MEDIENSPIEGEL 3.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, DS, Tojo, GH)
- Demorecht: Entfernungsartikel falsch
- Drogentest: Rave it safe bald weltweit?
- Randstand Burgdorf: Alkies müssen weg
- Nazirock: Amok-Mitglieder verurteilt
- Pnos: Vorsitzender verurteilt
- Homohass: JUDC VD gegen Gay UDC
- Stop Murder Music: Raubender Musikveranstalter
- RaBe-Info 3.6.10
- Kein Kind ist illegal
- Gegenvorschlag Ausschaffungs-Initiative; Ausschaffungshaftdauer bleibt
- Ausschaffungs-Totengeld
- Knastdemo Waadt
- 40 Jahre Schwarzenbach-Initiative
- Sklaverei CH: Archiv offen
- Gender Studies: Buchtipp; Gosteli Archiv
- Anti-Atom: Endlager Russland

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REITSCHULE
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Do 03.06.10
19.00 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen Weltweit: "America America", Antiwar Music Video, K.P. Sasi, Indien
19.30 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen Weltweit: "Redefining Peace - Women Lead the Way" K.P. Sasi, Indien
20.00 Uhr - Rössli - What's wrong with us (Punk-Cabaret) - Solibar für die FAU und den Infoladen Reitschule
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
20.30 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des WM-Taumels: The Mountain meets its Schadow (Im Schatten des Tafelberges), Alexander Kleider und Daniela Michel in Kooperation mit Romin Khan Kapstadt, Südafrika, D 2009
21.00 Uhr - Frauenraum - Filmabend mit FriedensFrauen Weltweit: "The Marching Peace Makers", Sayed Khalid Jamal, Indien
22.00 Uhr - Rössli - 6 Progressiv-Minimal DjaneS von Ameise Free System - Solibar für die FAU und den Infoladen Reitschule

Fr 04.06.10
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
21.00 Uhr- Vorplatz - SFS, Heads, Parzival, MC Dask (Shiva Records) - Style:Rap und Hip Hop

Sa 05.06.10
17.00 Uhr - GrossesTor - Führung durch die Reitschule (öffentlich, ohne Anmeldung)
Sa 05.06.10
20.30 Uhr - Tojo - "Run very far to come very close to say very little" Choreographie: Manuela Imperatori.
22.00 Uhr - Dachstock - Brass & Hip Hop Explosion: Youngblood Brass Band (Layered/USA) - Style: Brass, Funk, Hip-Hop

So 06.06.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilme am Flohmi-Sonntag: Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen, Steve Box/Nick Park, GB 2005

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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Solibar für die FAU und den Infoladen Reitschule

20.00 Uhr:

What's wrong with us (Punk-Cabaret)

Die vier Bandmitglieder aus der Genfer Underground-Musikszene  bezeichnen ihre Musik selbst als Punk-Cabaret und das trifft es von  allen Versuchen der Genre-Zuordnung am besten: Sound Collagen und  rhytmische Vertrackheit trifft auf den mit Humor und Nonchalance  vorgetragenen, ausdrucksstarken Gesang von Zoe Cappon. So mischen sich  diverse Musik-Trends wie Punk, Jazz, elektronische Musik und Cabaret  zu einem explosiven, wagemutigen Musikerlebnis.

22.00 Uhr:

6 Progressiv-Minimal DJaneS von Ameise Free System

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Bund 3.6.10

Youngblood Brass Band

 Gar kein Blech

 Die amerikanische Youngblood Brass Band machte in Bern Bekanntschaft mit Tränengas - auf der Konzerttour 2003, nach einer Anti-WEF-Demo. Das mag vielleicht ein Grund dafür sein, dass das jüngste Album "Is That a Riot?" getauft wurde. In die Richtung eines musikalischen Krawalls jedenfalls geht die abenteuerliche Kreuzung von Jazz, Funk und Hip-Hop, gespielt von einer der raffiniertesten Blechmusiken überhaupt. (reg)

 Reitschule Dachstock Sa, 5. Juni, 22 Uhr.

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Bund 3.6.10

"Run Very Far to Come . . ."

 Wie die Worte in die Welt kommen

 Als Kind sprach sie lange Monologe in einen Kassettenrekorder und stellte sich vor, wie die Worte irgendwo in der Welt ankommen. Nun stellt die Berner Choreografin Manuela Imperatori mit "Run Very Far to Come Very Close to Say Very Little" ein Stück vor, in dem es um das Senden und Empfangen von Worten geht - und um die Pannen, die während dieses Prozesses geschehen können. (reg)

 Tojo-Theater Reitschule Donnerstag, 3., bis Freitag, 5. Juni, 20.30 Uhr.

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BZ 3.6.10

Theater

 Absurdität der Kommunikation

 Urmenschlich: Ein Kind sitzt vor seinem Kassettenrekorder und spricht unzählige Monologe auf Band. Es stellt sich vor, die Worte kämen draussen in der Welt irgendwo an. Das Verlangen sich der Welt mitteilen zu wollen ist enorm, aber was passiert genau, bis all die unfertigen Gedanken, Bilder und Gefühle sich zu Buchstabenreihen zusammenfügen? Das Stück "Run very fast to come very close and to say very little" untersucht das ewige Spiel von Verständnis und Missverstand auch auf akustischer und nonverbaler Ebene.
 pd

 Heute Donnerstag, 20.30 Uhr im Tojo Theater, Reitschule Bern.

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WoZ 3.6.10

Festival

 Spiilplätz

 Vor dreizehn Jahren wurde in Basel das nationale Jugendtheaterclubtreffen "Spiilplätz" gegründet, seither fand das Festival im Jahresrhythmus in Basel und Zürich und zuletzt 2007 in Bern statt. 2010 ist nun wieder Bern dran. Während vier Tagen präsentieren junge Theaterschaffende aus Aarau, Basel, Bern, Schaffhausen, Solothurn, Willisau und Zürich auf drei Bühnen elf Produktionen.

 Mit dabei ist die Berner Gruppe Sans Cible, die aus den Jugendtheaterclubs von Junge Bühne Bern entstanden ist. Sie zeigt ihr Stück "Fisch in Griechenland ... und dann mussten wir die kranke Wildsau pflegen", bei dem es um die Kindheit geht: Ausgehend von Tagebucheinträgen werden Wunschträume, Ängste und Nöte von damals aufgedeckt.

 Politisches Theater präsentiert der Jugend-Club U21 des Jungen Theaters Solothurn mit "Die fetten Jahre sind vorbei". Die Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, den gleichnamigen Film von Heinz Weingartner, inklusive Bonusmaterial, auf die Bühne zu bringen. Lea Reimann schrieb dazu in der "Mittelland Zeitung": "Faszinierend ist auch, dass das Stück ohne Requisiten auskommt. Vielmehr werden Menschen zu Objekten - vom Möbelhaufen über den Pool bis hin zur Räumungsklage. Schlag auf Schlag, gewitzt und in einem beachtlichen Tempo stellen die Jugendlichen ihre Begeisterung fürs Theaterspielen zur Schau. Frech erobern sie den Zuschauerraum, indem sie von der Bühne auf den Balkon klettern oder auf allen Vieren über die Sessel durchs Publikum steigen und die Besucher in ihren Tiraden über Kinder arbeit aufklären." süs

 "Spiilplätz" in: Bern Tojo Theater,  Theater, Mi, 9., bis Sa, 12. Juni.

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Bund 3.6.10

Fünf Fragen an

 Katharina Vischer

 Theaterpädagogin am Schlachthaus-Theater. Sie inszenierte mit dem Jugendclub 14+ "McB - das schottische Stück", das am Festival Spiilplätz gezeigt wird. Am nationalen Treffen der Jugendtheaterclubs präsentieren Gruppen aus der ganzen Schweiz ihre Arbeiten. Spiilplätz findet im Schlachthaus, in der Grossen Halle der Reitschule und im Tojo-Theater statt und dauert vom 9. bis 12. Juni. "McB": 9. Juni, 1 Uhr im Schlachthaus-Theater. Infos und Programm: www.junge-buehne-bern.ch.

 Am Festival Spiilplätz treffen sich junge Theaterbegeisterte, stehen auf der Bühne und besuchen Workshops. Sie sind Theaterpädagogin am Schlachthaus-Theater. Was sind das für Jugendliche, die ihre Freizeit in Proberäumen verbringen, Texte lernen, an Lampenfieber erkranken?

 Es sind Jugendliche, die sich gerne selber ausprobieren, die über Grenzen hinausgehen wollen in einem Rahmen, in dem die Konsequenzen nicht gravierend sind. Sie haben grosse Spiellust - und sie sind mutig. In der Regel sind es mehr Mädchen als Jungen, denn mit 13, 14, wenn sie die Möglichkeit haben, in Jugendtheaterclubs anzufangen, sind die Buben oft noch mit Coolsein beschäftigt.

 Ist die Motivation für Jugendliche zum Theaterspielen in Zeiten, in denen dank TV-Castings alle ein Star werden wollen, eine andere?

 Ganz vereinzelt gibt es diese Fälle von jungen Leuten, die zu uns kommen und denken, dass sie übermorgen berühmt seien. Davon kommen die meisten aber ganz schnell wieder ab, wenn sie sehen, dass es noch zehn andere hat, die vielleicht besser sind. Einige kommen aber ganz gezielt in die Jugendtheaterclubs, weil sie Schauspieler werden wollen. Und das dann auch schaffen. Gelegentlich helfe ich mit, meine Kursteilnehmer auf Prüfungen für Schauspielschulen vorzubereiten. Ich animiere sie allerdings nicht dazu, sondern rate eher ab. Denn die Schauspielerei ist kein einfacher Beruf, man reist viel herum, einen Freundeskreis zu pflegen und eine Familie zu ernähren, ist schwierig.

 Viel ist die Rede von sprühender Energie, wenn es um Jugendtheater geht. Wie kanalisiert man die? Geht es überhaupt darum?

 Sobald die Jugendlichen mit einem Text konfrontiert sind oder einer Vorgabe, die ihnen Angst macht, ist diese Energie jeweils recht schnell weg. Dann ist es meine Aufgabe, ihnen die Scheu zu nehmen. In Improvisationen dagegen gilt es, die Energie zu kanalisieren. Das ist das Schöne an meinem Beruf: Jedes Mal, wenn wir improvisieren, bekomme ich ein Bouquet an Energien und Emotionen, das mich umhaut. Das ist nicht zu vergleichen mit der Arbeit mit professionellen Schauspielern; es ist ungefiltert und oft genial. Allerdings gelingt es meist nicht, das später wieder abzurufen.

 Sie zeigen bei Spiilplätz "McB - das schottische Stück", das auf Shakespeare basiert, einem Text, der 400 Jahre alt ist, mit adligen Figuren, Mord und Intrige. Wie bringt man so etwas den Jugendlichen näher?

 Unsere Improvisationen sind mit der Zeit immer mehr um die Themen Tod und Macht gekreist. Dann kamen wir schnell auf "Macbeth", und ich habe den Jugendlichen die Kinderversion von Matthew Andrews vorgelesen, in der er Shakespeare wunderbar herunterbricht. So haben wir uns dem Stück angenähert. Andererseits haben wir sehr intensiv über das Böse diskutiert. Das war hochspannend, und es schien, als hebe sich das Alter auf: Es fielen Statements, die auch von Erwachsenen hätten stammen können.

 Wie viel Gestaltungsraum hatten die Jugendlichen bei "McB"?

 Die Geschichte und der dramaturgische Verlauf entsprechen der Vorlage, die Dialoge stammen zu grossen Teilen von den Jugendlichen. Ihr Wunsch war es, Hochdeutsch zu sprechen, Mundart schien ihnen wohl verharmlosend. Das Problem ist nun, dass zum Teil Fernsehdeutsch nachgeahmt wird. Ich ermahne sie immer, sie sollen nicht dieses Al-Pacino-Deutsch sprechen. Aber im Grossen und Ganzen kommen sie ziemlich gut zurecht. (reg)

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BZ 3.6.10

Festival

 Filmisches Theater

 Im Rahmen des Jugendtheaterfestivals "Spiilplätz" sind ab Mittwoch in Bern elf Schweizer Produktionen zu sehen.

 Zum zweiten Mal nach 2007 führt die Junge Bühne Bern mit dem Schlachthaus-Theater und dem Tojo-Theater das nationale Jugentheaterfestival durch. Während vier Tagen zeigen Jugendtheaterklubs ihre neuen Produktionen. Mit "A Clockwork Orange 2010" präsentiert das Jugendtheater Willisau eine eigenwillige Interpretation von Anthony Burgess gleichnamiger Satire (bekannt durch Stanley Kubricks Verfilmung). Derweil holt die Junge Bühne Bern die Geschichte von "Clyde und Bonnie" als theatralen "B-Movie" ins Heute. Filmisch geben sich auch die Aargauer Gruppe Szenart ("fiLim") und das Junge Theater Solothurn: Letzteres hat sich zum Ziel gesetzt, den kompletten Film "Die fetten Jahre sind vorbei" inklusive Trailer und Bonusmaterial auf die Bühne zu bringen.
 mei

 Nationales Jugendtheater-Festival: Mi, 9., bis Sa, 12.Juni. Spielorte: Schlachthaus-Theater, Tojo-Theater und Grosse Halle der Reitschule. Detailliertes Programm und Reservation: www.junge-buehne-bern.ch.

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DEMO-RECHT
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BZ 3.6.10

Standpunkt zum Entfernungsartikel

 Gesetze - falscher Ort für Symbolik

 Tobias Habegger  ist Redaktor im Ressort Stadt Bern

 Aus dem Reich der Märchen stammt das Hauptargument der Befürworter. Sie sagen: Der Entfernungsartikel würde die Arbeit der Polizei an Demonstrationen erleichtern. Doch Polizeikader und Rechtsprofessoren bestreiten dies. Der Artikel, über den das Berner Stimmvolk am Sonntag, 13.Juni, abstimmt, liefert keine neuen Mittel im Kampf gegen Chaoten. In der Wirkung entspricht der Entfernungsartikel fast zu hundert Prozent dem bestehenden Wegweisungsartikel im kantonalen Polizeigesetz. Nur eine winzige Verschärfung gibts: Eine explizite Bussenandrohung bei Nichtbefolgen in der Höhe von 5000 Franken.

 Auch der Aufschrei der Gegner entspringt purer Ideologie. Die Demonstrationsfreiheit - ein Grundrecht - ist durch den Entfernungsartikel nicht bedroht. Das Bundesgericht hat einen ähnlichen Artikel in der Stadt Thun für legal erklärt. Und sollte es tatsächlich einmal vorkommen, dass ein Gaffer in Berns Gassen seinen optimalen Platz auf Anweisung eines Polizeibeamten verlassen muss - wäre die Demokratie in der Schweiz nicht gescheitert.

 Paradox am Entfernungsartikel: Die einzige kleine Verschärfung (Androhung einer Busse) schiesst an den avisierten Chaoten vorbei. Denn neben der Wegweisung droht diesen bereits heute zusätzlich eine Strafe. Wer Scheiben einschlägt kann wegen Sachbeschädigung verurteilt werden, wer jemanden verprügelt, wegen Körperverletzung. Vermummte Steinewerfer werden eingekesselt und abgeführt, wenn es der Einsatzleiter der Polizei anordnet und die Verhältnismässigkeit gegeben ist. Mal klappt dies besser, mal weniger gut. Für beides gibts in der Stadt Bern Beispiele aus der Vergangenheit.

 Die Krux liegt darin, die bestehenden Gesetze im Alltag strikte durchzusetzen. Denn meist wissen Gewalttäter aus Erfahrung, wann sie am besten vor der anrückenden Polizei verduften. Während friedliche Demonstranten und Gaffer - aus welchen Gründen auch immer - am Tatort zurückbleiben. Bei einer Annahme der Vorlage durchs Stimmvolk könnten - theoretisch - auch friedfertige Menschen gebüsst werden, wenn sie die Kundgebung trotz Aufforderung der Polizei nicht verlassen.

 Die Verfasser der Initiative "Keine Gewalttätigen Demonstranten" wollen mit dem Entfernungsartikel in erster Linie ein Zeichen setzen. Ihre Botschaft lautet: "Nulltoleranz gegen Gewalt." Diese Aussage verdient Unterstützung. Doch die Initianten verbreiten ihre Botschaft auf dem falschen Weg. Ein Gesetzbuch ist kein politisches Parteiprogramm, eine Volksinitiative keine Werbeplattform.

 Ob eine Kundgebung ausartet oder gesittet durch die Gasse geht, lässt sich nicht mit symbolischen Gesetzesartikeln beeinflussen. Wer zu wenig Anstand hat, um die Fensterscheibe einer Bank in ganzen Stücken zu belassen, der wird auch durch den neuen Entfernungsartikel kaum zum Umdenken bewegt.

 tobias.habegger@bernerzeitung.ch

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DROGENTEST
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20 Minuten 3.6.10

Berner Drogen-Testlabor bald weltweit im Einsatz?

 BERN. Grosser Erfolg für eine Berner Entwicklung: Die Projektgruppe "Rave it safe" darf ihr Drogen- Testlabor internationalen Experten vorstellen.

 In der Berner Partyszene ist das mobile Drogen-Testlabor der Berner Projektgruppe "Rave it safe" bereits regelmässig im Einsatz. Ganz nach dem Motto: "Wenn schon Drogen konsumieren, dann sicher", können Partygänger in Clubs ihre Pillen und Pülverchen untersuchen lassen und wichtige Tipps einholen. "Nicht nur die Qualität der Substanzen, sondern auch die Konsumgewohnheiten sind massgebend", sagt Hans-Jörg Helmlin, Laborleiter des Kantonsapothekeramtes.

 Jetzt haben die Berner mit ihrer Eigenentwicklung sogar international Interesse geweckt: Sie können ihr einmaliges Konzept nächste Woche an der Club Health Conference, einem internationalen Kongress in Zürich, vorstellen. Teilnehmer sind etwa Sozialarbeiter, Behörden und Clubbetreiber aus ganz Europa. "Wir hoffen, dass einige unsere Idee übernehmen", so Helmlin.

 An einer Fachtagung in Deutschland konnte er das 250 000 Franken teure Labor schon präsentieren: "Die Experten waren begeistert", so Helmlin. Das Projekt "Rave it safe" ist eine Zusammenarbeit zwischen Contact Netz, Aids Hilfe Bern, AwareDanceCulture und dem Kantonsapothekeramt.  

