MEDIENSPIEGEL 11.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino, GH)
- Reitschule bietet mehr: Abstimmungs-Kurzfilmspots zum Schmunzeln
- SVP gegen alternative Wohnzonen
- Demorecht: Unheimliche Patrioten
- RaBe-Info 9.-11.6.10
- Komasaufen schlecht fürs Hirn
- KifferInnen-Probleme
- 10 Jahre Heroinabgabe Chur
- Überall Public Viewing
- Big Brother Sport: WM nur zuhause für Hools?
- Police CH: Laute Klagen; GWK-Knatsch; SPTK-Treffen
- Rauschknast BS in Prüfung
- Sans-Papiers: Bleiberecht ZH; nix Lehre BE
- WM: Proteste bei Fifa
- WM: Apartheid-Bank sponsert CH-Nationalmannschaft
- www und das ewige Gedächtnis
- Anti-Atom: Gösgen II; Bözberg; Rentabilität; BE; NW

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REITSCHULE
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Fr 11.06.10
17.00 Uhr - Tojo - "Die fetten Jahre sind vorbei" Jugend-Club U21, Junges Theater Solothurn. Jugendtheater Festival Spiilplätz 2010
16.00 Uhr - SousLePont - Anpfiff zur WM-Beiz im HOF (bis 11. Juli)
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Uz Jsme Doma (CZ) und Blackthread (F). Support: DJ's SCB (Senioren Club Brachland)

Sa 12.06.10
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE - Frauenkleidertauschbörse "women only" (bis 17.00h)
17.00 Uhr - Tojo - "Trüffelschweine" Jugendclub momoll Theater, Schaffhausen. Jugendtheater Festival Spiilplätz 2010
19.30 Uhr - Frauenraum - Emanzengala: Vernissage des Sammelalbums "Zehn Berner Heldinnen". Mit Duo Jenny Popper & Jess Honey und Steff la Cheffe
22.00 Uhr - Frauenraum - Disko mit DJ Sister Knister

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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Bund 10.6.10

Kino in der Reitschule

 Südafrika jenseits des WM-Taumels

 Das Kino in der Reitschule nimmt die Fussball-WM zum Anlass für einen Südafrika-Zyklus. Selbstverständlich fehlt darin auch "Invictus" nicht: Clint Eastwoods Hymne an den Visionär Nelson Mandela und die gesellschaftsverändernde Kraft des Sports beschliesst am 8. Juli die Reihe. Eastwood blickt darin zurück ins Jahr 1995 und feiert die Rugby-WM als Katalysator für die Versöhnung von Schwarz und Weiss. In die Realität von heute - und in das Land ihrer Kindheit - taucht hingegen die deutsche Filmerin Beatrice Möller mit ihrem 60-minütigen Dokumentarfilm "Shosholoza Express" ein. Auf der 27-stündigen Fahrt von Kapstadt nach Johannesburg mit dem Zug, der als Symbol für das neue Südafrika gilt, hat sie mit Reisenden über das Land gesprochen. Zwei ANC-Aktivistinnen - eine weiss, die andere schwarz - erinnern sich an ihren politischen Kampf, ein junges Paar - sie weiss, er schwarz - erzählt von Vorurteilen, mit denen es noch zu kämpfen hat, ein schwarzer Musiker zieht bitter Bilanz über die nicht erfüllten Hoffnungen. Auch 16 Jahre nach dem Ende der Apartheid trennt die Hautfarbe die Menschen, zudem leidet das Land unter Armut und Kriminalität. Die Statements der namenlos bleibenden Passagiere sind eingebettet in lauschige Impressionen - Sonnaufgänge inklusive - der Zugfahrt durch eine eindrückliche Landschaft. Sollen diese Reisebilder die Sehnsucht nach der Überwindung der dramatischen gesellschaftlichen Probleme stimulieren? Eher lenken sie von diesen ab. Der Film zeichnet zwar ein facettenreiches Panorama Südafrikas, in die Tiefe aber geht er nicht. (all)

