MEDIENSPIEGEL 9.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, Kino, Tojo, GH,
Frauenraum)
- Wegweisungen BE: 8. Juni-Aktion
- Demo-Recht: Entfernungs-Artikel unnötig
- RaBe-Info 7.+.8.6.10
- Knast-Demo Thun
- Ausschaffungshaft: Nationalrat will kürzen
- Sans-Papiers: Portrait BL; Romandie-Appell
- Big Brother Video: Regelungen in BL; Scheinsicherheit in LU
- Big Brother Sport: Löffel will Geld sehen
- Police Ost: Kripo Ostschweiz in Prüfung
- Police CH: 2000 BeamtInnen fehlen; Bunker-Verweigerung; Gewalt
- Randstand SG: Toleranter
- Neonazis: Buchtipp zum braunen Sumpf
- Homohass: Import aus dem Westen
- Drogen: Schwarzer Afghane - Kriegsshit für KifferInnen
- Anti-Atom: Zwangs-Pro-Mühleberg; Keine Task Force
für Anti-AKW-Demos; Endlager SH; trügerische Gorleben-Ruhe;
Stromeffizienz
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REITSCHULE
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Mi 09.06.10
17.00 Uhr - Tojo - "Fische in Griechenland" von Sans
Cible. Jugendtheater Festival Spiilplätz 2010
20.30 Uhr - Kino - Luftdrum von Margrit Rieben
Do 10.06.10
17.00 Uhr - Tojo - "Die Insel" Theaterclub U18 - I, Junge
Bühne Bern. Jugendtheater Festival Spiilplätz 2010
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter - elektronische
Leckerbissen zu lesbisch-schwulem Chillen mit DJ Xylophee, DJ Dunch, DJ
FRATZ, Isabelle, Mike, Nadja & DJ ELfERich
20.30 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des WM-Taumels
Shosholoza Express, Beatrice Möller, D 2010
21.00 Uhr - Rössli-Bar - BUMshankar (CH) Support:
Collie herb backed by: max rubadub
Fr 11.06.10
17.00 Uhr - Tojo - "Die fetten Jahre sind vorbei"
Jugend-Club U21, Junges Theater Solothurn. Jugendtheater Festival
Spiilplätz 2010
Uhr - SousLePont - Anpfiff zur WM-Beiz im HOF (bis 11.
Juli)
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Uz Jsme Doma (CZ) und
Blackthread (F). Support: DJ's SCB (Senioren Club Brachland)
Sa 12.06.10
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE -
Frauenkleidertauschbörse "women only" (bis 17.00h)
17.00 Uhr - Tojo - "Trüffelschweine" Jugendclub
momoll Theater, Schaffhausen. Jugendtheater Festival Spiilplätz
2010
19.30 Uhr - Frauenraum - Emanzengala: Vernissage des
Sammelalbums "Zehn Berner Heldinnen". Mit Duo Jenny Popper & Jess
Honey und Steff la Cheffe
22.00 Uhr - Frauenraum - Disko mit DJ Sister Knister
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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kulturagenda.be 10.6.10
Bumshankar zündet den Spacedubstilmix im Rössli
In der Musik von Bumshankar ist alles drin, was Backpacker
glücklich macht. Was abschätzig klingen könnte, ist als
Kompliment gemeint. Die drei Berner Stefano, Dave und Speedee zogen als
Strassenmusiker bis nach Granada, erhielten Zuwachs und mussten die
erste Version ihrer Band wegen Personalüberfluss aufgeben. Jetzt
mischen sie in schlankerer Besetzung gekonnt: Didgeridoo-Ethno,
Clubbeats und Samples, Metalakkorde, Rap, indische Spacegitarren,
politische Kommentare und viel Dub.
Rössli in der Reitschule, Bern. Do., 10.6., 21 Uhr
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kulturagenda.be 10.6.10
Shosholoza-Express im Kino der Reitschule
In seiner Filmreihe "Südafrika jenseits des WM-Taumels"
zeigt das Kino in der Reitschule unter anderem "Shosholoza Express" der
deutschen Filmerin Beatrice Möller (2010). 27 Stunden dauert die
Fahrt im Zug der kleinen Leute. Auf der Reise zeigt sich: 20 Jahre nach
dem Ende der Apartheid ist in Südafrika nichts mehr, wie es war,
aber auch nichts, wie es sein sollte.
---
kulturagenda.be 10.6.10
Spiilplätz (I): "Trüffelschweine" im Tojo
Am Festival Spiilplätz zeigen Jugendtheaterclubs von freien
Bühnen und Theaterhäusern der Deutschschweiz während
vier Tagen ihre Stücke der vergangenen Saison. Sie tun dies im
Schlachthaus, in der Grossen Halle der Reitschule und im Tojo. Dort
spielt der Jugendclub momoll Theater aus Schaffhausen das Stück
"Trüffelschweine": Saskia hält Melanie in Grossmutters
Wohnwagen gefangen, um ihren straffällig gewordenen Freund
freizupressen.
Tojo in der Reitschule, Bern. Sa., 12.6., 17 Uhr
--
Spiilplätz (II): "fiLim" in der Grossen Halle
Von der Aarauer Gruppe Szenart kommt das Projekt "fiLim" ans
Jugendtheatertreffen. In diesem Stück mit projizierten Filmszenen
dreht sich alles um den Alltag der zehn Darstellerinnen und Darsteller
zwischen 17 und 25 Jahren, die meisten von ihnen Secondos. Sie
betrachten ihr Leben, als wäre es ein Film. Oder umgekehrt, sie
betrachten Filme, als wären sie ihr Leben. Und das wirft die Frage
auf: Wie persönlich ist eine Biografie?
Grosse Halle der Reitschule, Bern. Do., 10.6., 19 Uhr
---
20 Minuten 8.6.10
Berner Sammelalbum für zehn "Star-Emanzen"
BERN. Feministinnen statt Fussballer: Anstatt Star-Kicker
landen im neuen Emanzen-Sammelalbum Bilder berühmter Frauen.Unter
ihnen ist auch Rapperin Steff la Cheffe.
Nicht nur Fussballfans können im WM-Jahr 2010
Bildchen sammeln und tauschen: In Bern gibt es neu ein Sammelalbum
extra für Frauen. In das Heft können zehn Fotos von
"Heldinnen" mit Bezug zu Bern eingeklebt werden, im Album gibt es
weiterführende Infos zu den einzelnen Personen. "Wir wollen damit
Frauen ehren, die sich in einem Gebiet besonders hervortun oder -getan
haben", so Mitinitiantin Barbara Schmid vom feministischen Netz Dafne.
Als Foto-Sticker gibt es unter anderem Ruth Dreifuss, die zweite
Bundesrätin der Schweiz, und Anny Klawa-Morf, Kämpferin
für das Frauenstimmrecht.
Präsentiert wird das Album am Samstag an der ersten
Berner Emanzengala in der Reitschule - unter anderem mit der bekannten
Berner Rapperin und Beatboxerin Steff la Cheffe, die auch im Album
vertreten ist. Der Event im Frauenraum bietet ab 19.30 Uhr einen
Apéro, eine Filmvorführung und diverse Konzerte mit
anschliessender Party.
Wer mitsammeln möchte, kann ab diesem Wochenende
loslegen: Album und Aufkleber sind im Q-Laden (Quartierhof 1 im Berner
Lorrainequartier) erhältlich oder können unter frauen@gmx.ch
bestellt werden.
Nina Jecker
http://www.frauenraum.ch
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WEGWEISUNGEN BE
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Indymedia 9.6.10
Bern: 8. Juni-Aktion gegen Wegweisungen ::
AutorIn : Gassennahe Institutionen Bern
Seit Jahren erinnern und protestieren in Bern die Gassennahen
Institutionen - ein Zusammenschluss verschiedener unabhängiger
Gruppen mit Schwerpunkt "Gasse" - am 8. Juni an die kantonale
Abstimmung über das Polizeigesetz am 8. Juni 1997. Mit der Annahme
des Gesetzes wurde auch der schweizweit erste Wegweisungsartikel
eingeführt und 1998 in Kraft gesetzt, mit dem die Obrigkeit der
Polizei ermöglicht, "Störende", die evtl. die flanierenden
und konsumierenden PassantInnen verschrecken könnten, wegzuweisen
und bei Nichtbefolgung zu büssen.
Dieses Jahr bekamen ebendiese PassantInnen, die Möglichkeit
selbst zu bestimmen, wer weggewiesen werden soll. Mittels thematischer
Pingpong-Ball-Entsorgung in bereitgestellte Behälter konnte mensch
die Wegweisung auch gleich selbst vornehmen.
Top 3 der Wegweisungen: PolitikerInnen, BankerInnen und
Uniformierte. Ein interessantes Resultat, wenn mensch bedenkt, dass in
Bern seit 1998 im Namen ebendieser PassantInnen ein paar Tausend
DrogenkonsumentInnen, Punks, BettlerInnen, Jugendliche und
DemonstrantInnen weggewiesen und gebüsst wurden.
Die Obrigkeit sollte wohl nochmals über ihre
Wegweisungsfeindbilder nachdenken...
--
Flugi 8.6.10
Die Gassennahen Institutionen erinnern jährlich der
grundrechtsfeindlichen Praxis, die mit der Einführung des
Wegweisungsartikels geschaffen wurde. Auch 2010 gehen wir am 8. Juni
wieder auf die Strasse um die Willkür der polizeilichen Praxis
aufzuzeigen. Die Aktion beginnt um 17 Uhr vor der Heiliggeistkirche.
Dieses Jahr beschäftigt uns: Wer stört wirklich und wer soll
weg? PassanteInnen erhalten die Möglichkeit zu dieser Frage
ehrlich Stellung zu beziehen.
...und weg bist Du
Seit 1998 kennt die Stadt Bern den umstrittenen
Wegweisungsartikel. Er dient als gesetzliche Grundlagen zur
Beschneidung von Grundrechten. Diese garantieren zum Beispiel, dass
"jeder Mensch das Recht auf persönliche Freiheit, [...]
inbesondere auf Bewegungsfreiheit" und das Recht hat "Versammlungen zu
organisieren und an Versammlungen teilzunehmen". Im Widerspruch dazu
besagt das berner Polizeigesetz im Artikel 29:
"Die Polizei kann Personen von einem Ort vorübergehend
wegweisen oder fern halten, wenn [...] der begründete Verdacht
besteht, dass sie oder andere, die der gleichen Ansammlung zuzurechnen
sind, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder
stören"
In der Praxis bedeutet das konkret, dass die Polizei an Ort und
Stelle und auf eigenes Ermessen Menschen für bis zu drei Monate
von öffentlich zugänglichen Orten wegweisen kann. Als
Begründung reicht es aus, wenn die Beamten die betroffene Person
zu einer Gruppe rechnen, von der sie denken, dass sie stört, oder
stören könnte. Die Befürworterinnen und Befürworter
behaupten, dies sei vernünftig, damit sich alle möglichst
frei im öffentlichen Raum bewegen können.
Doch was heisst stören? Die meisten stören sich an den
Werbemenschen, die regelmässig den Bahnhoftreffpunkt
verbarrikadieren. Oder es stören Leute, die breitbeinig durch die
Gassen bummeln, so dass Andere den Kleiderladen nicht mehr vor
Ladenschluss erreichen. Es gibt sicher auch solche, die sich über
Touristen nerven, die die Kramgasse beim fotografieren des Zytgloggens
blockieren. Sollen die nun alle weggewiesen werden, bis nur noch eine
Hand voll Personen, die keinen Menschen in Bern stören, durch die
Stassen zieht? Natürlich nicht!
Trotzdem wurden letztes Jahr 438 Personen weggewiesen. Sie haben
nichts illegales getan, nichts, dass irgendwo verboten wäre. Sie
haben einfach einige andere Menschen, vielleicht auch nur die Polizei,
gestört. Sie wurden von der Polizei aus allen Störenden
ausgewählt und ohne Vergehen bestraft. Damit hat die Polizei eine
Waffe erhalten, die sie gezielt nur gegen gewisse Menschen einsetzt.
Der Wegweisungsartikel ist sehr allgemein gehalten. Aber
angewendet wird er gegen die Menschen, die in den prekärsten
Lebensumständen leben. Wegweisungen tilgen unpopuläre
Probleme, wie Sucht und Armut, aus dem Blickfeld der
Öffentlichkeit und verstärken dadurch die gesellschaftliche
Isolation. Damit kann suggeriert werden, dass solche Probleme nicht
existieren und der gemeinschaftliche Zusammenhalt der Menschen
untergraben. Die Betroffenen werden gleichzeitig weiter an den Rand
gedrängt. Offensichtlich wird damit der öffentliche Raum kein
bisschen öffentlicher.
Gassennahe Institutionen Bern 2010
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DEMO-RECHT BE
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Bund 8.6.10
Meinungen
Tribüne Der Entfernungsartikel ist
unverhältnismässig, unnötig und nicht praxistauglich.
Sinnvollstes Mittel bleibt die Deeskalation
Corinne Mathieu
Das Initiativ-Komitee "Keine gewalttätigen
Demonstranten!" begründet das Begehren mit den Krawallen vom 6.
Oktober 2007 in Bern. Diese hätten gezeigt, dass die Polizei eine
Demonstration, die in Gewalt auszuarten drohe, frühzeitig
auflösen müsse. Anderenfalls würden Schäden an
Personen und Sachen entstehen. Die Initiative solle die rechtlichen
Voraussetzungen für eine frühzeitige Auflösung von
eskalierenden Kundgebungen schaffen.
Indem die Polizei die Teilnehmenden an einer Kundgebung
unter Strafandrohung auffordern könne, die Örtlichkeit zu
verlassen, könne sie "die Chaoten isolieren". Sobald unbeteiligte
Personen wie Frauen mit Kindern, Passanten usw. den Ort verlassen und
den Gewalttätern keinen indirekten Schutz mehr gewähren
würden, könne die Polizei Tränengas und Gummischrot
gezielt gegen Gewaltbereite einsetzen.
Unterschiede zu Thun
In der Schweiz verfügt bisher nur Thun über
einen Entfernungsartikel. Dort kam er bislang aber noch nicht zur
Anwendung, weil gegen den Artikel Beschwerde eingereicht wurde. Am 17.
März 2009 hat das Bundesgericht entschieden, dass der
Entfernungsartikel zulässig ist, das heisst, dass er keinen
unverhältnismässigen Eingriff in die Grundrechte darstelle.
Im Gegensatz zu jenem in Thun richtet sich der Stadtberner
Entfernungsartikel aber sowohl gegen bewilligte wie unbewilligte
Demonstrationen und stellt damit einen grösseren Eingriff in die
Grundrechte dar. Der zweite Unterschied zu Thun ist, dass in Bern die
Teilnehmenden einer Demonstration mit einer Busse von bis zu 5000
Franken belangt werden könnten. Bestraft werden diejenigen, die
sich auch dann nicht entfernen, wenn sie von der Polizei aufgefordert
werden. Bis jetzt gab es nur für die Organisierenden eine
Strafbestimmung.
Kein neuer "Papiertiger"
Die Argumente gegen die Initiative lassen sich mit
"unverhältnismässig", "unnötig" und "nicht
praxistauglich" zusammenfassen:
¬ Die Initiative ist unverhältnismässig. Sie
stellt alle Demonstrierenden unter Generalverdacht. Mit einer
Massnahme, die sich gegen gewalttätige Demonstrierende richtet,
werden alle anderen friedlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrer
Versammlungsfreiheit beschnitten.
Der Entfernungsartikel ist eine
unverhältnismässige Einschränkung der Meinungs- und der
Versammlungsfreiheit.
¬ Die Initiative ist unnötig. Bereits heute kann
die Polizei nach Art. 29 des kantonalen Polizeigesetzes unfriedliche
Kundgebungen, die die Sicherheit und Ordnung gefährden,
auflösen und Demonstrierende wegweisen. Mit Artikel 292 des
Strafgesetzbuches besteht die Möglichkeit, jemanden zu strafen,
der einer amtlichen Aufforderung zuwiderhandelt. Die Polizei
verfügt demnach über genügend Mittel, eine Demonstration
aufzulösen, und an der Strafbarkeit von Randalierern würde
ein Entfernungsartikel nichts ändern.
Zudem richtet sich die Polizei beim Entscheid, ob eine
Demonstration aufzulösen sei - ob unbewilligt oder nicht - nicht
nach Instrumenten, wie dem Entfernungsartikel, sondern einzig und
allein nach der Frage der Verhältnismässigkeit.