Fabienne Wittwer

http://www.raveitsafe.ch

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RANDSTAND BURGDORF
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Bund 3.6.10

Burgdorf

 Gemeinderat lässt Alkoholiker beim Bahnhof wegweisen

 In Burgdorf soll die Alkoholikerszene aus dem Bahnhofquartier verschwinden. Der Gemeinderat lässt deshalb ab sofort alle Personen wegweisen, die dort in Gruppen Alkohol oder andere Drogen konsumieren. Wer sich widersetzt, muss mit einer Anzeige und einer Busse rechnen. Damit reagiere der Gemeinderat auf die "Alki"-Szene, die mit der wärmeren Jahreszeit wieder häufiger im Bahnhofquartier anzutreffen sei, heisst es in einer Mitteilung. Wie schon im vergangenen Jahr biete die Stadt einen gedeckten Standort auf dem Viehmarktplatz an, wohin die Szene ausweichen könne. Zudem bestünden für die Suchtkranken in Burgdorf umfangreiche Unterstützungsangebote. Der öffentliche Grund rund um das Bahnhofquartier soll wieder allen Personen uneingeschränkt zur Benützung offenstehen, schreibt der Gemeinderat. Jede Person müsse sich aber so verhalten, dass andere nicht belästigt würden. (sda)

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BZ 3.6.10

Alkiszene in Burgdorf

 Jetzt greift die Stadt durch

 Burgdorfs Stadtregierung duldet im Bahnhofquartier keine Ansammlungen von Alkoholikern und anderen Drogenabhängigen mehr.

 Im Umgang mit der Alki- und Drogenszene im Bahnhofquartier zieht der Burgdorfer Gemeinderat die Samthandschuhe aus: Wer sich auf öffentlichem Grund trifft und in Gruppen Alkohol oder andere Betäubungsmittel konsumiert, wird ab sofort weggewiesen. Wer nicht spure, müsse mit einer Strafanzeige und einer Busse rechnen, teilt die Stadtregierung mit. Bereits im Oktober hatte Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch die Szene in der Innenstadt als "Zumutung" bezeichnet.

 Kein Bier, kein Publikum

 In der Folge wies die Stadt den Alkis einen gedeckten Platz bei der Markthalle als Treffpunkt zu. Von dieser Möglichkeit machte die Zielgruppe laut verschiedenen Quellen kaum Gebrauch. Ein Grund dafür ist nach Ansicht eines Insiders, dass sich in unmittelbarer Nähe kein Billigbieranbieter befindet. Abgesehen davon sei es kurzweiliger, seine Tage in der Fussgängerzone zu verbringen als auf dem meist menschenleeren Viehmarktplatz.

 "Für alle offen"

 Die Verantwortlichen der Stadt Burgdorf mögen auf diese Bedürfnisse keine Rücksicht mehr nehmen. Das Bahnhofquartier müsse wieder "allen Personen uneingeschränkt zur Benützung offen stehen", schreibt der Rat. Wenn auf öffentlichem Grund "mit erheblichem Publikumsverkehr" gruppenweise "übermässig Alkohol und Drogen konsumiert werden", sei der "bestimmungsgemässe Gemeingebrauch" so stark eingeschränkt, dass dafür eine Bewilligung notwendig wäre. Doch wegen "überwiegender öffentlicher und privater Interessen" sei nicht daran zu denken, eine derartige Bewilligung zu erteilen.

 Als Aufenthaltsort bietet die Stadt der Szene nach wie vor den Unterstand beim Viehmarktplatz an. Abgesehen davon bestehe "ein breit gefächertes Betreuungsangebot", heisst es im Communiqué. Auch der städtische Ordnungsdienst werde den Kontakt zu den sogenannt "Randständigen", die allesamt über eigene Wohnungen verfügen, weiterhin pflegen.
 jho

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20 Minuten 3.6.10

Burgdorf weist Randständige weg

 BURGDORF. In letzter Zeit kam es beim Bahnhof Burgdorf vermehrt zu Gruppenansammlungen von Randständigen. Jetzt schlägt der Gemeinderat eine harte Gangart ein: Ab sofort werde weggewiesen, wer sich auf öffentlichem Grund treffe und in Gruppen Alkohol oder andere Drogen konsumiere. "Gegen Personen, die sich nicht daran halten, eröffnen wir eine Verfügung", sagt Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch. Betroffene dürften sich dann per sofort nicht mehr im Bahnhofperimeter aufhalten. Fürs Wegweisen ist die Polizei zuständig. Zusätzlich werden auch Bussen ausgesprochen. Wie bisher wird der städtische Ordnungsdienst den Kontakt zur Szene weiterpflegen. Zäch betont, dass die Stadt umfangreiche Unterstützungsangebote anbiete und den Randständigen weiterhin der gedeckte Treffpunkt beim Viehmarktplatz zur Verfügung stehe.  sah

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NAZIROCK
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Tagesanzeiger 3.6.10

Rechtsradikale verurteilt

 Zwei Oberländer Mitglieder der Neonazi-Band Amok haben in Luzern happige Geldstrafen kassiert.

 Von Walter Sturzenegger

 Wolfhausen/Luzern - Das Amtsstatthalteramt Luzern hat die vier Musiker der rechtsradikalen Rockband Amok mit Geldstrafen von 120 bis 125 Tagessätzen bestraft. Die Strafen wurden unbedingt ausgesprochen, wie die Luzerner Strafuntersuchungsbehörden gestern mitteilten, und sie sind rechtskräftig. Das heisst, die Verurteilten müssen zahlen. Zwei Bandmitglieder wohnen im Oberland - der 22-jährige Schlagzeuger in Wolfhausen, der gleichaltrige Sänger in Hombrechtikon. Der Schlagzeuger erhält die gesalzenste Rechnung. Er muss 10 800 Franken Geldstrafe bezahlen und 2500 Franken Verfahrenskosten übernehmen. Der Sänger hat insgesamt 5200 Franken zu berappen. Darin inbegriffen ist eine zusätzliche Busse von 100 Franken für die "unsachgemässe Aufbewahrung einer Gas- und Schreckschusspistole".

 Politiker mit dem Tod bedroht

 Die Band Amok sorgte 2007 mit ihrer Debüt-CD "Verbotene Wahrheit" für Aufsehen. Unter den 13 von antisemitischen und rassistischen Aussagen triefenden Songs mit Titeln wie "Nigger", "Ahnenblut" und "Hass" fiel einer besonders auf: "Hans Stutz". Stutz ist parteiloser Luzerner Politiker und Journalist mit Spezialgebiet Rechtsextremismus. Im Lied wird er mit dem Tod bedroht. Zudem verstossen die Songs zum Teil gegen die Antirassismus-Strafnorm. Stutz reichte Strafanzeige wegen Drohung ein und löste damit Ermittlungen in verschiedenen Kantonen aus. 2009 gelang es der Polizei, die im Untergrund aktive Band nach einer Hausdurchsuchung im Probelokal in Siebnen SZ zu enttarnen. Ihr gehören neben den beiden Oberländern ein 22-Jähriger aus Siebnen SZ und ein 29-Jähriger aus Unterentfelden AG an. Die vier hätten sich der Drohung, der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen und der Rassendiskriminierung schuldig gemacht, befand das Luzerner Amtsstatthalteramt.

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Tagesanzeiger 3.6.10

Hombrechtiker Neonazi verurteilt

 Die Mitglieder einer Band haben sich der Rassendiskriminierung und anderer Vergehen schuldig gemacht.

 Von Raphael Briner

 Hombrechtikon/Luzern - Mit rassistischen Texten und einer Todesdrohung hat die Band Amok das Auge des Gesetzes auf sich gezogen. Nun hat das Amtsstatthalteramt Luzern die vier Mitglieder - der Sänger stammt aus Hombrechtikon, der Schlagzeuger aus dem benachbarten Wolfhausen - mit unbedingten Geldstrafen von 120 bis 125 Tagessätzen bestraft (s. auch Inlandteil).

 Amok hat 2007 ein Lied veröffentlicht, auf dem der Luzerner Journalist Hans Stutz mit dem Tod bedroht wird. Weiter wurde der Band vorgeworfen, mit Texten gegen das Antirassismusgesetz zu verstossen. Nach Ansicht der Luzerner Instanz sind mehrere Straftatbestände von allen Bandmitgliedern erfüllt worden. Sie hat zudem zwei von ihnen bestraft, weil sie gegen das Waffengesetz verstossen hatten.

 Der 23-jährige Hombrechtiker muss 5200 Franken zahlen. 3600 davon sind die Geldstrafe wegen der Todesdrohung und des Verstosses gegen die Antirassismus-Strafnorm. 1500 Franken betragen die Verfahrenskosten. 100 Franken sind fällig, weil der Verurteilte eine Gas- und eine Schreckschusspistole aufbewahrt hat. Der Schlagzeuger aus Wolfhausen, ebenfalls 23 Jahre alt, muss insgesamt 10 800 Franken zahlen, wovon 2500 die Verfahrenskosten betreffen. Die Höhe der Tagessätze bemisst sich nach dem Einkommen.

 An Schlägereien beteiligt

 Der Hombrechtiker ist auch in anderem Zusammenhang aufgefallen. Wegen einer Schlägerei am Oktoberfest in Mauren FL wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt. Eine Geldstrafe erhielt er, weil er zusammen mit anderen Neonazis einen Demonstrationszug von Jungsozialisten in Glarus angegriffen hatte. Die Glarner Richter bestraften aus dem gleichen Grund auch den Schlagzeuger aus Wolfhausen.

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Zürichsee-Zeitung 3.6.10

Hombrechtikon

 Geldstrafen für Neonazi-Musiker

 Mitglieder der rechtsextremen Band Amok wurden zu unbedingten Strafen verurteilt.

 Ihre Texte kommen die Mitglieder der Band Amok teuer zu stehen. Wegen eines Verstosses gegen die Rassismus-Strafnorm und wegen Drohung mit Gewalt musste sich die rechtsextreme Band vor der Luzerner Justiz verantworten. Der Sänger wohnte zum Zeitpunkt der Verstösse in Hombrechtikon, der Schlagzeuger in Wolfhausen, der Gitarrist in Siebnen und der Bassist im aargauischen Zetzwil.

 Das Amtsstatthalteramt Luzern hat die Männer im Alter zwischen 22 und 29 Jahren nun wegen Drohung, öffentlicher Aufforderung zu Gewalt und Rassendiskriminierung verurteilt. Die Bandmitglieder wurden zu unbedingten Geldstrafen von 120 bis 125 Tagessätzen bestraft, wie die Staatsanwaltschaft Luzern gestern mitteilte. Dies entspreche je nach Einkommen der Männer zwischen 1200 und 10 800 Franken. Zudem müssen die Verurteilten für die Verfahrenskosten aufkommen.

 Journalist bedroht

 Die Band hatte vor drei Jahren ein Lied veröffentlicht und darin einen Journalisten mit dem Tod bedroht. Zudem verstossen mehrere Liedtexte ihrer ersten CD gegen die Rassismus-Strafnorm. Zwei der Bandmitglieder wurden zudem der Widerhandlung gegen das Waffengesetz für schuldig befunden. (fsp/sda)

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Bund 3.6.10

Geldstrafen für Neonazi-Band

 Luzern - Vier Bandmitglieder der Neonaziband Amok müssen Geldstrafen bezahlen. Das Amtsstatthalteramt Luzern hat die Männer zwischen 22 und 29 Jahren wegen Drohung, öffentlicher Aufforderung zu Gewalt und Rassendiskriminierung verurteilt.

 Die Band hatte vor drei Jahren ein Lied veröffentlicht und darin einen Journalisten mit dem Tod bedroht. Zudem verstossen mehrere Liedtexte ihrer ersten CD gegen die Antirassismus-Strafnorm. Zwei der Bandmitglieder wurden zudem der Widerhandlung gegen das Waffengesetz für schuldig befunden.

 Die Bandmitglieder wurden zu unbedingten Geldstrafen von 120 bis 125 Tagessätzen bestraft, wie die Staatsanwaltschaft Luzern gestern mitteilte. Dies entspreche je nach Einkommen der Männer zwischen 1200 und 10 800 Franken. Zudem müssen die Verurteilten für die Verfahrenskosten aufkommen. (sda)

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20 Minuten 3.6.10

Geldstrafen für Neonazi-Band

 LUZERN. Das Amtsstatthalteramt Luzern hat vier Bandmitglieder der Neonaziband Amok mit unbedingten Geldstrafen von 120 bis 125 Tagessätzen bestraft. Zwei Personen wurden zudem wegen Widerhandlungen gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen. Die Band hatte 2007 ein Lied veröffentlicht, in dessen Songtext ein Journalist mit dem Tod bedroht wird. Zudem verstossen mehrere Texte gegen die Antirassismus-Strafnorm.

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PNOS
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Tagesanzeiger 3.6.10

Pnos-Vorsitzender wegen Leugnung von Anne Franks Tagebuch angeklagt

 Ein vorbestrafter Exponent der rechtsextremen Partei kommt wegen der Behauptung vor Gericht, die "gefälschten" Aufzeichnungen des jüdischen Mädchens dienten der "Holocaust-Indoktrination."

 Von Thomas Knellwolf

 Es ist eine alte Mär. Seit Jahrzehnten behaupten Alt- und Neonazis, das Tagebuch der Anne Frank sei eine Fälschung. Die Internationale der Holocaustleugner unterschlägt dabei, dass alle seriösen Experten und kriminalwissenschaftlichen Untersuchungen die Echtheit der in 55 Sprachen übersetzten Notizen des jüdischen Mädchens bestätigen.

 "Dummheit stirbt nie"

 Vor einem Jahr hat die rechtsextreme Partei national orientierter Schweizer (Pnos) die alte Mär von den "Lügen um Anne Frank" aufgewärmt. Ihre Basler Sektion behauptete auf ihrer "Weltnetzseite" (so der Rechtsextremen-Ausdruck für "Homepage"), der Tod des bekanntesten NS-Opfers sei "insbesondere auf die Bombardierung ziviler Ziele durch die alliierten ‹Befreier› zurückzuführen". Das Tagebuch, das bis heute Millionen rund um den Globus erschüttert hat, diene einzig und allein der "Holocaust-Indoktrination junger unbedarfter Kinder". Anne Franks Cousin, der in Basel lebende Schauspieler Buddy Elias, sagt dazu: "Dummheit stirbt nie aus. Doch Aufklärung hilft, sie einzudämmen."

 "Verleumdung der Juden"

 Auch die Schweizer Rassismus-Strafnorm soll bei der Eindämmung helfen. Am 21. Juli kommt es am Basler Strafgericht zum Prozess gegen den Vorstandsvorsitzenden der Pnos Basel, Philippe Eglin. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt sieht es als erwiesen an, dass der junge Baselbieter Handwerker sich der Rassendiskriminierung schuldig gemacht hat. Er verbreite, steht in der Anklageschrift, "eine Ideologie, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Juden gerichtet ist". Eglin benutze "pseudowissenschaftliche Scheinargumente, wie sie in der Holocaustleugner- und Revisionistenszene in diesem Zusammenhang häufig herangezogen werden". Er stelle das Tagebuch als "gezielte Manipulation" dar und nicht als "historisch belegte Tatsache" und suggeriere, die Alliierten, nicht die Nationalsozialisten seien im Zweiten Weltkrieg die "eigentlichen Aggressoren" gewesen.

 Eglin war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. In ähnlichen früheren Strafverfahren hatten sich Pnos-Exponenten mit unterschiedlichem Erfolg mit dem Argument verteidigt, sie seien für den Rassismus auf der Partei-Internetseite nicht verantwortlich. Anfang 2009 sprach das Bezirksgericht Aarau einen Verantwortlichen für die Pnos-"Weltnetzseite" frei, weil ihm die Verantwortung für den Onlineverkauf eines rassistischen Kalenders dort nicht nachgewiesen werden könne. Es sprach aber gleichzeitig den gesamten früheren schweizerischen Vorstand der Partei schuldig, weil die Exponenten gleichenorts ein rassendiskriminierendes Parteiprogramm publiziert hatten.

 Posieren im Internet

 Auch der in Basel angeklagte Philippe Eglin, der mit einem Teil der in Aarau Verurteilten zusammenarbeitet, ist vorbestraft. Ende 2007 hat ihn das Bezirksstatthalteramt Laufen wegen einfacher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Franken verurteilt. Das Strafgericht Basel-Stadt muss nun entscheiden, ob diese bedingte Vorstrafe vollstreckt wird. Eglin ist in jüngerer Zeit mehrfach, insbesondere in Deutschland, als Redner an Veranstaltungen deutscher Rechtsextremer und Neonazis aufgetreten. Er posiert mit nacktem Oberkörper im Internet, damit sein "Eidgenosse"-Tattoo, das sich über den ganzen Rücken erstreckt, zur Geltung kommt.

 Bei Novartis entlassen

 Von seinem Arbeitgeber, dem Pharmamulti Novartis, hat der 22-Jährige unlängst den blauen Brief bekommen. "Als global tätiges Unternehmen in über 140 Ländern ist für Novartis Weltoffenheit und Respekt für den Menschen wichtig", schreibt das Unternehmen. "Dies bedeutet, dass wir Diskriminierungen aufgrund von Rasse, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit nicht tolerieren." Weil die Ansichten Eglins und die Ethik der Firma unvereinbar waren, habe Novartis das Arbeitsverhältnis aufgelöst.

 Anne Frank starb zwei Monate vor Kriegsende, ausgehungert und geschwächt, im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus. Kommende Woche würde sie 81 Jahre alt.

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HOMOHASS
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20 Minutes 3.6.10

L'UDC se déchire sur les homos

 La création d'une section "Gay UDC" à Zurich a suscité une vive réaction des Jeunes UDC du Valais romand. Grégory Logean a dénoncé une "infiltration du lobby homosexuel au sein du parti agrarien". En réaction, le président des Gays UDC, Beat Feurer, lui a conseillé hier de se "faire soigner chez un psychiatre local".

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Le Matin 3.6.10

C'est quoi, son problème?

Cerutti

 Homophobie

Grégory Logean est connu pour ses attaques virulentes contre la communauté homosexuelle. Sa dernière proie: la section gay de l'UDC zurichoise. D'où vient cette haine? "Le Matin" a enquêté auprès de personnes qui le connaissent en Valais. Portrait.

