keine Muslime, wohl aber Andersgläubige versklaven. Eine
rassistische Einstellung wächst heran, die den Afrikaner zum Vieh
abwertet. Der arabische Geograf Ibn Dschubair, 1145 bis 1217, bemerkt
über einen Stamm von Schwarzen: "Es sind sittenlose Menschen, und
es ist also keine Sünde, sie zu verfluchen und bis in ihre
Dörfer zu verfolgen, um sich dort Sklaven zu beschaffen." Und Ibn
Chaldun, 1332 bis 1406, gefeiert als erster Soziologe der Welt,
schreibt: "Die einzigen Völker, die die Sklaverei akzeptieren,
sind die Neger, aufgrund ihrer niederen menschlichen Natur gleichen sie
den Tieren."
Autor N'Diaye wird dafür kritisiert, dass er in sein
Buch mündliche afrikanische Quellen einfliessen lässt. Auch
irritieren seine ausufernden Anklagen gegen die Muslime. Doch
grundsätzlich bestritten wird seine Darstellung nicht, wonach die
muslimische Welt "seit dem frühen Mittelalter zu einem riesigen
Sklavenimporteur geworden" ist. Christliche Berichterstatter
erzählen davon immer wieder. Etwa ein Dominikanerpater an der
Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert: "Jedes Jahr führten die Mauren
(Araber; die Red.) am Ufer der Schwarzen Razzien durch. Sie griffen
einige Dörfer der Waalo, Cayor oder Jolof überraschend an,
setzten sie in Brand und kehrten mit ihrer lebenden Beute zum
Umschlagplatz zurück. Man sah Reiter mit Kindern in den Armen oder
vorne auf dem Sattel. Ihnen folgte die Mutter, sofern sie nicht im
Feuer umgekommen war, an den Schwanz des Pferdes gebunden."
Ist der afrikanische Mensch gefangen, tritt er den Weg in
die islamische Welt an. Dass er sie erreicht, ist keineswegs sicher.
Ein Engländer schreibt 1875: "Diese erbarmungswürdigen Wesen
überqueren 23 Breitengrade zu Fuss, nackt, unter einer brennenden
Sonne, mit einer Tasse Wasser und einer Handvoll Mais alle zwölf
Stunden." Die Sterberate auf solchen Märschen ist riesig, zwei
andere englische Forschungsreisende berichten, wie sie auf der Strecke
zwischen zwei Brunnen in der Wüste auf Kilometern Skelett um
Skelett fanden.
Ein drastisches Unterkapitel ist das der Eunuchen.
Muslimische Haushalte können keine Kinder zeugen, sie bevorzugen
kastrierte Sklaven. Neue Sklaven herbeizuschaffen, ist billiger, als
den Nachwuchs der vorhandenen aufzuziehen. Auch an den
Herrscherhöfen sind Eunuchen begehrt. Der Abbasiden-Kalif
al-Muqtadir besitzt im 10. Jahrhundert 7000 schwarze Eunuchen, sie
dienen etwa als Haremswächter. Da der Islam es verbietet, Sklaven
zu verstümmeln, delegiert man die Prozedur an Nicht-Muslime. In
Ostafrika und am Nil entsteht eine eigentliche Kastrationsindustrie,
führend sind im Gewerbe ägyptische Kopten, also Christen.
Hoden und Glied werden am Ansatz abgeschnürt, es folgt der Schnitt
des Messers, das Blut wird mit Aloepuder und Kompressen gestillt, die
Wunde mit Butter beschmiert. Freilich überlebt weniger als ein
Viertel der Traktierten.
Tippu Tip, der Britenfreund
Mit der Ankunft des weissen Mannes verdoppelt sich das
afrikanische Leid. Manche Weisse sind selber Menschenhändler, sie
profitieren von den eingespielten Handelsverbindungen. Für einige
Jahrhunderte muss Afrika nun zwei Zivilisationen als Menschenreservoir
herhalten - Wirtschaftshistoriker sind nach wie vor am Rechnen, wie
sehr und wie nachhaltig der Sklavenhandel den schwarzen Kontinent
geschädigt hat.
Dann, als die industrielle Revolution Maschinen zur
Hauptproduktionskraft befördert, braucht der Westen keine Sklaven
mehr. Und die Aufklärung, die von der Gleichheit aller Menschen
ausgeht, beginnt zu wirken. Nun entwickelt der Europäer Moral,
gibt jenen Christen recht, die schon immer den Sklavenhandel
verdammten; 1807 verbietet Grossbritannien den Sklavenhandel. Doch
mancher europäische Konsul drückt vor Ort weiter ein Auge zu,
schliesslich braucht er unter den lokalen Mächtigen
Verbündete. Berühmt wird in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts der Sklavenhändler Tippu Tip, ein Vertrauter der
Kolonialherren, der von Sansibar aus den Handel im Indischen Ozean
kontrolliert.