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BZ 10.6.10

Theater

 Filmische Identitäten

 Zwischen Filmrealität und Lebenstraum: In "fiLm" stehen zehn Jugendliche, zwischen 17 und 25 Jahren, darunter viele mit Migrationshintergrund, auf einer Bühne. Hinter ihnen eine Kinoleinwand, vor ihnen das Publikum. Ein Theaterabend in der Reitschule über die vielschichtigen Lebenswelten junger Menschen. Dabei werden Fragen aufgeworfen: Wer bin ich? Bin ich im "falschen Film"? Und wer, wenn nicht ich, ist der Regisseur dieses Streifens?
 pd

 Heute Donnerstag, 19 Uhr, Reitschule, Grosse Halle, Neubrückstrasse 8, Bern.

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REITSCHULE BIETET MEHR
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Medienmitteilung 11.6.2010

Reitschule bietet mehr: Abstimmungs-Kurzfilmspots zum Schmunzeln

Sehr geehrte Medienschaffende

Am 26. September 2010 wird in der Stadt Bern bereits zum fünften Mal über die Reitschule  abgestimmt. Dieses Mal verlangt eine rechtsbürgerliche Anti-Reitschule-Initiative die Schliessung und den Verkauf des seit 1987 bestehenden Berner Kultur- und Begegnungszentrums Reitschule.

Die drei Filmemacher des Berner "Decoy Collective" haben sich die rechtsbürgerlichen Reitschule-Zukunftsvorschläge zu Herzen genommen und nach dem Motto "Extrahieren wir aus dem Aberwitz den Witz" ihr deutliches Nein zur aktuellen Anti-Reitschule-Initiative auf Video festgehalten. Mit bekannten Schweizer SchauspielerInnen, die ohne Gage ihre Gesichter zur Verfügung stellten, wurden 4 Abstimmungs-Kurzfilmspots zum Schmunzeln gedreht:

Spot 1: Party im Shopping-Center?
Reitschule bietet mehr. Zum Beispiel Konzerte und Parties im Dachstock.
Reitschule-Initative: Nein am 26. September 2010!
http://www.facebook.com/video/video.php?v=1448830817346
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Abstimmungsspots/Spot-1_Party_Web.mp4
http://www.decoycollective.com/stuff/reitschule/Spot1.zip (verschiedene Auflösungen)
(mit Nina Bühlmann und Lisa Brühlmann)

Spot 2: Kino im Parkhaus?
Reitschule bietet mehr. Zum Beispiel das Kino in der Reitschule.
Reitschule-Initative: Nein am 26. September 2010!
http://www.facebook.com/video/video.php?v=1448836537489
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Abstimmungsspots/Spot-2_Kino.mp4
http://www.decoycollective.com/stuff/reitschule/Spot2.zip (verschiedene Auflösungen)
(mit Dominik Gysin und Nathanel Schaer)

Spot 3: Theater im Büro?
Reitschule bietet mehr. Zum Beispiel das Tojo Theater.
Reitschule-Initative: Nein am 26. September 2010!
http://www.facebook.com/video/video.php?v=1448843177655
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Abstimmungsspots/Spot-3_Theater_Web.mp4
http://www.decoycollective.com/stuff/reitschule/Spot3.zip (verschiedene Auflösungen)
(mit Gilles Tschudi und Esther Gemsch)

Spot 4: Dinner im Schwimmbad?
Reitschule bietet mehr. Zum Beispiel das Restaurant Sous Le Pont.
Reitschule-Initative: Nein am 26. September 2010!
http://www.facebook.com/video/video.php?v=1448850457837
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Abstimmungsspots/Spot-4_Restaurant_Web.mp4
http://www.decoycollective.com/stuff/reitschule/Spot4.zip (verschiedene Auflösungen)
(mit Andreas Matti und Doro Müggler)


Die 4 Kurzfilm-Spots sind nun fertiggestellt und werden im Rahmen der Fussball-WM und zu anderen Gelegenheiten bis zum Abstimmungstermin in der Reitschule sowie in Restaurants, Bars und Kinos der breiten Öffentlichkeit gezeigt. Interessierte, die die Kurzfilm-Spots zeigen möchten, können diese unter http://www.decoycollective.com und http://www.reitschulebietetmehr.ch
Detailliertere Informationen erhalten Sie unter http://www.decoycollective.com.