 Grégory Logean et les homos, ce n'est pas une histoire d'amour. Sur les ondes de Rhône FM, le 31   mai, le coprésident des Jeunes UDC du Valais romand a redit tout le mal qu'il pense d'eux. Et en particulier de la récente création d'une section gay au sein de l'UDC zurichoise. Il a carrément comparé cette nouvelle aile du parti à une "tumeur qu'il faudrait soigner par chimiothérapie". Face à cette attaque, Beat Feurer, président des gays UDC, lui a conseillé "de se faire soigner chez un psychiatre local".

 "Peut-être qu'il le refoule…"

 Alors justement, qu'en pensent les psys valaisans? Contactés par "Le Matin", ils n'ont pas souhaité s'exprimer en leur nom sur un cas qu'ils n'avaient pas encore dans leur cabinet. Mais, à force d'attaques homophobes virulentes et répétées, certains se demandent en aparté si Grégory Logean ne serait pas lui-même un homosexuel refoulé. "Peut-être qu'il le refoule de façon agressive. C'est un scénario possible…" avance d'ailleurs Barbara Lanthemann, secrétaire romande de l'Organisation suisse des lesbiennes.

 L'enquête du "Matin" menée en Valais montre que la réalité est plus complexe que ça. En mars 2010, le Tribunal cantonal valaisan a écarté une quarantaine de plaintes pénales que des homosexuels avaient déposées à son encontre. "Le fait qu'il ait été blanchi, cela lui a donné des ailes. Grégory Logean est profondément homophobe ou raciste. Il doit dépasser de plus en plus les limites simplement pour que l'on parle de lui et pour exister en dehors de son maître, Oskar Freysinger, président de l'UDC du Valais romand", souligne le député suppléant socialiste Mathias Reynard.

 "Brave Garçon à Son papa"

 De partout en Valais, on relève que les ambitions et les connaissances sociales de Grégory Logean s'arrêtent un peu aux frontières de sa commune, Hérémence, où il officie comme conseiller municipal, responsable de la Construction. Là-bas, certains témoignages permettent de mieux cerner la personnalité de Grégory Logean. En tant que conseiller communal, il concède ses limites pour gérer certains dossiers. "Il dit qu'il est trop jeune, qu'il ne sait pas. Son côté grosse gueule de l'UDC disparaît totalement…" s'amuse un citoyen qui a eu affaire à lui.

 Dans le val d'Hérens, on dresse un autre portrait. Bon élève mais souffre-douleur dans la cour de récré, Grégory Logean s'est d'abord lancé dans un apprentissage à l'Ecole des métiers. Il aurait eu de la peine avec la théorie et il aurait mis ses problèmes sur le dos de professeurs trop socialistes à son goût. D'autres villageois estiment que Grégory Logean reste fidèle aux valeurs de son clan familial. "C'est le brave garçon de son papa dont il fait la fierté. Il répète beaucoup ce qu'on lui dit, je me demande où se situe son autonomie de pensée", relate une proche de la famille. "J'ai le sentiment qu'il a été éduqué dans des valeurs très traditionalistes, relativement simplistes. Cela l'empêche d'avoir une certaine souplesse vis-à-vis des changements de notre société", enchaîne Didier Fournier, député valaisan de l'Alliance de Gauche, qui a réagi très fortement aux derniers propos de Grégory Logean dans une lettre envoyée à toute la presse.

 "Presque timide"

 Toujours dans le val d'Hérens, on sait également que le jeune UDC a une petite amie proche d'Ecône, une église intégriste où il se rendrait d'ailleurs très régulièrement. Mais Grégory Logean sait se montrer particulièrement discret. Dans les bistrots, on le considère comme quelqu'un de peu communicatif. On est même surpris de sa métamorphose dans ses communiqués ou ses interventions à la radio.

 Mais il peut aussi se dégonfler à la télévision. "Je l'ai rencontré une fois, pour un débat qui ne concernait pas l'homosexualité. J'ai eu en face de moi quelqu'un de nettement moins arrogant, presque timide. Il ne m'a pas donné l'impression de quelqu'un avec de fortes convictions", relève Barbara Lanthe-mann. "Sur la durée, ses positions extrémistes finiront par le desservir. Dans la commune, on aimerait peut-être avoir un conseiller un peu plus discret", estime Mathias Reynard. Et c'est une habitante de la région qui résume ainsi le caractère de Grégory Logean: "Il a besoin de contradictions. Sinon, c'est trop facile de faire fonctionner le mécanisme de la bêtise humaine. "

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STOP MURDER MUSIC
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Tagesanzeiger 3.6.10

Musikveranstalter: Anklage wegen Raub

Hohler Stefan

 Zürich - Ein in Zürich wohnhafter jamaikanischer Musikveranstalter muss sich vor Gericht wegen Raub verantworten. Die zuständige Staatsanwältin sagte, dass die Untersuchung demnächst abgeschlossen sei. Der Mann soll den Raub mit Mittätern verübt haben. Er ist nicht geständig und befindet sich wieder auf freiem Fuss. Der Jamaikaner wurde im Januar verhaftet. Er soll auch in Holland für Raubüberfälle verantwortlich sein.

 Der Mann hatte in der Vergangenheit mit seiner Eventagentur in Zürich und Holland Reggaekonzerte veranstaltet. Dabei sorgte er im Mai 2009 für Schlagzeilen, als er im städtischen Kulturhaus Dynamo den Dancehall-Reggae-Musiker Mavado auftreten lassen wollte. Dieser hetzte mit seinen Texten gegen Schwule. Nach Intervention von Stop Murder Music, einer Organisation, die sich gegen "Homohasser" im Reggae einsetzt, wurde das Konzert kurzerhand abgesagt. (hoh)

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RABE-INFO
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Do. 3. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._Juni_2010.mp3
- Kein Kind ist illegal- tausende unterschreiben Manifest
   http://www.keinkindistillegal.ch
- Dielog der Generationen- Werkstatt will herausfinden wo der Schuh drückt
- Klimaneutral fliegen mit c02-Kompensation- Rettung der Erde oder nur Beruhigung fürs Gewissen

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SANS-PAPIERS
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Bund 3.6.10

"Wow, jetzt bin ich wirklich hier"

 Gestern wurde in Bern das Manifest "Kein Kind ist illegal" dem Bundesrat übergeben. Zu diesem Anlass erzählen Jugendliche aus einem Erwerbslosenprojekt in Bern über ihre Erfahrungen mit Sans-Papiers.

 Rahel Bucher

 13 Jugendliche stürmen in die Heiliggeistkirche in Bern. Ihr Lachen und Reden breitet sich in der Kirche aus. Heute steht für die Schülerinnen und Schüler aus dem Erwerbslosenprojekt Move der Fondation gad Persönlichkeitsbildung auf dem Stundenplan. Sie beschäftigen sich mit dem Thema der Sans-Papiers in der Schweiz. Dabei dürfen sie ihr Gesicht zeigen und ganz frei reden. Nicht wie die vier Jugendlichen Sans-Papiers, die im Film "Bodenlos" ihre Geschichten erzählen.

 "Ich bin seit zehn Jahre hier . . . Illegal", hört man eine junge Frau sagen, von der man nur die Beine und Füsse sieht. Sie baumeln ins Bodenlose. Ein Bild, das die Situation der jugendlichen Sans-Papiers in der Schweiz symbolisiert. Der Film ist Teil der Wanderausstellung "Kein Kind ist illegal", welche zurzeit in der Heiliggeistkirche zu sehen ist. In der Ausstellung werden zudem Bilder gezeigt, die den Lebensalltag von illegalisierten jungen Menschen thematisieren. "Es würde mir gefallen, wenn die Politiker eine Lösung für die Sans-Papiers finden", hört man eine männliche Stimme sagen. Vor lauter Angst, ausgeschafft zu werden, gehe er kaum in den Ausgang, erzählt der junge Mann ohne Gesicht.

 Angst vor der Ausschaffung

 Berisha F., eine der 13 jugendlichen Zuschauer, kennt das Leben in Angst. Sie kam vor zwölf Jahren aus Kosovo in die Schweiz. "Wir hatten wahnsinnigen Respekt vor der Polizei", erzählt sie. Der Ausweis habe dann einiges erleichtert. Die Angst vor der Ausschaffung hat auch ihr Klassenkamerad Bulli Gino A. erlebt. Er war vor elf Jahren illegal aus Kosovo in die Schweiz gekommen. Die ganze Familie hatte am Anfang keine Aufenthaltsbewilligung. Damals wusste er nicht, mit wem er darüber reden konnte. Jeder Gang in die Öffentlichkeit, zum Einkaufen oder auf die Post, war mit der Angst verbunden, ausgeschafft zu werden. "Endlich redet man über dieses Thema. Ich wäre froh gewesen, wenn es so eine Ausstellung schon vor elf Jahren gegeben hätte", sagt er.

 Der Film stimmt die Jugendlichen nachdenklich. "Ich finde das himmeltraurig", sagt Patrick C., einer der wenigen Schweizer in der Klasse. "Ich bin zwar Schweizer, habe aber nur ausländische Freunde", sagt er. Einige von denen seien illegal hier. Im Notfall würde er auch jemanden bei sich aufnehmen, sagt er, wenn es ein Freund sei. "Es ist gut, zu sehen, dass es auch andere Menschen gibt, die so leben", sagt der aus der Türkei stammende Murat O. zum Film. Seit elf Jahren lebt er hier. Er wartet schon lange auf die Einbürgerung. Wie lange noch, weiss er nicht genau.

 Bald Schweizer Bürger

 "Und was ist mit den Jugendlichen aus dem Film passiert?", fragt Oxana V. Sie selbst kam als 2-Jährige aus Moldawien in die Schweiz. Ihre Mutter hatte eine L-Bewilligung und holte die Tochter später zu sich in die Schweiz. Im zweiten Teil des Films erfährt man die Fortsetzung der Geschichten. Zwei Jahre später: Die vier Menschen sind nun alle legal in der Schweiz. Ihr Gesicht dürfen sie nun zeigen, und sie können frei über ihre Erlebnisse reden - über Ängste, Einsamkeit und Isolation. "Ich hatte lange keinen Kontakt zu anderen Jugendlichen", sagt etwa Charo, deren Stimme man schon vom Anfang des Films kennt, und Mohammed grinst fröhlich in die Kamera: "Wow, jetzt bin ich wirklich hier", sagt er. Er ist mittlerweile zudem glücklich verheiratet. Die Sans-Papiers aus dem Film stehen stellvertretend für rund 10 000 Jugendliche, die ohne geregelten Status in der Schweiz leben. Sie alle haben keinen Zugang zu Lehrstellen. Ein Umstand, der auch in der Politik zu reden gibt (siehe unten stehenden Kasten).

 Für die Jugendlichen aus dem Projekt Move sieht die Zukunft etwas rosiger aus. Viele haben eine Lehrstelle gefunden, und einer von ihnen freut sich besonders. Bulli Gino A. soll im Sommer den Schweizer Pass bekommen. "Ich werde auch in den Militärdienst gehen", sagt er. Das sei für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er sei ja bald Schweizer Bürger.

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 Sans-Papiers Politische Vorstösse

 Gestern wurde das Manifest "Kein Kind ist illegal" dem Bundesrat übergeben. Die Übergabe stand im Zeichen der Motionen von Nationalrat Luc Barthassat (CVP) und Nationalrat Antonio Hodgers (Grüne), die den Zugang zu Berufslehren für Sans-Papiers-Jugendliche fordern. Über die Motionen wird der Ständerat am 14. Juni abstimmen. In seiner Sitzung vom 20. April 2010 hat eine knappe Mehrheit der Staatspolitischen Kommission des Ständerates die beiden Motionen gutgeheissen. Sie empfiehlt diese zur Annahme im Ständerat. Über 10 000 Personen und 81 Organisationen haben das Manifest unterzeichnet. Gefordert wird unter anderem die umfassende Umsetzung des Rechts auf Bildung inklusive Absolvieren einer Berufslehre, den sofortigen Stopp der Ausschaffungshaft für Minderjährige sowie vereinfachte Regularisierungsmöglichkeiten für Kinder und ihre Familien.

 Die gesamtschweizerische Kampagne "Kein Kind ist illegal" wurde vor zwei Jahren lanciert. Sie will darauf aufmerksam machen, dass in der Schweiz nach wie vor rund 100 000 Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus leben - davon sind 10 000 Jugendliche. Die Wanderausstellung ist vom 6. Juni bis zum 27. Juni in der Pasquart-Kirche in Biel zu sehen. Weitere Informationen: http://www.keinkindistillegal.ch, http://www.sans-papiers.ch. (reh)

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AUSSCHAFFUNG
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Bund 3.6.10

SP hilft bei Ausschaffung mit

 Der Nationalrat stellt der Ausschaffungsinitiative der SVP einen direkten Gegenvorschlag gegenüber. Während die Initiative die automatische Ausweisung krimineller Ausländer selbst bei Bagatelldelikten verlangt, sieht der Gegenvorschlag den Landesverweis unter gewissen Bedingungen und ab einem bestimmten Strafmass vor. Zustande kam der Gegenvorschlag dank der SP. (bin) - Seite 7

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SP schluckt das "Gegengift" zur SVP-Initiative

 Auch der Nationalrat will einen direkten Gegenvorschlag zur Ausschaff ungsinitiative.

Markus Brotschi

 Die SVP-Ausschaffungsinitiative wird dem Volk mit einem Gegenvorschlag unterbreitet, der explizit nicht gegen das Völkerrecht und die Verfassung verstösst. Der Nationalrat hat gestern mit 94 zu 86 Stimmen bei 11 Enthaltungen der Verschärfung auf Verfassungsstufe zugestimmt. Möglich wurde dies, weil die SP über ihren Schatten sprang. Ein Teil der SP stimmte für den Gegenvorschlag, andere enthielten sich und nur eine Minderheit stimmte dagegen. Dies obwohl die SP das geltende Recht für ausreichend hält, um kriminelle Ausländer wegzuweisen. FDP und CVP überzeugten die SP davon, dass sich ein Ja zur radikalen SVP-Initiative nur verhindern lässt, wenn dem Volk eine griffige Alternative vorgelegt wird. Silvia Schenker (SP/BS) beschrieb ihre Gefühlslage mit einem drastischen Vergleich: "Wenn ich von einer Schlange gebissen werde, verwende ich ein Gegengift, damit ich nicht sterbe. Der Gegenvorschlag ist das Gegengift zur SVP-Initiative." Die Grünen lehnten den Gegenvorschlag ab, da er wie die Initiative ein Sonderrecht für Ausländer einführe.

 Integration als Zückerchen

 Versüsst wurde der SP das Gift mit einem Integrationsartikel. Dieser verlangt von Bund, Kantonen und Gemeinden Massnahmen zur besseren Integration der Ausländer. Ob den Worten Geld folgt, ist aber offen. Die Bundesmittel müssen im Budget genehmigt werden.

 Wie die Initiative sieht der Gegenvorschlag die zwingende Wegweisung von Ausländern vor, wenn sie wegen Gewaltverbrechen und einer Reihe anderer Delikte verurteilt wurden. Heute ist die Wegweisung krimineller Ausländer Sache der kantonalen Ausländerbehörden. Allerdings verzichtet der Gegenvorschlag auf Ausschaffungen, wenn diese gegen Völkerrecht oder Grundrechte verstossen. Niemand darf in ein Land ausgeschafft werden, wenn ihm dort Folter oder die Todesstrafe droht (Non-Refoulement-Prinzip). Auch müssen international verbriefte Kinderrechte beachtet werden. Und eine Ausschaffung muss verhältnismässig sein - ein Gebot der Bundesverfassung. Schliesslich wird die schärfere Ausschaffungspraxis bei EU-Bürgern nicht angewendet, weil sonst gegen die Personenfreizügigkeit verstossen würde. Die SVP-Initiative macht all diese Vorbehalte nicht. Für Hans Fehr (SVP/ZH) verhindern die "schwammigen" Einschränkungen auch künftig Ausschaffungen.

 In der über sechsstündigen Debatte drehte sich der Streit vor allem um die Frage, ob und wie weit die SVP-Initiative gegen Völkerrecht verstösst. Die Initiative sei im Wortlaut gar nicht umsetzbar, lautete der Tenor von FDP, CVP, SP und Grünen. Wie nach der Verwahrungs- und der Minarettinitiative drohe ein Konflikt mit dem Völkerrecht. Nur die Linke zog daraus aber den Schluss, die Initiative für ungültig zu erklären. FDP und CVP sprachen sich wie der Bundesrat für die Gültigkeit aus. Für den Bundesrat sei klar, dass er bei einer Annahme der Initiative nicht gegen das Non-Refoulement-Prinzip verstossen werde, sagte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf.

 Ohne Sozialhilfemissbrauch

 Der Ständerat hatte dem direkten Gegenvorschlag im März zugestimmt. Im Vergleich zur Initiative enthält er einen umfassenderen Katalog von Delikten, die zur Ausschaffung führen, darunter auch schwere Körperverletzung und Betrug. Dagegen verzichtet der Gegenvorschlag darauf, den Sozialhilfemissbrauch zu nennen. Generell führen Taten, die mit mehr als einem Jahr Gefängnis bestraft werden, zur Wegweisung. Falls ein Täter innert 10 Jahren wegen mehrerer Delikte zu insgesamt mindestens zwei Jahren verurteilt wird, muss er das Land ebenfalls verlassen.

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 Gegen Anpassung bei Schengen-Recht

 Kürzere Ausschaffungshaft abgelehnt

 Der Nationalrat will eine Entwicklung des Schengen-Rechts nicht übernehmen: Er widersetzt sich dem Ständerat und lehnt es ab, die Höchstdauer der Ausschaffungshaft von 24 auf 18 Monate zu senken. Die bestehende Höchstdauer müsse beibehalten werden, fanden die Bürgerlichen. Es gebe keinen Grund, eine Bestimmung zu ändern, die in einer Volksabstimmung angenommen worden sei und erst seit 2007 gelte.

 Der Bundesrat solle sich im Schengen-Ausschuss dafür engagieren, dass die maximale Haftdauer auf 24 Monate angehoben werde, forderte Kurt Fluri (FDP/SO). Er machte aber deutlich, dass die FDP nicht das gesamte Schengen-Abkommen gefährden will: Im Notfall werde sich die FDP für Schengen aussprechen, sagte er.

 Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf äusserte sich pessimistisch über die Erfolgsaussichten, bei den Schengen-Staaten eine Änderung erwirken zu können. Die EU-Kommission habe ursprünglich eine Höchstdauer von 6 Monaten vorgesehen. Nach drei Jahren zäher Verhandlungen habe man sich auf 18 Monate geeinigt. Sie wies auch darauf hin, dass es um ein vernachlässigbares Problem gehe. Derzeit seien 331 Personen in Ausschaffungshaft. Keine davon sitze länger als 18 Monate in Haft. Die Schweiz solle ihre Verpflichtungen einhalten und die Weiterentwicklung des Schengen-Rechts übernehmen, forderte Widmer-Schlumpf. Sie wurde jedoch nur von der SP und den Grünen unterstützt, sodass der Rat die Senkung der maximalen Haftdauer mit 92 zu 51 Stimmen ablehnte.

 Weiter hat der Nationalrat die Vorlage dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts angepasst, dass Asylsuchende nach einem Nichteintretensentscheid nicht mehr sofort in einen Dublin-Staat zurückgeführt werden dürfen. Da auf diese Weise den Betroffenen die Rekursmöglichkeit genommen wird, verstösst dieses Vorgehen nach Ansicht des Gerichts gegen das Gebot des wirksamen Rechtsschutzes. (sda)

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Behörden fürchten Rekursflut bei Ja zur Ausschaffungsinitiative

 Die SVP-Initiative könnte bewirken, dass viermal mehr Ausländer als heute das Land verlassen müssten. Das hiesse wohl auch: viermal mehr juristische Streitfälle.

 Fabian Renz

 Eine buchstabengetreue Umsetzung der Ausschaffungsinitiative hätte gemäss Bundesamt für Migration im Jahr 2008 einen "Grundstock" von 1484 Personen betroffen. Exakt so viele Ausländer mit Niederlassungsbewilligung B oder C fielen damals nämlich unter jene Kategorie von Gewalttätern, die laut SVP automatisch ausgeschafft werden sollen. Nicht mitgerechnet sind in dieser Zahl allerdings jene Niedergelassenen, die "Sozialmissbrauch" begangen haben und somit nach SVP-Ansicht ebenfalls weggewiesen gehören. Wie viele Täter hier ergänzend anzuführen wären, ist fast unmöglich zu eruieren. Denn zum einen sind für die Sozialhilfe die Kantone und Gemeinden zuständig; eine zentrale Missbrauchsstatistik fehlt. Und zum andern müsste der unpräzise Begriff des "Sozialmissbrauchs" juristisch erst hieb- und stichfest definiert werden - wobei sehr enge und sehr weite Auslegungen denkbar sind.

 In jedem Fall aber hätte die Ausschaffungsinitiative wohl zur Folge, dass sich das Quantum der aufgehobenen Niederlassungsbewilligungen im Mindesten vervierfachen würde (oder verdoppeln im Falle des Gegenvorschlags). Denn die Vergleichsgrösse liegt heute laut Bundesamt für Migration bei geschätzten 350 bis 400 Wegweisungen pro Jahr - genaue Angaben sind aufgrund der kantonalen Zuständigkeiten wiederum nicht möglich.

 Nachsichtige Schweiz?

 Wären die Migrationsämter der Kantone in der Lage, den voraussichtlichen Zusatzaufwand zu bewältigen? Bei Nachfragen schimmert zumindest Skepsis durch - vor allem wegen des erwarteten massiven Anstiegs an juristischen Streitereien. So berichtet Michel Girard, Leiter des Migrationsamtes von Basel-Stadt: "Wir haben im letzten Jahr wegen Straffälligkeit, Sozialhilfemissbrauch und Schuldenmacherei insgesamt 24 Ausländern die Aufenthaltsbewilligung entzogen. In jedem einzelnen Fall wurde Rekurs eingereicht." Im Kanton Zürich sind es laut Auskunft des zuständigen Amtes immerhin 80 Prozent der Betroffenen, die sich juristisch wehren.

 Ungeachtet dessen stellt sich allerdings die Frage, ob die Schweizer Wegweisungspraxis im internationalen Vergleich übermässig lax ist. SVP-Nationalrat Luzi Stamm führte gestern jedenfalls Frankreich als Beispiel für ein Land an, in dem viel härter gegen straffällige Ausländer vorgegangen werde. Jonas Montani vom Bundesamt für Migration widerspricht: Die umliegenden Staaten stützen ihre Praxis auf dieselben Grundlagen wie die Schweiz. Das heisst: ebenfalls auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die laut Bundesrat mit der SVP-Initiative inkompatibel ist.

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Kommentar

 In der SVP-Falle

Patrick Feuz

 Unter Druck der SVP führt das Parlament eine Art Zweiklassenjustiz ein: Künftig sollen kriminelle Ausländer faktisch härter bestraft werden als kriminelle Schweizer. Denn ab einem gewissen Strafmass erhalten sie eine Zusatzstrafe, indem ihnen zwingend das Aufenthaltsrecht entzogen wird. Nicht nur Schwerverbrecher sind betroffen. Auch weniger happige Delikte, bei denen keine Gewalt im Spiel ist, können sich relativ schnell zum Landesverweis summieren.

 Nicht nur rechtsstaatlich, auch menschlich ist dieses Sonderrecht für Ausländer ein Grenzfall. In einem Land wie der Schweiz, wo viele hier geborene oder zugezogene Ausländer leben und immer mehr Ehen und Familien multikulturell sind, kann sich der neue Automatismus breit und folgenschwer auswirken - indem etwa Kinder ihren Vater verlieren.

 Realpolitisch gibt es aber keine Alternative. Nur mit diesem weitreichenden Gegenvorschlag lässt sich wohl verhindern, dass bei der Volksabstimmung die SVP mit ihrer noch radikaleren Ausschaffungsinitiative durchdringt. Schlagzeilen über kriminelle Ausländer heizen das Unbehagen gegenüber Fremden an. Zu Recht herrscht die Meinung vor, dass ausländische Mörder und Vergewaltiger ihr Gastrecht verscherzt haben. Aber die SVP will dieses Empfinden für ein Ausschaffungsregime nutzen, das unverhältnismässig und mit völkerrechtlich garantiertem Familienschutz unvereinbar ist - so müsste ein junger bei uns aufgewachsener Kosovare nach einem einzigen Einbruchsdelikt ausreisen.

 Die Gegner einer so grobschlächtigen Ausschaffungspolitik dürfen jetzt nicht in die Falle tappen. Wer im Abstimmungskampf für den Gegenvorschlag wirbt, indem er die Initiative bloss rechtlich kritisiert, übernimmt die Logik der SVP - und hilft frivolerweise mit, die Ausländerkriminalität zum wichtigsten Aspekt der Einwanderung zu stilisieren. Die Gegner der SVP müssen in der Diskussion das Problem der kriminellen Ausländer in die richtigen Relationen rücken. Sonst bauen sie keine Ängste ab - und die SVP hätte selbst bei einem Nein zu ihrer Initiative gewonnen.

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BZ 3.6.10

Ausschaffung

 Hart gegen Ausländer

 Der Nationalrat stellt der Ausschaffungsinitiative der SVP einen in- direkten Gegenvorschlag gegenüber.

 Das Anliegen, kriminelle Ausländer auszuschaffen, geniesst bis weit in die Mitte hinein Sympathien. Das zeigte sich gestern im Nationalrat. So weit wie die SVP wollte die Mehrheit der grossen Kammer zwar nicht gehen. Dafür hiess sie den indirekten Gegenvorschlag gut. FDP, CVP, BDP und die Grünliberalen stellten sich geschlossen hinter die Vorlage. Selbst Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf betonte, dem Bundesrat sei an der Bekämpfung der Ausländerkriminalität gelegen. Dies werde mit dem Gegenvorschlag erreicht, aber in Übereinstimmung mit Verfassung und Völkerrecht. Darin besteht der wesentliche Unterschied der beiden Vorlagen, über die das Volk abstimmen soll. ma

 Seite 2

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Ausschaffung krimineller Ausländer

 SVP-Initiative scheitert im Parlament

 Der Nationalrat stellt der Ausschaffungsinitiative einen direkten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser Entscheid fiel nicht nur aus taktischen Gründen. Das Anliegen, kriminelle Ausländer auszuschaffen, geniesst grosse Sympathien.

 "Wir dürfen nicht übersehen, was auf der Strasse passiert", sagte Kommissionssprecher Philipp Müller (FDP, AG) - notabene als Sprecher der Staatspolitischen Kommission. Ähnliche Standpunkte vertraten FDP, CVP, BDP und die Grünliberalen, die sich geschlossen hinter die Vorlage des Ständerats stellten. Selbst Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf betonte, dem Bundesrat sei an der Bekämpfung der Ausländerkriminalität gelegen. Dies werde mit dem Gegenvorschlag erreicht, aber in Übereinstimmung mit Verfassung und Völkerrecht.

 Redliche Vorlage

 Darin besteht der wesentliche Unterschied der beiden Vorlagen, über die das Volk abstimmen soll: Während die SVP-Initiative die automatische Ausweisung krimineller Ausländer verlangt, umschifft der Gegenvorschlag Konflikte mit Verfassung und Völkerrecht. Er verlangt sogar explizit deren Einhaltung und gewährleistet damit die problemlose Umsetzung.

 Die SVP wehrte sich heftig gegen diesen Passus. Der Kommissionssprecher appellierte jedoch an die Redlichkeit: Die Schweiz sei ohnehin an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen gebunden. Deren Erwähnungen zeige der Stimmbevölkerung die Grenzen des Ausschaffungsartikels auf.

 Gegenüber der Initiative konkretisiert der Gegenvorschlag zudem die Liste der Straftaten, die mit der Ausweisung geahndet werden. Vor allem aber macht sie den Entzug des Aufenthaltsrecht nicht primär von der Begehung bestimmter Delikte, sondern vom Strafmass und damit vom Verschulden abhängig. So verhindert der Gegenvorschlag, dass eine Ausweisung auch wegen Bagatelldelikten verfügt wird, was im Fall der Annahme der Initiative durchaus der Fall sein könnte. Für das rot-grüne Lager wurde die Vorlage dadurch nicht geniessbarer.

 Wahl der Qual

 Allerdings sah sie sich vor die Wahl "zwischen Pest und Cholera" gestellt, wie es Maria Roth-Bernasconi (SP, GE) formulierte. Sowohl die Initiative wie auch der Gegenvorschlag vergifteten die Gesellschaft und schafften ein Klima der Fremdenfeindlichkeit. Der Grüne Daniel Vischer (ZH) sah gar einen "Hort der Menschenrechte" zu einem "Unrechtsstaat" verkommen.

 Sie konnten nicht verhindern, dass die Initiative mit 118 zu 69 Stimmen für gültig erklärt wurde. Weder der Bundesrat noch der Ständerat hatten eine Verletzung von zwingendem Völkerrecht festgestellt.

 Darauf schluckte eine Mehrheit der SP die Kröte und stimmte dem Gegenvorschlag zu. Die Erinnerung an die Minarett-Initiative war zu frisch, als dass die Linke das Risiko eingehen wollte, mit leeren Händen in einen Abstimmungskampf gegen ein populistisches Anliegen der SVP zu ziehen.

 Zückerchen für die Linke

 Etwas versüsst wurde ihr die Zustimmung zum Gegenvorschlag durch einen Integrationsartikel, welcher einen "echten Mehrwert" darstellt, wie Andy Tschümperlin (SP, SZ) sagte. In verschiedenen Punkten ist der Nationalrat von der Version des Ständerates abgewichen. Er ergänzte etwa den Deliktkatalog um die schwere Körperverletzung und konkretisierte den Integrationsartikel. Die Vorlage geht darum zurück an den Ständerat.

 Nicolas Hehl/sda

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Kommentar

 Pragmatischer Weg

Pascal Schwendener

 Weggewiesen wird heute schon. Im Kanton Bern wurden im vergangenen Jahr 92 Wegweisungen von straffälligen Ausländern verfügt. Mit dem Gegenentwurf wären es 5 bis 10 mehr gewesen, hat die SP errechnet, mit dem Vorschlag der SVP viermal so viele. Die SP hat erkannt: Eine eigentliche Wegweisungswelle hätte keine der beiden Varianten zur Folge.

 Was die SP auch weiss: Weggewiesen wird heute nach äusserst problematischen Kriterien. Dabei ist weniger das Delikt entscheidend als der Wohnort. Manche Kantone sind rigoros, andere lasch. Eine Harmonisierung der Regeln, wie sie der Gegenvorschlag vorsieht, ist rechtsstaatlich dringend erforderlich.

 Trotzdem haben sich die Genossen schwergetan, dem Gegenvorschlag zum Durchbruch zu verhelfen. Beinahe hätten sie mit ihrem Zaudern dafür gesorgt, dass nur die unausgegorene SVP-Initiative alleine vors Volk kommt. Doch die SP hat anscheinend aus den vergangenen Missbrauchsdebatten im Asyl- und Sozialhilfebereich gelernt und sich in letzter Minute doch noch anders entschieden. Im Wissen darum, dass die Ausschaffung krimineller Ausländer populär ist und die SVP-Initiative im Volk gute Chancen hat, unterstützt die Linke das kleinere Übel. Dieser Pragmatismus ist lobenswert. Freilich wird es die Partei noch einige Anstrengung kosten, ihre Basis von dieser Politik zu überzeugen. Ob ihr das - dank dem Integrationsartikel - gelingt, zeigt sich im November an der Urne.

 pascal.schwendener@bernerzeitung.ch

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NZZ 3.6.10

Auch Gegenvorschlag soll an die Urne

 Ausschaffungsinitiative zugelassen

 jro. ⋅ Sowohl die Ausschaffungsinitiative der SVP wie auch der direkte Gegenvorschlag des Parlaments sollen nach dem Willen des Nationalrates zur Abstimmung gelangen. Der Gegenvorschlag enthält neu eine ausführliche Bestimmung zur Integrationsförderung. Er nahm nur dank den Stimmen der SP-Parlamentarier die Hürde der grossen Kammer. Bis vor kurzem hatten die Sozialdemokraten mit der Ablehnung gedroht, doch nur eine Minderheit stimmte Nein. Der Tenor lautete, dass die SVP-Initiative und der Gegenvorschlag die Fremdenfeindlichkeit schürten, der Gegenentwurf aber das kleinere Übel sei. Für den Gegenentwurf votierten auch FDP, CVP und BDP.

 Schweiz, Seite 9

 Meinung & Debatte, Seite 21

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Die SP verhilft dem Gegenentwurf zum Durchbruch

 Der Nationalrat lässt SVP-Ausschaffungsinitiative zu und stellt ihr eine völkerrechtskonforme Alternative gegenüber

 Der direkte Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative hat dank SP-Stimmen die nationalrätliche Hürde übersprungen. Er enthält neu eine ausführliche Bestimmung zur Integrationsförderung.

 Niklaus Nuspliger, Bern

 Das Volk wird über die SVP-Ausschaffungsinitiative und über einen Gegenentwurf des Parlaments abstimmen können. Nach dem Ständerat beschloss am Mittwoch auch der Nationalrat nach sechs Stunden Debatte, die Initiative für gültig zu erklären, ihr aber einen direkten Gegenvorschlag vorzuziehen. Die Verfassungsnorm geht zur Differenzbereinigung zurück in den Ständerat und dürfte bis Ende Session bereinigt sein.

 Integration als Zückerchen

 Es war die SP, die dem Gegenentwurf zum Durchbruch verhalf - obwohl sie bis vor kurzem noch mit Ablehnung gedroht hatte. Eine SP-Minderheit blieb beim Nein, doch die Mehrheit stimmte der Verfassungsnorm zu oder enthielt sich der Stimme, womit der Gegenentwurf dank dem Sukkurs von FDP, CVP und BDP mit 94 zu 86 Stimmen und 11 Enthaltungen angenommen wurde. Es sei eine "Wahl zwischen Pest und Cholera", meinte Maria Roth-Bernasconi (sp., Genf) zum SP-Dilemma. SVP-Initiative und Gegenvorschlag schürten die Fremdenfeindlichkeit, doch sei der Gegenentwurf das kleinere Übel.

 Für ihre Zustimmung bedingte sich die SP einen Integrationsartikel aus, der die Grundlage für ein verstärktes finanzielles Engagement des Bundes sowie für eine stärkere Steuerung der Integration in den Kantonen bieten soll (siehe Kasten). Der Artikel biete "einen echten Mehrwert", erklärte Andi Tschümperlin (sp., Schwyz). Auch CVP und FDP stimmten zu: Kurt Fluri (fdp., Solothurn) betonte, dank Integration könne verhindert werden, dass ein Ausländer überhaupt straffällig werde. Hans Fehr (svp., Zürich) bezeichnete den Artikel hingegen als "exzessiv", zudem beziehe sich die Ausschaffungs-Thematik auf Ausländer, bei denen die Integration gescheitert sei. Dennoch wurde der Artikel mit 102 zu 62 Stimmen bei 23 (grünen) Enthaltungen angenommen.

 Dass aber eine härtere ausländerrechtliche Gangart einzuschlagen sei, war für FDP und CVP klar: Der Nationalrat hielt sich daher an den Gegenentwurf des Ständerats. Während die Initiative Ausländer automatisch ausschaffen will, wenn sie spezifisch aufgelistete Delikte begangen haben, geht der Gegenentwurf auch vom Strafmass für ein Delikt und somit vom Verschulden aus. Wer ein Bagatelldelikt begeht, würde nicht ausgeschafft. Demgegenüber sieht der Gegenentwurf anders als die Initiative Ausschaffungen bei schweren Wirtschaftsdelikten vor. Neu nahm der Nationalrat auch die schwere Körperverletzung in den Deliktskatalog auf.

 Für die vorberatende Kommission betonte Philipp Müller (fdp., Aargau), die Initiative stehe wegen ihres Automatismus im Konflikt zu nichtzwingendem Völkerrecht, was eine wortgetreue Umsetzung verunmöglichen würde. Dem Volk sei eine Verfassungsnorm zu unterbreiten, die auch umsetzbar sei. Daher halte der Gegenentwurf explizit fest, dass bei Ausweisungs-Entscheiden "Grundrechte und Grundprinzipien" von Verfassung und Völkerrecht beachtet werden müssen. Auf Antrag von Daniel Jositsch (sp., Zürich) wurde auch die Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips ausdrücklich festgehalten.

