MEDIENSPIEGEL 1.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo, DS)
- Demo-Recht BE: Entfernungsartikel unnötig
- Rabe-Info 1.6.10
- Police CH: Repressions-Überstunden-Unmut; Ohrfeigen-Drama
- Komasaufen schadet Langzeitgedächtnis
- Revolte BS: Autonome freiraumschwundsauer
- Asyl: pro + contra Verschärfungen
- Anti-Atom: Nix neue AKWs; Zwischenlager Würenlingen

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REITSCHULE
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Di 01.06.10
20.30 Uhr - Kino Uncut - Warme Filme am Dienstag: Der Schwule Neger Nobi, Dokumentarfilm von Wilm Huygen, Deutschland 2009

Do 03.06.10
19.00 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen Weltweit: "America America", Antiwar Music Video, K.P. Sasi, Indien
19.30 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen Weltweit: "Redefining Peace - Women Lead the Way" K.P. Sasi, Indien
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
20.30 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des WM-Taumels: The Mountain meets its Schadow (Im Schatten des Tafelberges), Alexander Kleider und Daniela Michel in Kooperation mit Romin Khan Kapstadt, Südafrika, D 2009
21.00 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen Weltweit: "The Marching Peace Makers", Sayed Khalid Jamal, Indien

Fr 04.06.10
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
21.00 Uhr- Vorplatz - SFS, Heads, Parzival, MC Dask (Shiva Records) - Style:Rap und Hip Hop

Sa 05.06.10
17.00 Uhr - GrossesTor - Führung durch die Reitschule (öffentlich, ohne Anmeldung)
Sa 05.06.10
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
22.00 Uhr - Dachstock - Brass & Hip Hop Explosion: Youngblood Brass Band (Layered/USA) - Style: Brass, Funk, Hip-Hop

So 06.06.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilme am Flohmi-Sonntag: Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen, Steve Box/Nick Park, GB 2005

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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kulturagenda.be 3.6.10

"Run very far to come very close to say very little" im Tojo

Kommunikation ist alles. Im Stück von Manuela Imperatori ist nebst dem Inhalt einer Information auch die Form ein wichtiges Element. Sprachlich, tänzerisch und musikalisch bringen drei Performer das Spiel von Verständnis und Missverständnis auf die Bühne. Die Musik dazu haben Marc Stucki und Simone Abplanalp komponiert.
Tojo Theater, Bern. Do., 3.6., bis Sa., 5.6., 20.30 Uhr

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kulturagenda.be 3.6.10

Die Youngblood Brass Band spielt im Dachstock

Musikalisch ist die Youngblood Brass Band zwischen Jazz und Hip-Hop zu H ause, örtlich in Wisconsin, USA. Susafon, Saxofon, Trompeten und eine ganze Reihe Perkussionisten spielen einen leichtfüssigen und zugleich steincoolen wie herzerwärmenden Sound. Wer auch nur ein wenig blechaffin ist, sollte diese Grossformation nicht verpassen.
Dachstock der Reitschule, Bern. Sa., 5.6., 22 Uhr

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DEMO-RECHT BE
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BZ 1.6.10

Entfernungsartikel

 Ein altes Gesetz neu verpackt

 Das Stimmvolk entscheidet am 13.Juni über die Einführung eines Entfernungsartikels. Dieser neue Artikel bringt kaum Neuerungen. Es bestünden genügend griffige Gesetze, sagt Rechtsprofessor Markus Müller.

 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die sich im amtlichen Abstimmungsbüchlein über die Initiative "Keine gewalttätigen Demonstrationen" informieren, erfahren unter der Überschrift "Das Wichtigste auf einen Blick" - fälschlicherweise - Folgendes: Mit den aktuellen Gesetzen sei es für die Polizei "kompliziert und schwierig", potenzielle Gewalttäter von Kundgebungen wegzuweisen, weil jeweils eine schriftliche Verfügung verfasst und anschliessend den betroffenen Personen einzeln vorgelesen werden müsse. Mit der Einführung des Entfernungsartikels würde dieses Verfahren vereinfacht.

 Lex Wasserfallen

 Wer aber die Polizei einmal in Aktion bei Demonstrationen oder rund um Fussballspiele beobachtet hat, weiss: Potenzielle Chaoten werden bereits heute durch Polizeibeamte mündlich - und gleich reihenweise - weggewiesen. Hooligans bekommen kaum je eine schriftliche Verfügung zu Gesicht.

 Die Polizei beruft sich dabei auf Artikel 29 des kantonalen Polizeigesetzes, im Volksmund Wegweisungsartikel oder Lex Wasserfallen genannt. Markus Müller, Staatsrechtsprofessor an der Uni Bern, bestätigt auf Anfrage: "Bereits mit den bestehenden Gesetzen kann ein Polizist einen Demonstranten mündlich wegweisen." Selbst eine Aufforderung an eine grössere Menschenmenge mittels Megafon sei möglich. "Auch muss die Wegweisung nicht von einem Richter verfügt werden. Zuständig ist die Polizei."

 Falsche Vorstellungen

 Wer meine, mit dem neuen Entfernungsartikel könne das Gewaltproblem an Kundgebungen effektiver gelöst werden, mache sich falsche Vorstellungen, sagt Markus Müller. Es bestünden genügend griffige Gesetze und Vorschriften. "Das Problem ist und bleibt, wie man die Gesetze durchsetzen kann."