Wir danken den SchauspielerInnen, der Decoy Collective-Filmcrew, dem Catering des Restaurant Sous le Pont und allen anderen Beteiligten für ihr unermüdliches Engagement!

Reitschule bietet mehr!

Mit freundlichen Grüssen

Abstimmungsgruppe Reitschule Bern
Mediengruppe Reitschule Bern


Links:

Decoy Collective GmbH
http://www.decoycollective.com
http://youtube.com/user/DecoyCollective
http://www.facebook.com/decoycollective

Reitschule bietet mehr
http://www.reitschulebietetmehr.ch
http://www.facebook.com/group.php?gid=258630224019

Nein-Stimmen zur Anti-Reitschuleinitiative
http://www.facebook.com/event.php?eid=435004510531&ref=mf

Kultur- und Begegnungszentrum Reitschule
http://www.reitschule.ch

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WAGENPLÄTZE
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20 Minuten 10.6.10

SVP gegen Platz für Alternative

 BERN. Dass der Berner Gemeinderat Wohnzonen für alternative Wohnformen prüfen will, bringt die SVP auf die Palme. Bereits der für die Prüfung bewilligte Kredit von 60 000 Franken sei eine "Verschleuderung von Steuergeldern". Ausserdem fürchtet die Partei, dass Bern mit einer Zone für Wohnwagenparks zum Magnet für Anhänger alternativer Lebensformen werde. Sie fordert, dass die Stadt das Projekt deshalb sofort einstellt.

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svp-stadt-bern.ch 9.6.10

Bern, 9. Juni 2010

Resolution der SVP Stadt Bern "Alternative Wohnzone"

Der Berner Gemeinderat will Steuergelder verschleudern, das geltende Recht brechen und die Bürgerinnen und Bürger der Stadt dauerhaft diskriminieren. Nach seinem Plan sollen in einer "alternativen" Wohnzone Stadtnomaden der ganzen Schweiz ihren Lebensstil pflegen können. Nur für die Prüfung seines Anliegens an vier Standorten bewilligt er schon einen Kredit von CHF 60'000.- Wer büsst, sind alle, die bürgerlich leben. Denn dieser Kredit ist erst die Spitze des Eisbergs und öffnet Tor und Türe für ausufernde Finanzierungen. Dafür bezahlen wir mit der erdrückenden Steuerlast gepaart mit der landschaftlichen Einbusse dank den Bidonsiedlungen. Haben die "Stadtoberen" nichts gelernt? Schon 1996 wurde dieser Plan mit einem wuchtigen Mehr von der Bevölkerung gebodigt.

Die SVP der Stadt Bern stellt fest, dass

* Es nicht die Aufgabe der Stadt ist, alternativen Wohnraum zu schaffen;
* Es unfair allen anderen gegenüber ist, die sich an das geltende Recht halten;
* Es ein denkbar ungünstiger Präzedenzfall ist, der Türe und Tor für alle möglichen Staatsaufgaben öffnet;
* Das Vorhaben Bern zu einem Zentrum der Stadtnomaden für einen grossen Teil der Schweiz macht.
* Die rivalisierenden Gruppierungen die zukünftig legal ihren Lebensstiel fristen sollen gar nicht gemeinsam an einem Ort untergebracht werden wollen.
*

Deshalb verlangt die SVP der Stadt Bern, dass

* Der Gemeinderat seinen Plan, eine Zone für Wohnexperimente zu schaffen, sofort einstellt;
* Die Verschleuderung von Steuergeldern für Privatprojekte aufhört;
* Die Vertreter aller bürgerlichen Parteien die Diskriminierung der Mehrheit scharf bekämpft;
* Die Grundsätze der Ordnung und der Raumplanung eingehalten werden;
* Die Stadt Bern nicht zum Magnet unkonventioneller Wohnformen wird.

