MEDIENSPIEGEL 3.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, DS, Tojo, GH)
- Demorecht: Entfernungsartikel falsch
- Drogentest: Rave it safe bald weltweit?
- Randstand Burgdorf: Alkies müssen weg
- Nazirock: Amok-Mitglieder verurteilt
- Pnos: Vorsitzender verurteilt
- Homohass: JUDC VD gegen Gay UDC
- Stop Murder Music: Raubender Musikveranstalter
- RaBe-Info 3.6.10
- Kein Kind ist illegal
- Gegenvorschlag Ausschaffungs-Initiative;
Ausschaffungshaftdauer bleibt
- Ausschaffungs-Totengeld
- Knastdemo Waadt
- 40 Jahre Schwarzenbach-Initiative
- Sklaverei CH: Archiv offen
- Gender Studies: Buchtipp; Gosteli Archiv
- Anti-Atom: Endlager Russland
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REITSCHULE
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Do 03.06.10
19.00 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen
Weltweit: "America America", Antiwar Music Video, K.P. Sasi, Indien
19.30 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen
Weltweit: "Redefining Peace - Women Lead the Way" K.P. Sasi, Indien
20.00 Uhr - Rössli - What's wrong with us
(Punk-Cabaret) - Solibar für die FAU und den Infoladen Reitschule
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to
say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
20.30 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des
WM-Taumels: The Mountain meets its Schadow (Im Schatten des
Tafelberges), Alexander Kleider und Daniela Michel in Kooperation mit
Romin Khan Kapstadt, Südafrika, D 2009
21.00 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen
Weltweit: "The Marching Peace Makers", Sayed Khalid Jamal, Indien
22.00 Uhr - Rössli - 6 Progressiv-Minimal DjaneS von
Ameise Free System - Solibar für die FAU und den Infoladen
Reitschule
Fr 04.06.10
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to
say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
21.00 Uhr- Vorplatz - SFS, Heads, Parzival, MC Dask
(Shiva Records) - Style:Rap und Hip Hop
Sa 05.06.10
17.00 Uhr - GrossesTor - Führung durch die
Reitschule (öffentlich, ohne Anmeldung)
Sa 05.06.10
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to
say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
22.00 Uhr - Dachstock - Brass & Hip Hop Explosion:
Youngblood Brass Band (Layered/USA) - Style: Brass, Funk, Hip-Hop
So 06.06.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilme am Flohmi-Sonntag: Wallace
& Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen, Steve Box/Nick
Park, GB 2005
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Solibar für die FAU und den Infoladen Reitschule
20.00 Uhr:
What's wrong with us (Punk-Cabaret)
Die vier Bandmitglieder aus der Genfer
Underground-Musikszene bezeichnen ihre Musik selbst als
Punk-Cabaret und das trifft es von allen Versuchen der
Genre-Zuordnung am besten: Sound Collagen und rhytmische
Vertrackheit trifft auf den mit Humor und Nonchalance
vorgetragenen, ausdrucksstarken Gesang von Zoe Cappon. So mischen
sich diverse Musik-Trends wie Punk, Jazz, elektronische Musik und
Cabaret zu einem explosiven, wagemutigen Musikerlebnis.
22.00 Uhr:
6 Progressiv-Minimal DJaneS von Ameise Free System
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Bund 3.6.10
Youngblood Brass Band
Gar kein Blech
Die amerikanische Youngblood Brass Band machte in Bern
Bekanntschaft mit Tränengas - auf der Konzerttour 2003, nach einer
Anti-WEF-Demo. Das mag vielleicht ein Grund dafür sein, dass das
jüngste Album "Is That a Riot?" getauft wurde. In die Richtung
eines musikalischen Krawalls jedenfalls geht die abenteuerliche
Kreuzung von Jazz, Funk und Hip-Hop, gespielt von einer der
raffiniertesten Blechmusiken überhaupt. (reg)
Reitschule Dachstock Sa, 5. Juni, 22 Uhr.
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Bund 3.6.10
"Run Very Far to Come . . ."
Wie die Worte in die Welt kommen
Als Kind sprach sie lange Monologe in einen
Kassettenrekorder und stellte sich vor, wie die Worte irgendwo in der
Welt ankommen. Nun stellt die Berner Choreografin Manuela Imperatori
mit "Run Very Far to Come Very Close to Say Very Little" ein Stück
vor, in dem es um das Senden und Empfangen von Worten geht - und um die
Pannen, die während dieses Prozesses geschehen können. (reg)
Tojo-Theater Reitschule Donnerstag, 3., bis Freitag, 5.
Juni, 20.30 Uhr.
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BZ 3.6.10
Theater
Absurdität der Kommunikation
Urmenschlich: Ein Kind sitzt vor seinem Kassettenrekorder
und spricht unzählige Monologe auf Band. Es stellt sich vor, die
Worte kämen draussen in der Welt irgendwo an. Das Verlangen sich
der Welt mitteilen zu wollen ist enorm, aber was passiert genau, bis
all die unfertigen Gedanken, Bilder und Gefühle sich zu
Buchstabenreihen zusammenfügen? Das Stück "Run very fast to
come very close and to say very little" untersucht das ewige Spiel von
Verständnis und Missverstand auch auf akustischer und nonverbaler
Ebene.
pd
Heute Donnerstag, 20.30 Uhr im Tojo Theater, Reitschule
Bern.
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WoZ 3.6.10
Festival
Spiilplätz
Vor dreizehn Jahren wurde in Basel das nationale
Jugendtheaterclubtreffen "Spiilplätz" gegründet, seither fand
das Festival im Jahresrhythmus in Basel und Zürich und zuletzt
2007 in Bern statt. 2010 ist nun wieder Bern dran. Während vier
Tagen präsentieren junge Theaterschaffende aus Aarau, Basel, Bern,
Schaffhausen, Solothurn, Willisau und Zürich auf drei Bühnen
elf Produktionen.
Mit dabei ist die Berner Gruppe Sans Cible, die aus den
Jugendtheaterclubs von Junge Bühne Bern entstanden ist. Sie zeigt
ihr Stück "Fisch in Griechenland ... und dann mussten wir die
kranke Wildsau pflegen", bei dem es um die Kindheit geht: Ausgehend von
Tagebucheinträgen werden Wunschträume, Ängste und
Nöte von damals aufgedeckt.
Politisches Theater präsentiert der Jugend-Club U21
des Jungen Theaters Solothurn mit "Die fetten Jahre sind vorbei". Die
Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, den gleichnamigen Film von Heinz
Weingartner, inklusive Bonusmaterial, auf die Bühne zu bringen.
Lea Reimann schrieb dazu in der "Mittelland Zeitung": "Faszinierend ist
auch, dass das Stück ohne Requisiten auskommt. Vielmehr werden
Menschen zu Objekten - vom Möbelhaufen über den Pool bis hin
zur Räumungsklage. Schlag auf Schlag, gewitzt und in einem
beachtlichen Tempo stellen die Jugendlichen ihre Begeisterung fürs
Theaterspielen zur Schau. Frech erobern sie den Zuschauerraum, indem
sie von der Bühne auf den Balkon klettern oder auf allen Vieren
über die Sessel durchs Publikum steigen und die Besucher in ihren
Tiraden über Kinder arbeit aufklären." süs
"Spiilplätz" in: Bern Tojo Theater, Theater,
Mi, 9., bis Sa, 12. Juni.
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Bund 3.6.10
Fünf Fragen an
Katharina Vischer
Theaterpädagogin am Schlachthaus-Theater. Sie
inszenierte mit dem Jugendclub 14+ "McB - das schottische Stück",
das am Festival Spiilplätz gezeigt wird. Am nationalen Treffen der
Jugendtheaterclubs präsentieren Gruppen aus der ganzen Schweiz
ihre Arbeiten. Spiilplätz findet im Schlachthaus, in der Grossen
Halle der Reitschule und im Tojo-Theater statt und dauert vom 9. bis
12. Juni. "McB": 9. Juni, 1 Uhr im Schlachthaus-Theater. Infos und
Programm: www.junge-buehne-bern.ch.
Am Festival Spiilplätz treffen sich junge
Theaterbegeisterte, stehen auf der Bühne und besuchen Workshops.
Sie sind Theaterpädagogin am Schlachthaus-Theater. Was sind das
für Jugendliche, die ihre Freizeit in Proberäumen verbringen,
Texte lernen, an Lampenfieber erkranken?
Es sind Jugendliche, die sich gerne selber ausprobieren,
die über Grenzen hinausgehen wollen in einem Rahmen, in dem die
Konsequenzen nicht gravierend sind. Sie haben grosse Spiellust - und
sie sind mutig. In der Regel sind es mehr Mädchen als Jungen, denn
mit 13, 14, wenn sie die Möglichkeit haben, in Jugendtheaterclubs
anzufangen, sind die Buben oft noch mit Coolsein beschäftigt.
Ist die Motivation für Jugendliche zum Theaterspielen
in Zeiten, in denen dank TV-Castings alle ein Star werden wollen, eine
andere?
Ganz vereinzelt gibt es diese Fälle von jungen
Leuten, die zu uns kommen und denken, dass sie übermorgen
berühmt seien. Davon kommen die meisten aber ganz schnell wieder
ab, wenn sie sehen, dass es noch zehn andere hat, die vielleicht besser
sind. Einige kommen aber ganz gezielt in die Jugendtheaterclubs, weil
sie Schauspieler werden wollen. Und das dann auch schaffen.
Gelegentlich helfe ich mit, meine Kursteilnehmer auf Prüfungen
für Schauspielschulen vorzubereiten. Ich animiere sie allerdings
nicht dazu, sondern rate eher ab. Denn die Schauspielerei ist kein
einfacher Beruf, man reist viel herum, einen Freundeskreis zu pflegen
und eine Familie zu ernähren, ist schwierig.
Viel ist die Rede von sprühender Energie, wenn es um
Jugendtheater geht. Wie kanalisiert man die? Geht es überhaupt
darum?
Sobald die Jugendlichen mit einem Text konfrontiert sind
oder einer Vorgabe, die ihnen Angst macht, ist diese Energie jeweils
recht schnell weg. Dann ist es meine Aufgabe, ihnen die Scheu zu
nehmen. In Improvisationen dagegen gilt es, die Energie zu
kanalisieren. Das ist das Schöne an meinem Beruf: Jedes Mal, wenn
wir improvisieren, bekomme ich ein Bouquet an Energien und Emotionen,
das mich umhaut. Das ist nicht zu vergleichen mit der Arbeit mit
professionellen Schauspielern; es ist ungefiltert und oft genial.
Allerdings gelingt es meist nicht, das später wieder abzurufen.
Sie zeigen bei Spiilplätz "McB - das schottische
Stück", das auf Shakespeare basiert, einem Text, der 400 Jahre alt
ist, mit adligen Figuren, Mord und Intrige. Wie bringt man so etwas den
Jugendlichen näher?
Unsere Improvisationen sind mit der Zeit immer mehr um die
Themen Tod und Macht gekreist. Dann kamen wir schnell auf "Macbeth",
und ich habe den Jugendlichen die Kinderversion von Matthew Andrews
vorgelesen, in der er Shakespeare wunderbar herunterbricht. So haben
wir uns dem Stück angenähert. Andererseits haben wir sehr
intensiv über das Böse diskutiert. Das war hochspannend, und
es schien, als hebe sich das Alter auf: Es fielen Statements, die auch
von Erwachsenen hätten stammen können.
Wie viel Gestaltungsraum hatten die Jugendlichen bei "McB"?
Die Geschichte und der dramaturgische Verlauf entsprechen
der Vorlage, die Dialoge stammen zu grossen Teilen von den
Jugendlichen. Ihr Wunsch war es, Hochdeutsch zu sprechen, Mundart
schien ihnen wohl verharmlosend. Das Problem ist nun, dass zum Teil
Fernsehdeutsch nachgeahmt wird. Ich ermahne sie immer, sie sollen nicht
dieses Al-Pacino-Deutsch sprechen. Aber im Grossen und Ganzen kommen
sie ziemlich gut zurecht. (reg)
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BZ 3.6.10
Festival
Filmisches Theater
Im Rahmen des Jugendtheaterfestivals "Spiilplätz"
sind ab Mittwoch in Bern elf Schweizer Produktionen zu sehen.
Zum zweiten Mal nach 2007 führt die Junge Bühne
Bern mit dem Schlachthaus-Theater und dem Tojo-Theater das nationale
Jugentheaterfestival durch. Während vier Tagen zeigen
Jugendtheaterklubs ihre neuen Produktionen. Mit "A Clockwork Orange
2010" präsentiert das Jugendtheater Willisau eine eigenwillige
Interpretation von Anthony Burgess gleichnamiger Satire (bekannt durch
Stanley Kubricks Verfilmung). Derweil holt die Junge Bühne Bern
die Geschichte von "Clyde und Bonnie" als theatralen "B-Movie" ins
Heute. Filmisch geben sich auch die Aargauer Gruppe Szenart ("fiLim")
und das Junge Theater Solothurn: Letzteres hat sich zum Ziel gesetzt,
den kompletten Film "Die fetten Jahre sind vorbei" inklusive Trailer
und Bonusmaterial auf die Bühne zu bringen.
mei
Nationales Jugendtheater-Festival: Mi, 9., bis Sa,
12.Juni. Spielorte: Schlachthaus-Theater, Tojo-Theater und Grosse Halle
der Reitschule. Detailliertes Programm und Reservation:
www.junge-buehne-bern.ch.
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DEMO-RECHT
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BZ 3.6.10
Standpunkt zum Entfernungsartikel
Gesetze - falscher Ort für Symbolik
Tobias Habegger ist Redaktor im Ressort Stadt Bern
Aus dem Reich der Märchen stammt das Hauptargument
der Befürworter. Sie sagen: Der Entfernungsartikel würde die
Arbeit der Polizei an Demonstrationen erleichtern. Doch Polizeikader
und Rechtsprofessoren bestreiten dies. Der Artikel, über den das
Berner Stimmvolk am Sonntag, 13.Juni, abstimmt, liefert keine neuen
Mittel im Kampf gegen Chaoten. In der Wirkung entspricht der
Entfernungsartikel fast zu hundert Prozent dem bestehenden
Wegweisungsartikel im kantonalen Polizeigesetz. Nur eine winzige
Verschärfung gibts: Eine explizite Bussenandrohung bei
Nichtbefolgen in der Höhe von 5000 Franken.
Auch der Aufschrei der Gegner entspringt purer Ideologie.
Die Demonstrationsfreiheit - ein Grundrecht - ist durch den
Entfernungsartikel nicht bedroht. Das Bundesgericht hat einen
ähnlichen Artikel in der Stadt Thun für legal erklärt.
Und sollte es tatsächlich einmal vorkommen, dass ein Gaffer in
Berns Gassen seinen optimalen Platz auf Anweisung eines Polizeibeamten
verlassen muss - wäre die Demokratie in der Schweiz nicht
gescheitert.
Paradox am Entfernungsartikel: Die einzige kleine
Verschärfung (Androhung einer Busse) schiesst an den avisierten
Chaoten vorbei. Denn neben der Wegweisung droht diesen bereits heute
zusätzlich eine Strafe. Wer Scheiben einschlägt kann wegen
Sachbeschädigung verurteilt werden, wer jemanden verprügelt,
wegen Körperverletzung. Vermummte Steinewerfer werden eingekesselt
und abgeführt, wenn es der Einsatzleiter der Polizei anordnet und
die Verhältnismässigkeit gegeben ist. Mal klappt dies besser,
mal weniger gut. Für beides gibts in der Stadt Bern Beispiele aus
der Vergangenheit.
Die Krux liegt darin, die bestehenden Gesetze im Alltag
strikte durchzusetzen. Denn meist wissen Gewalttäter aus
Erfahrung, wann sie am besten vor der anrückenden Polizei
verduften. Während friedliche Demonstranten und Gaffer - aus
welchen Gründen auch immer - am Tatort zurückbleiben. Bei
einer Annahme der Vorlage durchs Stimmvolk könnten - theoretisch -
auch friedfertige Menschen gebüsst werden, wenn sie die Kundgebung
trotz Aufforderung der Polizei nicht verlassen.
Die Verfasser der Initiative "Keine Gewalttätigen
Demonstranten" wollen mit dem Entfernungsartikel in erster Linie ein
Zeichen setzen. Ihre Botschaft lautet: "Nulltoleranz gegen Gewalt."
Diese Aussage verdient Unterstützung. Doch die Initianten
verbreiten ihre Botschaft auf dem falschen Weg. Ein Gesetzbuch ist kein
politisches Parteiprogramm, eine Volksinitiative keine Werbeplattform.
Ob eine Kundgebung ausartet oder gesittet durch die Gasse
geht, lässt sich nicht mit symbolischen Gesetzesartikeln
beeinflussen. Wer zu wenig Anstand hat, um die Fensterscheibe einer
Bank in ganzen Stücken zu belassen, der wird auch durch den neuen
Entfernungsartikel kaum zum Umdenken bewegt.
tobias.habegger@bernerzeitung.ch
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DROGENTEST
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20 Minuten 3.6.10
Berner Drogen-Testlabor bald weltweit im Einsatz?
BERN. Grosser Erfolg für eine Berner Entwicklung: Die
Projektgruppe "Rave it safe" darf ihr Drogen- Testlabor internationalen
Experten vorstellen.
In der Berner Partyszene ist das mobile Drogen-Testlabor
der Berner Projektgruppe "Rave it safe" bereits regelmässig im
Einsatz. Ganz nach dem Motto: "Wenn schon Drogen konsumieren, dann
sicher", können Partygänger in Clubs ihre Pillen und
Pülverchen untersuchen lassen und wichtige Tipps einholen. "Nicht
nur die Qualität der Substanzen, sondern auch die
Konsumgewohnheiten sind massgebend", sagt Hans-Jörg Helmlin,
Laborleiter des Kantonsapothekeramtes.
Jetzt haben die Berner mit ihrer Eigenentwicklung sogar
international Interesse geweckt: Sie können ihr einmaliges Konzept
nächste Woche an der Club Health Conference, einem internationalen
Kongress in Zürich, vorstellen. Teilnehmer sind etwa
Sozialarbeiter, Behörden und Clubbetreiber aus ganz Europa. "Wir
hoffen, dass einige unsere Idee übernehmen", so Helmlin.
An einer Fachtagung in Deutschland konnte er das 250 000
Franken teure Labor schon präsentieren: "Die Experten waren
begeistert", so Helmlin. Das Projekt "Rave it safe" ist eine
Zusammenarbeit zwischen Contact Netz, Aids Hilfe Bern,
AwareDanceCulture und dem Kantonsapothekeramt.