¬ Die Initiative ist nicht praxistauglich. Wie sollen
Teilnehmende einer Demonstration, die aufgelöst werden soll, von
Unbeteiligten unterschieden werden? Die Polizei muss nachweisen
können, dass die Teilnehmenden einer Kundgebung die Aufforderung
zum Verlassen der Kundgebung verstanden haben oder verstanden haben
müssten. Ausserdem kann es im Einzelfall für die Polizei
schwierig sein, den exakten Zeitpunkt festzulegen, an welchem eine
Kundgebung als aufgelöst gilt. Erst ab diesem Zeitpunkt
können Personen, die sich von der Kundgebung nicht entfernt haben,
strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Fazit: Die Schaffung eines neuen "Papiertigers", wie es
der Entfernungsartikel wäre, ist völlig unnötig. Der
einzige sinnvolle Weg bei Demonstrationen ist nach wie vor das Mittel
der Deeskalation.
--
Corinne Mathieu
Die Autorin ist Stadträtin SP und Mitglied des
überparteilichen Komitees "Nein zum Entfernungsartikel". Die
Erziehungswissenschafterin arbeitet als Studienkoordinatorin für
den Bereich Weiterbildung an der Fernuni Schweiz.
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RABE-INFO
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Di. 8. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._juni_2010.mp3
- Vom Labor in den Salatteller: Tomaten von Chemiekonzernen
- Von Bern nach Kenia: CH - Solaranlage überträgt
Fussball WM für Slum-BewohnerInnen
- Von leeren Versprechen: Neues um den Illisu Staudamm
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Mo 7. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_7._juni_2010.mp3
- Selbstmord-Serie beim Elektronik Hersteller Foxconn: nur die
Spitze des Eisbergs
- Buch über Tabuthema "Salonheirat" wird ägyptischer
Bestseller- die Schriftstellerin Ghauda Abdelaail ist unser Kopf der
Woche
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KNAST-DEMO
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Indymedia 8.6.10
Freiheit für Billy - Knastspaziergang in Thun ::
AutorIn : some thuner
Um ihre Solidarität mit Billy auszudrücken, haben sich
am Freitag 4. Juni 50 Personen zum Knastspziergang in Thun
zusammengefunden.
Mit Feuerwerk und Leuchtpetarden wurde Billy begrüsst und
mit lautstarken Parolen und Transparenten bekundeten wir unsere
Anliegen. Damit setzten wir ein starkes Zeichen, dass wir unseren
Widerstand nicht verbieten und kriminalisieren lassen. Die wahren
Vebrecher sitzen immernoch hinter ihren Schreibtischen und Menschen die
für eine besseren Welt kämpfen werden eingeknastet. Nach der
Auflösung kontrollierte die Polizei einzelne Personen, verhaftet
wurde jedoch niemensch.
Klangheimlich wurde im Thuner Amtsgefängnis ein
Ausschaffungsknast intergriert, was jedoch nicht von den Medien
kommentiert wurde. Daneben sitzen auch Minderjährige, welche
keinen Platz in unsere Gesellschaft finden und in kein Heim passen, in
den Zellen. Deshalb fordern wir konstruktive Lösungen und ein
Umdenken in der Gesellschaft, statt repressive Massnahmen und
Kriminalisierung.
Freiheit für Billy, Silvia und Constatin
Freiheit für alle politischen Gefangenen
Freiheit für alle Meschen in Ausschaffungshaft
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AUSSCHAFFUNG
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Bund 9.6.10
Schengen
Ausschaffungshaft nun doch auf 18 Monate verkürzen
Der Nationalrat will die Höchstdauer der
Ausschaffungshaft für abgewiesene Asylsuchende nun doch auf 18
Monate verkürzen. Angesichts der eindeutigen Haltung des
Ständerats hat der Nationalrat seinen Widerstand gegen diese
Anpassung ans Schengen-Recht aufgegeben. Entscheidend war die
Kehrtwende der FDP-Fraktion. Materiell sei die FDP zwar nach wie vor
der Meinung, dass es richtig wäre, an einer maximalen
Ausschaffungshaftdauer von 24 Monaten festzuhalten, sagte Kurt Fluri
(FDP, SO) namens der FDP. Wegen der klaren Haltung des Ständerats
sei weiterer Widerstand aber sinnlos. (sda)
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SANS-PAPIERS
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Basler Zeitung 9.6.10
"Ich würde jede Chance ergreifen"
Eine 17-jährige Papierlose - und mit ihr viele
weitere - hofft, dass die Politik ihr eine Berufslehre erlaubt
Susanna Petrin
Herumsitzen, fernsehen, warten, warten, warten. So sieht
das Leben von Nana* aus, einer Papierlosen in einem Baselbieter
Asylheim. Sie würde gern eine Lehre machen, doch das darf sie von
Gesetzes wegen nicht. Am Montag entscheidet der Ständerat, ob sich
dies bald ändert.
"Princeton, Harvard und Yale - das sind die besten
Universitäten in Amerika." Das sagt Nana spontan, als im
Gespräch das Thema Ausbildung in Amerika fällt. Sie weiss
zudem Bescheid über die Entstehung der USA, über Louis XIV.
oder die einzige Päpstin, die es je gab. Woher? Sie tippt sich an
den Kopf: "Ich interessiere mich für Geschichte und kann mir das
alles gut merken." Sie kenne auch "die schwierigsten Wörter". Eine
Lehrerin habe ihr einmal gesagt, sie habe "viel Potenzial".
Doch für die 17-jährige Nana ist nicht nur
Harvard unerreichbar, sondern auch der Stuhl hinter der Migros-Kasse um
die Ecke oder die Schere im nahen Coiffeurgeschäft. Nana lebt mit
ihrer Familie illegal im Baselbiet. Seit zwölf Jahren schon, seit
ihre Eltern sie und ihre älteren Brüder via Deutschland
hierherbrachten. Die Sekundarschulzeit hat sie vor anderthalb Jahren
beendet, eine Lehre hingegen darf sie nicht machen, Geld hat sie
sowieso keines. Nun sitzt sie täglich zu Hause herum und schaut
fern. "Man kann mir irgendeine Uhrzeit nennen, und ich weiss, was dann
auf welchem Kanal läuft." Einmal konnte sie in der Migros
schnuppern, als Detailfachhändlerin. "Die hätten mich als
Lehrling genommen", sagt sie, "aber das Amt für Migration sagte
Nein."
Basel-Stadt hilft nach.
Geht es nach dem Willen des Nationalrats, so dürfte sich
Nanas Situation bald ändern. Am 3. März hat die grosse Kammer
überraschend dem Vorstoss des CVP-Nationalrats Luc Barthassat
zugestimmt, der fordert, dass jugendliche Sans-Papiers in der Schweiz
eine Lehre machen dürfen. Ganz knapp ist auch die Staatspolitische
Kommission des Ständerats auf das Anliegen eingetreten. Nun hat am
Montag der Ständerat das letzte Wort. Sagt er Ja, so würde
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf eine Vorlage ausarbeiten, die
Lehren für Sans-Papiers legalisiert.
Zu einem Ja zu diesem Begehren verhelfen möchte unter
anderem der Kanton Basel-Stadt. Der Grosse Rat hat sich für eine
entsprechende Standesinitiative ausgesprochen; heute oder morgen soll
das Parlament nun den regierungsrätlichen Entwurf dazu absegnen.
Zögerlich verhält sich dagegen Baselland. Hier möchte
die Regierung abwarten, was sich national tut. Das geht aus einer
Antwort auf eine Interpellation von EVP-Landrätin Elisabeth
Augstburger hervor. Sie verstehe, dass der Kanton ans Gesetz gebunden
sei, sagt Augstburger, doch angesichts der menschlichen Tragödien,
die sich hier abspielten, wünsche sie sich etwas mehr Einsatz.
Was für eine Lehre würde Nana gerne machen? "Ich
würde jede Chance ergreifen." Ihre Brüder möchten gerne
auf dem Bau arbeiten. Einer betritt die Stube und nickt. "Ich bin 20
und gesund, man nähme mich überall. Einmal habe ich auf dem
Friedhof Tote begraben; das war viel besser, als nichts zu tun."
Verlorene Jugend.
"Diese Sans-Papiers können ihre Jugendzeit nicht für
etwas Sinnvolles nutzen. Das ist ein unwiederbringlicher Verlust", sagt
die Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz. "Dabei haben sich diese
Jugendlichen nicht selbst dafür entschieden, hierherzukommen, sie
können nichts dafür." Wie viele in der Schweiz betroffen
sind, ist schwer abzuschätzen. Bei der Basler Anlaufstelle
für Sans-Papiers geht man von rund 10 000 Papierlosen im Raum
Basel aus, zehn Prozent seien unter 18.
Auf ihrer Seite haben die illegal hier Lebenden für
einmal nicht nur Menschenrechtler und Linke, sondern auch viele
Bürgerliche, an vorderster Stelle den Basler Gewerbedirektor und
FDP-Nationalrat Peter Malama, der alle Ständeräte
angeschrieben hat. "Sie können nichts für ihr Schicksal!",
sagt auch er. Die Situation sei ungerecht.
Papierlose dürfen die Schule bis zur Uni besuchen,
weil ihnen die Bundesverfassung das Recht auf Bildung garantiert und
weil sie dort ihren Status nicht offenlegen müssen. Aber die
Berufslehre bleibt ihnen verwehrt, da ein Lehrvertrag rechtlich ein
Arbeitsvertrag ist. Wer einen Papierlosen als Lehrling anstellt, macht
sich strafbar. "Es ist weder fair noch macht es volkswirtschaftlich
Sinn, gute Bewerber um Lehrstellen abweisen zu müssen", sagt
Malama. "Ich bin für gleich lange Spiesse."
Ganz anders sieht das sein Baselbieter Pendant,
Wirtschaftskammer-Direktor und FDP-Nationalrat Hans Rudolf Gysin.
Papierlose seien illegal hier und "verhalten sich somit gegenüber
dem Gastland rechtswidrig". Ermögliche man für deren Kinder
mit der Zulassung zu einer Lehre "eine Art Pseudo-Legalität", so
werde "letztlich der Rechtsstaat ausgehöhlt". Hinzu komme, dass es
für die Lehrlingsbetreuung einen intensiven Kontakt zu den Eltern
brauche.
Klar gegen Sans-Papiers-Lehrlinge ist die SVP. Im
Baselbiet fordert SVP-Landrat Thomas de Courten gar eine
Standesinitiative, die das Gegenteil der städtischen verlangt. Es
könne nicht sein, dass der illegale Aufenthalt zunehmend über
die Hintertüre und auf dem Buckel der Kantone legalisiert werde,
schreibt er. Das belohne rechtswidriges Verhalten und sende ein
"komplett falsches Signal an illegale Einwanderer".
härtefall. Nana wird bald 18. Dann kann sie
versuchen, ein Härtefallgesuch einzureichen. Wird es akzeptiert,
darf sie fortan legal hier sein, einer Lehre stünde nichts mehr im
Weg. Einfach ist das aber nicht. Der Kanton Baselland gilt als
restriktiv, ein Nein bedeutet meistens die Ausschaffung. Immerhin
bietet das Amt für Migration die Möglichkeit, ein Gesuch
zunächst anonym abzuklären. "Es wäre schön, wieder
eine Perspektive zu haben", sagt Nana.
*Name der Redaktion bekannt
---
Tribune de Genève 9.6.10
Apprentis sans papiers: sept Villes en appellent au Conseil
d'Etat
Frédéric Julliard
RÉSOLUTIONDes élus, dont la maire de
Genève, demandent à l'Etat d'"assouplir sa pratique".
Sept communesse portent au secours des apprentis sans
papiers. La Ville de Genève, Carouge, Onex, Vernier, Meyrin,
Lancy et Plan-les-Ouates viennent d'adresser une résolution au
président du Conseil d'Etat, François Longchamp.
Dans cette lettre, dont la Tribunea pris connaissance, la
maire de Genève, Sandrine Salerno et six autres élus
communaux demandent au Conseil d'Etat "d'assouplir sa pratique", en
délivrant aux jeunes sans-papiers "des autorisations temporaires
de travail pour la durée de leur apprentissage", puis en
"signant les contrats d'apprentissage y relatifs".
"Il ne s'agit en aucun cas de braver la loi", explique
Sandrine Salerno, qui avait suscité la polémique en mars
en annonçant que la Ville était prête à
engager des apprentis sans titre de séjour. "Le canton dispose
d'une marge de manœuvre légale: il peut délivrer des
permis de travail provisoires à des adultes, notamment pour leur
éviter de tomber à l'assistance en attendant une
décision sur leur statut. Nous demandons simplement qu'il
applique cette mesure aux apprentis. " Pas question non plus de
recourir à la discrimination positive: "On ne peut pas obliger
un maître d'apprentissage à choisir le jeune X, car il est
sans-papiers, au détriment du jeune Z. En revanche, si un ou une
jeune est doué(e) et peut faire un apprentissage, et si le
maître est d'accord, la question du statut légal ne doit
pas devenir un frein. "
Les communes signataires rappellent que de nombreux
enfants sans papiers suivent déjà leur formation dans les
écoles genevoises. Seuls ceux qui visent un apprentissage en
entreprise restent exclus, car il leur faut un contrat de travail.
"Pour moi, c'est une évidence qu'un jeune sans-papiers a le
droit d'être formé comme les autres, que ce soit à
l'école ou en apprentissage", estime Jeannine de Haller,
magistrate A gauche toute! de Carouge.
Selon les chiffres du syndicat SIT, 30 à 40
adolescents resteraient sur le carreau chaque année dans le
canton. Le Département de la solidarité et de l'emploi,
par la voix de son secrétaire général adjoint
Bernard Favre, conteste ces chiffres: "A ce jour, nous n'avons pas
connaissance de candidats à l'apprentissage se voyant refuser
une formation pour cette raison. "
Car l'Etat dispose déjà d'une arme: la
régularisation. "Lorsque nous avons connaissance d'un jeune bien
intégré à Genève et qui vise un
apprentissage, nous sollicitons et nous obtenons de Berne sa
régularisation. " Selon l'Etat, cette méthode permet de
régler les cas difficiles tout en évitant de "brouiller
le message" sur le travail au noir.
"Démarches trop longues"
Pourquoi ne pas s'en tenir à ce système? "La
régularisation reste un processus lourd, répond le Vert
Yvan Rochat, magistrat de Vernier. L'outil que nous évoquons
dans notre lettre permet de régler les cas plus rapidement. "
Autre défaut des procédures de
régularisations: "Elles ne fonctionnent qu'au cas par cas",
déplore Sandrine Salerno.
Sur ce dernier point au moins, le canton approuve: "Nous
soutenons les démarches visant à créer des bases
légales plus claires, permettant de régulariser les
jeunes bien intégrés de façon plus
systématique", indique Bernard Favre.
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BIG BROTHER VIDEO
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Basellandschaftliche Zeitung 9.6.10
Klarere Regelung für Videokameras
Der Grosse Rat beschliesst heute eine neue Regelung
für Kameras. Das Baselbiet verzichtet
Das neue Basler Datenschutzgesetz sorgt für mehr
Klarheit im Umgang mit Videokameras. Die bisherige Lösung war
mangelhaft.
Andreas Maurer
Über 1500 Kameras des Staats und von staatsnahen
Betrieben sind in Basel-Stadt bewilligt. Diese Auszählung des
Basler Datenschutzbeauftragen Beat Rudin veranlasst die Basler
Jungfreisinnigen zu Kritik: Der "Überwachungskanton" Basel-Stadt
stelle einen traurigen Rekord auf.
In anderen Kantonen benötigen staatliche Kameras
keine Bewilligung. Daher wisse man dort oft nicht genau, wie viele
Kameras im Einsatz sind, relativiert Rudin. "Basel ist keine
überwachte Stadt", betont er. Dies zeige eine Aufschlüsselung
der 1500 Kameras. Weit über die Hälfte davon macht die
Videoüberwachung der BVB-Fahrzeuge aus. Ein weiterer grosser Teil
besteht aus Kameras von Gefängnissen. Übrig bleiben rund 400
weitere staatliche Kameras.
Neues Gesetz ändert nicht viel
Der Einfluss des neuen Basler Informations- und
Datenschutzgesetzes auf die Anzahl Kameras ist schwer
abzuschätzen. Heute wird es im Grossen Rat behandelt. Zwei von 55
Paragrafen regeln die Videoüberwachung in der Öffentlichkeit.
Bisher war diese nur mit einer speziellen gesetzlichen Grundlage
möglich. Neu stellt das Informations- und Datenschutzgesetz diese
Grundlage dar. Es verlangt für jedes Videosystem ein Reglement,
das den konkreten Zweck, die Verantwortlichkeit und die Löschfrist
festlegt.