 Dieser Passus war die Zielscheibe für die SVP-Kritik: Die schwammige Formulierung ermögliche beliebige Ausnahmen, meinte Hans Fehr (svp., Zürich). Offenbar suche man nach Gründen, um Ausschaffungen zu verhindern. Die von Mittepolitikern oft vorgebrachte Gegenfrage, ob die SVP bei einer Annahme der Initiative die Europäische Menschenrechtskonvention aufkündigen wolle, brachte hingegen die SVP-Votanten immer wieder in Verlegenheit.

 Problematisch, aber gültig

 SP und Grüne waren der Ansicht, die Initiative verstosse auch gegen das zum zwingenden Völkerrecht zählende Non-Refoulement-Gebot, weshalb sie für ungültig zu erklären sei. Die Initiative wolle auch Menschen in Staaten ausschaffen, wo sie an Leib und Leben bedroht wären, argumentierte Andreas Gross (sp., Zürich). Mit 118 zu 69 Stimmen lehnte der Rat den Antrag auf Ungültigkeit ab. Die Ratsmehrheit folgte der Argumentation von Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf: Der Initiativtext spreche nur von Ausweisung, nicht aber von Ausschaffung als deren Vollzug. Wenn ein Mensch in einem Staat an Leib und Leben gefährdet sei, würde die Schweiz eine Ausweisung nicht vollziehen. Eine Umsetzung unter Wahrung des zwingenden Völkerrechts sei also möglich - und die Initiative gemäss gegenwärtiger Praxis zuzulassen.

 Meinung & Debatte, Seite 21

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 Der Integrationsartikel im Wortlaut
 
 Der Nationalrat hat den direkten Gegenvorschlag des Ständerats um einen Integrationsartikel ergänzt. Dieser lautet wie folgt: BV Art. 121a (neu) Integration ¹ Das Ziel der Integration ist der Zusammenhalt der einheimischen und ausländischen Bevölkerung. ² Die Integration erfordert von allen Beteiligten die Respektierung der Grundwerte der Bundesverfassung und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, den Willen zu eigenverantwortlicher Lebensführung sowie die Verständigung mit der Gesellschaft. ³ Die Förderung der Integration bezweckt die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für die chancengleiche Teilhabe der ausländischen Bevölkerung am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben. ⁴ Bund, Kantone und Gemeinden stellen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Berücksichtigung der Anliegen der Integration sicher. ⁵ Der Bund legt die Grundsätze der Integration fest und fördert Integrationsmassnahmen der Kantone, Gemeinden und von Dritten. ⁶ Der Bund überprüft periodisch den Stand der Integration. Kommen die Kantone den Anliegen der Integrationsförderung nicht nach, so kann der Bund die notwendigen Vorschriften erlassen.

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Ehrlichkeit und Symbolik

 Der Gegenentwurf des Parlaments ist die realpolitisch notwendige Antwort auf die SVP-Ausschaffungsinitiative, aber kein Allheilmittel. Von Niklaus Nuspliger

Niklaus Nuspliger (nn)

 Die Bestrafung von Delinquenten hat im liberalen Rechtsstaat unabhängig von statistischen Merkmalen wie Nationalität, Geschlecht oder sozialem Hintergrund zu erfolgen. Differenzieren lässt sich aber bei den verwaltungsrechtlichen Folgen einer Straftat: Anders als ein Schweizer Bürger kann ein krimineller Ausländer sein Recht auf Aufenthalt verlieren. Dies ist bereits heute möglich, auch wenn die Praxis in den Kantonen unterschiedlich ist.

 Kollision mit dem Völkerrecht

 Die am Mittwoch im Nationalrat behandelte SVP-Ausschaffungsinitiative verlangt eine Verschärfung und Vereinheitlichung dieser Praxis und will einen Automatismus in die Verfassung schreiben: Kriminelle Ausländer - die willkürliche Liste reicht vom Mörder bis zum Sozialhilfebetrüger - sollen ohne Rücksicht auf Umstände im Einzelfall ausser Landes geschafft werden. Dieser Automatismus kollidiert mit diversen völkerrechtlichen Verträgen, weshalb die Initiative nicht buchstabengetreu umgesetzt werden könnte. So können EU-Bürger wegen der Personenfreizügigkeit nur in besonders schweren Fällen ausgeschafft werden. Konflikte ergeben sich auch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Da sich der Initiativtext aber mit etwas Spitzfindigkeit unter Wahrung des zum zwingenden Völkerrecht gehörenden Non-Refoulement-Gebots umsetzen lässt, hat der Nationalrat die Initiative für gültig erklärt. Demokratiepolitisch ist dieser Entscheid richtig, sollen doch auch Debatten über inhaltlich fragwürdige Begehren nicht juristisch abgewürgt werden.

 Weiter beschloss der Nationalrat, der Initiative den vom Ständerat im März lancierten Gegenentwurf gegenüberzustellen. Auch dieser Entscheid ist - vorab aus taktischer Sicht - zu begrüssen. Denn dass das SVP-Anliegen bei vielen Stimmbürgern verfangen dürfte, zeigt die hohe Zahl gesammelter Unterschriften. Eine pragmatische Mehrheit der SP verhalf daher dem Gegenentwurf unter Zähneknirschen zum Durchbruch. Im Gegenzug nahmen CVP und FDP einen länglichen Passus zur Integration in den Gegenentwurf auf, der als Grundlage für ein auch finanziell stärkeres Bundesengagement dienen soll. Über den Zusammenhang von Ausschaffungen und Integration kann man sich streiten. Doch wirkt es auch im Hinblick auf den Abstimmungskampf überzeugend, wenn die politische Antwort auf die immer pluralistischere Gesellschaft nicht nur repressive Forderungen, sondern auch die Förderung der Chancengleichheit enthält.

 Davon abgesehen nimmt der Gegenentwurf den Ruf der Initianten nach mehr ausländerrechtlicher Härte auf, wobei er die Ausweisung von Ausländern nicht nur von einer zufälligen Liste von Delikten, sondern auch vom klar definierten Strafmass und somit von der Schwere des konkreten Delikts abhängig macht. Gemäss Gegenentwurf hätten Bagatelldelikte wie ein simpler Sozialhilfemissbrauch kaum eine Ausweisung zur Folge, andere Straftaten wie etwa von der Initiative nicht berücksichtigte schwere Wirtschaftsdelikte hingegen schon.

 Güterabwägung bleibt möglich

 Vor allem aber relativiert der Gegenentwurf den Automatismus der Initiative: Der Entscheid über die Ausweisung hat "Grundrechte und Grundprinzipien der Bundesverfassung und des Völkerrechts" und insbesondere das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten. Die SVP beklagt daher eine Verwässerung ihres Anliegens und befürchtet, der Verhinderung von Ausschaffungen werde Tür und Tor geöffnet. Es ist aber gerade zu begrüssen, dass beispielsweise bei minderjährigen Straftätern eine Güterabwägung zwischen Ruf nach Ausschaffungen und dem Prinzip der Einheit der Familie im Einzelfall möglich bleibt. Im Grunde genommen sind aber die expliziten Bekenntnisse zu Völkerrecht und Verfassung im Gegenentwurf bloss symbolischer Natur: Denn dass bei der gesetzlichen Umsetzung einer neuen Verfassungsnorm nicht auf einen Schlag alle ihr widersprechenden Grundrechte ausser Kraft gesetzt werden oder im Konfliktfall die EMRK aufgekündigt wird, versteht sich von selbst. Dies wäre auch bei der gesetzlichen Umsetzung der Initiative zu berücksichtigen, was die SVP dem Volk jedoch tunlichst verschweigt.

 Der Gegenentwurf des Parlaments ist ehrlicher als die SVP-Volksinitiative, indem er dem Volk die rechtsstaatlichen Grenzen aufzeigt, die auch in der Ausländerpolitik gelten. Der Abstimmungskampf bietet zudem die Chance für eine offene Debatte über das Verhältnis von Demokratie und Rechtsstaat. Als Allheilmittel für mehr Sicherheit sollte der Gegenentwurf aber nicht gepriesen werden: Zwar kann die Verfassungsnorm allenfalls eine abschreckende Wirkung entfalten sowie zu einer restriktiveren Praxis in den Kantonen führen. Gemäss Schätzungen der Verwaltung müssten jährlich statt der heutigen 400 neu 700 kriminelle Ausländer die Schweiz verlassen. Um Ausschaffungen aber auch durchzusetzen, ist die Aushandlung von Rückführungsabkommen der effektivere Weg.

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Gegen kürzere Ausschaffungshaft

 Differenz zur EU-Richtlinie

 (sda) ⋅ Der Nationalrat lehnte es mit 92 zu 51 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab, die Höchstdauer der Ausschaffungshaft von 24 auf 18 Monate zu senken. Dies verlangt die in Schengen massgebende Rückführungsrichtlinie. In der Schweiz müsse auch in Zukunft die heute geltende Höchstdauer von 24 Monaten beibehalten werden, fanden die bürgerlichen Parteien. Der Bundesrat solle sich im Schengen-Ausschuss dafür engagieren, dass die maximale Dauer der Ausschaffungshaft auf 24 Monate angehoben werde, forderte Kurt Fluri (fdp., Solothurn). Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf äusserte sich aber pessimistisch zu den Erfolgsaussichten.

 Weiter hat der Nationalrat die Vorlage dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts angepasst, dass Asylsuchende nach einem Nichteintretensentscheid nicht mehr sofort in einen Dublin-Staat zurückgeführt werden dürfen. In der Gesamtabstimmung passierte die Vorlage mit 134 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung.

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Basler Zeitung 3.6.10

Nur die Mitte ist zufrieden

 Nationalrat setzt auf Gegenvorschlag zur Ausschaffungs-Initiative

 Ruedi Studer, Bern

 Der Nationalrat ist dem Ständerat gefolgt und hat einen direkten Gegenvorschlag zur Ausschaffungs-Initiative der SVP verabschiedet. Es war viel Taktik mit im Spiel.

 Über sechs Stunden diskutierte der Nationalrat gestern über die Ausschaffungs-Initiative der SVP. Das Resultat der emotional geführten Debatte: Die Initiative ist gültig, wird aber abgelehnt. Stattdessen wird dem Volk ein direkter Gegenvorschlag zur Annahme empfohlen. In der Gesamtabstimmung obsiegte dieses Vorgehen aber nur knapp mit 94 zu 86 Stimmen.

 Erleichtert darüber zeigte sich nach der Debatte die Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker. Sie hatte in ihrer Fraktion für den Gegenvorschlag lobbyiert: Nicht aus tiefer Überzeugung, sondern weil sie darin die einzige Möglichkeit sieht, die Ausschaffungs-Initiative zu bodigen. Während einige linke Volksvertreter nur aus taktischen Gründen für den Gegenvorschlag votierten, will sich Schenker auch weiterhin für den Kompromiss engagieren. "Ich kann mit ihm leben, und er hat durchaus auch positive Elemente", verweist sie etwa auf die Integrationsbestimmungen.

 In der SP dürfte sie mit dieser Haltung aber in der Minderheit bleiben. Es ist absehbar, dass die Partei an der Urne für ein doppeltes Nein plädieren wird, wie dies die grüne Fraktion bereits beschlossen hat. "Ich will zwar nichts vorwegnehmen, aber wir stehen dem Gegenvorschlag inhaltlich eher skeptisch gegenüber", sagt denn auch SP-Generalsekretär Thomas Christen. Bei den Mitteparteien hingegen ist die Haltung klar: Die Initiative wird abgelehnt, der direkte Gegenvorschlag befürwortet - auch inhaltlich.

SVP-Ärger. Keine Freude am Kompromiss hat die SVP. "Die Gegenseite unternimmt alles, damit kriminelle Ausländer nicht ausgeschafft werden müssen", ärgert sich Parteichef Toni Brunner. Der Gegenvorschlag verwässere die SVP-Forderung und sehe neu eine "Litanei von Integrationsbestimmungen" vor. Für ihn ist deshalb klar: "Eine doppelte Ja-Parole wird es von unserer Partei nicht geben, das wäre unserer Geschichte unwürdig." Das Geschäft geht nun zur Differenzbereinigung zurück an den Ständerat. Dieser hat sich im Grundsatz aber schon früher für den direkten Gegenvorschlag ausgesprochen. > Seiten 2, 5

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Kampfansage an kriminelle Ausländer

Der Nationalrat erklärt die Ausschaffungsinitiative für gültig und tritt auf den Gegenvorschlag ein
 
Martin Rupf

 Das neueste kontroverse Anliegen der SVP sorgte gestern in der grossen Kammer für eine teils lebhafte, teils gehässige Diskussion.

 Nach über sechsstündiger Debatte war der Entscheid endlich gefällt: Der Nationalrat erklärt die Ausschaffungsinitiative für gültig und tritt auf den Gegenvorschlag ein. Dieser lehnt sich zwar an die Initiative an, indem er die Ausschaffung krimineller Ausländer vorschreibt. Er umgeht aber Konflikte mit dem Völkerrecht und macht Ausschaffungen nicht von bestimmten Delikten, sondern vom Strafmass abhängig. Zudem enthält er Bestimmungen zur Integration von Ausländern (siehe Texte unten).

 Während die SVP vom Gegenvorschlag zu ihrer Initiative nichts wissen wollte, stellten sich die FDP, CVP, BDP und Grünliberale geschlossen dahinter. Das Zünglein an der Waage spielten damit die Sozialdemokraten. Am liebsten hätte die SP die Initiative wegen Verstosses gegen zwingendes Völkerrecht für ungültig erklärt. Maria Roth-Bernasconi (GE) sprach von einer "Wahl zwischen Pest und Cholera", "denn beide Vorlagen vergiften die Gesellschaft und schafften ein Klima der Fremdenfeindlichkeit".

 Aggression

Ihr Parteikollege Andy Tschümperlin (SZ) fügte an: Wenn die Mehrheit der Fraktion auf den Gegenvorschlag eintrete, dann nur, weil sie die Initiative für sehr viel gravierender halte. Für eine Ungültigerklärung machte sich Andreas Gross (SP, ZH) stark: "Jeder Mensch hat Grundrechte und diese stehen nicht zur Disposition der Mehrheit eines Volkes, einer Regierung, eines Parlaments."

 Das wiederum trieb Hans Fehr (SVP, ZH) auf die Palme: "Gross soll sein eigenes Recht irgendwo auf einer Jurahöhe schaffen, aber wir wollen hier den Rechtsstaat durchsetzen." Sachlicher drückte sich Kurt Fluri (FDP, SO) aus: Wenn ein Ausländer sein Aufenthaltsrecht verliere, bedeute das gemäss Initiative nicht zwingend, dass er auch ausgeschafft werde. Dies wäre nur dann der Fall, wenn kein Völkerrecht verletzt würde.

 Zuweilen wähnte man sich als Zuhörer eher an einer Albisgüetli-Tagung der SVP denn im Bundeshaus: "Die Schweiz darf nicht zum Schlaraffenland und zum Auffangbecken für kriminelle Ausländer werden", forderte Walter Wobmann (SVP, SO): "In der Schweiz haben wir die einzigartigste Demokratie dieser Welt." Auf alle Fälle ist es eine lebhafte Demokratie, denn während der Debatte musste Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer die Räte immer wieder um mehr Ruhe bitten.

 Integration

Viel zu reden gab auch der im Gegenvorschlag vorgesehene Integrationsartikel. Die SVP wollte partout nicht einsehen, was dieser in einer Ausschaffungsvorlage zu suchen habe. Ruth Humbel (CVP, AG) versuchte es zu erklären: "Integration hat sehr wohl etwas mit Ausschaffung zu tun. Integration ist Prävention, damit Ausländer gar nicht erst kriminell werden."

 > Tageskommentar Seite 2

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 Initiative

 Mit Repression

 Tat Entscheidend. Mit der Ausschaffungsinitiative will die SVP Ausländer, die in der Schweiz schwere Verbrechen begehen, ausser Land bringen. Zudem sollen sie mit einem Einreiseverbot belegt werden.> Ausschaffungsgründe. Ausländer sollen bei folgenden Verurteilungen ausgeschafft werden: vorsätzliches Tötungsdelikt, Vergewaltigung oder ein anderes schweres Sexualdelikt, Raub, Drogenhandel oder ein Einbruch. Auch wer missbräuchlich Leistungen der Sozialversicherungen bezieht, soll ausgeschafft werden.> Integration. Die Ausschaffungsinitiative sieht keinen Integrationspassus vor. Hans Fehr (SVP, ZH): "Wenn ausgeschafft werden muss, dann ist die Integration gescheitert, dann müssen Sie nicht noch ellenlange Integrationsvorschriften machen."> Verfassung und Völkerrecht. Kritiker der Initiative sind der Auffassung, das Begehren verletze zwingendes Völkerrecht, insbesondere das Gebot, das Rückführungen von Ausländern in Staaten verbietet, in denen sie Gefahr für Leib und Leben zu befürchten hätten.  mru

 Gegenvorschlag

 Mit Integration

 Strafe entscheidend. Der Gegenvorschlag des Parlaments sieht ebenfalls die Ausschaffung straffälliger Ausländer vor. Jedoch listet dieser keine Straftatbestände auf, sondern legt ein Mindeststrafmass als Kriterium fest.> Ausschaffungsgründe. Der Gegenvorschlag sieht Tatbestände wie Mord, Vergewaltigung oder eine andere mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bedrohte Tat vor. Hinzu kommen schwere Körperverletzung und Wirtschaftsdelikte. Ausländer, die für eine andere Tat zwei Jahre Gefängnis erhalten, werden ebenfalls ausgeschafft.> Integration. In ihrer Vorlage präsentierte die Staatspolitische Kommission des Nationalrates einen Integrationsartikel: Bund, Kantone und Gemeinden sollen die Integration fördern.> Verfassung und Völkerrecht. Beim Entscheid über den Entzug des Aufenthaltsrechts und die Wegweisung sind die Grundrechte sowie die Prinzipien der Verfassung und des Völkerrechts zu beachten.  mru

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 Namentlich

 Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag

 Knapp. Der Nationalrat hat die SVP-Initiative mit 118 zu 69 Stimmen bei einer Enthaltung für gültig erklärt - und sich in der Gesamtabstimmung mit 94 zu 86 Stimmen bei elf Enthaltungen dafür ausgesprochen, ihr einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen. So stimmten die Vertreter der Region:

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 Vier kurze Voten aus einer langen Debatte

 "Wer von einer Giftschlange gebissen wird, nimmt ein Gegengift. Der Gegenvorschlag ist das Gegengift zur Initiative."