Fabienne Wittwer
http://www.raveitsafe.ch
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RANDSTAND BURGDORF
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Bund 3.6.10
Burgdorf
Gemeinderat lässt Alkoholiker beim Bahnhof wegweisen
In Burgdorf soll die Alkoholikerszene aus dem
Bahnhofquartier verschwinden. Der Gemeinderat lässt deshalb ab
sofort alle Personen wegweisen, die dort in Gruppen Alkohol oder andere
Drogen konsumieren. Wer sich widersetzt, muss mit einer Anzeige und
einer Busse rechnen. Damit reagiere der Gemeinderat auf die
"Alki"-Szene, die mit der wärmeren Jahreszeit wieder häufiger
im Bahnhofquartier anzutreffen sei, heisst es in einer Mitteilung. Wie
schon im vergangenen Jahr biete die Stadt einen gedeckten Standort auf
dem Viehmarktplatz an, wohin die Szene ausweichen könne. Zudem
bestünden für die Suchtkranken in Burgdorf umfangreiche
Unterstützungsangebote. Der öffentliche Grund rund um das
Bahnhofquartier soll wieder allen Personen uneingeschränkt zur
Benützung offenstehen, schreibt der Gemeinderat. Jede Person
müsse sich aber so verhalten, dass andere nicht belästigt
würden. (sda)
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BZ 3.6.10
Alkiszene in Burgdorf
Jetzt greift die Stadt durch
Burgdorfs Stadtregierung duldet im Bahnhofquartier keine
Ansammlungen von Alkoholikern und anderen Drogenabhängigen mehr.
Im Umgang mit der Alki- und Drogenszene im Bahnhofquartier
zieht der Burgdorfer Gemeinderat die Samthandschuhe aus: Wer sich auf
öffentlichem Grund trifft und in Gruppen Alkohol oder andere
Betäubungsmittel konsumiert, wird ab sofort weggewiesen. Wer nicht
spure, müsse mit einer Strafanzeige und einer Busse rechnen, teilt
die Stadtregierung mit. Bereits im Oktober hatte Stadtpräsidentin
Elisabeth Zäch die Szene in der Innenstadt als "Zumutung"
bezeichnet.
Kein Bier, kein Publikum
In der Folge wies die Stadt den Alkis einen gedeckten
Platz bei der Markthalle als Treffpunkt zu. Von dieser Möglichkeit
machte die Zielgruppe laut verschiedenen Quellen kaum Gebrauch. Ein
Grund dafür ist nach Ansicht eines Insiders, dass sich in
unmittelbarer Nähe kein Billigbieranbieter befindet. Abgesehen
davon sei es kurzweiliger, seine Tage in der Fussgängerzone zu
verbringen als auf dem meist menschenleeren Viehmarktplatz.
"Für alle offen"
Die Verantwortlichen der Stadt Burgdorf mögen auf
diese Bedürfnisse keine Rücksicht mehr nehmen. Das
Bahnhofquartier müsse wieder "allen Personen uneingeschränkt
zur Benützung offen stehen", schreibt der Rat. Wenn auf
öffentlichem Grund "mit erheblichem Publikumsverkehr" gruppenweise
"übermässig Alkohol und Drogen konsumiert werden", sei der
"bestimmungsgemässe Gemeingebrauch" so stark eingeschränkt,
dass dafür eine Bewilligung notwendig wäre. Doch wegen
"überwiegender öffentlicher und privater Interessen" sei
nicht daran zu denken, eine derartige Bewilligung zu erteilen.
Als Aufenthaltsort bietet die Stadt der Szene nach wie vor
den Unterstand beim Viehmarktplatz an. Abgesehen davon bestehe "ein
breit gefächertes Betreuungsangebot", heisst es im
Communiqué. Auch der städtische Ordnungsdienst werde den
Kontakt zu den sogenannt "Randständigen", die allesamt über
eigene Wohnungen verfügen, weiterhin pflegen.
jho
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20 Minuten 3.6.10
Burgdorf weist Randständige weg
BURGDORF. In letzter Zeit kam es beim Bahnhof Burgdorf
vermehrt zu Gruppenansammlungen von Randständigen. Jetzt
schlägt der Gemeinderat eine harte Gangart ein: Ab sofort werde
weggewiesen, wer sich auf öffentlichem Grund treffe und in Gruppen
Alkohol oder andere Drogen konsumiere. "Gegen Personen, die sich nicht
daran halten, eröffnen wir eine Verfügung", sagt
Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch. Betroffene dürften sich
dann per sofort nicht mehr im Bahnhofperimeter aufhalten. Fürs
Wegweisen ist die Polizei zuständig. Zusätzlich werden auch
Bussen ausgesprochen. Wie bisher wird der städtische
Ordnungsdienst den Kontakt zur Szene weiterpflegen. Zäch betont,
dass die Stadt umfangreiche Unterstützungsangebote anbiete und den
Randständigen weiterhin der gedeckte Treffpunkt beim
Viehmarktplatz zur Verfügung stehe. sah
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NAZIROCK
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Tagesanzeiger 3.6.10
Rechtsradikale verurteilt
Zwei Oberländer Mitglieder der Neonazi-Band Amok
haben in Luzern happige Geldstrafen kassiert.
Von Walter Sturzenegger
Wolfhausen/Luzern - Das Amtsstatthalteramt Luzern hat die
vier Musiker der rechtsradikalen Rockband Amok mit Geldstrafen von 120
bis 125 Tagessätzen bestraft. Die Strafen wurden unbedingt
ausgesprochen, wie die Luzerner Strafuntersuchungsbehörden gestern
mitteilten, und sie sind rechtskräftig. Das heisst, die
Verurteilten müssen zahlen. Zwei Bandmitglieder wohnen im Oberland
- der 22-jährige Schlagzeuger in Wolfhausen, der gleichaltrige
Sänger in Hombrechtikon. Der Schlagzeuger erhält die
gesalzenste Rechnung. Er muss 10 800 Franken Geldstrafe bezahlen und
2500 Franken Verfahrenskosten übernehmen. Der Sänger hat
insgesamt 5200 Franken zu berappen. Darin inbegriffen ist eine
zusätzliche Busse von 100 Franken für die "unsachgemässe
Aufbewahrung einer Gas- und Schreckschusspistole".
Politiker mit dem Tod bedroht
Die Band Amok sorgte 2007 mit ihrer Debüt-CD
"Verbotene Wahrheit" für Aufsehen. Unter den 13 von
antisemitischen und rassistischen Aussagen triefenden Songs mit Titeln
wie "Nigger", "Ahnenblut" und "Hass" fiel einer besonders auf: "Hans
Stutz". Stutz ist parteiloser Luzerner Politiker und Journalist mit
Spezialgebiet Rechtsextremismus. Im Lied wird er mit dem Tod bedroht.
Zudem verstossen die Songs zum Teil gegen die Antirassismus-Strafnorm.
Stutz reichte Strafanzeige wegen Drohung ein und löste damit
Ermittlungen in verschiedenen Kantonen aus. 2009 gelang es der Polizei,
die im Untergrund aktive Band nach einer Hausdurchsuchung im Probelokal
in Siebnen SZ zu enttarnen. Ihr gehören neben den beiden
Oberländern ein 22-Jähriger aus Siebnen SZ und ein
29-Jähriger aus Unterentfelden AG an. Die vier hätten sich
der Drohung, der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen und der
Rassendiskriminierung schuldig gemacht, befand das Luzerner
Amtsstatthalteramt.
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Tagesanzeiger 3.6.10
Hombrechtiker Neonazi verurteilt
Die Mitglieder einer Band haben sich der
Rassendiskriminierung und anderer Vergehen schuldig gemacht.
Von Raphael Briner
Hombrechtikon/Luzern - Mit rassistischen Texten und einer
Todesdrohung hat die Band Amok das Auge des Gesetzes auf sich gezogen.
Nun hat das Amtsstatthalteramt Luzern die vier Mitglieder - der
Sänger stammt aus Hombrechtikon, der Schlagzeuger aus dem
benachbarten Wolfhausen - mit unbedingten Geldstrafen von 120 bis 125
Tagessätzen bestraft (s. auch Inlandteil).
Amok hat 2007 ein Lied veröffentlicht, auf dem der
Luzerner Journalist Hans Stutz mit dem Tod bedroht wird. Weiter wurde
der Band vorgeworfen, mit Texten gegen das Antirassismusgesetz zu
verstossen. Nach Ansicht der Luzerner Instanz sind mehrere
Straftatbestände von allen Bandmitgliedern erfüllt worden.
Sie hat zudem zwei von ihnen bestraft, weil sie gegen das Waffengesetz
verstossen hatten.
Der 23-jährige Hombrechtiker muss 5200 Franken
zahlen. 3600 davon sind die Geldstrafe wegen der Todesdrohung und des
Verstosses gegen die Antirassismus-Strafnorm. 1500 Franken betragen die
Verfahrenskosten. 100 Franken sind fällig, weil der Verurteilte
eine Gas- und eine Schreckschusspistole aufbewahrt hat. Der
Schlagzeuger aus Wolfhausen, ebenfalls 23 Jahre alt, muss insgesamt 10
800 Franken zahlen, wovon 2500 die Verfahrenskosten betreffen. Die
Höhe der Tagessätze bemisst sich nach dem Einkommen.
An Schlägereien beteiligt
Der Hombrechtiker ist auch in anderem Zusammenhang
aufgefallen. Wegen einer Schlägerei am Oktoberfest in Mauren FL
wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt. Eine Geldstrafe erhielt er,
weil er zusammen mit anderen Neonazis einen Demonstrationszug von
Jungsozialisten in Glarus angegriffen hatte. Die Glarner Richter
bestraften aus dem gleichen Grund auch den Schlagzeuger aus Wolfhausen.
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Zürichsee-Zeitung 3.6.10
Hombrechtikon
Geldstrafen für Neonazi-Musiker
Mitglieder der rechtsextremen Band Amok wurden zu
unbedingten Strafen verurteilt.
Ihre Texte kommen die Mitglieder der Band Amok teuer zu
stehen. Wegen eines Verstosses gegen die Rassismus-Strafnorm und wegen
Drohung mit Gewalt musste sich die rechtsextreme Band vor der Luzerner
Justiz verantworten. Der Sänger wohnte zum Zeitpunkt der
Verstösse in Hombrechtikon, der Schlagzeuger in Wolfhausen, der
Gitarrist in Siebnen und der Bassist im aargauischen Zetzwil.
Das Amtsstatthalteramt Luzern hat die Männer im Alter
zwischen 22 und 29 Jahren nun wegen Drohung, öffentlicher
Aufforderung zu Gewalt und Rassendiskriminierung verurteilt. Die
Bandmitglieder wurden zu unbedingten Geldstrafen von 120 bis 125
Tagessätzen bestraft, wie die Staatsanwaltschaft Luzern gestern
mitteilte. Dies entspreche je nach Einkommen der Männer zwischen
1200 und 10 800 Franken. Zudem müssen die Verurteilten für
die Verfahrenskosten aufkommen.
Journalist bedroht
Die Band hatte vor drei Jahren ein Lied
veröffentlicht und darin einen Journalisten mit dem Tod bedroht.
Zudem verstossen mehrere Liedtexte ihrer ersten CD gegen die
Rassismus-Strafnorm. Zwei der Bandmitglieder wurden zudem der
Widerhandlung gegen das Waffengesetz für schuldig befunden.
(fsp/sda)
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Bund 3.6.10
Geldstrafen für Neonazi-Band
Luzern - Vier Bandmitglieder der Neonaziband Amok
müssen Geldstrafen bezahlen. Das Amtsstatthalteramt Luzern hat die
Männer zwischen 22 und 29 Jahren wegen Drohung, öffentlicher
Aufforderung zu Gewalt und Rassendiskriminierung verurteilt.
Die Band hatte vor drei Jahren ein Lied
veröffentlicht und darin einen Journalisten mit dem Tod bedroht.
Zudem verstossen mehrere Liedtexte ihrer ersten CD gegen die
Antirassismus-Strafnorm. Zwei der Bandmitglieder wurden zudem der
Widerhandlung gegen das Waffengesetz für schuldig befunden.
Die Bandmitglieder wurden zu unbedingten Geldstrafen von
120 bis 125 Tagessätzen bestraft, wie die Staatsanwaltschaft
Luzern gestern mitteilte. Dies entspreche je nach Einkommen der
Männer zwischen 1200 und 10 800 Franken. Zudem müssen die
Verurteilten für die Verfahrenskosten aufkommen. (sda)
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20 Minuten 3.6.10
Geldstrafen für Neonazi-Band
LUZERN. Das Amtsstatthalteramt Luzern hat vier
Bandmitglieder der Neonaziband Amok mit unbedingten Geldstrafen von 120
bis 125 Tagessätzen bestraft. Zwei Personen wurden zudem wegen
Widerhandlungen gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen. Die Band
hatte 2007 ein Lied veröffentlicht, in dessen Songtext ein
Journalist mit dem Tod bedroht wird. Zudem verstossen mehrere Texte
gegen die Antirassismus-Strafnorm.
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PNOS
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Tagesanzeiger 3.6.10
Pnos-Vorsitzender wegen Leugnung von Anne Franks Tagebuch
angeklagt
Ein vorbestrafter Exponent der rechtsextremen Partei kommt
wegen der Behauptung vor Gericht, die "gefälschten" Aufzeichnungen
des jüdischen Mädchens dienten der "Holocaust-Indoktrination."
Von Thomas Knellwolf
Es ist eine alte Mär. Seit Jahrzehnten behaupten Alt-
und Neonazis, das Tagebuch der Anne Frank sei eine Fälschung. Die
Internationale der Holocaustleugner unterschlägt dabei, dass alle
seriösen Experten und kriminalwissenschaftlichen Untersuchungen
die Echtheit der in 55 Sprachen übersetzten Notizen des
jüdischen Mädchens bestätigen.
"Dummheit stirbt nie"
Vor einem Jahr hat die rechtsextreme Partei national
orientierter Schweizer (Pnos) die alte Mär von den "Lügen um
Anne Frank" aufgewärmt. Ihre Basler Sektion behauptete auf ihrer
"Weltnetzseite" (so der Rechtsextremen-Ausdruck für "Homepage"),
der Tod des bekanntesten NS-Opfers sei "insbesondere auf die
Bombardierung ziviler Ziele durch die alliierten ‹Befreier›
zurückzuführen". Das Tagebuch, das bis heute Millionen rund
um den Globus erschüttert hat, diene einzig und allein der
"Holocaust-Indoktrination junger unbedarfter Kinder". Anne Franks
Cousin, der in Basel lebende Schauspieler Buddy Elias, sagt dazu:
"Dummheit stirbt nie aus. Doch Aufklärung hilft, sie
einzudämmen."
"Verleumdung der Juden"
Auch die Schweizer Rassismus-Strafnorm soll bei der
Eindämmung helfen. Am 21. Juli kommt es am Basler Strafgericht zum
Prozess gegen den Vorstandsvorsitzenden der Pnos Basel, Philippe Eglin.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt sieht es als erwiesen an, dass der
junge Baselbieter Handwerker sich der Rassendiskriminierung schuldig
gemacht hat. Er verbreite, steht in der Anklageschrift, "eine
Ideologie, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der
Juden gerichtet ist". Eglin benutze "pseudowissenschaftliche
Scheinargumente, wie sie in der Holocaustleugner- und
Revisionistenszene in diesem Zusammenhang häufig herangezogen
werden". Er stelle das Tagebuch als "gezielte Manipulation" dar und
nicht als "historisch belegte Tatsache" und suggeriere, die Alliierten,
nicht die Nationalsozialisten seien im Zweiten Weltkrieg die
"eigentlichen Aggressoren" gewesen.
Eglin war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. In
ähnlichen früheren Strafverfahren hatten sich Pnos-Exponenten
mit unterschiedlichem Erfolg mit dem Argument verteidigt, sie seien
für den Rassismus auf der Partei-Internetseite nicht
verantwortlich. Anfang 2009 sprach das Bezirksgericht Aarau einen
Verantwortlichen für die Pnos-"Weltnetzseite" frei, weil ihm die
Verantwortung für den Onlineverkauf eines rassistischen Kalenders
dort nicht nachgewiesen werden könne. Es sprach aber gleichzeitig
den gesamten früheren schweizerischen Vorstand der Partei
schuldig, weil die Exponenten gleichenorts ein rassendiskriminierendes
Parteiprogramm publiziert hatten.
Posieren im Internet
Auch der in Basel angeklagte Philippe Eglin, der mit einem
Teil der in Aarau Verurteilten zusammenarbeitet, ist vorbestraft. Ende
2007 hat ihn das Bezirksstatthalteramt Laufen wegen einfacher
Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je
30 Franken verurteilt. Das Strafgericht Basel-Stadt muss nun
entscheiden, ob diese bedingte Vorstrafe vollstreckt wird. Eglin ist in
jüngerer Zeit mehrfach, insbesondere in Deutschland, als Redner an
Veranstaltungen deutscher Rechtsextremer und Neonazis aufgetreten. Er
posiert mit nacktem Oberkörper im Internet, damit sein
"Eidgenosse"-Tattoo, das sich über den ganzen Rücken
erstreckt, zur Geltung kommt.
Bei Novartis entlassen
Von seinem Arbeitgeber, dem Pharmamulti Novartis, hat der
22-Jährige unlängst den blauen Brief bekommen. "Als global
tätiges Unternehmen in über 140 Ländern ist für
Novartis Weltoffenheit und Respekt für den Menschen wichtig",
schreibt das Unternehmen. "Dies bedeutet, dass wir Diskriminierungen
aufgrund von Rasse, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit nicht
tolerieren." Weil die Ansichten Eglins und die Ethik der Firma
unvereinbar waren, habe Novartis das Arbeitsverhältnis
aufgelöst.
Anne Frank starb zwei Monate vor Kriegsende, ausgehungert
und geschwächt, im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus.
Kommende Woche würde sie 81 Jahre alt.
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HOMOHASS
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20 Minutes 3.6.10
L'UDC se déchire sur les homos
La création d'une section "Gay UDC" à Zurich
a suscité une vive réaction des Jeunes UDC du Valais
romand. Grégory Logean a dénoncé une "infiltration
du lobby homosexuel au sein du parti agrarien". En réaction, le
président des Gays UDC, Beat Feurer, lui a conseillé hier
de se "faire soigner chez un psychiatre local".
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Le Matin 3.6.10
C'est quoi, son problème?
Cerutti
Homophobie
Grégory Logean est connu pour ses attaques virulentes
contre la communauté homosexuelle. Sa dernière proie: la
section gay de l'UDC zurichoise. D'où vient cette haine? "Le
Matin" a enquêté auprès de personnes qui le
connaissent en Valais. Portrait.
Grégory Logean et les homos, ce n'est pas une
histoire d'amour. Sur les ondes de Rhône FM, le 31
mai, le coprésident des Jeunes UDC du Valais romand a redit tout
le mal qu'il pense d'eux. Et en particulier de la récente
création d'une section gay au sein de l'UDC zurichoise. Il a
carrément comparé cette nouvelle aile du parti à
une "tumeur qu'il faudrait soigner par chimiothérapie". Face
à cette attaque, Beat Feurer, président des gays UDC, lui
a conseillé "de se faire soigner chez un psychiatre local".
