MEDIENSPIEGEL 7.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Frauenraum, Tojo, GH)
- (St)Reitschule: Cafeteria
- City Beach
- Centralweg-Flomi
- Enternungsartikel : Gegen Gewalt?
- Stadtratssitzung 10.6.10
- Big Brother Schengen: Infopflicht
- Big Brother Sport: Neue Einsatztaktik
- Police CH: Hotelzimmer; 2000 Leute fehlen; Rentenalter 58
- Demo gegen Polizeigewalt in Fribourg am 12.6.10
- Ausschaffung: Inti mit Bois-Reymond
- 40 Jahre Schwarzenbach-Initiative: heute chancenlos
- Anti-Zirkus: Gummiboot-Demo
- 30 Jahre Züri brännt: Fotografin im Gummischrot
- Eva Herman: Internet-TV
- Palästina: Protestdemos in Israel und CH
- Anti-Atom: Nidwaldner Ausstieg; Niederamt-AKW

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REITSCHULE
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Mi 09.06.10
17.00 Uhr - Tojo - "Fische in Griechenland" von Sans Cible. Jugendtheater Festival Spiilplätz 2010
20.30 Uhr - Kino - Luftdrum von Margrit Rieben

Do 10.06.10
17.00 Uhr - Tojo - "Die Insel" Theaterclub U18 - I, Junge Bühne Bern. Jugendtheater Festival Spiilplätz 2010
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter - elektronische Leckerbissen zu lesbisch-schwulem Chillen mit DJ Xylophee, DJ Dunch, DJ FRATZ, Isabelle, Mike, Nadja & DJ ELfERich
20.30 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des WM-Taumels Shosholoza Express, Beatrice Möller, D 2010
21.00 Uhr - Rössli-Bar - BUMshankar (CH) Support: Collie herb backed by: max rubadub

Fr 11.06.10
17.00 Uhr - Tojo - "Die fetten Jahre sind vorbei" Jugend-Club U21, Junges Theater Solothurn. Jugendtheater Festival Spiilplätz 2010
Uhr - SousLePont - Anpfiff zur WM-Beiz im HOF (bis 11. Juli)
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Uz Jsme Doma (CZ) und Blackthread (F). Support: DJ's SCB (Senioren Club Brachland)

Sa 12.06.10
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE - Frauenkleidertauschbörse "women only" (bis 17.00h)
17.00 Uhr - Tojo - "Trüffelschweine" Jugendclub momoll Theater, Schaffhausen. Jugendtheater Festival Spiilplätz 2010
19.30 Uhr - Frauenraum - Emanzengala: Vernissage des Sammelalbums "Zehn Berner Heldinnen". Mit Duo Jenny Popper & Jess Honey und Steff la Cheffe
22.00 Uhr - Frauenraum - Disko mit DJ Sister Knister

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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kulturstattbern.derbund.ch 7.6.10

Von Gisela Feuz am Montag, den 7. Juni 2010, um 07:00 Uhr

Kulturbeutel 23/10

(...)

Signora Pergoletti empfiehlt:
Die Emanzengala! "Alte und neue Emanzen revisited. Vernissage des Sammelalbums "Zehn Berner Heldinnen". Ein bunter, eleganter Abend mit Infotainment, Audio, Video und Surprisen." Klingt doch gut! Präsentiert von dafne - das feministische Netz Bern, am Samstag im Frauenraum der Reitschule, für Frauen und Männer. Sowie das Jugendtheaterfestival "Spiilplätz" im Schlachthaus, im Tojo und in der Grossen Halle, ab Mittwoch.

(...)

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(ST)REITSCHULE
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Bund 7.6.10

Reitschul-Cafeteria bleibt bestehen

 Die Schliessung war bereits angekündigt, nun haben sich die Reitschule und die Cafete doch noch gefunden.
 
Felicie Notter

 Letzten November wurde an einer Vollversammlung in der Reitschule die Schliessung der Cafeteria auf Ende 2010 beschlossen. Wie auf dem sozialen Internet-Netzwerk Facebook zu erfahren war, sollte die Cafete nun vorzeitig, am 26. Juni, ihre Türen schliessen. Die Mediengruppe der Reitschule hatte die Pläne gegenüber dem "Bund" bestätigt. Nun habe man sich aber geeinigt: Die Cafeteria und die übrigen Reitschulgruppen hätten eine einvernehmliche Lösung gefunden. Wie diese genau aussehe, werde zu gegebener Zeit mitgeteilt.

 Autonomer Freiraum im Clinch

 Vorausgegangen war ein jahrelanger Zwist zwischen Reitschule und Betreibern der Cafeteria. Offenbar beteiligten sich diese nicht an den basisdemokratischen Reitschul-Strukturen. Dies äusserte sich für Aussenstehende etwa darin, dass Bands und DJs, die in der Cafeteria auftraten, nicht wie alle anderen Veranstaltungen der Reitschule angekündigt wurden - weder online noch in der Reitschul-Zeitschrift "Megafon". Es kursierten Gerüchte über weitere Probleme. Einzelpersonen hätten selbst minimale strukturelle und finanzielle Abmachungen nicht eingehalten.

 Auf Facebook beschreibt sich die Cafete als Ort, der sich stets bemüht habe, "auch noch zu später Stunde möglichst vielen unterschiedlichen Leuten einen Platz zu bieten". An motivierten Leuten, die Cafeteria zu betreiben, fehle es nicht. Die Facebook-Gruppe zählte am Wochenende bereits über 300 Mitglieder.

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CITY BEACH
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BZ 5.6.10

Grosse Schanze

 Willkommen am Strand

 Bei sommerlichem Wetter eröffnete der Stadtstrand Summer Beach auf der Grossen Schanze gestern den Betrieb.

 270 Tonnen Sand, Rattanmöbel, Palmen und gar ein Whirlpool: Der Stadtstrand Summer Beach neben dem Glaslift auf der Grossen Schanze hat gestern die ersten Gäste angelockt. Dort werden auch die Fussball-WM-Spiele übertragen.Auf gutes Wetter hofft nun auch der City Beach, der in der Nähe auf der Einsteinterrasse am 11.Juni seine Tore öffnet.
 ein

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CENTRALWEG
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BZ 5.6.10

Quartierfest mit Flohmarkt

 Im Rahmen des Berner Umwelttags organisiert der Verein Läbigi Lorraine heute Samstag einen farbigen Aktionstag mit einem Flohmarkt ab 10 Uhr und Kulturdarbietungen ab 14.30 Uhr. Der Anlass wird auf der Centralweg-Brache gefeiert, die kürzlich wegen der autonomen Gruppe Stadttauben in die Schlagzeilen geriet. Details zum Programm auf der Webseite http://www.laebigi-lorraine.ch.
 pd

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kulturstattbern.derbund.ch 5.6.10

Foto: http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/blog/2010/06/05/flohmarkt-in-der-lorraine/

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DEMORECHT
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Bund 5.6.10

Meinungen

Tribüne In Bern wird am 13. Juni über den Entfernungsartikel abgestimmt.

 Ein Zeichen gegen Gewalt

Fred Moser

 Das Komitee der Volksinitiative "Keine gewalttätigen Demonstranten!" besteht aus besorgten Bürgern der Stadt Bern. Gewalt spielt heute leider eine wichtige Rolle, beim Sport und auch bei Kundgebungen in der Bundesstadt. Nicht zufällig publiziert der Kanton gerade jetzt eine Studie zum Thema "Jugend und Gewalt". Die Zahl der Gewalttaten nimmt zu.

 Bei Ausschreitungen entstehen jedes Mal grosse Schäden bei Sachen (Häusern, Mobiliar, Fensterscheiben) und leider auch bei Personen. Wer bezahlt dafür? Die vermummten Täter machen sich aus dem Staube. Die geschädigten Gewerbetreibenden und die privaten Steuerzahler haben das Nachsehen und sind die Dummen.

 Freiheiten sind gewährleistet

 Friedliche Demonstrationen bleiben mit Annahme der Initiative selbstverständlich nach wie vor erlaubt. Demonstrierende haben selber ein Interesse daran, dass die Gewaltbereiten die Anliegen der Kundgebung nicht kaputt machen. Gegen Gewalt muss jedoch Nulltoleranz gelten.

 Das Bundesgericht hat die Rechtslage anhand einer ähnlichen Regelung in der Stadt Thun geklärt: Die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit ist auch bei einem Entfernungsartikel gewährleistet.

 Die Polizei braucht unsere Unterstützung für ihre schwierige Arbeit. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) sowie der Gesamtgemeinderat unterstützen unsere Initiative. Nauses Amtskollege in Thun, Peter Siegenthaler (SP), ist froh über die neue Regelung in seinem Kundgebungsreglement.

 Keine zusätzlichen Kosten

 Andere Krawalle, beispielsweise der Aufruhr von Linksextremen am 6. Oktober 2007 anlässlich des SVP-Umzuges, haben gezeigt, dass die Polizei Demonstrationen, die in Gewalt auszuarten drohen, frühzeitig auflösen muss. Dies noch, bevor grosse Schäden entstehen.

 Diese Möglichkeit will der neue Entfernungsartikel der Polizei im Kundgebungsreglement geben. Gewaltbereite Prügel-Demonstranten können neu auch gebüsst werden, was heute nicht vorgesehen ist. Dem Steuerzahler entstehen bei Annahme der Initiative keine zusätzlichen Kosten. Die Forderung unserer Initiative ist somit massvoll. Sie liegt im Interesse friedlich eingestellter Demonstranten und der übrigen Bevölkerung.

 Abschreckende Wirkung

 Die neue Regelung kann präventiv wirken. Helfen Sie mit, ein Zeichen zu setzen für weniger Gewalt in unserer schönen Stadt, und legen Sie am 13. Juni ein Ja für die Initiative "Keine gewalttätigen Demonstranten!" in die Urne.

 Fliegende Pflastersteine sind keine Argumente und vermummte Krawallbrüder haben an Kundgebungen nichts zu suchen!

 Fred Moser

 Der Autor ist Präsident des Initiativkomitees "Keine gewalttätigen Demonstranten!" Der Berner wurde 1944 geboren und ist pensionierter Versicherungsbroker.