 Gegen Leute, die sich einer Wegweisung widersetzen, darf die Polizei laut Müller unmittelbaren Zwang anwenden. "Die Palette der Zwangsmittel reicht von Wegtragen bis hin zum Einsatz von Wasserwerfern oder von Reizmitteln." Natürlich sei bei jeder polizeilichen Intervention das Gebot der Verhältnismässigkeit zu beachten. Wer sich der Wegweisung widersetzt, könne nach Artikel 292 im Strafgesetzbuch (Ungehorsam gegen amtliche Verfügung) gebüsst werden. Allerdings muss die Busse jeder Person einzeln angedroht werden. In diesem Punkt enthalte der Entfernungsartikel eine Neuerung, sagt Müller. "Er ermöglicht der Polizei, jede Person, die sich nicht unverzüglich von der Demonstration entfernt, zu büssen."

 Symbolcharakter

 Abgesehen davon hätte der Entfernungsartikel laut Markus Müller vor allem symbolische Bedeutung. Er bezweifelt, ob neue Gesetze der richtige Weg seien, um Vollzugsprobleme zu lösen. "Damit wird den Bürgerinnen und Bürgern etwas vorgemacht. Die Zahl der Vorschriften steigt, das Problem bleibt."

 Tobias Habegger

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RABE-INFO
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Di. 1. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_1._Juni_2010.mp3
- Der Nationalrat debattiert über das Co2 Gesetz
- Der Seniorenrat der Stadt Bern mischt bei der Stadtplanung mit
- Bern wirbt für Früherziehung und zieht eine positive Bilanz

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POLICE CH
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Aargauer Zeitung 1.6.10

Den Polizisten reicht es

 Gewalt, Unterbestände in den Korps, Überstunden: Polizeiverband macht politisch Druck

 Unter dem Motto "Es reicht!" treffen sich kommende Woche 300 Delegierte des Polizeiverbands. Sie verlangen, dass die Politik die Missstände bei der Polizei endlich ernst nimmt.

 Karen Schärer

 200 Überstunden hat Polizistin Andrea Geissbühler per Ende Mai auf ihrem Konto - und dies bei einer 50-Prozent-Anstellung. Die Berner SVP-Nationalrätin scheut sich als eine von ganz wenigen Polizistinnen und Polizisten nicht, Missstände bei der Polizei öffentlich anzuprangern. Auf den monatlich erstellten Einsatzplan sei aufgrund der chronischen Unterbestände in den Polizeikorps kein Verlass, sagt sie. Unter diesem unregelmässigen, unvorhersehbaren Arbeitspensum leide das ganze Umfeld. "Es ist nicht aussergewöhnlich, dass ich mehrere Wochenenden nacheinander im Einsatz stehe, sei es wegen einer Demo oder eines Matchs", sagt Geissbühler, die die Arbeit im Aussendienst grundsätzlich schätzt. Trotzdem ist erkennbar, dass sie sich mit dem Motto "Es reicht!" identifizieren kann. Unter dieses Motto stellt der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) seine Delegiertenversammlung von kommender Woche.

 VSPB-Präsident Heinz Buttauer sagt, nicht nur die Überzeit mache den Polizeibeamten zu schaffen. "Hinzu kommen Gewalt, Drohungen, der Hooliganismus." Das Ziel des Verbands sei, mit dem Arbeitgeber einen Konsens zu suchen. Buttauer fügt aber an: "Wir können auch andere Massnahmen ergreifen; doch das wäre schmerzlich für die Bevölkerung, für die wir ja da sind." Welche Massnahmen infrage kämen, will Buttauer nicht sagen.

 Grosse Hoffnungen setzt der Verband in eine Resolution, welche die Delegierten verabschieden werden. "Damit setzen wir politisch Druck auf", sagt Buttauer. VSPB-Generalsekretär Max Hofmann zeigt sich zuversichtlich, dass die Zeit reif ist für die Anliegen der Polizei: "Es ist fahrlässig, wenn die politischen Verantwortungsträger sagen: Wir anerkennen den Personalmangel, aber wir sprechen keine Mittel für eine Aufstockung der Kräfte."

 Kantone beschliessen Ende Jahr

 Bei der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) zeigt man Verständnis für den Unmut der Polizisten und Polizistinnen. "Die KKJPD hat das Thema auf der politischen Agenda", versichert Generalsekretär Roger Schneeberger. Die Analyse, wie viele Polizisten es brauche, müsse aber mit der Frage nach den Aufgaben der Polizei verknüpft werden. Im kommenden November will die KKJPD zu diesen Themen Beschlüsse fassen.

 Die Polizeihoheit liegt bei den Kantonen, doch Buttauer sagt: "Wenn die Kantone die Hausaufgaben nicht machen, müssen wir auf Bundesebene Regelungen verankern, welche die Kantone zum Handeln zwingen." Politische Verbündete im eidgenössischen Parlament hat der VSPB bereits gefunden. So hat CVP-Nationalrat Pius Segmüller eine Reihe von Vorstössen lanciert. Und SP-Nationalrat Max Chopard hat die Parlamentarische Gruppe für Polizei- und Sicherheitsfragen gegründet. Chopard ist überzeugt: "Sicherheitspolitik wird auf nationaler Ebene je länger, je wichtiger."

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vspb.org 25.5.10

Luzern, 25. Mai. 2010

Chronischer Unterbestand der Polizeikorps muss behoben werden!

"Familie bleibt auf der Strecke!"

Walter Fröhlich ist schon seit mehr als 10 Jahre bei der Polizei. Er ist eigentlich gerne Polizist. Aber er freut sich auch immer auf die Ausflüge mit seiner Familie. Am Liebsten fahren sie zu viert mit dem Mountainbikes an den See und geniessen ein feines Picknick. So wäre es auch am diesem Wochenende geplant gewesen. Doch seinem Polizeikorps fehlt Personal. So steht er diesen Sonntag schon wieder zwischen randalierenden Fans und muss schauen, dass er heil nach Hause kommt.