"Peut-être qu'il le refoule…"
Alors justement, qu'en pensent les psys valaisans?
Contactés par "Le Matin", ils n'ont pas souhaité
s'exprimer en leur nom sur un cas qu'ils n'avaient pas encore dans leur
cabinet. Mais, à force d'attaques homophobes virulentes et
répétées, certains se demandent en aparté
si Grégory Logean ne serait pas lui-même un homosexuel
refoulé. "Peut-être qu'il le refoule de façon
agressive. C'est un scénario possible…" avance d'ailleurs
Barbara Lanthemann, secrétaire romande de l'Organisation suisse
des lesbiennes.
L'enquête du "Matin" menée en Valais montre
que la réalité est plus complexe que ça. En mars
2010, le Tribunal cantonal valaisan a écarté une
quarantaine de plaintes pénales que des homosexuels avaient
déposées à son encontre. "Le fait qu'il ait
été blanchi, cela lui a donné des ailes.
Grégory Logean est profondément homophobe ou raciste. Il
doit dépasser de plus en plus les limites simplement pour que
l'on parle de lui et pour exister en dehors de son maître, Oskar
Freysinger, président de l'UDC du Valais romand", souligne le
député suppléant socialiste Mathias Reynard.
"Brave Garçon à Son papa"
De partout en Valais, on relève que les ambitions
et les connaissances sociales de Grégory Logean s'arrêtent
un peu aux frontières de sa commune, Hérémence,
où il officie comme conseiller municipal, responsable de la
Construction. Là-bas, certains témoignages permettent de
mieux cerner la personnalité de Grégory Logean. En tant
que conseiller communal, il concède ses limites pour
gérer certains dossiers. "Il dit qu'il est trop jeune, qu'il ne
sait pas. Son côté grosse gueule de l'UDC disparaît
totalement…" s'amuse un citoyen qui a eu affaire à lui.
Dans le val d'Hérens, on dresse un autre portrait.
Bon élève mais souffre-douleur dans la cour de
récré, Grégory Logean s'est d'abord lancé
dans un apprentissage à l'Ecole des métiers. Il aurait eu
de la peine avec la théorie et il aurait mis ses
problèmes sur le dos de professeurs trop socialistes à
son goût. D'autres villageois estiment que Grégory Logean
reste fidèle aux valeurs de son clan familial. "C'est le brave
garçon de son papa dont il fait la fierté. Il
répète beaucoup ce qu'on lui dit, je me demande où
se situe son autonomie de pensée", relate une proche de la
famille. "J'ai le sentiment qu'il a été
éduqué dans des valeurs très traditionalistes,
relativement simplistes. Cela l'empêche d'avoir une certaine
souplesse vis-à-vis des changements de notre
société", enchaîne Didier Fournier,
député valaisan de l'Alliance de Gauche, qui a
réagi très fortement aux derniers propos de
Grégory Logean dans une lettre envoyée à toute la
presse.
"Presque timide"
Toujours dans le val d'Hérens, on sait
également que le jeune UDC a une petite amie proche
d'Ecône, une église intégriste où il se
rendrait d'ailleurs très régulièrement. Mais
Grégory Logean sait se montrer particulièrement discret.
Dans les bistrots, on le considère comme quelqu'un de peu
communicatif. On est même surpris de sa métamorphose dans
ses communiqués ou ses interventions à la radio.
Mais il peut aussi se dégonfler à la
télévision. "Je l'ai rencontré une fois, pour un
débat qui ne concernait pas l'homosexualité. J'ai eu en
face de moi quelqu'un de nettement moins arrogant, presque timide. Il
ne m'a pas donné l'impression de quelqu'un avec de fortes
convictions", relève Barbara Lanthe-mann. "Sur la durée,
ses positions extrémistes finiront par le desservir. Dans la
commune, on aimerait peut-être avoir un conseiller un peu plus
discret", estime Mathias Reynard. Et c'est une habitante de la
région qui résume ainsi le caractère de
Grégory Logean: "Il a besoin de contradictions. Sinon, c'est
trop facile de faire fonctionner le mécanisme de la bêtise
humaine. "
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STOP MURDER MUSIC
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Tagesanzeiger 3.6.10
Musikveranstalter: Anklage wegen Raub
Hohler Stefan
Zürich - Ein in Zürich wohnhafter jamaikanischer
Musikveranstalter muss sich vor Gericht wegen Raub verantworten. Die
zuständige Staatsanwältin sagte, dass die Untersuchung
demnächst abgeschlossen sei. Der Mann soll den Raub mit
Mittätern verübt haben. Er ist nicht geständig und
befindet sich wieder auf freiem Fuss. Der Jamaikaner wurde im Januar
verhaftet. Er soll auch in Holland für Raubüberfälle
verantwortlich sein.
Der Mann hatte in der Vergangenheit mit seiner
Eventagentur in Zürich und Holland Reggaekonzerte veranstaltet.
Dabei sorgte er im Mai 2009 für Schlagzeilen, als er im
städtischen Kulturhaus Dynamo den Dancehall-Reggae-Musiker Mavado
auftreten lassen wollte. Dieser hetzte mit seinen Texten gegen Schwule.
Nach Intervention von Stop Murder Music, einer Organisation, die sich
gegen "Homohasser" im Reggae einsetzt, wurde das Konzert kurzerhand
abgesagt. (hoh)
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RABE-INFO
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Do. 3. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._Juni_2010.mp3
- Kein Kind ist illegal- tausende unterschreiben Manifest
http://www.keinkindistillegal.ch
- Dielog der Generationen- Werkstatt will herausfinden wo der
Schuh drückt
- Klimaneutral fliegen mit c02-Kompensation- Rettung der Erde
oder nur Beruhigung fürs Gewissen
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SANS-PAPIERS
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Bund 3.6.10
"Wow, jetzt bin ich wirklich hier"
Gestern wurde in Bern das Manifest "Kein Kind ist illegal"
dem Bundesrat übergeben. Zu diesem Anlass erzählen
Jugendliche aus einem Erwerbslosenprojekt in Bern über ihre
Erfahrungen mit Sans-Papiers.
Rahel Bucher
13 Jugendliche stürmen in die Heiliggeistkirche in
Bern. Ihr Lachen und Reden breitet sich in der Kirche aus. Heute steht
für die Schülerinnen und Schüler aus dem
Erwerbslosenprojekt Move der Fondation gad Persönlichkeitsbildung
auf dem Stundenplan. Sie beschäftigen sich mit dem Thema der
Sans-Papiers in der Schweiz. Dabei dürfen sie ihr Gesicht zeigen
und ganz frei reden. Nicht wie die vier Jugendlichen Sans-Papiers, die
im Film "Bodenlos" ihre Geschichten erzählen.
"Ich bin seit zehn Jahre hier . . . Illegal", hört
man eine junge Frau sagen, von der man nur die Beine und Füsse
sieht. Sie baumeln ins Bodenlose. Ein Bild, das die Situation der
jugendlichen Sans-Papiers in der Schweiz symbolisiert. Der Film ist
Teil der Wanderausstellung "Kein Kind ist illegal", welche zurzeit in
der Heiliggeistkirche zu sehen ist. In der Ausstellung werden zudem
Bilder gezeigt, die den Lebensalltag von illegalisierten jungen
Menschen thematisieren. "Es würde mir gefallen, wenn die Politiker
eine Lösung für die Sans-Papiers finden", hört man eine
männliche Stimme sagen. Vor lauter Angst, ausgeschafft zu werden,
gehe er kaum in den Ausgang, erzählt der junge Mann ohne Gesicht.
Angst vor der Ausschaffung
Berisha F., eine der 13 jugendlichen Zuschauer, kennt das
Leben in Angst. Sie kam vor zwölf Jahren aus Kosovo in die
Schweiz. "Wir hatten wahnsinnigen Respekt vor der Polizei",
erzählt sie. Der Ausweis habe dann einiges erleichtert. Die Angst
vor der Ausschaffung hat auch ihr Klassenkamerad Bulli Gino A. erlebt.
Er war vor elf Jahren illegal aus Kosovo in die Schweiz gekommen. Die
ganze Familie hatte am Anfang keine Aufenthaltsbewilligung. Damals
wusste er nicht, mit wem er darüber reden konnte. Jeder Gang in
die Öffentlichkeit, zum Einkaufen oder auf die Post, war mit der
Angst verbunden, ausgeschafft zu werden. "Endlich redet man über
dieses Thema. Ich wäre froh gewesen, wenn es so eine Ausstellung
schon vor elf Jahren gegeben hätte", sagt er.
Der Film stimmt die Jugendlichen nachdenklich. "Ich finde
das himmeltraurig", sagt Patrick C., einer der wenigen Schweizer in der
Klasse. "Ich bin zwar Schweizer, habe aber nur ausländische
Freunde", sagt er. Einige von denen seien illegal hier. Im Notfall
würde er auch jemanden bei sich aufnehmen, sagt er, wenn es ein
Freund sei. "Es ist gut, zu sehen, dass es auch andere Menschen gibt,
die so leben", sagt der aus der Türkei stammende Murat O. zum
Film. Seit elf Jahren lebt er hier. Er wartet schon lange auf die
Einbürgerung. Wie lange noch, weiss er nicht genau.
Bald Schweizer Bürger
"Und was ist mit den Jugendlichen aus dem Film passiert?",
fragt Oxana V. Sie selbst kam als 2-Jährige aus Moldawien in die
Schweiz. Ihre Mutter hatte eine L-Bewilligung und holte die Tochter
später zu sich in die Schweiz. Im zweiten Teil des Films
erfährt man die Fortsetzung der Geschichten. Zwei Jahre
später: Die vier Menschen sind nun alle legal in der Schweiz. Ihr
Gesicht dürfen sie nun zeigen, und sie können frei über
ihre Erlebnisse reden - über Ängste, Einsamkeit und
Isolation. "Ich hatte lange keinen Kontakt zu anderen Jugendlichen",
sagt etwa Charo, deren Stimme man schon vom Anfang des Films kennt, und
Mohammed grinst fröhlich in die Kamera: "Wow, jetzt bin ich
wirklich hier", sagt er. Er ist mittlerweile zudem glücklich
verheiratet. Die Sans-Papiers aus dem Film stehen stellvertretend
für rund 10 000 Jugendliche, die ohne geregelten Status in der
Schweiz leben. Sie alle haben keinen Zugang zu Lehrstellen. Ein
Umstand, der auch in der Politik zu reden gibt (siehe unten stehenden
Kasten).
Für die Jugendlichen aus dem Projekt Move sieht die
Zukunft etwas rosiger aus. Viele haben eine Lehrstelle gefunden, und
einer von ihnen freut sich besonders. Bulli Gino A. soll im Sommer den
Schweizer Pass bekommen. "Ich werde auch in den Militärdienst
gehen", sagt er. Das sei für ihn eine Selbstverständlichkeit.
Er sei ja bald Schweizer Bürger.
--
Sans-Papiers Politische Vorstösse
Gestern wurde das Manifest "Kein Kind ist illegal" dem
Bundesrat übergeben. Die Übergabe stand im Zeichen der
Motionen von Nationalrat Luc Barthassat (CVP) und Nationalrat Antonio
Hodgers (Grüne), die den Zugang zu Berufslehren für
Sans-Papiers-Jugendliche fordern. Über die Motionen wird der
Ständerat am 14. Juni abstimmen. In seiner Sitzung vom 20. April
2010 hat eine knappe Mehrheit der Staatspolitischen Kommission des
Ständerates die beiden Motionen gutgeheissen. Sie empfiehlt diese
zur Annahme im Ständerat. Über 10 000 Personen und 81
Organisationen haben das Manifest unterzeichnet. Gefordert wird unter
anderem die umfassende Umsetzung des Rechts auf Bildung inklusive
Absolvieren einer Berufslehre, den sofortigen Stopp der
Ausschaffungshaft für Minderjährige sowie vereinfachte
Regularisierungsmöglichkeiten für Kinder und ihre Familien.
Die gesamtschweizerische Kampagne "Kein Kind ist illegal"
wurde vor zwei Jahren lanciert. Sie will darauf aufmerksam machen, dass
in der Schweiz nach wie vor rund 100 000 Menschen ohne geregelten
Aufenthaltsstatus leben - davon sind 10 000 Jugendliche. Die
Wanderausstellung ist vom 6. Juni bis zum 27. Juni in der
Pasquart-Kirche in Biel zu sehen. Weitere Informationen: http://www.keinkindistillegal.ch,
http://www.sans-papiers.ch.
(reh)
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AUSSCHAFFUNG
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Bund 3.6.10
SP hilft bei Ausschaffung mit
Der Nationalrat stellt der Ausschaffungsinitiative der SVP
einen direkten Gegenvorschlag gegenüber. Während die
Initiative die automatische Ausweisung krimineller Ausländer
selbst bei Bagatelldelikten verlangt, sieht der Gegenvorschlag den
Landesverweis unter gewissen Bedingungen und ab einem bestimmten
Strafmass vor. Zustande kam der Gegenvorschlag dank der SP. (bin) -
Seite 7
--
SP schluckt das "Gegengift" zur SVP-Initiative
Auch der Nationalrat will einen direkten Gegenvorschlag
zur Ausschaff ungsinitiative.
Markus Brotschi
Die SVP-Ausschaffungsinitiative wird dem Volk mit einem
Gegenvorschlag unterbreitet, der explizit nicht gegen das
Völkerrecht und die Verfassung verstösst. Der Nationalrat hat
gestern mit 94 zu 86 Stimmen bei 11 Enthaltungen der Verschärfung
auf Verfassungsstufe zugestimmt. Möglich wurde dies, weil die SP
über ihren Schatten sprang. Ein Teil der SP stimmte für den
Gegenvorschlag, andere enthielten sich und nur eine Minderheit stimmte
dagegen. Dies obwohl die SP das geltende Recht für ausreichend
hält, um kriminelle Ausländer wegzuweisen. FDP und CVP
überzeugten die SP davon, dass sich ein Ja zur radikalen
SVP-Initiative nur verhindern lässt, wenn dem Volk eine griffige
Alternative vorgelegt wird. Silvia Schenker (SP/BS) beschrieb ihre
Gefühlslage mit einem drastischen Vergleich: "Wenn ich von einer
Schlange gebissen werde, verwende ich ein Gegengift, damit ich nicht
sterbe. Der Gegenvorschlag ist das Gegengift zur SVP-Initiative." Die
Grünen lehnten den Gegenvorschlag ab, da er wie die Initiative ein
Sonderrecht für Ausländer einführe.
Integration als Zückerchen
Versüsst wurde der SP das Gift mit einem
Integrationsartikel. Dieser verlangt von Bund, Kantonen und Gemeinden
Massnahmen zur besseren Integration der Ausländer. Ob den Worten
Geld folgt, ist aber offen. Die Bundesmittel müssen im Budget
genehmigt werden.
Wie die Initiative sieht der Gegenvorschlag die zwingende
Wegweisung von Ausländern vor, wenn sie wegen Gewaltverbrechen und
einer Reihe anderer Delikte verurteilt wurden. Heute ist die Wegweisung
krimineller Ausländer Sache der kantonalen
Ausländerbehörden. Allerdings verzichtet der Gegenvorschlag
auf Ausschaffungen, wenn diese gegen Völkerrecht oder Grundrechte
verstossen. Niemand darf in ein Land ausgeschafft werden, wenn ihm dort
Folter oder die Todesstrafe droht (Non-Refoulement-Prinzip). Auch
müssen international verbriefte Kinderrechte beachtet werden. Und
eine Ausschaffung muss verhältnismässig sein - ein Gebot der
Bundesverfassung. Schliesslich wird die schärfere
Ausschaffungspraxis bei EU-Bürgern nicht angewendet, weil sonst
gegen die Personenfreizügigkeit verstossen würde. Die
SVP-Initiative macht all diese Vorbehalte nicht. Für Hans Fehr
(SVP/ZH) verhindern die "schwammigen" Einschränkungen auch
künftig Ausschaffungen.
In der über sechsstündigen Debatte drehte sich
der Streit vor allem um die Frage, ob und wie weit die SVP-Initiative
gegen Völkerrecht verstösst. Die Initiative sei im Wortlaut
gar nicht umsetzbar, lautete der Tenor von FDP, CVP, SP und
Grünen. Wie nach der Verwahrungs- und der Minarettinitiative drohe
ein Konflikt mit dem Völkerrecht. Nur die Linke zog daraus aber
den Schluss, die Initiative für ungültig zu erklären.
FDP und CVP sprachen sich wie der Bundesrat für die
Gültigkeit aus. Für den Bundesrat sei klar, dass er bei einer
Annahme der Initiative nicht gegen das Non-Refoulement-Prinzip
verstossen werde, sagte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Ohne Sozialhilfemissbrauch
Der Ständerat hatte dem direkten Gegenvorschlag im
März zugestimmt. Im Vergleich zur Initiative enthält er einen
umfassenderen Katalog von Delikten, die zur Ausschaffung führen,
darunter auch schwere Körperverletzung und Betrug. Dagegen
verzichtet der Gegenvorschlag darauf, den Sozialhilfemissbrauch zu
nennen. Generell führen Taten, die mit mehr als einem Jahr
Gefängnis bestraft werden, zur Wegweisung. Falls ein Täter
innert 10 Jahren wegen mehrerer Delikte zu insgesamt mindestens zwei
Jahren verurteilt wird, muss er das Land ebenfalls verlassen.
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Gegen Anpassung bei Schengen-Recht
Kürzere Ausschaffungshaft abgelehnt
Der Nationalrat will eine Entwicklung des Schengen-Rechts
nicht übernehmen: Er widersetzt sich dem Ständerat und lehnt
es ab, die Höchstdauer der Ausschaffungshaft von 24 auf 18 Monate
zu senken. Die bestehende Höchstdauer müsse beibehalten
werden, fanden die Bürgerlichen. Es gebe keinen Grund, eine
Bestimmung zu ändern, die in einer Volksabstimmung angenommen
worden sei und erst seit 2007 gelte.
Der Bundesrat solle sich im Schengen-Ausschuss dafür
engagieren, dass die maximale Haftdauer auf 24 Monate angehoben werde,
forderte Kurt Fluri (FDP/SO). Er machte aber deutlich, dass die FDP
nicht das gesamte Schengen-Abkommen gefährden will: Im Notfall
werde sich die FDP für Schengen aussprechen, sagte er.
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf äusserte
sich pessimistisch über die Erfolgsaussichten, bei den
Schengen-Staaten eine Änderung erwirken zu können. Die
EU-Kommission habe ursprünglich eine Höchstdauer von 6
Monaten vorgesehen. Nach drei Jahren zäher Verhandlungen habe man
sich auf 18 Monate geeinigt. Sie wies auch darauf hin, dass es um ein
vernachlässigbares Problem gehe. Derzeit seien 331 Personen in
Ausschaffungshaft. Keine davon sitze länger als 18 Monate in Haft.