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STADTRAT
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Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 10. Juni 2010 17.00 Uhr und 20.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/2010-05-31.9731818893/gdb_sitzung_view
NEUE LISTE////Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich (Besuchertribüne)
Traktanden

(...)
 
2. Interfraktionelle Motion GFL/EVP, GLP, BDP/CVP (Barbara Streit-Stettler, EVP/Susanne Elsener, GFL/Jan Flückiger, GLP/Kurt Hirsbrunner, BDP/Béatrice Wertli, CVP/Pascal Rub, FDP): Drogenanlaufstelle: Mehr Führungsverantwortung für die Stadt Bern (BSS: Stv. Hayoz) verschoben vom 3. Juni 2010 09.000338
 
3. Motion Beat Gubser (EDU): Kennzahlen Drogentherapien (BSS: Stv. Hayoz) verschoben vom 3. Juni 2010 09.000399
 
(...)
 
7. Motion Fraktion GB/JA! (Lea Bill/Rahel Ruch, JA!): Zwischennutzung von leerstehendem Wohnraum (PRD: Tschäppät) 09.000296
 
(...)
 
12.     Postulat Robert Meyer (SD): Gemeinderat befürwortet Verbot von Anti-Minarett-Plakaten in Bern - Zensur begräbt Demokratie! (GuB: Tschäppät)     09.000358
 
13.     Interpellation Rolf Zbinden (PdA): "Bern drückt sich um Entscheid über Minarett-Plakat" (BZ, 15.10.09) - Was soll der Affentanz um die rassistische Hasspropaganda? (GuB: Tschäppät)     09.000359
 
(...)

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BIG BROTHER
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Bund 5.6.10

Datenschutz

Schengen-Regelung für Umgang mit Personendaten

 Der Bund muss künftig Personen informieren, wenn er über sie Daten beschafft. Die Schweiz passt ihre entsprechenden Gesetze auf den 1. Dezember dem Schengen-Raum an, wie der Bundesrat entschieden hat. Das Parlament hat die Änderungen bereits verabschiedet. In Kraft treten sie unter dem Vorbehalt, dass die Referendumsfrist unbenutzt abläuft. Neu geregelt wird zum Beispiel, unter welchen Voraussetzungen Personen-Daten an einen Schengen-Staat weitergeleitet werden können. (sda)

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BIG BROTHER SPORT
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Sonntagszeitung 6.6.10

Dokumentieren und festnehmen

 Mit einer neuen Einsatztaktik schaltet die Polizei gezielt gewaltbereite Sportfans aus

 Von Matthias Halbeis

 Zürich Polizeikorps rüsten gegen Straftäter an Sportveranstaltungen auf. Mit einer neuen Einsatztaktik wollen die Kommandanten mehr Verurteilungen von gewaltbereiten Sportfans erwirken. Die Änderung ist Folge der "Policy gegen Gewalt im Sport" der kantonalen Polizeidirektoren.

 Sogenannte Beweissicherungs- und Festnahme-Elemente (BFE) sollen dafür sorgen, dass Straftaten dokumentiert, Verursacher festgenommen und gleich anschliessend an die Staatsanwaltschaften oder Untersuchungsrichter übergeben werden können. Beat Hensler, Kommandant der Luzerner Polizei: "Gesamtschweizerisch ist eine klare Tendenz feststellbar, dass Korps vermehrt solche Einheiten gegen die Gewalt an Sportveranstaltungen einsetzen." Hensler leitet die Arbeitsgruppe "Einsatztaktik Fussball" der Konferenz der Polizeikommandanten.

 Am konsequentesten ist in der abgelaufenen Saison die Stadtpolizei St. Gallen mit dieser Doktrin gegen Fussballchaoten vorgegangen - mit Erfolg. Dutzende Gewalttäter wurden abgeurteilt, zum Teil nach Untersuchungshaft über das Wochenende hinaus. Kommandant Pius Valier sagt: "Wenn die Beamten aus der Masse heraus Straftäter gezielt festnehmen, so hat das eine direkte präventive Wirkung auf alle anderen Fans." Laut Hensler kann die Polizei bei einem Einsatz noch so viele Leute festnehmen: "Wenn danach alle Verfahren wegen fehlender Beweise eingestellt werden, verliert das Vorgehen schnell an Drohwirkung." Valier erinnert sich, dass sich nach solchen Zugriffen angeheizte Situationen schlagartig entschärften. Spiele in St. Gallen seien in der Rückrunde merklich ruhiger abgelaufen.

 Positive Erfahrungen mit der neuen Einsatztaktik machte laut Sprecher Franz Märki auch die Kantonspolizei Bern. Für Mario Cortesi, Medienchef der Zürcher Stadtpolizei, liegt der Vorteil des Vorgehens, das in Zürich ebenfalls angewandt wird, im Videobeweis: "Wenn wir Festnahmen machen, münden sie aufgrund der qualitativ hochstehenden Beweise in Verurteilungen."

 Auf Beginn der Rückrunde der Fussballmeisterschaft 2009/10 stellte Valier zusammen mit der St. Galler Kripo und Staatsanwaltschaft die neue Doktrin vor etwa 80 Polizeioffizieren aus der ganzen Schweiz vor. Viele Korps seien daran, diese Taktik zu adaptieren, sagt Valier. Auf Beginn der neuen Saison würden BFE verstärkt eingesetzt. Beispielsweise von der Kantonspolizei St. Gallen: Sie plant, entsprechend ausgebildete Polizisten von Beginn der nächsten Saison bei Eishockeyspielen in Rapperswil-Jona einzusetzen. Gemäss der Polizeidirektorin Keller-Sutter laufen Abklärungen, ob die Spezialisten sogar im Stadion der Lakers zum Einsatz kommen können. Dann, wenn Störenfriede aus der Kurve heraus festzunehmen sind.

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POLICE CH
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NLZ 7.6.10

Polizeiverband

 Polizisten wollens komfortabler haben

Von Jürg Auf der Maur

 Hotel statt Zivilschutzanlage: Die Polizisten verlangen mehr Annehmlichkeiten bei Grosseinsätzen. Sie wollen zum Beispiel Tageslicht.

 "Wir sind Profis und wollen wie Profis behandelt werden." Das sagt Max Hofmann, Generalsekretär des Schweizer Polizeibeamtenverbandes. Seit der Euro 08 ist der Polizeiverband darum daran, die Arbeitsbedingungen der Schweizer Polizisten zu untersuchen und sie mit denjenigen ausländischer Korps zu vergleichen. Das Fazit: Bei Grosseinsätzen sind die Bedingungen, unter welchen Schweizer Ordnungshüter zum interkantonalen Dienst aufgeboten werden, um Meilen schlechter als jene der deutschen Kollegen. Das mussten die hiesigen Polizisten spätestens im Rahmen der Euro 08 feststellen, als Schweizer und deutsche Beamte Seite an Seite im Einsatz standen.

 Polizisten bedrängen Politiker

 Nun haben die Schweizer Polizisten die Nase voll. Der Zentralvorstand hat vor kurzem ein Positionspapier verabschiedet, mit dem in den nächsten Wochen das Gespräch mit der Politik gesucht wird. Hofmann: "Wir wollen zuerst mit den Kommandanten reden und später unsere Anliegen auch der Politik vorlegen." Ziel: Mit dem nun erarbeiteten Forderungskatalog werden Mindeststandards verlangt, die festhalten, zu welchen Arbeitsbedingungen Schweizer Polizisten künftig im Einsatz stehen sollen. Dabei geht es um "planbare, kantonsübergreifende Einsätze, bei welchen Mitarbeitende mehrerer Polizeikorps involviert sind". Das heisst: Es geht nicht um kurzfristig einberufene Ordnungsdienste bei Demos oder vor Fussballstadien, sondern um Anlässe wie beispielsweise den G-8-Gipfel am Genfersee, die Euro 08, das WEF oder den im Sommer stattfindenden Frankofoniegipfel in Genf.

 Nie mehr Zivilschutzanlagen

 Hier allerdings machen die Polizisten klar, was sie in Zukunft verlangen. "Die Zeit der Zivilschutzanlagen ist vorbei", sagt Hofmann. Die Polizeigewerkschaft fordert deshalb nicht nur ein paritätisches Mitspracherecht bei den Vorbereitungsarbeiten, sondern auch Unterkünfte vor Ort, wie sie andere Berufsleute für sich auch beanspruchen dürfen. Hofmann: "Es kommt niemandem in den Sinn, einen IBM-Techniker, der auf Montage ist, in eine Zivilschutzanlage zu stecken, nur weil das günstiger ist als eine Hotelübernachtung."

 Der Forderungskatalog lässt denn auch keine Fragen offen, was sich die Polizisten als Mindeststandards für Einsätze vorstellen (siehe Box).

 Luzerner Kommandant ist offen

 Bei den Polizeikommandanten stossen die Forderungen der Basis nicht grundsätzlich auf Widerstand. "Wir werden diesen Forderungskatalog sicher genau prüfen", sagt der Luzerner Polizeikommandant Richard Hensler. "Wir wollen ja auch, dass unsere Leute unter guten Bedingungen arbeiten können." Die Finanzfrage müsse die Politik lösen, betont Hensler und macht klar, dass hier das Wohl der Polizisten im Einsatz im Zentrum stehen müsse. Probleme könnte allerdings die praktische Umsetzung geben - etwa dann, wenn in der Umgebung nur Fünfsternehotels vorhanden wären. Hensler: "Eine Unterbringung in einem solchen Luxushotel ginge nicht, das ist wohl allen klar, auch wenn die Zeit von Zivilschutzanlagen tatsächlich vorbei ist." Gesucht seien also vernünftige Lösungen für den praktischen Alltag.

 juergaufdermauer@neue-lz.ch

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 Der Katalog

 Das verlangen die Polizisten

 • Eine sowohl am Tag wie auch in der Nacht ruhige Lage.

 • Fenster mit Tageslicht, die aber so verdunkelt werden können, dass man auch tagsüber schlafen kann.

 • Eine maximale Distanz zum Einsatzort von 30 Kilometern.

 • Hotels und Kasernen statt Zivilschutzanlagen, die künftig kategorisch abgelehnt werden.

