MEDIENSPIEGEL 11.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino, GH)
- Reitschule bietet mehr: Abstimmungs-Kurzfilmspots zum Schmunzeln
- SVP gegen alternative Wohnzonen
- Demorecht: Unheimliche Patrioten
- RaBe-Info 9.-11.6.10
- Komasaufen schlecht fürs Hirn
- KifferInnen-Probleme
- 10 Jahre Heroinabgabe Chur
- Überall Public Viewing
- Big Brother Sport: WM nur zuhause für Hools?
- Police CH: Laute Klagen; GWK-Knatsch; SPTK-Treffen
- Rauschknast BS in Prüfung
- Sans-Papiers: Bleiberecht ZH; nix Lehre BE
- WM: Proteste bei Fifa
- WM: Apartheid-Bank sponsert CH-Nationalmannschaft
- www und das ewige Gedächtnis
- Anti-Atom: Gösgen II; Bözberg; Rentabilität; BE; NW
----------------------
REITSCHULE
----------------------
Fr 11.06.10
17.00 Uhr - Tojo - "Die fetten Jahre sind vorbei"
Jugend-Club U21, Junges Theater Solothurn. Jugendtheater Festival
Spiilplätz 2010
16.00 Uhr - SousLePont - Anpfiff zur WM-Beiz im HOF (bis
11. Juli)
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Uz Jsme Doma (CZ) und
Blackthread (F). Support: DJ's SCB (Senioren Club Brachland)
Sa 12.06.10
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE -
Frauenkleidertauschbörse "women only" (bis 17.00h)
17.00 Uhr - Tojo - "Trüffelschweine" Jugendclub
momoll Theater, Schaffhausen. Jugendtheater Festival Spiilplätz
2010
19.30 Uhr - Frauenraum - Emanzengala: Vernissage des
Sammelalbums "Zehn Berner Heldinnen". Mit Duo Jenny Popper & Jess
Honey und Steff la Cheffe
22.00 Uhr - Frauenraum - Disko mit DJ Sister Knister
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
---
Bund 10.6.10
Kino in der Reitschule
Südafrika jenseits des WM-Taumels
Das Kino in der Reitschule nimmt die Fussball-WM zum Anlass
für einen Südafrika-Zyklus. Selbstverständlich fehlt
darin auch "Invictus" nicht: Clint Eastwoods Hymne an den Visionär
Nelson Mandela und die gesellschaftsverändernde Kraft des Sports
beschliesst am 8. Juli die Reihe. Eastwood blickt darin zurück ins
Jahr 1995 und feiert die Rugby-WM als Katalysator für die
Versöhnung von Schwarz und Weiss. In die Realität von heute -
und in das Land ihrer Kindheit - taucht hingegen die deutsche Filmerin
Beatrice Möller mit ihrem 60-minütigen Dokumentarfilm
"Shosholoza Express" ein. Auf der 27-stündigen Fahrt von Kapstadt
nach Johannesburg mit dem Zug, der als Symbol für das neue
Südafrika gilt, hat sie mit Reisenden über das Land
gesprochen. Zwei ANC-Aktivistinnen - eine weiss, die andere schwarz -
erinnern sich an ihren politischen Kampf, ein junges Paar - sie weiss,
er schwarz - erzählt von Vorurteilen, mit denen es noch zu
kämpfen hat, ein schwarzer Musiker zieht bitter Bilanz über
die nicht erfüllten Hoffnungen. Auch 16 Jahre nach dem Ende der
Apartheid trennt die Hautfarbe die Menschen, zudem leidet das Land
unter Armut und Kriminalität. Die Statements der namenlos
bleibenden Passagiere sind eingebettet in lauschige Impressionen -
Sonnaufgänge inklusive - der Zugfahrt durch eine
eindrückliche Landschaft. Sollen diese Reisebilder die Sehnsucht
nach der Überwindung der dramatischen gesellschaftlichen Probleme
stimulieren? Eher lenken sie von diesen ab. Der Film zeichnet zwar ein
facettenreiches Panorama Südafrikas, in die Tiefe aber geht er
nicht. (all)
---
BZ 10.6.10
Theater
Filmische Identitäten
Zwischen Filmrealität und Lebenstraum: In "fiLm" stehen zehn
Jugendliche, zwischen 17 und 25 Jahren, darunter viele mit
Migrationshintergrund, auf einer Bühne. Hinter ihnen eine
Kinoleinwand, vor ihnen das Publikum. Ein Theaterabend in der
Reitschule über die vielschichtigen Lebenswelten junger Menschen.
Dabei werden Fragen aufgeworfen: Wer bin ich? Bin ich im "falschen
Film"? Und wer, wenn nicht ich, ist der Regisseur dieses Streifens?
pd
Heute Donnerstag, 19 Uhr, Reitschule, Grosse Halle,
Neubrückstrasse 8, Bern.
--------------------------------------------
REITSCHULE BIETET MEHR
--------------------------------------------
Medienmitteilung 11.6.2010
Reitschule bietet mehr: Abstimmungs-Kurzfilmspots zum Schmunzeln
Sehr geehrte Medienschaffende
Am 26. September 2010 wird in der Stadt Bern bereits zum fünften
Mal über die Reitschule abgestimmt. Dieses Mal verlangt eine
rechtsbürgerliche Anti-Reitschule-Initiative die Schliessung und
den Verkauf des seit 1987 bestehenden Berner Kultur- und
Begegnungszentrums Reitschule.
Die drei Filmemacher des Berner "Decoy Collective" haben sich die
rechtsbürgerlichen Reitschule-Zukunftsvorschläge zu Herzen
genommen und nach dem Motto "Extrahieren wir aus dem Aberwitz den Witz"
ihr deutliches Nein zur aktuellen Anti-Reitschule-Initiative auf Video
festgehalten. Mit bekannten Schweizer SchauspielerInnen, die ohne Gage
ihre Gesichter zur Verfügung stellten, wurden 4
Abstimmungs-Kurzfilmspots zum Schmunzeln gedreht:
Spot 1: Party im Shopping-Center?
Reitschule bietet mehr. Zum Beispiel Konzerte und Parties im Dachstock.
Reitschule-Initative: Nein am 26. September 2010!
http://www.facebook.com/video/video.php?v=1448830817346
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Abstimmungsspots/Spot-1_Party_Web.mp4
http://www.decoycollective.com/stuff/reitschule/Spot1.zip
(verschiedene Auflösungen)
(mit Nina Bühlmann und Lisa Brühlmann)
Spot 2: Kino im Parkhaus?
Reitschule bietet mehr. Zum Beispiel das Kino in der Reitschule.
Reitschule-Initative: Nein am 26. September 2010!
http://www.facebook.com/video/video.php?v=1448836537489
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Abstimmungsspots/Spot-2_Kino.mp4
http://www.decoycollective.com/stuff/reitschule/Spot2.zip
(verschiedene Auflösungen)
(mit Dominik Gysin und Nathanel Schaer)
Spot 3: Theater im Büro?
Reitschule bietet mehr. Zum Beispiel das Tojo Theater.
Reitschule-Initative: Nein am 26. September 2010!
http://www.facebook.com/video/video.php?v=1448843177655
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Abstimmungsspots/Spot-3_Theater_Web.mp4
http://www.decoycollective.com/stuff/reitschule/Spot3.zip
(verschiedene Auflösungen)
(mit Gilles Tschudi und Esther Gemsch)
Spot 4: Dinner im Schwimmbad?
Reitschule bietet mehr. Zum Beispiel das Restaurant Sous Le Pont.
Reitschule-Initative: Nein am 26. September 2010!
http://www.facebook.com/video/video.php?v=1448850457837
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Abstimmungsspots/Spot-4_Restaurant_Web.mp4
http://www.decoycollective.com/stuff/reitschule/Spot4.zip
(verschiedene Auflösungen)
(mit Andreas Matti und Doro Müggler)
Die 4 Kurzfilm-Spots sind nun fertiggestellt und werden im Rahmen der
Fussball-WM und zu anderen Gelegenheiten bis zum Abstimmungstermin in
der Reitschule sowie in Restaurants, Bars und Kinos der breiten
Öffentlichkeit gezeigt. Interessierte, die die Kurzfilm-Spots
zeigen möchten, können diese unter http://www.decoycollective.com
und http://www.reitschulebietetmehr.ch
Detailliertere Informationen erhalten Sie unter http://www.decoycollective.com.
Wir danken den SchauspielerInnen, der Decoy Collective-Filmcrew, dem
Catering des Restaurant Sous le Pont und allen anderen Beteiligten
für ihr unermüdliches Engagement!
Reitschule bietet mehr!
Mit freundlichen Grüssen
Abstimmungsgruppe Reitschule Bern
Mediengruppe Reitschule Bern
Links:
Decoy Collective GmbH
http://www.decoycollective.com
http://youtube.com/user/DecoyCollective
http://www.facebook.com/decoycollective
Reitschule bietet mehr
http://www.reitschulebietetmehr.ch
http://www.facebook.com/group.php?gid=258630224019
Nein-Stimmen zur Anti-Reitschuleinitiative
http://www.facebook.com/event.php?eid=435004510531&ref=mf
Kultur- und Begegnungszentrum Reitschule
http://www.reitschule.ch
--------------------------
WAGENPLÄTZE
--------------------------
20 Minuten 10.6.10
SVP gegen Platz für Alternative
BERN. Dass der Berner Gemeinderat Wohnzonen für alternative
Wohnformen prüfen will, bringt die SVP auf die Palme. Bereits der
für die Prüfung bewilligte Kredit von 60 000 Franken sei eine
"Verschleuderung von Steuergeldern". Ausserdem fürchtet die
Partei, dass Bern mit einer Zone für Wohnwagenparks zum Magnet
für Anhänger alternativer Lebensformen werde. Sie fordert,
dass die Stadt das Projekt deshalb sofort einstellt.
---
svp-stadt-bern.ch 9.6.10
Bern, 9. Juni 2010
Resolution der SVP Stadt Bern "Alternative Wohnzone"
Der Berner Gemeinderat will Steuergelder verschleudern, das geltende
Recht brechen und die Bürgerinnen und Bürger der Stadt
dauerhaft diskriminieren. Nach seinem Plan sollen in einer
"alternativen" Wohnzone Stadtnomaden der ganzen Schweiz ihren
Lebensstil pflegen können. Nur für die Prüfung seines
Anliegens an vier Standorten bewilligt er schon einen Kredit von CHF
60'000.- Wer büsst, sind alle, die bürgerlich leben. Denn
dieser Kredit ist erst die Spitze des Eisbergs und öffnet Tor und
Türe für ausufernde Finanzierungen. Dafür bezahlen wir
mit der erdrückenden Steuerlast gepaart mit der landschaftlichen
Einbusse dank den Bidonsiedlungen. Haben die "Stadtoberen" nichts
gelernt? Schon 1996 wurde dieser Plan mit einem wuchtigen Mehr von der
Bevölkerung gebodigt.
Die SVP der Stadt Bern stellt fest, dass
* Es nicht die Aufgabe der Stadt ist, alternativen Wohnraum zu schaffen;
* Es unfair allen anderen gegenüber ist, die sich an das geltende
Recht halten;
* Es ein denkbar ungünstiger Präzedenzfall ist, der Türe
und Tor für alle möglichen Staatsaufgaben öffnet;
* Das Vorhaben Bern zu einem Zentrum der Stadtnomaden für einen
grossen Teil der Schweiz macht.
* Die rivalisierenden Gruppierungen die zukünftig legal ihren
Lebensstiel fristen sollen gar nicht gemeinsam an einem Ort
untergebracht werden wollen.
*
Deshalb verlangt die SVP der Stadt Bern, dass
* Der Gemeinderat seinen Plan, eine Zone für Wohnexperimente zu
schaffen, sofort einstellt;
* Die Verschleuderung von Steuergeldern für Privatprojekte
aufhört;
* Die Vertreter aller bürgerlichen Parteien die Diskriminierung
der Mehrheit scharf bekämpft;
* Die Grundsätze der Ordnung und der Raumplanung eingehalten
werden;
* Die Stadt Bern nicht zum Magnet unkonventioneller Wohnformen wird.
Es geht nicht an, dass eine Gruppierung auf Kosten der Mehrheit und
anderer Minderheiten dermassen bevorzugt wird, dass sie sich nicht mehr
an die legale Ordnungen halten muss.
Peter Bernasconi
Henrique Schneider
-----------------------
DEMO-RECHT
-----------------------
WoZ 10.6.10
Bern - Unheimlicher Patriot greift Demonstrationsfreiheit an.
"Mitgegangen - mitgehangen"
Angriffe auf die Demonstrationsfreiheit in der Bundesstadt haben
derzeit Hochkonjunktur: Am Wochenende kommt die von einer
rechtsbürgerlichen Gruppierung lancierte Initiative "keine
gewalttätigen Demonstranten" zur Abstimmung. Sie verlangt die
Einführung eines "Entfernungsartikels". TeilnehmerInnen einer
Kundgebung sollen danach "unverzüglich" verschwinden, wenn "sie
von der Polizei darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Kundgebung
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
aufgelöst werden muss". Wer den Befehl der Staatsgewalt
überhört und ihm nicht sofort nachkommt, riskiert eine Busse
bis zu 5000 Franken.
Mehr Massenverhaftungen?
Der neue Artikel beträfe auch bewilligte Kundgebungen oder
Spontandemonstrationen, für die gar keine Bewilligungen
erforderlich sind. Die Polizei soll im Alleingang entscheiden
können, wann sie die öffentliche Sicherheit für
gefährdet hält und die Demo auflöst. Und das würde
sie nicht erst dann tun können, wenn tatsächlich Gewalt
ausgeübt wird, sondern auch bei "heraufziehenden oder drohenden
Eskalationen", wie der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause
(CVP) in der entsprechenden Stadtratsdebatte im August 2009
verkündete.
In der polizeilichen Praxis würde es vermehrt zu
Massenverhaftungen kommen, die bisher rechtlich auf sehr wackligen
Füssen standen, aber schweizweit bei Polizeikommandanten und
SicherheitspolitikerInnen beliebt sind. Um den Entfernungsartikel
durchzusetzen, muss die Polizei massive Gewalt einsetzen, alle
Anwesenden einkesseln und zur Verhängung der Busse festnehmen.
Dass von diesen Aktionen auch Unbeteiligte und PassantInnen betroffen
wären, ist für die InitiantInnen kein Problem: "Mitgegangen -
mitgehangen", heisst ihre Parole im Abstimmungsbüchlein.
Deeskalation und Verhältnismässigkeit sind für sie
Fremdworte.
Hinter dem Initiativkomitee steht der Verein Bern sicher und sauber.
Die "besorgten Bürger" machen auf ihrer Homepage nicht nur gegen
"Demo-Chaoten", sondern auch gegen die "Verunreinigung von
Gebäuden, Plätzen, Schulen und Strassen" durch "wildes
Plakatieren, Schmierereien, Littering usw." Front. Zu ihren Sprechern
gehört PR-Unternehmer Erwin Bischof, ehemals FDP-Kantonsrat, der
schon in den achtziger Jahren als Redaktor der "Trumpf Buur"-Inserate
und der gleichnamigen "Zitig" für antikommunistische
Stimmungsmache sorgte und 1999 zu den UrheberInnen des kantonalen
Vermummungsverbotes zählte.
Sieg vor Gericht
Ein Angriff auf die Demonstrationsfreiheit wurde dieses Jahr bereits
abgewehrt: Im Februar bodigte das Verwaltungsgericht eine vom
Stadtparlament 2008 beschlossene Änderung des
Kundgebungsreglements: In der Innenstadt sollten grundsätzlich
keine Demonstrationen mehr, sondern nur noch Platzkundgebungen
zugelassen sein. "Verfassungswidrig", urteilte das Gericht und hob die
Regelung auf.