Die Schweiz solle ihre Verpflichtungen einhalten und die
Weiterentwicklung des Schengen-Rechts übernehmen, forderte
Widmer-Schlumpf. Sie wurde jedoch nur von der SP und den Grünen
unterstützt, sodass der Rat die Senkung der maximalen Haftdauer
mit 92 zu 51 Stimmen ablehnte.
Weiter hat der Nationalrat die Vorlage dem Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts angepasst, dass Asylsuchende nach einem
Nichteintretensentscheid nicht mehr sofort in einen Dublin-Staat
zurückgeführt werden dürfen. Da auf diese Weise den
Betroffenen die Rekursmöglichkeit genommen wird, verstösst
dieses Vorgehen nach Ansicht des Gerichts gegen das Gebot des wirksamen
Rechtsschutzes. (sda)
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Behörden fürchten Rekursflut bei Ja zur
Ausschaffungsinitiative
Die SVP-Initiative könnte bewirken, dass viermal mehr
Ausländer als heute das Land verlassen müssten. Das hiesse
wohl auch: viermal mehr juristische Streitfälle.
Fabian Renz
Eine buchstabengetreue Umsetzung der
Ausschaffungsinitiative hätte gemäss Bundesamt für
Migration im Jahr 2008 einen "Grundstock" von 1484 Personen betroffen.
Exakt so viele Ausländer mit Niederlassungsbewilligung B oder C
fielen damals nämlich unter jene Kategorie von Gewalttätern,
die laut SVP automatisch ausgeschafft werden sollen. Nicht mitgerechnet
sind in dieser Zahl allerdings jene Niedergelassenen, die
"Sozialmissbrauch" begangen haben und somit nach SVP-Ansicht ebenfalls
weggewiesen gehören. Wie viele Täter hier ergänzend
anzuführen wären, ist fast unmöglich zu eruieren. Denn
zum einen sind für die Sozialhilfe die Kantone und Gemeinden
zuständig; eine zentrale Missbrauchsstatistik fehlt. Und zum
andern müsste der unpräzise Begriff des "Sozialmissbrauchs"
juristisch erst hieb- und stichfest definiert werden - wobei sehr enge
und sehr weite Auslegungen denkbar sind.
In jedem Fall aber hätte die Ausschaffungsinitiative
wohl zur Folge, dass sich das Quantum der aufgehobenen
Niederlassungsbewilligungen im Mindesten vervierfachen würde (oder
verdoppeln im Falle des Gegenvorschlags). Denn die
Vergleichsgrösse liegt heute laut Bundesamt für Migration bei
geschätzten 350 bis 400 Wegweisungen pro Jahr - genaue Angaben
sind aufgrund der kantonalen Zuständigkeiten wiederum nicht
möglich.
Nachsichtige Schweiz?
Wären die Migrationsämter der Kantone in der
Lage, den voraussichtlichen Zusatzaufwand zu bewältigen? Bei
Nachfragen schimmert zumindest Skepsis durch - vor allem wegen des
erwarteten massiven Anstiegs an juristischen Streitereien. So berichtet
Michel Girard, Leiter des Migrationsamtes von Basel-Stadt: "Wir haben
im letzten Jahr wegen Straffälligkeit, Sozialhilfemissbrauch und
Schuldenmacherei insgesamt 24 Ausländern die
Aufenthaltsbewilligung entzogen. In jedem einzelnen Fall wurde Rekurs
eingereicht." Im Kanton Zürich sind es laut Auskunft des
zuständigen Amtes immerhin 80 Prozent der Betroffenen, die sich
juristisch wehren.
Ungeachtet dessen stellt sich allerdings die Frage, ob die
Schweizer Wegweisungspraxis im internationalen Vergleich
übermässig lax ist. SVP-Nationalrat Luzi Stamm führte
gestern jedenfalls Frankreich als Beispiel für ein Land an, in dem
viel härter gegen straffällige Ausländer vorgegangen
werde. Jonas Montani vom Bundesamt für Migration widerspricht: Die
umliegenden Staaten stützen ihre Praxis auf dieselben Grundlagen
wie die Schweiz. Das heisst: ebenfalls auf die Europäische
Menschenrechtskonvention, die laut Bundesrat mit der SVP-Initiative
inkompatibel ist.
--
Kommentar
In der SVP-Falle
Patrick Feuz
Unter Druck der SVP führt das Parlament eine Art
Zweiklassenjustiz ein: Künftig sollen kriminelle Ausländer
faktisch härter bestraft werden als kriminelle Schweizer. Denn ab
einem gewissen Strafmass erhalten sie eine Zusatzstrafe, indem ihnen
zwingend das Aufenthaltsrecht entzogen wird. Nicht nur Schwerverbrecher
sind betroffen. Auch weniger happige Delikte, bei denen keine Gewalt im
Spiel ist, können sich relativ schnell zum Landesverweis summieren.
Nicht nur rechtsstaatlich, auch menschlich ist dieses
Sonderrecht für Ausländer ein Grenzfall. In einem Land wie
der Schweiz, wo viele hier geborene oder zugezogene Ausländer
leben und immer mehr Ehen und Familien multikulturell sind, kann sich
der neue Automatismus breit und folgenschwer auswirken - indem etwa
Kinder ihren Vater verlieren.
Realpolitisch gibt es aber keine Alternative. Nur mit
diesem weitreichenden Gegenvorschlag lässt sich wohl verhindern,
dass bei der Volksabstimmung die SVP mit ihrer noch radikaleren
Ausschaffungsinitiative durchdringt. Schlagzeilen über kriminelle
Ausländer heizen das Unbehagen gegenüber Fremden an. Zu Recht
herrscht die Meinung vor, dass ausländische Mörder und
Vergewaltiger ihr Gastrecht verscherzt haben. Aber die SVP will dieses
Empfinden für ein Ausschaffungsregime nutzen, das
unverhältnismässig und mit völkerrechtlich garantiertem
Familienschutz unvereinbar ist - so müsste ein junger bei uns
aufgewachsener Kosovare nach einem einzigen Einbruchsdelikt ausreisen.
Die Gegner einer so grobschlächtigen
Ausschaffungspolitik dürfen jetzt nicht in die Falle tappen. Wer
im Abstimmungskampf für den Gegenvorschlag wirbt, indem er die
Initiative bloss rechtlich kritisiert, übernimmt die Logik der SVP
- und hilft frivolerweise mit, die Ausländerkriminalität zum
wichtigsten Aspekt der Einwanderung zu stilisieren. Die Gegner der SVP
müssen in der Diskussion das Problem der kriminellen
Ausländer in die richtigen Relationen rücken. Sonst bauen sie
keine Ängste ab - und die SVP hätte selbst bei einem Nein zu
ihrer Initiative gewonnen.
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BZ 3.6.10
Ausschaffung
Hart gegen Ausländer
Der Nationalrat stellt der Ausschaffungsinitiative der SVP
einen in- direkten Gegenvorschlag gegenüber.
Das Anliegen, kriminelle Ausländer auszuschaffen,
geniesst bis weit in die Mitte hinein Sympathien. Das zeigte sich
gestern im Nationalrat. So weit wie die SVP wollte die Mehrheit der
grossen Kammer zwar nicht gehen. Dafür hiess sie den indirekten
Gegenvorschlag gut. FDP, CVP, BDP und die Grünliberalen stellten
sich geschlossen hinter die Vorlage. Selbst Justizministerin Eveline
Widmer-Schlumpf betonte, dem Bundesrat sei an der Bekämpfung der
Ausländerkriminalität gelegen. Dies werde mit dem
Gegenvorschlag erreicht, aber in Übereinstimmung mit Verfassung
und Völkerrecht. Darin besteht der wesentliche Unterschied der
beiden Vorlagen, über die das Volk abstimmen soll. ma
Seite 2
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Ausschaffung krimineller Ausländer
SVP-Initiative scheitert im Parlament
Der Nationalrat stellt der Ausschaffungsinitiative einen
direkten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser Entscheid fiel nicht nur
aus taktischen Gründen. Das Anliegen, kriminelle Ausländer
auszuschaffen, geniesst grosse Sympathien.
"Wir dürfen nicht übersehen, was auf der Strasse
passiert", sagte Kommissionssprecher Philipp Müller (FDP, AG) -
notabene als Sprecher der Staatspolitischen Kommission. Ähnliche
Standpunkte vertraten FDP, CVP, BDP und die Grünliberalen, die
sich geschlossen hinter die Vorlage des Ständerats stellten.
Selbst Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf betonte, dem Bundesrat
sei an der Bekämpfung der Ausländerkriminalität gelegen.
Dies werde mit dem Gegenvorschlag erreicht, aber in
Übereinstimmung mit Verfassung und Völkerrecht.
Redliche Vorlage
Darin besteht der wesentliche Unterschied der beiden
Vorlagen, über die das Volk abstimmen soll: Während die
SVP-Initiative die automatische Ausweisung krimineller Ausländer
verlangt, umschifft der Gegenvorschlag Konflikte mit Verfassung und
Völkerrecht. Er verlangt sogar explizit deren Einhaltung und
gewährleistet damit die problemlose Umsetzung.
Die SVP wehrte sich heftig gegen diesen Passus. Der
Kommissionssprecher appellierte jedoch an die Redlichkeit: Die Schweiz
sei ohnehin an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen gebunden.
Deren Erwähnungen zeige der Stimmbevölkerung die Grenzen des
Ausschaffungsartikels auf.
Gegenüber der Initiative konkretisiert der
Gegenvorschlag zudem die Liste der Straftaten, die mit der Ausweisung
geahndet werden. Vor allem aber macht sie den Entzug des
Aufenthaltsrecht nicht primär von der Begehung bestimmter Delikte,
sondern vom Strafmass und damit vom Verschulden abhängig. So
verhindert der Gegenvorschlag, dass eine Ausweisung auch wegen
Bagatelldelikten verfügt wird, was im Fall der Annahme der
Initiative durchaus der Fall sein könnte. Für das
rot-grüne Lager wurde die Vorlage dadurch nicht geniessbarer.
Wahl der Qual
Allerdings sah sie sich vor die Wahl "zwischen Pest und
Cholera" gestellt, wie es Maria Roth-Bernasconi (SP, GE) formulierte.
Sowohl die Initiative wie auch der Gegenvorschlag vergifteten die
Gesellschaft und schafften ein Klima der Fremdenfeindlichkeit. Der
Grüne Daniel Vischer (ZH) sah gar einen "Hort der Menschenrechte"
zu einem "Unrechtsstaat" verkommen.
Sie konnten nicht verhindern, dass die Initiative mit 118
zu 69 Stimmen für gültig erklärt wurde. Weder der
Bundesrat noch der Ständerat hatten eine Verletzung von zwingendem
Völkerrecht festgestellt.
Darauf schluckte eine Mehrheit der SP die Kröte und
stimmte dem Gegenvorschlag zu. Die Erinnerung an die
Minarett-Initiative war zu frisch, als dass die Linke das Risiko
eingehen wollte, mit leeren Händen in einen Abstimmungskampf gegen
ein populistisches Anliegen der SVP zu ziehen.
Zückerchen für die Linke
Etwas versüsst wurde ihr die Zustimmung zum
Gegenvorschlag durch einen Integrationsartikel, welcher einen "echten
Mehrwert" darstellt, wie Andy Tschümperlin (SP, SZ) sagte. In
verschiedenen Punkten ist der Nationalrat von der Version des
Ständerates abgewichen. Er ergänzte etwa den Deliktkatalog um
die schwere Körperverletzung und konkretisierte den
Integrationsartikel. Die Vorlage geht darum zurück an den
Ständerat.
Nicolas Hehl/sda
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Kommentar
Pragmatischer Weg
Pascal Schwendener
Weggewiesen wird heute schon. Im Kanton Bern wurden im
vergangenen Jahr 92 Wegweisungen von straffälligen Ausländern
verfügt. Mit dem Gegenentwurf wären es 5 bis 10 mehr gewesen,
hat die SP errechnet, mit dem Vorschlag der SVP viermal so viele. Die
SP hat erkannt: Eine eigentliche Wegweisungswelle hätte keine der
beiden Varianten zur Folge.
Was die SP auch weiss: Weggewiesen wird heute nach
äusserst problematischen Kriterien. Dabei ist weniger das Delikt
entscheidend als der Wohnort. Manche Kantone sind rigoros, andere
lasch. Eine Harmonisierung der Regeln, wie sie der Gegenvorschlag
vorsieht, ist rechtsstaatlich dringend erforderlich.
Trotzdem haben sich die Genossen schwergetan, dem
Gegenvorschlag zum Durchbruch zu verhelfen. Beinahe hätten sie mit
ihrem Zaudern dafür gesorgt, dass nur die unausgegorene
SVP-Initiative alleine vors Volk kommt. Doch die SP hat anscheinend aus
den vergangenen Missbrauchsdebatten im Asyl- und Sozialhilfebereich
gelernt und sich in letzter Minute doch noch anders entschieden. Im
Wissen darum, dass die Ausschaffung krimineller Ausländer
populär ist und die SVP-Initiative im Volk gute Chancen hat,
unterstützt die Linke das kleinere Übel. Dieser Pragmatismus
ist lobenswert. Freilich wird es die Partei noch einige Anstrengung
kosten, ihre Basis von dieser Politik zu überzeugen. Ob ihr das -
dank dem Integrationsartikel - gelingt, zeigt sich im November an der
Urne.
pascal.schwendener@bernerzeitung.ch
---
NZZ 3.6.10
Auch Gegenvorschlag soll an die Urne
Ausschaffungsinitiative zugelassen
jro. ⋅ Sowohl die Ausschaffungsinitiative der SVP wie auch
der direkte Gegenvorschlag des Parlaments sollen nach dem Willen des
Nationalrates zur Abstimmung gelangen. Der Gegenvorschlag enthält
neu eine ausführliche Bestimmung zur Integrationsförderung.
Er nahm nur dank den Stimmen der SP-Parlamentarier die Hürde der
grossen Kammer. Bis vor kurzem hatten die Sozialdemokraten mit der
Ablehnung gedroht, doch nur eine Minderheit stimmte Nein. Der Tenor
lautete, dass die SVP-Initiative und der Gegenvorschlag die
Fremdenfeindlichkeit schürten, der Gegenentwurf aber das kleinere
Übel sei. Für den Gegenentwurf votierten auch FDP, CVP und
BDP.
Schweiz, Seite 9
Meinung & Debatte, Seite 21
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Die SP verhilft dem Gegenentwurf zum Durchbruch
Der Nationalrat lässt SVP-Ausschaffungsinitiative zu
und stellt ihr eine völkerrechtskonforme Alternative gegenüber
Der direkte Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative hat
dank SP-Stimmen die nationalrätliche Hürde übersprungen.
Er enthält neu eine ausführliche Bestimmung zur
Integrationsförderung.
Niklaus Nuspliger, Bern
Das Volk wird über die SVP-Ausschaffungsinitiative
und über einen Gegenentwurf des Parlaments abstimmen können.
Nach dem Ständerat beschloss am Mittwoch auch der Nationalrat nach
sechs Stunden Debatte, die Initiative für gültig zu
erklären, ihr aber einen direkten Gegenvorschlag vorzuziehen. Die
Verfassungsnorm geht zur Differenzbereinigung zurück in den
Ständerat und dürfte bis Ende Session bereinigt sein.
Integration als Zückerchen
Es war die SP, die dem Gegenentwurf zum Durchbruch verhalf
- obwohl sie bis vor kurzem noch mit Ablehnung gedroht hatte. Eine
SP-Minderheit blieb beim Nein, doch die Mehrheit stimmte der
Verfassungsnorm zu oder enthielt sich der Stimme, womit der
Gegenentwurf dank dem Sukkurs von FDP, CVP und BDP mit 94 zu 86 Stimmen
und 11 Enthaltungen angenommen wurde. Es sei eine "Wahl zwischen Pest
und Cholera", meinte Maria Roth-Bernasconi (sp., Genf) zum SP-Dilemma.
SVP-Initiative und Gegenvorschlag schürten die
Fremdenfeindlichkeit, doch sei der Gegenentwurf das kleinere Übel.
Für ihre Zustimmung bedingte sich die SP einen
Integrationsartikel aus, der die Grundlage für ein
verstärktes finanzielles Engagement des Bundes sowie für eine
stärkere Steuerung der Integration in den Kantonen bieten soll
(siehe Kasten). Der Artikel biete "einen echten Mehrwert",
erklärte Andi Tschümperlin (sp., Schwyz). Auch CVP und FDP
stimmten zu: Kurt Fluri (fdp., Solothurn) betonte, dank Integration
könne verhindert werden, dass ein Ausländer überhaupt
straffällig werde. Hans Fehr (svp., Zürich) bezeichnete den
Artikel hingegen als "exzessiv", zudem beziehe sich die
Ausschaffungs-Thematik auf Ausländer, bei denen die Integration
gescheitert sei. Dennoch wurde der Artikel mit 102 zu 62 Stimmen bei 23
(grünen) Enthaltungen angenommen.
Dass aber eine härtere ausländerrechtliche
Gangart einzuschlagen sei, war für FDP und CVP klar: Der
Nationalrat hielt sich daher an den Gegenentwurf des Ständerats.
Während die Initiative Ausländer automatisch ausschaffen
will, wenn sie spezifisch aufgelistete Delikte begangen haben, geht der
Gegenentwurf auch vom Strafmass für ein Delikt und somit vom
Verschulden aus. Wer ein Bagatelldelikt begeht, würde nicht
ausgeschafft. Demgegenüber sieht der Gegenentwurf anders als die
Initiative Ausschaffungen bei schweren Wirtschaftsdelikten vor. Neu
nahm der Nationalrat auch die schwere Körperverletzung in den
Deliktskatalog auf.
Für die vorberatende Kommission betonte Philipp
Müller (fdp., Aargau), die Initiative stehe wegen ihres
Automatismus im Konflikt zu nichtzwingendem Völkerrecht, was eine
wortgetreue Umsetzung verunmöglichen würde. Dem Volk sei eine
Verfassungsnorm zu unterbreiten, die auch umsetzbar sei. Daher halte
der Gegenentwurf explizit fest, dass bei Ausweisungs-Entscheiden
"Grundrechte und Grundprinzipien" von Verfassung und Völkerrecht
beachtet werden müssen. Auf Antrag von Daniel Jositsch (sp.,
Zürich) wurde auch die Beachtung des
Verhältnismässigkeitsprinzips ausdrücklich festgehalten.
Dieser Passus war die Zielscheibe für die SVP-Kritik:
Die schwammige Formulierung ermögliche beliebige Ausnahmen, meinte
Hans Fehr (svp., Zürich). Offenbar suche man nach Gründen, um
Ausschaffungen zu verhindern. Die von Mittepolitikern oft vorgebrachte
Gegenfrage, ob die SVP bei einer Annahme der Initiative die
Europäische Menschenrechtskonvention aufkündigen wolle,
brachte hingegen die SVP-Votanten immer wieder in Verlegenheit.