Handelszentrale Sansibar
Dieses Sansibar vor der Ostküste Afrikas ist
berühmt für die Riesenmengen an Sklaven, die umgeschlagen
werden oder daselbst schuften. Zwischen 1830 und 1872 leisten auf der
Insel Zehntausende Sklaven Schwerarbeit. Eine französische
Historikerin hat die Kollektivarbeit in Anbaukulturen statistisch
ausgewertet, ihr zufolge starben jährlich 20 bis 30 Prozent der
Arbeiter in den Plantagen. Mit anderen Worten: Muslimische Erde ist
voller toter Sklaven.
Um 1910 ist der muslimische Handel mit Sklaven praktisch
beendet. Der weisse Kolonialismus hat es durchgesetzt. Heute
interessiert sich kaum ein muslimischer Historiker für das Thema.
Und wenn Muslime darüber sprechen, dann meist beschönigend im
Sinn von: Ja, wir hatten Sklaven, aber wir behandelten sie im Einklang
mit dem Islam anständig. Fachmann N'Diayes Fazit: "In der
arabomuslimischen Welt fehlt es seit eh und je schlichtweg an einer
Tradition der Kritik oder gar der Selbstkritik, insbesondere wenn es um
vom Islam nicht widerlegte Praktiken geht."
* Tidiane N'Diaye: Der verschleierte Völkermord. Die
Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika. Rowohlt.
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ANTI-ATOM
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WoZ 27.5.10
Menschenstrom gegen Atom - Am Pfingstmontag demonstrierten 5000
Menschen wandernd für eine Schweiz ohne AKWs.
"Dann kommen wir halt wieder"
Von Bettina Dyttrich
"Freundlich, fröhlich, liebevoll müssen wir
sein!", ruft ein Basler mit einer grossen Trommel im Extrazug. "Sonst
können wir es vergessen." Es ist Pfingstmontagmorgen, wir treffen
in Däniken ein. Ausser einem Tontopfgrosshandel bietet das
Bahnhofsareal nichts Auffälliges. Die Wanderkarte, die hier wie an
jedem rechten Schweizer Bahnhof hängt, stammt von 1984 und ist bis
auf die roten Wanderweglinien völlig verblichen. Fast so lange ist
es her, dass hier so viele Menschen auf dem Bahnhofplatz standen: 1986
fand nach dem GAU in Tschernobyl die letzte grosse Demo vor dem AKW
Gösgen statt.
Punks und Blockflötenspieler
Viele AktivistInnen von damals sind wieder da, runzlig und
ergraut. Sie haben ihre Kinder und Enkelkinder mitgenommen. Auch wenn
noch nicht alle ganz auf Linie sind: Am liebsten würde er dieses
Kraftwerk besichtigen, ruft ein kleiner Junge beim Anblick des
imposanten Gösgener Kühlturms.
Doch heute wird nicht besichtigt, heute wird protestiert.
Über achtzig Organisationen haben zum "Menschenstrom gegen Atom"
aufgerufen. Rund 5000 Menschen wandern mit bemerkenswerter Ausdauer von
Däniken (oder gar schon von Aarau) nach Olten: Punks und
Politiker, Kurden und Deutsche, uralte Damen und
Blockflötenspieler. Dazwischen gibts eine Mittagspause mit
informativen Reden, die die Probleme der Atomenergie von der Uranmine
bis zum Endlager beleuchten.
Drei Jungs um die achtzehn blödeln herum, bis die
Stange ihrer Anti-AKW-Fahne in die Brüche geht. Sie kommen aus
Gösgen. "Es ist wichtig, zu zeigen, dass auch bei uns nicht alle
die Atomkraft befürworten", sagt einer von ihnen. Allerdings seien
sie beinahe die Einzigen ihres Alters aus dem Dorf an der Demo. "Ein
paar sind total für das AKW. Aber den meisten gehts am Arsch
vorbei."
Später, in Olten, wird SP-Nationalrat Ruedi
Rechsteiner die AKW-Industrie mit der UBS vergleichen: "Aber ein Unfall
in Gösgen, Leibstadt, Beznau oder Mühleberg lässt sich
auch mit 68 Milliarden Franken nicht mehr wiedergutmachen."
Ansteckende Energie
Abgesehen davon gibt sich Rechsteiner enthusiastisch. Er
lobt die Einspeisevergütungen für Alternativ energien -
obwohl damit auch fragwürdige Wasserkraftprojekte finanziert
werden (siehe www.tinyurl.com/wozwasser). Manches, was an diesem Tag
gesagt wird, wirkt etwas gar ein fach - wie im Lied, das einige
DemonstrantInnen singen: "Obe, unde, links und rächts -
zämeschaffe jetzt!"