Heiner Busch
-------------------
RABE-INFO
-------------------
Fr. 11. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._Juni_2010.mp3
- Keine gewalttätigen Demonstranten: Bern stimmt über den
Entfernungsartikel ab
- Gedanken des südafrikanischen Filmemachers Thabo Thindi: zum
Auftakt der ersten WM auf dem afrikanischen Kontinent
- 10 Berner Heldinnen: Emanzen im Rampenlicht
---
Do. 10. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Juni_2010.mp3
- Welche Auswirkungen hat der Wegweisungsartikel in Bern
- Warum hat Fleischkonsum Auswirkungen aufs Klima
- Wieso gibt es in Südafrika einen Verhaltenscodex für die
Tourismusbranche
---
Mi. 9. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._Juni_2010.mp3
- Arbeitslosigkeit bremst Jugendliche mit Migrationshintergrund aus
- H in der Kiste lüftet das Geheimnis und fordert neue
Aussenpolitik
- Fair unterwegs sein mit Tourismus- Gütesiegel
------------------
ALKOHOL
------------------
Tagesanzeiger 10.6.10
Komasaufen in der Pubertät schadet dem Hirn
Fossgreen Anke
Versuche an Affen haben gezeigt, wie Alkohol die Gehirnzellen
dauerhaft schädigt.
Während der Pubertät machen Jungen und Mädchen
grosse körperliche Veränderungen durch. Auch das Gehirn
entwickelt sich in dieser Phase rasant. Deshalb ist es dann besonders
anfällig für Schädigungen, etwa durch
übermässigen Alkoholkonsum.
US-Forscher vom Scripps-Institut in La Jolla wollten wissen, wie
genau Alkohol auf eine bestimmte Gehirnregion, den Hippocampus, wirkt.
Probleme von alkoholabhängigen Jugendlichen sich zu konzentrieren,
sich Dinge zu merken oder sich räumlich zu orientieren - deuten
darauf hin, dass der Hippocampus im Gehirn beeinträchtigt wird.
Bisher sei jedoch nicht herauszufinden gewesen, ob die
mangelhaften Gehirnleistungen tatsächlich auf den
übermässigen Alkoholkonsum zurückzuführen sind,
schreiben die Forscher in ihrer Publikation ("PNAS online").
Deshalb arbeiteten die Wissenschaftler mit Rhesusaffen. Sie
gewöhnten sieben pubertierende Tiere einen Monat lang daran,
regelmässig Alkohol zu trinken. Vier der Affen durften 10 weitere
Monate täglich eine Stunde lang Alkohol zu sich nehmen.
Blutalkoholtests zeigten, dass diese Tiere bis zum Rauschzustand
tranken. Ihre Werte entsprachen knapp 2,5 Promille beim Menschen.
Abgestorbene Nervenzellen
Der übermässige Alkoholkonsum bei den Affen -
vergleichbar mit dem Komasaufen von Jugendlichen - hatte dramatische
Auswirkungen auf ihre Gehirne. Bei den drei Tieren, die nur einen Monat
lang etwas Alkohol getrunken hatten, bildeten Vorläuferzellen im
Gehirn zahlreiche neue Nervenzellen. Bei den vier
alkoholabhängigen Affen jedoch wuchsen kaum noch neue Zellen. Im
Hippocampus waren im Gegenteil Nervenzellen abgestorben. Diese
Gehirnveränderungen sahen die Wissenschaftler auch noch zwei
Monate später, nachdem die Affen keinen Alkohol mehr bekommen
hatten. Komasaufen und Alkoholabhängigkeit kann also gerade in der
Pubertät das Gehirn schädigen, und zwar mit lang anhaltenden
Folgen, warnen die Forscher. (afo)
---------------------------
NARRENKRAUT
---------------------------
20 Minuten 10.6.10
Cannabis: "Ab 20 Jahren bekommen Kiffer Probleme"
LAUSANNE. Junge Ausländer und "Bildungsferne" kiffen am
meisten. Doch Anfang 20 legt jeder Dritte den Joint weg. Wer
weiterkifft, hat seinen Konsum oft nicht im Griff, so eine Studie.
3000 Personen haben die Forscher um Joan-Carles Surís von
der Universität und dem Unispital Lausanne über sechs Jahre
hinweg befragt. Resultat: Kifften mit 16 Jahren noch 21 Prozent der
Befragten, waren es sechs Jahre später nur noch 15 Prozent. Fast
jeder Dritte hat in der Zwischenzeit mit Kiffen aufgehört - die
meisten davon mit 20 oder 21 Jahren. Bei jenen, die weiterkiffen, wird
der Konsum oft chronisch.
Überdurchschnittlich oft zum Joint greifen Jugendliche mit
ausländischer Nationalität. Der Psychologe Allan
Guggenbühl sieht dabei nicht den Pass, sondern die mangelnde
Integration als Ursache. "Ausländer sind weniger integriert und
suchen deshalb Anschluss an eine Gruppe. Und Kifferkreise sind sehr
tolerant."
Seltener zünden sich hingegen die gut Gebildeten einen Joint
an. "Sie haben oft klare Ziele und wollen diese nicht durch das Kiffen
in Gefahr bringen", sagt Guggenbühl. Dies findet auch Facharzt
Lars Stark von Gain, der Behandlungsstelle für Drogenprobleme in
Zürich. "Ab 20 Jahren bekommen starke Kiffer erste Schwierigkeiten
mit Cannabis: Sie haben Kinder oder müssen im Job Verantwortung
übernehmen."
Stark und Guggenbühl sind sich einig: Die meisten, die als
Jugendliche gekifft haben, schwören Cannabis auch als Erwachsene
nicht ab - sie kiffen einfach nur noch zu besonderen Anlässen.
Lorenz Hanselmann
---
St. Galler Tagblatt 10.6.10
Zigaretten sind Ersatz für Cannabis
Viele Jugendliche probieren Cannabis aus, geben das Kiffen aber
im jungen Erwachsenenalter wieder auf. Beim Rauchen ist der Suchtfaktor
grösser. Das zeigt eine Studie von Lausanner Forschern. Yves
Duc/sda
Forscher um Joan-Carles Surís von Universität und
Universitätsspital Lausanne zeichneten das Konsumverhalten von
Rauchern und Kiffern über sechs Jahre nach - vom 16. bis zum 22.
Altersjahr. Sie hatten Angaben von rund 3000 Personen.
Eine wichtige Schwelle
Es zeigte sich, dass die wichtigste Veränderung beim
Cannabis- oder Tabakkonsum im Alter von etwa 20 bis 21 Jahren
stattfindet. "Die Entwicklung geht zum Guten oder zum Schlechten",
sagte Surís auf Anfrage. Viele junge Menschen hören in
dieser Lebensphase mit dem Kiffen auf, bei einigen wird der Konsum
chronisch.
Insgesamt sinkt der Anteil der Kiffer zwischen 16 und 22 Jahren
von 21 auf 15 Prozent. Deutlich ist die Abnahme bei jenen, die mit 16
Jahren zwar kifften, aber keine Zigaretten rauchten: Mit 22 drehten nur
noch sieben Prozent gelegentlich einen Joint. 28 Prozent rauchten
Tabak. Dieser habe einen stärkeren Suchtfaktor als Cannabis, so
Surís. Im Gegensatz zum Cannabis steigt die Zahl der
Tabakraucher mit dem Alter.
Auch Alkohol spielt eine Rolle
Laut der Studie rauchten im Alter von 16 Jahren 28 Prozent der
Befragten regelmässig, mit 22 Jahren aber schon 37 Prozent. Nur
ein Fünftel der reinen Tabakraucher kam in den sechs Jahren von
der Sucht los. Neben der Suchtwirkung des Nikotins vermutet
Surís noch einen anderen Grund, dass viele Kiffer zur Zigarette
übergehen. Zigaretten seien oft eine Art Ersatz für Cannabis.
Dass viele Junge im Übergang zum Erwachsenenalter mit dem Kiffen
aufhörten, führt Surís nicht unbedingt auf die
Illegalität von Cannabis zurück. Es sei vielmehr die Folge
einer gewissen Reife.
Die Studie zeigte auch eindrücklich, dass Rauchen und Kiffen
ganz häufig mit Alkoholkonsum verbunden sind. Gelegentliche
Trinker kiffen oder rauchen 4,4mal öfter als Abstinente.
---
24 Heures 10.6.10
Fumer un joint, un acte libertaire que les jeunes finissent par
abandonner
Laurent Aubert / ats
TOXICOMANIE - Plus de la moitié des jeunes qui fument du
cannabis à 16 ans y ont déjà renoncé
à 22 ans. Rassurant? Un spécialiste de la
prévention relativise.
La plupart des jeunes qui fument du cannabis à 16 ans y
renoncent dans les années qui suivent. Selon une étude de
l'Institut de médecine sociale et préventive de
l'Université de Lausanne, 28% de ces jeunes sont passés
à la cigarette à 22 ans et 49% ont carrément
abandonné toute forme de fumée.
"En bien ou en mal"
Le changement se produit vers 21 - 22 ans, lorsque
l'expérimentation propre à l'adolescence prend fin avec
l'entrée dans le monde du travail. La plupart des fumeurs
occasionnels de cannabis (moins de 3 fois par semaine) y renoncent,
alors que le gros des consommateurs réguliers continuent. "Il y
a un changement à cet âge, en bien ou en mal", relate le
professeur Joan-Carles Suris, qui a mené l'étude,
à l'ATS.
Directeur du CIPRET Valais (Centre d'information pour la
prévention du tabagisme), Jean-Bernard Moix estime qu'il est
difficile d'énoncer des généralités. "Les
conséquences de la fumette dépendent du profil du
consommateur. Si celui-ci est bien intégré, s'il fume de
manière modérée, il pourra arrêter sans trop
de difficultés. Si au contraire il rencontre des
difficultés familiales, sociales, professionnelles, il risque de
s'engager dans une consommation régulière. "
Cette dernière peut être d'autant plus
problématique que le jeune se trouve à une période
critique, où son avenir professionnel se dessine. "Le cannabis
peut l'entraîner dans une logique de démotivation,
d'échec, qui pourra avoir des conséquences sur toute sa
vie. "
Pour Jean-Bernard Moix, il n'y a donc pas forcément lieu
de s'alarmer pour quelques joints - "à condition que le jeune ne
prenne pas le volant" -, mais les suites dépendront beaucoup de
sa situation, de son intégration et d'éventuels troubles
psychiques latents que le cannabis peut révéler ou
aggraver.
L. AU. / ATS
------------------------------
HEROINABGABE
------------------------------
Südostschweiz 11.6.10
Heroinabgabe hat sich bewährt
Seit zehn Jahren wird in Chur Heroin an schwer abhängige
Süchtige abgegeben. Die Psychiatrischen Dienste Graubünden
(PDGR) ziehen eine positive Bilanz und laden zu einem Tag der offenen
Türe ein.
Von Ueli Handschin
Chur. - Die schockierenden Bilder von der Zürcher
Drogenszene auf dem Platzspitz und am Letten führten Anfang der
Neunzigerjahre zu einer radikalen Neuerung in der Drogenpolitik. Um
endlich etwas gegen die Verelendung und Kriminalisierung der schwer
Abhängigen zu tun, wurde die Abgabe von Heroin durch den Staat
erstmals ernsthaft diskutiert und dann rasch umgesetzt. Am 1. August
1993 ging in Zürich die erste Abgabestelle der Schweiz in Betrieb.
Alle grösseren Städte, aber auch Landgemeinden wie Wetzikon
oder Horgen, folgten dem Beispiel.
Sieben Jahre später war es auch im Kanton Graubünden so
weit: Nach einer halbjährigen Versuchsphase erteilte die Regierung
Ende 1999 den Psychiatrischen Diensten den Auftrag, die Heroinabgabe
umzusetzen. Das dazu notwendige Ambulatorium konnte am 10. Juli 2000 in
der Neumühle nahe des Churer Bahnhofs eröffnet werden. Laut
Anna Regula Gujer, stellvertretende Leitende Ärztin der PDGR, kam
dem Projekt die Zusammenarbeit mit dem Kanton St. Gallen zugute: Das
Ambulatorium ist auch für Patientinnen und Patienten aus dem
Sarganserland und der Region Werdenberg zuständig.
Tagesstruktur ist wichtig
Die ersten Patienten meldeten sich von sich aus bei den
Behörden oder wurden durch Hausärzte oder Amtsstellen
zugewiesen, schilderte Gujer gestern an einer Medienorientierung der
PDGR. Schon nach kurzer Zeit habe sich der gesundheitliche Zustand der
Klientel deutlich verbessert, und die meisten Bezügerinnen und
Bezüger hätten nach einem Jahr den zusätzlichen Konsum
von Kokain aufgegeben. Doch zeigte sich auch, dass die Abgabe von
Opiaten in Form von Heroin oder dem Ersatzstoff Methadon allein nicht
genügt. Denn die Gefahr, erneut in der Drogenszene
abzustürzen, bleibt ohne geregelten Tagesablauf gross (siehe
Kasten).
Tagesstrukturen vermitteln
Um den Patienten zu helfen, sich wieder an Tagesstrukturen zu
gewöhnen, wurden die Dienstleistungen vor zwei Jahren erweitert,
wie Betriebsleiterin Margrith Meier gestern vor den Medien schilderte.
Jeden Donnerstag gibt es kreative Angebote wie Wanderungen und andere
Ausflüge. Äusserst beliebt ist die Kochgruppe, wo es nicht
nur darum geht, eine Mahlzeit zuzubereiten, sondern auch um die
Vermittlung grundlegender Dinge wie der Erstellung und Einhaltung eines
Budgets oder den sorgfältigen Umgang mit Nahrungsmitteln. Dreimal
wöchentlich wird Akupunktur angeboten, was ebenfalls gern genutzt
wird.
Das Ambulatorium bietet derzeit 34 Therapieplätze für
Heroinsüchtige und zehn für Abhängige, die auf Methadon
umgestiegen sind. Fast zwei Drittel der derzeitigen Klienten haben im
Leben wieder Fuss fassen können: 17 haben Arbeit auf dem freien
Arbeitsmarkt gefunden, ein Patient steht in der Ausbildung und
zwölf besuchen Beschäftigungsprogramme.
Neben den heroin- und methadon-gestützten Behandlungen
bietet das Ambulatorium auch Verhaltenstherapien für Kokain- und
Cannabis-Konsumierende an. Ausserdem werden alle Gesuche von
Hausärzten aus Graubünden bearbeitet, welche Methadon
verabreichen wollen. Zurzeit wird das Medikament von 77 Ärzten an
336 Patienten abgegeben.
Tag der offenen Tür
Die Bevölkerung erhält morgen Samstag von 11 bis 15 Uhr
erstmals die Gelegenheit, einen Blick in die Behandlungs- und
Betreuungsräume zu werfen. Ein Rundgang gibt Einblick in die
heroingestützte Behandlung, und Patienten werden von ihren
Erfahrungen berichten.
--
"Auf der Gasse geht das nicht"
Erst wenn der Zwang entfällt, sich Heroin auf dem
Schwarzmarkt zu beschaffen, ist überhaupt an einen Ausstieg zu
denken, so die Erfahrung eines Betroffenen.
Er ist einer der dreissig Personen, die derzeit zweimal
täglich, immer morgens und abends, im Ambulatorium Neumühle
Heroin beziehen. Nur dank der Heroinabgabe sei es ihm möglich,
über einen Ausstieg aus dem Drogenkonsum ernsthaft nachzudenken,
erklärt der 27-Jährige. "Auf der Gasse geht das nicht."
"Ist die Droge nicht verfügbar, wird alles andere
gegenstandslos", so die Erfahrung des jungen Mannes. Alle Gedanken,
alles Handeln drehe sich um den nächsten Schuss. Denn fehlt es an
Nachschub, droht der Entzug: Ein ungestilltes Verlangen nimmt die
Psyche in Beschlag und paart sich mit unerträglichen
körperlichen Schmerzen. Heroin muss her - alles andere, alle
Probleme und Aufgaben, die ein normales Leben stellt, werden
bedeutungslos.