Problematisch, aber gültig
SP und Grüne waren der Ansicht, die Initiative
verstosse auch gegen das zum zwingenden Völkerrecht zählende
Non-Refoulement-Gebot, weshalb sie für ungültig zu
erklären sei. Die Initiative wolle auch Menschen in Staaten
ausschaffen, wo sie an Leib und Leben bedroht wären, argumentierte
Andreas Gross (sp., Zürich). Mit 118 zu 69 Stimmen lehnte der Rat
den Antrag auf Ungültigkeit ab. Die Ratsmehrheit folgte der
Argumentation von Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf: Der
Initiativtext spreche nur von Ausweisung, nicht aber von Ausschaffung
als deren Vollzug. Wenn ein Mensch in einem Staat an Leib und Leben
gefährdet sei, würde die Schweiz eine Ausweisung nicht
vollziehen. Eine Umsetzung unter Wahrung des zwingenden
Völkerrechts sei also möglich - und die Initiative
gemäss gegenwärtiger Praxis zuzulassen.
Meinung & Debatte, Seite 21
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Der Integrationsartikel im Wortlaut
Der Nationalrat hat den direkten Gegenvorschlag des
Ständerats um einen Integrationsartikel ergänzt. Dieser
lautet wie folgt: BV Art. 121a (neu) Integration ¹ Das Ziel der
Integration ist der Zusammenhalt der einheimischen und
ausländischen Bevölkerung. ² Die Integration erfordert
von allen Beteiligten die Respektierung der Grundwerte der
Bundesverfassung und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, den
Willen zu eigenverantwortlicher Lebensführung sowie die
Verständigung mit der Gesellschaft. ³ Die Förderung der
Integration bezweckt die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen
für die chancengleiche Teilhabe der ausländischen
Bevölkerung am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben. ⁴
Bund, Kantone und Gemeinden stellen bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben die Berücksichtigung der Anliegen der Integration sicher.
⁵ Der Bund legt die Grundsätze der Integration fest und
fördert Integrationsmassnahmen der Kantone, Gemeinden und von
Dritten. ⁶ Der Bund überprüft periodisch den Stand der
Integration. Kommen die Kantone den Anliegen der
Integrationsförderung nicht nach, so kann der Bund die notwendigen
Vorschriften erlassen.
--
Ehrlichkeit und Symbolik
Der Gegenentwurf des Parlaments ist die realpolitisch
notwendige Antwort auf die SVP-Ausschaffungsinitiative, aber kein
Allheilmittel. Von Niklaus Nuspliger
Niklaus Nuspliger (nn)
Die Bestrafung von Delinquenten hat im liberalen
Rechtsstaat unabhängig von statistischen Merkmalen wie
Nationalität, Geschlecht oder sozialem Hintergrund zu erfolgen.
Differenzieren lässt sich aber bei den verwaltungsrechtlichen
Folgen einer Straftat: Anders als ein Schweizer Bürger kann ein
krimineller Ausländer sein Recht auf Aufenthalt verlieren. Dies
ist bereits heute möglich, auch wenn die Praxis in den Kantonen
unterschiedlich ist.
Kollision mit dem Völkerrecht
Die am Mittwoch im Nationalrat behandelte
SVP-Ausschaffungsinitiative verlangt eine Verschärfung und
Vereinheitlichung dieser Praxis und will einen Automatismus in die
Verfassung schreiben: Kriminelle Ausländer - die willkürliche
Liste reicht vom Mörder bis zum Sozialhilfebetrüger - sollen
ohne Rücksicht auf Umstände im Einzelfall ausser Landes
geschafft werden. Dieser Automatismus kollidiert mit diversen
völkerrechtlichen Verträgen, weshalb die Initiative nicht
buchstabengetreu umgesetzt werden könnte. So können
EU-Bürger wegen der Personenfreizügigkeit nur in besonders
schweren Fällen ausgeschafft werden. Konflikte ergeben sich auch
mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Da sich der
Initiativtext aber mit etwas Spitzfindigkeit unter Wahrung des zum
zwingenden Völkerrecht gehörenden Non-Refoulement-Gebots
umsetzen lässt, hat der Nationalrat die Initiative für
gültig erklärt. Demokratiepolitisch ist dieser Entscheid
richtig, sollen doch auch Debatten über inhaltlich
fragwürdige Begehren nicht juristisch abgewürgt werden.
Weiter beschloss der Nationalrat, der Initiative den vom
Ständerat im März lancierten Gegenentwurf
gegenüberzustellen. Auch dieser Entscheid ist - vorab aus
taktischer Sicht - zu begrüssen. Denn dass das SVP-Anliegen bei
vielen Stimmbürgern verfangen dürfte, zeigt die hohe Zahl
gesammelter Unterschriften. Eine pragmatische Mehrheit der SP verhalf
daher dem Gegenentwurf unter Zähneknirschen zum Durchbruch. Im
Gegenzug nahmen CVP und FDP einen länglichen Passus zur
Integration in den Gegenentwurf auf, der als Grundlage für ein
auch finanziell stärkeres Bundesengagement dienen soll. Über
den Zusammenhang von Ausschaffungen und Integration kann man sich
streiten. Doch wirkt es auch im Hinblick auf den Abstimmungskampf
überzeugend, wenn die politische Antwort auf die immer
pluralistischere Gesellschaft nicht nur repressive Forderungen, sondern
auch die Förderung der Chancengleichheit enthält.
Davon abgesehen nimmt der Gegenentwurf den Ruf der
Initianten nach mehr ausländerrechtlicher Härte auf, wobei er
die Ausweisung von Ausländern nicht nur von einer zufälligen
Liste von Delikten, sondern auch vom klar definierten Strafmass und
somit von der Schwere des konkreten Delikts abhängig macht.
Gemäss Gegenentwurf hätten Bagatelldelikte wie ein simpler
Sozialhilfemissbrauch kaum eine Ausweisung zur Folge, andere Straftaten
wie etwa von der Initiative nicht berücksichtigte schwere
Wirtschaftsdelikte hingegen schon.
Güterabwägung bleibt möglich
Vor allem aber relativiert der Gegenentwurf den
Automatismus der Initiative: Der Entscheid über die Ausweisung hat
"Grundrechte und Grundprinzipien der Bundesverfassung und des
Völkerrechts" und insbesondere das
Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten. Die SVP beklagt
daher eine Verwässerung ihres Anliegens und befürchtet, der
Verhinderung von Ausschaffungen werde Tür und Tor geöffnet.
Es ist aber gerade zu begrüssen, dass beispielsweise bei
minderjährigen Straftätern eine Güterabwägung
zwischen Ruf nach Ausschaffungen und dem Prinzip der Einheit der
Familie im Einzelfall möglich bleibt. Im Grunde genommen sind aber
die expliziten Bekenntnisse zu Völkerrecht und Verfassung im
Gegenentwurf bloss symbolischer Natur: Denn dass bei der gesetzlichen
Umsetzung einer neuen Verfassungsnorm nicht auf einen Schlag alle ihr
widersprechenden Grundrechte ausser Kraft gesetzt werden oder im
Konfliktfall die EMRK aufgekündigt wird, versteht sich von selbst.
Dies wäre auch bei der gesetzlichen Umsetzung der Initiative zu
berücksichtigen, was die SVP dem Volk jedoch tunlichst verschweigt.
Der Gegenentwurf des Parlaments ist ehrlicher als die
SVP-Volksinitiative, indem er dem Volk die rechtsstaatlichen Grenzen
aufzeigt, die auch in der Ausländerpolitik gelten. Der
Abstimmungskampf bietet zudem die Chance für eine offene Debatte
über das Verhältnis von Demokratie und Rechtsstaat. Als
Allheilmittel für mehr Sicherheit sollte der Gegenentwurf aber
nicht gepriesen werden: Zwar kann die Verfassungsnorm allenfalls eine
abschreckende Wirkung entfalten sowie zu einer restriktiveren Praxis in
den Kantonen führen. Gemäss Schätzungen der Verwaltung
müssten jährlich statt der heutigen 400 neu 700 kriminelle
Ausländer die Schweiz verlassen. Um Ausschaffungen aber auch
durchzusetzen, ist die Aushandlung von Rückführungsabkommen
der effektivere Weg.
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Gegen kürzere Ausschaffungshaft
Differenz zur EU-Richtlinie
(sda) ⋅ Der Nationalrat lehnte es mit 92 zu 51 Stimmen bei
4 Enthaltungen ab, die Höchstdauer der Ausschaffungshaft von 24
auf 18 Monate zu senken. Dies verlangt die in Schengen massgebende
Rückführungsrichtlinie. In der Schweiz müsse auch in
Zukunft die heute geltende Höchstdauer von 24 Monaten beibehalten
werden, fanden die bürgerlichen Parteien. Der Bundesrat solle sich
im Schengen-Ausschuss dafür engagieren, dass die maximale Dauer
der Ausschaffungshaft auf 24 Monate angehoben werde, forderte Kurt
Fluri (fdp., Solothurn). Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf
äusserte sich aber pessimistisch zu den Erfolgsaussichten.
Weiter hat der Nationalrat die Vorlage dem Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts angepasst, dass Asylsuchende nach einem
Nichteintretensentscheid nicht mehr sofort in einen Dublin-Staat
zurückgeführt werden dürfen. In der Gesamtabstimmung
passierte die Vorlage mit 134 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung.
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Basler Zeitung 3.6.10
Nur die Mitte ist zufrieden
Nationalrat setzt auf Gegenvorschlag zur
Ausschaffungs-Initiative
Ruedi Studer, Bern
Der Nationalrat ist dem Ständerat gefolgt und hat
einen direkten Gegenvorschlag zur Ausschaffungs-Initiative der SVP
verabschiedet. Es war viel Taktik mit im Spiel.
Über sechs Stunden diskutierte der Nationalrat
gestern über die Ausschaffungs-Initiative der SVP. Das Resultat
der emotional geführten Debatte: Die Initiative ist gültig,
wird aber abgelehnt. Stattdessen wird dem Volk ein direkter
Gegenvorschlag zur Annahme empfohlen. In der Gesamtabstimmung obsiegte
dieses Vorgehen aber nur knapp mit 94 zu 86 Stimmen.
Erleichtert darüber zeigte sich nach der Debatte die
Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker. Sie hatte in ihrer
Fraktion für den Gegenvorschlag lobbyiert: Nicht aus tiefer
Überzeugung, sondern weil sie darin die einzige Möglichkeit
sieht, die Ausschaffungs-Initiative zu bodigen. Während einige
linke Volksvertreter nur aus taktischen Gründen für den
Gegenvorschlag votierten, will sich Schenker auch weiterhin für
den Kompromiss engagieren. "Ich kann mit ihm leben, und er hat durchaus
auch positive Elemente", verweist sie etwa auf die
Integrationsbestimmungen.
In der SP dürfte sie mit dieser Haltung aber in der
Minderheit bleiben. Es ist absehbar, dass die Partei an der Urne
für ein doppeltes Nein plädieren wird, wie dies die
grüne Fraktion bereits beschlossen hat. "Ich will zwar nichts
vorwegnehmen, aber wir stehen dem Gegenvorschlag inhaltlich eher
skeptisch gegenüber", sagt denn auch SP-Generalsekretär
Thomas Christen. Bei den Mitteparteien hingegen ist die Haltung klar:
Die Initiative wird abgelehnt, der direkte Gegenvorschlag
befürwortet - auch inhaltlich.
SVP-Ärger. Keine Freude am Kompromiss hat die SVP. "Die
Gegenseite unternimmt alles, damit kriminelle Ausländer nicht
ausgeschafft werden müssen", ärgert sich Parteichef Toni
Brunner. Der Gegenvorschlag verwässere die SVP-Forderung und sehe
neu eine "Litanei von Integrationsbestimmungen" vor. Für ihn ist
deshalb klar: "Eine doppelte Ja-Parole wird es von unserer Partei nicht
geben, das wäre unserer Geschichte unwürdig." Das
Geschäft geht nun zur Differenzbereinigung zurück an den
Ständerat. Dieser hat sich im Grundsatz aber schon früher
für den direkten Gegenvorschlag ausgesprochen. > Seiten 2, 5
--
Kampfansage an kriminelle Ausländer
Der Nationalrat erklärt die Ausschaffungsinitiative
für gültig und tritt auf den Gegenvorschlag ein
Martin Rupf
Das neueste kontroverse Anliegen der SVP sorgte gestern in
der grossen Kammer für eine teils lebhafte, teils gehässige
Diskussion.
Nach über sechsstündiger Debatte war der
Entscheid endlich gefällt: Der Nationalrat erklärt die
Ausschaffungsinitiative für gültig und tritt auf den
Gegenvorschlag ein. Dieser lehnt sich zwar an die Initiative an, indem
er die Ausschaffung krimineller Ausländer vorschreibt. Er umgeht
aber Konflikte mit dem Völkerrecht und macht Ausschaffungen nicht
von bestimmten Delikten, sondern vom Strafmass abhängig. Zudem
enthält er Bestimmungen zur Integration von Ausländern (siehe
Texte unten).
Während die SVP vom Gegenvorschlag zu ihrer
Initiative nichts wissen wollte, stellten sich die FDP, CVP, BDP und
Grünliberale geschlossen dahinter. Das Zünglein an der Waage
spielten damit die Sozialdemokraten. Am liebsten hätte die SP die
Initiative wegen Verstosses gegen zwingendes Völkerrecht für
ungültig erklärt. Maria Roth-Bernasconi (GE) sprach von einer
"Wahl zwischen Pest und Cholera", "denn beide Vorlagen vergiften die
Gesellschaft und schafften ein Klima der Fremdenfeindlichkeit".
Aggression
Ihr Parteikollege Andy Tschümperlin (SZ) fügte an:
Wenn die Mehrheit der Fraktion auf den Gegenvorschlag eintrete, dann
nur, weil sie die Initiative für sehr viel gravierender halte.
Für eine Ungültigerklärung machte sich Andreas Gross
(SP, ZH) stark: "Jeder Mensch hat Grundrechte und diese stehen nicht
zur Disposition der Mehrheit eines Volkes, einer Regierung, eines
Parlaments."
Das wiederum trieb Hans Fehr (SVP, ZH) auf die Palme:
"Gross soll sein eigenes Recht irgendwo auf einer Jurahöhe
schaffen, aber wir wollen hier den Rechtsstaat durchsetzen." Sachlicher
drückte sich Kurt Fluri (FDP, SO) aus: Wenn ein Ausländer
sein Aufenthaltsrecht verliere, bedeute das gemäss Initiative
nicht zwingend, dass er auch ausgeschafft werde. Dies wäre nur
dann der Fall, wenn kein Völkerrecht verletzt würde.
Zuweilen wähnte man sich als Zuhörer eher an
einer Albisgüetli-Tagung der SVP denn im Bundeshaus: "Die Schweiz
darf nicht zum Schlaraffenland und zum Auffangbecken für
kriminelle Ausländer werden", forderte Walter Wobmann (SVP, SO):
"In der Schweiz haben wir die einzigartigste Demokratie dieser Welt."
Auf alle Fälle ist es eine lebhafte Demokratie, denn während
der Debatte musste Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer die
Räte immer wieder um mehr Ruhe bitten.
Integration
Viel zu reden gab auch der im Gegenvorschlag vorgesehene
Integrationsartikel. Die SVP wollte partout nicht einsehen, was dieser
in einer Ausschaffungsvorlage zu suchen habe. Ruth Humbel (CVP, AG)
versuchte es zu erklären: "Integration hat sehr wohl etwas mit
Ausschaffung zu tun. Integration ist Prävention, damit
Ausländer gar nicht erst kriminell werden."
> Tageskommentar Seite 2
--
Initiative
Mit Repression
Tat Entscheidend. Mit der Ausschaffungsinitiative will die
SVP Ausländer, die in der Schweiz schwere Verbrechen begehen,
ausser Land bringen. Zudem sollen sie mit einem Einreiseverbot belegt
werden.> Ausschaffungsgründe. Ausländer sollen bei
folgenden Verurteilungen ausgeschafft werden: vorsätzliches
Tötungsdelikt, Vergewaltigung oder ein anderes schweres
Sexualdelikt, Raub, Drogenhandel oder ein Einbruch. Auch wer
missbräuchlich Leistungen der Sozialversicherungen bezieht, soll
ausgeschafft werden.> Integration. Die Ausschaffungsinitiative sieht
keinen Integrationspassus vor. Hans Fehr (SVP, ZH): "Wenn ausgeschafft
werden muss, dann ist die Integration gescheitert, dann müssen Sie
nicht noch ellenlange Integrationsvorschriften machen."> Verfassung
und Völkerrecht. Kritiker der Initiative sind der Auffassung, das
Begehren verletze zwingendes Völkerrecht, insbesondere das Gebot,
das Rückführungen von Ausländern in Staaten verbietet,
in denen sie Gefahr für Leib und Leben zu befürchten
hätten. mru
Gegenvorschlag
Mit Integration
Strafe entscheidend. Der Gegenvorschlag des Parlaments
sieht ebenfalls die Ausschaffung straffälliger Ausländer vor.
Jedoch listet dieser keine Straftatbestände auf, sondern legt ein
Mindeststrafmass als Kriterium fest.> Ausschaffungsgründe. Der
Gegenvorschlag sieht Tatbestände wie Mord, Vergewaltigung oder
eine andere mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bedrohte
Tat vor. Hinzu kommen schwere Körperverletzung und
Wirtschaftsdelikte. Ausländer, die für eine andere Tat zwei
Jahre Gefängnis erhalten, werden ebenfalls ausgeschafft.>
Integration. In ihrer Vorlage präsentierte die Staatspolitische
Kommission des Nationalrates einen Integrationsartikel: Bund, Kantone
und Gemeinden sollen die Integration fördern.> Verfassung und
Völkerrecht. Beim Entscheid über den Entzug des
Aufenthaltsrechts und die Wegweisung sind die Grundrechte sowie die
Prinzipien der Verfassung und des Völkerrechts zu beachten.
mru
--
Namentlich
Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag
Knapp. Der Nationalrat hat die SVP-Initiative mit 118 zu
69 Stimmen bei einer Enthaltung für gültig erklärt - und
sich in der Gesamtabstimmung mit 94 zu 86 Stimmen bei elf Enthaltungen
dafür ausgesprochen, ihr einen Gegenvorschlag
gegenüberzustellen. So stimmten die Vertreter der Region:
--
Vier kurze Voten aus einer langen Debatte
"Wer von einer Giftschlange gebissen wird, nimmt ein
Gegengift. Der Gegenvorschlag ist das Gegengift zur Initiative."
Silvia Schenker. SP-Nationalrätin (BS).