Und das nur, weil die Mannschaft, die eigentlich hätten gewinnen sollen, heute verloren hat. Wie üblich lassen die Fans ihren Frust an den Polizisten aus, die eigentlich gar nichts dafür können. Dazu warten vor dem Stadion noch 100 Krawallwütige, die zum Prügeln und nicht wegen dem Spiel da sind. Keine gemütliche Situation, aus der Walter Fröhlich auch schon mit Verletzungen ins Spital eingeliefert werden musste.

2'000 Polizeibeamte fehlen

Situationen wie diese sind Woche für Woche bei den Polizistinnen und Polizisten an der Tagesordnung. Schweizweit fehlen 1'500 bis 2'000 Gesetzeshüter. Das sind mehr als 10 Prozent des aktuellen Polizeibestandes. Um die ständig zunehmenden Aufträge erfüllen zu können, müssen täglich neue Überstunden geleistet werden. Der aktuelle Unterbestand wirkt sich nicht nur verheerend auf das Arbeitsklima und die Arbeitsbedingungen aus. Er gefährdet auch die Sicherheit der einzelnen Bürgerinnen und Bürger.

Grösster Unterbestand in Europa

Im europäischen Vergleich hat die Schweiz gemessen an der Bevölkerung die wenigsten Polizeikräfte. Pro tausend Personen, haben Italien 4.7, Deutschland 3.3 und Österreich 3.1 Polizeikräfte zur Verfügung. In der Schweiz sind es hingegen nur 2.3 Polizistinnen und Polizisten pro tausend Einwohner. Für den Sicherheitsexperten und CVP-Nationalrat Pius Segmüller ist das eine gefährliche Entwicklung: "In den letzten Jahren hat der administrative Aufwand der Polizei massiv zugenommen, was oft zu Lasten der Prävention geht!" Die fehlende Polizeipräsenz widerspiegelt sich auch am subjektiven Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. Laut dem Forschungsinstitut gfs-zürich ist die Angst vor Kriminalität im letzten Jahr um 0.6 auf dramatische 5.6 Punkte gestiegen.

Bürgernähe fehlt

Die Polizeiaufgabe macht erst dann Sinn, wenn der Polizist die Menschen, die er schützen soll, auch in ihrem Umfeld kennt. Darum ist Walter Fröhlich Polizist geworden. Als Freund und Helfer wurde er geschätzt und konnte dank dem persönlichen Kontakt viele Situationen entschärfen. Heute kann er nur noch sporadisch durch die verschiedenen Quartiere fahren. Immer umfangreichere Arbeiten bestimmen jetzt seinen Alltag. Oft muss er Abklärungen vornehmen, die früher von den Strafuntersuchungsbehörden gemacht wurden. So müssen heute bei einem Delikt wie häusliche Gewalt, anstatt wie früher eine Stunde, jetzt bis zu sieben Stunden für die polizeilichen Abklärungen aufwenden werden. Walter Fröhlich ist trotzdem gerne Polizist, auch wenn er sich mehr Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen sowie weniger Überstunden wünscht. Nur die Einsätze bei den Fussball- und Eishockey-Chaoten schätzt er überhaupt nicht.

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bernaktuell.ch Nr. 166 (Mai/Juni 2010)

Eine Ohrfeige !

Ein Schweizer Polizist verpasste einem renitenten, schwer alkoholisierten Mann eine Ohrfeige, nachdem ihn dieser tätlich angegriffen und angespuckt hatte. Der Beamte wurde dafür vom Bundesgericht letztinstanzlich gebüsst (Urteil 6B-649/2009), denn internationale Organisationen wie der UNO-Menschenrechtsausschuss wollen es so. Das Urteil fand in den Medien kaum Beachtung. Sehr zu Unrecht ! Denn es wirft entscheidende Fragen auf.

Von Dr. rer. publ. HSG Rolando Burkhard, Bern

Unsere Polizeibeamten werden tagtäglich und immer häufiger zu Einsätzen in konfliktgeladene, gewaltträchtige bzw. gewalttätige Situationen gerufen, um dort für Recht und Ordnung zu sorgen. Handle es sich dabei um Einsätze gegen schwarzafrikanische Drogendealer, ex-jugoslawische Strassenrowdies, Roma-Einbrecherbanden, einheimische Hooligan-Idioten bei Sportveranstaltungen oder um Familienstreitigkeiten. Unsere Polizisten werden dabei immer häufiger mit Tätern konfrontiert, die sich äusserst arrogant, renitent und gewalttätig verhalten: Mit Leuten, welche unsere Beamten verbal beleidigen, sie anspucken, beissen, mit Füssen treten oder sogar spitalreif zusammenschlagen.

Die Zahlen beweisen es

Unlängst schlug der Schweizer Polizeibeamten-Verband (VSPB) Alarm, weil die Delikte "Gewalt und Drohung gegen Beamte” (Art. 285 StGB) dramatisch zugenommen haben: In den letzten acht Jahren sage und schreibe von 774 Fällen (2000) auf 2024 Fälle (2008). Das entspricht einer Zunahme um 161,5 %!
Der VSPB sieht die zunehmende Gewalt gegen Polizisten als Ausdruck einer gesamtgesell¬schaftlichen Tendenz und des schwindenden Respekts vor den staatlichen Institutionen und deutet Angriffe gegen die Polizei als "Angriffe gegen den Staat”. Zudem rügt er die Tatsache, dass Angriffe gegen die Polizei zumeist nur mit lächerlichen Strafen geahndet werden, die alles andere als abschreckend seien.