Seit ihm das Heroin ohne Beschaffungsstress zur Verfügung
steht, hat sich sein Leben zum Besseren entwickelt. Dank
Beschäftigungsprogramm ist der Tagesablauf geregelt, die Beziehung
zur Freundin hat sich gefestigt, und auch der Drogenkonsum hat sich
stark reduziert. Heute genüge ihm weniger als die Hälfte der
anfänglichen Dosis. Und er habe sich fest vorgenommen, nach und
nach ganz auf Opiate zu verzichten.
Das allerdings gelingt längst nicht allen: Von den ersten
zehn Patienten, die in Chur Heroin erhielten, sind zwei nach wie vor im
Heroin-Programm. Zwei sind auf Methadon umgestiegen, zwei weitere
konsumieren statt Heroin die legale Droge Alkohol. Vier verstarben
inzwischen, wovon drei nach Ausstieg aus der Behandlung an
Überdosen eines Drogen-Cocktails. Eine Patientin verschied an den
Komplikationen einer Krankheit. In den letzten zehn Jahren wurden im
Ambulatorium insgesamt 270 Personen behandelt.
-----------------------------
PUBLIC VIEWING
-----------------------------
Bund 10.6.10
Sogar im Nachtklub zeigt man Hitzfelds Jungs
Wo man sich die Spiele der Fussball-WM ansehen kann: eine Auswahl
ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Morgen beginnt die Fussball-WM, das weiss inzwischen der letzte
Sport-Verweigerer und die letzte Alain-Sutter-Allergikerin. Doch
längst nicht jede Panini-Langzeitsammlerin und jeder
Vuvuzela-Virtuose weiss schon, in welchem Lokal er den nächsten
Monat zubringen soll. Dabei kann der Ort des Fussball-Guckens bedeutend
sein: Bei 64 Spielen kann eine gewisse Monotonie eintreten, bei Partien
wie Algerien - Slowenien das Rahmenprogramm oder die Biermarke
wichtiger als das Spiel selbst werden.
Die grossen Kisten
Mit grosser Kelle angerichtet wird heuer etwa im Westside. Auf
dem Gilberte-de-Courgenay-Platz, direkt vor dem Einkaufstempel, wird
gar ein Kunstrasen ausgelegt. Darauf gibt es Bildschirme, Verpflegung,
einen Wettbewerb mit YB-Spielern und Nachwuchsbands aus der Region, die
noch keine grossen Namen haben, dafür originelle: Death by
Chocolate aus Biel etwa.
Gleichzeitig mit der WM wird auf der Grossen Schanze auch der
City Beach eröffnet. Am Stadtstrand werden aber jeweils nur die
Abendspiele gezeigt, am Wochenende auch die Spiele um 16 Uhr.
Halligalli gibt es während fussballreicher Zeiten immer auch in
der Gurtengasse, in der die einschlägigen Lokale der
Jansen-Gastronomie zu finden sind. Am Eröffnungsabend tritt die
Schlagertruppe ChueLee auf, vor den Spielen gibt es jeweils Vuvuzelas
zu gewinnen.
Die Alternativen
Etwas anders geartet wird das Publikum wohl in der Reitschule
sein, wenn im Innenhof des autonomen Kulturzentrums Sepp Blatters
Grossanlass gezeigt wird. Auf dem Vorplatz finden Konzerte statt, im
Restaurant Sous le Pont werden ab den Achtelfinals
länderspezifische Speisen gereicht (Rösti!). Alternative
Szenegänger mit Hang zu Ballspielen sind gewöhnlich auch in
der Rathausgasse anzutreffen, wo sich 3 Eidgenossen, Les Amis und die
Videothek Dr. Strangelove zum WM-Kollektiv zusammengeschlossen haben.
Die Quartierbeizen
Ausserhalb des Stadtzentrums stehen auch Grossleinwände und
Bildschirme. Eine feste Adresse ist etwa das Café Kairo in der
Lorraine, auch hier ist das Publikum politisch eher linksfüssig
unterwegs. Ein Quartier weiter, im Breitenrain, finden sich gleich zwei
schmucke Lokale, die Fussball mit gastronomischen Leckereien verbinden:
so das Vetter Herzog in der Herzogstrasse und das Restaurant Lokal an
der Militärstrasse, das im Innenhof eine Grossleinwand installiert
hat und dort Bio-Würste und lokales Gebräu kredenzt.
Gratisbier gibts im Mappamondo in der Länggasse - und zwar, wenn
die Schweiz oder Italien ein Tor schiesst.
Die Klassiker
Diese Kneipen brauchen eigentlich gar keine Erwähnung mehr,
sie sind meist rappelvoll, wenn Fussball ansteht. So verhält es
sich etwa mit dem Mr. Pickwick Pub an der Wallgasse, dem Aarbergerhof
in der Aarbergergasse oder der Bar Subway an der Spitalgasse. Zur
festen Grösse in Sachen gemeinsames Gucken hat sich auch das
Bierhübeli entwickelt, das mit einem wetterfesten Saal mit 120
Plätzen aufwartet.
Die Auswärtigen
Eine wunderbare Adresse für gepflegten Passiv-Fussball
ausserhalb der Stadtgrenzen ist der Schlosshof in Köniz. Im
stimmungsvollen Ambiente treffen sich Hardcore-Fan und Familie,
Einheimische und Einwanderer - und das ohne Konsumationszwang. Alle
Spiele sieht man auch im Bellevue in Ittigen (jedes elfte Bier gratis),
im Kreuz in Zollikofen (währschaft), im Woodys in Worb
(Lounge-Style), im Schützenhaus in Burgdorf (mit eigenem Bier), im
Greenplanet in Reinisch (Oberländer Bauernhaus-Groove) oder auf
der Seematte in Nidau (mit Blick auf den See).
Die Kuriosen
Im Public-Viewing-Angebot findet sich auch allerlei Buntes:
Orange dominiert in der Turnhalle, wenn die Niederländer spielen -
inklusive Oranje-Deko und Polonaise Hollandaise. Holland-Specials
bietet auch das Restaurant Henris auf dem BEA-Gelände. Ebenfalls
ein Spezialprogramm fährt der Striptease-Schuppen Le Perroquet an
der Berner Laupenstrasse, der ebenfalls alle Spiele
überträgt. Wer in einem Wettbewerb den
Torschützenkönig errät, dem winkt ein "Abend voller
erotischer Überraschungen" mit Konsumationsgutschein über
4000 Franken. (jäg)
---
BZ 10.6.10
Public Viewings während der Fussball-WM
Das 90-Minuten-Gruppenerlebnis
Ein grosses Public Viewing gibt es in diesem Jahr in Bern nicht.
Dafür Dutzende Lokale, die ab morgen die WM-Spiele auf
Leinwänden zeigen. Eine Auswahl fürs Gruppenerlebnis
Fussballschauen aus der Stadt und Region Bern.
Hunderttausende waren es, die vor zwei Jahren Bern
bevölkerten und sich auf den Plätzen die Spiele der Euro 08
auf Riesenleinwänden ansahen. Zehntausende davon waren
Holländer. Zu solch riesigen Public Viewings kommt es
anlässlich der WM 2010 in der Stadt und Region Bern nicht. Das
Gruppenschauen für 90 Minuten oder länger fällt eher
klein, aber fein aus. An Holland erinnert man sich aber nach wie vor.
Mit Erinnerung an Holland
"WM Kermis" heisst das Motto in der Turnhalle-Bar im Progr. Hier
werden alle Spiele gezeigt, im Hof und in der Turnhalle selber. Bei
Spielen mit Holland läuft holländischer Kommentar. Zudem gibt
es holländische Leckereien. Eineinhalb Stunden vor jedem
Holland-Spiel soll ein "Oranje Mars" stattfinden: eine Velo-Pilgerfahrt
vom Viktoriaplatz über die Kornhausbrücke zur Turnhalle.
Hinter dem Event steckt Teddy Wassmer, Mitorganisator des "Oranje
Dorps" in Neuenegg an der Euro 08.
An Holland erinnert man sich auch im Henris auf dem
BEA-Gelände. Dort wird am Montag, 14.Juni, das Spiel Holland -
Dänemark gezeigt. Miss Bern Noemi Leibin wird einen Wohnwagen
enthüllen, dessen Benützung für das letzte
Holland-Gruppenspiel gewonnen werden kann.
Mit Sand unter den Füssen
Wetterabhängig sind die Übertragungen der WM-Spiele an
den neuen Stadtstränden. Auf dem City Beach, der morgen Freitag
auf der Einsteinterrasse (vor dem Institut der exakten Wissenschaften)
eröffnet wird, werden alle Abendspiele gezeigt, an Wochenenden
auch die Partien ab 16 Uhr. Gleich macht es der Summerbeach, der zweite
Berner Strand, weiter vorne auf der Grossen Schanze.
Mit Live-Kommentar
Gross wird vor dem Westside angerichtet. Auf dem Platz steht
neben Leinwänden auch die Rasen-Bar, die jeweils bis 23.30 Uhr
geöffnet hat. Jeden Freitag finden zudem Konzerte statt.
In der Innenstadt zeigt etwa das Café Kairo die Spiele auf
Leinwand und auf Bildschirmen drinnen und draussen, teils mit DJs. Die
Bar Subway wirbt für ihre Übertragungen in HD-Qualität,
das Lokal Vetter Herzog im Breitenrain für seine spezielle
Atmosphäre und das Bierhübeli für die grosse Leinwand im
Saal und den lauschigen Garten. Im Uptown auf dem Gurten wird Schweiz -
Honduras auf Grossleinwand gezeigt. In der Räblus/Perry Bar werden
einige Spiele wie die Eröffnungspartie und Spiele mit Schweizer
Beteiligung von Capital-FM-Moderator Albi Saner live kommentiert. Auch
im Innenhof der Reitschule ist WM Trumpf. Alle Spiele werden gezeigt.
Dazu gibt es Anlässe zu Südafrika.
Mit Konzerten und Spielen
Eines der grössten Public Viewings in der Region organisiert
der FC Schwarzenburg auf dem Gemeindeparkplatz. Die Spiele werden in
einem Zelt auf Grossleinwand übertragen. Dazu kommen Konzerte und
am 14.Juni die Ankunft der Tour de Suisse.
Im Schlossareal Köniz werden alle Spiele im Restaurant zum
Schloss und im Schärmeruum gezeigt. Bei Partien der Schweiz sowie
ab den Achtelfinals wird im Schlosshof die Grossleinwand aufgestellt,
bei schlechtem Wetter in der Pfrundschüür. Ein
öffentlicher Grill steht bereit. In Stettlen laden Vereine in die
WM-Bar beim Feuerwehrmagazin ein. Gezeigt werden Schweizer Spiele sowie
die Partien ab Halbfinal. Im Bären Münchenbuchsee steht im
Saal eine Grossleinwand, auf der Schweizer Spiele und alle wichtigen
Partien gezeigt werden. "Kick&Rock" mit Matches auf Leinwand heisst
das Motto im Downstair Pub Worblaufen. Die Skylounge im Restaurant
Airport in Bern-Belp wird während der WM zur WM-Lounge mit
südafrikanischen Spezialitäten. Die Präriebar Belp
zwischen Viehweid und Flughafen zeigt die Spiele ab Viertelfinal.
pd/wrs
------------------------------------
BIG BROTHER SPORT
------------------------------------
sf.tv 11.6.10
Fussball-WM: Hooligans müssen sich in Acht nehmen
Gewalttätige Fussballfans in der Schweiz müssen
aufpassen, dass sie die WM-Spiele nicht nur bei sich zu Hause am
Fernsehen anschauen dürfen. Denn auch der Zugang zu
Public-Viewing-Zonen kann mit einem Rayonverbot belegt werden.
sf/coro
Städte oder Kantone können Public-Viewing-Zonen
für die Fussball-Weltmeisterschaft zu so genannten Rayons
deklarieren und Hooligans mit einem Rayonverbot für diese Zonen
belegen, wie Stefan Kunfermann vom Bundesamt für Polizei fedpol
auf Anfrage von "tagesschau.sf.tv" sagte. Dann dürfen sich die
Betroffenen für eine bestimmte Zeitdauer nicht in dieser Zone
aufhalten.
Bisher wurden in der Schweiz 612 Rayonverbote für Hooligans
verfügt. Gültig sind derzeit 243 derartige Verbote. Diese
werden jeweils von den Behörden der Kantone erlassen, wo die
betroffene Person wohnt oder wo sie an der Gewalttätigkeit
beteiligt war.
Spiele der "Nati" im Ausland sind friedlich
Spiele der Schweizer Nationalmannschaft im Ausland verlaufen
erfahrungsgemäss aber grundsätzlich friedlich.
Gewalttätige Hooligan- und Ultragruppierungen haben laut
Kunfermann meist kein Interesse an der Nationalmannschaft.
Ausreisebeschränkungen werden daher eher für internationale
Spiele im Clubfussball - also bei Spielen der Champions- oder
Europaliga - verfügt.
Fedpol hat deshalb im Zusammenhang mit der Fussball-WM in
Südafrika bisher keine Ausreisebeschränkungen für
Personen verfügt, die in der Hooligan-Datenbank Hoogan registriert
sind. Der Fachbereich Hooliganismus beim Fedpol haben die Kantone,
Städte und die Schweizerische Zentralstelle Hooliganismus aber
darauf aufmerksam gemacht, dass sie Anträge auf
Ausreisebeschränkungen stellen könnten. "Bis dato hat fedpol
aber keine Anträge erhalten", sagte Kunfermann.
Schon mehr als 900 Personen als Hooligans registriert
Inzwischen sind bereits 904 Personen im Informationssystem Hoogan
registriert. Erfasst wurden sie grossmehrheitlich wegen
gewalttätiger Vorfälle im Club-Fussball oder Club-Eishockey.
Englische Hooligans kurz vor WM festgenommen
In Grossbritannien sind vor der Eröffnung der Fussball-WM
fünf polizeibekannte Hooligans festgenommen und in Hausarrest
gesetzt worden. Ihnen
wird vorgeworfen, ihre Reisepässe nicht abgegeben und damit
gegen
gerichtliche Auflagen verstossen zu haben. Nach Polizeiangaben
wird es noch weitere Razzien gegen Hooligans geben.
-------------------
POLICE CH
-------------------
NLZ 11.6.10
Sicherheit
Polizisten schlagen Alarm
red. Die Polizisten in der Schweiz prangern die Missstände
in ihrem Beruf an: zu wenig Leute, zu viele Wochenendeinsätze
wegen Fussball- oder Eishockeyspielen und zunehmender Gewalt. Dies habe
zur Folge, dass die Polizei immer weniger ihre Präventionsaufgabe
wahrnehmen könne, sagt Max Hofmann, Präsident des Verbandes
Schweizerischer Polizeibeamter.
Der Verband setzt sich für die beruflichen Interessen der
Polizisten in der Schweiz ein. Ihm gehören über 23 000
Polizisten an.
Den Polizisten machen nicht nur die Arbeitsbedingungen zu
schaffen, sondern auch die privaten Sicherheitsfirmen. In der Romandie
gibt es bereits mehr private Sicherheitsagenten als Polizisten.
Seite 5
--
Sicherheitsfirmen
"Private sind bald in der Überzahl"
Von Christoph Reichmuth
Zu wenig Polizisten, zu viele Überstunden. Und nun auch noch
Probleme, neue Leute zu finden. Max Hofmann sagt, wo der Hebel
angesetzt werden muss.
Max Hofmann, Polizisten über Überstunden, zu wenig
Personal, wenig Freizeit. Mit Verlaub, das betrifft auch andere
Branchen. Sind die Polizisten einfach Jammeris?