"Im Vergleich zu anderen Ländern ist die
Strafverbüssung in unseren Gefängnissen wie ein Aufenthalt im
Viersternehotel."
Christian Miesch. SVP-Nationalrat (BL).
"Unbequeme Menschen auszuweisen, zeugt von Schwäche.
Dies ist eines aufgeschlossenen Staats nicht würdig."
Anita Lachenmeier. Grüne Nationalrätin (BS).
"Wir lehnen die Initiative ab, weil sie ein wildes
Sammelsurium von Straftaten enthält - vom Mörder bis zum
Kleindealer."
Kurt Fluri. FDP-Nationalrat (SO).
--
"Wir zählen auf Secondos"
Menschenrechtsaktivist Glättli kämpft für
zwei Nein
INTERVIEW: Ruedi Studer, Bern
Balthasar Glättli (37) von der
Menschenrechtsorganisation Solidarité sans frontières
koordiniert die Kampagne gegen die SVP-Ausschaffungsinitiative und den
direkten Gegenvorschlag.
BaZ: Herr Glättli, das Parlament will dem Volk neben
der Ausschaffungsinitiative der SVP als einen direkten Gegenvorschlag
vorlegen. Weshalb kämpfen Sie für ein doppeltes Nein?
Balthasar Glättli: Wir wehren uns gegen den geplanten
Automatismus für Ausschaffungen. Solche sind heute im Einzelfall
bereits möglich, aber sie müssen verhältnismässig
sein. Das muss so bleiben.
Am 26. Juni organisieren Sie in Bern eine Demo gegen
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung. Der Auftakt zur
Zweimal-Nein-Kampagne?
Gewissermassen ja. Unsere Kundgebung läuft unter dem
Motto "Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich." und
wird erstmals einige Tausend Leute auf die Strasse bringen, die gegen
die Ausschaffungsinitiative und den Gegenvorschlag protestieren. Die
Abstimmung wird vielleicht schon im November stattfinden, deshalb
müssen wir rechtzeitig in die Offensive gehen und informieren. Wir
dürfen nicht wie bei der Minarettinitiative den Fehler begehen,
uns in der trügerischen Sicherheit zu wähnen, die Initiative
werde keine Mehrheit finden. Ein doppeltes Ja ist denkbar, umso
stärker müssen wir uns deshalb für das doppelte Nein
engagieren.
Die SVP wird eine Schwarzes-Schaf-Kampagne führen.
Wie halten Sie dagegen?
Unsere Kriegskasse ist nicht so gut gefüllt wie jene
der SVP, deshalb können wir auch kaum wie sie die Schweiz mit
Plakaten vollpflastern. Wir setzen auf eine witzige Basiskampagne und
das Internet. Wir hoffen auf eine breite Allianz aus Parteien und
Menschenrechtsorganisationen. Und noch wichtiger: Wir zählen auf
das Engagement der Secondos und Secondas in der Schweiz, für die
ein diskriminierendes Sonderrecht geschaffen würde.
Ausgerechnet Secondos sollen sich der Gefahr der
Stigmatisierung aussetzen, indem sie sich für kriminelle
Ausländer einsetzen?
Dass in der Schweiz nicht Blutrache, Faust- und
Sonderrecht herrschen sondern das gleiche Strafrecht für alle
gilt, ist ein Zeichen des Fortschritts. Auch Secondos dürfen
dafür kämpfen, dass das so bleibt.
Nach der Annahme der Minarettinitiative dürfte das
Interesse der Secondos nicht gerade gross sein, sich zu exponieren.
Gerade diese Initiative hat gezeigt, dass man sich nicht
verstecken darf. Eine Schneckenloch-Strategie führt nie zum
Erfolg. Ausländer müssen und werden sich für sich selbst
wehren.
Selbst wenn Sie die Secondos auf Ihre Seite ziehen, bringt
das ihnen wenig: Abstimmen dürfen die Ausländer ja nicht.
Wir hoffen, dass sie unsere Kampagne finanziell
unterstützen. Und zudem, dass sie in ihrem eigenen Netzwerk - bei
Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen - gegen die beiden Vorlagen
lobbyieren.
Trotzdem dürften Sie es in einem Abstimmungskampf
gegen das Schlagwort "Ausländerkriminalität" schwer haben.
Wir starten tatsächlich mit viel Gegenwind. Eine
mögliche Niederlage darf uns aber nicht davon abhalten, uns
für Grundwerte und Menschenrechte zu engagieren. Die
Menschenwürde muss für alle gelten. Sie darf nicht in
Angstreflexen und der Sündenpolitik der SVP untergehen.
--
Tageskommentar
Gefahr ist nicht gebannt
Ruedi Studer
Der Nationalrat bremst die SVP mit einem direkten
Gegenvorschlag zur AusschaffungsInitiative aus. Allerdings wäre
das Bremsmanöver beinahe an einer unheiligen Allianz aus SVP,
Grünen und Teilen der SP gescheitert. Die Mitteparteien und die
pragmatische Linke haben dem Gegenvorschlag zum Durchbruch verholfen.
Zum Glück. Denn ohne diesen Kompromiss wäre der Weg für
den Erfolg der willkürlichen und völkerrechtswidrigen
SVP-Initiative frei gewesen. Damit hätte ein ähnliches
Ergebnis gedroht wie bei der Minarett-Initiative: die Annahme einer
problematischen Vorlage in der Volksabstimmung. Diese Gefahr ist zwar
mit dem Gegenvorschlag noch nicht gebannt, aber zumindest arg
eingedämmt.
Ist der Gegenvorschlag aus taktischen Gründen ein
Muss, so ist er auch aus inhaltlichen Überlegungen zumindest
prüfenswert. Im Gegensatz zur SVP-Initiative verhindert er
nämlich einen eigentlichen Ausschaffungsautomatismus selbst bei
Bagatelldelikten. Zudem liefert er für den Entzug des
Aufenthaltsrechts klare Kriterien, die sich an der Schwere des
Verschuldens orientieren. Weiter macht er auch klare Vorbehalte
bezüglich des Aufenthaltsrechtsentzugs und der Ausweisung. So
müssen Grundrechte, Verfassungsmässigkeit wie auch
Verhältnismässigkeit gewahrt bleiben. Im Vergleich zur
heutigen Praxis würde sich damit möglicherweise nicht allzu
viel ändern.
Und schliesslich beinhaltet der Gegenvorschlag neu einen
Integrationsartikel, der diesbezüglich eine positive Dynamik
auslösen könnte. Damit könnte sich der Kompromiss der
Pragmatiker sogar noch als Glücksfall erweisen. ruedi.studer@baz.ch
> Seite 5
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20 Minuten 3.6.10
Ausschaffungs-Initiative: Ein Ja zum Gegenvorschlag
BERN. Der Nationalrat erklärt die Ausschaffungs-
Initiative der SVP für gültig. Er stellt ihr aber einen
Gegenvorschlag gegenüber.
Die mit über 200 000 Unterschriften zustande
gekommene Ausschaffungs-Initiative der SVP ist gültig. Zu diesem
Schluss kam gestern nach mehrstündiger, hitziger Debatte eine
Mehrheit des Nationalrats und folgte damit dem Antrag des Bundesrats.
Wie schon der Ständerat stellte aber auch der Nationalrat der
Vorlage einen Gegenvorschlag gegenüber. Dieser stützt sich
auf den Initiativtext, umschifft aber Konflikte mit dem
Völkerrecht. So wird eine Ausweisung nicht an eine bestimmte
Straftat geknüpft.
Die Ratslinke schluckte die Kröte: Obwohl sie den
Gegenvorschlag inhaltlich ablehnt, verhalf sie ihm letztendlich zur
Mehrheit. "Dies ist der einzig realistische Weg, um ein Ja zur
Initiative zu verhindern", sagte Silvia Schenker (SP). Ganz zum
Missfallen von Alfred Heer (SVP): "Die Initativgegner wollen mit dem
Gegenvorschlag die Kriminalität verhätscheln und sogar
bewirtschaften."
Weil der Nationalrat in einigen Punkten von der
ständerätlichen Version abgewichen ist, geht die Vorlage nun
zurück in die Kleine Kammer. Einigen sie sich, kann das Volk
darüber befinden.
Antonio Fumagalli
--
Bei der Debatte über die Ausschaffungsinitiative
kreuzten die Nationalräte die verbalen Klingen
"Wir müssen die Integration fördern und fordern.
Bei einer Annahme der Initiative sind die Auswirkungen für die
Migranten nicht abzuschätzen."
Andy Tschümperlin (SP)
"Ich habe das Gefühl, dass viele das geltende Recht
nicht kennen. Eine Ausschaffung ist heute schon möglich, nur
orientiert sie sich am Strafmass."
Daniel Vischer (Grüne)
"In diesem Saal gibts noch zwei Parteien: die SVP und die
übrigen. Diese suchen verzweifelt nach Wegen, um kriminelle
Ausländer nicht auszuschaffen."
Toni Brunner (SVP)
"Es kann sein, dass wir die Europäische
Menschenrechtskonvention eines Tages künden müssen. Aber
nicht wegen der Ausschaffungs-Initiative."
Hans Fehr (SVP)
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Blick am Abend 2.6.10
Hartes Ringen um die Ausschaffung
NATIONALRAT
Was tun mit kriminellen Ausländern? Selten waren die
Fronten so verhärtet.
Simon.hehli@ringier.ch
Totaler Gegensatz heute im Nationalrat: Die Linke will die
Ausschaffungsinitiative für völkerrechtswidrig erklären
(siehe Kasten) - wird dafür aber keine Mehrheit finden. Die SVP
sagt: Nur mit der Initiative bleibt die Schweiz ein Rechtsstaat.
So dreht sich alles um einen Kompromiss in Form eines
Gegenvorschlags zur Initiative.
Die SVP will alle ausländischen
Schwerststrafläter rauswerfen. Der Gegenvorschlag von CVP und FDP
ist moderater: Es soll Ausnahmen geben und einen neuen
Integrationsartikel. Für SVP-Boss Toni Brunner aber ist klar:
"Ausländer, die hier morden, vergewaltigen oder das Sozialsystem
betrügen, habendas Gastrecht verwirkt." Schliesslich müsse in
der Schweiz niemand aus Hunger oder Durst Straftaten begehen. Weil CVP
und FDP geschlossen für den Gegenvorschlag sind und die SVP
geschlossen dagegen, spielt die Linke das Zünglein an der Waage.
Die Grünen werden ebenfalls gegen den Gegenvorschlag stimmen. So
kommt der Gegenvorschlag nur mit Stimmen von Sozialdemokraten durch,
die einen Erfolg der SVP-Initiative so verhindern wollen.
Denn sie wissen: Ohne Gegenvorschlag dürfte das mit
210 000 Unterschriften eingereichte Begehren an der Urne leichtes Spiel
haben. Wie SP-Präsident Christian Levrat bestätigt, haben
sich in seiner Fraktion in einer Vorabstimmung zwei Drittel dafür
ausgesprochen, Ja zu sagen oder sich der Stimme zu enthalten. Das
dürfte dem Gegenvorschlag eine knappe Mehrheit einbringen. Die
Abstimmung in der Monsterdebatte mit 48 Rednern erfolgt heute
Nachmittag (nach Redaktionsschluss).
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48 Redner gaben ihre Meinung ab.
DIE WICHTIGSTEN BEGRIFFE
Der Schweizer Streit ums Völkerrecht
Die Ausschaffungsinitiative verlangt, dass Ausländer
die Schweiz verlassen müssen, wenn sie ein schweres Verbrechen
begehen. Die Gegner sagen, die Initiative Verstosse gegen das
"zwingende Völkerrecht" und sei deshalb ungültig. Laut
Bundesrat werden unter dem "zwingenden Völkerrecht" die
elementarsten Rechte verstanden, die in der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) aufgeführt sind: Verbot von
Folter, Völkermord und Sklaverei, keine Rückschaffung von
Menschen in das Heimatland, wenn aus rassistischen oder politischen
Motiven Verfolgung droht. Der letzte Punkt, das sogenannte
"non-refoulment"-Prinzip, ist der Knackpunkt der
Ausschaffungsinitiative. Die Befürworter der Initiative
argumentieren, dieses Prinzip könne auf dem Gesetzesweg in der
Schweiz eingehalten werden und das Völkerrecht dürfe nicht
demokratische Entscheide der Schweiz brechen. Das Völkerrecht sage
auch, dass sich ein Flüchtling nicht auf das "non-refoulment"
beziehen könne, wenn er im Gastland, (z.B. der Schweiz), schwere
Verbrechen begeht. mip
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AUSSCHAFFUNGSTOD
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NZZ 3.6.10
Nach dem Tod des Nigerianers
(sda) ⋅ Die Schweiz hat an die Familie des nigerianischen
Ausschaffungshäftlings, der Mitte März am Flughafen
Zürich gestorben ist, eine Zahlung geleistet, wie eine Sprecherin
des Bundesamtes für Migration (BFM) gegenüber dem
Westschweizer Fernsehen TSR sagte. Wie viel Geld die Familie erhalten
hat, wollte das BFM nicht bekanntgeben. Es handle sich um eine
"humanitäre Geste", die zur Deckung der Bestattungskosten diene,
wurde erklärte und beigefügt: "Das BFM bedauert diesen
tragischen Zwischenfall zutiefst."
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KNAST
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Indymedia 2.6.10
Gefängnis Bois-Mermet (VD) - 13. Juni - Anti-Knast Picknick
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AutorIn : Collectif anti-carcéral (Lausanne)
| übersetzt von : der Wind
In Solidarität mit den Gefangenen von Bois-Mermet und allen
anderen Gefangenen organisieren wir am Sonntag 13. Juni ein Picknick.
Beginn um 16 Uhr, Treffpunkt beim Fussballplatz
Blécherette, nach dem Parking Vélodrome, bei den
Garderoben.
Die Schweiz tötet!
Widerstand gegen die Staatsgewalt!
Die Staatsgewalt hat in der Schweiz drei neue Opfer gefordert:
Joseph Nduaku Chiakwa, nigerianischer Asylbewerber, gestorben
während eines Ausschaffungsversuches in Kloten am 17. März
2010, gefesselt von Kopf bis Fuss, der Gefangene Skander Vogt, den
seine Wärter sterben liessen, während einer Stunde erstickend
in einer brennenden Zelle in der Strafanstalt Bochuz (VD) und
Sebastien-Umüt, ein 18-Jähriger aus Lyon, Mitfahrer eines
gestohlenen Autos, ermordet durch Maschinenpistolenfeuer auf einer
abgesperrten Autobahn von einem Polizisten, der zwei Tage später
wieder im Dienst war.
Diese mörderische Gewalt wird einmal mehr banalisiert und
der Staat legitimiert die Akte seiner Schergen und ihre Lügen,
unterstützt von den Medien, die die wahren politischen Ursachen
dieser Todesopfer verschweigen. Alles wird getan, um die Illusion eines
perfekt organisierten Universums aufrecht zu erhalten, in welchem brave
BürgerInnen nichts zu befürchten haben vom Staat,
während diejenigen, welche die Repression trifft kriminalisiert
und entmenschlicht werden (Delinquenten, Illegale, gefährliche
Verrückte, ausländisches Gesindel, Dealer, Handlanger des
organisierten Verbrechens, Terroristen...).
Niemand versucht zu verstehen, warum Skander seine Matratze
anzündete, wie die Haftbedingungen in überfüllten
Gefängnissen sind, wie Artikel 43 (Umwandlung einer Haftstrafe in
Verwahrung unbegrenzter Dauer) angewendet wird - jener Artikel, der
Skander für 12 Jahre hinter Gitter brachte, obwohl er nur zu 20
Monaten verurteilt worden war.
Niemand stellt die Wiedereinführung der Todesstrafe ohne
Urteil für einen unbewaffneten 18-Jährigen in Frage, umso
weniger, da er von der anderen Seite der Grenze kam und es auf "unsere"
Autos abgesehen hatte.
Niemand stellt die Wurzeln einer Migrationspolitik in Frage, die
mordet, um Ausschaffungen durchzuführen und ausländische
Menschen monatelang einsperrt, nur weil sie das Pech hatten, in die
Schweiz gekommen zu sein und nicht die richtigen Papiere zu haben.
Einige Stimmen erheben sich allerdings innerhalb der
Gefängnismauern: Gefangenenrevolte in Bois-Mermet (Lausanne) in
Solidarität mit Skander am 27. April. Aber es wurde alles getan,
um diese Stimmen zum Schweigen zu bringen, besonders durch ein Verbot,
die Presse zu kontaktieren und indem jeglicher subversiver Gehalt
dieser kollektiven Weigerung der Gefangenen, in ihre Zellen
zurückzugehen, in Abrede gestellt wurde. Die Repression hingegen
geizte nicht mit ihren Mitteln, indem sie mehr als zwei Polizisten pro
Gefangenen mobilisierte, disziplinarische Verlegungen und Einzelhaft
anordnete. Weigerung der Gefangenen, in ihre Zellen zurückzukehren
in Genf, dieses Mal, im überfüllten Gefängnis
Champ-Dollon, am 24. und 25. Mai, um gegen ihre Haftbedingungen zu
protestieren. Im Verwaltungsgefängnis vom Frambois protestiert ein
Hungerstreikender gegen seine Haft. Die Presse erwähnt die
jegliche Rekorde brechende Überfüllung von Champ-Dollon, die
Artikel schliessen jedoch ausnahmslos mit neuen
Gefängnisbauprojekten. Die ultrarepressive Antwort des Staates auf
einige als kriminell eingestufte Verhaltensweisen (hauptsächlich
diejenigen der Armen) wird nie in Frage gestellt. Die gleichen, welche
sich über die Boni der Manager oder die Sanierung der UBS mit
Staatsgeldern empörten, haben schnell vergessen, dass die
Gefängnisse hohe Mauern haben, damit die kleinen Diebe dort drin
die grossen draussen gar nicht sehen können.
Ausserhalb der Mauern trifft die Repression ebenfalls
diejenigen, welche die tödliche Staatsgewalt anprangern. Am 6.
Mai, um die hundert Leute, die sich am Place St-François in
Lausanne in Solidarität mit den Gefangenen und um den Tod von
Skander, Joseph und Sebastien zu verurteilen, versammelten und sich von
einem kriegswürdigen Polizeidispositiv umzingelt wiederfanden,
etwa 60 Leute wurden angezeigt und die Medien verschweigen die
Gründe unserer Wut.
Gegen die Polizeiblockade unserer Aktionen und die mediale
Zensur der Gründe unserer Empörung mobilisieren wir erneut,
um unsere Ablehnung eines auf Staatsgewalt und sozialer Ungerechtigkeit
basierenden Systems auszudrücken.
In Solidarität mit den Gefangenen von Bois-Mermet und allen
anderen Gefangenen organisieren wir ein Picknick am 13. Juni. Beginn um
16 Uhr, Treffpunkt beim Fussballplatz Blécherette, nach dem
Parking Vélodrome, bei den Garderoben.