 • Maximal 4- bis 6-Betten-Zimmer, nach Geschlechtern getrennt.

 • Von der Mannschaft getrennte Zimmer für Kader und Fahrer.

 • Normale Matratzen; Leintuch, Kopfkissen und Duvet.

 • Dazu eigene abschliessbare Schränke, gute Sanitäranlagen und pro Person mindestens eine Steckdose.

 • Einen Ruheraum von mindestens 120 Quadratmetern Grösse pro 30 Polizisten.

 • Dieser soll über WLAN, Zeitungen, Radio/TV, Kühlschrank und Snacks verfügen.

 • 3 Essen pro Tag à 24 Stunden.

 • Eine Einsatzzeit von 24 Stunden soll maximal 15 Stunden Arbeit und mindestens 9 Stunden Ruhepause am Stück umfassen.

 • Einsätze sollen künftig für den einzelnen Polizisten maximal zehn Tage am Stück dauern. Dann werden zwei Freitage mit der Möglichkeit, nach Hause zurückzukehren, gefordert.

 • Überstunden sollen am Samstag und am Sonntag einen Zeitzuschlag von 100 Prozent erhalten, von Montag bis Freitag um 25 Prozent.

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NZZ am Sonntag 6.6.10

Der Polizei fehlen 2000 Leute

 Der Personalmangel bei den Polizeieinheiten in der Schweiz hat sich weiter verschärft, wie eine Erhebung zeigt.

 Andreas Schmid

 Immer mehr Einsätze, aber kein zusätzliches Personal: Die Anforderungen an die Polizisten in der Schweiz stiegen stetig, beklagt sich deren Gewerkschaft. Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) stellt seine Delegiertenversammlung von kommender Woche in Luzern denn auch unter das Motto "Es reicht!". Unter anderem mit einer Resolution will der VSPB auf die fehlenden Ressourcen, die enorme Arbeitsbelastung sowie die zunehmende Gewalt gegen Polizisten aufmerksam machen.

 In den Schweizer Korps arbeiten rund 16 000 Polizisten. Gemäss einer Erhebung bei den Kommandanten in den Kantonen seien das gegen 2000 zu wenig, sagt Heinz Buttauer, der Präsident des VSPB. "Der Unterbestand hat sich seit Jahren zusehends akzentuiert." Inzwischen leisteten die Polizeibeamten jährlich hochgerechnet 1 Million Überstunden. Der Missstand liege in den Sparbemühungen der Kantone und in der zunehmenden Zahl an Einsätzen bei Fussball- und Eishockeyspielen sowie Demonstrationen begründet, sagt Buttauer. Bis der Sollbestand erreicht sei, dauere es selbst mit Zusatzanstrengungen Jahre.

 Der Verband der Polizeibeamten sieht sich in seiner Forderung nach mehr Personal auch im abnehmenden subjektiven Sicherheitsempfinden der Bevölkerung bestätigt: Die Angst vor Kriminalität hat laut der alljährlichen Bevölkerungsbefragung im letzten Jahr signifikant zugenommen.

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Südostschweiz 6.6.10

Polizisten wenden sich an die Politiker

 Bern. - Viele Aufgaben und Überstunden und zu wenig Personal: Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) wird an seiner Delegiertenversammlung nächste Woche von der Politik mehr Unterstützung verlangen. So sollen etwa die Unterbestände schnellstmöglich behoben und die Einsätze an Sportanlässen grosszügiger honoriert werden. Auch die Frühpensionierung ist ein Thema: Die Polizeigewerkschaft möchte Polizisten vermehrt mit 58 Jahren in Rente schicken können. Seite 15

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Polizeigewerkschaft fordert Pensionierung mit 58 Jahren

 Den Schweizer Polizisten reicht es: Im Vorfeld ihrer Delegiertenversammlung fordert die Polizeigewerkschaft bessere Arbeitsbedingungen, etwa frühere Pensionierungen.

 Von Sermin Faki

 Bern. - Schweizer Polizisten sollen künftig vermehrt schon mit 58 Jahren in den Ruhestand treten. Das wird der der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) an seiner Delegiertenversammlung in der kommenden Woche fordern. Denn: Viel Schweizer Polizisten fühlen sich überfordert. Grund dafür sind vor allem Grosseinsätze bei Sportanlässen, aber auch immer mehr jene Aufgaben, die die Politik den Sicherheitsbehörden aufhalst. Max Hofmann, Generalsekretär des VSPB - der Polizeigewerkschaft -, erklärt: "Die Politik erlässt immer neue Strafbestimmungen, die ja irgendjemand umsetzen muss." Und das sei in den meisten Fällen die Polizei. Neustes Beispiel seien die Rauchverbote in den Kantonen: "Wir müssen kontrollieren, ob sich alle Wirte an die Auflagen halten." Das alles führt dazu, dass Schweizer Polizisten immer mehr Überstunden anhäufen. Schon 2006 waren es über eine Million. Recherchen der "Südostschweiz am Sonntag" zu den aktuellen Zahlen der Kantonspolizeien zeigen: Allein in den Kantonen Bern und Freiburg wurden 2009 über 161 000 Überstunden geleistet, weitere Kantone machen ähnliche Angaben. Nur eine Minderheit der angefragten Polizeikorps, wie etwa jenes von Basel-Stadt, verweist auf stagnierende oder sinkende Zahlen. Eines aber ist gemeinsamer Nenner: "Es fehlen Leute." Insgesamt, so schätzt der VSPB, hat die Schweiz 1500 bis 2000 Polizisten zu wenig.

 Mehr Gewalt gegen Polizisten

 Doch nicht nur die quantitative, auch die qualitative Arbeitsbelastung nimmt zu: Immer mehr Polizeibeamte würden im Dienst Opfer von Gewalt, nicht nur bei Fussball- oder Eishockeyspielen, so Hofmann. "Heute kann es einem Polizisten bei einer ganz normalen Fahrzeugkontrolle passieren, dass jemand ausrastet." Die Hemmschwelle für Gewalt gegen Polizisten sinke beständig.

 Das alles führe dazu, dass der Polizeiberuf nicht mehr so attraktiv sei wie auch schon. Um die Missstände zu beheben, wird die Polizeigewerkschaft neben der früheren Pensionierung an ihrer Delegiertenversammlung Folgendes fordern:

-  die schnellstmögliche Auffüllung der Unterbestände,

-  eine Verschärfung der Strafen für Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte,

-  die Einteilung von Einsätzen an Sportanlässen als Spezialeinsätze, was höhere Lohnbezüge und mehr Erholungszeit zur Folge hätte, und

-  eine Abkehr vom "Privatisierungswahn" der Politik, die immer mehr Polizeiaufgaben an private Unternehmen wie Securitas auslagere.

 Letzter Punkt widerspricht offensichtlich den Klagen der Polizisten, überlastet zu sein. "Es stimmt, diese Unternehmen entlasten uns", sagt Hofmann. Doch seien auch Probleme mit ihnen verbunden: "Wer kontrolliert diese Firmen? Was passiert in einem Konkursfall? Müssen wir dann von heute auf morgen einspringen?" Zudem, gibt er zu bedenken, könne es doch nicht Ziel sein, das staatliche Gewaltmonopol an Private abzugeben.

 Brisanter Vorschlag

 Die Politik tut sich schwer mit den Forderungen der Polizeigewerkschaft. Die Strafmasserhöhung wurde von Bundesrat und Nationalrat bereits abgelehnt, und angesichts der angespannten Finanzlage komme eine personellen Aufstockung wohl erst in zweiter Linie in Betracht, sagte kürzlich die Vizepräsidentin der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, Karin Keller-Sutter.

 Keller-Sutter macht sich jedoch für eine andere Lösung stark: Sie will das Grenzwachtkorps auflösen und die 1900 Beamten den Kantonen zuteilen. Das lehnen das zuständige Eidgenössische Finanzdepartement und manche Kantone ab. Das dem Grenzwachtkorps obliegende Zollwesen sei Aufgabe des Bundes, und es komme nicht infrage, die Zollhoheit den Kantonen abzutreten, heisst es beim Bund. Interview 5. Spalte

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Aus erster Hand

 "Ich stelle mir eine Kripo Ostschweiz vor"

 Mit Regierungsrätin Karin Keller-Sutter* sprach Sermîn Faki

 Frau Keller-Sutter, die Polizeigewerkschaft fordert das Pensionsalter 58. Ist das machbar?

 Karin Keller-Sutter: Die Frage des Pensionierungsalters ist eine Angelegenheit der Kantone und wird in den jeweiligen Kantonsparlamenten entschieden. In Einzelfällen soll eine Frühpensionierung möglich sein. Eine generelle Einführung des Pensionierungsalters 58 ist jedoch aus demografischen und finanziellen Gründen nicht möglich. Es würde sich zudem die Frage der Gleichbehandlung mit anderen Berufsgruppen stellen, die auch ausserordentlichen Belastungen ausgesetzt sein können, zum Beispiel Gefängnis- oder Gesundheitspersonal.

 Die Polizisten klagen über Überstunden und Überforderung. Hat die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) Verständnis dafür?

 Man muss dem natürlich Rechnung tragen. Aber auf der anderen Seite muss auch der Verband Schweizerischer Polizeibeamter zur Kenntnis nehmen, dass einige Kantone, etwa St. Gallen, trotz Sparmassnahmen aufgestockt haben. Zudem resultieren viele Überstunden aus Einsätzen an Sportanlässen, und wir sind ja dabei, Massnahmen auszuarbeiten, um das Aufgebot an Polizisten zu reduzieren.

 In der Schweiz fehlen 1000 bis 2000 Polizisten. Sie haben vorgeschlagen, das Grenzwachtkorps in die Kantonspolizeien zu integrieren. Das kam beim Bund nicht gut an: Zollwesen sei Bundessache, hiess es.

 Die Kantone wollen das Zollwesen gar nicht. Aber heute führen Grenzwächter Verkehrskontrollen und Personenüberprüfungen durch - auch in Zügen im Binnenland. Nur sind das polizeiliche Aufgaben, und die Polizeihoheit liegt bei den Kantonen. Dabei kommt es zu Doppelspurigkeiten.

 Aber es könnte die Polizei entlasten.