Die neue Regelung erleichtert dem Staat theoretisch die
Installation neuer Kameras. In der Praxis ändert sich aber wenig,
da das bisherige Gesetz nicht konsequent umgesetzt wurde. So bewilligte
der Datenschützer auch Kameras für Schwimmbäder, obwohl
die rechtliche Grundlage dazu sehr dürftig war.
"Die bisherige Lösung war gut gemeint, aber sie hat
nicht funktioniert", verteidigt Rudin seinen Vorgänger. Mit der
Bewilligungspflicht durch den Datenschützer wurden die
Verantwortlichkeiten verwischt. Es wurde Druck ausgeübt. "Wenn Ihr
keine Kameras bewilligt, seid Ihr schuld, wenn einem kleinen
Mädchen deshalb etwas passiert", hiess es etwa. Neu liegt die
Verantwortung bei den Departementen der Regierung. Sie erlassen die
Reglemente. "Der Datenschutz wird aber nicht geschwächt, weil wir
die Reglemente vorher prüfen", sagt der Basler Datenschützer.
Alle Parteien signalisieren Zustimmung zum Gesetz. Auch
die überwachungsskeptische SP-Fraktionschefin Tanja Soland
begrüsst die klarere Regelung: "Ich hoffe, dass die
Videoüberwachung dadurch etwas eingeschränkt wird." Die
Überwachungspläne des Sicherheitsdirektors Hanspeter Gass
lehnt sie entschieden ab. Diese stehen jedoch nicht in direktem
Zusammenhang zum neuen Gesetz.
Andere Lösung im Baselbiet
Im Gegensatz zu Basel-Stadt ist im Baselbiet keine
kantonale Regelung der Videoüberwachung geplant. Jede Gemeinde
erlässt eigene Reglemente. "Man kann mit beiden Lösungen
leben. Für uns in der Stadt ist die vorgesehene Lösung mit
klaren Leitlinien auf Gesetzesstufe besser", findet Rudin. Die 86
Baselbieter Gemeinden seien mit der Situation in Basel nicht
vergleichbar.
Eine kantonale Lösung im Baselbiet hätte den
Vorteil, dass sie einheitlicher wäre. Andererseits hat die
Regelung auf Gemeindeebene den Vorteil, dass sich die Gemeinden selber
mit ihren Videokameras befassen.
--
Öffentlichkeitsprinzip
Die bedeutendste Neuerung des Informations- und
Datenschutzgesetzes stellt die Verankerung des
Öffentlichkeitsprinzips dar. Heute sind Informationen der Basler
Verwaltung grundsätzlich geheim. Nur auf begründeten Wunsch
hin erteilen die Behörden Auskunft. Neu ist es umgekehrt: Die
Öffentlichkeit erhält ein durchsetzbares Recht für
Informationen der Verwaltung. Nur in begründeten Fällen
können diese verweigert werden. So wird die Polizei vor einer
Demonstration wohl auch weiterhin keine Auskunft über ihren
Einsatz erteilen. Zum Beispiel über eine durchgeführte Studie
muss die Verwaltung neu aber grundsätzlich Auskunft geben. Heute
unterscheidet sich die Auskunftsfreudigkeit je nach Departement.
(öpf)
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NLZ 9.6.10
Sicherheit
Bahnhofplatz Luzern: Kurs wird beibehalten
Dave Schläpfer
Die Stadt ist zufrieden mit der Entwicklung am
Bahnhofplatz. Nicht zuletzt wegen der Videoüberwachung.
Visitenkarte für die Stadt, Drehscheibe des
öffentlichen Verkehrs und Ort der Information: Der Stadtrat
möchte, dass der Bahnhofplatz in erster Linie diese drei
Funktionen erfüllt. Um dies sicherzustellen, werden die bereits im
letzten Jahr umgesetzten Massnahmen auf unbefristete Zeit
weitergeführt.
Mehr Polizeipatrouillen
"Die Situation hat sich seither merklich verbessert", sagt
Maurice Illi von der Stelle für Sicherheitsmanagement. "Dies
bestätigen uns alle involvierten Partner." Das sind die Massnahmen:
• Von April bis Oktober wird der Bahnhofplatz im
Dreischichtbetrieb geputzt.
• Im selben Zeitraum ist eines der drei Zweierteams der
SIP (Sicherheit Intervention Prävention) jeweils an den
Wochenenden bis 4 Uhr morgens präsent.
• Seit der Anfang Jahr erfolgten Polizeifusion gibt es
gemäss Mediensprecher Urs Wigger von der Luzerner Polizei
"spürbar" mehr Patrouillen beim Bahnhof und im Zentrumsgebiet.
Für Notfälle hat es im Untergeschoss neben dem Ticketschalter
der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) einen Polizeiposten.
• Die mobile Bar "Stadtlounge" des Jugendradios 3fach
steht von Juni bis September jeweils mittwochs bis samstags ab 17 Uhr
beim Torbogen. Wer Abfall auf den Boden werfe, werde via Liveschaltung
auf den Fauxpas aufmerksam gemacht, teilt der Sender mit. Bis jetzt
habe dieses "ungenierte Blossstellen" Erfolg gezeigt.
• Im Herbst wird eine zusätzliche WC-Anlagebeim
Ticketschalter der Schifffahrtsgesellschaft des
Vierwaldstättersees (SGV) realisiert.
• Der Luzerner Polizei zufolge hat die Möglichkeit,
Littering-Bussen auszusprechen, in der Öffentlichkeit zu einer
Sensibilisierung geführt. Bis Mitte Mai wurden innert Jahresfrist
im Kanton 264 Abfallsünder gebüsst, die meisten davon auf
städtischem Gebiet. Vom Mittel der Wegweisung hat die Polizei in
Luzern 17 Mal Gebrauch gemacht. Die meisten davon erfolgten auf dem
Bahnhofplatz.
• "Die Videokamerashaben sicher auch ihren Teil zum
verbesserten Zustand beigetragen", sagt Urs Wigger von der Luzerner
Polizei. Auswertungen der Bilder zur Verbrechensbekämpfung
fänden statt, es wird jedoch keine Statistik geführt, wie
viel Mal dieses Mittel zur Anwendung kommt. Illi zufolge werden auf
Ende Jahr die Resultate einer Studie erwartet, die den Effekt der
Videoüberwachung aufzeigen sollen.
• Die Zusammenarbeit mit den Anrainern KKL, SGV, VBL und
der SBB wird weiterhin gepflegt. Seit Mai läuft das
Bahnhofpaten-Projekt der SBB.
Dynamische Entwicklung
Trotz der erreichten Situation ist Maurice Illi der
Überzeugung, dass eine laufende Beobachtung der Entwicklung und
Anpassung der Massnahmen notwendig ist: "Der Bahnhofplatz ist der meist
frequentierte Ort in der Stadt und muss unterschiedlichsten
Nutzungsansprüchen genügen." Zudem sei die Dynamik gross:
"Generell kann man eine kontinuierliche Zunahme der Personen im
öffentlichen Raum feststellen - auch das Ausgangsangebot wird
immer vielfältiger."
david.schlaepfer@neue-lz.ch
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BIG BROTHER SPORT
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BZ 9.6.10
Grosser Rat
Polizei kostet nicht mehr
Die Sicherheit im Sport bringt dem Kanton keine
Mehrkosten. Dennoch möchte er die Veranstalter zur Kasse bitten.
Sportveranstaltungen wie die "Finalissima" zwischen YB und
dem FC Basel verursachen enorme Sicherheitskosten. Grossrat Ruedi
Löffel (EVP) wollte in der Fragestunde vom Regierungsrat wissen,
wie viel der Kanton 2009 zusätzlich an die Sicherheitskosten in
der Stadt Bern bezahlt habe. Bern hat mit der Kantonspolizei einen
Ressourcenvertrag über 28 Millionen Franken pro Jahr.
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP)
antwortete, dass der Kanton darauf hinarbeite, diese Kosten an die
effektiven Verursacher abzuwälzen. Dem Kanton seien aber 2009
keine zusätzlichen Kosten entstanden. Die Mehrkosten würden
kompensiert, was zu weniger Polizeipräsenz in der Stadt führe.
ats
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Langenthaler Tagblatt 9.6.10
"Die Gemeinden müssen drücken"
Hooligan-Kosten Polizeichef gibt den Ball weiter
Nach neuerlichen Ausschreitungen bei der
Fussball-"Finalissima" zwischen Bern und Basel gaben die
Sicherheitskosten im Grossen Rat gestern einmal mehr zu reden. Zu den
Zahlen, ja nicht einmal im Verhältnis zum gesamten
Leistungsvertrag zwischen der Kantonspolizei und der Stadt Bern, wollte
sich der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser nicht
äussern. Ausser: Dass das ausgehandelte Polizei-Kostendach von
jährlich 28 Millionen Franken für die Bundesstadt für
2009 nicht überschritten wurde.
Vielmehr betonte Käser in der Fragestunde, dass es
nicht er oder die Konferenz der kantonalen Polizeidirektoren sei,
welche Druck auf YB oder SCB machen müssten: "Es sind die
Gemeinden, die Druck machen müssen, um laut Bundesgericht bis zu
80 Prozent der anfallenden ausserordentlichen Polizeieinsatzkosten
weiterverrechnen zu können." Insbesondere der städtische
Polizeidirektor Reto Nause verwahrte sich bisher mit Verweis auf den
Image-Gewinn der Stadt durch die Berner Fussball- und Hockeyclubs, mehr
Druck auszuüben. Diese beteiligen sich bisher mit einer
jährlichen Pauschalabgeltung von je 80000 Franken. Käser
dagegen sagte gestern klipp und klar: "Der verstärkte Einbezug der
Clubs wird sie auch zum Handeln zwingen." (sat)
---
20 Minuten 9.6.10
Sport-Krawalle: Löffel hakt nach
BERN. Die explodierenden Sicherheitskosten an
Sportveranstaltungen lassen EVP-Grossrat Ruedi Löffel keine Ruhe:
Nachdem die Finalissima zwischen YB und dem FCB die Steuerzahler eine
Viertelmillion Franken kostete, soll Polizeidirektor Hans-Jürg
Käser endlich die Verursacher und die Stadt Bern in die Pflicht
nehmen.
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POLICE OST
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Südostschweiz 9.6.10
Kripo Ostschweiz? Im Prinzip ja, aber ...
Die St. Galler Sicherheitschefin Karin Keller-Sutter kann
sich eine Kripo für die ganze Ostschweiz vorstellen. Ihr Glarner
Amtskollege Andrea Bettiga will zuerst eine verstärkte
Zusammenarbeit prüfen.
Von Stefan Tschudi
Glarus/St. Gallen. - Der Schweiz fehlt es an 1000 bis 2000
Polizisten. Die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter
sagte in der "Südostschweiz am Sonntag", sie sehe die Zukunft der
inneren Sicherheit in vermehrter Kooperation. So könnten
Steuergelder effizienter eingesetzt werden. Etwa könne sie sich
eine Kriminalpolizei für die ganze Ostschweiz vorstellen.
Eine einzige Kripo für die Ostschweiz sei erst einmal
eine politische Idee, die es zu prüfen gelte, bevor die
Kooperation ins Leben gerufen werde. So der Kommentar des Glarner
Sicherheits- und Justizdirektors Andrea Bettiga zu Keller-Sutters Idee
gegenüber dem Regionaljournal von Schweizer Radio DRS.
Eine grenzübergreifende Kripo müsste
verschiedenen Herren dienen, was viele Fragen aufwerfe, die bei einer
praktischen Umsetzung auf politischer Ebene geklärt werden
müssten, sagt Bettiga auf Anfrage. Etwa, wo die Stützpunkte
lägen, oder wer über Doktrin, Mittel und Schwerpunktlegung
entscheide.
"Glarner Polizei ist gut aufgestellt"
Ob durch einen Zusammenschluss der Kriminalpolizeien
tatsächlich eine Effizienzsteigerung möglich sei, könne
heute noch nicht beurteilt werden. Aufgrund der Aufgaben, welche
über die letzten Jahrzehnte bei den Kantonspolizeien angewachsen
seien, habe man in vielen Kantonen versucht, mit Reorganisationen den
erhöhten Anforderungen gerecht zu werden. Er bezweifle, dass diese
Spirale weitergedreht werden könne, so Bettiga. "Insbesondere im
Kanton Glarus hat die Kantonspolizei mehrere Reorganisationen durchlebt
und ist heute gut aufgestellt."
Zudem habe man bereits im Verbund Ostschweiz in vielen
kleineren Aufgabenbereichen den Weg zur Zusammenarbeit gefunden. "Ich
denke da an gemeinsame Präventionsprojekte im Strassenverkehr, an
Ausbildung von Sondergruppen wie Grenadieren oder im Hundewesen sowie
das kriminaltechnische Kompetenzzentrum Ostschweiz." Dagegen werde es
schwieriger bei der Zusammenlegung von gesamten Kriminalpolizeien
über die Kantonsgrenzen hinweg, da dieses Mittel stark kantonale
Aufgaben und Interessen verfolge.
Mehr Potenzial im Konkordat?
Die Glarner Kriminalpolizei arbeite schon heute, ab
nächstem Jahr noch enger, mit den Staatsanwaltschaften zusammen.
"Hier sind weitere Schnittstellen zu kantonalen Stellen." Diese
Zusammenarbeit müsse ebenfalls diskutiert und auf
Möglichkeiten der Umsetzung abgeklopft werden.
Vorteile sehe er etwa darin, dass man der Idee einer
Ostschweizer Kripo die heutige Lösung gegenüberstellen und
prüfen könne. "Etwa in der Frage, ob in der Zusammenarbeit
innerhalb des Polizeikonkordates weiteres Potenzial liegt", sagt Andrea
Bettiga.
--
Stadtpolizei ist neu Mitglied der OPK
Chur. - Die Stadtpolizei Chur und deren Polizeikommandant
Ueli Caluori wurden vor kurzem in die Ostschweizer
Polizeikommandanten-Konferenz (OPK) aufgenommen. Schwerpunkt der
Konferenz ist die fachspezifische professionelle Aus- und Weiterbildung
der beteiligten Korps, wie es in einer Medienmitteilung heisst. Seit
dem Jahr 2003 ist die Stadtpolizei bereits assoziiertes Mitglied im
Ostschweizer Polizeikonkordat Ostpol.ch. (so)
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POLICE CH
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Le Temps 9.6.10
Il manque 2000 agents en Suisse
Proportionnellement à sa population, la Suisse est
moins bien dotée en policiers que les pays voisins, estime le
syndicat des forces de l'ordre, qui dénonce les injures et
violences croissantes que subissent ses membres
Jean-Claude Péclet
La Fédération suisse des fonctionnaires de
police (FSFP) demandera une substantielle augmentation des effectifs
lors de l'assemblée des délégués qui se
tient jeudi et vendredi à Lucerne. Selon le syndicat, qui
fédère 95% des 16 000 policiers actifs en Suisse, le pays
dispose, en comparaison européenne, "des forces de police les
plus réduites par rapport à sa population". L'Italie
compte 4,7 représentants de l'ordre pour
1000 habitants, l'Allemagne 3,3, l'Autriche 3,1, et la Suisse 2,3
seulement. "Il manque 2000 agents", affirme la FSFP.
Le ton de l'invitation à l'assemblée est
combatif: "Avec le slogan "Cela suffit!", nous pouvons aborder de
nombreux aspects de l'activité de police ayant atteint, à
notre avis, un niveau intolérable pour le personnel
impliqué." Et de citer, outre les effectifs insuffisants, les
injures et assauts subis par les agents (lire ci-dessous) et la perte
d'attractivité de la profession.
"La crise de recrutement tient moins au salaire - qui est
correct, sauf dans le Jura et au Tessin - qu'aux heures
supplémentaires ou à la violence qui augmente. Nous ne
sommes pas un punching-ball!" dit Max Hofmann, secrétaire
général de la FSFP.
Président de la Conférence des commandants
de police cantonaux, le Fribourgeois Pierre Nidegger confirme les
sous-effectifs. Une étude menée l'an dernier par cette
organisation les estime entre 1000 et 1500
agents manquants. En Suisse romande, Genève est le canton le
plus touché, avec un déficit de 200 policiers, que le
Conseil d'Etat a promis lundi de combler au cours de la
législature. "En 2008 et 2009, nous avons rempli tous les cours
de formation, grâce à une politique promotionnelle plus
active, dit Patrick Puhl, porte-parole de la police genevoise.