Solidarität mit den Gefangenen!
Gegen Hinrichtungen!
Keine Sanktion für die aufständischen Gefangenen!
MACHEN WIR SCHLUSS MIT DEM KNASTSYSTEM!
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40 JAHRE SCHWARZENBACH
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WoZ 3.6.10
Vierzig Jahre Schwarzenbach-Initiative - Am 7. Juni 1970 wurde
die zweite Überfremdungsinitiative von den Schweizer
Stimmbürgern knapp verworfen. Zu verdanken ist das auch dem
organisierten Widerstand italienischer EinwanderInnen.
"Für Hunde und Italiener verboten"
Von Angelo Maiolino
"È finita. La grande paura è passata" - die
grosse Angst ist vorüber: Mit diesen Worten kommentierte
"Emigrazione Italiana", die Zeitung der damals mitgliedstärksten
Immigrantenorganisation CLIS, am 16. Juni 1970 die Abstimmung über
die Schwarzenbach-Initiative. Mit bloss 54 Prozent Nein-Stimmen wurde
sie von den Schweizer Männern in einer bis dahin nie gesehenen
Stimmbeteiligung verworfen.
James Schwarzenbach, Sprössling einer
Industriellendynastie und früher Bewunderer des italienischen Duce
Benito Mussolini, hatte mit dem Begriff der "Überfremdung" eine
Diskussion angeheizt, die hauptsächlich um die Behauptung kreiste,
dass SchweizerInnen und ItalienerInnen kulturell unvereinbar seien. Als
Galionsfigur der rechtskonservativen Nationalen Aktion konnte er so die
grössten politischen Erfolge in der Geschichte dieser Partei und
ihrer Nachfolgeorganisation (den Schweizer Demokraten) verbuchen.
Vom "Tschingg" zum "Italo"
In der fremdenfeindlichen Rhetorik der "Überfremdung"
wurden Italiener Innen als kulturfremde Eindringlinge beschimpft. Ihr
lautes Sprechen und Singen, ihre Zusammenkünfte in den
Bahnhofshallen von Bern, Basel oder Zürich sowie ihre dreiste Art,
den jungen schweizerischen Damen Komplimente in unverständlichem
Italienisch nachzuwerfen, waren nur einige von vielen Merkmalen, an
denen die "braunen Söhne des Südens" (Schwarzenbach)
angeblich erkannt werden sollten. Mit Metaphern wie "schleichende
Krankheit" oder "artfremdes Gewächs" warnte Schwarzenbach davor,
dass die ItalienerInnen das friedliche Zusammenleben in der Schweiz
bedrohen würden. In Gefahr sah er etwa die direkte Demokratie, die
kulinarischen Gewohnheiten oder den Arbeitsfrieden. In den
italienischen ArbeiterInnen vermutete er "kommunistische Agitatoren",
die die schweizerische Arbeiterschaft infiltrieren würden. Die
Fremdenpolizei teilte diese Vorstellung und bespitzelte die
Immigrantenorganisationen und ihre Mitglieder.
Dieser Kampf gegen die Italiener Innen erscheint aus
heutiger Sicht grotesk. Die damaligen "Tschinggen" und ihre Kinder, die
"Secondos", gehören mittlerweile zum festen Bestandteil der
schweizerischen Gesellschaft. Ihre Essgewohnheiten haben das Land der
Rösti und des Emmentalers mit Pizza, Pasta und Espresso
bereichert. "Italos", wie ItalienerInnen heute oft etikettiert werden,
haben mit ihren Lebensformen, ihren Trattorias, Bars und Boutiquen die
schweizerische Gesellschaft längst mediterranisiert. Heute bewegen
wir uns wie selbstverständlich in dieser südländisch
bereicherten Gesellschaft, und die ehemaligen "Tschinggen" werden mit
Freude eingebürgert.
Vor kaum vierzig Jahren noch wurden sie in
Arbeiterbaracken an den Rändern der Gesellschaft kaserniert. Ihre
Kinder mussten sie vor der Fremdenpolizei verstecken, weil sie keine
Niederlassungsbewilligung oder "angemessene" Wohnungen hatten. Und am
Arbeitsort und in der Freizeit wurden sie mit täglichen
Demütigungen konfrontiert. Sie mussten das Gefühl haben, in
einem Apartheidstaat zu leben. Nicht nur waren sie in der
Öffentlichkeit unerwünscht, ihnen wurde auch nachgesagt, was
heute von Schwarzafrikanerinnen, Kosovo-Albanern oder Muslimen
behauptet wird: dass sie bedrohliche, unzivilisierte und kriminelle
AusländerInnen seien.
"Damals waren feindselige Blicke an der Tagesordnung."
Angelo Tinari sitzt im "Punto d'Incontro", einem
selbstverwalteten Lokal an der Josefstrasse in Zürich. Er erinnert
sich an die frühen siebziger Jahre zurück, als er
während einer Zugsfahrt hörte, wie ein Mädchen auf dem
gegenüberliegenden Sitz seine Mutter fragte, ob er einer dieser
"Tschinggen" sei. Auch in Restaurants sei man vor Anfeindungen nicht
gefeit gewesen - sofern man überhaupt hineinkam und nicht vor
Schildern mit der Aufschrift "Für Hunde und Italiener verboten"
stand. "Als ich in einem Restaurant essen wollte und nichts aufgetischt
bekam, wurde das damit begründet, dass ich die ‹Unità› lese
- und somit Kommunist sei. Als ich mich bei der Polizei beschwerte,
wurde ich erneut als Kommunist angefahren, und der Wirt wurde für
sein Handeln sogar gelobt."
Kritik an den schlechten Bedingungen und Behandlungen am
Arbeitsplatz oder in der Freizeit, so Tinari, wurden nicht selten mit
der Antwort quittiert, man solle doch wieder nach Hause gehen, wenn es
einem hier nicht passe: "Das war die Luft, die man damals atmete." Vor
diesem Hintergrund erscheint die damals von "Emigrazione Italiana"
geäusserte Angst vor einer Annahme der Initiative
verständlich - umso mehr, als aus italienischen Regierungskreisen
nur schüchterne oder gar widersprüchliche Stellungnahmen
zugunsten ihrer BürgerInnen im Ausland zu hören waren.
Das Leben der ItalienerInnen in der Schweiz fand zwischen
zwei Fronten statt: In Italien waren sie als GeldsenderInnen
erwünscht, nicht aber als KritikerInnen der Regierung, die von der
bürgerlichen Partei Democrazia Cristiana dominiert wurde und keine
Anstalten machte, das Los der Auswanderer oder zumindest die
Beschäftigungslage in Süditalien zu verbessern; in der
Schweiz wurden sie als Arbeitskräfte ausgebeutet - und als
Menschen ausgegrenzt.
Widerstand in der Fabrik
Das Jahr 1970 stellte für die italienischen
EinwanderInnen einen Moment in ihrer Geschichte dar, in dem sie ein
kollektives Bewusstsein von ihrer Lage entwickelten und gemeinsam gegen
sozialen Ausschluss und institutionalisierte Diskriminierungen
kämpften.
Leonardo Zanier, damaliger Vizepräsident der
Immigrantenorganisation CLIS, betont, wie notwendig eine einheitliche
Aktion aller in der Schweiz versammelten Organisationen damals war, da
weder aus Italien noch aus der Schweiz konkrete Hilfestellungen
erwartet werden konnten: "An einem Kongress, der von uns und den
Associazioni Cristiane Lavoratori Italiani am 25. April 1970 in Luzern
einberufen wurde, konnten wir die vielen Immigrantenorganisationen
vereinigen und mit der Gründung des Comitato Nationale d'Intesa
ein eigenes politisches Instrument von und für Immigranten
gründen."
Die Wichtigkeit des Comitato Nationale d'Intesa (CNI) lag
darin, den italienischen EinwanderInnen ein neues und
kämpferisches Bewusstsein zu geben, um am Arbeitsort und in der
Freizeit den SchweizerInnen zu erklären, wie falsch die Initiative
sei. Zu ihren Aktionen zählte die organisierte Anwesenheit
italienischer Arbeiter an Veranstaltungen zur
Überfremdungsthematik oder an Vorträgen von Schwarzenbach, wo
sie auch das Recht reklamierten, die eigene Meinung äussern zu
dürfen.
Der CNI vertrat die Ansicht, dass die Initiative nicht nur
elementare Menschenrechte missachte, sondern auch einen Keil zwischen
die italienische und die schweizerische Arbeiterschaft treibe. Der
Fremdenhass diene vor allem dazu, die wahren Ursachen der Misere zu
verdecken - einer Politik nämlich, die den Unternehmern auf Kosten
der ArbeiterInnen einen immensen Reichtum bescherte. "Wir wollten der
schweizerischen Öffentlichkeit klarmachen", so Zanier, "dass
Italiener und Schweizer in ihrer Weste als Arbeiter den gleichen Gegner
hatten. Ich glaube, dass die vielen Aktionen und Gespräche in den
Fabriken und anderswo bei vielen Wählern dieses Verständnis
hervorrufen konnten. Das war unser Beitrag gegen die
Schwarzenbach-Initiative."
Die neuen "Tschinggen"
Heute wird die Rolle der bedrohlichen Fremden nicht mehr
von den ItalienerInnen eingenommen. Andere Minderheiten wurden in die
Rolle der Sündenböcke gedrängt und bedrohen nun in den
Augen patriotischer Saubermänner und -frauen die schweizerische
Kultur. Hervorgezaubert wird dabei immer wieder die Idee einer
schweizerischen Eigenart, die unveränderlich sein soll,
während doch gerade die Erfahrung der italienischen Migration ihre
Wandelbarkeit gezeigt hat.
Heutige VerfechterInnen der angeblichen
"Überfremdung" wettern in Pizzerias oder Dönerbuden über
die neuen "Tschinggen" - und merken nicht, dass das, was sie
verteidigen wollen, bestenfalls Folklore ist und längst neue
Formen angenommen hat. Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Schweiz
schon längst ein Einwanderungsland ist.
Die Schweiz und die "Überfremdung"
Die schweizerische Wortschöpfung "Überfremdung"
taucht erstmals um 1900 in einer Broschüre des Zürcher
Armensekretärs Carl Alfred Schmid auf. Ab 1914, als in den Jahren
vor dem Ersten Weltkrieg die AusländerInnenquote mit über
fünfzehn Prozent einen ersten Höhepunkt erreichte, fand der
Begriff Eingang in die Amtssprache. Die bis dahin praktizierte liberale
Einwanderungspolitik, die durch Einbürgerung die
AusländerInnen zu assimilieren versuchte, wich einer restriktiven
Einwanderungspolitik, bei der es hauptsächlich um den Schutz einer
angeblich nationalen und kulturellen Identität ging. So richtete
sich ab den zwanziger Jahren die "Überfremdungsangst" gegen
jüdische Emigranten aus Osteuropa. Später zerrte sie
Sozialistinnen und ab den fünfziger Jahren insbesondere
ausländische Arbeitsmigranten in ihr Blickfeld, die alle als
Inbegriff einer Bedrohung für die "nationale Eigenart" stilisiert
wurden.
In den dreissiger Jahren wurde unter Federführung von
Bundesrat Philipp Etter (Katholisch-Konservative Partei, heute CVP)
versucht, ein geistiges Bollwerk gegen totalitäre Ideo logien aus
dem Ausland (Faschismus und Bolschewismus) zu schaffen. Die
Bemühungen kulminierten in der sogenannt geistigen
Landesverteidigung, die mit einer bewussten Pflege des schweizerischen
Kultur- und Sprachguts sowie einer Rückbesinnung auf angeblich
alteidgenössische Traditionen einherging. Mit dem Konzept der
geistigen Landesverteidigung wurde eine mythisch-nationale
Identität geschaffen, die eben "nicht aus der Rasse, nicht aus dem
Fleisch", sondern "aus dem Geist geboren" worden war (Botschaft des
Bundesrats an die Bundesversammlung 1938).
Mit der Gründung der Eidgenössischen
Zentralstelle für die Fremdenpolizei im Jahre 1917 entstand das
erste institutionalisierte Instrument, das explizit gegen
"Überfremdung" konzipiert war. Mit dem 1931 verabschiedeten Gesetz
über Aufenthalt und Niederlassung der AusländerInnen
verfügte der Staat auch über ein parlamentarisch
sanktioniertes Mittel gegen die "Überfremdung".
Angelo Maiolino
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Angelo Maiolino
In Zürich und Perugia studierte Angelo Maiolino (33)
Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft. Heute ist er
wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für politische
Philosophie der Universität Zürich. Im nächsten
"Widerspruch" erscheint von ihm ein Aufsatz zu "Überfremdung und
Mediterranisierung der Schweiz" und 2011 im Rotpunktverlag ein Buch
über den "italienischen" Widerstand gegen die
Schwarzenbach-Initiative.
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SKLAVEREI CH
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Bund 3.6.10
Archiv offen für Sklavereiforscher
Bruno Schletti
Es geht um die Frage, ob Zürich im 18. Jahrhundert
über Finanzgeschäfte indirekt in den Sklavenhandel verwickelt
war. Im Fokus steht die damalige Zinskommission Leu et Compagnie, deren
Erbe die heutige Credit-Suisse-Tochter Clariden Leu verwaltet.
Das Erbe ist zum einen der Name Leu, zum anderen das
Archiv. Historiker, die an der Aufarbeitung des Sklavenhandels
arbeiten, verlangen seit Jahren den freien Zugang zu diesen Dokumenten.
Clariden Leu hat das bisher abgeblockt mit dem Hinweis auf das
Bankgeheimnis. Dokumente von Personen seien mit Rücksicht auf
deren Nachkommen zu schützen. Zürcher Stadtparlamentarier
bezeichneten diese Argumentation als "absurd". In einem Postulat, in
dem sie den Stadtrat zu Verhandlungen mit Credit Suisse drängten,
schrieben sie: "Die Rede ist von Kunden, welche sich längst in
Staub und Asche aufgelöst haben." Diese hätten nichts mehr zu
verheimlichen und bedürften keines Schutzes mehr.
Jetzt ist Clariden Leu umgeschwenkt. Sie ist bereit, die
Aktenbestände der Zinskommission Leu aus den Jahren 1755 bis 1798
dem Staatsarchiv des Kantons Zürich zu übergeben. Auf diese
Lösung haben sich Stadtpräsidentin Corine Mauch und
Clariden-Leu-Chef Hans Nützi geeinigt. Die Grundlage dieses
Entscheids bildet die gemeinsam erarbeitete Erkenntnis, dass die
Zinskommission Leu "bis 1798 als staatliche Einrichtung zu betrachten
ist".
In der Tat hiess 1754 der Grosse Rat des Kantons
Zürich das Projekt von Säckelmeister Johann Jakob Leu gut,
die Zinskommission zu gründen. Sie sollte Kundengelder
entgegennehmen und als verzinste Darlehen ins Ausland vergeben. So kam
sie später auch in den Besitz von Aktien der französischen
Compagnie des Indes. Diese soll mehr als 45 000 Menschen aus Afrika in
die Sklaverei deportiert haben. Das Grundkapital von 50 000 Gulden
wurde der Zinskommission aus dem Zürcher Staatsschatz zur
Verfügung gestellt. Untergebracht wurde das Kreditinstitut
unentgeltlich im Rathaus. Erst 1799 musste die Zinskommission das
Rathaus verlassen. Die Vermögenswerte und die Struktur wurden
privatisiert.
Mit der Einsicht, dass die Zinskommission bis 1798
staatlich war, ist neu für Clariden Leu das öffentliche
Interesse an den Akten gegeben. Gemäss Sprecher Thomas Ackermann
hat zudem ein neues Gutachten ergeben, dass eine Öffnung des
Archivs trotz Bankgeheimnis vertretbar sei.
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Bund 3.6.10
Afrika Muslime - die Pioniere des Sklavenhandels, "Bund" vom 27.
Mai
Die Muslime waren nicht "schlimmer" als die Christen
Von den Muslimen haben wir ihn also gelernt, den
schwarzafrikanischen Sklavenhandel. Und die Muslime übertrafen uns
Weisse dabei im Ausmass und in ihrer Grausamkeit; ihr Vorgehen kam
nämlich einem Genozid gleich. Das wenigstens ist in Kürze die
Aussage des senegalesischen Autors Tidiane N'Diaye.
Es stimmt, dass in der Blütezeit des Islam intensiv
Handel getrieben wurde mit Sklaven schwarzafrikanischer Herkunft, oft
unter schlimmen Bedingungen ergattert. Sklavenhandel und Sklavenhaltung
war schon Teil der vorislamischen Gesellschaft des Vorderen Orients,
und die islamischen Herrscher haben dies weitergeführt. Von
religiöser Seite wurde nichts dagegen unternommen. Auch in
westafrikanischen Reichen jener Zeit gehörten Sklaven zur
gesellschaftlichen Struktur. Europa kannte ebenfalls schon in der
Antike den Sklavenhandel, und im Frühmittelalter wurden
Sklavenjagden bei nicht christianisierten Karpaten und Slawen
durchgeführt. In allen Gesellschaften, nicht nur bei den Muslimen,
wurden die Sklaven als minderwertig eingeschätzt (was leicht
verständlich ist). Von päpstlicher Seite wurde 1452 und 1455
die Sklaverei als Befreiung aus dem Heidentum gutgeheissen. Und die
Bedingungen der Sklaven im damaligen Irak waren vergleichbar mit der
Lage der Plantagensklaven 1000 Jahre später im Süden der USA.
Die Muslime waren also nicht die Pioniere des
Sklavenhandels, und sie waren nicht "schlimmer" als die Christen. Viele
Aussagen von N'Diaye treffen zu, andere sind verzerrt, und seine
Behauptungen sind nur zum Teil vertretbar.
Immita Cornaz Bern
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GENDER STUDIES
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WoZ 3.6.10
Gender Studies - Die Historikerin Tove Soiland hat immer wieder
bemängelt, die Geschlechterforschung generiere zu wenig
politisches Veränderungspotenzial. Mit ihrem neuen Buch versucht
sie genau das - und hat sich damit viel vorgenommen.
Eine verstörende Idee
Von Martina Süess
Darf heute noch jemand im Ernst unterschiedliche Rechte
für Männer und Frauen fordern? Und wie soll man das
verstehen, wenn dieser sexistische Vorschlag als feministisches
Postulat daherkommt und dazu beitragen soll, das Verhältnis
zwischen den Geschlechtern zu verbessern?
Es wäre eine arge Verkürzung, Tove Soilands Buch
"Luce Irigarays Denken der sexuellen Differenz: Eine dritte Position im
Streit zwischen Lacan und den Historisten" auf diesen einen Aspekt zu
reduzieren. Doch scheint sich Soilands gesamte Argumentation in dieser
konkreten politischen Forderung am klarsten zu kristallisieren. Dass es
sich dabei um reine Provokation handelt, kann ausgeschlossen werden.