Das bundesgerichtliche Ohrfeigen-Urteil ist dreifach problematisch

Das Urteil ist dreifach problematisch:

Erstens repräsentiert die Polizei den Staat wie kaum sonst jemand. Deshalb sind tätliche An¬griffe gegen Polizeibeamte - wie es der VSPB richtig sagt - als "Angriffe gegen den Staat” zu werten, und deren Zunahme signalisiert klar und eindeutig einen schwindenden Respekt vor den staatlichen Institutionen. Besonders beunruhigend ist dies im Falle Jugendlicher: Nachdem deren Achtung von Respektspersonen wie Eltern und Lehrer (vom Pfarrer spricht schon gar nie¬mand mehr) stark geschwunden ist, respektieren sie nun sogar die Polizisten nicht mehr. Das ist ein ernst zu nehmendes Alarmzeichen.

Zweitens beunruhigt die Begründung des Ohrfeigen-Urteils. Die Ohrfeige wurde vom Bundesgericht als Amtsmissbrauch betrachtet, "weil sie keinem amtlichen Zweck diente”. Will heissen: Nur weil jemand Polizist ist und seine Pflicht tut, muss er sich ohne Gegenwehr anspucken und schlagen lassen, ansonsten macht er sich strafbar. Noch skurriler aber wird die Begründung des hohen Gerichts, wenn es sagt: Der gebüsste Polizist habe seine Amtsstellung missbraucht, da eine beliebige andere Person den renitenten Mann, der sich in polizeilicher Obhut befand, nicht hätte ohrfeigen können. Sorry, liebe Richter: Konfrontiert mit dem renitenten Mann war -pflichtgemäss, weil er es tun musste - eben der Polizist und nicht irgend eine "beliebige andere Person”, der es frei steht, einer Konfrontation auszuweichen, und die somit auch nicht riskiert, tätlich angegriffen zu werden. Warum sollte ein Polizist, nur weil er Polizist ist, sich nicht verhältnismässig wehren dürfen, wenn er gewalttätig angegriffen wird?
Denn eine Ohrfeige stellt auch keineswegs eine brutale unverhältnismässige Abwehrmassnahme dar, sondern ist durchaus geeignet, Renitente und ausser sich Geratene zur Vernunft zu bringen. Nur wer es je mit schreienden, fluchenden, spuckenden, beissenden, kickenden und um sich schlagenden Kriminellen, Alkoholisierten oder mit Drogen Vollgempumpten zu tun hatte, kann wissen, dass hier gutes Zureden nichts hilft. Die Bundesrichter in ihrer "geschützten Werkstatt” sind natürlich solchen Situationen nicht ausge¬setzt.

Drittens: Seit Jahren rügen selbstgerechte internationale Menschenrechts-Organisationen angebliche Polizeiübergriffe in der Schweiz, namentlich gegen Asylbewerber und Migranten, und decken uns mit ihren Rassismusvorwürfen ein. Gerade unlängst hat nun der UNO-Menschenrechtsausschuss wieder entsprechende Vorwürfe an die Schweiz gerichtet. Die Vermutung liegt nahe, dass sich unsere Gerichte von diesem Unsinn immer mehr beeinflussen lassen. Denn ansonsten könnte es nicht zu derart skurrilen Urteilen kommen, wie im vorliegenden Fall.

Was ist zu tun?

Erstens: Den zunehmenden tätlichen Angriffen gegen unsere Polizeibeamten ist durch massiv verschärfte strafrechtliche Sanktionen gegen die Täter endlich Einhalt zu gebieten (wohlverstanden: durch Strafen, die wirklich weh tun; nicht durch bedingt ausgesprochene oder unbedingte Geldstrafen, die ohnehin nie bezahlt werden und deshalb kaum abschreckend wirken). Es geht um die Verteidigung und Erhaltung unseres Rechtsstaates.

Zweitens: Auch unsere Gerichte sollten endlich begreifen, dass "sogar” unsere Polizisten (auch wenn sie in Ausübung ihres Amtes tätig sind) Menschen sind. Menschen mit einer Würde, wie alle anderen. Es ist falsch, ihnen diese Würde faktisch abzusprechen und von ihnen zu verlangen, sich ständig widerstandslos beleidigen, anspucken und tätlich angreifen zu lassen. Tut man dies weiterhin, wird es bald keine guten Polizeibeamten mehr geben.

Drittens: Die chronischen Nörgeleien seitens internationaler Organisationen wegen angeblichen Polizeiübergriffen in der Schweiz sind klar und als absurd zurückzuweisen. Die Schweizer Polizei geht korrekter und verhältnismässiger vor als in sämtlichen anderen UNO-Staaten. Die internationalen Gremien, die anderes behaupten, sollten von der Schweiz nicht noch mit Millionenbeiträgen unterstützt werden (der UNO-Menschenrechtsrat, der unlängst wieder einmal die angebliche Schweizer Polizeibrutalität rügte, wird von unserem Land mit über 6 Millionen Franken pro Jahr finanziert).

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ALKOHOL
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20 Minuten 1.6.10

Regelmässiges Komasaufen schädigt Langzeitgedächtnis

 WASHINGTON. Wer sich regelmässig ins Koma säuft, riskiert langfristige Schäden in der Region des Gehirns, die für das Lernen zuständig ist. Dies haben US-Forscher herausgefunden.