Max Hofmann*: Natürlich nicht. Es gibt aber zwei Dinge, die
unseren Beruf von den anderen Branchen unterscheiden: Das ist zum einen
die Bevölkerung, die sich mehr Sicherheit wünscht. Dafür
brauchen wir aber mehr Leute, zirka 1500 Stellen schweizweit. An
unserem personellen Unterbestand leidet die Prävention. Ich mache
Ihnen ein Beispiel: Oft sind unsere Polizisten nicht in der Lage,
Patrouillenfahrten durchzuführen. Folge davon ist, dass das Risiko
für kriminelle Handlungen steigt, da sich potenzielle Delinquenten
mangels Polizeipräsenz zum Handeln animiert fühlen
können. Wenn wir jetzt nicht endlich handeln und unseren
Personalbestand massiv aufstocken, hinken wir der steigenden
Kriminalität stetig hinterher.
Sie zeichnen nicht gerade ein attraktives Bild des Polizeiberufs.
Das spüren auch gewisse Korps, die Mühe haben, Polizisten zu
rekrutieren.
Hofmann: Tatsächlich gibt es in einigen Kantonen
Rekrutierungsprobleme. Beat Hensler, der Kommandant der Kantonspolizei
Luzern, wollte deshalb, dass auch Ausländer mit einer
C-Bewilligung zum Polizeiberuf zugelassen werden. In Genf hat man das
gemacht, die Probleme lösten sich aber nicht. Also liegt der Kern
des Rekrutierungsproblems woanders.
Wo denn?
Hofmann: Die Polizei arbeitet am Limit, Überstunden
können kaum kompensiert werden - 2006 erreichten alle Korps mit
Ausnahme von Zürich und Aargau 1,2 Millionen Überstunden.
Dadurch fehlt die Zeit der Regeneration. Hinzu kommt eine zunehmende
Gewalt. Diese Mehrbelastung wird aber zu wenig honoriert, die
Löhne sind in unserem Berufsstand in den letzten Jahren quasi
gleich geblieben.
Vielleicht müsste man insgesamt die Anforderungen an die
Polizeikandidaten überdenken: Weshalb soll jemand mit
Tätowierung oder einem Piercing eigentlich nicht Polizist werden
dürfen?
Hofmann: Das wäre eine Alibiübung. Im Kanton Tessin
dürfen Polizisten ja nun eine Tätowierung tragen. Es ist aber
ganz bestimmt nicht so, dass eine Lockerung der Vorschriften
diesbezüglich unseren Beruf wahnsinnig aufwerten würde.
Durch die Probleme der Polizei wittern private Sicherheitsfirmen
ihre Chance. Anstatt sich über Unterstützung zu freuen,
fordert Ihr Verband, die Arbeit dieser Firmen zurückzubinden.
Wieso?
Hofmann: Wir haben nichts gegen private Sicherheitsfirmen, diese
Leute dort machen einen guten Job. Ein Problem bekommen wir aber, wenn
diese Privatfirmen ihre Kompetenzen überschreiten: Es gibt schon
private Firmen, die Personenkontrollen durchführen oder
Asylbewerber zum Flughafen geleiten, in Zürich arbeitet eine Firma
mit Schlagstöcken. Mit Verlaub: Das sind nicht Aufgaben, die
private Firmen erledigen können, bei denen Leute arbeiten, die in
einem Fünftages-Crash-Kurs ausgebildet worden sind.
Was fordern Sie?
Hofmann: Wir wollen eine Konkordatslösung, die für alle
Kantone gilt und die den privaten Sicherheitsfirmen klare Limiten
setzt. Wir haben nichts dagegen, wenn diese Leute Kleinkriminelle
festhalten, bis die Polizei eintrifft oder den Verkehrsdienst bei
Baustellen leiten. Wenn wir aber sehen, dass solche Leute mit
Schlagstöcken bewaffnet Kriminellen hinterherjagen, macht uns das
Sorgen.
Es gibt schweizweit 14 000 Sicherheitsagenten bei 16 000
Polizisten, in der Romandie hat es sogar mehr Sicherheitsagenten als
Polizisten. Die Rahmenbedingungen bei solchen Firmen scheinen
attraktiver zu sein.
Hofmann:
Es scheint so, dass dort bessere Konditionen zu einem geringeren
Risiko angeboten werden. Dem muss die Politik nun den Riegel schieben,
sonst sind private Sicherheitsfirmen schon bald in der Überzahl
und wir in der Unterzahl.
Hinweis: * Max Hofmann ist Präsident des Verbandes Schweizer
Polizeibeamter (VSPB).
christoph.reichmuth@neue-lz.ch
--
DV in Luzern
Polizisten beklagen Berufs-Missstände
Unterbestände, regelmässige Wochenendeinsätze
wegen Fussball- oder Eishockeyspielen, zunehmende Gewalt: Polizeibeamte
wollen nicht länger die Prügelknaben sein. Gestern Donnerstag
und heute Freitag wollen sie deshalb an der Delegiertenversammlung in
Luzern die Missstände in ihrem Berufsstand bekämpfen.
Der Verband der Polizeibeamten setzt sich für die
beruflichen Interessen der Polizisten in der Schweiz ein. In 69
Sektionen sind über 23 000 Mitglieder im Verband organisiert.
---
20 Minuten 11.6.10
Polizisten: "Jetzt reichts"
LUZERN. Personalmangel, Überstunden, Gewaltattacken - die
Vertreter des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamten VSPB haben
gestern an der Delegiertenversammlung in Luzern ihrem Unmut Luft
gemacht. Unter dem Motto "Es reicht!" forderte der Verband eine
Aufstockung der Polizeibestände um 15 Prozent. Mit 2,3 Polizisten
pro tausend Einwohner hat die Schweiz im europäischen Vergleich am
wenigsten Polizeikräfte. Die Folge sind Unmengen von
Überstunden: "Es kann nicht sein, dass wir unsere Freizeit
hergeben, welche unserer Gesundheit, unserer Erholung und unseren
Familien zugute kommen sollte", sagte VSPB-Präsident Heinz
Buttauer vor rund 300 Delegierten. Ausserdem wurde eine aktive
Unterstützung bei Gewalt gegen die Polizei gefordert sowie die
Eindämmung der Aktivitäten privater Sicherheitsdienste. Heute
verabschiedet der VSPB eine entsprechende Resolution.
---
presseportal.ch 10.6.10
"Wir wollen nicht länger die Prügelknaben sein!"
240 Polizistinnen und Polizisten diskutieren in Luzern
Luzern (ots) - Es gibt viele Gründe, wieso der Polizei-Beruf
zurzeit wenig attraktiv scheint: Massive Unterbestände in
praktisch allen Korps, regelmässige Wochenend-Einsätze zur
Sicherung von Fussball- oder Eishockey-Spielen, immer mehr Gewalt und
Drohungen gegen Beamte sowie Defizite bei der Überstundenregelung
und keine flexiblen Pensionierungsmöglichkeiten sind nicht
unbedingt motivierend. Zudem werden immer öfters staatspolitisch
sensible Aufgaben an Sicherheitsfirmen ausgelagert. Ein Zustand, der
sowohl Politikern als auch den Einwohnerinnen und Einwohnern dieses
Landes zu denken geben sollte. Deshalb sagen wir: Es reicht! Heute und
morgen werden rund 240 Polizistinnen und Polizisten als Delegierte
ihrer Sektionen aus der ganzen Schweiz zusammen mit Gästen
über die aktuellen Missstände und
Verbesserungsvorschläge in ihrem Berufsstand diskutieren. Zum
Abschluss der 90. Delegiertenversammlung des VSPB ist auf Freitagmittag
die Verabschiedung einer Resolution geplant. Der Verband
Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) setzt sich für die
beruflichen Interessen der Polizistinnen und Polizisten in der Schweiz
ein. In 69 Sektionen sind über 23'000 Mitglieder im VSPB
organisiert und knapp 95 Prozent der im Service Public angestellten
Polizistinnen und Polizisten.
Fotos und weitere Informationen über die
Delegiertenversammlung werden laufend zur freien Verfügung
(Quellenangabe erbeten) aufgeschaltet:
http://www.presseportal.ch/go2/www.vspb.ch/de
ots Originaltext: Verband Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB
Internet: www.presseportal.ch
--
Stoppt die GWK-Abschaffer!
Bern (ots) - Verschiedene Exponenten aus Politik und Polizei wollen das
Grenzwachtkorps (GWK) aufteilen und in die kantonalen Polizeikorps
integrieren. Diesem Ansinnen hat der Kongress der Gewerkschaft garaNto
am 10.06.2010 eine klare Absage erteilt. Angeführt wird die
Allianz der "GWK-Abschaffer" durch die St. Galler Regierungsrätin
Karin Keller-Sutter. Sie wagt sich am weitesten vor: Sie unterstellt
gar, mit der Integration des GWK in die kantonalen Polizeikorps
wären die Steuergelder besser investiert als heute. Das ist eine
inakzeptable Behauptung und zielt am eigentlichen Problem vorbei. Im
Zentrum stehen die Unterbestände in den kantonalen Polizeikorps
(1'500 - 3'000 Polizisten) und die föderale Struktur der
Polizeilandschaft Schweiz. Aus Kostengründen scheuen die Kantone
vor einer Aufstockung der Polizeikorps zurück. Zusätzliche
Kosten wollen sie ihren Steuernzahlern nicht zumuten. Ausserdem fehlt
der politische Wille, eine nationale Polizeireserve zu schaffen, zum
Beispiel für Grossereignisse. Da kommt eine inszenierte Diskussion
über die Aufteilung des GWK auf die Kantone gerade recht: Die
Kantone könnten so - ohne Kostenfolge - ihre Polizeibestände
substanziell erhöhen und gleichzeitig eine nationale
Polizeireserve schaffen, zu Lasten der Eidg. Zollverwaltung (EZV) und
der Sicherheit an der Grenze. garaNto hat kein Verständnis
dafür, dass auf dem Buckel des Grenzwachtpersonals - in
beleidigender Art und Weise - Verteilkämpfe zwischen Bund und
Kantonen ausgetragen werden. Das GWK ist Teil der EZV und damit des
Eidg. Finanzdepartementes. So muss es auch bleiben. Es leistet zu 90 %
Zollaufgaben und nur zu 10 % Polizeiaufgaben. Letztere jedoch immer im
Zusammenhang mit auf dem Zollgesetz beruhenden Aufgaben und
gestützt auf Vereinbarungen mit den Kantonen. Massgebend sind
folglich die Synergien zum zivilen Zoll und nicht jene zu den
kantonalen Polizeikorps. Das ist nicht Theorie, sondern Praxis. Die
GWK-Abschaffer können das jederzeit vor Ort überprüfen.
---
Zofinger Tagblatt 10.6.10
Wirksame Mittel gezielt einsetzen
Zofingen Aktive Schweizerische Polizeitechnische Kommission
Heute und morgen tagt im Zofinger Rathaus die Fachgruppe AT
(Allgemeine Technik) der Schweizerischen Polizeitechnischen Kommission
(SPTK). Organisator ist Hptm André Zumsteg, Abteilungschef der
Kapo West.
Schweizerische Polizeitechnische Kommission (SPTK) heisst ein
Ausschuss von kantonalen und städtischen Polizeikommandanten. Drei
Fachgruppen untersuchen, prüfen und bewerten Logistik-,
Kommunikations- und Führungssysteme sowie Informatikmittel. Sie
erarbeiten Empfehlungen und Richtlinien und koordinieren die
Bedürfnisse der Schweizer Polizei.
Getragen von der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der
Schweiz (KKPKS) und der Schweizerischen Vereinigung der
städtischen Polizeichefs (SVSP), tritt die SPTK kaum an die
Öffentlichkeit. Ihre Spuren findet, wer Bot-schaften und
Vernehmlassungen kantonaler Regierungen liest, sofern sie sich mit
grösseren polizeilichen Projekten beschäftigen.
Je eine Fachgruppe kümmert sich um "Allgemeine Technik"
sowie um "Über-mittlung und Elektronik". Die Fachgruppe
"Informatik" bearbeitet zusammen mit dem Bundesgremium für die
Planung, Projektsteuerung und Standardisierung in der polizeilichen
Informationsverarbeitung (PPS) verschiedene Projekte, um Applikationen
auf Stufe Europa, Bund, Kantone und Gemeinden kompatibel zu machen,
also technische Mauern abzubauen.
Was leistet die SPTK?
Die SPTK vermag zu überzeugen. Sie stützt
Stellungnahmen breit ab und bezieht jedes erreichbare Fachwissen mit
ein. So wirkte sie mit bei der Entwicklung der neuen, inzwischen
eingeführten Polizeimunition. Diese krankt nicht an den Nachteilen
der herkömmlichen, für den Krieg entwickelten
VolImantelgeschosse, die den menschlichen Körper glatt
durch-schlagen und nach Fehlschüssen zu Querschlägern
verkommen. Sie deformiert sich beim Aufprall, zerlegt sich aber nicht
in völkerrechtlich verpönter Weise.
Die SPTK ersinnt tragfähige Kompromisse, indem sie sich mit
ausländischen Erfahrungen auseinandersetzt. Das bewährte sich
im Streit um das Destabilisie-rungsgerät, den "Taser". Der
ermöglicht der Polizei einerseits, mitunter vom Gebrauch der
Schusswaffe abzusehen, weshalb der Verzicht auf dieses mildere Mittel
der Verhältnismässigkeit widerspricht. Anderseits legen im
Ausland heftig diskutierte Einsätze eine gewisse Missbrauchsgefahr
nahe, indem unerfahrene Funktionäre versucht sein können, zu
früh nach dem Taser zu greifen. Die SPTK erarbeitete als
Lösung, dass einzig Spezialformationen mit besonderer Ausbildung
diese Mittel verwenden.
Die SPTK verbindet. Sie trug bei zum Durchbruch des Projektes
"POLYCOM". Dank diesem können Polizeikorps untereinander und mit
allen "Blaulichtorganisationen" drahtlos Verbindung halten. Für
den Sprechfunk ist das in weiten Teilen der Schweiz bereits
Wirklichkeit. - Die SPTK geniesst keine Weisungsbefugnis, aber hohe
Autorität. Sie trägt wesentlich zur Beruhigung bei, indem
sie, nachdem eine Lösung gefunden ist, es übernimmt,
Informationen über tatsächliche Einsätze zu sammeln und
aufzubereiten. (pd)
------------------------------
RAUSCHKNAST BS
-----------------------------
20 Minuten 11.6.10
Basler Regierung prüft neue Ausnüchterungszellen
BASEL. Das Parlament hat sich gestern entschieden,
Ausnüchterungszellen nach dem Zürcher Vorbild prüfen zu
lassen.
"Rund 1500 Sturzbetrunkene schlafen jedes Jahr auf der
Notfallstation oder in den Ausnüchterungszellen der Polizei ihren
Rausch aus", erklärt SVP-Grossrat Lorenz Nägelin. Dies binde
dringend benötigtes Personal und koste den Kanton jährlich
Millionen. "Es ist nicht richtig, dass die Allgemeinheit dafür
zahlen muss, wenn einer zu viel gesoffen hat", so Nägelin, der
selber als Rettungssanitäter arbeitet. Als Zürich im
März ein Pilotprojekt mit speziellen Ausnüchterungszellen
startete, wurde er hellhörig. Die Kosten müssen die
Betrunkenen selber berappen: 600 Franken kostet ein Kurzaufenthalt, 950
eine Nacht. Dabei werden sie von privatem medizinischem Personal und
Sicherheitspersonal überwacht. Das "Angebot" wird rege genutzt:
"Wir sind jedes Wochenende gut ausgelastet", so Polizeisprecherin
Judith Hödl.
Nun prüft auch der Basler Regierungsrat dieses Konzept. Der
Grosse Rat hat gestern einen entsprechenden Anzug Nägelins mit 37
zu 36 Stimmen überwiesen. Dagegen stimmten vor allem die SP und
die Grünen, die die heutige Variante für praktischer halten.
Und auch Polizeikommandant Gerhard Lips hegt Zweifel an der Idee: "Wenn
man sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis anschaut, drängt sich
so etwas nicht auf", so Lips.