L'attrait de la profession revient gentiment, mais cela reste
difficile, d'autant plus qu'il faut environ 150 candidats pour
constituer une volée de 25 nouveaux agents."
"Les difficultés de recrutement seront très
importantes ces prochaines années, pour toute la Suisse
romande", dit Jean-Christophe Sauterel, porte-parole de la police
vaudoise, où le déficit sera de 200 à 300 postes.
Plusieurs mesures ont déjà été
prises pour élargir le bassin de recrutement - relèvement
de l'âge maximum d'engagement; suppression de la limite de
taille; ouverture aux étrangers disposant d'un permis C, comme
à Genève - mais "elles sont d'ordre cosmétique",
estime Max Hofmann, pour qui la crise des vocations repose sur des
causes plus profondes, dont le respect lié aux forces de l'ordre.
La FSFP, qui avait des relations informelles avec les
députés fédéraux, a intensifié son
lobbying politique en constituant récemment un groupe
parlementaire "police et sécurité" présidé
par le conseiller national socialiste Max Chopard-Acklin (AG). "Nous
cherchons plutôt la discussion et le consensus, dit Max Hofmann,
mais nous voyons aussi que la situation ne s'améliore pas."
--
La situation se détériore
Le syndicat des forces de l'ordre demande des sanctions
plus sévères
J.-C. P.
Parce qu'il avait un appareil photo autour du cou,
Jean-Marie Bornet, chef de l'information et de la prévention
à la police valaisanne, a été assailli et
roué de coups par une trentaine de hooligans lors d'un match
Sion-Young Boys. "Il faut des sanctions plus dissuasives, comme en
Grande-Bretagne", dit-il au Temps.
A Echallens, un agent frappé et
étranglé par un homme ivre a subi quinze jours
d'arrêt de travail. A Nyon, un de ses collègues a
été blessé à la tête lors d'un
contrôle dans une entreprise. A Genève, il y a trois
jours, un agent a été insulté et menacé de
mort par un manifestant pro-palestinien.
Chronique ordinaire de l'agressivité. Selon la
statistique fedpol, on est passé de 774 violations de l'article
285 du Code pénal (violence contre l'autorité) en 2000
à 2350 en 2009. La FSFP a adressé une pétition
à la conseillère fédérale Eveline
Widmer-Schlumpf pour réclamer des mesures, dont l'augmentation
de la peine minimale prévue par l'article 285 du CPS et le
doublement de la quotité de la peine en cas de récidive,
comme c'est le cas en France.
"Si nous n'arrivons pas à faire comprendre à
la justice ce qu'elle doit faire, nous demanderons aux politiciens de
lui mettre un instrument plus efficace entre les mains, dit Max
Hofmann, secrétaire général de la FSFP. Certains
cantons, comme Saint-Gall, ont déjà donné un
signal dans ce sens." A Fribourg, "nous demandons aux agents de
dénoncer les agressions dont ils sont victimes, dit le
commandant de la police, Pierre Nidegger. Nous sommes assez suivis par
l'autorité judiciaire."
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Bund 8.6.10
Müde Polizisten wollen nach dem Grosseinsatz besser schlafen
Nicht nur Personalknappheit und zunehmende Gewalt gegen
Beamte bereiten Schweizer Polizisten Sorgen. Bei Grosseinsätzen
müssen sie auch noch in Bunkern übernachten. Jetzt fordern
sie anständige Betten.
Erwin Haas
Dem Verband Schweizerischer Polizeibeamter, der die
Interessen von 23 000 Mitgliedern vertritt, ist der Kragen geplatzt.
"Wie Kaninchen im Käfig" müssten sie bei Grossanlässen
nächtigen, klagt der Verband in der neusten Ausgabe seiner Zeitung
"Police". Bei interkantonalen Einsätzen hausten die Polizisten
"oft unter misslichen Bedingungen, erhalten ungenügende
Verpflegung und arbeiten zu viele Stunden am Stück".
Die Polizisten fordern ihre Kommandanten deshalb auf,
zumindest bei planbaren Einsätzen wie am Weltwirtschaftsforum WEF
in Davos oder an Politikertreffen wie dem G-8-Gipfel 2003 in Evian
für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen.
Was Polizisten "erdulden"
Auslöser des Begehrens war laut der "Neuen Luzerner
Zeitung" ein direkter Vergleich an der Fussball-Europameisterschaft
Euro 08, als die Schweizer mit deutschen Kollegen zusammenarbeiteten.
Diese verbrachten ihre Ruhezeit in Hotels, während die
einheimischen Ordnungskräfte - der militärischen Tradition
entsprechend - in Massenlagern von Zivilschutzanlagen einquartiert
waren. Und das ist nicht der Ort, den sie sich nach anstrengenden und
langen Diensten wünschen. In der Folge erarbeitete der Verband
einen Forderungskatalog, den der Zentralvorstand soeben verabschiedet
hat. Die Liste "gibt auch Aufschluss darüber, welche Umstände
bislang erduldet werden mussten", schreibt "Police".
Die Polizisten verlangen Unterkünfte in Hotels oder
Kasernen an ruhiger Lage, in 4- bis 6-Bett-Zimmern mit Tageslicht, die
aber verdunkelt werden können, damit die Mannschaften nach
Nachteinsätzen auch tagsüber Schlaf kriegen, und sie sollen
höchstens 30 Kilometer vom Einsatzort entfernt sein. Die
Polizisten pflegen das Detail. Der Verband wünscht etwa "normale
Matratzen (kein Camping)" mit Leintuch, Kissen und Duvet, einen
Ruheraum, gute sanitäre Anlagen, einen Stuhl und eine Steckdose
pro Polizist, drei Mahlzeiten pro Tag, Lunchpakete für
8-Stunden-Einsätze ("mit mindestens folgendem Inhalt: 2
Getränke, 1 Frucht, 2 Sandwiches, 1 Schokoladen-Riegel, evtl. 1
gekochtes Ei") sowie Kühlschränke mit Snacks.
Schlaflos durch die Nacht
Der nationale Verband möchte, dass Politik und
Polizeichefs die teils missliche Unterbringung als Problem anerkennen
und ihm ein Mitspracherecht bei der Vorbereitung von Einsätzen
zugestehen. Der Katalog umfasst aber auch Verbesserungen der Arbeits-
und Ruhezeitregeln: höchstens 9 Arbeitstage am Stück,
täglich maximal 15 Stunden Arbeit und 9 Stunden durchgehende Pause
sowie die doppelte Anrechnung von Überstunden an Wochenenden.
"Nach anspruchsvollen Einsätzen in der Kälte,
bei denen die Polizisten nur zwischendurch verpflegt wurden, kommen sie
zum Beispiel am WEF in eine Unterkunft, wo ein dauerndes Hin und Her
herrscht", sagt der Präsident des Verbands der Kantonspolizei
Zürich und EVP-Kantonsrat Peter Reinhard. "Sie kommen einfach nie
zur Ruhe und können nicht einmal richtig einschlafen."
Es müssten keine 5-Sterne-Hotels sein, sagt
Generalsekretär Max Hofmann vom Schweizer Verband. "Und wir sind
nicht so stur, dass wir nicht ausrücken, wenn alle Hotelbetten
ausgebucht sind", fügt er an. Doch die Schweizer Polizisten seien
Profis und möchten als solche behandelt werden: "Es käme
keiner Firma in den Sinn, einen ihrer Vertreter oder Monteure in einer
Zivilschutzanlage übernachten zu lassen."
Für Markus Meyer, den Präsidenten des Berner
Polizeiverbands, ist die Frage der Unterkünfte Teil eines
grundsätzlichen Problems: "Polizist ist zu einem unattraktiven
Beruf geworden. Das führt zu massiven Schwierigkeiten bei der
Rekrutierung." In den 70er-Jahren habe ein Polizist noch 1000 Franken
mehr verdient als in seinem angestammten Beruf als Mechaniker oder
Bäcker, heute sei es gleich viel.
139 neue Stellen für Berner Korps
Der Berner Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP)
hat zwar vom Unterkunftsproblem noch nie gehört, teilt aber die
Kritik: "Die Berner Regierung will das Korps von heute 2300 Polizisten
bis 2015 um 139 Stellen aufstocken." Um die nötigen Leute zu
finden, sei auch im Gespräch, die Polizisten in eine höhere
Lohnklasse einzureihen.
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NZZ 8.6.10
Polizeigewerkschaft schlägt Alarm
Unterbestände in den kantonalen Korps und zunehmende
Gewalt gegen Polizeibeamte
met. ⋅ "Es reicht!" - so ist eine Resolution
überschrieben, die am Donnerstag und Freitag an der
Delegiertenversammlung des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter
(VSPB) verabschiedet werden soll. Die Gewerkschaft will damit auf
Probleme aufmerksam machen, die in Polizistenkreisen zunehmend für
Unmut sorgen: einerseits das Überstundenproblem, anderseits die
zunehmende Bereitschaft zur Gewalt gegenüber den
Ordnungshütern. Diese habe in den letzten zehn Jahren um über
170 Prozent zugenommen.
Max Hofmann, Generalsekretär des VSPB, in dem knapp
23 000 Polizeibeamte aus 69 Sektionen organisiert sind, spricht von
einem schweizweiten Unterbestand von 1500 bis 2000 Einsatzkräften,
gut 10 Prozent des gegenwärtigen Polizeibestandes. Diese Zahl
werde von der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS)
bestätigt, sagt Hofmann. Sie sei einer der Hauptgründe
für das Problem mit den Überstunden - hochgerechnet rund eine
Million pro Jahr -, die in vielen Korps schlicht nicht mehr abgebaut
werden könnten. Vor einigen Jahren habe sich die Konferenz der
Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) für eine Aufstockung der
Bestände um gut 900 Polizeibeamte ausgesprochen; im Zug der
Finanzkrise sei dann aber nichts daraus geworden. Der heutige Zustand
sei nicht länger haltbar, die Politik müsse zu einer
Lösung Hand bieten.
Hofmann verweist auf die stark gewachsenen Belastungen der
Polizeikorps. So müssten während der Fussball- und der
Eishockeysaison Woche für Woche etwa 900 Polizisten für den
Ordnungsdienst im Umfeld der Stadien aufgeboten werden. Die gewachsene
Mobilität der Bevölkerung, die "24-Stunden-Gesellschaft" an
Wochenenden und immer mehr Strafbestimmungen in neuen Gesetzen mit dem
entsprechenden administrativen Aufwand verschärften die
Problematik zusätzlich. Diese werde auch von der Bevölkerung
zunehmend wahrgenommen: Wenn Leute für die Fronteinsätze
fehlten, werde zuerst bei der polizeilichen
Präventionstätigkeit gespart - zum Beispiel bei der
Präsenz in den Quartieren. Das subjektive Sicherheitsempfinden der
Bevölkerung hat laut dem Forschungsinstitut GfS-Zürich im
letzten Jahr denn auch um 0,6 auf 5,6 Punkte abgenommen.
Das Problem der Unterbestände sei auch bei der
Polizeikommandanten-Konferenz ein Thema, bestätigt deren
Generalsekretär Vladimir Novotny. Auf ihre Agenda gesetzt haben
das Problem ferner die Justiz- und Polizeidirektoren. Sie wollen im
kommenden Herbst nach einer Analyse des Aufgabenspektrums der Polizei
dazu Beschlüsse fassen.
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RANDSTAND SG
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St. Galler Tagblatt 8.6.10
Intoleranz trotz mehr Dialog
Die Probleme mit Randständigen, namentlich im
Kantipark und auf Drei Weieren, haben sich letztes Jahr merklich
entschärft. Dafür hat laut Jürg Niggli, Leiter der
Stiftung Suchthilfe, die Intoleranz in der Bevölkerung zugenommen.
Helena Gunsch
Die Situation zwischen Randständigen und anderen
Einwohnern der Stadt hat sich in bezug auf die einschlägig
bekannten Drogenumschlagsplätze verbessert. Dies geht aus dem
Jahresbericht 2009 der Stiftung Suchthilfe hervor. Auf Nachfrage
bestätigt deren Leiter, Jürg Niggli, diesen Trend zur
Entspannung im öffentlichen Raum. So hätten die
Randständigen beispielsweise im Kantipark die Ordnungsregeln
vorbildlich beachtet. Ebenso hielten sie sich an die ihnen
"zugewiesenen Plätze". Zudem erhalte er oft positive
Rückmeldungen von Anwohnern, der Polizei und Parkbesuchern, sagt
Jürg Niggli. "Der Park ist besser als sein Image."
Verbote für die Gassenküche
Ganz glatt lief trotzdem nicht alles. 651 Tagesverbote
mussten die Verantwortlichen der Gassenküche 2009 aussprechen, das
sind knapp 100 mehr als noch 2008. Insgesamt hätten 60 Personen
verwarnt werden müssen, 40 davon einmalig, 20 mehrmalig. Wer ein
Tagesverbot kassiert, darf sich während eines Tages nicht in der
Gassenküche aufhalten. Eine solche Massnahme sei dann notwendig,
wenn beispielsweise gedealt oder körperliche und verbale Gewalt
angewendet werde, erklärt Jürg Niggli.
Intoleranz und Übernutzung
Während der Arbeit im letzten Jahr hat Jürg
Niggli zwei Hauptprobleme ausmachen können. So werde die
Bevölkerung einerseits intoleranter gegenüber anders lebenden
Menschen, namentlich den Randständigen. Schaue man objektiv hin,
gebe es auf Stadtgebiet nur wenige "heikle" Orte, an denen Drogen eine
grössere Rolle spielten. Auf Drei Weieren zum Beispiel sei das
Verhalten der Suchthilfe-Klienten nicht auffälliger gewesen als
jenes der anderen Besucher. "Wir müssen aufpassen, dass wir keine
intolerante Stadt werden und alles Andersartige ausgrenzen." Ebenfalls
ein Problem im öffentlichen Raum sei die Tendenz zu dessen
Übernutzung. Die Haltung der Stiftung Suchthilfe zu dieser
Problematik ist klar: "Der extremen Beanspruchung des öffentlichen
Raumes mit all ihren unerwünschten Begleiterscheinungen
dürfen wir nicht tatenlos zusehen."
Mehr öffentliches Engagement
Ein Schritt zur Bekämpfung ebendieser
Überbeanspruchung war, wie schon in den Jahren zuvor, der "Runde
Tisch Brühlgasse". Da wurde gemeinsam mit Betroffenen
beispielsweise über die Lärmbelastung am Wochenende
diskutiert und versucht, Lösungen zu finden.
Während des ganzen Jahres 2009 stand das
öffentliche Engagement im Fokus der Stiftung Suchthilfe. Neben
einem mobilen Infostand zur Alkoholprävention wurde auch ein
Alkoholkonzept entwickelt, um Jugendliche vor Alkoholexzessen zu
schützen.
"Wir möchten unsere Leistung und unsere Angebote
aufrechterhalten", sagt Jürg Niggli zur Frage, welches die Ziele
der Stiftung Suchthilfe für das laufende Jahr seien. Die
Bemühungen bei den Themen Jugendschutz und öffentlicher Raum
sollen ebenfalls weitergeführt werden.
Fast gleich bleibende Zahlen
Die Zahlen für die Heroin- und Methadon-Abgabe haben
sich im Vergleich zu 2008 nicht massgeblich verändert. In der
Medizinisch-sozialen Hilfsstelle (MSH) 1, in der heroinabhängige
Patienten betreut werden, lag die durchschnittliche Belegung bei knapp
96 Prozent, zwei Prozent weniger als im Vorjahr. 68 Klienten befanden
sich dort Ende Jahr in der heroingestützten Behandlung. In der MSH
2, der Hilfsstelle für Klienten in der methadongestützten
Behandlung, wurden 93 Personen betreut. Der Altersdurchschnitt stieg im
Vergleich zum Vorjahr kaum an, er liegt weiterhin bei knapp 41 Jahren.
Die Gassenküche hat 2009 nach langem Rechtsstreit die
offizielle Betriebsbewilligung erhalten. Auf die Zahl der ausgegebenen
Mahlzeiten hatte das keinen Einfluss. Diese ging sogar leicht
zurück. Täglich wurden durchschnittlich 33 Essen abgegeben,
34 waren es noch im Vorjahr.
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NEONAZIS
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Buchtipp 9.6.10
Alexander Nyffenegger
Brauner Sumpf - Bekenntnisse eines Aussteigers
Es ist ein beachtliches Manuskript, was die einstige
Führungskraft der Schweizer Neonaziszene Alexander Nyffenegger
(geboren 1971) dem Greifenverlag zur Veröffentlichung angeboten
hat. Der Rückblick des vor 10 Jahren ausgestiegenen Mannes
vermittelt einen tiefer Einblick in die Wirkungsmechanismen der rechten
Szene.