Es geht nicht an, dass eine Gruppierung auf Kosten der Mehrheit und anderer Minderheiten dermassen bevorzugt wird, dass sie sich nicht mehr an die legale Ordnungen halten muss.

Peter Bernasconi
Henrique Schneider

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DEMO-RECHT
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WoZ 10.6.10

Bern - Unheimlicher Patriot greift Demonstrationsfreiheit an.

"Mitgegangen - mitgehangen"

Angriffe auf die Demonstrationsfreiheit in der Bundesstadt haben derzeit Hochkonjunktur: Am Wochenende kommt die von einer rechtsbürgerlichen Gruppierung lancierte Initiative "keine gewalttätigen Demonstranten" zur Abstimmung. Sie verlangt die Einführung eines "Entfernungsartikels". TeilnehmerInnen einer Kundgebung sollen danach "unverzüglich" verschwinden, wenn "sie von der Polizei darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Kundgebung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufgelöst werden muss". Wer den Befehl der Staatsgewalt überhört und ihm nicht sofort nachkommt, riskiert eine Busse bis zu 5000 Franken.

Mehr Massenverhaftungen?

Der neue Artikel beträfe auch bewilligte Kundgebungen oder Spontandemonstrationen, für die gar keine Bewilligungen erforderlich sind. Die Polizei soll im Alleingang entscheiden können, wann sie die öffentliche Sicherheit für gefährdet hält und die Demo auflöst. Und das würde sie nicht erst dann tun können, wenn tatsächlich Gewalt ausgeübt wird, sondern auch bei "heraufziehenden oder drohenden Eskalationen", wie der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) in der entsprechenden Stadtratsdebatte im August 2009 verkündete.

In der polizeilichen Praxis würde es vermehrt zu Massenverhaftungen kommen, die bisher rechtlich auf sehr wackligen Füssen standen, aber schweizweit bei Polizeikommandanten und SicherheitspolitikerInnen beliebt sind. Um den Entfernungsartikel durchzusetzen, muss die Polizei massive Gewalt einsetzen, alle Anwesenden einkesseln und zur Verhängung der Busse festnehmen. Dass von diesen Aktionen auch Unbeteiligte und PassantInnen betroffen wären, ist für die InitiantInnen kein Problem: "Mitgegangen - mitgehangen", heisst ihre Parole im Abstimmungsbüchlein. Deeskalation und Verhältnismässigkeit sind für sie Fremdworte.

Hinter dem Initiativkomitee steht der Verein Bern sicher und sauber. Die "besorgten Bürger" machen auf ihrer Homepage nicht nur gegen "Demo-Chaoten", sondern auch gegen die "Verunreinigung von Gebäuden, Plätzen, Schulen und Strassen" durch "wildes Plakatieren, Schmierereien, Littering usw." Front. Zu ihren Sprechern gehört PR-Unternehmer Erwin Bischof, ehemals FDP-Kantonsrat, der schon in den achtziger Jahren als Redaktor der "Trumpf Buur"-Inserate und der gleichnamigen "Zitig" für antikommunistische Stimmungsmache sorgte und 1999 zu den UrheberInnen des kantonalen Vermummungsverbotes zählte.

Sieg vor Gericht

Ein Angriff auf die Demonstrationsfreiheit wurde dieses Jahr bereits abgewehrt: Im Februar bodigte das Verwaltungsgericht eine vom Stadtparlament 2008 beschlossene Änderung des Kundgebungsreglements: In der Innenstadt sollten grundsätzlich keine Demonstrationen mehr, sondern nur noch Platzkundgebungen zugelassen sein. "Verfassungswidrig", urteilte das Gericht und hob die Regelung auf.  