 Natürlich. Und wir können uns auch durchaus gemischte Patrouillen vorstellen. Nur fordert die KKJPD dann im Minimum, dass das GWK bei solchen polizeilichen Einsätzen der Polizei unterstellt wird. Wenn das GWK darüber hinaus Zollvergehen ahndet, ist das doch kein Problem. Nur braucht es eine klare Regelung der Zuständigkeiten.

 Sie sehen die Zukunft der inneren Sicherheit in vermehrter Kooperation?

 Eindeutig. Die Schweiz wächst immer mehr zusammen: Wir werden ein "City State", ein Stadtstaat, leben aber in den zersplitterten Sicherheitsstrukturen von 1848. Ich denke, wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, wie wir unsere Kräfte bündeln können, um einerseits den Erwartungen der Bevölkerung gerecht zu werden - und auch um Steuergelder effizienter einzusetzen. Ich könnte mir beispielsweise auch eine Kripo Ostschweiz vorstellen. Wenn man will, kann man solche Modelle umsetzen. Wir sollten das nur offen und ohne Scheuklappen diskutieren können.

 Karin Keller-Sutter (FDP) ist Vorsteherin des St. Galler Sicherheits- und Justizdepartementes und Vizepräsidentin der KKJPD.

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POLIZEIGEWALT
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Indymedia 6.6.10

Demo gegen Polizeigewalt, Samstag, 12. Juni Fribourg ::

AutorIn : justice pour tous         

Demo gegen Polizeigewalt, Samstag, 12. Juni: 15h Fribourg, Place Python

Am 18. April wurde der 18jährige Sébastien aus Lyon von schweizerischen Polizeibeamten getötet. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder und Kollegen hatte er drei Autos aus einer Garage gestohlen. Während der Verfolgung wurden sie von der Polizei in einen wahrhaftigen Hinterhalt gehetzt: die Autobahn wurde gesperrt, Polizeischützen in Position gebracht. Als das erste Auto auf die Sperre auffuhr, schoss einer der zwei anwesenden Polizisten sieben Mal darauf. Schuss nach Schuss, jedes Mal nachgeladen. Der Nebenfahrer des Autos, Sébastien, starb durch einen Kopfschuss. Der Fahrer, Yunus, wurde vor Ort verhaftet und sitzt seither in Lausanne in Untersuchungshaft.
Einige Tage später, als Daniel mit seiner Familie den Körper seines getöteten Zwillingsbruders nach Frankreich zurückführen möchte, wurde er an der Grenze von der Genfer Polizei verhaftet. Anstatt an der Beerdigung seines Zwillingsbruders teilnehmen zu können, wurde er in Freiburg in Untersuchungshaft genommen.     
    
Der durch einen Polizeieinsatz verursachte Tod von Sébastien ist kein Einzellfall. Schon am 11. März hat in Lausanne ein Inhaftierter der Strafanstalt Bochuz seine Matratze in Brand gesetzt, um gegen die Konfiszierung seines Radios zu protestieren. Die Beamten haben nicht interveniert, sodass die Person erstickte. Am 17. März ist ein Ausschaffungshäftling an den Folgen einer versuchten Zwangsausschaffung gestorben: er hatte sich seiner Ausschaffung widersetzt.
Die Schweizer Polizei tötet. Zwei Tage nach Sébastiens Tod war der betreffende Polizist wieder im Dienst, als wäre nichts geschehen. Daniel und Yunus sind immer noch in Haft. Sie werden in der Folge von den Schweizer Behörden und ihren französischen Kollegen, als Banditen ausgegeben. Der Diebstahl ohne Gewaltanwendung wird als organisierte Bandenkriminalität betitelt. Dieser Diskurs hat ein einziges Ziel: den Mord zu legitimieren und den Polizisten zu rehabiliteren.
Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Schweizer Justiz in dieser Weise vorgeht und Yunus sowie Daniel zu exemplarischen Strafen verurteilt.

Gegen jegliche Polizeigewalt!
Freiheit für Daniel und Yunus!

"Justice pour tous", Freunde der Familie von Sébastien, Daniel und Yunus

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AUSSCHAFFUNG
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Aargauer Zeitung 5.6.10

"Ich hätte mir zumindest Ärger erspart"

 BFM-Direktor bedauert Nigerianer-Aussage


 Seit Anfang Jahr ist Alard du Bois-Reymond Direktor des Bundesamtes für Migration (BFM). Im Interview sagt er, was ein Ja zur Ausschaffungsinitiative zur Folge hätte und wieso er bald nach Nigeria fliegen wird.

 Martin Rupf

 Herr Alard du Bois-Reymond, wie beurteilen Sie den Entscheid des Nationalrats zur Ausschaffungsinitiative?

 Alard du Bois-Reymond: Es sieht jetzt gut aus für den Gegenvorschlag, das ist wichtig. Denn die Initiative der SVP würde uns grosse Probleme bereiten.

 Was für Probleme?

 du Bois-Reymond: Laut Initiative würde zum Beispiel jemand automatisch ausgeschafft, wenn er ein Bagatelldelikt begeht. Sie ist unverhältnismässig.

 Was sind die Vorteile des Gegenvorschlags?

 du Bois-Reymond: Mit dem Gegenvorschlag werden Ausländer nur bei schwerwiegenden Delikten weggewiesen. Zudem enthält er neben repressiven auch präventive Elemente wie das wichtige Element der Integration.

 Die SVP findet dieses Element überflüssig, weil die Integration bei einer Ausschaffung offensichtlich gescheitert sei.

 du Bois-Reymond: Leider werden Ausländer oft mit Kriminalität in Zusammenhang gebracht. Dabei nützen Ausländer der Schweiz auch sehr viel. Es gibt jedoch auch Risiken. Diese Risiken können mit einer guten Integration vermindert werden.

 Was würde sich mit Annahme der Initiative oder des Gegenvorschlags ändern?

 du Bois-Reymond: Heute werden aufgrund von Schätzungen der Kantone jährlich 350 bis 400 kriminelle Ausländer weggewiesen. Bei einem Ja zum Gegenvorschlag würde sich diese Zahl laut Schätzungen verdoppeln - bei der Ausschaffungsinitiative gar vervierfachen. Was die SVP nicht sagt: Die Schweiz ist bei der Ausschaffung in jedem Fall auf die Zusammenarbeit mit den Empfangsländern angewiesen.

 Aktuelles Beispiel ist Nigeria, das die Rückführung gestoppt hat, nachdem Mitte März ein nigerianischer Ausschaffungshäftling am Flughafen Kloten gestorben ist. Nigeria will die Flüge erst wieder aufnehmen, wenn der Untersuchungsbericht zum Todesfall vorliegt. Wann kann damit gerechnet werden?

 du Bois-Reymond: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Zürcher Staatsanwaltschaft führt die Untersuchung. Die Sache scheint komplizierter zu sein, als am Anfang angenommen. Wir befürworten eine umfassende Untersuchung, die nimmt aber Zeit in Anspruch.

 In einem Interview mit der "NZZ am Sonntag" sagten Sie, fast alle Nigerianer kämen wegen illegaler Geschäfte in die Schweiz. Damit verletzten Sie viele Nigerianer. Hätten Sie die Worte als Direktor vorsichtiger wählen müssen?

 du Bois-Reymond: Ich hätte mir zumindest einigen Ärger erspart. Doch inzwischen konnte ich gegenüber den nigerianischen Behörden klarstellen, dass ich nicht sagen wollte, alle Nigerianer seien kriminell. Ich werde diesen Sommer nach Nigeria fliegen, um die Migrationspartnerschaft zu vertiefen und allfällige Unklarheiten zu bereinigen.

 Hat es Sie im Nachhinein geärgert, dass Sie nicht sagen durften, was Sache ist?

 du Bois-Reymond: Es ist wichtig, dass ich als BFM-Direktor die Fakten anspreche. Gerade beim emotional sehr aufgeladenen Thema Migration. Noch wichtiger ist es aber, Lösungen zu bringen.

 Wie wollen Sie künftig Todesfälle vermeiden?

 du Bois-Reymond: Verschiedene Massnahmen sind vorgesehen. So soll neu von Anfang an ein Arzt auf jedem Flug dabei sein. Zudem werden dem Arzt die medizinischen Dossiers der auszuschaffenden Person zur Verfügung gestellt.

 Nach dem Tod des jungen Nigerianers Mitte März wurden die Sonderflüge in alle Länder gestoppt. Nun hat das BFM grünes Licht für die Wiederaufnahme - mit Ausnahme von Nigeria - gegeben. Wann werden die ersten Ausländer ausgeflogen?

 du Bois-Reymond: Wahrscheinlich finden vor den Sommerferien wieder die ersten Flüge statt. Das ist wichtig für die Kantone, weil sie mit dieser Aussicht die Ausschaffungshäftlinge länger im Gefängnis behalten können. Wichtig: Nigerianer können in zwei Drittel der Fälle in Dublin-Staaten ausgeschafft werden, wo sie ihr erstes Asylgesuch gestellt haben.

 Die Sonderflüge sind das eine. Doch das Bundesamt für Migration will ja auch erreichen, dass weniger Nigerianer in die Schweiz kommen. Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

 du Bois-Reymond: Wir haben eine Task-Force ins Leben gerufen, die sich dieser Frage annimmt.

 Konkret?

 du Bois-Reymond: Ein Beispiel ist die Ausbildung von nigerianischem Grenz- und Kontrollpersonal in Nigeria.

 Sie sind seit Anfang Jahr BFM-Direktor. Im Migrationsbereich läuft im Moment ungemein viel. Wie erleben Sie das?

 du Bois-Reymond: Ja, es läuft sehr viel. Dabei erhalten im Vergleich zum emotional aufgeladenen Asylbereich wichtige Themen wie beispielsweise der Dialog mit den Muslimen oder die Missbrauchsbekämpfung im Bereich der Personenfreizügigkeit zu wenig Gewicht.

 Bevor Sie BFM-Direktor wurden, waren Sie fünf Jahre Leiter der IV beim Bundesamt für Sozialversicherung. Fiel Ihnen die Umstellung schwer?

 du Bois-Reymond: Vor allem im Asylbereich habe ich nicht bei null angefangen, weil ich sieben Jahre im IKRK gearbeitet habe. In anderen Bereichen musste ich mich tatsächlich einarbeiten.