Nyffenegger über die Beweggründe und zum Inhalt des
Buches: "Ich führe die Leserin und den Leser auf eine Reise voller
persönlicher Eindrücke und Erlebnisse, die mir in meinen etwa
anderthalb Jahren Zugehörigkeit zum Neonazi-Milieu widerfahren
sind. Es spielen dabei entscheidende Situationen in meiner Jugendzeit
genauso eine Rolle wie die Tatsache, dass ich nicht zuletzt im Zuge
meines damaligen Arbeitsplatzes auf eine politische Rechtsaussenpartei
gestossen bin, innerhalb derer ich binnen kurzer Zeit Karriere und en
passant die Bekanntschaft zu den schlimmsten Figuren der Nazi-Szene
machen konnte. Ich schildere unter anderem auch, wie ich besagte
Kleinpartei, die im Jahre 2000 noch über ein Nationalratsmandat
verfügte, sowohl von innen wie aussen völlig umstrukturieren
und radikalisieren wollte, die alten Kaderleute mittel- bis langfristig
durch stramme junge Rechtsextremisten zu ersetzen gedachte und auf
schleichende Art und Weise den Nationalsozialismus hoffähig zu
machen wünschte.
Gleichzeitig gleise ich auf, wie ich mich dabei, auch unter dem
Einfluss meines anhaltenden Kokainkonsums in kriminelle Machenschaften
verstrickte, so etwa Gelder im kleinen Rahmen veruntreute, meine
Pensionskassengelder durch die Bildung einer Scheinfirma flüssig
machen konnte und auf dem Höhe- bzw. Tiefpunkt auf Vorschlag
meines Vorgesetzten in der Partei (!) die Scheinheirat mit einer
ukrainischen Animierdame einging.
Diese stetige Entwicklung nach abwärts führte
schliesslich dazu, dass ich die Parteiarbeit quittierte und zum
krönenden Abschluss meiner rechten Laufbahn für einige Wochen
bei der damals gerade neu gegründeten ‚Partei National
Orientierter Schweizer' PNOS als Pressechef waltete und sogar deren
allererstes Parteiprogramm verfasste.
Irgendwann jedoch kehrte die Vernunft zurück, und ich
musste mich zwischen zwei Möglich-keiten entscheiden: Entweder
würde ich jetzt gerade noch die Kurve kriegen und auf einen Schlag
mein Leben ändern oder meine Zukunft für eine Ideologie auf's
Spiel setzen, die nur den weiteren sozialen Abstieg bedeuten konnte.
Die unterstützenden Gespräche mit Samuel Althof von
der ‚Aktion Kinder des Holocaust' verhalfen mir dazu, die richtige
Entscheidung zu treffen."
Alexander Nyffenegger
Brauner Sumpf - Bekenntnisse eines Aussteigers
Greifenverlag zu Rudolstadt & Berlin
ISBN 978-3-86939-008-6
Ca. 130 Seiten
Preis: 12,90 EUR
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HOMOHASS
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Radio Corax (Halle) 7.6.10
Homophober Moslem - Toleranter Westen
Islamische Staaten geraten durch die Verfolgung "Homosexueller"
immer wieder in den Blickpunkt der Medien. Und wenn sich hierzulande
deklassierte Halbstarke aggressiv gegenüber Schwulen zeigen, fragt
man reflexhaft nach ihrem " kulturellen Hintergrund" . Dabei ist die
klassische türkische und arabische Liebeslyrik voll von
gleichgeschlechtlichen Motiven. Die sucht man hingegen in der Literatur
des "aufgeklärten" Abendlands zumeist vergeblich. Georg Klauda
stellt in seinem Buch "Die Vertreibung aus dem Serail" die Frage nach
dem historischen Anteil des Westens an der Formierung antihomosexueller
Diskurse in der islamischen Welt.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100607-homophoberm-34452.mp3
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DROGEN
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NZZ 8.6.10
Der Schwarze Afghane breitet sich aus
Während die Opiumproduktion am Hindukusch sinkt,
nimmt der Anbau von Cannabis zu
Raul Jordan
Afghanistan ist nicht nur weltweit der grösste
Erzeuger von Opium. Wegen der Bekämpfung des Mohnanbaus ist
Cannabis eine einträgliche Alternative für die
Landbevölkerung.
Laut der Uno-Drogenbehörde (UNODC) bauen afghanische
Farmer auf einer Gesamtfläche von 10 000 bis 24 000 Hektaren
Cannabis an. Aus dem Harz der Pflanzen stellen sie jährlich
zwischen 1500 und 3500 Tonnen Haschisch her. Damit hat Afghanistan
mittlerweile Marokko überholt, das lange Zeit grösster
Erzeuger dieses Rauschmittels war. Laut dem UNODC-Sprecher Walter Kemp
ist Afghanistan so der weltgrösste Produzent gleich zweier
illegaler Drogen geworden: Heroin und Haschisch.
Einseitige Drogenpolitik
In 17 der 34 Provinzen wächst Hanf zur
Drogengewinnung. Während die Opiumproduktion im Norden
zurückgeht und auf den Süden und Südwesten Afghanistans
konzentriert ist, streuen sich die Anbauflächen beim Cannabis
breiter über das Land. Auch in den östlichen Provinzen Paktia
und Kunar etwa oder im Norden in Badakshan gibt es grosse Felder. "Ein
Trend, den wir sehen können, ist die Verlagerung des
Cannabis-Anbaus nach Süden", so Martin Raithelhuber von UNODC.
"Vor drei, vier Jahren wurde noch mehr Cannabis im Norden angebaut.
Jetzt tauchen auch südliche Provinzen wie Kandahar und Helmand
deutlich auf."
Eine Ursache für die Ausbreitung sieht Walter Kemp in
der zu einseitigen Drogenpolitik. Die Aufmerksamkeit sei in Afghanistan
so stark auf das Opium gerichtet, dass sich der Cannabis-Anbau daneben
habe vergrössern können. Viele Bauern reagierten auf das
Vorgehen gegen den Opiumanbau, indem sie stattdessen Cannabis
anpflanzten. "Wir sind beunruhigt, dass wegen des Cannabis Provinzen
auch dann nicht drogenfrei sind, wenn dort kein Opium mehr angebaut
wird", sagt Kemp.
Während spezielle Teams viele Opium-Felder
zerstören, lassen sie die Cannabis-Pflanzungen häufig stehen.
Der Fokus der internationalen Öffentlichkeit spielt dabei eine
nicht zu unterschätzende Rolle. "Die Ausländer stören
sich nicht so sehr am Cannabis-Anbau", behauptet ein Bauer aus
Kandahar. Angesichts der Zerstörung ihrer Mohnfelder fühlen
sich die Bauern bei Cannabis auf der sicheren Seite. Denn den
afghanischen Behörden fehlen auch häufig die Mittel, um des
Problems Herr zu werden. "Solange Opium angebaut wird, hat die
Regierung keine Zeit, sich um Cannabis zu kümmern", so der Bauer.
Lukrativer als Opium
Doch wie lässt sich eine Strategie gegen Cannabis
umsetzen? "Wenn wir die Bauern fragen, die aufgehört haben,
Cannabis zu pflanzen, nennen sie als Grund häufig, dass es
verboten ist", sagt Martin Raithelhuber. "Das gilt aber nur in
Gegenden, wo die Regierung die Kontrolle hat. Und das ist eben der
Norden und der Süden." Doch neben dem geringen Verfolgungsdruck
hat Cannabis auch weitere Vorteile für die Landbevölkerung.
Pro Hektare können mit Cannabis über 3000 Dollar verdient
werden. Beim Opium sind es auf der gleichen Fläche 2000 Dollar.
Während nach Schätzungen etwa 80 Prozent der
Einnahmen aus Opium an Händler, Grossgrundbesitzer, lokale
Machthaber in den Regionen und nach Kabul fliessen, bleibt vom Cannabis
mehr Geld bei den Bauern. Sowohl die Taliban als auch korrupte
Regierungsbeamte kassieren hier weniger mit. Die Bauern sind
unabhängiger, haben mehr Spielraum. "Während es beim Opium
immer wieder Berichte gibt, dass Bauern unter Druck gesetzt werden, das
anzupflanzen, konnten wir beim Cannabis so etwas bisher nicht
feststellen", so Raithelhuber.
Der Handel läuft trotzdem zu grossen Teilen über
dieselben Netzwerke wie beim Opium. Die Händler kommen in die
Dörfer und holen die Drogen direkt beim Bauern. Gegenüber
legalen Produkten ist das ein Vorteil. Für Gemüse zum
Beispiel fehlen in Afghanistan häufig die Vermarktungsstrukturen.
Der Transport ist schwierig, zum Markt müssen die Farmer selber
fahren, manchmal durch unsichere Gegenden. Sie riskieren, an
Checkpoints aufgehalten zu werden, müssen vielleicht zahlen, um
weiterzukommen.
Es ist daher wichtig, die Absatzstrukturen für legale
Produkte besser zu entwickeln. Restriktive Massnahmen wie die
Vernichtung von Feldern reichen nicht, um Cannabis
zurückzudrängen, denn es gibt zu wenig Alternativen. Dabei
ist der Hanf, so Raithelhuber, traditionell in Afghanistan weniger
akzeptiert als Opium. "Obwohl die Suchtgefahr bekannt war, wurde Opium
immer auch als Medizin angesehen. Ausserdem gab es die Haltung: <Das
Opium geht zum grössten Teil in den Westen, das geht uns nichts
an, was die Ungläubigen damit machen.> Cannabis dagegen galt
immer als Droge, die für den Rausch eingenommen wird."
Genügsame Pflanze
Cannabis eignet sich besonders gut für die
afghanische Landwirtschaft. Die Bodenbedingungen sind ähnlich wie
beim Schlafmohn, doch der Cannabis-Anbau ist, so berichtet Christina
Oguz von UNODC in Kabul, noch einfacher als die Kultivierung von
Schlafmohn. Die Pflanze braucht wenig Wasser, wenig Dünger, wenig
Aufmerksamkeit. Sie ist nicht krankheitsanfällig und gedeiht gut
auf den häufig kargen afghanischen Äckern. Bis zu fünf
Meter hohe Cannabis-Gewächse wachsen auf den Feldern. Die Wurzeln
der Pflanzen dringen tiefer in den Grund als bei vergleichbaren
Nutzpflanzen.
Aus diesem Grund wurde Hanf häufig auf ausgelaugten
oder versteppten Böden gepflanzt, um die Erde zu lockern und
gegebenenfalls für den späteren Anbau anspruchsvollerer
Pflanzen wie Getreide vorzubereiten. Und er gedeiht in der wasserarmen
Sommersaison, konkurriert damit nicht mit Weizen, der im Winter
wächst. Die Bauern ernten mehrmals im Jahr. Zwei Hauptprodukte
stellen sie aus Cannabis her: zum einen Marihuana aus den getrockneten
Blättern. Wichtiger für die afghanische Produktion ist jedoch
das zu Platten oder Blöcken gepresste Harz - das Haschisch.
Die Handelsrouten für Haschisch laufen von
Afghanistan nach West- und Zentraleuropa. So taucht auch ein alter
Bekannter aus Hippiezeiten wieder häufiger in Europa auf: der
Schwarze Afghane. Seinen Namen verdankt er dem Harz, das so lange
geknetet und gepresst wird, bis es seine tiefdunkle Farbe erhält.
Etwa 22,5 Millionen Menschen, schätzt die Europäische
Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon,
konsumieren in Europa jährlich Cannabisprodukte. Und auch regional
lohnt sich der Handel. In Afghanistans Nachbarländern Iran,
Usbekistan, Tadschikistan und China steigt die Nachfrage.
Raul Jordan ist Journalist in Hamburg.
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ANTI-ATOM
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Bund 9.6.10
Rot-grüne Kantonsregierung muss Mühleberg
befürworten
Der Grosse Rat will, dass sich der Kanton Bern für
"sein" AKW einsetzt.
Sarah Nowotny
Die bernische Kantonsregierung erhält vom Grossrat
den Auftrag, beim Bund eine befürwortende Stellungnahme zu einem
neuen Atomkraftwerk (AKW) in Mühleberg abzugeben. Ob in der
Schweiz überhaupt ein neues Werk gebaut wird, entscheidet das Volk
erst 2013, bereits nächstes Jahr können Bernerinnen und
Berner aber konsultativ zu "ihrem" AKW Stellung nehmen.
Die Ausgangslage im bürgerlich dominierten Parlament
war schon vor dem Entscheid klar. Dennoch blieben sich
Atomkraftbefürworter und -gegner bei der Diskussion über die
Motion von FDP-Grossrat Peter Flück (Brienz), in welcher der
Auftrag an den Regierungsrat verpackt war, nichts schuldig. "Ich
hätte nicht gedacht, dass ich nach den 1990ern noch einmal eine
AKW-Debatte führen muss", sagte etwa SP-Grossrätin
Irène Marti (Bern). Seit 30 Jahren behaupteten die
bürgerlichen Parteien, die erneuerbaren Energien hätten zu
wenig Potenzial, aber mehr Geld für ihre Förderung werde nie
gesprochen. "Auch die FDP hat keine Freude an AKW, aber in den
nächsten 20 bis 30 Jahren führt einfach nichts daran vorbei",
erklärte hingegen Hans Baumberger (FDP, Langenthal). Neutraler
formulierten es die Grünliberalen, Neulinge im Rat. "Wir
können nicht von heute auf morgen aus der Atomenergie aussteigen,
aber wir sollten heute die Weichen stellen", sagte Jan Flückiger
(Bern).
Schliesslich nahm das Parlament den Vorstoss mit 92 Ja- zu
63 Nein-Stimmen an. "Die Meinungen gehen diametral auseinander",
stellte Energiedirektorin Barbara Egger (SP) fest. - Seite 23
--
Grosser Rat will Mühleberg II - und lanciert den
Abstimmungskampf
Der Grosse Rat ist für ein neues AKW - das Bernervolk
wird vermutlich am 13. Februar 2011 abstimmen.
Simon Thönen
Soll das Kernkraftwerk Mühleberg durch einen neuen,
grösseren Atomreaktor am gleichen Standort ersetzt werden? Mit
dieser Frage kam die Debatte über die Atomenergie, die zwei
Jahrzehnte lang auf kleinem Feuer vor sich hingeköchelt hatte,
gestern im Berner Rathaus in alter Schärfe wieder auf die
politische Agenda.
Atomkraftwerke seien eine Belastung für kommende
Generationen, warnte SP-Grossrat Andreas Hofmann und klagte an: "In den
Geschichtsbüchern werden die Schüler später einmal
lesen, dass die drei Atomparteien im Kanton Bern, die SVP, die FDP und
die BDP, die Schuld tragen." FDP-Grossrat Peter Flück entgegnete:
"Ich möchte nicht in Schulbüchern lesen, dass dieser Grosse
Rat eine Stromlücke forciert hat."
Klare Fronten
Der kantonale FDP-Präsident Flück hatte zusammen
mit Vertretern der SVP, der BDP und der EDU eine Motion eingereicht,
die eine positive Haltung des Kantons Bern zu einem neuen
"Ersatz-Kernkraftwerk" in Mühleberg verlangt. Der im
bürgerlichen Lager breit abgestützte Vorstoss soll die
rot-grüne Kantonsregierung dazu zwingen, dem Bundesrat eine
positive Stellungnahme zum Projekt Mühleberg II zu
übermitteln.
Wie erwartet stimmte das mehrheitlich bürgerliche
Kantonsparlament dem Vorstoss gestern mit 92 gegen 63 Stimmen deutlich
zu. Das bürgerliche Lager stimmte weitgehend geschlossen für
den Mühleberg-Vorstoss. Ein einziges FDP-Mitglied enthielt sich
der Stimme. Nicht weniger geschlossen votierten die rot-grünen
Parteien dagegen. In der Mitte führte die Kernfrage zu einer
Spaltung entlang den Parteigrenzen: Die BDP votierte ebenso geschlossen
für Mühleberg II wie die Grünliberalen dagegen. Einzig
in der EVP verlief die Trennlinie innerhalb der Partei. Eine Minderheit
sprach sich für ein neues AKW aus, wie der EVP-Sprecher und
Solarunternehmer Josef Jenni mit Bedauern bekannt gab.
Angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse im
Grossen Rat wehrte sich die kantonale Energiedirektorin Barbara
Egger-Jenzer (SP) nur kurz gegen den Vorstoss. Einzig den Vorwurf, die
rot-grüne Regierung betreibe eine verantwortungslose
Energiepolitik, wies Egger scharf zurück. "Ist es eine
verantwortungslose Politik, wenn man die Leute nicht mehr diesem Risiko
aussetzen will?", fragte sie rhetorisch zurück.
Fast alle wollen Volk befragen
Breite Einigkeit bestand nur in einem Punkt: Egger hatte
im Namen der Regierung eine obligatorische Volksabstimmung im Kanton
Bern über die Stellungnahme zu Mühleberg II vorgeschlagen.
Dies unterstützten nicht nur die rot-grünen Parteien, sondern
auch die Sprecher von FDP, BDP - und sogar der SVP.
SVP-Fraktionssprecher Peter Brand dürfte mit seiner Opposition
gegen eine Volksabstimmung isoliert dastehen (siehe Interview).
Sogar wenn eine Mehrheit seiner Fraktion Brand
unterstützen sollte, dürften die nötigen 100 Stimmen im
Grossen Rat für eine obligatorische Volksabstimmung problemlos
zusammenkommen. Das Kantonsparlament wird dies im November entscheiden.
Das Bernervolk wird dann am 13. Februar 2011 darüber abstimmen, ob
es ein neues AKW in Mühleberg will.
Obwohl die Berner Volksabstimmung rechtlich unverbindlich
ist, dürfte sie politische Fakten schaffen: Stimmt das Bernervolk
Nein, dann wäre der Standort Mühleberg erledigt. Darüber
hinaus wird die Volksbefragung im grossen AKW-Standortkanton Bern ein
Test für die nationale Atomabstimmung sein, die voraussichtlich
2013 stattfinden wird. Start des Abstimmungskampfs
Die gestrige Ratsdebatte war denn auch bereits das
Vorspiel zum kantonalen Abstimmungskampf. Die beiden Lager werden sich
über die folgenden Themen streiten.
Strom- oder "Investitionslücke": Den heutigen Anteil
der AKW an der Stromproduktion von 40 Prozent könne man nur durch
neue Kernkraftwerke ersetzen, betonten die bürgerlichen Sprecher
unisono. Erneuerbare Energien reichten nicht aus. "Der Strom eines
Solarpanels im Stade de Suisse reicht nach fast zwei Tagen Produktion
für den Lauf eines einzigen ‹Güterzügli› zwischen Basel
und Domodossola", meinte etwa der ehemalige BLS-Direktor und
BDP-Grossrat Mathias Tromp.
"Dass es mit erneuerbaren Energien geht, zeigt mir meine
Arbeitgeberin Swisscom: Sie bezieht ihren Strom nur aus erneuerbaren
Energiequellen", entgegnete SP-Grossrat Patric Bhend. Für den
Grünen-Sprecher Christoph Grimm droht nicht eine Strom-, sondern
eine "Investitionslücke" für umweltfreundliche Energie.
Billiger oder teurer Atomstrom: Die Bürgerlichen
kritisierten die hohen Kosten der erneuerbaren Energien. Das
rot-grüne Lager wies auf die Kostensteigerungen bei neuen AKW hin.
Nutzen für kantonale Wirtschaft:
Die bürgerlichen Motionäre erwarten eine
jährliche Wertschöpfung von 500 Millionen Franken und 1000
Arbeitsplätze von Mühleberg II. Erneuerbare Energien
nützten Gewerbe und auch Randregionen stärker, entgegneten
die AKW-Kritiker.
Risiko vertretbar? "Weshalb braucht es Jod-Tabletten, wenn
AKW so sicher sind?", fragte die Grüne Natalie Imboden.
Diesbezüglich fiel in der gestrigen Debatte auf, dass die
bürgerlichen Sprecher zwar die wirtschaftlichen Vorteile von
Mühleberg II engagiert lobten, die Atomtechnologie an sich jedoch
kaum. "Auch wir von der FDP haben keine Freude an der Kernkraft", sagte
etwa FDP-Grossrat Hans Baumberger. Und EDU-Sprecher Erwin Burn war
sogar grundsätzlich pessimistisch: "Persönlich habe ich meine
Zweifel, ob es jemals wieder gelingt, ein Atomkraftwerk zu bauen."
--
Peter Brand, SVP-Fraktionschef im Grossen Rat
"Volksabstimmung ist keine gute Idee"
Sie sind gegen eine kantonale Volksabstimmung über
ein neues AKW in Mühleberg. Weshalb?
Ich bin zwar überzeugt, dass das Volk für
Mühleberg II stimmen würde. Persönlich halte ich es aber
nicht für eine gute Idee, diese Frage einer Volksabstimmung zu
unterstellen. Denn diese wäre rechtlich nur unverbindlich.
Über Mühleberg II entscheidet das Bundesparlament. Und danach
kann das Schweizer Volk in einer Referendumsabstimmung Ja oder Nein zum
AKW sagen.
Mit dieser Haltung stehen Sie ziemlich alleine da. Sogar
der SVP-Fraktionssprecher hat sich für eine Volksabstimmung
ausgesprochen.
Das war seine persönliche Ansicht. Wir haben die
Frage, ob es eine kantonale Volksabstimmung geben soll, in der
SVP-Fraktion noch nicht diskutiert. Nach meiner Einschätzung sind
die Meinungen dazu geteilt.
Die Regierung will kein Mühleberg II, der Grosse Rat
schon. Da ist das Berner Volk doch der logische Schiedsrichter.
Da haben Sie recht. Aber in dieser Frage kann sich das
Volk ja später ohnehin äussern - einfach auf schweizerischer
Ebene.
Hat ausgerechnet die Volkspartei Angst vor dem Berner Volk?
Das ist überhaupt nicht so. Ich finde aber, dass
Volksentscheide endgültig sein müssen. Eine bloss
konsultative Volksabstimmung ist unverbindlich.
Der Bund könnte sich wohl kaum über das Berner
Volk hinwegsetzen.
Er hat diese Möglichkeit. Vielleicht käme der
Bund zum Schluss, dass es trotz einem allfälligen negativen
Volksentscheid des Berner Volkes ein AKW in Mühleberg braucht. Wir
riskieren wirklich eine gravierende Stromlücke. (st)
--
Neue AKW in der Schweiz
Ein langer und steiniger Weg
Die Energiekonzerne Axpo, BKW und Alpiq haben sich
wenigstens ein Stück weit geeinigt: Sie würden in der Schweiz
zusammen ein neues Atomkraftwerk bauen, sollte es überhaupt jemals
dazu kommen. Hinsichtlich des Standorts sind sie hingegen immer noch
uneins. Nicht einig geworden sind sich auch die drei potenziellen
Standortkantone Bern, Solothurn und Aargau. Sie wollten sich die von
einem neuen Werk zu erwartenden Steuereinnahmen, teilen - der
Steuerdeal scheiterte indes unter anderem daran, dass die Einnahmen
lediglich auf groben Schätzungen basieren. Der nächste
Schritt Richtung AKW besteht nun aus konsultativen Volksabstimmungen in
mehreren Kantonen (siehe auch Text oben). Allerdings reicht dazu in
vielen Fällen kaum die Zeit - eine längere Frist für die
Kantone hat der Bundesrat unlängst abgelehnt. 2012 will das
Departement von Bundesrat Leuenberger entscheiden, wo ein
Energiekonzern zum Zug kommen soll. 2013 kann dann das Schweizer Volk
mitreden, und frühestens 2025 könnte ein neues Werk ans Netz
gehen. (sn)
--
Kommentar
Eine Frage des Willens
Sarah Nowotny
Der Bau des neuen Atomkraftwerks in Mühleberg steht
auch nach dem gestrigen Tag nicht unmittelbar bevor. Der Grosse Rat hat
bloss die rot-grüne Regierung beauftragt, sich - gegen ihren
Willen - im Namen des Kantons beim Bund für Mühleberg
auszusprechen. Dies überrascht nicht. Schon 2006 hatte sich das
Parlament für Atomenergie ausgesprochen und die Regierung
gezwungen, ihre Energiestrategie anzupassen. Dennoch ist der gestrige
Tag wichtig, begann doch auf dem politischen Parkett die heisse Phase
im Ringen um ein AKW im Kanton Bern.
Die Diskussion im Parlament lässt indes im Hinblick
auf kommende Debatten nichts Gutes vermuten, denn es fand keine echte
Konfrontation statt, Argumente wurden nicht aufgenommen. Stattdessen
zählten Atomenergie-Gegner und -Befürworter Studien und
Zeitungsartikel auf, um ihre jeweiligen Thesen zu untermauern. So
erwähnten die Befürworter, dass sich Umweltschützer
gegen jedes neue Wasserkraftwerk wehrten. Die Gegner wiederum zitierten
eine neue nationale Studie, an der sich auch Energie Wasser Bern (EWB)
beteiligt hat. Es brauche in der Schweiz in Zukunft nur erneuerbare
Energien und effiziente Energienutzung, steht darin.
Beide Argumentationslinien klingen für Laien
überzeugend, dies müssten eigentlich auch die Ideologen im
Rat anerkennen. Tatsächlich kann der künftige Strombedarf mit
AKW gedeckt werden - sofern Kosten und Bauzeit nicht aus dem Ruder
laufen, wie es bei verschiedenen Projekten weltweit zurzeit der Fall
ist. Mit grossen Anstrengungen könnte die drohende Stromlücke
aber auch mit erneuerbaren Energien gefüllt werden, mit dem Import
von Windstrom etwa: An den nordeuropäischen Küsten ist dieser
heute schon fast rund um die Uhr verfügbar. Welche Variante
gewählt wird, um unseren Strombedarf künftig zu decken, ist
nun eine Frage des politischen Willens. So oder so werden die
Beschlüsse für Mensch, Natur und Landschaft spürbar sein.
---
BZ 9.6.10
Grosser Rat
Votum für neues AKW
Der bernische Grosse Rat hat sich gestern für den Bau
eines neuen Atomkraftwerks ausgesprochen. Die bürgerliche Mehrheit
überwies mit 92 zu 63 Stimmen bei 1 Enthaltung eine Motion, welche
eine positive Stellungnahme zum Gesuch der BKW Energie AG fordert.
Somit muss die rot-grüne Kantonsregierung das Gesuch gegen ihren
Willen befürworten. Das letzte Wort wird wohl aber das Bernervolk
haben. Und zwar voraussichtlich im Februar 2011.drh
Seite 5
--
Der Grosse Rat ist für neue AKW
Gegen ihren Willen muss die rot-grüne Regierung zum
Gesuch der BKW für ein neues AKW in Mühleberg positiv
Stellung nehmen. So will es der bürgerlich dominierte Grosse Rat.
Das letzte Wort soll aber das Volk haben.
"Der Kanton Bern befürwortet das
Rahmenbewilligungsgesuch für das Ersatzkernkraftwerk
Mühleberg": Diese Forderung brachten SVP, BDP, FDP und EDU gestern
im Grossen Rat locker durch. Die seit den Wahlen vom März klar
bürgerliche Mehrheit überwies die Motion mit 92 zu 63 Stimmen
bei 1 Enthaltung. SVP, BDP, FDP, EDU, CVP und Teile der EVP stimmten
dafür. SP, Grüne, Grünliberale, PSA und die Mehrheit der
EVP lehnten die Motion ab. Als Einziger enthielt sich Hans-Jörg
Pfister (FDP, Zweisimmen) der Stimme. Er ist gegen AKW,
berücksichtigte aber die "Interessen der Partei".
Somit muss der Regierungsrat, dessen rot-grüne
Mehrheit gegen den Bau neuer AKW ist, eine positive Stellungnahme zum
Gesuch der BKW ausarbeiten. Der Bund wird die Kantone gemäss dem
aktuellen Zeitplan im Januar 2011 einladen, zu den drei
Rahmenbewilligungsgesuchen für den Bau neuer AKW in der Schweiz
Stellung zu nehmen. Sie werden dafür drei Monate Zeit haben.
Wohl Ja zu Urnengang
Diese Frist ist knapp. Denn die Regierung möchte die
Stellungnahme dem Volk vorlegen. "Diese Frage ist von so grosser
Tragweite, dass das Volk das letzte Wort haben soll", sagte
Energiedirektorin Barbara Egger (SP). Ob der Grosse Rat das auch so
will, wird er im November entscheiden. Gestern sprachen sich alle
Fraktionen dafür aus.
Die Regierung wird jetzt eine positive Stellungnahme
vorbereiten. Darüber und über den Antrag der Regierung auf
Volksabstimmung wird der Grosse Rat in der Novembersession befinden.
Die kantonale Volksabstimmung würde am 13.Februar 2011 stattfinden.
Diese hätte rein formal zwar nur konsultativen
Charakter und wäre für den Bund nicht bindend. Denn es ginge
nur um eine Stellungnahme und nicht um einen Entscheid wie in der
späteren nationalen Abstimmung. Weil es sich bei Bern aber um
einen möglichen Standortkanton handelt, käme der Abstimmung
wegweisende Bedeutung zu. Der abgetretene BDP-Regierungsrat und neue
BKW-Präsident Urs Gasche sagte kürzlich, dass Mühleberg
bei einem Nein "wohl ziemlich chancenlos" wäre.
Die bekannten Argumente
Neue Argumente gab es gestern in der fast
zweistündigen Debatte nicht zu hören. Die AKW-Gegner
verwiesen insbesondere auf die atomaren und finanziellen Risiken von
Atomkraftwerken. Keine Versicherung sei bereit, diese Risiken zu
versichern, argumentierten SP, Grüne und Grünliberale. Daher
sei klar, dass neue AKW ohne staatliche Gelder nicht finanzierbar
seien. Das erinnere an die Grossbanken, die im Schadensfall eine
faktische Staatsgarantie genössen. Die Atomkraftgegner
befürchten zudem, dass die für den Bau neuer AKW notwendigen
Milliarden fehlen würden für die Förderung der
erneuerbaren Energien.
Die AKW-Befürworter warnten vor allem vor der
drohenden "Stromlücke". Es sei unverantwortlich, einen
Stromversorgungsengpass zu riskieren. Die atomaren Risiken negiere
niemand, sagten die Bürgerlichen. Aber neue AKW seien ein
notwendiges Übel, weil kurz- und mittelfristig keine
genügenden Alternativen in Sicht seien, die den Wegfall des
Atomstroms rechtzeitig kompensieren könnten.
Dominic Ramel
--
O-Ton
"Nicht nur bei der Atomenergie gibt es Risiken, sondern
zum Beispiel auch bei den Staumauern."
Erwin Burn (EDU, Adelboden)
"Beim Super-GAU im Golf von Mexiko gelingt es nicht, das
Ölbohrloch zu stopfen. Wie würden wir uns bei einem atomaren
Super-GAU verhalten?"
Christoph Grimm (Grüne, Burgdorf)
"Ein AKW bleibt immer ein Risiko. Aber dieses müssen
wir heute nicht mehr eingehen, es gibt Alternativen."
Nadine Masshardt (SP,
Langenthal)
"Es ist unverantwortlich, nachfolgenden Generationen einen
strahlenden Atomabfallberg zu hinterlassen."
Jan Flückiger (GLP, Bern)
"Auch wir haben keine Freude an der Atomkraft. Aber es
führt kurzfristig kein Weg daran vorbei."
Hans Baumberger (FDP, Langenthal)
"Wenn neue Kernkraftwerke gebaut werden, soll eines im
Kanton Bern stehen. Das Risiko wäre nicht kleiner, wenn es im
Aargau stünde."
Peter Flück (FDP, Brienz)
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Langenthaler Tagblatt 9.6.10
"Jede Technik hat Risiken"
Kernkraftwerk Kanton muss sich für neues
Atomkraftwerk in Mühleberg aussprechen
Gestern stellte der Grosse Rat die Ampel
"Ersatz-Kernkraftwerk Mühleberg" auf Grün: Er beauftragte den
Regierungsrat, sich positiv zum Rahmenbewilligungsgesuch der BKW zu
äussern. Doch das letzte Wort werden die Berner Stimmbürger
am 13.Februar 2011 haben.
Bruno Utz
Die von Peter Flück (FDP/Brienz) und vier
Mitvorstössern von SVP, BDP und EDU eingereichte Motion "Der
Kanton Bern befürwortet das Rahmenbewilligungsgesuch für das
Ersatz-Kernkraftwerk Mühleberg" löste einmal mehr eine
Grundsatzdebatte zur Energiezukunft aus. Diese fasste Adrian
Kneubühler (FDP/Nidau) nach mehr als zwei Stunden so zusammen:
"Erneut wurden vor allem Glaubensbekenntnisse aufgetischt. Ich mache
mir Sorgen, wenn die Energiediskussion in dieser Art weitergeht."