Heiner Busch

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RABE-INFO
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Fr. 11. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._Juni_2010.mp3
- Keine gewalttätigen Demonstranten: Bern stimmt über den Entfernungsartikel ab
- Gedanken des südafrikanischen Filmemachers Thabo Thindi: zum Auftakt der ersten WM auf dem afrikanischen Kontinent
- 10 Berner Heldinnen: Emanzen im Rampenlicht

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Do. 10. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._Juni_2010.mp3
- Welche Auswirkungen hat der Wegweisungsartikel in Bern
- Warum hat Fleischkonsum Auswirkungen aufs Klima
- Wieso gibt es in Südafrika einen Verhaltenscodex für die Tourismusbranche

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Mi. 9. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._Juni_2010.mp3
- Arbeitslosigkeit bremst Jugendliche mit Migrationshintergrund aus
- H in der Kiste lüftet das Geheimnis und fordert neue Aussenpolitik
- Fair unterwegs sein mit Tourismus- Gütesiegel

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ALKOHOL
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Tagesanzeiger 10.6.10

Komasaufen in der Pubertät schadet dem Hirn

Fossgreen Anke

 Versuche an Affen haben gezeigt, wie Alkohol die Gehirnzellen dauerhaft schädigt.

 Während der Pubertät machen Jungen und Mädchen grosse körperliche Veränderungen durch. Auch das Gehirn entwickelt sich in dieser Phase rasant. Deshalb ist es dann besonders anfällig für Schädigungen, etwa durch übermässigen Alkoholkonsum.

 US-Forscher vom Scripps-Institut in La Jolla wollten wissen, wie genau Alkohol auf eine bestimmte Gehirnregion, den Hippocampus, wirkt. Probleme von alkoholabhängigen Jugendlichen sich zu konzentrieren, sich Dinge zu merken oder sich räumlich zu orientieren - deuten darauf hin, dass der Hippocampus im Gehirn beeinträchtigt wird.

 Bisher sei jedoch nicht herauszufinden gewesen, ob die mangelhaften Gehirnleistungen tatsächlich auf den übermässigen Alkoholkonsum zurückzuführen sind, schreiben die Forscher in ihrer Publikation ("PNAS online").

 Deshalb arbeiteten die Wissenschaftler mit Rhesusaffen. Sie gewöhnten sieben pubertierende Tiere einen Monat lang daran, regelmässig Alkohol zu trinken. Vier der Affen durften 10 weitere Monate täglich eine Stunde lang Alkohol zu sich nehmen. Blutalkoholtests zeigten, dass diese Tiere bis zum Rauschzustand tranken. Ihre Werte entsprachen knapp 2,5 Promille beim Menschen.

 Abgestorbene Nervenzellen

 Der übermässige Alkoholkonsum bei den Affen - vergleichbar mit dem Komasaufen von Jugendlichen - hatte dramatische Auswirkungen auf ihre Gehirne. Bei den drei Tieren, die nur einen Monat lang etwas Alkohol getrunken hatten, bildeten Vorläuferzellen im Gehirn zahlreiche neue Nervenzellen. Bei den vier alkoholabhängigen Affen jedoch wuchsen kaum noch neue Zellen. Im Hippocampus waren im Gegenteil Nervenzellen abgestorben. Diese Gehirnveränderungen sahen die Wissenschaftler auch noch zwei Monate später, nachdem die Affen keinen Alkohol mehr bekommen hatten. Komasaufen und Alkoholabhängigkeit kann also gerade in der Pubertät das Gehirn schädigen, und zwar mit lang anhaltenden Folgen, warnen die Forscher. (afo)

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NARRENKRAUT
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20 Minuten 10.6.10

Cannabis: "Ab 20 Jahren bekommen Kiffer Probleme"

 LAUSANNE. Junge Ausländer und "Bildungsferne" kiffen am meisten. Doch Anfang 20 legt jeder Dritte den Joint weg. Wer weiterkifft, hat seinen Konsum oft nicht im Griff, so eine Studie.