 Sie waren viele Jahre IKRK-Delegierter in Ex-Jugoslawien und vor allem in Afrika. Vermissen Sie den Wüstensand?

 du Bois-Reymond: Nein, im Gegenteil. Beim IKRK läuft man Gefahr, zu einer Art "Kriegs-Junkie" zu werden.

 Wie bitte?

 du Bois-Reymond: Die kriegerischen Seiten der humanitären Hilfe haben etwas "Drogenhaftes". Sie wollen immer mehr Extremsituationen. Ich habe gemerkt: Wenn ich kein "IKRK-Adrenalinabhängiger" werden will, dann muss ich wieder ins normale Leben zurück.

 Wo holen Sie sich heute den Kick?

 du Bois-Reymond: Ich bin älter geworden und brauche den täglichen Kick nicht mehr. Meine Aufgabe als BFM- Direktor gibt mir genügend Kick. (lacht)

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 Zur Person

 Seit dem 1. Januar 2010 ist Alard du Bois-Reymond (49) Direktor des Bundesamtes für Migration. Vorher war er IKRK-Delegierter, dann Direktor von Pro Infirmis und zuletzt Leiter der Invalidenversicherung beim Bundesamt für Sozialversicherung.

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40 JAHRE SCHWARZENBACH
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Südostschweiz 6.6.10

Schwarzenbach heute chancenlos

 James Schwarzenbach wollte 1970 die Zahl der Ausländer in der Schweiz auf zehn Prozent begrenzen. Heute liegt die Quote bei 21,7 Prozent. Dennoch hätte Schwarzenbach heute kaum eine Chance - es sind die "richtigen" Ausländer.

 Von Steffen Klatt

 Bern. - James Schwarzenbach fühlte sich am Abend des 7. Juni 1970 als heimlicher Sieger. Er war es auch. Nur 54 Prozent der Schweizer hatten seine Initiative abgelehnt. Diese wollte die Zahl der Ausländer in allen Kantonen ausser Genf auf zehn Prozent begrenzen. Bei einer Annahme hätten bis zu einer halben Million Ausländer ausgewiesen werden müssen.

 Italiener kamen lastwagenweise

 Im Nachhinein wurde die Initiative als typisch rechtes Anliegen wahrgenommen. Doch lancierte der Chef der Nationalen Aktion sie erst, als eine ähnliche Initiative der linksliberalen Demokratischen Partei nicht zustande kam. Beide Parteien wiesen auf ein Problem hin, das vielen Schweizern unter den Nägeln brannte: Die Zahl der Ausländer war rasch gestiegen, und diese waren schlecht integriert. Dabei ging es vor allem um Italiener: Ganze Lastwagenladungen voller Arbeitssuchender waren gekommen, um Textil- und andere Fabriken zu bestücken. 1969 betrug die Zahl der Ausländer bereits eine Million. Dabei machten die gut integrierten, niedergelassenen Ausländer nur ein Drittel aus. Hinzu kamen 190 000 Saisonniers, die nicht einmal die Chance zur Integration erhielten.

 Auch ohne Schwarzenbach-Initiative wurde das Problem entschärft: Zwei Ölpreisschocks in den Siebzigerjahren und die daraus folgende Wirtschaftskrise liessen die Zahl der Ausländer wieder sinken, bevor sie in den Achtzigerjahren wieder stieg. Nun kamen neue Ausländergruppen: Statt Italienern waren es Spanier, Portugiesen und Jugoslawen. Der Grund blieb der gleiche: Industrie, Baugewerbe, Tourismus und Gastronomie brauchten billige, fleissige Arbeiter. Hinzu kam ein neues Phänomen: Kriegsflüchtlinge. In den Achtzigerjahren waren es vornehmlich Tamilen aus Sri Lanka, in den Neunzigerjahren folgten jugoslawische Flüchtlinge.

 Inzwischen freilich brauchte die Schweizer Wirtschaft sie nicht mehr in diesem Mass. Der internationale grössere Wettbewerb zwang zur Auslagerung von Produktion in Billiglohnländer. Der Bundesrat passte seine Politik Anfang der Neunzigerjahre mit dem Modell der drei Kreise an: Zuerst sollten Ausländer aus der EU kommen, dann aus dem restlichen Europa und schliesslich dem Rest der Welt. Gleichzeitig sollten Hochqualifizierte statt billige Arbeiter geholt werden. Diese Politik schlug sich im freien Personenverkehr mit der EU nieder, der 2002 in Kraft trat. Seit 2007 steht die Schweiz den Bürgern der 15 alten EU-Staaten offen, ab Mai 2011 den Bürgern der zehn neuen. Bulgarien und Rumänien werden folgen.

 Europäischer als die EU-Länder

 Der Politikwechsel des Bundesrats ist erfolgreich: Zwar stieg der Ausländeranteil auf 21,7 Prozent. In keinem vergleichbaren Land Europas ist er so hoch. Unter den Nachbarn hat Österreich mit 10,1 Prozent den höchsten Anteil, Italien und Frankreich mit 5,8 Prozent den niedrigsten. In der EU hat nur der Sonderfall Luxemburg mit 42 Prozent einen höheren Anteil; doch das Grossherzogtum ist von Struktur und Grösse eher mit dem Kanton Genf zu vergleichen.

 Weit über die Hälfte der Ausländer kommt aus der EU. EU-Bürger stellen bereits 12,7 Prozent der Bevölkerung. Unter den Nachbarländern hat Österreich mit 3,5 Prozent den höchsten Anteil von EU-Bürgern an der Bevölkerung, Italien mit 1,6 Prozent den niedrigsten. Anderswo in der EU sieht es kaum anders aus. Anders gesagt: Die Schweiz ist europäischer als die EU-Länder selbst.

 Zahl der Niedergelassenen steigt

 Auch hat keine der nationalen Gruppen unter den EU-Bürgern einen so grossen Anteil wie einst die Italiener. Heute gelten noch 291 000 Italiener in der Schweiz als Ausländer - die eingebürgerten nicht mitgezählt. Noch 1980 waren es 423 000. Auch die Zahl der Deutschen beträgt erst rund 250 000. Ausserdem ist die Zahl der niedergelassenen - also seit mehr als fünf Jahren ansässigen und meist gut integrierten - Ausländer inzwischen deutlich grösser als die der Jahresaufenthalter. Den 1,1 Millionen Niedergelassenen stehen heute 536 000 Jahresaufenthalter und 53 000 Kurzaufenthalter (vergleichbar den einstigen Saisonniers) gegenüber.

 Damit ist die Schweiz zu einem Modell innerhalb Europas geworden. Entsprechend eskalieren hierzulande auch keine Probleme mit bestimmten Ausländergruppen, wie es etwa in den Pariser Banlieues der Fall war.

 Der Haken: Ein Schwarzenberg hätte heute keine Chance mehr. Selbst wenn es eine ausländerfeindliche Stimmung gäbe, würde eine Volksinitiative nicht mehr greifen. Die Stellung der EU-Bürger in der Schweiz ist durch die bilateralen Verträge abgesichert. Würden diese gekündigt, wäre das ein Super-GAU für die Schweizer Wirtschaft.

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ANTI-ZIRKUS
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Zürichsee-Zeitung 7.6.10

Gummiboot-Demo gegen Tiere im Zirkus

 Am Samstag trafen sich etwa 40 Aktivisten auf 15 Gummibooten, um auf dem Zürichsee gegen die Tierhaltung in Zirkussen zu demonstrieren. Mit einem riesengrossen Transparent, Schildern und über 100 Heliumballons machten die Demonstranten den Circus Knie und seine Besucher darauf aufmerksam, dass die Tierhaltung in Zirkussen nicht akzeptabel sei. Kurz nach Beginn der Gummiboot-Demo tauchte die Polizei mit zwei Booten auf und begleitete die Demonstranten.

 Als die Gummiboote beim Circus Knie angelangt waren, erschienen weitere Polizeibusse. Die Beamten auf dem Wasser wiesen die Demonstranten an, innert fünf Minuten die Wasserfläche vor der Landiwiese zu verlassen, da sie sonst verhaftet würden, schreibt die Tierschutzorganisation Azot in einer Medienmitteilung. (zsz)

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30 JAHRE ZÜRI BRÄNNT
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Zürichsee-Zeitung 7.6.10

"Züri brännt"-Serie Olivia Heussler hat 1980 fotografiert und Gummischrot abbekommen

 "Ich wäre sofort wieder dabei"

 Wer den Sommer 1980 nicht erlebte und doch ein Bild davon im Kopf hat, hat mit grosser Wahrscheinlichkeit eines von ihr im Kopf: Die Fotografin Olivia Heussler hat die Bewegung dokumentiert.

 Sarah Jäggi

 Dass Olivia Heussler noch immer "bewegt" ist, dass Autonomie für sie kein Schimpfwort, sondern Selbstverständnis ist und sie auch mit 53 Jahren nicht in einer bürgerlichen Normalität angekommen ist, wird am Ausstellungsort ihrer Bilder klar, am Ort auch, wo sie die Buchvernissage ihres Fotobandes "Zürich, Sommer 1980" hält: In der Galerie Message Salon Perla-Mode, einem ehemaligen jüdischen Textilgeschäft an der Zürcher Langstrasse, das derzeit von den "Zürcher KunstaktivistInnen" zwischengenutzt wird. Dass sie bis heute bewegt ist, wird auch beim Versprecher klar, der ihr passiert, als sie die rüden Methoden der Polizei während der Zürcher Unruhen schildert und ihr ein "Schmier" entfährt - dem sie allerdings umgehend ein "Polizei" nachschiebt, wohl wissend um ihre Rolle als gestandene Frau, als arrivierte und mediengewandte Fotografin.