 Trinken bis zum Umfallen führt nicht nur kurzfristig zum Blackout, sondern hat für das Gehirn auch langfristige Folgen: Regelmässiges Komasaufen schadet wahrscheinlich dem Hippocampus, einem Hirnareal, das für das Lernen und das Langzeitgedächtnis wichtig ist. Das legt zumindest eine Untersuchung an Affen nahe, die Forscher des Scripps Research Institute in La Jolla (Kalifornien) durchführten. Sie liessen vier Affen während elf Monaten täglich ein alkoholhaltiges Getränk mit Zitronengeschmack trinken. Die Tiere erreichten täglich einen Alkoholwert im Blut, der bei Menschen knapp 2,5 Promille entsprechen würde.

 Nach einer zweimonatigen Phase ohne Alkohol wurden die Gehirne der Affen untersucht. Dabei entdeckten die Forscher mehrere Veränderungen in der Struktur des Hippocampus. In dieser Region war die Bildung von neuronalen Stammzellen - also Zellen, die sich später zu Nervenzellen entwickeln - deutlich vermindert. Die Veränderungen durch den Alkohol seien besonders erstaunlich, weil sie auch nach der zweimonatigen Entzugsphase noch deutlich erkennbar waren, betonen die Wissenschaftler. Sie vermuten deshalb, dass Komasaufen auch bei Menschen langandauernde Effekte auf die Funktionen des Hippocampus hat.

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REVOLTE BS
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Basellandschaftliche Zeitung 1.6.10

In der links-autonomen Basler Szene brodelt es

 Stadtentwickler Kessler setzt sich für Autonome ein - trotz Angriff

 Hausbesetzer verschaffen sich in Basel wieder stärker Gehör. Ihre Freiräume verschwinden.

 Andreas Maurer

 Die Proteste der autonomen Szene flackern wieder auf, in Basel und in vielen anderen westeuropäischen Städten. Die Basler Staatsanwaltschaft vermutet, dass die beiden sogenannten Saubannerzüge teilweise aus diesen Kreisen verübt wurden. Es tauchen wieder mehr Sprayereien mit links-autonomen Parolen in der Stadt auf. "Wir nehmen uns, was wir wollen, und teilen, was wir haben", prangt an vielen Basler Mauern in schwarzer und roter Farbe.

 Am Wochenende ereignete sich ein weiterer Vorfall: Der Basler Stadtentwickler Thomas Kessler wird bei einem Konzertbesuch in der besetzten Villa Rosenau angepöbelt und geschlagen.

 Angst vor Modernisierung

 Die Aggressionen in vielen Städten führt Kessler vor allem auf Ängste vor der Modernisierung zurück. Zum Beispiel auf Ängste vor grossen Überbauungen. Damit seien die Hausbesetzer nicht alleine: "Viele Familiengärtner plagen ähnliche Sorgen."

 Die Politik müsse diese Ängste ernst nehmen, fordert Kessler. Er begegnet sogar seinen Angreifern mit Toleranz: "Gewisse Spannungen gehören zu urbaner Dynamik." Er will sich für mehr Freiräume einsetzen.Seite 17

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"Wir nehmen uns, was wir wollen"

 Stadtentwickler Kessler wird mit Gewalt aus der Villa Rosenau gejagt. Einige Bewohner erklären die Gründe

 Die autonome Szene macht sich in Basel wieder stärker bemerkbar. Einige Bewohner der Villa Rosenau nehmen Stellung zum Vorfall mit Thomas Kessler. Zu den Saubannerzügen schweigen sie.

 Andreas Maurer

 Montagmittag. Die Bewohner der Villa Rosenau schlafen noch. Die Türklingel weckt einen jungen Mann. Vom Balkon aus erklärt er, dass er nur ein Besucher sei. Einige Stunden später sind ein paar Bewohner gesprächsbereit. Mit Medien haben sie schlechte Erfahrungen gemacht. Sie bestehen darauf, anonym zitiert zu werden und die anonymen Zitate gegenzulesen. Zudem halten sie fest, dass sie nur ihre Privatmeinung wiedergeben und nicht im Namen aller Bewohner sprechen. Dazu müsste zuerst ein basisdemokratischer Konsens gefunden werden.

 Am Tisch vor der Villa Rosenau sitzen drei junge Menschen. Sie bedanken sich freundlich für die Möglichkeit, zum Vorfall mit dem ehemaligen Basler Integrationsbeauftragten und heutigen Stadtentwickler Thomas Kessler Stellung zu beziehen. Am Freitagabend besuchte er ein Konzert im besetzten Haus. Was genau abgelaufen ist, bleibt unklar. In der "Sonntag bz" schilderte Kessler, dass er von einer Gruppe von sieben Leuten angepöbelt worden sei. Sie hätten sich nicht auf eine Diskussion eingelassen. Ein Schlag ins Gesicht verletzte ihn leicht an der Lippe.

 "Kessler hat eine Frau gewürgt"

 Ein Bewohner der Villa Rosenau erzählt eine andere Geschichte. "Kessler war ziemlich alkoholisiert", beginnt er. In einer längeren Diskussion habe man ihm erklärt, dass er hier nicht willkommen sei. Um ihm zu verstehen zu geben, dass er gehen solle, habe ihn jemand am Arm gepackt. "Darauf hat er eine Frau gewürgt und mit seinem Bierglas um sich geschlagen", berichtet der Augenzeuge. Kessler stelle sich zu Unrecht als Opfer und Saubermann dar.