 Silvia Schenker. SP-Nationalrätin (BS).

 "Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Strafverbüssung in unseren Gefängnissen wie ein Aufenthalt im Viersternehotel."

 Christian Miesch. SVP-Nationalrat (BL).

 "Unbequeme Menschen auszuweisen, zeugt von Schwäche. Dies ist eines aufgeschlossenen Staats nicht würdig."

 Anita Lachenmeier. Grüne Nationalrätin (BS).

 "Wir lehnen die Initiative ab, weil sie ein wildes Sammelsurium von Straftaten enthält - vom Mörder bis zum Kleindealer."

 Kurt Fluri. FDP-Nationalrat (SO).

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"Wir zählen auf Secondos"

 Menschenrechtsaktivist Glättli kämpft für zwei Nein

 INTERVIEW: Ruedi Studer, Bern

 Balthasar Glättli (37) von der Menschenrechtsorganisation Solidarité sans frontières koordiniert die Kampagne gegen die SVP-Ausschaffungsinitiative und den direkten Gegenvorschlag.

 BaZ: Herr Glättli, das Parlament will dem Volk neben der Ausschaffungsinitiative der SVP als einen direkten Gegenvorschlag vorlegen. Weshalb kämpfen Sie für ein doppeltes Nein?

 Balthasar Glättli: Wir wehren uns gegen den geplanten Automatismus für Ausschaffungen. Solche sind heute im Einzelfall bereits möglich, aber sie müssen verhältnismässig sein. Das muss so bleiben.

 Am 26. Juni organisieren Sie in Bern eine Demo gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung. Der Auftakt zur Zweimal-Nein-Kampagne?

 Gewissermassen ja. Unsere Kundgebung läuft unter dem Motto "Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich." und wird erstmals einige Tausend Leute auf die Strasse bringen, die gegen die Ausschaffungsinitiative und den Gegenvorschlag protestieren. Die Abstimmung wird vielleicht schon im November stattfinden, deshalb müssen wir rechtzeitig in die Offensive gehen und informieren. Wir dürfen nicht wie bei der Minarettinitiative den Fehler begehen, uns in der trügerischen Sicherheit zu wähnen, die Initiative werde keine Mehrheit finden. Ein doppeltes Ja ist denkbar, umso stärker müssen wir uns deshalb für das doppelte Nein engagieren.

 Die SVP wird eine Schwarzes-Schaf-Kampagne führen. Wie halten Sie dagegen?

 Unsere Kriegskasse ist nicht so gut gefüllt wie jene der SVP, deshalb können wir auch kaum wie sie die Schweiz mit Plakaten vollpflastern. Wir setzen auf eine witzige Basiskampagne und das Internet. Wir hoffen auf eine breite Allianz aus Parteien und Menschenrechtsorganisationen. Und noch wichtiger: Wir zählen auf das Engagement der Secondos und Secondas in der Schweiz, für die ein diskriminierendes Sonderrecht geschaffen würde.

 Ausgerechnet Secondos sollen sich der Gefahr der Stigmatisierung aussetzen, indem sie sich für kriminelle Ausländer einsetzen?

 Dass in der Schweiz nicht Blutrache, Faust- und Sonderrecht herrschen sondern das gleiche Strafrecht für alle gilt, ist ein Zeichen des Fortschritts. Auch Secondos dürfen dafür kämpfen, dass das so bleibt.

 Nach der Annahme der Minarettinitiative dürfte das Interesse der Secondos nicht gerade gross sein, sich zu exponieren.

 Gerade diese Initiative hat gezeigt, dass man sich nicht verstecken darf. Eine Schneckenloch-Strategie führt nie zum Erfolg. Ausländer müssen und werden sich für sich selbst wehren.

 Selbst wenn Sie die Secondos auf Ihre Seite ziehen, bringt das ihnen wenig: Abstimmen dürfen die Ausländer ja nicht.

 Wir hoffen, dass sie unsere Kampagne finanziell unterstützen. Und zudem, dass sie in ihrem eigenen Netzwerk - bei Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen - gegen die beiden Vorlagen lobbyieren.

 Trotzdem dürften Sie es in einem Abstimmungskampf gegen das Schlagwort "Ausländerkriminalität" schwer haben.

 Wir starten tatsächlich mit viel Gegenwind. Eine mögliche Niederlage darf uns aber nicht davon abhalten, uns für Grundwerte und Menschenrechte zu engagieren. Die Menschenwürde muss für alle gelten. Sie darf nicht in Angstreflexen und der Sündenpolitik der SVP untergehen.

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Tageskommentar

Gefahr ist nicht gebannt

Ruedi Studer

 Der Nationalrat bremst die SVP mit einem direkten Gegenvorschlag zur AusschaffungsInitiative aus. Allerdings wäre das Bremsmanöver beinahe an einer unheiligen Allianz aus SVP, Grünen und Teilen der SP gescheitert. Die Mitteparteien und die pragmatische Linke haben dem Gegenvorschlag zum Durchbruch verholfen. Zum Glück. Denn ohne diesen Kompromiss wäre der Weg für den Erfolg der willkürlichen und völkerrechtswidrigen SVP-Initiative frei gewesen. Damit hätte ein ähnliches Ergebnis gedroht wie bei der Minarett-Initiative: die Annahme einer problematischen Vorlage in der Volksabstimmung. Diese Gefahr ist zwar mit dem Gegenvorschlag noch nicht gebannt, aber zumindest arg eingedämmt.

 Ist der Gegenvorschlag aus taktischen Gründen ein Muss, so ist er auch aus inhaltlichen Überlegungen zumindest prüfenswert. Im Gegensatz zur SVP-Initiative verhindert er nämlich einen eigentlichen Ausschaffungsautomatismus selbst bei Bagatelldelikten. Zudem liefert er für den Entzug des Aufenthaltsrechts klare Kriterien, die sich an der Schwere des Verschuldens orientieren. Weiter macht er auch klare Vorbehalte bezüglich des Aufenthaltsrechtsentzugs und der Ausweisung. So müssen Grundrechte, Verfassungsmässigkeit wie auch Verhältnismässigkeit gewahrt bleiben. Im Vergleich zur heutigen Praxis würde sich damit möglicherweise nicht allzu viel ändern.

 Und schliesslich beinhaltet der Gegenvorschlag neu einen Integrationsartikel, der diesbezüglich eine positive Dynamik auslösen könnte. Damit könnte sich der Kompromiss der Pragmatiker sogar noch als Glücksfall erweisen. ruedi.studer@baz.ch

 > Seite 5

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20 Minuten 3.6.10

Ausschaffungs-Initiative: Ein Ja zum Gegenvorschlag

 BERN. Der Nationalrat erklärt die Ausschaffungs- Initiative der SVP für gültig. Er stellt ihr aber einen Gegenvorschlag gegenüber.

 Die mit über 200 000 Unterschriften zustande gekommene Ausschaffungs-Initiative der SVP ist gültig. Zu diesem Schluss kam gestern nach mehrstündiger, hitziger Debatte eine Mehrheit des Nationalrats und folgte damit dem Antrag des Bundesrats. Wie schon der Ständerat stellte aber auch der Nationalrat der Vorlage einen Gegenvorschlag gegenüber. Dieser stützt sich auf den Initiativtext, umschifft aber Konflikte mit dem Völkerrecht. So wird eine Ausweisung nicht an eine bestimmte Straftat geknüpft.

 Die Ratslinke schluckte die Kröte: Obwohl sie den Gegenvorschlag inhaltlich ablehnt, verhalf sie ihm letztendlich zur Mehrheit. "Dies ist der einzig realistische Weg, um ein Ja zur Initiative zu verhindern", sagte Silvia Schenker (SP). Ganz zum Missfallen von Alfred Heer (SVP): "Die Initativgegner wollen mit dem Gegenvorschlag die Kriminalität verhätscheln und sogar bewirtschaften."

 Weil der Nationalrat in einigen Punkten von der ständerätlichen Version abgewichen ist, geht die Vorlage nun zurück in die Kleine Kammer. Einigen sie sich, kann das Volk darüber befinden.  

Antonio Fumagalli

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 Bei der Debatte über die Ausschaffungsinitiative kreuzten die Nationalräte die verbalen Klingen

 "Wir müssen die Integration fördern und fordern. Bei einer Annahme der Initiative sind die Auswirkungen für die Migranten nicht abzuschätzen."

 Andy Tschümperlin (SP)

 "Ich habe das Gefühl, dass viele das geltende Recht nicht kennen. Eine Ausschaffung ist heute schon möglich, nur orientiert sie sich am Strafmass."

 Daniel Vischer (Grüne)

 "In diesem Saal gibts noch zwei Parteien: die SVP und die übrigen. Diese suchen verzweifelt nach Wegen, um kriminelle Ausländer nicht auszuschaffen."

 Toni Brunner (SVP)

 "Es kann sein, dass wir die Europäische Menschenrechtskonvention eines Tages künden müssen. Aber nicht wegen der Ausschaffungs-Initiative."

 Hans Fehr (SVP)

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Blick am Abend 2.6.10

Hartes Ringen um die Ausschaffung

 NATIONALRAT

 Was tun mit kriminellen Ausländern? Selten waren die Fronten so verhärtet.

 Simon.hehli@ringier.ch

 Totaler Gegensatz heute im Nationalrat: Die Linke will die Ausschaffungsinitiative für völkerrechtswidrig erklären (siehe Kasten) - wird dafür aber keine Mehrheit finden. Die SVP sagt: Nur mit der Initiative bleibt die Schweiz ein Rechtsstaat.

 So dreht sich alles um einen Kompromiss in Form eines Gegenvorschlags zur Initiative.

 Die SVP will alle ausländischen Schwerststrafläter rauswerfen. Der Gegenvorschlag von CVP und FDP ist moderater: Es soll Ausnahmen geben und einen neuen Integrationsartikel. Für SVP-Boss Toni Brunner aber ist klar: "Ausländer, die hier morden, vergewaltigen oder das Sozialsystem betrügen, habendas Gastrecht verwirkt." Schliesslich müsse in der Schweiz niemand aus Hunger oder Durst Straftaten begehen. Weil CVP und FDP geschlossen für den Gegenvorschlag sind und die SVP geschlossen dagegen, spielt die Linke das Zünglein an der Waage. Die Grünen werden ebenfalls gegen den Gegenvorschlag stimmen. So kommt der Gegenvorschlag nur mit Stimmen von Sozialdemokraten durch, die einen Erfolg der SVP-Initiative so verhindern wollen.

 Denn sie wissen: Ohne Gegenvorschlag dürfte das mit 210 000 Unterschriften eingereichte Begehren an der Urne leichtes Spiel haben. Wie SP-Präsident Christian Levrat bestätigt, haben sich in seiner Fraktion in einer Vorabstimmung zwei Drittel dafür ausgesprochen, Ja zu sagen oder sich der Stimme zu enthalten. Das dürfte dem Gegenvorschlag eine knappe Mehrheit einbringen. Die Abstimmung in der Monsterdebatte mit 48 Rednern erfolgt heute Nachmittag (nach Redaktionsschluss).

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 48 Redner gaben ihre Meinung ab.

 DIE WICHTIGSTEN BEGRIFFE

 Der Schweizer Streit ums Völkerrecht

 Die Ausschaffungsinitiative verlangt, dass Ausländer die Schweiz verlassen müssen, wenn sie ein schweres Verbrechen begehen. Die Gegner sagen, die Initiative Verstosse gegen das "zwingende Völkerrecht" und sei deshalb ungültig. Laut Bundesrat werden unter dem "zwingenden Völkerrecht" die elementarsten Rechte verstanden, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aufgeführt sind: Verbot von Folter, Völkermord und Sklaverei, keine Rückschaffung von Menschen in das Heimatland, wenn aus rassistischen oder politischen Motiven Verfolgung droht. Der letzte Punkt, das sogenannte "non-refoulment"-Prinzip, ist der Knackpunkt der Ausschaffungsinitiative. Die Befürworter der Initiative argumentieren, dieses Prinzip könne auf dem Gesetzesweg in der Schweiz eingehalten werden und das Völkerrecht dürfe nicht demokratische Entscheide der Schweiz brechen. Das Völkerrecht sage auch, dass sich ein Flüchtling nicht auf das "non-refoulment" beziehen könne, wenn er im Gastland, (z.B. der Schweiz), schwere Verbrechen begeht. mip

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AUSSCHAFFUNGSTOD
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NZZ 3.6.10

Nach dem Tod des Nigerianers

 (sda) ⋅ Die Schweiz hat an die Familie des nigerianischen Ausschaffungshäftlings, der Mitte März am Flughafen Zürich gestorben ist, eine Zahlung geleistet, wie eine Sprecherin des Bundesamtes für Migration (BFM) gegenüber dem Westschweizer Fernsehen TSR sagte. Wie viel Geld die Familie erhalten hat, wollte das BFM nicht bekanntgeben. Es handle sich um eine "humanitäre Geste", die zur Deckung der Bestattungskosten diene, wurde erklärte und beigefügt: "Das BFM bedauert diesen tragischen Zwischenfall zutiefst."

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KNAST
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Indymedia 2.6.10

Gefängnis Bois-Mermet (VD) - 13. Juni - Anti-Knast Picknick ::

AutorIn : Collectif anti-carcéral (Lausanne)  |  übersetzt von : der Wind         
In Solidarität mit den Gefangenen von Bois-Mermet und allen anderen Gefangenen organisieren wir am Sonntag 13. Juni ein Picknick.

Beginn um 16 Uhr, Treffpunkt beim Fussballplatz Blécherette, nach dem Parking Vélodrome, bei den Garderoben.     
    
Die Schweiz tötet!
Widerstand gegen die Staatsgewalt!

Die Staatsgewalt hat in der Schweiz drei neue Opfer gefordert: Joseph Nduaku Chiakwa, nigerianischer Asylbewerber, gestorben während eines Ausschaffungsversuches in Kloten am 17. März 2010, gefesselt von Kopf bis Fuss, der Gefangene Skander Vogt, den seine Wärter sterben liessen, während einer Stunde erstickend in einer brennenden Zelle in der Strafanstalt Bochuz (VD) und Sebastien-Umüt, ein 18-Jähriger aus Lyon, Mitfahrer eines gestohlenen Autos, ermordet durch Maschinenpistolenfeuer auf einer abgesperrten Autobahn von einem Polizisten, der zwei Tage später wieder im Dienst war.

Diese mörderische Gewalt wird einmal mehr banalisiert und der Staat legitimiert die Akte seiner Schergen und ihre Lügen, unterstützt von den Medien, die die wahren politischen Ursachen dieser Todesopfer verschweigen. Alles wird getan, um die Illusion eines perfekt organisierten Universums aufrecht zu erhalten, in welchem brave BürgerInnen nichts zu befürchten haben vom Staat, während diejenigen, welche die Repression trifft kriminalisiert und entmenschlicht werden (Delinquenten, Illegale, gefährliche Verrückte, ausländisches Gesindel, Dealer, Handlanger des organisierten Verbrechens, Terroristen...).

Niemand versucht zu verstehen, warum Skander seine Matratze anzündete, wie die Haftbedingungen in überfüllten Gefängnissen sind, wie Artikel 43 (Umwandlung einer Haftstrafe in Verwahrung unbegrenzter Dauer) angewendet wird - jener Artikel, der Skander für 12 Jahre hinter Gitter brachte, obwohl er nur zu 20 Monaten verurteilt worden war.
Niemand stellt die Wiedereinführung der Todesstrafe ohne Urteil für einen unbewaffneten 18-Jährigen in Frage, umso weniger, da er von der anderen Seite der Grenze kam und es auf "unsere" Autos abgesehen hatte.
Niemand stellt die Wurzeln einer Migrationspolitik in Frage, die mordet, um Ausschaffungen durchzuführen und ausländische Menschen monatelang einsperrt, nur weil sie das Pech hatten, in die Schweiz gekommen zu sein und nicht die richtigen Papiere zu haben.

Einige Stimmen erheben sich allerdings innerhalb der Gefängnismauern: Gefangenenrevolte in Bois-Mermet (Lausanne) in Solidarität mit Skander am 27. April. Aber es wurde alles getan, um diese Stimmen zum Schweigen zu bringen, besonders durch ein Verbot, die Presse zu kontaktieren und indem jeglicher subversiver Gehalt dieser kollektiven Weigerung der Gefangenen, in ihre Zellen zurückzugehen, in Abrede gestellt wurde. Die Repression hingegen geizte nicht mit ihren Mitteln, indem sie mehr als zwei Polizisten pro Gefangenen mobilisierte, disziplinarische Verlegungen und Einzelhaft anordnete. Weigerung der Gefangenen, in ihre Zellen zurückzukehren in Genf, dieses Mal, im überfüllten Gefängnis Champ-Dollon, am 24. und 25. Mai, um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. Im Verwaltungsgefängnis vom Frambois protestiert ein Hungerstreikender gegen seine Haft. Die Presse erwähnt die jegliche Rekorde brechende Überfüllung von Champ-Dollon, die Artikel schliessen jedoch ausnahmslos mit neuen Gefängnisbauprojekten. Die ultrarepressive Antwort des Staates auf einige als kriminell eingestufte Verhaltensweisen (hauptsächlich diejenigen der Armen) wird nie in Frage gestellt. Die gleichen, welche sich über die Boni der Manager oder die Sanierung der UBS mit Staatsgeldern empörten, haben schnell vergessen, dass die Gefängnisse hohe Mauern haben, damit die kleinen Diebe dort drin die grossen draussen gar nicht sehen können.

Ausserhalb der Mauern trifft die Repression ebenfalls diejenigen, welche die tödliche Staatsgewalt anprangern. Am 6. Mai, um die hundert Leute, die sich am Place St-François in Lausanne in Solidarität mit den Gefangenen und um den Tod von Skander, Joseph und Sebastien zu verurteilen, versammelten und sich von einem kriegswürdigen Polizeidispositiv umzingelt wiederfanden, etwa 60 Leute wurden angezeigt und die Medien verschweigen die Gründe unserer Wut.

Gegen die Polizeiblockade unserer Aktionen und die mediale Zensur der Gründe unserer Empörung mobilisieren wir erneut, um unsere Ablehnung eines auf Staatsgewalt und sozialer Ungerechtigkeit basierenden Systems auszudrücken.
In Solidarität mit den Gefangenen von Bois-Mermet und allen anderen Gefangenen organisieren wir ein Picknick am 13. Juni. Beginn um 16 Uhr, Treffpunkt beim Fussballplatz Blécherette, nach dem Parking Vélodrome, bei den Garderoben.