Heussler, die in ihrem Elternhaus politisiert wurde, war 23 Jahre alt und während zweier Tage pro Woche als Arztgehilfin tätig, als die "Bewegung" ihren Anfang nahm. Bald war sie aktiv in anarchistischen Lesezirkeln, Vollversammlungen, bei der Umsetzung von Kunstaktionen oder der Produktion von Flugblättern. Und vor allem war sie mit der Kamera unterwegs. Unterwegs, von Brennpunkt zu Brennpunkt - "ich rannte permanent den Bildern nach" -, über deren Ort sie auf dem Gerüchteweg erfuhr. Sie hielt Velofahrer an, liess sich auf dem Gepäckträger an die "Front" chauffieren, suchte sich Zugang in Häusern und Zutritt auf Balkonen, um von dort aus fotografieren zu können. Über die Bildagentur Keystone erreichten ihre Bilder die Zeitungen der Schweiz und - als die Bewegung grösser und in den internationalen Medien wahrgenommen wurde - die ganze Welt. Die Schwarz-Weiss-Bilder, die heute das visuelle Gedächtnis der Zürcher Bewegung prägen, entstanden mit einer Canon F1 und zwei Objektiven mit je 50 und 30 Millimetern Brennweite.

 Warum arbeiteten Sie damals ohne Teleobjektiv?

 Ich musste nah am Geschehen sein, Teil des Geschehens, damit ich arbeiten konnte. Das ist bis heute so, ich habe nie anders gearbeitet, kann nicht anders. Ich brauche die Unmittelbarkeit, die Nähe zu den Menschen. Während der Demonstrationen musste ich oft mit hundert Ellbogen kämpfen, um die Bilder machen zu dürfen, die ich wollte, um ans Geschehen ranzukommen. Ich musste viele Schläge, viel Gummischrot und auch manche "Nutte!" einstecken, damit ich fotografieren konnte. Eine Armbinde, die mich als Fotografin erkennbar gemacht und geschützt hätte, habe ich nicht erhalten, obwohl ich mich darum bemüht hatte.

 Welche Bilder haben Sie im Kopf, wenn Sie an den Sommer 1980 denken?

 Es sind Bilder, die einen kriegsähnlichen Zustand zeigen. Tränengas, Schlagstöcke, Gummischrothagel, Polizisten in Kampfmontur. Dann sind aber auch ganz andere Bilder zu sehen: Bilder von Menschen, die kreativ sind, sich verkleiden, Dinge anpacken, Ideen umsetzen. Eine der schönsten Erinnerungen habe ich an den 1. August 1980, ein wunderbarer Tag! Die Stimmung war wie in Woodstock, bunt, ausgelassen, und irgendwann hüpften die Leute zu Dutzenden füdliblutt in den See.

 Sprangen Sie auch nackt in den See?

 Nein, ich fotografierte - nackt!

 Die Widerständigkeit, die Heussler zur Aktivistin gemacht hat, ist ihr geblieben. Zwar hat sie "als Brotjob" immer wieder auf Fotoredaktionen von Zeitungen gearbeitet, sich aber nie anstellen lassen, weil sie keine "3-Sekunden-Pressebilder" auf Abruf produzieren, keine visuellen Allgemeinplätze herstellen wollte. Obwohl im Moment angesagt, macht sie keine Konzeptfotografie, sondern bleibt ihrem Ansatz, der politischen Reportagefotografie, treu, stets auf der Suche nach "dem authentischen Bild, das eine Geschichte erzählt - und gleichzeitig ästhetisch anspruchsvoll ist". Ihre Arbeit hat sie in den letzten 30 Jahren in die Kurdengebiete, nach Palästina, Asien, Afrika, Guatemala, in die USA und immer wieder nach Nicaragua geführt. Widerstand, Autonomie, Protest und das Schicksal von Einzelnen - besonders von Frauen - sind dabei Themen, denen man im Werk von Heussler immer wieder begegnet.

 Wofür gehen Sie heute auf die Strasse?

 Zuletzt war ich am Pfingstmontag am "Menschen-Strom-gegen-Atom" dabei, wanderte zusammen mit Atomkraftgegnern von Aarau via Gösgen nach Olten. Wenn ich ein Zeichen setzen kann, dann tue ich das - solange ich mich nicht von irgendwelchen Organisationen instrumentalisieren lassen muss, die mir ihre Parolen in den Mund legen wollen.

 Worüber lachen Sie, wenn Sie an Ihre Zeit in der Bewegung denken?

 (Überlegt lange.) Über gar nichts. Auch nicht über mich, ich finde nicht, dass wir naiv waren. Klar, ich war 30 Jahre jünger, aber ich würde mich - wenn ich zurückschaue - sehr ernst nehmen. Dass ich farbige Haare hatte, andere Kleider, das finde ich in Ordnung.

 Sie wären wieder dabei?

 O ja! Wenn es die Gelegenheit gäbe, nach neuen, wilden Ideen zu suchen und diese auf der Strasse zu zeigen - ich wäre sofort dabei!

 Fotoband zum heissen Sommer in Zürich, im Mai erschienen: Olivia Heussler, Zürich, Sommer 1980. Mit einem Text von Stefan Zweifel. In Deutsch und Englisch. Edition Patrick Frey, Zürich. Im gleichen Verlag erschienen: Olivia Heussler, Der Traum von Solentiname. Fotografien aus Nicaragua 1984-2007.

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 "Züri brännt"

 Mit dem Opernhauskrawall brach am 30. Mai 1980 in Zürich die Zeit der "Bewegung" an. Demonstrationen und Ausschreitungen, die sich an der Forderung nach Raum für alternative Kultur und ein autonomes Jugendzentrum (AJZ) kristallisierten, hielten die Stadt bis zum Abbruch des AJZ am 28. März 1982 in Atem. Zu den Kulturbetrieben, die aus dieser Zeit hervorgingen, gehören die Rote Fabrik und das Jugendhaus Dynamo. In loser Folge stellen wir Menschen vor, die in der Jugendbewegung eine Rolle spielten. Bereits erschienen: Achmed von Wartburg, Ex-Punk, Ex-Stadtratskandidat und Christoph Schaub, Regisseur. (zl)

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EVA HERMAN
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Süddeutsche Zeitung 7.6.10

Alles wird nicht gut

 Eva Herman ist wieder auf Sendung - im Internet

Johannes Boie

 In den zurückliegenden Wochen konnte man sich nicht ganz sicher sein: Würde Eva Herman, der glücklosen früheren Tagesschau-Sprecherin, ein Comeback gelingen? Oder steuert sie auf einen weiteren Tiefpunkt ihrer Karriere zu?

Für ein Comeback sprach, dass Hermans aktuelle Buchvorstellung von der Bild-Zeitung begleitet wird, und zwar mit tendenziell selbstkritischen Texten wie: " Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman schildert ihre eigene Wahrheit über den Rauswurf beim NDR und ihre Kritiker - darunter auch BILD".

 Soll sich da die Erkenntis durchsetzen, Herman habe vor drei Jahren bei einer Buchpräsentation in Hamburg und danach in der mittlerweile erloschenen ZDF-Talkshow von Johannes B. Kerner nur manchen Blödsinn von sich gegeben? Nach ihren umstrittenen Außerungen zur NS-Zeit hatte der Sender im September 2007 die Zusammenarbeit mit der 50-Jährigen beendet.

 Seit einer Woche ist Eva Herman wieder engagiert als Nachrichtensprecherin oder als das, was man beim Kopp-Verlag in Rottenburg am Neckar unter Nachrichtensprecherin versteht. Auf einer als Nachrichtenportal gestalteten Webseite des Verlages (info.kopp-verlag.de) steht sie in einem Ministudio: "Guten Abend, meine Damen und Herren".

 Der Hintergrund, immerhin, ist Tagesschau-blau. Doch der Zuschauer der Kopp/Herman-Nachrichten lernt schnell die Redaktionsmaschinerie des NDR schätzen, aus die die Tagesschau täglich kommt. Und zumindest ihre Texte genügen professionellen Standards, die Themenauswahl funktioniert alles in allem nach journalistischen Kriterien.

 Bei Kopp/Herman winden sich Relativsätze durch Bandwurmsätze. Phrase und Sache werden eins. Die Kollektion der Nachrichten erinnert an das Geschäftsmodell des vor ein paar Jahren gegründeten amerikanischen Unternehmens Demand Media, das einer Maschine die Themenauswahl überlässt. Die Technik, der Apparat, scheinbar vom Menschen be~ herrscht, beherrscht da den Menschen.
 Die ehemalige Tagesschau-Vorleserin wirkt manchmal sogar überrascht von dem, was sie ausspricht. Und das ist fast das Beste an ihrem Vortrag.

 Warum nun Kopp? Dort ist Hermans neustes Buch erschienen Der Verlag bietet Werke über "geheime Botschaften im Vatikan" an, über die "Menschheit vor der Menschheit", über "Kräuterweiber und Bauerndoktoren", so wie über "CIA, Drogen und Mord". Kopp bietet Weltverschwörern und Esoterikern eine Bleibe.

 Zum einen zählen Journalisten wie Herman oder der ehemalige FAZ-Mann Udo Ulfkotte - der sich auf einen islamkritisehen Kreuzzug begeben hat und seit Jahren die Grenze zwischen ernstzunehmenden Veröffentlichungen und absurden Verschwörungen bearbeitet - zum Autorenstamm. Zum anderen, viel schlimmer, werden bei Kopp auch die Bücher von rechtsextrem-esoterischen Verschwörern wie Jan Udo Holey verlegt.

 Wohin die Reise geht?

Holey gilt dem Verfassungssehutz als Rechtsextremist, er wurde wegen Volksverhetzung vor Gericht gestellt. Bei diesen Autoren hat Herman ihren Platz gefunden und tritt so zwischen weiteren Sendungen wie "So lügen Journalisten", "Mossad-Mord" oder "Afghanistan-Heroin" auf. Während ihre Sendungen fast immer einen konservativen, auch islamkritischen Drall haben, schreibt auf derselben Webseite der umstrittene Publizist Gerhard Wisnewski das inhaltliche Gegenteil zu Hermans Sendungen.

 Man hat sich beim Kopp-Verlag offensichtlich noch nicht ganz Qntschieden, in welche Richtung das Internetportal aktiv sein soll. Darin wiederum gleichen sich das Projekt und Hermans Karriere.Wohin geht‘s?

Johannes Boie

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PALÄSTINA
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Indymedia 6.6.10

Tausende Israelis protestieren gegen Regierung ::

AutorIn : .         