Jonas Hoskyn
-------------------------
SANS-PAPIERS
-------------------------
Blick am Abend 10.6.10
Illegale sollen bleiben
Ausländer
Sie leben versteckt und haben kaum Rechte: Jetzt zeigt
Zürich Herz und will, dass Sans Papiers bleiben dürfen.
Der Zürcher Gemeinderat gibt sich von der menschlichen
Seite: Er fordert Bundesbern mit 59 zu 58 Stimmen auf, illegal
anwesende Ausländer zu legalisieren. Sans Papiers (Papierlose)
leben versteckt, das heisst, sie weichen den Behörden aus, weil
sie gar keine Aufenthaltsbewilligung haben. Wenn überhaupt
arbeiten sie als Handlanger oder im Putzgewerbe. Je nach Schätzung
leben 70 000 bis 100 000 Sans Papiers in der Schweiz.
Der Gemeinderat sprach sich für den Vorstoss der SP aus,
weil diese Leute das Land so oder so nicht mehr verliessen. Damit die
Schweiz aber nicht ein falsches Zeichen setze und noch mehr
Ausländer ohne Aufenthaltsbewilligung anziehe, hat der Gemeinderat
beschlossen, dass der Legalisierungsakt einmalig bleiben müsse.
Der Vorstoss ist allerdings nur eine Anregung für Bern, denn
entsprechende Verordnungen können nur in Bern gemacht werden. mip
---
Langenthaler Tagblatt 11.6.10
Gegen Lehren für junge Sans-Papiers
Grosser Rat Bern sendet kein positives Zeichen an Ständerat
Sollen junge Sans-Papiers nicht nur Gymnasien, sondern auch
Lehren absolvieren können? Corinne Schärer (Grüne/Bern)
verlangte gestern von der Regierung zu prüfen, wie sichergestellt
werden könne, dass auch junge Ausländer ohne Papiere durch
gute Ausbildung für ihre wirtschaftliche Existenz selber aufkommen
könnten. SP und Grünliberale kritisierten zudem die
Ungleichbehandlung - zahle Bern doch etwa für den Gymer-Unterricht
von Sans-Papiers-Jugendlichen.
Für die SVP gibts "nur eine Lösung: Illegale sofort
ausweisen", so Erich Hess (Bern). Christian Hadorn (Ochlenberg)
fügte an: "Es gibt immer einen legalen Weg, wenn Ausländer
sich engagieren, um hier zu bleiben." FDPler mahnten, der Bund sei
bereits am Thema dran; nächste Woche entscheide der
Ständerat. Die EDU war gespalten; das Herz sage Ja, der Verstand
Nein. Samuel Leuenberger (BDP/Trubschachen) sagte, die "stete
Ausreizung des Rechtssystems durch Linke" fördere das Gegenteil.
"Irgendwann kippt die Stimmung im Volk, und die Bedingungen werden
unverhältnismässig verschärft."
Da sie vor dem Bund "kein negatives Signal" senden wollte, zog
Schärer den Vorstoss "konsterniert und enttäuscht"
zurück. (sat)
----------
WM
----------
WoZ 10.6.10
Weltmeisterschaft - Protest vor dem Zürcher Fifa-Hauptsitz gegen
Zwangsumsiedlungen, schlechte Arbeitsbedingungen und Verbote für
StrassenhändlerInnen in Südafrika.
Sepp Blatter verwarnt
Von Carlos Hanimann
Sepp Blatter ist mal wieder ausser Haus. Als am Dienstagvormittag
rund ein Dutzend Menschen einen riesigen Fussball mit 4,5 Meter
Durchmesser vor den Fifa-Hauptsitz auf dem Zürichberg her anrollt,
weilt der Präsident des Weltfussballverbands bereits in
Südafrika, im Hotel Michelangelo Towers in Johannesburg. Auch
sonst ist niemand hier, um die Delegation zu empfangen. Aber der Ball,
so hat die Fifa schriftlich mitgeteilt, dürfe beim Empfang
abgegeben werden.
Den überdimensionalen Ball hat das Schweizerische
Arbeiterhilfswerk (SAH) mitgebracht. Er steht symbolisch für rund
14 000 Unterschriften, die das SAH in den vergangenen sechs Wochen
gesammelt hat, eine Petition "gegen die Ausbeutung" an der Fussball-WM.
Zeigen Sie Sepp Blatter die gelbe Karte, heisst die Kampagne. Es ist
eine Verwarnung an die Adresse der Fifa, eine gelbe Karte, auf dass
sich der Weltfussballverband künftig verantwortungsbewusster zeige.
Wenn am Wochenende die Fussballweltmeisterschaft in Johannesburg
beginnt, dann werden über 90 000 Fussballfans im Soccer City
Stadion Platz finden. Es ist nur eines der zehn Stadien, die für
die WM um- beziehungsweise neu gebaut werden mussten. Die Bauarbeiten
lösten einen Wirtschaftsaufschwung aus, die grossen Baufirmen
konnten ihre Gewinne im Vorfeld der WM verfünffachen. Doch gerade
die Um- und Neubauten der Stadien sorgten in Südafrika für
viel Unzufriedenheit: Tiefe Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen
waren die Regel. Zusammen mit internationalen Gewerkschaften und
Hilfsorganisationen lancierte das SAH deshalb im Jahr 2007 die Kampagne
"Fair Games - Fair Play" für bessere Arbeitsbedingungen in den
WM-Städten.
Schweizer Gewerkschaften vor Ort
Vor zwei Monaten reiste eine Delegation von GewerkschafterInnen
nach Südafrika, um sich vor Ort vom Ergebnis dieser Kampagne zu
überzeugen - und um die Kampagne an Brasilien
weiterzugeben, wo 2014 die nächste Weltmeisterschaft stattfindet.
Mit dabei waren auch SAH-Präsident und SP-Nationalrat
Hans-Jürg Fehr und SAH-Kampagnenkoordinator Joachim Merz.
Rückblickend sind beide zufrieden mit der Kampagne. "Anfangs sah
es sogar sehr gut aus", sagt Hans-Jürg Fehr. "Im Frühling
2008 empfing Sepp Blatter in Zürich eine Delegation aus
Südafrika und Schweizer Vertreter der Gewerkschaft Unia und des
SAH. Die Fifa erklärte, dass sie sich für bessere
Arbeitsbedingungen einsetzen werde." Aber es sei bei
Lippenbekenntnissen geblieben.
"Blatter versprach, er werde unsere Anliegen an das
Organisationskomitee in Südafrika weiterleiten", sagt Joachim Merz
vom SAH. Er habe auch versprochen, dass die Tür für den
Dialog weiterhin offen bleibe. "Aber dann krebste die Fifa
zurück." Als eine Delegation von GewerkschafterInnen nach
Südafrika reiste, um die Stadien zu inspizieren, durften sie zwar
das Soccer City Stadium in Johannesburg betreten.
Zutritt erst nach Streik
Daniel Jordaan, der Chef des WM-Organisationskomitees, habe den
GewerkschafterInnen aber gleich erklärt, dass es ihnen nicht
erlaubt sei, Fragen zu stellen. Die Inspektion eines zweiten Stadions
sei der Delegation dann gar nicht mehr erlaubt worden, erzählt
Joachim Merz. Erst als die Arbeiter in einem dritten Stadion streikten,
erhielt die Delegation noch einmal Zutritt.
Die Kampagne in Südafrika ist abgeschlossen - mit einigem
Erfolg: Die Löhne der ArbeiterInnen in den Stadien konnten um
dreissig Prozent erhöht werden (auch wenn sie mit 3000 Rand, rund
450 Franken, noch immer unter der gewerkschaftlichen Forderung von 4000
Rand liegen), die Bauarbeiter Innen erhielten
Transportentschädigungen, und die Gewerkschaften konnten knapp 10
000 Neumitglieder gewinnen. Doch während die Fifa und die grossen
Sponsoren der WM viel Geld verdienen, bleiben zahlreiche Probleme
bestehen: Strassenhändler beispielsweise, die sich von der WM
Zusatzeinnahmen erhofften, dürfen in einem Umkreis von 800 Metern
rund ums Stadion keine Waren verkaufen (vgl. Seite 14). Die Zone ist
den Sponsoren vorbehalten. Die Menschen, die in Armenvierteln um die
Stadien lebten, wurden in Blechhütten an die Stadtränder
verfrachtet. "Die Fifa hat diese Leute nicht eigenhändig
umgesiedelt", sagt Ruth Daellenbach, die Geschäftsleiterin des
SAH. "Aber sie kann ihren Einfluss geltend machen, um dies künftig
zu verhindern." Auch Joachim Merz erwartet von der Fifa im Hinblick auf
die WM 2014 mehr Engagement. Die Fifa müsse beispielsweise faire
Löhne bereits im Ausschreibeverfahren für Bauaufträge
als Bedingung festhalten.
Dann rollen Daellenbach und Merz mit einem Dutzend
SympathisantInnen den überdimensionalen Fussball vor den
Fifa-Palast. "Der Ball liegt nun bei Blatter."
----------------------------
APARTHEID-CH
----------------------------
WoZ 10.6.10
FUSSBALL-WM-Das Beispiel von Nationalmannschaftssponsor Credit Suisse
zeigt, wie wenig die Apartheidunterstützung der Schweiz im
öffentlichen Bewusstsein vorhanden ist.
Ein Team. Eine Bank.
Von Kaspar Surber
So heisst der Werbeslogan der Credit Suisse zur Fussball-WM: "Ein
Land. Ein Team. Eine Bank." Im Vorfeld der WM wurden 10 000
Natitrikots ver lost - mit dem CS-Logo drauf. In den Sta di
en der "Fifa-Fussball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010(tm)"
wird Leibchenwerbung zwar verboten sein. Dafür wird die CS als
einer von drei Sponsoren die Übertragungen am Schweizer Fern sehen
präsentieren.
Die Credit Suisse, ehemals Kreditanstalt, ist seit 1993
Hauptsponsorin des Schweizerischen Fussballverbandes. Das Unternehmen
war allerdings auch, um es mit Mascha Madörin zu sagen, eines der
"Helfer der Apartheid". In ihrem gleichnamigen Buch schreibt die
Ökonomin: "Bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit hatten die
Schweizer Grossbanken die Federführung und setzten ihre Interessen
gegenüber allen Einwänden durch."
Aktensperre bis heute
2005 ist der Schlussbericht eines Nationalfondsprojekts zu den
Beziehungen Schweiz-Südafrika erschienen. Geleitet hatte es der
Historiker Georg Kreis. In den Folgerungen heisst es klipp und klar:
"Dass sich die Schweiz der Sanktionsbewegung nicht anschloss,
insbesondere wegen des Kapitalexportes und der Abnahme des
südafrikanischen Goldexportes, hatte den Apartheidstaat mit seinen
kredithungrigen Staatsbetrieben und seinen hohen Staatsausgaben
gestützt und gestärkt und somit begünstigt." Die
Einrichtung eines Goldpools in Zürich, die Umgehung einer
Kapitalexportbeschränkung sowie eine Umschuldungsmission durch den
ehemaligen Nationalbankchef Fritz Leutwiler - all dies geschah auf
Betreiben der drei damaligen Grossbanken Bankgesellschaft, Bankverein
und eben Kreditanstalt. Was sagt die Credit Suisse heute zu ihren
Verstrickungen? "Der Credit Suisse Group eine Mitverantwortung für
die Ungerechtigkeiten der Apartheid zuzuweisen, entbehrt jeder
Grundlage und wird von den Fakten in keiner Weise gestützt. Es
besteht kein Zusammenhang zwischen dem Vorgehen der Apartheidregierung
gegen die schwarze Bevölkerung Südafrikas und der
Geschäftstätigkeit der Credit Suisse Group in Südafrika."
Nun entbehrt diese Antwort zumindest einer Grundlage,
nämlich des Zitats von Kreis. Dass sie im Jahr 2010 so gegeben
werden kann, zeigt: Wohl ist die Apartheidgeschichte in den letzten
Jahren ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Weit weniger ist
es aber die Schweizer Beteiligung. Und das hat wieder direkt mit den
Banken zu tun: 2002 wurden in den USA 23 Konzerne wegen
Menschenrechtsverletzungen während der Apartheid angeklagt,
darunter auch die CS und die UBS. Just als das Nationalfondsprojekt
begann. Auf Druck "interessierter Kreise der Wirtschaft" verhängte
der Bundesrat 2003 eine bis heute gültige Aktensperre. Damit war
die Forschung stark eingeschränkt. Zum Finanzplatz "fehlen die
wichtigen dreissig Jahre von 1960 bis 1990".
Im April 2009 liess eine New Yorker Richterin gegen fünf
Konzerne Klagen zu: Daimler, Ford, General Motors, Rheinmetall, zu der
die einstige Rüs tungssparte von Oerlikon-Bührle gehört,
sowie IBM. "Mangels Unterlagen konnte den Banken keine direkte
Unterstützung von Verbrechen im Apartheidsystem nachgewiesen
werden", sagt Barbara Müller von der Kampagne für Entwicklung
und Entschuldung im südlichen Afrika.
In der Hälfte abgeblockt - das ist die Bilanz der Forschung
zu den Schweizer Beiträgen an die Apartheid. Anders in
Deutschland: Dort läuft vor der WM eine Kampagne gegen Daimler,
den Sponsor des Nationalteams. "Der Spiegel" widmete ihr eine
mehrseitige Reportage.
Multikulti auf dem Fussballplatz
Man mag einwenden: Die Schweiz hat sich in den letzten zwanzig
Jahren stark verändert. Wozu die Beschäftigung mit der alten
Geschichte?
Tatsächlich heissen die Natispieler nicht mehr Egli oder
Sutter, sondern Derdiyok oder Shaqiri. Zumindest auf dem Fussballplatz,
wo die geschossenen Tore mehr zählen als die soziale Herkunft, ist
die Schweiz zur multikulturellen Gesellschaft geworden. Aber sonst?
Zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung klafft mit Burkaparanoia und
Ausschaffungswahn eine beträchtliche Lücke. Vielleicht hat
sie mit dieser unbewältigten Geschichte zu tun, die vom
Überlegenheitsdenken berichtet. Und von der nicht nur die Credit
Suisse nichts mehr wissen will, weil sie ja sowieso nicht dabei war.
--
APARTHEIDVERGANGENHEIT - Die Auseinandersetzung um Südafrika sei
der Schweizer "Entkolonialisierungsprozess", sagt die Ethnologin und
Aktivistin Barbara Müller. Wegen einer Aktensperre bleibt er
blockiert.
Doppelt unerledigte Geschäfte
Interview: Kaspar Surber
WOZ: Im Zusammenhang mit der Apartheidvergangenheit
Südafrikas ist oft von einem "Unfinished Business" die Rede. Was
ist unter diesen unerledigten Geschäften zu verstehen?
Barbara Müller: Der Begriff wurde in Südafrika selbst
geprägt, vom Journalisten Terry Bell und dem Chefermittler der
Wahrheits- und Versöhnungskommission, Dumisa Ntsebeza. Die beiden
kritisierten in einem Buch, dass die Forderungen nach Wiedergutmachung
durch die Versöhnungskommission nicht erfüllt sind, und die
Strukturen der Apartheid fortwirken. In einer ers ten Phase des neuen
Südafrika hatte Präsident Thabo Mbeki, unter politischem und
wirtschaftlichem Druck ausländischer Investoren, auch aus der
Schweiz, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen wollen.
Welche Strukturen der Apartheid wirken fort?
Beispielsweise die räumliche Separation zwischen Schwarzen
und Weissen, die heute eine Trennung von Arm und Reich ist. Wir haben
Ende Mai im Romero-Haus in Luzern eine Tagung mit zahlreichen jungen
Akademikerinnen und Aktivisten auch aus Südafrika
durchgeführt. Sie haben prononciert auf das Thema Armut
hingewiesen: Bis 2014 sollten dreissig Prozent des Landbesitzes neu
verteilt werden. Bisher sind davon erst fünf Prozent verteilt
worden.