Aber die Energie wirkt ansteckend. Die meisten Anwesenden
scheinen auf einen langen Kampf gefasst. "Ich war schon vor dreissig
Jahren hier demonstrieren", sagt ein Solothurner Biobauer. "Dann gabs
eine Atempause, jetzt kommen wir halt wieder."
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Basler Zeitung 27.5.10
Jans präsidiert AKW-Gegner
Nachfolger. Der Verein "Nie wieder Atomkraftwerke" (NWA)
wählte Beat Jans einstimmig zum neuen Co-Präsidenten als
Nachfolger von Ruedi Rechsteiner. Beat Jans (SP) übernimmt Ende
Mai auch das Nationalratsmandat von Rechsteiner. Der neue
Co-Präsident werde den Verein gemeinsam mit dem Grünen
Jürg Stöcklin in die Abstimmung über neue Atomkraftwerke
führen, die der NWA verhindern will. Rechsteiner wurde zum
Vizepräsidenten gewählt. In einer Resolution erklärt der
Verein, dass der Strombedarf zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien
gedeckt werden könne.
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Oltner Tagblatt 27.5.10
Anti-AKW-Verein Die erste Versammlung
Die erste ordentliche Mitgliederversammlung des Vereins
Nie Wieder Atomkraftwerke - Regionalgruppe Solothurn (NWA-SO) fand
unter der Leitung von Co-Präsident Philipp Hadorn in Solothurn
statt. Andreas Knobel, zweiter Co-Präsident, informierte die
Mitglieder über die Aktivitäten des Vereins im ersten Jahr
seit seiner Gründung. Dazu gehören die Einsprache gegen die
unbefristete Betriebsbewilligung des KKW Mühleberg und die
Forderung an den Bund nach einer Abschaltung des KKW Beznau 1 wegen
gravierender Sicherheitsmängel. Auch wurde die Demonstration
"Menschenstrom gegen Atom" von vergangenem Pfingstmontag mit 70 anderen
Organisationen vorbereitet und mitgetragen. Marco Majoleth wurde als
neues Vorstandsmitglied gewählt. Im informativen zweiten Teil der
Versammlung hielt Jürg Joss von Fokus Anti-Atom einen Vortrag zum
Stand der AKW-Neubaupläne in der Schweiz. Der von der Alpiq
für das Kernkraftwerk Niederamt (Gösgen II) vorgesehene
Hybrid-Kühlturm verursache Lärm, der die Nachtgrenzwerte bei
Weitem übersteige. (szr)
--
Kernkraftwerk für drei Wochen "ausser Gefecht"
Gösgen Ab morgen Freitag ist Jahresrevision
Morgen Freitag wird das Kernkraftwerk Gösgen (KKG)
planmässig zur Jahresrevision abgeschaltet. Der Betriebsunterbruch
für Brennelementwechsel und Unterhaltsarbeiten dauert etwa drei
Wochen.
Im 31. Betriebszyklus, der 336 Tage dauerte, produzierte
das KKG ohne Unterbruch 7875 Millionen Kilowattstunden Strom, was den
Bedarf von 1,5 Millionen Haushaltungen deckt. Die Anlage wurde ohne
sicherheitstechnische Probleme betrieben, wie das KKG mitteilt.
40 Brennelemente ersetzen
Zusätzlich zum Werkspersonal sind während der
Revision im KKG über 700 auswärtige Fachkräfte von rund
130 in- und ausländischen Unternehmen tätig. In der
Jahresrevision werden 40 der insgesamt 177 Brennelemente durch neue
Elemente aus wiederaufgearbeitetem Uran ersetzt. Die Jahresrevision
umfasst zahlreiche wiederkehrende Prüfungen und
Instandhaltungsarbeiten an bau-, maschinen-, elektro- und
leittechnischen Systemen und Komponenten.
Zu den Schwerpunkten gehören umfassende
Zustandsprüfungen am Reaktorkühlkreislauf,
Brennelementinspektionen, Schraubenprüfungen am Kernbehälter
und an der Kernumfassung sowie Wirbelstromprüfungen an
Dampferzeugerrohren. Ausserdem werden Notstandbatterien und
Gleichrichter für die unterbruchslose Versorgung der Steuerung der
Notstandanlage ersetzt. Während der diesjährigen Revision
wird der im Jahr 2008 begonnene Austausch der Kunststoffeinbauten im
Kühlturm abgeschlossen. (mgt)
---
Tagesanzeiger 27.5.10
Atommüllgegner machen mobil
In einem Faltblatt, das am Dienstag verteilt wurde,
fordert die Schweizerische Energie-Stiftung die Unterländer
Bevölkerung auf: "Wehren Sie sich gegen ein unsicheres
Atommülllager!"