Tausende demonstrieren in Tel Aviv gegen das israelische Massaker Tausende Israelis sind seit Tagen gegen die Regierung Netanjahu, gegen Krieg und Besatzung auf der Strasse. Es gab zahlreiche Proteste gegen die Erstürmung der Hilfsflotte und die Belagerung des Gazastreifens.

Angriffe rechtsgerichteter Gegendemonstranten auf die Friedensbewegung.     
    
In den vergangenen Tagen demonstrierten in ganz Israel Tausende gegen die Belagerung von Gaza und gegen die mörderische Attacke auf die Hilfsflotte.

Dutzende DemonstrantInnen erwarteten die entführten Schiffe im Hafen von Ashdod, während Hunderte von Menschen in Haifa, Be'er Sheva und Jerusalem demonstrierten, und darüber hinaus allein in Tel Aviv Tausende von Menschen. Einige AktivistInnen wurden allerdings verhaftet.

Diese Demonstrationen, die gleichzeitig mit Demonstrationen in palästinensischen Dörfern und Städten stattfanden, wurden zum großen Teil von den israelischen Medien ignoriert, was den Versuch darstellt, in den Medien ein Bild des vollständigen Konsenses der Gesellschaft zu zeichnen. Die Mainstream-Medien berichteten über die Flotte, sie sei eine terroristische Mission, aus der heraus Soldaten brutal angegriffen wurden, die einfach nur eine legale Seeblockade durchsetzen wollten.

Aber die Demonstrationen gehen weiter. Rund 7000 Menschen folgten dem Aufruf der Anti-Siedlungs-Bewegung Frieden jetzt und anderer linksgerichteter Organisationen anlässlich des 43. Jahrestags des Sechs-Tage-Kriegs 1967.

Die Demonstranten wandten sich gegen die Regierung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die Israel ruiniere anstatt es zum Frieden zu führen.

Sie richteten sich gegen die Erstürmung einer Hilfsflotte für den Gazastreifen durch die israelische Armee, bei der am Montag neun Menschen ums Leben gekommen waren.

Die Demonstranten forderten die Aufhebung der Blockade des von der radikalislamischen Hamas regierten Gazastreifens. Israel müsse Schiffe mit Hilfsgütern in das Palästinensergebiet lassen.

Obwohl die Kundgebung von einem grossen Sicherheitsaufgebot begleitet wurde, ereigneten sich am Rande Zwischenfälle mit einigen Dutzend rechtsgerichteten Gegendemonstranten. Sie warfen eine Rauchgranate auf den Demonstrationszug und pöbelten den Friedensaktivisten und ehemaligen Abgeordneten Uri Avneri an.


Interessante Links...

Anarchists against the wall
http://www.awalls.org/
Berichte, Fotos und Videos von Demos und Aktionen inkl. Spendenaufruf!

AnarchistInnen gegen die Mauer (Israel)
http://www.gegendiemauer.info.ms/
Übersetzte Berichte der Anarchists über die Freitagsdemos und andere Aktionen

Popular Struggle
http://popularstruggle.org/
Aktuelle Nachrichten und Berichte über den Widerstand in den besetzten Gebieten

Activestills - Foto-Kollektiv von AktivistInnen
http://activestills.org/
Fotos und Ausstellungen über die Besatzung

Ta'ayush = "Gemeinsam leben"
http://taayush.org/
Israelisch-Palästinensische Solidaritätsarbeit

Breaking The Silence
http://www.breakingthesilence.org.il/index_e.asp/
Israelische SoldatInnen brechen das Schweigen

Menschenrechtsorganisation B'Tselem
http://btselem.org/
Landkarten und viele andere Infos über die Besatzung

Kibush
http://www.kibush.co.il/
Magazin gegen die Besatzung

Electronic Intifada
http://electronicintifada.net/
Notwendige Ergänzung zu den kommerziellen Mainstream-Medien

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Indymedia 6.6.10

Freiheit für Palästina - Weg mit der Blockade ::

AutorIn : Revolutionärer Aufbau Schweiz         
    
Der brutale Angriff der Israelischen Armee auf die "Free Gaza"-Flotte steht in der langen Kontinuität des israelischen Staatsterror gegen das palästinensische Volk und seine UnterstützerInnen seit der Besetzung des Westjordanlandes und Gazas im Jahre 1967.

Die diskriminierende Siedlungspolitik, die Tausenden Toten durch Luftangriffe und an Grenzposten, und die katastrophale humanitäre Lage durch die seit 2007 bestehende Blockade gegen Gaza, können dabei nicht mit dem Verweis auf den "Schutz des Existenzrechts Israels" erklärt oder gerechtfertigt werden. Vielmehr geht es um dreiste Landnahme und kategorische Unterdrückung jedes Widerstandes dagegen, welche nicht zuletzt in enger Verbundenheit mit den USA und Europa geschehen. Denn der imperialistische Westen hat ein ganz handfestes geostrategisches und wirtschaftliches Interesse an einem starken Stützpunkt im arabischen Raum.

Islamistische Kräfte projizieren den Hass auf Besatzung und Krieg nicht nur auf die israelische Regierung, sondern auf alle Jüdinnen und Juden. Doch obwohl der fundamentalistische Einfluss massiv zugenommen hat, gibt es weiterhin säkuläre, demokratische, linke und revolutionäre Organisationen und Bewegungen, die in Palästina gegen die Besatzung kämpfen. Ihnen gilt unsere vollste Solidarität, und sie alleine sind es die - zusammen mit ihren Genossinnen und Genossen in Israel und der ganzen Welt - einen Weg aus Elend und Unterdrückung weisen können.

Mit der Freiheits-Flotte, mit der Boykottkampagne und mit unseren heutigen Demonstrationen, werden wertvolle Zeichen gesetzt, dass der fortschrittliche, anti-imperialistische Kampf für die Befreiung Palästinas nach wie vor präsent ist, und man das Feld weder der fundamentalistischen Hamas, noch der reaktionären türkischen Regierung überlässt.

Freiheit für Palästina!
Gemeinsam gegen Krieg und Kapitalismus!
Hoch die internationale Solidarität!
Für den Kommunismus

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ANTI-ATOM
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Zeintralschweiz am Sonntag 6.6.10

Nidwalden

 Atom-Ausstieg frühestens in 50 Jahren

Von Matthias Piazza

 Die SP will, dass sich der Kanton Nidwalden bis in 30 Jahren von der Atomenergie verabschiedet. Unrealistisch, findet das Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN).

 Der Kanton Nidwalden bezieht übers Jahr gesehen rund die Hälfte des Stroms aus Atomkraftwerken. Das ist nicht im Sinne der SP Nidwalden. Sie will, dass sich der Kanton Nidwalden in den nächsten 30 Jahren schrittweise aus der Atomenergie verabschiedet. Stattdessen soll sich die Energieversorgung Nidwaldens auf verschiedene, vor allem erneuerbare Energieträger abstützen. Im vergangenen Herbst reichte die Partei eine entsprechende Initiative mit 296 Unterschriften ein (nötig wären 250). Die Kommission beantragt dem Nidwaldner Parlament, dem Landrat, die Volksinitiative abzulehnen.

 "Viele Nidwaldner haben nach 20 Jahren Wellenberg-Diskussionen genug von Atomkraftwerken", begründet SP-Präsident Beat Ettlin den Erfolg der Unterschriftensammlung. "Die Städte Bern und Zürich sowie die Kantone Basel-Stadt und Schaffhausen haben den Ausstieg aus der Atomenergie ebenfalls beschlossen und setzen auf erneuerbare Energien. Warum sollte das im kleinen Kanton Nidwalden nicht möglich sein?" Für Beat Ettlin ist die politische Stossrichtung der Initiative eine logische Konsequenz aus der Wellenberg-Debatte. "Wer kein Endlager will, muss auch die Ursache, die Atomstromproduktion, bekämpfen. Es geht um das Ansehen und die Glaubwürdigkeit von Nidwalden. Nein zum Wellenberg und Ja zur Atomenergie ist eine Politik der Widersprüche - inakzeptabel und unerträglich."

 "Forderung ist eine Utopie"

 Anders sieht dies Christian Bircher, Direktor des Elektrizitätswerkes Nidwalden (EWN). "Diese Forderung ist unrealistisch, eine Utopie. Unser Kanton ist auf Atomenergie angewiesen. Im Winter macht der Atomstrom einen Anteil von bis zu 80 Prozent aus." Und auf solche Spitzen müsse die Versorgung eben ausgelegt sein. "Das ist der Unterschied zwischen einem Öltank und einer Steckdose: Wenn der Öltank nur noch halb voll ist, funktioniert die Heizung immer noch. Fehlt im Stromnetz nur 1 Prozent, bricht die Versorgung zusammen." Gerade in der heutigen Zeit, wo man von CO2-lastigen Verbrauchern wie Ölheizung auf Wärmepumpen übergehe, sei die Abhängigkeit von Strom und damit Atomenergie noch gestiegen. Christian Bircher rechnet mit rund einer Verdreifachung des Strompreises, wenn der Atomstrom nicht mehr zur Verfügung steht, weil man dann auf die teurere Wasserkraft oder Windkraft umsteigen müsste. "Doch die energieintensiven Unternehmen im Kanton sind auf einen günstigen Energiepreis angewiesen, damit unsere Volkswirtschaft funktionieren kann. Der Verzicht auf Atomstrom würde der Nidwaldner Volkswirtschaft mittelfristig den Todesstoss versetzen."

 Gemäss Christian Bircher darf man die Situation nicht mit jener in Zürich vergleichen. Die Stadt will sich schrittweise vom Atomstrom verabschieden. "Zürich konnte durch geschickte Investitionen in den 1940er- und 1950er-Jahren so viele Wasserkraftwerke kaufen und bauen, dass sie vollständig auf diese Karte setzen kann. Dasselbe gilt für Bern. Wir forcieren die Energiequelle auch, aber es genügt dennoch bei weitem nicht, unseren Energiebedarf vollständig damit zu decken."

 Zuerst Nullenergiehäuser

 Die Vision einer Stromerzeugung ohne Atomstrom ist gemäss Christian Bircher frühestens in 50 Jahren denkbar - wenn alle in sogenannten Nullenergiehäusern wohnen. Das sind Gebäude, die rechnerisch in der jährlichen Bilanz keine externe Energie wie beispielsweise Elektrizität, Gas oder Öl beziehen. Die benötigte Energie für Heizung und Warmwasser wird mit dem Haus selbst erzeugt, meist durch Solaranlagen.