Solidarität mit den Gefangenen!
Gegen Hinrichtungen!
Keine Sanktion für die aufständischen Gefangenen!
MACHEN WIR SCHLUSS MIT DEM KNASTSYSTEM!     

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40 JAHRE SCHWARZENBACH
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WoZ 3.6.10

Vierzig Jahre Schwarzenbach-Initiative - Am 7. Juni 1970 wurde die zweite Überfremdungsinitiative von den Schweizer Stimmbürgern knapp verworfen. Zu verdanken ist das auch dem organisierten Widerstand italienischer EinwanderInnen.

 "Für Hunde und Italiener verboten"

 Von Angelo Maiolino

 "È finita. La grande paura è passata" - die grosse Angst ist vorüber: Mit diesen Worten kommentierte "Emigrazione Italiana", die Zeitung der damals mitgliedstärksten Immigrantenorganisation CLIS, am 16. Juni 1970 die Abstimmung über die Schwarzenbach-Initiative. Mit bloss 54 Prozent Nein-Stimmen wurde sie von den Schweizer Männern in einer bis dahin nie gesehenen Stimmbeteiligung verworfen.

 James Schwarzenbach, Sprössling einer Industriellendynastie und früher Bewunderer des italienischen Duce Benito Mussolini, hatte mit dem Begriff der "Überfremdung" eine Diskussion angeheizt, die hauptsächlich um die Behauptung kreiste, dass SchweizerInnen und ItalienerInnen kulturell unvereinbar seien. Als Galionsfigur der rechtskonservativen Nationalen Aktion konnte er so die grössten politischen Erfolge in der Geschichte dieser Partei und ihrer Nachfolgeorganisation (den Schweizer Demokraten) verbuchen.

 Vom "Tschingg" zum "Italo"

 In der fremdenfeindlichen Rhetorik der "Überfremdung" wurden Italiener Innen als kulturfremde Eindringlinge beschimpft. Ihr lautes Sprechen und Singen, ihre Zusammenkünfte in den Bahnhofshallen von Bern, Basel oder Zürich sowie ihre dreiste Art, den jungen schweizerischen Damen Komplimente in unverständlichem Italienisch nachzuwerfen, waren nur einige von vielen Merkmalen, an denen die "braunen Söhne des Südens" (Schwarzenbach) angeblich erkannt werden sollten. Mit Metaphern wie "schleichende Krankheit" oder "artfremdes Gewächs" warnte Schwarzenbach davor, dass die ItalienerInnen das friedliche Zusammenleben in der Schweiz bedrohen würden. In Gefahr sah er etwa die direkte Demokratie, die kulinarischen Gewohnheiten oder den Arbeitsfrieden. In den italienischen ArbeiterInnen vermutete er "kommunistische Agitatoren", die die schweizerische Arbeiterschaft infiltrieren würden. Die Fremdenpolizei teilte diese Vorstellung und bespitzelte die Immigrantenorganisationen und ihre Mitglieder.

 Dieser Kampf gegen die Italiener Innen erscheint aus heutiger Sicht grotesk. Die damaligen "Tschinggen" und ihre Kinder, die "Secondos", gehören mittlerweile zum festen Bestandteil der schweizerischen Gesellschaft. Ihre Essgewohnheiten haben das Land der Rösti und des Emmentalers mit Pizza, Pasta und Espresso bereichert. "Italos", wie ItalienerInnen heute oft etikettiert werden, haben mit ihren Lebensformen, ihren Trattorias, Bars und Boutiquen die schweizerische Gesellschaft längst mediterranisiert. Heute bewegen wir uns wie selbstverständlich in dieser südländisch bereicherten Gesellschaft, und die ehemaligen "Tschinggen" werden mit Freude eingebürgert.

 Vor kaum vierzig Jahren noch wurden sie in Arbeiterbaracken an den Rändern der Gesellschaft kaserniert. Ihre Kinder mussten sie vor der Fremdenpolizei verstecken, weil sie keine Niederlassungsbewilligung oder "angemessene" Wohnungen hatten. Und am Arbeitsort und in der Freizeit wurden sie mit täglichen Demütigungen konfrontiert. Sie mussten das Gefühl haben, in einem Apartheidstaat zu leben. Nicht nur waren sie in der Öffentlichkeit unerwünscht, ihnen wurde auch nachgesagt, was heute von Schwarzafrikanerinnen, Kosovo-Albanern oder Muslimen behauptet wird: dass sie bedrohliche, unzivilisierte und kriminelle AusländerInnen seien.

 "Damals waren feindselige Blicke an der Tagesordnung."   Angelo Tinari sitzt im "Punto d'Incontro", einem selbstverwalteten Lokal an der Josefstrasse in Zürich. Er erinnert sich an die frühen siebziger Jahre zurück, als er während einer Zugsfahrt hörte, wie ein Mädchen auf dem gegenüberliegenden Sitz seine Mutter fragte, ob er einer dieser "Tschinggen" sei. Auch in Restaurants sei man vor Anfeindungen nicht gefeit gewe­sen - sofern man überhaupt hineinkam und nicht vor Schildern mit der Aufschrift "Für Hunde und Italiener verboten" stand. "Als ich in einem Restaurant essen wollte und nichts aufgetischt bekam, wurde das damit begründet, dass ich die ‹Unità› lese - und somit Kommunist sei. Als ich mich bei der Polizei beschwerte, wurde ich erneut als Kommunist angefahren, und der Wirt wurde für sein Handeln sogar gelobt."

 Kritik an den schlechten Bedingungen und Behandlungen am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, so Tinari, wurden nicht selten mit der Antwort quittiert, man solle doch wieder nach Hause gehen, wenn es einem hier nicht passe: "Das war die Luft, die man damals atmete." Vor diesem Hintergrund erscheint die damals von "Emigrazione Italiana" geäusserte Angst vor einer Annahme der Initiative verständlich - umso mehr, als aus italienischen Regierungskreisen nur schüchterne oder gar widersprüchliche Stellungnahmen zugunsten ihrer BürgerInnen im Ausland zu hören waren.

 Das Leben der ItalienerInnen in der Schweiz fand zwischen zwei Fronten statt: In Italien waren sie als GeldsenderInnen erwünscht, nicht aber als KritikerInnen der Regierung, die von der bürgerlichen Partei Democrazia Cristiana dominiert wurde und keine Anstalten machte, das Los der Auswanderer oder zumindest die Beschäftigungslage in Süditalien zu verbessern; in der Schweiz wurden sie als Arbeitskräfte ausgebeutet - und als Menschen ausgegrenzt.

 Widerstand in der Fabrik

 Das Jahr 1970 stellte für die italienischen EinwanderInnen einen Moment in ihrer Geschichte dar, in dem sie ein kollektives Bewusstsein von ihrer Lage entwickelten und gemeinsam gegen sozialen Ausschluss und institutionalisierte Diskriminierungen kämpften.

 Leonardo Zanier, damaliger Vizepräsident der Immigrantenorganisation CLIS, betont, wie notwendig eine einheitliche Aktion aller in der Schweiz versammelten Organisationen damals war, da weder aus Italien noch aus der Schweiz konkrete Hilfestellungen erwartet werden konnten: "An einem Kongress, der von uns und den Associazioni Cristiane Lavoratori Italiani am 25. April 1970 in Luzern einberufen wurde, konnten wir die vielen Immigrantenorganisationen vereinigen und mit der Gründung des Comitato Nationale d'Intesa ein eigenes politisches Instrument von und für Immigranten gründen."

 Die Wichtigkeit des Comitato Nationale d'Intesa (CNI) lag darin, den italienischen EinwanderInnen ein neues und kämpferisches Bewusstsein zu geben, um am Arbeitsort und in der Freizeit den SchweizerInnen zu erklären, wie falsch die Initiative sei. Zu ihren Aktionen zählte die organisierte Anwesenheit italienischer Arbeiter an Veranstaltungen zur Überfremdungsthematik oder an Vorträgen von Schwarzenbach, wo sie auch das Recht reklamierten, die eigene Meinung äussern zu dürfen.

 Der CNI vertrat die Ansicht, dass die Initiative nicht nur elementare Menschenrechte missachte, sondern auch einen Keil zwischen die italienische und die schweizerische Arbeiterschaft treibe. Der Fremdenhass diene vor allem dazu, die wahren Ursachen der Misere zu verdecken - einer Politik nämlich, die den Unternehmern auf Kosten der ArbeiterInnen einen immensen Reichtum bescherte. "Wir wollten der schweizerischen Öffentlichkeit klarmachen", so Zanier, "dass Italiener und Schweizer in ihrer Weste als Arbeiter den gleichen Gegner hatten. Ich glaube, dass die vielen Aktionen und Gespräche in den Fabriken und anderswo bei vielen Wählern dieses Verständnis hervorrufen konnten. Das war unser Beitrag gegen die Schwarzenbach-Initiative."

 Die neuen "Tschinggen"

 Heute wird die Rolle der bedrohlichen Fremden nicht mehr von den ItalienerInnen eingenommen. Andere Minderheiten wurden in die Rolle der Sündenböcke gedrängt und bedrohen nun in den Augen patriotischer Saubermänner und -frauen die schweizerische Kultur. Hervorgezaubert wird dabei immer wieder die Idee einer schweizerischen Eigenart, die unveränderlich sein soll, während doch gerade die Erfahrung der italienischen Migration ihre Wandelbarkeit gezeigt hat.

 Heutige VerfechterInnen der angeblichen "Überfremdung" wettern in Pizzerias oder Dönerbuden über die neuen "Tschinggen" - und merken nicht, dass das, was sie verteidigen wollen, bestenfalls Folklore ist und längst neue Formen angenommen hat. Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Schweiz schon längst ein Einwanderungsland ist.

 Die Schweiz und die "Überfremdung"

 Die schweizerische Wortschöpfung "Überfremdung" taucht erstmals um 1900 in einer Broschüre des Zürcher Armensekretärs Carl Alfred Schmid auf. Ab 1914, als in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die AusländerInnenquote mit über fünfzehn Prozent einen ersten Höhepunkt erreichte, fand der Begriff Eingang in die Amtssprache. Die bis dahin praktizierte liberale Einwanderungspolitik, die durch Einbürgerung die AusländerInnen zu assimilieren versuchte, wich einer restriktiven Einwanderungspolitik, bei der es hauptsächlich um den Schutz einer angeblich nationalen und kulturellen Identität ging. So richtete sich ab den zwanziger Jahren die "Überfremdungsangst" gegen jüdische Emigranten aus Osteuropa. Später zerrte sie Sozialistinnen und ab den fünfziger Jahren insbesondere ausländische Arbeitsmigranten in ihr Blickfeld, die alle als Inbegriff einer Bedrohung für die "nationale Eigenart" stilisiert wurden.

 In den dreissiger Jahren wurde unter Federführung von Bundesrat Philipp Etter (Katholisch-Konservative Partei, heute CVP) versucht, ein geistiges Bollwerk gegen totalitäre Ideo logien aus dem Ausland (Faschismus und Bolschewismus) zu schaffen. Die Bemühungen kulminierten in der sogenannt geistigen Landesverteidigung, die mit einer bewussten Pflege des schweizerischen Kultur- und Sprachguts sowie einer Rückbesinnung auf angeblich alteidgenössische Traditionen einherging. Mit dem Konzept der geistigen Landesverteidigung wurde eine mythisch-nationale Identität geschaffen, die eben "nicht aus der Rasse, nicht aus dem Fleisch", sondern "aus dem Geist geboren" worden war (Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung 1938).

 Mit der Gründung der Eidgenössischen Zentralstelle für die Fremdenpolizei im Jahre 1917 entstand das erste institutionalisierte Instrument, das explizit gegen "Überfremdung" konzipiert war. Mit dem 1931 verabschiedeten Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung der AusländerInnen verfügte der Staat auch über ein parlamentarisch sanktioniertes Mittel gegen die "Überfremdung".  

Angelo Maiolino

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 Angelo Maiolino

 In Zürich und Perugia studierte Angelo Maiolino (33) Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft. Heute ist er wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für politische Philosophie der Universität Zürich. Im nächsten "Widerspruch" erscheint von ihm ein Aufsatz zu "Überfremdung und Mediterranisierung der Schweiz" und 2011 im Rotpunktverlag ein Buch über den "italienischen" Widerstand gegen die Schwarzenbach-Initiative.

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SKLAVEREI CH
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Bund 3.6.10

Archiv offen für Sklavereiforscher

 Bruno Schletti

 Es geht um die Frage, ob Zürich im 18. Jahrhundert über Finanzgeschäfte indirekt in den Sklavenhandel verwickelt war. Im Fokus steht die damalige Zinskommission Leu et Compagnie, deren Erbe die heutige Credit-Suisse-Tochter Clariden Leu verwaltet.

 Das Erbe ist zum einen der Name Leu, zum anderen das Archiv. Historiker, die an der Aufarbeitung des Sklavenhandels arbeiten, verlangen seit Jahren den freien Zugang zu diesen Dokumenten. Clariden Leu hat das bisher abgeblockt mit dem Hinweis auf das Bankgeheimnis. Dokumente von Personen seien mit Rücksicht auf deren Nachkommen zu schützen. Zürcher Stadtparlamentarier bezeichneten diese Argumentation als "absurd". In einem Postulat, in dem sie den Stadtrat zu Verhandlungen mit Credit Suisse drängten, schrieben sie: "Die Rede ist von Kunden, welche sich längst in Staub und Asche aufgelöst haben." Diese hätten nichts mehr zu verheimlichen und bedürften keines Schutzes mehr.

 Jetzt ist Clariden Leu umgeschwenkt. Sie ist bereit, die Aktenbestände der Zinskommission Leu aus den Jahren 1755 bis 1798 dem Staatsarchiv des Kantons Zürich zu übergeben. Auf diese Lösung haben sich Stadtpräsidentin Corine Mauch und Clariden-Leu-Chef Hans Nützi geeinigt. Die Grundlage dieses Entscheids bildet die gemeinsam erarbeitete Erkenntnis, dass die Zinskommission Leu "bis 1798 als staatliche Einrichtung zu betrachten ist".

 In der Tat hiess 1754 der Grosse Rat des Kantons Zürich das Projekt von Säckelmeister Johann Jakob Leu gut, die Zinskommission zu gründen. Sie sollte Kundengelder entgegennehmen und als verzinste Darlehen ins Ausland vergeben. So kam sie später auch in den Besitz von Aktien der französischen Compagnie des Indes. Diese soll mehr als 45 000 Menschen aus Afrika in die Sklaverei deportiert haben. Das Grundkapital von 50 000 Gulden wurde der Zinskommission aus dem Zürcher Staatsschatz zur Verfügung gestellt. Untergebracht wurde das Kreditinstitut unentgeltlich im Rathaus. Erst 1799 musste die Zinskommission das Rathaus verlassen. Die Vermögenswerte und die Struktur wurden privatisiert.

 Mit der Einsicht, dass die Zinskommission bis 1798 staatlich war, ist neu für Clariden Leu das öffentliche Interesse an den Akten gegeben. Gemäss Sprecher Thomas Ackermann hat zudem ein neues Gutachten ergeben, dass eine Öffnung des Archivs trotz Bankgeheimnis vertretbar sei.

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Bund 3.6.10

Afrika Muslime - die Pioniere des Sklavenhandels, "Bund" vom 27. Mai

 Die Muslime waren nicht "schlimmer" als die Christen

 Von den Muslimen haben wir ihn also gelernt, den schwarzafrikanischen Sklavenhandel. Und die Muslime übertrafen uns Weisse dabei im Ausmass und in ihrer Grausamkeit; ihr Vorgehen kam nämlich einem Genozid gleich. Das wenigstens ist in Kürze die Aussage des senegalesischen Autors Tidiane N'Diaye.

 Es stimmt, dass in der Blütezeit des Islam intensiv Handel getrieben wurde mit Sklaven schwarzafrikanischer Herkunft, oft unter schlimmen Bedingungen ergattert. Sklavenhandel und Sklavenhaltung war schon Teil der vorislamischen Gesellschaft des Vorderen Orients, und die islamischen Herrscher haben dies weitergeführt. Von religiöser Seite wurde nichts dagegen unternommen. Auch in westafrikanischen Reichen jener Zeit gehörten Sklaven zur gesellschaftlichen Struktur. Europa kannte ebenfalls schon in der Antike den Sklavenhandel, und im Frühmittelalter wurden Sklavenjagden bei nicht christianisierten Karpaten und Slawen durchgeführt. In allen Gesellschaften, nicht nur bei den Muslimen, wurden die Sklaven als minderwertig eingeschätzt (was leicht verständlich ist). Von päpstlicher Seite wurde 1452 und 1455 die Sklaverei als Befreiung aus dem Heidentum gutgeheissen. Und die Bedingungen der Sklaven im damaligen Irak waren vergleichbar mit der Lage der Plantagensklaven 1000 Jahre später im Süden der USA.

 Die Muslime waren also nicht die Pioniere des Sklavenhandels, und sie waren nicht "schlimmer" als die Christen. Viele Aussagen von N'Diaye treffen zu, andere sind verzerrt, und seine Behauptungen sind nur zum Teil vertretbar.

 Immita Cornaz Bern

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GENDER STUDIES
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WoZ 3.6.10

Gender Studies - Die Historikerin Tove Soiland hat immer wieder bemängelt, die Geschlechterforschung generiere zu wenig politisches Veränderungspotenzial. Mit ihrem neuen Buch versucht sie genau das - und hat sich damit viel vorgenommen.

 Eine verstörende Idee

 Von Martina Süess

 Darf heute noch jemand im Ernst unterschiedliche Rechte für Männer und Frauen fordern? Und wie soll man das verstehen, wenn dieser sexistische Vorschlag als feministisches Postulat daherkommt und dazu beitragen soll, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern zu verbessern?