Die Befürworter eines neuen Kernkraftwerkes auf
Berner Boden argumentierten vor allem mit der Versorgungssicherheit.
Peter Flück: "Ein neues Atomkraftwerk leistet einen sehr grossen
Beitrag dazu." Wenn schon ein neues KKW nötig sei, dann müsse
dieses im Kanton Bern stehen. "Bezüglich des Risikos besteht keine
grosser Unterschied ob das neue Grosskraftwerk in Mühleberg steht
oder im Kanton Aargau." Flück hob auch die "grosse
volkswirtschaftliche Bedeutung" eines neuen KKW hervor. Mit mehr oder
weniger denselben Argumenten fochten die Mitmotionäre Fritz
Freiburghaus (SVP/Rosshäusern) und Erwin Burn (EDU/Adelboden). Sie
mahnten, dass der anzustrebende und zu fördernde Ersatz fossiler
Energien unweigerlich zu einer grösseren Nachfrage von Strom
führe. Der langjährige BLS-Direktor Mathias Tromp (BDP/Bern)
ergänzte an die Adresse der öV-Lobby im Rat, "die von den SBB
bestellten neuen IC-Doppelstockwagen benötigen tatsächlich
wesentlich weniger Strom. Doch der Mehrverkehr und die
Komfortsteigerung fressen den Vorteil rasch wieder auf." Die
Befürworter eines neuen KKWs sprachen sich zur Förderung der
erneuerbaren Energien und für mehr Energieeffizienz aus. Doch
diese müsse parallel zum Atomstrom geschehen. Sonst werde die
aufgezeigte Stromlücke Realität.
Regionale Wertschöpfung
Die KKW-Gegner strichen die "höhere regionale
Wertschöpfung und die grosse Zahl zusätzlicher
Arbeitsplätze im Kanton heraus", welche mit der Förderung der
erneuerbaren Energien verbunden seien, so etwa Nadine Masshardt
(SP/Langenthal). Christoph Grimm (Grüne/Burgdorf) erinnerte an die
immer noch fehlende Lösung für ein Atomabfall-Endlager: "Die
Motion ist verantwortungslos und nicht nachhaltig." Jan Flückiger
(glp/Bern) mahnte, "keine Versicherung ist bereit, ein AKW-Risiko zu
versichern." Werde in die "veraltete Atomtechnologie investiert, so
blockiere das die Investitionen in erneuerbare Energien auf viele Jahre
hinaus. Energiedirektorin Barbara Egger (SP) betonte, wie sich der
Grosse Rat auch entscheide, aus Sicht des Regierungsrates müsse
die Standortfrage unbedingt vors Volk. "Das ist unsere demokratische
Pflicht."
Die Abstimmung nach mehr als zwei Stunden Diskussion ergab
ein Ja zur Motion mit 92 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung. SVP, BDP,
FDP und EDU sowie drei EVP-Räte hatten sich dafür
ausgesprochen, SP, Grüne, glp geschlossen dagegen. Demnach wird
der Regierungsrat dem Parlament im November eine Stellungnahme zuhanden
des Bundes vorlegen, die den Ersatz von "Mühleberg"
befürwortet. Diese soll der Grosse Rat gemäss Antrag der
Regierung dem obligatorischen Referendum unterstellen. Angesichts der
gestern im Parlament gehörte Voten, wird dieses dem Antrag mit
Bestimmtheit Folge leisten. Um die vom Bundesrat den Kantonen
eingeräumte Anhörungsfrist einhalten zu können,
kündigte Egger die Volksabstimmung am 13. Februar 2011 an. Egger:
"Dieser Volksentscheid wird für den Kanton Bern verbindlich sein."
--
Näf will 400 Windturbinen
Bis 2015 soll sich die BKW an mindestens 400 Windturbinen
im In- und Ausland beteiligen oder langfristige
Windstrom-Bezugsverträge von gleichwertigem Umfang er-werben.
Dieses Begehren wollte Roland Näf (SP/Muri) per Motion
durchsetzen. Zu Näfs Forderungskatalog gehörte auch eine von
der BKW zu leistende kostendeckende Einspeisevergütung für
Strom von 40000 Solardächern im Kanton Bern. Das Geld dafür
solle sich die BKW durch die Verrechnung eines Stromrappens pro
verkaufter Kilowattstunde Atomstrom beschaffen. Für einen
Achtungserfolg reichte es Roland Näf, zu mehr aber nicht: Die
einzelnen Punkte wies das Parlament im Verhältnis von rund 45 zu
55 Prozent zurück. In seiner schriftlichen Antwort hatte bereits
der Regierungsrat auf die fehlende gesetzliche Grundlage zur
Durchsetzung der Forderungen hingewiesen. Die Gegner reklamierten, es
gehe nicht an, in die Unternehmensstrategie der BKW einzugreifen. Die
Befürworter strichen die Aktienmehrheit des Kantons an der BKW als
Eingriffsmöglichkeit hervor. (uz)
---
Oltner Tagblatt 9.6.10
"Wir brauchen keine Task Force"
Anti-AKW-Demos Der Solothurner Regierungsrat sieht keine
Notwendigkeit für die Schaffung von Sonderstäben
Auf die Demonstration "MenschenStrom gegen Atom" vom
Pfingstmontag war die Solothurner Polizei vorbereitet. Auch im Blick
auf künftige Auseinandersetzungen um ein zweites Kernkraftwerk im
Niederamt hält der Regierungsrat die Sicherheitsstrukturen
für ausreichend.
Was unternimmt der Regierungsrat zur Gewährleistung
der Sicherheit bei künftigen Auseinandersetzungen um ein zweites
Kernkraftwerk im Niederamt? Und wer trägt die Kosten bei solchen
Ereignissen? Diese Fragen stellte Kantonsrat Daniel Mackuth (CVP,
Trimbach) zwei Wochen vor dem "MenschenStrom gegen Atom" mit einer
Interpellation. Der Kantonsrat lehnte damals eine dringliche Behandlung
ab. Gestern hat der Regierungsrat die Fragen beantwortet.
"Auf die am Pfingstmontag durchgeführte Demonstration
hat sich die Polizei Kanton Solothurn adäquat vorbereitet und die
gewählte Taktik hat sich bewährt; bekanntlich verlief der
Anlass friedlich", kann die Regierung nun melden.
Normale Haftungsregeln
Was die Kosten von Polizei, Feuerwehr, Sanität oder
von allfälligen Personen- und Sachschäden betrifft, so seien
diese bei einem Strafverfahren grundsätzlich von den Verurteilten
zu tragen. Wo kein Straftatbestand erfüllt sei, könnte
Schadenersatz auf dem Zivilweg eingeklagt werden. Die Regierung
verweist darauf, dass im Zusammenhang mit Demonstrationen die
allgemeinen Haftungsregeln gemäss Obligationenrecht gelten: "Der
Umstand, an einer Kundgebung teilgenommen zu haben, genügt demnach
nicht, um einem Teilnehmer Kosten aufzuerlegen." Dies würde die
Versammlungsfreiheit verletzen.
Auf die Frage, ob eine künftige Standortgemeinde an
den Kosten beteiligt werden könnte, lässt sich die Regierung
nicht ein: Solche Punkte seien Gegenstand der Bau- und
Betriebsbewilligung künftiger Kernkraftwerke.
Die Solothurner Regierung zeigt sich in der Antwort
überzeugt, dass mit dem Polizeikonkordat der Nordwestschweiz und
der Möglichkeit zu interkantonalen Polizeieinsätzen die
nötigen Optionen zur Bewältigung von Grossveranstaltungen mit
möglichen gewalttätigen Auseinandersetzungen vorhanden seien.
Soweit sie derzeit voraussehbar seien, liessen sich solche Anlässe
mit den ordentlichen Strukturen bewältigen. Eine Vorbereitung mit
Sonderstäben werde der derzeitigen Ausgangslage nicht gerecht: "Es
bedarf keiner <Task Force>", schreibt der Regierungsrat in seiner
Antwort auf die Interpellation.
Bei der Demo vom Pfingstmontag hätten sich die
Absprachen mit den Gemeindebehörden bewährt, "was zum
problemlosen Ablauf beigetragen hat", wie der Regierungsrat
festhält. (cva)
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Schaffhauser Nachrichten 9.6.10
"Gefragt sind jetzt kühle Köpfe für diese heisse
Fracht"
Die Endlagerung von Atommüll lässt viele Fragen
offen. Diese sind am Montag an einer Veranstaltung in Schaffhausen
diskutiert worden.
Von Erwin Künzi
Gleich zwei Standorte - der Südranden und Benken -
sollen in der Region Schaffhausen für die Lagerung von
radioaktiven Abfällen geeignet sein, meint die Nationale
Genossenschaft für die Lagerung von radioaktiven Abfällen
(Nagra). Doch diese Meinung ist stark umstritten, wie am Montagabend
der Aufmarsch im Hombergerhaus in Schaffhausen zeigte: Klar!
Schaffhausen, die IG Lebensraum Klettgau sowie die Schweizerische
Energiestiftung (SES) hatten unter dem Titel "Atommüll XY
ungelöst - offene Fragen und Risiken" zu einer
Informationsveranstaltung eingeladen. Im Mittelpunkt stand ein Referat
von Sabine von Stockar, Umweltnaturwissenschaftlerin und
Projektleiterin "Atom und Strom" bei der SES. Sie nahm das
Entsorgungskonzept der Nagra kritisch unter die Lupe. Entsorgt werden
müssen 100000 m3 radioaktives Material, das nach dem Ende der
Laufzeit der fünf Schweizer Atomkraftwerke anfällt. Laut
Nagra soll der Abfall in Fässer verpackt und dann, geschützt
vom Opalinuston, in rund 400 Metern Tiefe gelagert werden. Mit diesem
Vorgehen, so der Bundesrat, sei der Entsorgungsnachweis erbracht.
Stimmt nicht, erklärte von Stockar da verschiedene
Probleme nicht gelöst seien: Wie wirkt sich das Tiefenlager auf
die Geologie aus? Welches Material soll für die Behälter
gewählt werden? Was geschieht mit der Abwärme?- Wie genau
soll das unterirdische Lager aussehen? Die Herausforderung ist
gewaltig: Eine Million Jahre lang sollen Mensch und Umwelt vor dem
giftigen Material geschützt werden. "Das ist nicht plan- und
beherrschbar", meinte von Stockar. Im Laufe der Tausende von Jahren
könnte vieles geschehen: Das Lager könnte per Zufall
angebohrt werden, die Radioaktivität könnte an die
Oberfläche dringen, eine neue Eiszeit könnte das Lager
zerstören. Die Suche nach einem Standort mache heute keinen Sinn,
da noch zu viele Fragen offen und nicht alle möglichen Standorte
gleich gut erforscht seien, so von Stockar~ und "die Gefahren werden
verharmlost, da die Politik unter Druck ist, Lösungen zu finden".
Zum Schluss forderte von Stockar Folgendes: Der Abfall muss
rückholbar~ die Forschung über die Lagerung unabhängig
und die Finanzierung gesichert sein.
Aus regionaler Sicht nahmen Stadtpräsident Thomas
Feurer und Regierungspräsident Erhard Meister Stellung. Feurer
kritisierte das Partizipationsverfahren für die Gemeinden, bei
denen es lediglich um Bauten an der Oberfläche gehe, und forderte:
"Gefragt sind jetzt kühle Köpfe für die heisse Fracht."
Meister verwies auf die sozio-ökonomische Studie, die die
Regierung in Auftrag gegeben hatte und die die negativen Effekte
für die Region im Falle eines Endlagerbaus aufzeigt. Wenig
anfangen konnte Meister mit der Kritik aus Bern am Vorgehen der
Regierung: "Wir haben das gleiche Recht zu informieren wie die Nagra."
In der Diskussion, an der sich auch Vertreter der Nagra und des
Bundesamtes für Energie beteiligten, war vor allem die Frage der
Endlagerung des Atommülls im Ausland ein Thema. Den Schlusspunkt
der Veranstaltung setzte die Slam-Poetin Lara Stoll, die sich einen
Text zum Thema hatte einfallen lassen und damit viel Applaus erntete.
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Frankfurter Allgemeine 9.6.10
Trügerische Ruhe in Gorleben
Der Widerstand der Wendländer gegen die Einlagerung
von Atommüll in Gorleben geht über dumpfe Ablehnung hinaus.
Von Robert von Lucius
GORLEBEN/DANNENBERG, im Juni.
In einem halben Jahr werden in Gorleben wieder viele
Hundertschaften Polizei die Straßen zwischen dem Verladebahnhof
in Dannenberg und dem Atommülllager in Gorleben sperren. Ihnen
gegenüber werden mehrere tausend Demonstranten, die meisten
friedlich, versuchen, sie zu überlisten und den Transport der
Castoi-Behälter zu verzögern. Derzeit ist der Verladebahnhof
ebenso abgesperrt und menschenleer wie die in der Nähe
aufeinandergestapelten grauen Großcontainer, die den Polizisten
als Unterkünfte dienen. Benutzt werden sie nur wenige Tage im Jahr
- die aber kosten Niedersachsen jeweils geschätzte 25 Millionen
Euro. Im November 2008 standen sich auf dem Weg nach Gorleben jeweils
um die 15 000 Demonstranten und Polizisten gegenüber. Nun aber
kleben statt der Plakate mit dem X, dem Signum des Widerstandes,
Einladungen zu Abi-Feiern oder zu Kunstausstellungen in Hofgalerien an
den Wänden.
Vom Ausnahmezustand ist im Wendland wenig zu spüren,
wenn man die gereizte Tonlage mancher Bewohner überhört.
Schon jetzt aber kündigt sich an, dass die
Demonstrationen gegen den Castor-Transport in diesem November noch
größer und heftiger ausfallen werden als sonst - nicht nur,
weil der Transport im Vorjahr ausfiel.
Die im März verkündete Wiederaufnahme der
Erkundung des Salzstocks und der Ende April einberufene
Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestag haben den Streit
über die Atomenergie auch außerhalb des Wendlandes neu
entfacht. Zudem wird neuerdings auf dem Gelände des
Atommüllzwischenlagers eine Anlage geplant, in der schwach- und
mittelradioaktiver Müll für den Transport ins Endlager
Schacht Konrad verpackt werden soll. Sollte die
Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke im Herbst beschlossen
werden, würde das alles zusammen für einen unruhigen Herbst
sorgen - nicht nur, aber vor allem im nordöstlichen Winkel
Niedersachsens.
Das Wendland - benannt nach der westlichsten Ansiedlung
eines slawischen Stammes - und seine rund hunderttausend Einwohner
haben eine einzigartige Bürgerbewegung hervorgebracht. Langlebiger
als die Friedensbewegung oder die Proteste gegen Atomanlagen in
Brokdorf, Kalkar oder Wackersdorf wird sie seit 35 Jahren von einer
ländlich wertekonservativen Bevölkerung getragen. Tonangebend
sind Bauern, Waldbesitzer, Arzte, Künstler, Lehrer.
Sichtbar wird das nicht zuletzt an den Treckerzügen
der Landwirte. Das Wendland war traditionell CDU-Stammland, drei
Viertel der Bevölkerung hatten diese gewählt.
So bunt wie ihre Basis sind auch die Formen, die ihr
Protest angenommen hat. Mal lud der größte
Landbesitzer der Region, Andreas Graf von Bernstorff, zur Jagd in ein
Revier neben der Transportstrecke des anrollenden Zugs, und die Polizei
wagte nicht einzuschreiten. Mal fällte er Kiefern in seinem Wald,
die kurz vor dem Transport auf die Landstraße fielen.
Die nächste Bernstorff-Generation ist entschlossen,
diese Familientradition fortzusetzen. Das bekundet jedenfalls ein Sohn
des Grafen, Fried, bei einem Gang durch den Wald von Gartow. Dass der
Landkreis Lüchow-Dannenberg Modellbeispiel ist für
regenerative Energienutzung, sei "eine ganz tolle Sache", sagt Andreas
Graf von Bernstorff - das habe sehr viel mit Gorleben zu tun. So ist
der nach dem Zwischenlager größte Arbeitgeber in Gorleben
ein Familienbetrieb, der energieeffiziente Blockheizkraftwerke zur
Verstromung von Biogas baut.