Wie steht es mit der Schweizer Unterstützung des
Apartheidregimes? Ist auch dieses Geschäft unerledigt?
Ich würde sogar sagen, es sei doppelt "unfinished": Die
Geschichte ist nicht fertig aufgearbeitet, und sie wurde trotz der
skandalösen Forschungsresultate nicht offiziell kommentiert. Zwar
wurden die Beziehungen der Schweiz zu Südafrika von 1948 bis 1994
in einem Nationalfondsprojekt untersucht. Doch wegen einer Aktensperre
reicht der Bericht kaum über die siebziger Jahre hin aus. Der
Bundesrat hat den Bericht an zwei Sitzungen diskutiert, er wollte aber
keine Stellungnahme dazu abgeben.
Das war 2005, als die Apartheidfreunde Christoph Blocher und
Hans-Rudolf Merz zusammen im Bundesrat sassen.
Herr Blocher und Herr Merz wollten vom Bericht sicher nichts
wissen: Blocher war Gründungspräsident der
apartheidfreundlichen Lobby-Gruppe "Südliches Afrika", Merz
führte als Wirtschaftsberater zahlreiche Mandate in der
Apartheidzeit aus. Deswegen wurde er 2002 nicht FDP-Präsident.
Offenbar gab es damals einen kurzen Zeitraum, in dem solche Beziehungen
skandalisierbar waren. Ein Jahr später wurde er zum Bundesrat
gewählt.
Wie kam es zur Aktensperre?
Die Opferorganisation Khulumani, die 58 000 Mitglieder umfasst,
hat im Jahr 2002 Klagen gegen 23 Konzerne angestrengt, die sich in der
Apartheidzeit Menschenrechtsverletzungen schuldig machten, darunter
auch die Vorgängerbanken der jetzigen Credit Suisse und der UBS.
Auf Druck der Grossbanken wurden 2003 die Akten, die
Südafrika be treffen, im Bundesarchiv gesperrt -
mitten in der laufenden Forschungsar beit, damit keine Beweise gefunden
werden konnten. Die Finanzinstitute wurden mittlerweile von den Klagen
ausgenommen, weil ihnen Menschenrechtsverletzungen schwieriger direkt
nachzuweisen sind als beispielsweise einem Autobauer wie Daimler
Chrysler, der dem Regime Truppentransporter lieferte. Die Akten im
Bundesarchiv sind trotzdem weiter gesperrt.
Auch wenn die Geschichte nicht fertig aufgearbeitet ist - welches
waren die wichtigsten Unterstützungsleistungen an das
Apartheidregime?
Wirtschaftlich ist sicher die Einrichtung eines Goldpools 1968 in
Zürich zu erwähnen: In Spitzenzeiten liefen achtzig Prozent
des südafrikanischen Goldhandels über die Schweizer
Grossbanken. Man muss von einer engen Freundschaft, einer eigentlichen
Komplizenschaft reden: Weil die internationalen Boykotte gegen das
Regime zunahmen, wurde die Kategorie "Schweiz" aus den Statistiken der
südafrikanischen Nationalbank gestrichen. Dies auf Antrag der
hiesigen Grossbanken. Die grösseren Industriebetriebe waren alle
in Südafrika tätig. Auch im militärischen und
wissenschaftlichen Bereich gab es zahlreiche Kooperationen, etwa mit
Waffenlieferungen und in der Nukleartechnik.
Wie ist diese Komplizenschaft entstanden?
Mit der Einführung der Apartheid 1948 bot sich der Schweiz
die Gelegenheit, ihren Aussenhandel auszudehnen: Wegen der
Machtergreifung der burischen Nationalpartei zogen sich die britischen
Firmen zurück. Und im Commonwealth stiess die Rassentrennung
zunehmend auf Kritik. Die Schweiz hatte die Buren schon im Krieg gegen
die Briten im 19. Jahrhundert mit Geldsammlungen unterstützt:
Offenbar sah man Gemeinsamkeiten in der kleinstaatlichen,
traditionsbewussten Mentalität. Später nahmen
südafrikanische Militärs bei uns auch an Waffenläufen
teil.
Sie haben selbst am Nationalfondsprojekt mitgearbeitet und sind
dabei zum Schluss gekommen, dass es nicht nur wirtschaftliche und
militärische Verbindungen zum Apartheidregime gab, sondern auch
ideologische.
In den Berichten der Botschafter zeigt sich, dass sie sich
ausschliesslich auf die offizielle Politik konzentrierten und keinen
Kontakt hatten zur schwarzen Bevölkerung. Südafrika wurde,
sicher bis in die sechziger Jahre, als "Bastion des weissen Mannes"
wahrgenommen. Die Schweizer Diplomatie unterstützte
paternalistische Konzepte: Dass die Schwarzen noch nicht reif genug
seien und erst an die Demokratie herangeführt werden müssten.
Die Schweiz hat sich nie hinter die Forderung "ein Mensch - eine
Stimme" gestellt. Letztlich wurde die Auseinandersetzung um das
Verhältnis der Schweiz zum Apartheidstaat Südafrika zu
unserem "Entkolonialisierungsprozess": Zu keinem aussenpolitischen
Thema gab es im Parlament so viele Vorstösse, auch die Kirchen
waren heftig zerstritten.
Südafrika als Schweizer Kolonie?
Die Schweiz hat sich auf jeden Fall am globalen kolonialen
Projekt beteiligt, wirtschaftlich wie mental. Darüber hin aus war
Südafrika das gelobte Land, zur Auswanderung und dem Tourismus.
Erst die Auseinandersetzung um die Apartheid hat die Schweiz gezwungen,
sich grundlegenden Fragen beispielsweise des Völkerrechts zu
stellen und einen neuen Platz in der Welt zu suchen. Das zeigt sich
etwa in jüngeren Verlautbarungen des Aussendepartementes, wenn von
"unseren Erfahrungen" mit Menschenrechtsverletzungen die Rede ist:
Gemeint damit sind der Holocaust und die Apartheid.
Vom Verschwinden des Goldes aus der Statistik bis zur Sperre der
Ak ten - kann man von einer Kontinuität der Vertuschung und
Verdrängung sprechen?
Ganz bestimmt. Sicher ist in der Aufarbeitung vieles passiert.
Aber noch ist der "Entkolonialisierungsprozess" nicht abgeschlossen.
Das Überlegenheitsdenken ist auch regelmässig in den
fremdenfeindlichen Diskussionen spürbar.
Literaturtipp: Mascha Madörin: "Helfer der Apartheid oder
‹Verlässliche Freunde›. Wie die Schweizer Banken das
südafrikanische Apartheid-Regime stützten". edition 8.
Zürich 2008. 144 Seiten, 22 Franken.
--
BARBARA MÜLLER
Barbara Müller (60) ist Koordinatorin der Kampagne für
Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika (Keesa)
und war eine der ForscherInnen im Nationalfondsprojekt
Schweiz-Südafrika. Die Keesa ist eine Koalition von NGO und
kirchlichen Organisationen und kämpft für die Auf arbeitung
der Beziehungen der Schweizer Politik und Wirtschaft zum
Apartheidregime. Sie unterstützt Khulumani, die
südafrikanische Organisation der Apart heidopfer, in ihren
Forderungen nach Entschädigung und Anerkennung.
------------
WWW
-----------
WoZ 10.6.10
World Wide Web-Im gigantischen Speicher des Internets geht nichts
unter. Kommt es zum Kräftemessen zwischen menschlicher und
maschineller Intelligenz?
Googles gnadenloses Gedächtnis
Von Eduard Kaeser (Text) und Patric Sandri (Illustration)
Ireneo Funes, der traurige Held in Jorge Luis Borges' Kurzgeschichte
"Das unerbittliche Gedächtnis", besitzt nach einem Reitunfall eine
Gabe, die eher wie ein Fluch auf ihm lastet. Er leidet unter einer Art
von "Total Recall": Funes lernt mühelos neue und alte Sprachen,
prägt sich jede autobiografische Einzelheit ein, liest Plinius im
Original und kann komplexe visuelle Szenen nahezu fotografisch
erfassen. "Ich vermute, dass er zum Denken nicht sehr begabt war",
urteilt Borges über sein Geschöpf. "Denken heisst,
Unterschiede vergessen, heisst verallgemeinern, abstrahieren. In der
vollgepfropften Welt von Funes gab es nichts als Einzelheiten, fast
unmittelbarer Art."
Borges' Erzählung erschien erstmals 1942. Und sie mutet auf
unheimliche Weise wie eine Vorwegnahme unseres Zeitalters an. Funes,
das ist Google in Menschengestalt.
"Das Netz vergisst nie"
Andrew Feldmar, ein Psychotherapeut aus Vancouver, schrieb 2001 in
einem wissenschaftlichen Artikel, in den sechziger Jahren einmal LSD
probiert zu haben. Als er fünf Jahre später, wie schon oft,
in die USA einreisen wollte, googelte einer der Grenzbeamten nach
seinem Namen. Die Maschine spuckte den Artikel von 2001 aus. Auf die
Frage des Beamten, ob die Aussage über LSD stimme, bejahte
Feldmar. Woraufhin ihm beschieden wurde, dass er als "Drogenkonsument"
gelte. Er wurde zurückgewiesen und darf seither nur noch mit einer
Sondergenehmigung in die USA einreisen. "The Net Never Forgets" - das
Netz vergisst nie - formulierte der Journalist Joseph D. Lascia schon
1998 in einem hellsichtigen Onlineartikel: "Gesprochene Wörter
verschwanden früher wie Dampf in der Luft; Zeitungen vergilbten
und wurden zu Staub. Heute ritzt sich die Vergangenheit wie ein Tattoo
in unsere digitale Haut."
Das Internet hat sich rasant von einem Mittel der Kommunikation und
Informationsbeschaffung in eine neuartige digitale Öffentlichkeit
transformiert. Sobald wir - und das sind nicht bloss Promis und andere
menschliche Pseudoerscheinungen - daran teilnehmen, verlieren wir
sozusagen einen Teil der Verfügungsgewalt über uns selbst.
Der Netznutzer wird zum Netzbenutzten. Unsere Äusserungen,
Gewohnheiten, Intimitäten und Indiskretionen werden prinzipiell
zugänglich - für Familienangehörige, Freundinnen,
Übelwoller, Personalchefs, Vermieterinnen, Steuerbeamte,
Schnüfflerinnen, Nachsteller.
Was wir auch tun, wir hinterlassen Spuren, in die andere klicken
können. Im Jahre 2007 machte Google publik, dass bis dato jede
einzelne Suchanfrage und jedes nachfolgende Suchergebnis gespeichert
worden seien. Man kann sich das unmöglich vorstellen: Um die
dreissig Milliarden Suchanfragen erreichen Google durchschnittlich im
Monat, die die Maschine archiviert, auf Trends analysiert sowie
demografisch auswertet. Durch geschickte Verknüpfung von
Logindaten, Cookies und IP-Adressen ist es inzwischen möglich, mit
erstaunlicher Präzision Suchanfragen auf individuelle User
einzuengen. Kurz und leidig: Google weiss über jede
Google-Nutzerin mehr, als sie sich zu erinnern vermag, und auch mehr,
als ihr vielleicht lieb ist. Und auf der Basis dieser Vergangenheit
errechnen die Algorithmen unsere monetarisierbare Zukunft. Der
Netzwerktheoretiker Albert Laszlo Barabasi hat jüngst in einer
Studie in "Science" gezeigt, dass sich das Online verhalten eines
Menschen aufgrund der gespeicherten Verbindungsdaten der letzten drei
Monate mit mindestens achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit voraussagen
lasse.
Rosa oder Schwarz?
Mutieren wir alle - aufgerüstet mit dem digitalen
Globalgedächtnis - mehr oder weniger zu Menschen wie Funes? Der in
Harvard lehrende Medienrechtler Viktor Mayer-Schönberger hat in
einem lesenswerten neuen Buch ("Delete") folgende These aufgestellt und
begründet: War früher Vergessen leicht und Erinnern
aufwendig, verhält es sich heute zunehmend umgekehrt - aufgrund
eines gewaltigen technisch-ökonomischen Impulses zur
Digitalisierung und Verbilligung der Speicher und Prozessorenleistung;
Abfragen sind leicht, die Reichweite ist global.
Wie immer treten bei solch grossen technischen Schüben die Rosa-
und die SchwarzseherInnen auf den Plan. Zu den ersten gehören
Ingenieure, die schon seit einem halben Jahrhundert von einem
künstlichen Langzeitgedächtnis träumen. Vannevar Bush,
ein Pionier des Analogrechners, beschrieb 1945 eine perfekte
Erinnerungsmaschine namens "Memex" ("memory extended"), die dem
Menschen nicht nur Zugang und Herrschaft über das Wissen aller
Zeiten verschaffe, sondern in das er sich auch fortführend
einschreiben könne. Heute führt Gordon Bell dieses Projekt
auf digitaler Basis weiter. Sein Ziel ist "Lifelogging", das Verewigen
seines Lebens auf einem Laptop: Bilder, E-Mails, Texte, Telefonanrufe,
aufgezeichnete Gespräche, ein riesiges Sammelsurium an
biografischen Daten. "Ich glaube, das Bestreben des Personal Computer
ist es, das eigene Leben einzufangen", sagte er in einem Interview:
"Ich stelle mir das System als ein persönliches Gedächtnis
vor. Und ich fühle mich ungemein frei, all die Information da zu
haben."
Dieser technologischen Zuversicht steht ein wachsendes politisches
Unbehagen gegenüber. Man könnte es als panoptische Phobie
bezeichnen, in Anlehnung an Jeremy Benthams "Pan opticon", ein Prinzip
des Gefängnisbaus im 19. Jahrhundert, in dem die Wärter die
Insassen kontrollieren, ohne dass diese es merken. Ein
architektonisches Prinzip, das der französische Philosoph Michel
Foucault zur These verschärfte, die Struktur der modernen
Gesellschaft insgesamt gleiche einem Gefängnis: Die meisten
Menschen haben das Überwachtwerden tendenziell verinnerlicht und
handeln so, als ob sie beobachtet würden - auch wenn dies nicht
der Fall ist.
Was heute Gestalt annimmt, ist nicht bloss ein Panopticon über den
Raum, sondern auch über die Zeit. In der digitalen
Öffentlichkeit sind unsere archivierten Worte und Taten über
Generationen hinweg verfügbar. Fälle wie jene von Andrew
Feldmar könnten zur Normalität werden, sodass wir in einer
Art von vorauseilender Wachsamkeit zweimal überlegen, was wir
sagen und was wir tun. Bereits mahnt Google-CEO Eric Schmidt die
UserInnen an, "vorsichtiger darin zu sein, was sie sagen, wie sie
miteinander verkehren, was sie von sich zur Schau stellen". Genau dann
aber, wenn sich solche Selbstzensur unserem Denken und Handeln
aufdrückt, ist das digitale Panopticon gesellschaftliche
Realität geworden. Dann beginnt die Zersetzung der Demokratie von
innen.
Alles ist Kopie
Über Zehntausende von Jahren hinweg galt Erinnern als
Kulturleistung par excellence. Seit den Felsmalereien von Altamira
lagert der Mensch die Gedächtnisfunktionen seines Gehirns aus in
externe Speicher: in Bild, Ritual, Spiel, Zeremonie, Musik, Theater,
Schrift, Film, Architektur, Werkzeug gebrauch. Kulturen sind
kollektive, verkör perte Gedächtnisse - und der Akzent liegt
durchaus auf der Verkörperung.