 Es wäre eine arge Verkürzung, Tove Soilands Buch "Luce Irigarays Denken der sexuellen Differenz: Eine dritte Position im Streit zwischen Lacan und den Historisten" auf diesen einen Aspekt zu reduzieren. Doch scheint sich Soilands gesamte Argumentation in dieser konkreten politischen Forderung am klarsten zu kristallisieren. Dass es sich dabei um reine Provokation handelt, kann ausgeschlossen werden. Zwar ist die Historikerin spätestens seit dem von ihr initiierten "Gender-Streit" im Jahr 2003 für ihre Polemik bekannt, doch liegen ihr plumpe, reisserische Thesen fern. Tatsächlich erscheint die verstörende Idee einer Geschlechterapartheid im Kontext des gesamten Buches durchaus als diskussionswürdiges Modell.

 (K)ein fröhlicher Maskenball

 Der Horizont, gegen den sich Soilands Arbeit richtet, sind die Gender Studies, wie sie derzeit an Hochschulen und Universitäten betrieben werden. Diese sind laut Soiland von einer spezifisch deutschen - und inhaltlich reduzierten - Rezeption der amerikanischen Philosophin und Gender-Theoretikerin Judith Butler dominiert: Menschen bilden ihre Geschlechteridentität aus, indem sie Vorbilder auf theatralische Weise nachahmen. Wer demnach davon ausgeht, dass Geschlecht ein kulturelles Konstrukt ist, muss sich nicht länger von biologischen Tatsachen wie Geschlechtsorganen und Geschlechtshormonen auf eine bestimmte Rolle festlegen lassen. Das Bestimmen des eigenen Geschlechts wird zum fröhlichen Maskenball, bei dem die persönlichen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit beliebig kombiniert und inszeniert werden können. Körperliche Merkmale sind dabei nur einer von vielen Faktoren. Sie bestimmen weder das kulturelle Geschlecht - ob sich jemand als Mann oder Frau verhält, fühlt, kleidet etc. - noch die sexuelle Orientierung einer Person.

 Soiland kritisiert, dieses Identitätskonzept beruhe auf der irrigen Annahme, wer sein Geschlecht selbst ausgestalte, handle subversiv, indem vorherrschende Geschlechterbilder angegriffen, die Geschlechterordnung gar aufgelöst werde. Dabei sei das Gegenteil der Fall: Indem sie diese individualisierte Sicht übernehme, entpolitisiere sich die Geschlechterforschung und mache sich zur Komplizin des Neoliberalismus, dem nichts lieber sei als flexible, vereinzelte, von allen Konventionen befreite Individuen. Ausserdem rühre eine solch oberflächliche Befreiung von Heterosexualität als sozialer Norm nicht an dem, was die Ordnung der Geschlechter tatsächlich bestimme und was die psycho an aly tische Theorie seit Jacques Lacan die "symbolische Ordnung" nennt: eine in der Sprache verortete Struktur, die wie ein unsichtbares Programm unserem Denken, Fühlen, Handeln, Wahrnehmen - kurz, unserem Menschsein und somit auch unserer geschlechtlichen Identität zugrunde liege.

 Die verschleierte Differenz

 Politisches Veränderungspotenzial, wie sie es von den Gender Studies fordert, macht Soiland in den Schriften der belgischen Psychoanalytikerin Luce Irigaray aus. Irigaray hat Lacans Theorie in den siebziger Jahren dekonstruiert und sich so als eine der wichtigsten Denkerinnen einer feministischen Psycho analyse profiliert. Im deutschsprachigen Raum allerdings ist ihr Werk kaum diskutiert worden. Das, so Soiland, hat vor allem damit zu tun, dass die feminis tische Theorie in den achtziger Jahren das Problem für Frauen "nicht im Mangel, sondern in einem Zuviel an festschreibender Identität" festmachte und sich deshalb der Dekonstruktion von geschlechtlicher Identität verschrieb. Irigaray hingegen forderte eine neue Weiblichkeit. Mit Begriffen wie dem "weiblichen Göttlichen" oder der "weiblichen Gattung" stiess sie die ZeitgenossInnen vor den Kopf: Ihr wurde ein Rückfall in den Biologismus vorgeworfen. Zu Unrecht, wie Soiland schreibt: Irigaray gehe es nicht darum, Frauen auf eine biologisch begründete Identität festzulegen, sondern um eine Intervention.

 Was damit gemeint ist, arbeitet Soiland am Beispiel von Luce Irigarays Buch "Ethik der sexuellen Differenz" heraus. Darin durchmisst Irigaray in grossen Schritten die abendländische Philosophie: Jede Epoche gründe ihr Denken auf einer verschleierten Differenz, und es sei vermutlich die sexuelle Differenz, die unsere Epoche bestimme. Und diese Differenz müsse sichtbar gemacht werden. Irigaray tut dies, indem sie zeigt, wie Lacans Konzept einer männlichen Identität die Möglichkeit einer weiblichen Identität ausschliesst. Vereinfacht ausgedrückt, wird der Mann dann zum Subjekt, wenn er seine Differenz zur Mutter entdeckt - eine Differenz, die sich psychoanalytisch gesprochen in der Kastrationsangst manifestiert. Damit tritt er ein in die symbolische Ordnung, in eine geschlechtliche Identität.

 Der Frau ist ein solcher Schritt verwehrt. Sie kann kein Geschlecht annehmen, weil ihr die dazu notwendige Erfahrung - die Kastrationsangst - fehlt. Und da unsere Kultur Identität nur als geschlechtlich bestimmte Identität denken kann, bleibt der Frau die Teilnahme an der kulturellen Gemeinschaft - und das beinhaltet bei Irigaray vor allem die Teilnahme an der Sprache, die das Symbolische und somit das Geschlecht strukturiert - verwehrt. Mehr noch: Die Frau wird dazu benötigt, männliche Identität und Gemeinschaft herzustellen.

 Hinter Irigarays Forderung nach einer weiblichen Gattung, einer weiblichen Gottheit und einer weiblichen Sprache steht also das Projekt einer symbolischen Ordnung, die es der Frau erst ermög­licht, eine Identität anzunehmen. Mit dieser "weiblichen Identität" ist aber keine bestimmte Wesenhaftigkeit oder kein Rollenbild gemeint, wie Soiland deutlich macht, sondern ein weibliches Kollektiv: Nur wenn es gelingt, ein solches Kollektiv zu erschaffen, kann das Ungleichgewicht der herrschenden Ordnung aufgehoben werden - eine Ordnung, in der das allgemein Menschliche immer nur das allgemein Männliche bedeutet.

 Lobenswerter Versuch

 "Bevor man deshalb bei ‹identité› an eine Ansammlung von Eigenschaften denkt, sollte man sich diesen Charakter vor Augen halten, der ‹identité› eher in die Nähe eines Begriffs von Identität rückt, wie er beispielsweise im ‹Identitätsausweis› zum Ausdruck kommt, der eine Staatsangehörigkeit markiert", so Soiland. Wenn Irigaray seit Ende der achtziger Jahre für geschlechtlich differenziertes Recht eintrete, dann deshalb, weil sie im Zivilrecht eine Möglichkeit sehe, "diese Identität zu denken". Ein eigener Rechtsstatus würde also erst die Bedingungen schaffen, welche für die von Butler propagierte Vervielfältigung der Geschlechter nötig wären: dass es das Weibliche als gleichwertige Alternative zum Männlichen überhaupt gibt.

 Soilands Versuch, der oft missverstandenen Theoretikerin Luce Irigaray einen prominenten Platz in den aktuellen Geschlechterdebatten zu verschaffen, ist lobenswert. Er zeigt, dass eine Auseinandersetzung mit Irigaray zu den Grundlagen jedes Gender-Studiums gehören sollte. Allerdings setzen Irigarays komplexe Texte viel vor aus: Sie sind ohne Grundkenntnisse so kolossaler Theorien wie Lacans Psychoanalyse, des Marxismus und Lévi-Strauss' Strukturalismus kaum zu begreifen. Es stellt sich also die Frage, ob eine so komplexe Theorie die Gender Studies tatsächlich repolitisieren und zur Keimzelle für eine Revolution der Geschlechterordnung machen kann, wie Soiland es wünscht.

 Es stellt sich ausserdem die Frage, welche Relevanz Lacans symbolischer Ordnung überhaupt zukommt. Stillschweigend geht Soiland davon aus, dass sie jede Annahme von geschlechtlicher Identität steuert. Damit lässt sie ausser Acht, was ebenso denkbar ist: dass die symbolische Ordnung nur eine bestimmte Gruppe von Männern erfasst. Die Culture Studies haben überzeugend demonstriert, dass mit dem allgemein Menschlichen - und insbesondere mit dem zivilrechtlichen Bürger - immer nur der westliche weisse heterosexuelle Mann des Mittelstandes gemeint ist. Auch wenn Soiland mit Irigaray zeigen kann, dass die Geschlechterdifferenz für unser Denken viel grundlegender ist als alle anderen Differenzen, bleibt dies ein heikler Punkt für das Konzept geschlechtlich bestimmter Kollektive.

 Denn wenn sich das männliche Allgemeine als etwas Partikulares her ausstellt, kann auch das Projekt eines weiblichen Allgemeinen nicht gelingen. Es ist vermutlich diese Frage nach der universalen Gültigkeit von Lacans symbolischer Ordnung, an der sich die Geister der von den Cultural Studies und Judith Butler geprägten Gender Studies einerseits und einer an Lacan orientierten feministischen Psycho analyse, wie sie Irigaray betreibt, scheiden. Mit ihrer "dritten Position" zeigt Soiland deshalb nicht den im Titel angedeuteten Königsweg zu einer neuen Geschlechterordnung auf, aber immerhin eine starke und bedenkenswerte Gegenposition zu den vorherrschenden Gender-Theorien.

 Tove Soiland: "Luce Irigarays Denken der sexuellen Differenz. Eine dritte Position im Streit zwischen Lacan und den Historisten." Turia und Kant Verlag. Wien 2010. Fr. 62.90.

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 "Wir wollen uns einmischen"

 Anfang Jahr hat sich die Schweizerische Gesellschaft für Geschlechterforschung (SGGF) sozusagen zum zweiten Mal aus der Taufe gehoben. "Die Geschlechterthematik wird von den Rechten zunehmend politisch instrumentalisiert und missbraucht", sagt Brigitte Schnegg, Vizepräsidentin der SGGF. "Das macht uns grosse Sorgen." Die SGGF will sich deshalb noch stärker dafür einsetzen, Anliegen der Geschlechterforschung sichtbar zu machen - nicht nur im universitären und wissenschaftspolitischen Umfeld. "Wir wollen uns auch einmischen", sagt Schnegg, "öffentliche Debatten lancieren und damit auch in den Medien mehr Präsenz zeigen." Das gesellschaftspolitische Engagement der SGGF-Mitglieder schlägt sich auch in konkreten Formen der Zusammenarbeit nieder. Etwa mit dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG). Geschlechterforscherinnen der Universität Bern beraten das EBG zu Fragen der Care-Ökonomie: Wie soll die Gesellschaft mit unbezahlter Arbeit umgehen?

 Am 18. und 19. Juni organisiert die SGGF an der Universität Bern die Tagung "Gender Politics": Im Zentrum stehen die aktuellen Diskussionen um Geschlecht und Religion im Spannungsfeld von staatlicher Regulierung und Gruppenanliegen. Es geht um Unterdrückungsverhältnisse, Frauenrechte sowie um Eurozentrismus und andere kulturell relativierende Deutungsmuster.

Franziska Meister

 Programm: http://www.gendercampus.ch/d/sggf Anmeldung: info@genregeschlecht.ch.

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WoZ 3.6.10

Raum
 
Gosteli-Archiv

 Von den ersten Frauenbewegungen bis zur Durchsetzung des Frauen stimmrechts dauerte es in der Schweiz lange, sehr lange. Was man auch immer über die direkte Demokratie denken mag, sie ermöglichte eine Abstimmung nach der anderen, bis schliesslich ein Bundesgerichtsurteil auch den Frauen im letzten Kanton das Wahlrecht zugestand. Damals war die Berliner Mauer bereits seit einem Jahr gefallen. Davon, aber nicht nur davon, erzählen die Akten, die sich entlang der Gänge und Zimmer des Gosteli-Archivs in Worblaufen erstrecken.

 Dem Reststück eines Landguts in der Agglomeration von Bern, das von Siedlungsbrei umgeben auf einer Hangkante thront, sieht man kaum an, dass darin die wichtigsten Bestände von Frauenorganisationen und Nachlässe mehr oder weniger bekannter, immer aber interessanter Frauen gelagert und erschlossen werden.

 Marthe Gosteli, die Erbin des Familiensitzes, hat dort 1982 begonnen, Materialien über die Geschichte der Frauen in der Schweiz zusammenzutragen. Auch heute noch ist die inzwischen über Neunzigjährige präsent und lässt sich gerne auf einen Schwatz mit den BesucherInnen ein. Aus dem aktiven Geschäft habe sie sich zurückgezogen, versichert sie - auch wenn man dies der rüstigen und stets gut gekleideten Dame kaum glauben mag.

 Bei einem Streifzug entlang der Archivschachteln fällt zunächst einmal auf, wie vielfältig engagiert die Frauen in der Schweiz auch ohne Stimmrecht waren. Unzählige Laufmeter Kommissionsakten lassen sich ebenso finden wie die Protokolle von Interessengruppen. Die Frauen traten nicht nur als "Radikalfeministinnen" in Erscheinung, sondern schlossen sich auch zum "Schweizerischen Bund abstinenter Frauen" oder zur "Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Schweizerinnen" zusammen. Die Geschichte der Frauenbewegungen der Schweiz ist indes noch längst nicht abgeschlossen, zu den vielen Laufkilometern Akten werden sich bestimmt noch einige hinzugesellen.  

Patrick Schoeck-Ritschard

 Gosteli-Archiv. Altikofenstrasse 186, 3048 Worblaufen. Öffnungszeiten nach Vereinbarung. http://www.gosteli-foundation.ch

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ANTI-ATOM
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24 Heures 3.6.10

Des matériaux radioactifs suisses seraient exportés en Russie

Gumy

ATOME - De l'uranium retraité originaire des centrales nucléaires suisses serait envoyé en Sibérie pour y être enrichi à nouveau. Il y serait stocké dans des conditions douteuses. La socialiste Simonetta Sommaruga s'en inquiète. Mais Berne tente de rassurer.

 SERGE GUMY

 La Sibérie est-elle la poubelle nucléaire de la Suisse? Simonetta Sommaruga a de sérieux soupçons. La socialiste bernoise en a fait part hier après-midi devant le Conseil des Etats. Et la réponse du conseiller fédéral Moritz Leuenberger ne l'a apparemment pas rassurée.

 Les doutes de la sénatrice datent de l'automne dernier et de la diffusion sur Arte d'un documentaire franco-allemand,Déchets, le cauchemar du nucléaire. Simonetta Sommaruga y apprend que, depuis la fin des années 90, la France exporte annuellement près de 100 tonnes d'uranium appauvri faiblement radioactif de l'usine de retraitement de la Hague (Bretagne) vers la ville russe de Seversk, en Sibérie. Sur ce site top secret interdit aux étrangers, l'uranium retraité est enrichi à nouveau pour être ensuite réexpédié en France, où il est réutilisé comme combustible dans des centrales nucléaires.

 Seulement voilà: alors qu'elle se targuait de recycler 96% de ses matériaux nucléaires, la société Electricité de France (EDF) a dû admettre que seuls 10% de l'uranium appauvri qu'elle envoie en Russie revient effectivement en France. Le reste est stocké à Seversk dans des containers, à l'air libre. Simonetta Sommaruga s'en inquiète. Et se demande: dans la mesure où des centrales nucléaires suisses envoient leur combustible nucléaire irradié à l'usine de la Hague, se pourrait-il que, une fois retraité, ce matériel radioactif soit envoyé en Russie pour y être enrichi à nouveau? Avec le risque qu'une bonne partie ne revienne jamais en Suisse? En février dernier, le producteur électrique Axpo admettait "qu'en échange" d'uranium enrichi acheté en Russie, des déchets nucléaires suisses "restent" dans l'entreprise russe de retraitement.

 Berne conteste

 "Aucune matière nucléaire suisse n'a jusqu'à présent été transportée en Russie", affirme Matthieu Buchs, porte-parole de l'Office fédéral de l'énergie. Les centrales nucléaires suisses ont bien envoyé du combustible irradié vers les usines de retraitement de la Hague et de Sellafield (Grande-Bretagne) - mais jusqu'à fin juin 2006 seulement, et l'entrée en vigueur d'un moratoire de dix ans. "Ce qu'il advient ensuite de l'uranium retraité n'est plus de notre ressort. " Mais Berne insiste: tous les déchets nucléaires suisses sont rapatriés, comme l'exige la loi. Par ailleurs, la Confédération tient un inventaire des matériaux nucléaires stockés à l'étranger, même si elle ne le communique pas, au nom du secret des affaires et de la prévention du sabotage.

 Malgré les assurances données hier par Moritz Leuenberger, Simonetta Sommaruga se dit "vraiment inquiète". "Je conclus de sa réponse que le Conseil fédéral confirme que du matériel nucléaire suisse est envoyé en Russie et qu'il ne connaît pas la localisation de ces matériaux. En outre, les exploitants de centrales nucléaires portent une part de responsabilité au cas où ces matériaux radioactifs ne seraient pas stockés correctement. "

 "Evidemment que des matériaux radioactifs sont acheminés en Russie, même si c'est indirectement, appuie Nicolas de Roten, de Greenpeace Suisse. Le problème, c'est qu'on en perd la trace en raison de l'opacité du système. Il est scandaleux que le Conseil fédéral se réfugie derrière le secret des affaires pour ne pas dire ce que deviennent ces matières nucléaires. C'est le signe qu'on nous cache quelque chose, alors que les Suisses ont le droit de savoir où finissent ces matériaux. " •

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 Le cycle du combustible nucléaire

 COMBUSTIBLE IRRADIÉ - Se dit du combustible usagé (surtout de l'uranium), fortement radioactif et très chaud, retiré du réacteur de la centrale pour être stocké sur place.

 uranium appauvri - Dans une usine de retraitement, comme celle de la Hague, le combustible usé est "trié". On récupère ainsi de l'uranium dit appauvri, faiblement radioactif, mais qui peut être valorisé.

 uranium réenrichi - L'uranium appauvri est réenrichi au contact d'uranium, pour ce qui concerne la Russie, de sources militaires ou de surgénérateurs.

 DÉCHETS NUCLÉAIRES - Se dit de tous les matériaux ne pouvant être récupérés. La Suisse a l'obligation de les rapatrier. Elle cherche actuellement un site pour les entreposer dans des couches géologiques profondes.