 Kessler sei in der Villa Rosenau aus politischen Gründen nicht willkommen, sagen die drei. Obwohl sich Kessler für linke Positionen einsetzt. Die von ihm geprägte Basler Integrationspolitik gilt in der Schweiz als vorbildlich. Und als Stadtentwickler zeigt er Verständnis für Hausbesetzer. Die drei Gesprächspartner der Villa Rosenau entgegnen, dass ein Politiker oder ein Beamter noch so links sein könne, er bleibe ein Vertreter eines Systems der Diskriminierung. "Wir finden Kessler nicht als Mensch schlecht. Wir lehnen seine Funktion ab", sagt eine Hausbesetzerin. Auch die Funktion von SP-Grossrätinnen, die sich gegen den Abriss der Villa Rosenau einsetzen, lehnen sie ab. Aus den gleichen Überlegungen boykottieren sie Abstimmungen: "Denn damit würden wir das System legitimieren."

 Saubannerzüge als Protestmittel?

 Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass Leute aus der Basler Hausbesetzerszene teilweise für die beiden sogenannten Saubannerzüge verantwortlich sind. Am Holztisch vor der Villa Rosenau löst das Thema eine lange Diskussion aus. "Ohne Rücksprache mit den anderen können wir zu diesen Vorfällen nichts sagen", entschliessen sie sich.

 Was fordern sie von Basels Stadtentwicklung? Auch diese Frage führt zu einer Grundsatzdebatte. "Wir stellen keine Forderungen an den Staat, da wir ihn nicht als valablen Partner betrachten", erklärt jemand. Er verweist an einen Spruch, der an vielen Basler Mauern prangt: "Wir nehmen uns, was wir wollen, und teilen, was wir haben." Sie sind nicht an staatlicher Stadtentwicklung interessiert, da diese nicht in der Lage sei, die herrschenden Eigentumsverhältnisse aufzubrechen.

 Die drei Hausbesetzer suchen eine andere Lebensform. Sie sind nicht bereit, Miete zu zahlen oder Lohnarbeit zu leisten. Trotzdem arbeiten sie gerne, zum Beispiel in der Villa Rosenau. Selbstorganisierte Freiwilligenarbeit lautet das Stichwort. Fordern sie folglich mehr Freiräume? "Nein, auch das wäre zu einfach", lautet die Antwort. Die Veränderung müsse im Kleinen beginnen, hier in der Villa Rosenau.

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 Seit 2004 besetzt

 Die Villa Rosenau liegt in einem Gebiet des St.-Johann-Quartiers, das als ökologische Ausgleichsfläche für die Nordtangente vorgesehen war. Seit 2004 ist das Haus besetzt. Die rot-grüne Regierung drohte mehrmals mit der Räumung. Inzwischen toleriert sie das besetzte Haus. Einzige Bedingung: Strom- und Wasserkosten müssen bezahlt werden. (öpf)

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http://rosenau.homelinux.org

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ASYL
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NLZ 1.6.10

Asylgesetzrevision

 Sind Widmer-Schlumpfs Vorschläge zu lasch?

 Die Schweiz soll für Asylsuchende weniger attraktiv werden: Das ist das Ziel der Asylgesetzrevision von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Experten streiten, ob die Massnahmen zu weit gehen oder zu lasch sind.

 Meinung Pro: Philipp Müller* Nationalrat FDP

 "Die Probleme sind nicht lösbar"

 Einmal mehr soll das Asylgesetz überarbeitet werden. Einmal mehr wird es den Vollzug von rechtskräftig abgelehnten Asylgesuchen kaum verbessern. Und gerade hier liegt das Problem. Alles Schräubeln am Gesetz hilft wenig, wenn nach einem Verfahren durch alle Instanzen die Ausweisung nicht möglich ist, weil die Betroffenen jegliche Kooperation verweigern, ihre Identität verschweigen und keine Papiere vorlegen.

 Auch die jüngste von Bundesrätin Widmer-Schlumpf vorgelegte Teilrevision wird daran kaum etwas ändern. Im Gegenteil, mit der massiven Reduktion der Nichteintretensgründe wird das Verschweigen der Identität, das Verweigern der Papierherausgabe gar noch gefördert. Die im Gegenzug vorgesehene Kürzung der Verfahrensfristen ist eine Massnahme "für die Galerie". Spätestens bei der letztinstanzlichen Gerichtsinstanz für Asylverfahren, dem Bundesverwaltungsgericht, wird diese "Beschleunigung" zunichte gemacht werden. Dieses Gericht lässt sich kaum von Verfahrensfristen beeinflussen.

 Anstelle der bisherigen Hilfswerksvertretung bei den Anhörungen soll neu eine "Verfahrens- und Chancenberatung" für Asylsuchende eingerichtet werden. Dabei sollen ausgerechnet Hilfswerke die Asylsuchenden von aussichtslosen Beschwerden abhalten. Ein Interessenkonflikt ist absehbar, geht es doch den meisten Asylsuchenden vor allem darum, ihre Wegweisung möglichst zu verzögern oder zu verhindern. Ein Mittel dazu ist die Ausschöpfung aller Rechtsmittel, in der Regel beraten von den Hilfswerken. Die Vorlage hat sicher auch einige gute Aspekte, kommt aber viel zu spät. Die Vollzugsprobleme sind mit simplen Gesetzesrevisionen nicht lösbar.

 Meinung Contra: Adrian Hauser*, Schweizerische Flüchtlingshilfe

 "Auf Kosten der Flüchtlinge"

 Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kritisiert die vorgestellten Vorschläge zur Asylgesetzrevision. Insbesondere die verkürzte Beschwerdefrist im Asylverfahren schränkt den Flüchtlingsschutz in unzulässiger Weise ein.

 Die SFH lehnt die Kürzung der Beschwerdefrist im materiellen Verfahren von 30 auf 15 Tage vehement ab. Dies, weil sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren ist und das Recht auf eine effektive Beschwerde verletzt. Im Asylverfahren geht es um Leib und Leben. Die Fragestellungen sind komplex, brauchen Zeit, und den Betroffenen fehlen darüber hinaus oft die nötigen Sprach- und Rechtskenntnisse.