 3000 Personen haben die Forscher um Joan-Carles Surís von der Universität und dem Unispital Lausanne über sechs Jahre hinweg befragt. Resultat: Kifften mit 16 Jahren noch 21 Prozent der Befragten, waren es sechs Jahre später nur noch 15 Prozent. Fast jeder Dritte hat in der Zwischenzeit mit Kiffen aufgehört - die meisten davon mit 20 oder 21 Jahren. Bei jenen, die weiterkiffen, wird der Konsum oft chronisch.

 Überdurchschnittlich oft zum Joint greifen Jugendliche mit ausländischer Nationalität. Der Psychologe Allan Guggenbühl sieht dabei nicht den Pass, sondern die mangelnde Integration als Ursache. "Ausländer sind weniger integriert und suchen deshalb Anschluss an eine Gruppe. Und Kifferkreise sind sehr tolerant."

 Seltener zünden sich hingegen die gut Gebildeten einen Joint an. "Sie haben oft klare Ziele und wollen diese nicht durch das Kiffen in Gefahr bringen", sagt Guggenbühl. Dies findet auch Facharzt Lars Stark von Gain, der Behandlungsstelle für Drogenprobleme in Zürich. "Ab 20 Jahren bekommen starke Kiffer erste Schwierigkeiten mit Cannabis: Sie haben Kinder oder müssen im Job Verantwortung übernehmen."

 Stark und Guggenbühl sind sich einig: Die meisten, die als Jugendliche gekifft haben, schwören Cannabis auch als Erwachsene nicht ab - sie kiffen einfach nur noch zu besonderen Anlässen.  

Lorenz Hanselmann

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St. Galler Tagblatt 10.6.10

Zigaretten sind Ersatz für Cannabis

 Viele Jugendliche probieren Cannabis aus, geben das Kiffen aber im jungen Erwachsenenalter wieder auf. Beim Rauchen ist der Suchtfaktor grösser. Das zeigt eine Studie von Lausanner Forschern. Yves Duc/sda

 Forscher um Joan-Carles Surís von Universität und Universitätsspital Lausanne zeichneten das Konsumverhalten von Rauchern und Kiffern über sechs Jahre nach - vom 16. bis zum 22. Altersjahr. Sie hatten Angaben von rund 3000 Personen.

 Eine wichtige Schwelle

 Es zeigte sich, dass die wichtigste Veränderung beim Cannabis- oder Tabakkonsum im Alter von etwa 20 bis 21 Jahren stattfindet. "Die Entwicklung geht zum Guten oder zum Schlechten", sagte Surís auf Anfrage. Viele junge Menschen hören in dieser Lebensphase mit dem Kiffen auf, bei einigen wird der Konsum chronisch.

 Insgesamt sinkt der Anteil der Kiffer zwischen 16 und 22 Jahren von 21 auf 15 Prozent. Deutlich ist die Abnahme bei jenen, die mit 16 Jahren zwar kifften, aber keine Zigaretten rauchten: Mit 22 drehten nur noch sieben Prozent gelegentlich einen Joint. 28 Prozent rauchten Tabak. Dieser habe einen stärkeren Suchtfaktor als Cannabis, so Surís. Im Gegensatz zum Cannabis steigt die Zahl der Tabakraucher mit dem Alter.