Das digitale Zeitalter beruht im Grunde auf einem einzigen genialen
Trick: der Übersetzung von einem vieldeutigen in einen eindeutigen
Code. Analoge Erinnerungsmedien - Sprache, Stein, Holz, Wachstafel,
Papier, Textilien, Vinylscheiben, Magnetbänder - sind empfindlich
abhängig von den Eigenschaften der Materie. Analoge Information
verfällt, erodiert, verwittert: Sie "verrauscht" mit der Materie,
die sie trägt. Weil die digitale Codierung nur auf einer simplen
Option - ist eine Markierung da oder ist sie nicht da - beruht, sind
binäre Spuren materieunabhängiger und weniger
rauschanfällig als die analogen. Zwar bringt die Übersetzung
eines Musikstücks in binären Code Qualitätseinbussen mit
sich, aber das einmal digitalisierte Musikstück kann tausendmal
kopiert werden, die Qualität bleibt immer die gleiche,
während Abspielgerät und Ohren sich abnutzen. Und das ist das
Grundmerkmal des neuen digitalen Globalgedächtnisses im Vergleich
zum natürlichen Gedächtnis: Es nutzt sich viel weniger ab. Es
wächst und wächst.
Die binäre Art der Information kennt keinen Unterschied zwischen
Original und Kopie. Alles ist im Grunde Kopie. 2006 sah der
Webvisionär Kevin Kelly durch massenhaftes Scannen von
Büchern einen einzigen riesigen Universaltext entstehen, an dem
alle mitschreiben und aus dem alle ihre Bruchstücke holen
können. Goethes "Faust" neben einem Manual zur Bedienung der
Kaffeemaschine - einerlei. Rekombinieren und Teilen werden
Urheberschaft und geis tiges Eigentum verdrängen. Die Omni
-Kopierbarkeit von Texten, Bildern, Filmen, Musikstücken hat eine
neue Kulturtechnik hervorgebracht - das "Mashup" oder Zermanschen.
Nicht selten wird dieses Mashup unterlegt mit muskulöser
Web2.0-Emanzipations ideologie: Radikaldemokratie, authentische
Gemeinschaft, Kollektivkreativität. Verfügbarkeit ist (neben
Fun) der Leitwert. Und die Netzgeneration geht ohne grosse
Plagiatskrupel damit um. Wer will denn noch sagen: Das ist mein Teil
des Breis?
Die zeitliche Dimension
Es gibt viele Gründe, warum Vergessen wichtig ist. Zum Beispiel,
weil es Spielraum schafft, freien Platz im Kopf. Menschen mit
aussergewöhnlichem Erinnerungsvermögen - es gibt sie
tatsächlich - sind Gefangene ihrer Vergangenheit. Der Journalist
Joseph Foer berichtete 2007 im "National Geographic" über eine
Kalifornierin mittleren Alters, die sich detailscharf - ohne Gordon
Bells digitale Armatur - an ihre Biografie seit dem elften Lebensjahr
erinnert. Nicht im Sinne verflossener Tage, sondern in quälenden
Einzelheiten. Sie erinnert sich, was sie vor drei Jahrzehnten zum
Frühstück ass, wer sie am Sonntag, 3. August 1986, um 12 Uhr
34 anrief. Sie erinnert sich an Weltereignisse, triviale
Einkaufsgänge, an das Wetter, ihre Gefühle. Sie lebt wie
Funes in permanent gegenwärtiger Vergangenheit, die
buchstäblich wie ein Film ihren Alltag überzieht. Statt in
der Gegenwart zu leben, hängt sie vergangenen verpassten Chancen
nach und macht sich Vorwürfe: "Die meisten Leute nennen das, was
ich habe, ein Geschenk, ich nenne es eine Bürde." Die Frau
bezeichnet sich selbst als "verrückt".
Anomalien spiegeln den Normalfall: Wir sind von Kopf bis Fuss auf das
Vergessen eingestellt, als Filter gegen Informationsüberflutung.
Es ist die Knappheit des Speicherraums, die überhaupt erst die
Notwendigkeit des Verknüpfens, Weglassens, Abstrahierens schafft -
will sagen: der Intelligenz. Wem ist ausserdem beim Betrachten alter
Bilder nicht schon die Frage aufgestossen: Bin ich das noch? Wer hat
beim Lesen alter Briefe oder Tagebucheintragungen über
Bekanntschaften nicht schon plötzlich den irritierenden Zweifel in
sich nagen gespürt: Ist das wirklich die Person, mit der ich heute
freundschaftlich verkehre? Solche Fragen tauchen auf, weil Information
eine zeitliche Dimension hat. Und gerade der Informa tionsverfall durch
Vergessen gehört zum persönlichen Wachstumsprozess. Das
digitale Gedächtnis negiert diese Zeitdimension. Es kann die
persönliche "Aufräumarbeit" behindern, indem es uns immer
wieder mit Relikten aus der Vergangenheit konfrontiert, die man
eigentlich abgestossen zu haben glaubt. Es paralysiert uns wie Ireneo
Funes mit Einzelheiten.
Unser Gedächtnis ist kein Aktenschrank, in den man einfach
Informationen hineinlegt und wieder herausnimmt - "save and retrieve".
Unser Gedächtnis ist ein hochadaptives neurosensorisches
System, das sich und die verwahrte Information ständig
verändert, sich permanent im Wechselspiel persönlicher
Vorlieben, Abneigungen, Erwartungen rekonstruiert. Bewusstes, aktives
Vergessen bedeutet deshalb, dass wir Information interpretieren,
beurteilen und gewichten und uns nicht einfach passiv mit Daten
mästen. In diesem Sinn machen zu viele Daten aus uns unfreie,
urteils- und entscheidungsunfähige Menschen.
Den Speicher ausmisten
Brauchen wir eine "ars oblivionalis", eine Vergessenskunst, wie sie
Umberto Eco vor über zwanzig Jahren als Beispiel einer paradoxen
Wissenschaft vorgestellt hat? Ob paradox oder nicht, die Frage gewinnt
gerade im Zeitalter der Erinnerungsmaschinen an Bedeutung. Wir werden
zusehends zu BürgerInnen zweier Gesellschaften - einer materiellen
und einer immateriellen oder "Avatar"-Gesellschaft. Insofern beschreibt
die Metapher der digitalen Haut emblematisch unsere Condition humaine
im angebrochenen Millenium. Die juristische Debatte über
Privatsphäre, Urheberrechte, Datenschutz in der digi talen
Öffentlichkeit ist im vollen Gange. Auf der technischen Ebene wird
die Möglichkeit diskutiert, Information mit einem Verfallsdatum zu
versehen. So haben ComputerwissenschaftlerInnen an der University
of Washington eine Software entwickelt, die Daten altern und
schliesslich verschwinden lässt. Vom Princeton-Informatiker Ed
Felten stammt der informationspolitische Vorschlag, analog zu einem
CO2-neutralen auch einen informationsneutralen Lebensstil zu pflegen.
Also etwa gleich viel Information zu speichern wie zu löschen.
Zunehmend deutlicher scheint sich aber auch eine Art von Dialektik des
Fortschritts abzuzeichnen: Mensch und Technik entwickeln sich in einer
Ko-Evolution. Wir delegieren immer mehr Kompetenzen und Kenntnisse an
die Maschine. Dadurch entlasten wir uns in vielerlei Hinsicht.
Gleichzeitig aber riskieren wir ein wachsendes Ungleichgewicht von
menschlichen und maschinellen Kompetenzen. Wir tendieren dazu, uns der
Maschine anzupassen. Wir verschmelzen mit ihr. Wenn wir heute von
"NutzerInnen" sprechen, dann handelt es sich nicht mehr einfach um
Menschen, sondern um einen Hybriden aus Mensch und Netz. Wir tragen das
Netz in der Hosentasche. Und das babylonische digitale Archiv hat die
Randbedingungen des Erinnerns und Vergessens für uns Hybride
verändert. Die Entlastungen des zum Alltag gewordenen Geräts
prägen uns, auf eine oft unbewusste Weise. Umso nötiger wird
daher seine Bewusstmachung. Es mag trivial klingen: Nicht das Netz
entscheidet, was eine wichtige Information ist, sondern die
medienkompetenten NutzerInnen. Und zu dieser Kompetenz zählt das
Vergessen.
Aber, so könnte man einwenden, wünschen sich denn
Hinterbliebene von Opfern politischer Verbrechen (und nicht nur sie)
nichts sehnlicher, als dass die Vergangenheit die TäterInnen
einholt? Gewiss doch, wie sich nicht wenige StraftäterInnen
genauso sehnlich wünschen, dass der Mantel des Vergessens ihre
Vergangenheit umhüllt, damit sie eine zweite Chance erhalten. Es
geht, mit andern Worten, keinesfalls darum, Erinnern und Vergessen
gegeneinander auszuspielen, sondern darum, im Horizont maschineller
Intelligenz die menschliche Intelligenz neu zu verorten.
Denn das Netz schaut intelligenter aus, als es ist. Und wir Menschen
tendieren fatalerweise dazu, uns darin dümmer zu verhalten, als
wir sind.
--------------------
ANTI-ATOM
--------------------
Oltner Tagblatt 11.6.10
Braucht es ein zweites KKW?
Niedergösgen Informationsveranstaltung zur Änderung des
kantonalen Richtplans
Am Podium in der Mehrzweckhalle Inseli wurde das Für und
Wider eines neuen Kernkraftwerkes im Niederamt diskutiert. Eingeladen
hatte das Kantonale Amt für Raumplanung.
Beat Wyttenbach
Gut 120 Personen erschienen am Mittwochabend zum
Podiumsgespräch, an welchem das Für und Wider eines neuen KKW
im Niederamt diskutiert wurde. Viele Stühle blieben leer.
Begrüsst wurden sie von Moderatorin Anita Panzer, Solothurn, die
durch den Abend führte, und von Niedergösgens
Gemeindepräsident Kurt Henzmann, der betonte, dass es sich hierbei
"nicht um ein alltägliches Projekt" handle, und der die
Bevölkerung aufforderte, die Wünsche und Ideen dazu
während der bis 7. Juli laufenden Auflagefrist für das
Richtplanverfahren zu äussern.
Verbindliche Planungsrichtlinie
Landammann Walter Straumann, Vorsteher des Bau- und
Justizdepartements, hielt in seinen Ausführungen fest, dass es
sich während des Richtplanverfahrens zeige, ob das Niederamt als
Standort für ein neues KKW in Frage komme. Es müsse
geklärt werden, was der Bau wirtschaftlich, gesellschaftlich und
auf die Umwelt bezogen für Auswirkungen habe.
Während des Richtplanverfahrens würden zwar noch keine
konkreten Bewilligungen erteilt, aber der Richtplan stelle für den
Kanton eine verbindliche Planungsrichtlinie dar. Es gehe zudem darum,
die Zeit nach der Stilllegung des Kernkraftwerks Gösgen zu planen,
damit die Energieversorgung aufrechterhalten werden könne.
Rechtliche Basis für ein neues Kernkraftwerk sei zudem das
Eidgenössische Kernenergiegesetz. Und er betonte: "Eine
lückenlose Information ist unabdingbar, das sind wir der
Bevölkerung schuldig".
"Stromlücke droht"
Giovanni Leonardi, CEO der Alpiq AG, hielt in seinen
Ausführungen fest, dass ab 2020 eine Stromlücke drohe, die
geschlossen werden müsse. Darüber hinaus wolle die
Bevölkerung nicht auf ihren Komfort - sprich: Mehr
Elektrizität - verzichten. Der Kanton Solothurn habe dies auch
erkannt und wolle die Lücke nicht abwarten. Zudem hätten
Eckwertstudien gezeigt, dass die Bedeutung der Kernenergie für die
künftige Stromversorgung anerkannt werde.
Er betonte, dass es für die Schweiz wichtig sei, die
energiepolitische Unabhängigkeit sicherzustellen, da man über
keine Rohstoffe wie Öl, Gas oder Kohle verfüge. Er strich die
Wichtigkeit der Meinungen der Bevölkerung heraus und forderte die
Anwesenden auf: "Setzen Sie ein starkes Zeichen für den weiteren
Bewilligungsprozess." Dennoch gelte für sein Unternehmen folgender
Grundsatz: Egal, wie der Souverän am Schluss entscheidet: "Wir
werden das Verdikt akzeptieren."
Sechs Eckwerte
Danach lag es an Herbert Niklaus, Geschäftsleitungsmitglied
der Alpiq und Gesamtprojektleiter KKN, das Projekt vorzustellen. Auf
einer Betriebsfläche von 20 bis 25 ha östlich des bestehenden
Kernkraftwerkes soll ein Neubau von rund 60 Metern Höhe mit einem
ähnlich hohen Hybrid-Kühlturm entstehen, der mit
Umlaufkühlung funktioniert. Dabei handle es sich um "keinen
Prototyp", wie er betonte.
Das dafür notwendige Rahmenbewilligungsgesuch habe man
eingereicht. Es umfasse die sechs Eckwerte
Umweltverträglichkeitsbericht, Bericht über die Abstimmung
mit der Raumplanung, Konzept für die Stilllegung,
Entsorgungsnachweis, Sicherungsbericht und Sicherheitsbericht.
Fahrplan erläutert
Werner Bühlmann, Vizedirektor des Bundesamts für
Energie, gab in der Folge den Fahrplan für das dreistufige
Bewilligungsverfahren bekannt. Ab 2013 solle das Referendum laufen; die
Baubewilligungsphase soll sich zwischen 2013 und 2017 vollziehen, und
mit dem Bau rechne das BfE für die Zeitperiode zwischen 2017 bis
spätestens 2023. Die Betriebsbewilligung könne
frühestens 2025 erteilt werden.
Er erläuterte ferner kurz den Fahrplan für das andere
Grossprojekt, bei welchem das Niederamt nach wie vor im Rennen ist,
nämlich jenem für ein mögliches Endlager für
schwach- und mittelradioaktive Abfälle.
Grundlage für Stellungnahme
Kantonsplaner Bernard Staub erläuterte danach das Verfahren
zur Anpassung des Kantonalen Richtplanes und bemerkte, dass dieser die
Grundlage für die Stellungnahme des Kantons an den Bund bilde.
Deshalb sei es wichtig, dass diese breit abgestützt sei. Er hielt
fest, dass jeder Einwohner und jede Einwohnerin des Kantons Solothurn
innerhalb der besagten Auflagefrist Einsprache erheben könne, und
erklärte die Formalitäten. Er stellte den daraus entstehenden
Einwendungsbericht für Juli/August in Aussicht und rechnete mit
einem Entscheid des Regierungsrates im Herbst dieses Jahres.
"Wollen Einfluss nehmen"
Hanspeter Jeseneg, alt Gemeindepräsident von Gretzenbach und
Verantwortlicher Energie innerhalb der
Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN), erklärte, dass
die GPN während des Verfahrens Einfluss nehmen und am Schluss
entscheiden wolle: "Ist ein KKN für uns tragbar oder nicht?"
Basis für einen GPN-Entscheid biete die gegenwärtig
laufende Sozioökonomische Studie - die von der GPN in Auftrag
gegeben und von der Alpiq sowie vom Kanton finanziert wird-, welche die
Vor- und Nachteile eines KKN für die Region aufzeigen solle. "Wir
werden erst dann entscheiden, wenn alle Berichte auf dem Tisch liegen",
betonte Jeseneg dezidiert. Dies wird aber erst im Herbst der Fall sein;
ein Umstand, der mit dem von Staub angetönten
Regierungsratsentscheid terminlich kollidieren dürfte. Ein
Umstand, der in der anschliessenden Diskussion (siehe untenstehenden
Artikel) tüchtig zu reden gab.
---
Aargauer Zeitung 11.6.10
"Nagra lässt zu viele Fragen offen"
Gegner eines Atommüll-Endlagers im Bözberg legten in
Brugg ihre Argumente dar
Der Verein Kaib (Kein Atommüll im Bözberg) und die
Energiestiftung informierten über Risiken eines
Atommüll-Lagers im Bözberg. Sie wollen eine Schweizer
Lösung, die vorgeschlagene ist aber noch nicht ausgereift genug.