 Es ist höchst bedauerlich, dass der Bund das Verfahren nun einzig auf Kosten der Flüchtlinge beschleunigen will. Die Fristen zur Bearbeitung der Gesuche bleiben für die Behörden hingegen weiterhin unverbindlich. Schon heute ist absehbar, dass diese "Verfahrensbeschleunigung" ihre Wirkung verfehlen wird. Es ist kein Geheimnis, dass die eigentlichen Probleme im Vollzug liegen.

 Die SFH fordert seit Jahren, dass der Bund seine Verpflichtungen im Bereich des Rechtsschutzes der Asylsuchenden besser wahrnehmen muss. Angesichts der extremen Verkürzung der Beschwerdefrist ist der staatlich gewährleistete rechtsgleiche Zugang zum Rechtsschutz für alle Asylsuchenden umso wichtiger und unerlässlich. Die Ausgestaltung der Verfahrens- und Chancenberatung lässt das vom Bundesrat vorgelegte Gesetz jedoch völlig offen. Es ist für die Betroffenen aber von existenzieller Bedeutung, dass daraus ein taugliches Instrument für einen wirksamen Rechtsschutz entsteht.

 Hinweis: * Philipp Müller, Nationalrat FDP, Reinach AG.

 Hinweis: * Adrian Hauser ist Leiter Kommunikation Schweizerische Flüchtlingshilfe.

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ANTI-ATOM
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BZ 1.6.10

SP-Grossrätin Nadine Masshardt

 "Es braucht keine neuen AKW"

 Die SP-Grossrätin Nadine Masshardt kontert den abgetretenen BKW-Präsidenten Fritz Kilchenmann: Es brauche weder neue AKW noch neue Gaskraftwerke. Die angebliche Stromlücke sei "Angstmacherei", sagt die Energiepolitikerin.

 Frau Masshardt, Ihre Partei fordert, der Stromkonzern BKW Energie AG dürfe sich bei AKW-Abstimmungen nicht engagieren. Dieser lehnt das ab.

 Nadine Masshardt: Die vom abgetretenen BKW-Verwaltungsratspräsidenten Fritz Kilchenmann angekündigte AKW-Kampagne stösst bei mir auf grosses Unverständnis. Ich bin überzeugt, dass man dieses Geld viel besser investieren könnte, insbesondere in die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien.

 Laut Bundesgericht dürfen sich Direktbetroffene bei Abstimmungen engagieren.

 Wir sind uns bewusst, dass ein Verbot schwierig werden dürfte. Aber wir erwarten, dass der rot-grüne Regierungsrat bei der BKW entsprechend interveniert.

 Die Regierung ist zwar rot-grün dominiert, aber im Grossen Rat haben die Bürgerlichen eine klare Mehrheit. Er wird die Regierung zurückpfeifen.

 Das stimmt leider. Bei dieser Konstellation wird die Einflussnahme unsererseits schwierig. Aber wir erwarten von der BKW zumindest, dass sie bei den AKW-Abstimmungen eine gewisse Zurückhaltung übt. Immerhin geht es auch um Steuergelder. Die BKW gehört mehrheitlich dem Kanton. Sie will hier Geld investieren, das uns allen gehört. Aber in der AKW-Frage ist die Bevölkerung gespalten. Darauf muss die BKW Rücksicht nehmen.

 Laut Fritz Kilchenmann hat das Schweizer Volk die Wahl: entweder neue AKW oder neue Gaskraftwerke.

 Da sind wir anderer Meinung. Es braucht keine neuen AKW. Und auch keine neuen Gaskraftwerke.

 Wollen Sie die Schweiz ins Chaos stürzen? Ohne neue Grosskraftwerke droht nach 2020 der Strom knapp zu werden.

 Diese Argumentation mit der sogenannten Stromlücke ist Angstmacherei der Atomlobby. Ihr Szenario geht davon aus, dass wir sowohl beim Energieverbrauch als auch bei den Technologien auf dem heutigen Stand verharren. Dabei ignorieren sie, dass das Potenzial zum Energiesparen und das der erneuerbaren Energien riesig ist.

 Sie wollen neue AKW einfach wegsparen?

 Nicht nur. Wir zählen einerseits auf Energieeffizienz, andererseits auf einen Mix aus den umweltfreundlichen Energien Sonne, Wasser, Biomasse, Geothermie und Wind. Damit können wir ohne den Bau neuer Grosskraftwerke auskommen. Gerade das Energiesparen wird unterschätzt. Das neue kantonale Energiegesetz wird hier wichtige Impulse geben, insbesondere im Gebäudebereich.

 Das ist doch illusorisch.

 Nein. Es gibt Berechnungen, die zeigen, dass wir einen Drittel des Stromverbrauchs einsparen könnten. Ebenso zeigen Studien, wie riesig das Potenzial der erneuerbaren Energien ist. Allein mit Sonnenenergie lässt sich gemäss Bundesamt für Energie mittelfristig ein Drittel eines AKW ersetzen, mit Wind ein halbes und mit Biomasse knapp 1,5 AKW. Grundsätzlich müssen wir es endlich schaffen,umzudenken. Solange die Stromlobby nur von AKW spricht, fehlt der Druck zum Umstieg. Das zeigen uns die letzten Jahrzehnte.

 Sie hoffen also auf ein Volks-Nein zu neuen AKW, um diesen Druck aufzubauen?

 Darauf setzen wir. Wenn das Volk Nein sagt zu neuen AKW, wäre der Druck da, um endlich richtig in die erneuerbaren Energien zu investieren. Solange immer noch diese Atompläne umherschwirren, wird die Stromlobby nicht dazu bereit sein.