Von Andrea Söldi
Unterland - Viele Unterländer entnahmen ihrem
Briefkasten am Dienstag eine ungewohnte Lektüre: Der vierseitige
"Atommüll-Anzeiger" ist vom Layout her dem "Tages-Anzeiger"
nachempfunden; statt des Zürcher Wappens prangt in der Mitte des
Zeitungsnamens jedoch ein Fragezeichen mit dem Symbol für
radioaktive Strahlung auf gelbem Hintergrund.
Herausgeberin ist die Schweizerische Energie-Stiftung
(SES), eine Umweltorganisation mit Schwerpunkt Energiepolitik. "Uns
geht es darum, Gegeninformationen zur Kampagneder Nagra zu streuen",
sagt Sabine von Stockar, Projektleiterin Atomenergie bei der SES. Die
Nationale Gesellschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle
(Nagra) unterschlage der Bevölkerung, welche Schwierigkeiten im
Zusammenhang mit einem Endlager auftreten könnten. Indem die Nagra
weder eine längerfristige Überwachung des Lagers noch die
Möglichkeit einer Rückholung des strahlenden Materials
vorsehe, arbeite sie "nach dem Prinzip Hoffnung". Die Organisation
verteilte die Zeitung in den Schweizer Gemeinden rund um die sechs
Standorte, die für ein künftiges Tiefenlager infrage kommen.
Mit Ausnahme des Gebiets um den Wellenberg: Dort leiste die
Bevölkerung sowieso bereits starken Widerstand, erklärt von
Stockar.
Lienhart an Info-Veranstaltung
Rund um den möglichen Standort ‹Nördlich
Lägern› wurde die Schrift im ganzen Gebiet zwischen Embrach, Rafz,
Niederhasli und dem aargauischen Endingen verteilt. Im aargauischen
Schneisingen, das direkt im geologischen Standortgebiet liegt, findet
am 8. Juni (Dienstag, 20 Uhr) eine Informationsveranstaltung statt, bei
der auch Hanspeter Lienhart aus Bülach, Präsident des Forums
Lägern-Nord, spricht.
Das Forum, in dem Behördenmitglieder der betroffenen
Gemeinden vertreten sind, will die Standortfindung kritisch begleiten.
Es vertritt die Haltung, die Region müsse mit Fluglärm und
Kiesabbau bereits genügend Belastungen tragen. "Aber wir wollen im
Findungsprozess nach dem besten Standort für ein Tiefenlager
kooperieren", sagt Lienhart. An der Veranstaltung in Schneisingen, bei
der auch Sabine von Stockar sowie der Regionalplaner des Bezirks
Zurzach, Felix Binder, sprechen, will Lienhart genau diese Haltung des
Forums Lägern-Nord vertreten.
Keine Widerstandsbewegung
Die Positionen der SES teile er als Präsident des
Forums nicht uneingeschränkt, sagt Lienhart. Zum Beispiel habe er
nie den Eindruck gehabt, die Nagra orientiere unsachlich. "Aber
natürlich ist die Nagra Partei." Die Organisation habe den
Auftrag, eine Lösung für die radioaktiven Abfälle zu
finden, und verfüge über ein beachtliches Budget für die
Öffentlichkeitsarbeit. So war sie etwa an der Gewerbeausstellung
in Eglisau vertreten und informierte im letzten Sommer vor dem
Bülacher Einkaufszentrum Sonnenhof.
Die Region ‹Nördlich Lägern› sei die einzige der
sechs möglichen Standort-Regionen, die über keine eigentliche
Widerstandsorganisation verfüge, bedauert von Stockar. Die SES
wolle ein Atomendlager jedoch weder per se verhindern, um den Bau neuer
Atomkraftwerke zu torpedieren, sagt von Stockar, noch wolle ihre
Organisation die Regionen gegeneinander ausspielen. "Es geht uns
lediglich darum, ein unsicheres Atommülllager zu verhindern."
Auch einen Zusammenhang zu den praktisch zeitgleichen
Anti-AKW-Aktionen in den letzten Tagen stellt die SES-Projektleiterin
in Abrede. Am Wochenende wurde in Gösgen gegen den Bau neuer
Atomkraftwerke demonstriert; am Dienstag legten sich
Greenpeace-Aktivisten in Zürich auf die Strasse, um auf die Gefahr
eines Reaktorunfalls aufmerksam zu machen; und Greenpeace-Mitglieder
fanden am gleichen Tag eine Zeitschrift im Briefkasten, die sie mit den
Gefahren eines Super-GAUs konfrontiert. Der Erscheinungszeitpunkt des
"Atommüll-Anzeigers" habe indes mit der Vernehmlassung zu tun, die
das Bundesamt für Energie auf den Spätsommer angesetzt hat,
sagt von Stockar.