Auch die Familie Bernstorff betreibt eine Biogasanlage
für nachwachsende Rohstoffe, vor allem Silomais, der im
Faulbehälter vergoren wird. Bei der Erzeugung von Biogas ist
Niedersachsen führend und entschlossen, diesen Vorsprung
auszubauen, so die neue Landwirtschaftsministerin Astrid
Grotelüschen (CDU). 4,5 Prozent des Stroms wird im Land durch
Biogas erzeugt - im Bundesgebiet sind es nur 1,5 Prozent. Im
Wendland-Elbetal liegt der Anteil schon bei 8,5 Prozent und damit fast
so hoch wie der Stromanteil aus der Windenergie - eine Spitzenstellung
in Deutschland. Damit wollen die Bewohner zeigen, dass es zumindest
mittelfristig auch anders geht als mit Atomenergie. Zudem soll damit
demonstriert werden, dass es nicht nur um Protest gehe, sondern auch um
einen anderen Umgang mit Energie und der Umweit.
Die vor vier Jahren eröffnete erste Biogastankstelle
Deutschlands mit Biomethan in Jameln südlich von Dannenberg
stößt bereits an ihre Kapazitätsgrenzen.
Zweihundert Autobesitzer nutzen sie regelmäßig.
An manchen Nachmittagen komme es schon zu Stauungen vor der Tankstelle,
berichtet der Betreiber Hans-Volker Marklewitz, der auch die
örtliche Raiffeisengenossenschaft leitet. Der Anteil von
Neuzulassungen von Erdgasfahrzeugen liege im "Projektgebiet" tausendmal
so hoch wie im übrigen Bundesgebiet. Solange die Steuerfreiheit
für Biogas bleibe, bringe der Betrieb von Erdgasfahrzeugen
deutliche Kostenvorteile. Ein Kilogramm Biogas kostet in Jameln 92,9
Cent und bringt mehr Fahrleistung als die entsprechende Menge Benzin.
Beim Biodiesel hatte der damalige Bundesfinanzminister Peer
Steinbrück vor knapp vier Jahren "über Nacht" die
Steuerbefreiung aufgehoben und damit das Ende der meisten
Biodieselzapfsäulen eingeleitet. Marklewitz befürchtet, dass
es auch bei Bio- und Erdgas einmal so kommen könne, sobald sich
diese durchgesetzt haben. Das verleitet auch einen
bodenständig-gediegenen Geschäftsführer wie Marklewitz
zu dem Satz, Politiker seien "mittlerweile alles Strolche".
Schon sinnen die Wendländer auf eine neue List: Eine
zweite Tankstelle mit einer Biogaszapfsäule wird im Herbst in
Betrieb gehen. Sie liegt direkt neben der Verladestation in Dannenberg,
dem sensibelsten Ort beim Castor-Transport. Dort laden Kräne die
Castorbehälter von der Bahn auf Lastwagen für die letzte
Strecke bis Gorleben um. Die Anlage zur Herstellung des Biogases liegt
wenige hundert Meter entfernt auf der anderen Seite der Bahnstrecke -
auf halbem Weg zwischen dem Verladebahnhof und den Polizeicontainern.
So wird die zweite Biogaszapfsäule Deutschlands mit dem Motto "vom
Acker in den Tank" wenige Wochen nach ihrer Inbetriebnahme die
bestbewachte Zapfsäule der Nation sein - eine bessere Werbung kann
sich Biogas für Autos kaum vorstellen, zumal im November jeder
Fotograf und jeder Journalist auf Besuch im Wendland an dieser
Tankstelle Halt einlegt.
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20 Minuten 8.6.10
Studie: Schweiz fährt ohne AKW wirtschaftlich besser
ZÜRICH. Die Schweiz kann ihren Energiebedarf laut
einer Studie ohne neue AKW decken. Sie würde volkswirtschaftlich
sogar besser dastehen.
Die Energiebranche warnt immer wieder vor einer
Stromlücke. Der Hintergrund: Die Bewilligungen der AKW Beznau und
Mühleberg laufen aus; die Stromlobby will sie ersetzen.
Swisselectric, der Verband der grossen Stromunternehmen, geht davon
aus, dass im Jahr 2035 gegen 30 Terawattstunden Strom fehlen werden.
Nun zeigt eine neue Studie von Umweltorganisationen und drei
Städten: Dieser Energiebedarf lässt sich auch mit
erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft sowie sparsamen
Geräten erreichen. Der Wechsel hin zu mehr erneuerbaren Energien
ist laut Studie aber mit Investitionen von 65 Milliarden Franken
verbunden, neue AKW kosten hingegen nur 39 Milliarden. Trotzdem: "Auf
Alternativenergien zu setzen, ist volkswirtschaftlich sinnvoller", so
Studienautor Rolf Iten. Weil von den Investitionen hauptsächlich
Schweizer KMU profitierten, sei mit 60 Prozent mehr Arbeitsplätzen
zu rechnen. Auch Hans-Peter Fricker, CEO WWF Schweiz, sieht Atomstrom
als ökonomische Sackgasse. "Berücksichtigt man alle
volkswirtschaftlichen Kosten, macht die Schweiz mit neuen AKW Verluste.
Mit dem Alternativenergie-Szenario stehen wir hingegen per Saldo 12
Milliarden Franken besser da." Für den Konsumenten bliebe ein
Systemwechsel indes nicht ohne Folgen: Der Strom dürfte wegen
Lenkungsabgaben doppelt so teuer werden.
Kritisiert wird die Studie von der Aktion für
vernünftige Energiepolitik: Es sei ein Irrtum zu glauben, dass der
Ausstieg aus der Kernenergie ohne Probleme möglich sei. Beat Moser
von Swisselectric sagt: "Massnahmen der Energieeffizienz führen in
der Regel zu einem höheren Stromverbrauch." Sandro spaeth
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BZ 8.6.10
Energiepolitik
Studie gegen AKW
Das Stadtberner Energieunternehmen EWB hat zusammen mit
Umweltverbänden eine Energiestudie mitfinanziert.
Die Schweiz soll zur Sicherung ihres Strombedarfs auf
erneuerbare Energien und Stromeffizienz setzen. Das sei sicherer,
umweltverträglicher und auch wirtschaftlicher als der Bau neuer
Atomkraftwerke, heisst es in einer neuen Studie. In Auftrag gegeben
haben diese die Kantone Basel-Stadt und Genf gemeinsam mit
Umweltorganisationen. Mit von der Partie war auch das Stadtberner
Energieunternehmen EWB, das über seinen Ökofonds ein
Fünftel der Kosten getragen hat.
Um die sich ab dem Jahr 2035 abzeichnende Stromlücke
zu vermeiden, schlagen die Autoren vor, den Stromverbrauch
gegenüber heute zu senken - mit mehr Effizienz. sny/hpg
Seite 7
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Energiepolitik
Stadtwerke suchen Weg ohne Atom
Die Energieunternehmen, die im Besitz der Städte
sind, gehen im Poker um die künftigen Grosskraftwerke in Stellung.
Neben den Umweltverbänden hat die Stadt Bern
über ihr Energieunternehmen EWB die Erarbeitung der gestern
veröffentlichten Energiestudie unterstützt. Mit dabei waren
auch die Kantone Basel-Stadt und Genf. Zudem war das
Elektrizitätsunternehmen der Stadt Zürich in der
Begleitgruppe vertreten.
Dieses Engagement kommt nicht von ungefähr:
Links-grün regierte Städte und Kantone wollen im Poker um den
Bau von Atom- und allenfalls Gaskraftwerken ihre Argumente früh in
die Diskussion einbringen. Aber auch mit Taten zeigen, dass es ohne
Atomstrom geht.
EWB zahlte ein Fünftel
Das Stadtberner Energieunternehmen EWB hat als einer von
fünf Partnern aus seinem Ökofonds 20 Prozent der Kosten
für die Studie bezahlt. Den genauen Betrag will EWB-Chef Daniel
Schafer nicht nennen. Es handle sich um mehrere Zehntausend Franken,
lässt er sich bloss entlocken. In den Ökofonds fliessen 10
Prozent des Gewinnanteils, den EWB an die Stadt Bern ausschüttet.
Für das Jahr 2009 sind dies vier Millionen Franken. Damit werden
erneuerbare Energien und Energieeffizienz in der Stadt Bern
gefördert.
Das Engagement von EWB hat einen strategischen
Hintergrund: Die Stadt hat ihrem Energieunternehmen die Auflage
gemacht, bis ins Jahr 2039 ohne Atomstrom auszukommen. Heute stammen 44
Prozent des Stroms, den EWB produziert, von AKW.
Die Studie ist für EWB-Chef Schafer eine
"Möglichkeit, unser Szenario mit den Überlegungen, die auf
nationaler Ebene angestellt werden", in Einklang zu bringen. Die Studie
zeige auf, dass es sehr wohl möglich sei, einen Weg zu
beschreiten, der nicht auf AKW basiere. Bei der Frage, ob man ganz auf
Grosskraftwerke werde verzichten können, werde es entscheidend
sein, wie man die Geothermie werde nutzen können.
Da viele Stadtwerke oder Kantone ähnliche Ziele
verfolgen wie das Stadtberner Energieunternehmen, ist im Jura bereits
ein Kampf um die besten Standorte für Windparks entbrannt (wir
berichteten). EWB hat daraus die Konsequenzen gezogen: Den Grossteil
des zusätzlichen Strombedarfs will das Stadtwerk mit neuen
erneuerbaren Quellen im Ausland decken.
sny
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Landbote 8.6.10
Mehr Stromeffizienz statt AKWs
Hanspeter Guggenbühl
Eine Stromversorgung, die auf Effizienz und erneuerbare
Energie baut, ist wirtschaftlicher als der Bau von neuen AKWs. Das
zeigt eine von Umweltverbänden und Städten bezahlte Studie.
BERN - "Wenn die Schweiz zur Stromversorgung bis 2035 in
Stromeffizienz und erneuerbare Energie investiert, fährt sie
wirtschaftlich deutlich besser als mit neuen Atomkraftwerken." Mit
diesem Satz fassen die Auftraggeber das Fazit der gestern
veröffentlichten Studie "Stromeffizienz und erneuerbare Energien"
zusammen. Auftraggeber sind die Schweizer Umweltverbände, die
antinuklearen Stadtkantone Basel und Genf sowie die Stadt Bern, und
ihre Nennung ist wichtig. Hätte die Stromwirtschaft die
Vergleichsstudie bezahlt, wäre das Ergebnis wohl umgekehrt
herausgekommen. Denn das Resultat eines Szenarios hängt immer von
den Annahmen ab.
Szenario der Stromlobby
Basis für den Vergleich bildet die 2007
veröffentlichte Strategie des Stromverbandes Swisselectric.
Demnach steigt der Strombedarf von 2005 bis 2035 um 15 Milliarden
Kilowattstunden oder um 25 Prozent. Im gleichen Zeitraum sinkt das
Angebot, weil alte Atomkraftwerke stillgelegt werden. Bis 2035
öffnet sich damit eine Versorgungslücke von 30 Milliarden
Kilowattstunden pro Jahr. Diese will Swisselectric mit zwei neuen AKWs,
etwas Gaskraft sowie neuen erneuerbaren Energien stopfen. Den
Investitionsbedarf bezifferte sie auf maximal 24 Milliarden Franken
(exklusive Netzausbau und Pumpspeicherkraftwerke).
Die Studie der Umweltverbände und Städte
übernimmt die prophezeite Stromlücke. Die Kosten für
neue AKWs korrigieren die Autoren aber nach oben. Damit steigt der
Investitionsbedarf für das Swisselectricszenario von 24 auf 44
Milliarden Franken. Das ist mit ein Grund, dass dieses Atomszenario
wirtschaftlich schlechter abschneidet.
Szenario der Umweltlobby
Das Szenario der Umweltlobby verzichtet auf neue
Grosskraftwerke. Um die Stromlücke von 30 Milliarden
Kilowattstunden zu schliessen, sollen 19 Milliarden durch
zusätzliche Steigerung der Stromeffizienz eingespart werden. Statt
zu steigen würde damit der Strombedarf bis 2035 um sechs Prozent
sinken. Die verbleibende Lücke von 11 Milliarden Kilowattstunden
wird durch die zusätzliche Verstromung von erneuerbaren Energien
gedeckt, vor allem mit Solarkraft im Inland oder Windkraft im Ausland.
Die Investitionen für das Szenario "Effizienz und
erneuerbare Energien" beziffert die neue Studie auf 57 bis 65
Milliarden Franken. Beim unteren Betrag wird ein Teil des erneuerbaren
Stroms im Ausland erzeugt. Das Alternativszenario erfordert also mehr
Investitionen als das - auf 44 Milliarden Franken nach oben korrigierte
- Szenario der Swisselectric. Trotzdem ist es laut Studie
wirtschaftlicher. Hauptgrund: Die durch Effizienzsteigerung
eingesparten Stromkosten fallen stärker ins Gewicht als die
höheren Investitionen. Zudem bringt das investitionsintensivere
grüne Szenario mehr Arbeitsplätze, mehr nationales
Wirtschaftswachstum und wird von den Autoren obendrein als
risikoärmer und umweltfreundlicher beurteilt.
Optimistische Annahmen
Von 1990 bis 2009 stieg der Stromverbrauch um 23 Prozent,
während der Anteil des Stroms aus Solar- und Windkraft unter einem
Promille blieb. Um das Szenario der Umweltlobby zu erfüllen,
braucht es also eine radikale Trendwende. Dazu setzt dieses Szenario
unter anderem Folgendes voraus:
• Die Verbrauchsnormen für elektrische Geräte
und Anlagen werden massiv verschärft. Massstab dafür ist die
beste verfügbare Technik.
• Auf Elektrizität wird eine Lenkungsabgabe
eingeführt, die zusammen mit dem steigenden Marktpreis den
Strompreis in der Schweiz bis 2018 verdoppelt. Anfangs soll ein Teil
des Abgabeertrags abgezweigt werden, um Effizienz und erneuerbare
Energie - zusätzlich zur bestehenden Einspeisevergütung - zu
subventionieren.
• Die Kosten für Strom aus Fotovoltaik und anderen
erneuerbaren Energien sinken bis 2035 unter die Schwelle von 20 Rappen
pro Kilowattstunde.
Diese Annahmen sind optimistisch. Denn bisher
verschärfte der Bundesrat die Verbrauchsnormen nur minim. Zudem
haben Regierung und Parlament eine Lenkungsabgabe auf Druck der
Stormlobby stets abgelehnt. Vorbehalte gegenüber dem neuen
Umweltszenario sind deshalb ebenso nötig wie gegenüber den
Szenarien der Stromwirtschaft.
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Nachgefragt
Christoph Brutschin - Regierungsrat Basel-Stadt, SP
Glauben Sie echt, dass der Stromverbrauch sinkt?
Die von Basel-Stadt mitfinanzierte Studie
"Energieeffizienz und erneuerbare Energien" rechnet, dass der
Stromverbrauch bis 2035 um sechs Prozent abnehmen wird und ohne neue
AKWs gedeckt werden kann. Glauben Sie wirklich daran?
Ich glaube, dass es möglich ist. Aber es braucht dazu
den politischen Willen. Es gilt also, die politischen Mehrheiten zu
finden, um die in der Studie genannten Massnahmen umzusetzen, zum
Beispiel die Lenkungsabgabe auf Strom.
Basel-Stadt hat eine solche Abgabe schon vor zehn Jahren
eingeführt. Trotzdem ist der Stromverbrauch in Basel nicht
gesunken, sondern seit 1999 um neun Prozent gestiegen.
Das stimmt, aber unser Stromverbrauch ist trotz
stärkerem Wirtschaftswachstum weniger stark gestiegen als im
Schweizer Durchschnitt. Die Lenkungsabgabe hat also gewirkt. Zudem
setzt die Studie eine nationale Lenkungsabgabe voraus, die den
Strompreis verdoppelt, während unsere kantonale Abgabe den Strom
lediglich um einen Drittel verteuert.
Basel-Stadt ist heute schon auf zehn bis zwanzig Prozent
Importstrom angewiesen, und die kantonale Energiebehörde rechnet
trotz Effizienzsteigerungen mit einem weiteren Verbrauchswachstum von
jährlich einem Prozent. Wie wollen Sie das ohne Atom- oder
Kohlekraftwerke decken?
Erstens hoffen wir, dass unsere Politik den Stromverbrauch
weniger anwachsen lässt, als es die Energiebehörde aus
Sicherheitsgründen kalkuliert. Zweitens investieren wir, als
Ergänzung zur Wasserkraft, gezielt in die Nutzung von neuen
erneuerbaren Energien. Wir betreiben in Basel ein Holzkraftwerk, haben
eine Beteiligung an einem thermischen Solarkraftwerk in Spanien und
prüfen zurzeit auch Beteiligungen an Windparks.