Zwar ist die Historikerin spätestens seit dem von ihr initiierten
"Gender-Streit" im Jahr 2003 für ihre Polemik bekannt, doch liegen
ihr plumpe, reisserische Thesen fern. Tatsächlich erscheint die
verstörende Idee einer Geschlechterapartheid im Kontext des
gesamten Buches durchaus als diskussionswürdiges Modell.
(K)ein fröhlicher Maskenball
Der Horizont, gegen den sich Soilands Arbeit richtet, sind
die Gender Studies, wie sie derzeit an Hochschulen und
Universitäten betrieben werden. Diese sind laut Soiland von einer
spezifisch deutschen - und inhaltlich reduzierten - Rezeption der
amerikanischen Philosophin und Gender-Theoretikerin Judith Butler
dominiert: Menschen bilden ihre Geschlechteridentität aus, indem
sie Vorbilder auf theatralische Weise nachahmen. Wer demnach davon
ausgeht, dass Geschlecht ein kulturelles Konstrukt ist, muss sich nicht
länger von biologischen Tatsachen wie Geschlechtsorganen und
Geschlechtshormonen auf eine bestimmte Rolle festlegen lassen. Das
Bestimmen des eigenen Geschlechts wird zum fröhlichen Maskenball,
bei dem die persönlichen Vorstellungen von Männlichkeit und
Weiblichkeit beliebig kombiniert und inszeniert werden können.
Körperliche Merkmale sind dabei nur einer von vielen Faktoren. Sie
bestimmen weder das kulturelle Geschlecht - ob sich jemand als Mann
oder Frau verhält, fühlt, kleidet etc. - noch die sexuelle
Orientierung einer Person.
Soiland kritisiert, dieses Identitätskonzept beruhe
auf der irrigen Annahme, wer sein Geschlecht selbst ausgestalte, handle
subversiv, indem vorherrschende Geschlechterbilder angegriffen, die
Geschlechterordnung gar aufgelöst werde. Dabei sei das Gegenteil
der Fall: Indem sie diese individualisierte Sicht übernehme,
entpolitisiere sich die Geschlechterforschung und mache sich zur
Komplizin des Neoliberalismus, dem nichts lieber sei als flexible,
vereinzelte, von allen Konventionen befreite Individuen. Ausserdem
rühre eine solch oberflächliche Befreiung von
Heterosexualität als sozialer Norm nicht an dem, was die Ordnung
der Geschlechter tatsächlich bestimme und was die psycho an aly
tische Theorie seit Jacques Lacan die "symbolische Ordnung" nennt: eine
in der Sprache verortete Struktur, die wie ein unsichtbares Programm
unserem Denken, Fühlen, Handeln, Wahrnehmen - kurz, unserem
Menschsein und somit auch unserer geschlechtlichen Identität
zugrunde liege.
Die verschleierte Differenz
Politisches Veränderungspotenzial, wie sie es von den
Gender Studies fordert, macht Soiland in den Schriften der belgischen
Psychoanalytikerin Luce Irigaray aus. Irigaray hat Lacans Theorie in
den siebziger Jahren dekonstruiert und sich so als eine der wichtigsten
Denkerinnen einer feministischen Psycho analyse profiliert. Im
deutschsprachigen Raum allerdings ist ihr Werk kaum diskutiert worden.
Das, so Soiland, hat vor allem damit zu tun, dass die feminis tische
Theorie in den achtziger Jahren das Problem für Frauen "nicht im
Mangel, sondern in einem Zuviel an festschreibender Identität"
festmachte und sich deshalb der Dekonstruktion von geschlechtlicher
Identität verschrieb. Irigaray hingegen forderte eine neue
Weiblichkeit. Mit Begriffen wie dem "weiblichen Göttlichen" oder
der "weiblichen Gattung" stiess sie die ZeitgenossInnen vor den Kopf:
Ihr wurde ein Rückfall in den Biologismus vorgeworfen. Zu Unrecht,
wie Soiland schreibt: Irigaray gehe es nicht darum, Frauen auf eine
biologisch begründete Identität festzulegen, sondern um eine
Intervention.
Was damit gemeint ist, arbeitet Soiland am Beispiel von
Luce Irigarays Buch "Ethik der sexuellen Differenz" heraus. Darin
durchmisst Irigaray in grossen Schritten die abendländische
Philosophie: Jede Epoche gründe ihr Denken auf einer
verschleierten Differenz, und es sei vermutlich die sexuelle Differenz,
die unsere Epoche bestimme. Und diese Differenz müsse sichtbar
gemacht werden. Irigaray tut dies, indem sie zeigt, wie Lacans Konzept
einer männlichen Identität die Möglichkeit einer
weiblichen Identität ausschliesst. Vereinfacht ausgedrückt,
wird der Mann dann zum Subjekt, wenn er seine Differenz zur Mutter
entdeckt - eine Differenz, die sich psychoanalytisch gesprochen in der
Kastrationsangst manifestiert. Damit tritt er ein in die symbolische
Ordnung, in eine geschlechtliche Identität.
Der Frau ist ein solcher Schritt verwehrt. Sie kann kein
Geschlecht annehmen, weil ihr die dazu notwendige Erfahrung - die
Kastrationsangst - fehlt. Und da unsere Kultur Identität nur als
geschlechtlich bestimmte Identität denken kann, bleibt der Frau
die Teilnahme an der kulturellen Gemeinschaft - und das beinhaltet bei
Irigaray vor allem die Teilnahme an der Sprache, die das Symbolische
und somit das Geschlecht strukturiert - verwehrt. Mehr noch: Die Frau
wird dazu benötigt, männliche Identität und Gemeinschaft
herzustellen.
Hinter Irigarays Forderung nach einer weiblichen Gattung,
einer weiblichen Gottheit und einer weiblichen Sprache steht also das
Projekt einer symbolischen Ordnung, die es der Frau erst
ermöglicht, eine Identität anzunehmen. Mit dieser
"weiblichen Identität" ist aber keine bestimmte Wesenhaftigkeit
oder kein Rollenbild gemeint, wie Soiland deutlich macht, sondern ein
weibliches Kollektiv: Nur wenn es gelingt, ein solches Kollektiv zu
erschaffen, kann das Ungleichgewicht der herrschenden Ordnung
aufgehoben werden - eine Ordnung, in der das allgemein Menschliche
immer nur das allgemein Männliche bedeutet.
Lobenswerter Versuch
"Bevor man deshalb bei ‹identité› an eine
Ansammlung von Eigenschaften denkt, sollte man sich diesen Charakter
vor Augen halten, der ‹identité› eher in die Nähe eines
Begriffs von Identität rückt, wie er beispielsweise im
‹Identitätsausweis› zum Ausdruck kommt, der eine
Staatsangehörigkeit markiert", so Soiland. Wenn Irigaray seit Ende
der achtziger Jahre für geschlechtlich differenziertes Recht
eintrete, dann deshalb, weil sie im Zivilrecht eine Möglichkeit
sehe, "diese Identität zu denken". Ein eigener Rechtsstatus
würde also erst die Bedingungen schaffen, welche für die von
Butler propagierte Vervielfältigung der Geschlechter nötig
wären: dass es das Weibliche als gleichwertige Alternative zum
Männlichen überhaupt gibt.
Soilands Versuch, der oft missverstandenen Theoretikerin
Luce Irigaray einen prominenten Platz in den aktuellen
Geschlechterdebatten zu verschaffen, ist lobenswert. Er zeigt, dass
eine Auseinandersetzung mit Irigaray zu den Grundlagen jedes
Gender-Studiums gehören sollte. Allerdings setzen Irigarays
komplexe Texte viel vor aus: Sie sind ohne Grundkenntnisse so
kolossaler Theorien wie Lacans Psychoanalyse, des Marxismus und
Lévi-Strauss' Strukturalismus kaum zu begreifen. Es stellt sich
also die Frage, ob eine so komplexe Theorie die Gender Studies
tatsächlich repolitisieren und zur Keimzelle für eine
Revolution der Geschlechterordnung machen kann, wie Soiland es
wünscht.
Es stellt sich ausserdem die Frage, welche Relevanz Lacans
symbolischer Ordnung überhaupt zukommt. Stillschweigend geht
Soiland davon aus, dass sie jede Annahme von geschlechtlicher
Identität steuert. Damit lässt sie ausser Acht, was ebenso
denkbar ist: dass die symbolische Ordnung nur eine bestimmte Gruppe von
Männern erfasst. Die Culture Studies haben überzeugend
demonstriert, dass mit dem allgemein Menschlichen - und insbesondere
mit dem zivilrechtlichen Bürger - immer nur der westliche weisse
heterosexuelle Mann des Mittelstandes gemeint ist. Auch wenn Soiland
mit Irigaray zeigen kann, dass die Geschlechterdifferenz für unser
Denken viel grundlegender ist als alle anderen Differenzen, bleibt dies
ein heikler Punkt für das Konzept geschlechtlich bestimmter
Kollektive.
Denn wenn sich das männliche Allgemeine als etwas
Partikulares her ausstellt, kann auch das Projekt eines weiblichen
Allgemeinen nicht gelingen. Es ist vermutlich diese Frage nach der
universalen Gültigkeit von Lacans symbolischer Ordnung, an der
sich die Geister der von den Cultural Studies und Judith Butler
geprägten Gender Studies einerseits und einer an Lacan
orientierten feministischen Psycho analyse, wie sie Irigaray betreibt,
scheiden. Mit ihrer "dritten Position" zeigt Soiland deshalb nicht den
im Titel angedeuteten Königsweg zu einer neuen Geschlechterordnung
auf, aber immerhin eine starke und bedenkenswerte Gegenposition zu den
vorherrschenden Gender-Theorien.
Tove Soiland: "Luce Irigarays Denken der sexuellen
Differenz. Eine dritte Position im Streit zwischen Lacan und den
Historisten." Turia und Kant Verlag. Wien 2010. Fr. 62.90.
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"Wir wollen uns einmischen"
Anfang Jahr hat sich die Schweizerische Gesellschaft
für Geschlechterforschung (SGGF) sozusagen zum zweiten Mal aus der
Taufe gehoben. "Die Geschlechterthematik wird von den Rechten zunehmend
politisch instrumentalisiert und missbraucht", sagt Brigitte Schnegg,
Vizepräsidentin der SGGF. "Das macht uns grosse Sorgen." Die SGGF
will sich deshalb noch stärker dafür einsetzen, Anliegen der
Geschlechterforschung sichtbar zu machen - nicht nur im
universitären und wissenschaftspolitischen Umfeld. "Wir wollen uns
auch einmischen", sagt Schnegg, "öffentliche Debatten lancieren
und damit auch in den Medien mehr Präsenz zeigen." Das
gesellschaftspolitische Engagement der SGGF-Mitglieder schlägt
sich auch in konkreten Formen der Zusammenarbeit nieder. Etwa mit dem
Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und
Mann (EBG). Geschlechterforscherinnen der Universität Bern beraten
das EBG zu Fragen der Care-Ökonomie: Wie soll die Gesellschaft mit
unbezahlter Arbeit umgehen?
Am 18. und 19. Juni organisiert die SGGF an der
Universität Bern die Tagung "Gender Politics": Im Zentrum stehen
die aktuellen Diskussionen um Geschlecht und Religion im Spannungsfeld
von staatlicher Regulierung und Gruppenanliegen. Es geht um
Unterdrückungsverhältnisse, Frauenrechte sowie um
Eurozentrismus und andere kulturell relativierende Deutungsmuster.
Franziska Meister
Programm: http://www.gendercampus.ch/d/sggf
Anmeldung: info@genregeschlecht.ch.
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WoZ 3.6.10
Raum
Gosteli-Archiv
Von den ersten Frauenbewegungen bis zur Durchsetzung des
Frauen stimmrechts dauerte es in der Schweiz lange, sehr lange. Was man
auch immer über die direkte Demokratie denken mag, sie
ermöglichte eine Abstimmung nach der anderen, bis schliesslich ein
Bundesgerichtsurteil auch den Frauen im letzten Kanton das Wahlrecht
zugestand. Damals war die Berliner Mauer bereits seit einem Jahr
gefallen. Davon, aber nicht nur davon, erzählen die Akten, die
sich entlang der Gänge und Zimmer des Gosteli-Archivs in
Worblaufen erstrecken.
Dem Reststück eines Landguts in der Agglomeration von
Bern, das von Siedlungsbrei umgeben auf einer Hangkante thront, sieht
man kaum an, dass darin die wichtigsten Bestände von
Frauenorganisationen und Nachlässe mehr oder weniger bekannter,
immer aber interessanter Frauen gelagert und erschlossen werden.
Marthe Gosteli, die Erbin des Familiensitzes, hat dort
1982 begonnen, Materialien über die Geschichte der Frauen in der
Schweiz zusammenzutragen. Auch heute noch ist die inzwischen über
Neunzigjährige präsent und lässt sich gerne auf einen
Schwatz mit den BesucherInnen ein. Aus dem aktiven Geschäft habe
sie sich zurückgezogen, versichert sie - auch wenn man dies der
rüstigen und stets gut gekleideten Dame kaum glauben mag.
Bei einem Streifzug entlang der Archivschachteln
fällt zunächst einmal auf, wie vielfältig engagiert die
Frauen in der Schweiz auch ohne Stimmrecht waren. Unzählige
Laufmeter Kommissionsakten lassen sich ebenso finden wie die Protokolle
von Interessengruppen. Die Frauen traten nicht nur als
"Radikalfeministinnen" in Erscheinung, sondern schlossen sich auch zum
"Schweizerischen Bund abstinenter Frauen" oder zur
"Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten
Schweizerinnen" zusammen. Die Geschichte der Frauenbewegungen der
Schweiz ist indes noch längst nicht abgeschlossen, zu den vielen
Laufkilometern Akten werden sich bestimmt noch einige hinzugesellen.
Patrick Schoeck-Ritschard
Gosteli-Archiv. Altikofenstrasse 186, 3048 Worblaufen.
Öffnungszeiten nach Vereinbarung. http://www.gosteli-foundation.ch
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ANTI-ATOM
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24 Heures 3.6.10
Des matériaux radioactifs suisses seraient
exportés en Russie
Gumy
ATOME - De l'uranium retraité originaire des centrales
nucléaires suisses serait envoyé en Sibérie pour y
être enrichi à nouveau. Il y serait stocké dans des
conditions douteuses. La socialiste Simonetta Sommaruga s'en
inquiète. Mais Berne tente de rassurer.
SERGE GUMY
La Sibérie est-elle la poubelle nucléaire de
la Suisse? Simonetta Sommaruga a de sérieux soupçons. La
socialiste bernoise en a fait part hier après-midi devant le
Conseil des Etats. Et la réponse du conseiller
fédéral Moritz Leuenberger ne l'a apparemment pas
rassurée.
Les doutes de la sénatrice datent de l'automne
dernier et de la diffusion sur Arte d'un documentaire
franco-allemand,Déchets, le cauchemar du nucléaire.
Simonetta Sommaruga y apprend que, depuis la fin des années 90,
la France exporte annuellement près de 100 tonnes d'uranium
appauvri faiblement radioactif de l'usine de retraitement de la Hague
(Bretagne) vers la ville russe de Seversk, en Sibérie. Sur ce
site top secret interdit aux étrangers, l'uranium
retraité est enrichi à nouveau pour être ensuite
réexpédié en France, où il est
réutilisé comme combustible dans des centrales
nucléaires.
Seulement voilà: alors qu'elle se targuait de
recycler 96% de ses matériaux nucléaires, la
société Electricité de France (EDF) a dû
admettre que seuls 10% de l'uranium appauvri qu'elle envoie en Russie
revient effectivement en France. Le reste est stocké à
Seversk dans des containers, à l'air libre. Simonetta Sommaruga
s'en inquiète. Et se demande: dans la mesure où des
centrales nucléaires suisses envoient leur combustible
nucléaire irradié à l'usine de la Hague, se
pourrait-il que, une fois retraité, ce matériel
radioactif soit envoyé en Russie pour y être enrichi
à nouveau? Avec le risque qu'une bonne partie ne revienne jamais
en Suisse? En février dernier, le producteur électrique
Axpo admettait "qu'en échange" d'uranium enrichi acheté
en Russie, des déchets nucléaires suisses "restent" dans
l'entreprise russe de retraitement.
Berne conteste
"Aucune matière nucléaire suisse n'a
jusqu'à présent été transportée en
Russie", affirme Matthieu Buchs, porte-parole de l'Office
fédéral de l'énergie. Les centrales
nucléaires suisses ont bien envoyé du combustible
irradié vers les usines de retraitement de la Hague et de
Sellafield (Grande-Bretagne) - mais jusqu'à fin juin 2006
seulement, et l'entrée en vigueur d'un moratoire de dix ans. "Ce
qu'il advient ensuite de l'uranium retraité n'est plus de notre
ressort. " Mais Berne insiste: tous les déchets
nucléaires suisses sont rapatriés, comme l'exige la loi.
Par ailleurs, la Confédération tient un inventaire des
matériaux nucléaires stockés à
l'étranger, même si elle ne le communique pas, au nom du
secret des affaires et de la prévention du sabotage.
Malgré les assurances données hier par
Moritz Leuenberger, Simonetta Sommaruga se dit "vraiment
inquiète". "Je conclus de sa réponse que le Conseil
fédéral confirme que du matériel nucléaire
suisse est envoyé en Russie et qu'il ne connaît pas la
localisation de ces matériaux. En outre, les exploitants de
centrales nucléaires portent une part de responsabilité
au cas où ces matériaux radioactifs ne seraient pas
stockés correctement. "
"Evidemment que des matériaux radioactifs sont
acheminés en Russie, même si c'est indirectement, appuie
Nicolas de Roten, de Greenpeace Suisse. Le problème, c'est qu'on
en perd la trace en raison de l'opacité du système. Il
est scandaleux que le Conseil fédéral se réfugie
derrière le secret des affaires pour ne pas dire ce que
deviennent ces matières nucléaires. C'est le signe qu'on
nous cache quelque chose, alors que les Suisses ont le droit de savoir
où finissent ces matériaux. " •
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Le cycle du combustible nucléaire
COMBUSTIBLE IRRADIÉ - Se dit du combustible
usagé (surtout de l'uranium), fortement radioactif et
très chaud, retiré du réacteur de la centrale pour
être stocké sur place.
uranium appauvri - Dans une usine de retraitement, comme
celle de la Hague, le combustible usé est "trié". On
récupère ainsi de l'uranium dit appauvri, faiblement
radioactif, mais qui peut être valorisé.
uranium réenrichi - L'uranium appauvri est
réenrichi au contact d'uranium, pour ce qui concerne la Russie,
de sources militaires ou de surgénérateurs.
DÉCHETS NUCLÉAIRES - Se dit de tous les
matériaux ne pouvant être récupérés.
La Suisse a l'obligation de les rapatrier. Elle cherche actuellement un
site pour les entreposer dans des couches géologiques profondes.