Stefanie Niederhäuser
Der Anlass stiess auf reges Interesse. Sowohl Vereinsmitglieder
und Sympathisanten als auch Mitarbeiter der Nagra und des Bundesamtes
für Energie fanden sich am Donnerstagabend im Brugger Salzhaus
ein. Zum Einstieg informierte Sabine von Stockar, Projektleiterin bei
der Schweizer Energiestiftung SES, über das von der Nagra
vorgeschlagene Atommüll-Lagerungskonzept.
"Atommüll ist nicht beseitigbar. Er strahlt über 1
Million Jahre.", erklärte sie. Weltweit werde nach einer
Lösung zu seiner Lagerung geforscht, eine befriedigende sei bisher
aber nicht gefunden worden. "Mit dem Lagerungskonzept der Nagra
erklärte der Bundesrat das Problem als technisch gelöst.
Hinter diese Aussage setze ich ein grosses Fragezeichen", so die
Expertin. Noch sei unklar, welche Auswirkung die abgestrahlte
Wärme des Atommülls auf die Geologie hätte, die
Fachleute seinen sich uneinig, welches Verpackungsmaterial geeignet
sei. "Der Zeitraum von 1 Mio. Jahren, für den eine sichere
Lösung gefunden werden muss, ist für uns unvorstellbar. Wir
können nicht abschätzen oder voraussehen, was in dieser Zeit
alles geschehen wird", sagte von Stockar.
Gefahrenherde
Naturereignisse wie Erdbeben oder eine Eiszeit, leckes Material
oder Untergrundkonflikte könnten nicht ausgeschlossen werden,
erklärte sie. Für die SES sei deshalb klar, dass es keine
Scheinlösung nach dem Prinzip "Vergraben und vergessen" geben
dürfe. "Atommüll muss kontrollier- und rückholbar sein",
forderte sie.
Ungeklärt sei zudem die Finanzierung des Lagers. "Zum Bau
des Lagers werden noch ungefähr 6 Mrd. Franken zur Verfügung
stehen. Zum Vergleich: Die Neat kostet 25 Mrd. Franken. Für die
Überwachung oder - im Notfall - eine Rückholung ist kein Geld
vorgesehen. Die Frage bleibt also: Wer soll das bezahlen?" Weiter
bemängelte von Stockar, dass sich mit der Nagra keine
unabhängige Forschungsstelle intensiv mit dem Problem
auseinandersetze. Sie betonte: "Wir wollen und müssen eine
Lösung suchen, und zwar hier in der Schweiz. Aber wir wollen eine
ausgereifte Lösung. Das Nagra-Konzept lässt zu viele Fragen
offen, deshalb wehren wir uns dagegen."
Sichere Lösung suchen
Anschliessend informierte Kaib-Co-Präsidentin Elisabeth
Burgener aus Gipf-Oberfrick über die Haltungen des Vereins. Sie
führte aus, dass der Kanton Aargau mit den Kernkraftwerken und den
Autobahnen schon genug Lasten für die Schweiz trage, ein Endlager
im Bözberg nicht mit dem Projekt "Jurapark" vereinbar sei und dass
es eine politische und nicht die wissenschaftlich beste Lösung
wäre. "In anderen Regionen kämpfen sogar die Regierungen
gegen ein Endlager. Wenn wir uns nicht wehren, wird es letztlich dort
gebaut, wo der Widerstand am geringsten ist und nicht dort, wo es am
sichersten wäre", befürchtet sie.
Kritische Fragen
In der Diskussionsrunde wurden auch kritische Fragen diskutiert.
"Wenn kein Atomlager im Bözberg - wo dann?", fragte ein
Anwesender. Und ein anderer merkte an: "Keiner will das Endlager, das
ist klar, aber wir verursachten den Müll, also müssen wir ihn
auch entsorgen. ‹Regiönligeist› ist fehl am Platz, wenn es um eine
sichere Lösung geht." Es gehe nicht darum, das Problem auf andere
Regionen abzuwälzen, betonte der Vorstand des Vereins. Man arbeite
stark mit den Gegnern in anderen Regionen zusammen. "Wir wollen
bewirken, dass das Konzept überdacht wird und offene Fragen
geklärt werden, bevor man Schritte zu seiner Realisierung plant."
---
Basler Zeitung 11.6.10
Endlager-Gegner machen mobil
Die Kampagne gegen den Bözberg als Lager für radioaktiven
Müll hat begonnen
Franziska Laur, Brugg
Gegen ein Atommülllager am Böz-berg formiert sich
Widerstand. Der neu gegründete Verein Kein Atommüll am
Bözberg (Kaib) wirft den Aargauer Behörden vor, sich nicht
gegen das Endlager gewehrt zu haben. Er befürchtet, dass Nagra und
Bund deswegen den Bözberg favorisieren.
Der grosse Raum im Salzhaus Brugg füllte sich am Mittwoch
schnell, als Kaib zur Informationsveranstaltung rief. Während
Interessierte bis anhin von Bund und Nagra zum Endlagerkonzept
informiert worden waren, konnten sie nun auch die Argumente der
Endlagergegner hören. Co-Präsidentin Elisabeth Burgener aus
Gipf-Oberfrick betonte, wie wichtig der organisierte Widerstand sei:
"Der Bözberg wird bei Bund und Nagra für ein atomares
Endlager favorisiert", sagte sie. Doch ein Atommülllager bedeute
für die Region nur Nachteile, und anders als an anderen
potenziellen Standorten habe sich der Regierungsrat nie deutlich gegen
ein Endlager verwahrt.
Sabine von Stockar von der Schweizerischen Energiestiftung wies auf
ungelöste Aspekte der Atommüllentsorgung hin, welche die
Nagra bis anhin nicht in den Vordergrund gestellt hatte. Die
diplomierte Umweltnaturwissenschaftlerin sagte, das Konzept sei
technisch nicht ausgereift (siehe Interview rechts) und die Nagra
hänge am Tropf der AKW-Betreiber. Doch diese seien daran
interessiert, den Atommüll möglichst schnell und
kostengünstig unter dem Boden zu haben, und würden daher die
Gefahren verharmlosen.
Unter den rund 150 Teilnehmern befanden sich auffallend viele
Fricktaler und auch junge Leute. Ob man das Problem nicht zu sehr von
der regionalpatriotischen Seite her betrachte und es an andere Gegenden
delegieren wolle, wollten zwei Votanten wissen. Kaib-Co-Präsident
Jörg Wyder hingegen befürchtet genau das Gegenteil. Weil am
Bözberg bisher kaum Widerstand geleistet worden sei, drohe die
Gefahr, dass Nagra und Bund aus politischen Gründen den
Bözberg wählen; weil sie glauben, dieses Projekt sei am
einfachsten umsetzbar. Dem gelte es entgegenzutreten.
Einige Milliarden
Weitere Votanten bezweifelten, dass die Kraftwerkbetreiber
genügend finanzielle Mittel bereitstellen können, um das
Lager über Jahrhunderte, ja Jahrtausende hinweg zu
überwachen. Tatsächlich planen die Kraftwerkbetreiber
lediglich eine Überwachung von 50 bis 100 Jahren über die
Inbetriebnahme des Endlagers hinaus und haben dafür einige
Milliarden Franken zur Verfügung. Als Zuhörer im Publikum
sassen auch Vertreter der Nagra, des Bundes und des
Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorates. Sie hielten sich
mit Statements allerdings zurück.
Dienstag, 22. Juni, findet auch in Olten zum Standort
Jura-Südfuss eine Veranstaltung der Endlagerkritiker statt.
Stadthaus, 19 Uhr.
---
WoZ 10.6.10
Unrentable AKW
Neue Energien, neue Jobs
Atomkraftwerke sind unökono misch - dass dies auf bestehende
AKW zutrifft, haben schon diverse Studien belegt. Dass dies auch
für die geplanten neuen Atomkraftwerke gilt, zeigt eine Studie,
die Umweltorganisationen zusammen mit den Kantonen Basel-Stadt, Genf
und der Energieversorgerin der Stadt Bern in Auftrag gegeben haben. Die
Studie "Stromeffizienz und erneuerbare Energien - wirtschaftliche
Alternativen zu Grosskraftwerken" rechnet detailliert vor, wie viel es
unserem Geldbeutel bringt, wenn in erneuerbare Energien und
Energieeffizienz statt in neue Grosskraftwerke investiert wird. Infras
und TNC Consulting, die Verfasserinnen der Studie, gingen von den
Annahmen aus, welche die Strombranche selbst vorgegeben hatte: Der
Schweiz sollen bis ins Jahr 2035 rund dreissig Terawattstunden Strom
fehlen. Diese Strommenge lässt sich - so würden es die
grossen Energiekonzerne gerne machen - mit zwei neuen Atomkraftwerken
und einem Gaskraftwerk erzeugen. Nun könnte man das Problem aber
auch anders angehen und ins Stromsparen und in erneuerbare Energien
investieren.
Infras/TNC haben diese Szenarien durchgerechnet. Die Ergebnisse
sind verblüffend: Wenn auf erneuerbare Ener gie gesetzt wird, die
im Inland bereitgestellt wird, lassen sich über 5300 neue Stellen
schaffen - mit Grosskraftwerken wären es höchstens 3300.
Kommt hinzu, dass die neuen Grosskraftwerke nur wirtschaftlich
wären, wenn sie Strom produzierten, der weniger als sieben Rappen
pro Kilowattstunde kosten würde. Das ist aber nicht zu
bewerkstelligen, eher dürfte die Kilowattstunde bis zu zwölf
Rappen kosten, womit die Grosskraftwerke völlig unrentabel werden.
Rein ökonomisch betrachtet sind auch Investitionen in
erneuerbare Ener gien nicht rentabel. Doch steckt man gleichzeitig Geld
in die Energieeffizienz und lässt beispielsweise nur noch den
Verkauf der besten Geräte zu, wird - laut den Berechnungen von Inf
ras/TNC - dieses Szenario insgesamt zu einer höchst rentablen
Strategie, die zudem massiv CO2 einspart. sb
--
AKW-Neubauten
Schnelle Meinung gefragt
Jetzt muss sich die Regierung des Kantons Bern - gegen ihren
Willen - für den Bau eines neuen AKW Mühleberg II
aussprechen. Dies hat Anfang Woche der Berner Grosse Rat entschieden
und zwingt damit den Regierungsrat, künftig gegen seine eigene
Energiestrategie zu argumentieren, in der steht: "Die Kernenergie ist
für den Regierungsrat keine Option für eine
zukunftsfähige Energiepolitik."
Die AKW-Lobby ist im Berner Kantonsparlament stark präsent,
sitzt doch unter anderem auch der Pressesprecher der BKW FMB Energie AG
- die Mühleberg II bauen möchte - als FDP-Vertreter im Rat.
Voraussichtlich dürfte es im Februar zu einer ersten
kantonalen Abstimmung kommen, an der die Berner Bevölkerung sich
zum AKW-Projekt äussern kann. Ähnliche Abstimmungen sind auch
in anderen Kantonen ge plant. So unterstehen die kantonalen
Stellungnahmen zu den AKW-Bewilligungsgesuchen in den Kantonen Waadt
und Jura gar dem obligatorischen Referendum.
Aktuell können sich noch alle an der Vernehmlassung zum
Richtplanverfahren Ersatzkernkraftwerk Beznau beteiligen. Das
Richtplanverfahren beschäftigt sich mit "raumplanerischen und
sozioökonomischen Fragen", die der AKW-Neubau aufwirft - nicht
aber mit sicherheitstechnischen Fragen.
An der Vernehmlassung dürfen sich alle, also nicht nur
Aargauerinnen und Aargauer beteiligen. Man sollte dies allerdings
schleunigst tun, da die Vernehmlassung nur noch bis am kommenden
Montag, den 14. Juni, läuft. Es ist jedoch einfach und braucht
wenig Zeit, da man sich online äussern kann (entweder über http://www.nein-zu-neuen-akw.ch
oder direkt auf der Website des Kantons Aargau unter http://www.tinyurl.com/akw-beznau.
sb
---
BZ 10.6.10
Berner Grüne
AKW nur mit Endlager
Die bernischen Grünen fordern, dass neue AKW - wenn
überhaupt - nur dann gebaut werden, wenn es ein Endlager gibt.
Nachdem sich der bernische Grosse Rat klar für ein neues AKW
in Mühleberg ausgesprochen hat (siehe Ausgabe von gestern),
verstärken die Grünen ihren Kampf gegen neue Atomkraftwerke.
Mit einer Motion fordern sie, der Kanton müsse sich beim Bund via
Standesinitiative dafür einsetzen, dass die Endlagerung von
radioaktiven Abfällen endlich gelöst werde.
Konkret wollen die Grünen, dass Bewilligungen für neue
AKW erst dann erteilt werden dürfen, wenn die Endlagerung des
gesamten in der Schweiz anfallenden Atommülls "definitiv
gelöst" sei. Der Bund sucht seit Jahren nach einem Standort. Bis
jetzt ohne Erfolg. Der Widerstand ist überall gross. Heute lagert
der Atommüll in den AKW und im zentralen Zwischenlager in
Würenlingen.
drh
---
Bund 10.6.10
Nidwalden verzichtet nicht auf AKW-Strom
Das Nidwaldner Parlament hält an der Kernenergie fest. Es
hat die SP-Initiative "für einen schrittweisen Ausstieg aus der
Atomenergie" mit 45 zu 8 Stimmen abgelehnt. Nun haben die
Stimmberechtigten das Wort. Das Volksbegehren gibt dem kantonalen
Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN) bis Ende 2039 Zeit, aus der
Kernenergie auszusteigen.
Erreicht werden soll dieses Ziel, indem das EWN seine
Beteiligungen an den AKW von Gösgen und Leibstadt verkauft und
keinen Strom aus Kernkraftwerken mehr bezieht. Heute stammen 54 Prozent
des EWN-Stroms aus AKW. Das Nidwaldner Volk hat sich mehrmals gegen ein
Atommülllager im Wellenberg ausgesprochen. (sda)
---
NZZ 10.6.10
Wechselhafte Berner AKW-Position
Erst Ja, dann Nein, derzeit Ja
dsc. ⋅ Von wegen Berner Langsamkeit - die Haltung der
Kantonsregierung zum Ersatz des AKW Mühleberg wechselt rasch. Am
Dienstag hat der bürgerlich dominierte Grosse Rat per Motion
verlangt, dass sich die Berner Exekutive in der Vernehmlassung des
Bundes positiv zum neuen Atomkraftwerk äussert. Doch zeichnet sich
ab, dass im Herbst das Parlament dafür votieren wird, dass das
Volk über die offizielle Berner Position befinden soll -
Abstimmungstermin wäre der 13. Februar.
Im Herbst hatte die Regierung, in der die Linke in der Mehrheit
ist, sogar die nationalen grünen und roten Parteioberen
brüskiert, als im Rahmen von ständerätlichen
Sondiergesprächen zu den möglichen AKW-Standorten ein Neubau
im bernischen Mühleberg befürwortet worden war - der Kanton
ist Mehrheitsaktionär des Stromkonzerns BKW und würde
wirtschaftlich von der Realisierung eines neuen AKW profitieren. Diese
Haltung wurde aber kurz nach der Veröffentlichung jener Aussage
relativiert. Ein kategorisches Nein folgte dann in der Antwort auf die
nun vom Grossen Rat angenommene Motion eines FDP-Mitglieds.
Auch in anderen, vor allem Westschweizer Kantonen wird
nächsten Winter das Volk die kantonale Position zu den
AKW-Rahmenbewilligungs-Gesuchen bestimmen. Die Stellungnahmen der
Kantone haben zwar keine verbindliche Wirkung im Bewilligungsverfahren
- am Schluss wird der Ausgang der eidgenössischen Abstimmung von
2014 gelten; doch frühe kantonale AKW-Verdikte haben zweifellos
einen nationalen Signalcharakter. In Nidwalden hat sich am Mittwoch das
Kantonsparlament negativ zu einer Volksinitiative der SP
geäussert, die dem kantonalen Elektrizitätswerk eine
Versorgung ohne AKW-Strom auferlegen will.