 Hauseigentümer und Bürgerliche bekämpfen das neue Energiegesetz. Der obligatorische Gebäudeenergieausweis und die Stromabgabe werden es vor dem Volk schwer haben.

 Wir zählen darauf, dass das Energiegesetz so durchkommt, wie es der Grosse Rat beschlossen hat. Ich bin überzeugt, dass das Bernervolk das Zukunftspotenzial des Energiegesetzes erkennen und nicht der Angstmacherei der Gegner folgen wird.

 Die Bernerinnen und Berner sollen Ja sagen zu teurerem Strom?

 Wir sprechen hier von einer Belastung von 2 bis 5 Franken pro Haushalt und Monat, befristet auf 15 Jahre. Das ist verkraftbar. Wir brauchen dieses Geld, um sinnvolle energetische Gebäudesanierungen zu fördern. Von nichts kommt nichts. Im Gegenzug wäre das neue Gesetz ein gewaltiger Jobmotor für den Kanton Bern. Denn es würde grosse Investitionen auslösen, von denen das hiesige Gewerbe profitieren würde.

 Auch der Bau eines neuen AKW in Mühleberg würde im Kanton Bern eine grosse Wertschöpfung generieren.

 Das stimmt so nicht. Erstens würde der Bau eines neuen AKW nur während ein paar Jahren für Aufträge sorgen. Zweitens wäre das Projekt von einer derartigen Dimension, dass in erster Linie ausländische Firmen zum Zuge kämen. Der grosse Teil der Investition würde ins Ausland abfliessen. Das Potenzial der Gebäudesanierungen und erneuerbaren Energien hingegen ist riesig. Es ist zeitlich nicht befristet. Und es schafft Jobs in unserer Region, nicht im Ausland.

 Sie sehen das Heil in Sonne, Wasser und Wind. Es ist aber gerade Ihre Seite, die Projekte wie den Ausbau der Wasserkraft an der Grimsel oder den Bau von Windkraftwerken verhindern will.

 Es stimmt, es gibt Widerstände gegen solche Projekte. Wir von der SP vertreten aber grossmehrheitlich die Meinung, dass man derartige Projekte ermöglichen soll - aber nur, wenn sie energetisch sinnvoll und ökologisch vertretbar sind.

 Die letzten drei AKW-Abstimmungen im Kanton Bern haben die Atomgegner in den Jahren 2000 und 2003 verloren.

 Ich bin zuversichtlich, dass wir diesmal gewinnen werden. Wenn es uns gelingt, die Probleme und Risiken der Atomenergie sowie das Potenzial der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz aufzuzeigen, werden wir das Volk auf unserer Seite haben.

 Welche Probleme und Risiken?

 Die Finanzierung ist nicht sichergestellt, die Gefahr eines Unfalls mit schrecklichen Folgen besteht immer, und das Problem der Atommüllentsorgung ist nicht gelöst. Zudem ist der Rohstoff Uran eine endliche Ressource. Und dessen Abbau und Transport ist alles andere als ökologisch und sozial, wenn man an die dortigen Arbeitsbedingungen und an den CO2-Ausstoss denkt.

 Die Stromkonzerne BKW, Axpo und Alpiq wollen die neuen AKW als Partnerwerke finanzieren und bauen.

 Das nehme ich ihnen nicht ab. Wir sind überzeugt, dass neue AKW ohne staatliche Unterstützung gar nicht finanzierbar sein werden. Eine Studie der Bank Citigroup zeigt, dass allein mit Privatinvestoren wohl kein neues AKW gebaut wird, weil die finanziellen Risiken schlicht zu gross sind. Auch die Versicherungen sind nicht bereit, das Risiko Atomenergie zu versichern. Die Steuerzahler müssten einspringen. 1995 ergaben Schätzungen des Bundesamts für Zivilschutz für das Worst-Case-Szenario Super-GAU Schadenskosten von 4200 Milliarden Franken.

 Interview: Dominic Ramel

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Aargauer Zeitung 1.6.10

33 Behälter im Zwilag

 Hochaktives Zwischenlager in Würenlingen mit viel Platz

 Erst zu 16 Prozent ist das Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle gefüllt worden.

 Zwei weitere Transport- und Lagerbehälter sind ins Zen-trale Zwischenlager Würenlingen geliefert worden. Damit stieg die Zahl auf 25 Lagerbehälter mit ausgedienten Brennelementen und auf 8 Behälter mit verglasten, hoch radioaktiven Abfällen. Bei einer Kapazität von 200 Behältern ist das Lager damit erst zu rund 16 Prozent gefüllt. Im Herbst 2009 traf der erste Transport mit mittelaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung in La Hague (F) ein. Darin waren je 20 Edelstahlbehälter mit Brennelement-Abfällen aus dem AKW Gösgen.

 Betrieb für Plasma-Ofen

 Die Betreiber des Zwilag werten es als einen Meilenstein, dass sie für den Plasma-Ofen die Freigabe für den unbeschränkten Betrieb erhalten haben. Für die weltweit einzige Anlage hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) grünes Licht gegeben. Die vom Plasmastrahl verflüssigten Stoffe und Metalle führen zu glasförmigen Endprodukten, die sich in den Fässern zur Tiefenlagerung eignen. Letztes Jahr sind 1030 Rohgebinde mit 184000 Kilogramm aus AKW, Medizin, Industrie und Forschung eingeschmolzen worden.

 Im Verwaltungsrat ersetzt KKL-Direktor Andreas Pfeiffer seinen Vorgänger Mario Schönenberger. (Lü.)