 "Doch bis alle rund 9000 Gebäude im Kanton Nidwalden in diesem Standard gebaut oder umgerüstet sind, dauert es bestimmt eine bis zwei Gebäudegenerationen, also rund 50 bis 80 Jahre. Wer jetzt schon auf Atomstrom verzichten will, rationalisiert schlicht den Arbeitsplatz und das Wohneigentum unter seinen Füssen weg."

 Anreize schaffen

 SP-Präsident Beat Ettlin lässt das Argument der Kosten nicht gelten. Er ist überzeugt, dass die Preise für Wasserkraft und erneuerbare Energien längerfristig wettbewerbstauglich werden, während der Atomstrom in Zukunft teurer wird. "Das Ziel, in 30 Jahren vom Atomstrom wegzukommen, ist realistisch - mit dem Ausbau von Wasserkraftwerken und dem Bezug von erneuerbarer Energie im In- und Ausland, wie etwa Holzheizkraftwerken, Windkraftbeteiligung im Jura, Windkraftwerken in der Nordsee oder Solarkraftwerken in Spanien sowie durch die richtigen Anreize (z. B. Lenkungsabgabe) zur effizienten Nutzung von Strom." Über die Initiative wird voraussichtlich am 26. September abgestimmt.

 matthias.piazza@neue-nz.ch

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 Atomstrom

 Obwalden prüft Alternativen

 Im Frühling 2009 ist der Kantonsrat Obwalden grossmehrheitlich dem Anliegen der SP-Fraktion gefolgt, dereinst ganz auf Atomstrom verzichten zu können. Der Kanton und das Elektrizitätswerk Obwalden (EWO) prüfen gemeinsam eine von der Atomenergie unabhängige Stromversorgung. Im Jahr 2008/09 lag der Anteil der Kernkraft beim EWO bei rund 12 Prozent.

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Oltner Tagblatt 5.6.10

Soll das Niederamt ein zweites Kernkraftwerk aufnehmen?

 Öffentliche Auflage Vom 7. Juni bis 7. Juli kann sich die Bevölkerung zur Aufnahme des Standorts für das geplante Kernkraftwerk Niederamt in den kantonalen Richtplan äussern

 Jetzt gilts ernst: Ab Montag legt der Kanton Solothurn während 30 Tagen die Richtplananpassung für ein zweites Kernkraftwerk im Niederamt öffentlich auf. Bis am 7. Juli kann sich jedermann schriftlich zu diesem Vorhaben äussern. Danach entscheidet der Regierungsrat, ob der zweite KKW-Standort in den Richtplan aufgenommen wird.

 Christian von Arx

 Für das Alpiq-Projekt Kernkraftwerk Niederamt (KKN) beginnt eine vorentscheidende Etappe. Ohne dass der Kanton Solothurn den von Alpiq ins Auge gefassten Standort in Gretzenbach, Niedergösgen und Däniken in seinen Richtplan aufnimmt, ist eine Rahmenbewilligung des Bundes für ein KKW Niederamt kaum denkbar.

 Der Regierungsrat und eine Mehrheit des Kantonsrats haben sich bisher positiv zu einem zweiten KKW im Niederamt geäussert. Ob dies auch der Meinung der betroffenen Gemeinden und der Bevölkerung dieser Region entspricht, darüber werden die Stellungnahmen zur Richtplananpassung einigen Aufschluss geben.

 Entscheid liegt beim Regierungsrat

 Im Richtplanverfahren können in erster Linie Einwendungen zum vorgesehenen Standort des neuen Kernkraftwerks und zu den räumlich relevanten Auswirkungen formuliert werden. Dazu ist jedermann berechtigt.

 Das Auflageverfahren hat den Charakter einer Mitwirkung. Das Bau- und Justizdepartement muss in einem Bericht zu den Einwendungen Stellung nehmen. Einwohnergemeinden und Regionalplanungsorganisationen (also nicht mehr jedermann), deren Anliegen nicht berücksichtigt wurden, können beim Regierungsrat Beschwerde führen. Der Regierungsrat entscheidet über die Beschwerden und beschliesst über die Richtplanänderung.

 Gegen den Regierungsratsbeschluss können die abgewiesenen Einwohnergemeinden und Regionalplanungsorganisationen beim Kantonsrat Beschwerde führen. Einmal beschlossen, ist die Richtplananpassung für Behörden verbindlich.

 Stellungnahme an den Bund bis März 2011

 Das Ergebnis der Richtplananpassung wird zudem die Grundlage für die Stellungnahme des Kantons Solothurn zuhanden des Bundes bilden: Bis Ende März 2011 müssen alle Kantone zu den Rahmenbewilligungsgesuchen von Alpiq, Axpo und BKW für drei neue Kernkraftwerke (Niederamt SO, Beznau AG und Mühleberg BE) Stellung nehmen.

 Die Rahmenbewilligungen werden von National- und Ständerat erteilt und unterstehen dem fakultativen Referendum. Eine allfällige Volksabstimmung könnte frühestens Ende 2013 stattfinden.

 Während der öffentlichen Auflage vom 7. Juni bis zum 7. Juli 2010 kann sich jedermann zum Vorhaben schriftlich äussern. Einwendungen sind ans Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, Rötihof, Werkhofstrasse 65, 4509 Solothurn, zu richten. Die Unterlagen können in den Gemeinden Däniken, Gretzenbach, Niedergösgen, im Bau- und Justizdepartement sowie im Amt für Raumplanung in Solothurn eingesehen werden. Ausserdem sind sie im Internet abrufbar: www.arp.so.ch/richtplananpassung.

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 Walter Straumann und Giovanni Leonardi in Niedergösgen

 Auf den kommenden Mittwoch, 9. Juni, 19 Uhr, lädt das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn die Bevölkerung ein zur Orientierung über die Richtplananpassung "Neues Kernkraftwerk Niederamt" in der Mehrzweckhalle Niedergösgen. Es informieren und stehen Red und Antwort: Landammann Walter Straumann (Baudirektor), Giovanni Leonardi (CEO Alpiq Holding) sowie Vertreter des Bundes, des Kantons und der Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt. Diese Veranstaltung bietet Gelegenheit, sich über das Projekt und das Verfahren zu informieren. (sks)

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 Sitz von KKN in einer der Standortgemeinden

 Vorkonsultation Wünsche der Gemeinden führten zu Änderungen am Entwurf

 Von April bis Mai hatte das kantonale Amt für Raumplanung (ARP) bei den 15 in der Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt vertretenen Gemeinden eine Vorkonsultation zur Richtplananpassung durchgeführt. Nach Auskunft von ARP-Chef Bernard Staub wurden als Ergebnis dieser Vorkonsultation folgende Bestimmungen in den Entwurf aufgenommen, der nun öffentlich aufgelegt wird:

 · Es wird eine Planungsorganisation gebildet, in welche die Gemeinden einbezogen werden.

 · Für die Kosten von Infrastrukturen, die durch das KKN verursacht werden, gilt das Verursacherprinzip.

 · Die Auswirkungen der Verkehrsbelastungen während der Bau- und Betriebsphase sind in einem Verkehrskonzept aufzuzeigen.

 · Der Sitz der Betriebsgesellschaft KKN AG muss in einer der drei Standortgemeinden sein (heute ist er in Olten).

 · Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen für Natur und Landschaft werden in Absprache mit den Gemeinden festgelegt.

 · Die Cartaseta-Brücke, die Gretzenbach und Däniken mit Niedergösgen verbindet, soll ein öffentlicher Durchgang bleiben. (cva)

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Kommentar

 Kernfrage Parallelbetrieb

 Christian von Arx

 In der Planung der Strombranche soll das neue Kernkraftwerk Niederamt, zusammen mit einem weiteren neuen Werk, eine Stromlücke schliessen. Diese wird sich in der Schweiz öffnen, wenn einmal die ältesten KKW Mühleberg, Beznau I und Beznau II vom Netz genommen werden, wenn bestehende Bezugsrechte für Strom aus Frankreich auslaufen und wenn unser Stromverbrauch, was sicher ist, weiter steigt.

 Das geplante KKW Niederamt ist also nicht der Ersatz für das KKW Gösgen. Es soll vielmehr parallel zu diesem betrieben werden, solange Gösgen Strom liefert. Das ist nach heutigen Aussagen bis etwa 2040 der Fall - aber natürlich wird das Werk so lange laufen, wie es sicher betrieben werden kann. Mit 8 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr, rund 15 Prozent des heutigen Stromverbrauchs der Schweiz, ist die Produktion des KKW Gösgen so gross, dass bei seiner Abschaltung so oder so eine neue Stromlücke klaffen wird. Da an diesem Standort Stromübertragungskapazitäten, Platz und Know-how vorhanden sind, wird ein Ersatz des KKW Gösgen durch ein drittes Werk sicher eine Option sein.

 Realistisch muss die Region damit rechnen, dass ein Parallelbetrieb nicht nur 10 bis 20 Jahre, sondern viele Jahrzehnte lang dauern kann. Mit zwei grossen Kernkraftwerken und dem Zwischenlager für 1000 abgebrannte Brennelemente, dazu eventuell einem Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle, würde das Niederamt zum "Nuclear valley" der Schweiz. Die Vorteile: Gesamthaft rund 1000 auf Jahrzehnte hinaus gesicherte Arbeitsplätze in der Region; hohe und konstante Steuereinnahmen für Gemeinden und Kanton. Dagegen steht eine einseitige Abhängigkeit von der Kernenergie, mit einem technischen und wirtschaftlichen Klumpenrisiko.

 Ob diese Region den Parallelbetrieb von zwei Kernkraftwerken will, ist darum die Kernfrage, die sich jetzt mit der Richtplananpassung des Kantons Solothurn stellt. Noch bis zum 7. Juli können sich Gemeinden und alle Einwohner zu dieser entscheidenden Weichenstellung für den Raum Olten-Aarau äussern. Alles Weitere liegt nicht in unseren Händen.

vonarx@oltnertagblatt.ch