 Auch Alkohol spielt eine Rolle

 Laut der Studie rauchten im Alter von 16 Jahren 28 Prozent der Befragten regelmässig, mit 22 Jahren aber schon 37 Prozent. Nur ein Fünftel der reinen Tabakraucher kam in den sechs Jahren von der Sucht los. Neben der Suchtwirkung des Nikotins vermutet Surís noch einen anderen Grund, dass viele Kiffer zur Zigarette übergehen. Zigaretten seien oft eine Art Ersatz für Cannabis. Dass viele Junge im Übergang zum Erwachsenenalter mit dem Kiffen aufhörten, führt Surís nicht unbedingt auf die Illegalität von Cannabis zurück. Es sei vielmehr die Folge einer gewissen Reife.

 Die Studie zeigte auch eindrücklich, dass Rauchen und Kiffen ganz häufig mit Alkoholkonsum verbunden sind. Gelegentliche Trinker kiffen oder rauchen 4,4mal öfter als Abstinente.

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24 Heures 10.6.10

Fumer un joint, un acte libertaire que les jeunes finissent par abandonner

Laurent Aubert / ats

 TOXICOMANIE - Plus de la moitié des jeunes qui fument du cannabis à 16 ans y ont déjà renoncé à 22 ans. Rassurant? Un spécialiste de la prévention relativise.

 La plupart des jeunes qui fument du cannabis à 16 ans y renoncent dans les années qui suivent. Selon une étude de l'Institut de médecine sociale et préventive de l'Université de Lausanne, 28% de ces jeunes sont passés à la cigarette à 22 ans et 49% ont carrément abandonné toute forme de fumée.

 "En bien ou en mal"

 Le changement se produit vers 21 - 22 ans, lorsque l'expérimentation propre à l'adolescence prend fin avec l'entrée dans le monde du travail. La plupart des fumeurs occasionnels de cannabis (moins de 3 fois par semaine) y renoncent, alors que le gros des consommateurs réguliers continuent. "Il y a un changement à cet âge, en bien ou en mal", relate le professeur Joan-Carles Suris, qui a mené l'étude, à l'ATS.

 Directeur du CIPRET Valais (Centre d'information pour la prévention du tabagisme), Jean-Bernard Moix estime qu'il est difficile d'énoncer des généralités. "Les conséquences de la fumette dépendent du profil du consommateur. Si celui-ci est bien intégré, s'il fume de manière modérée, il pourra arrêter sans trop de difficultés. Si au contraire il rencontre des difficultés familiales, sociales, professionnelles, il risque de s'engager dans une consommation régulière. "

 Cette dernière peut être d'autant plus problématique que le jeune se trouve à une période critique, où son avenir professionnel se dessine. "Le cannabis peut l'entraîner dans une logique de démotivation, d'échec, qui pourra avoir des conséquences sur toute sa vie. "

 Pour Jean-Bernard Moix, il n'y a donc pas forcément lieu de s'alarmer pour quelques joints - "à condition que le jeune ne prenne pas le volant" -, mais les suites dépendront beaucoup de sa situation, de son intégration et d'éventuels troubles psychiques latents que le cannabis peut révéler ou aggraver.

 L. AU. / ATS

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HEROINABGABE
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Südostschweiz 11.6.10

Heroinabgabe hat sich bewährt

 Seit zehn Jahren wird in Chur Heroin an schwer abhängige Süchtige abgegeben. Die Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR) ziehen eine positive Bilanz und laden zu einem Tag der offenen Türe ein.

 Von Ueli Handschin

 Chur. - Die schockierenden Bilder von der Zürcher Drogenszene auf dem Platzspitz und am Letten führten Anfang der Neunzigerjahre zu einer radikalen Neuerung in der Drogenpolitik. Um endlich etwas gegen die Verelendung und Kriminalisierung der schwer Abhängigen zu tun, wurde die Abgabe von Heroin durch den Staat erstmals ernsthaft diskutiert und dann rasch umgesetzt. Am 1. August 1993 ging in Zürich die erste Abgabestelle der Schweiz in Betrieb. Alle grösseren Städte, aber auch Landgemeinden wie Wetzikon oder Horgen, folgten dem Beispiel.

 Sieben Jahre später war es auch im Kanton Graubünden so weit: Nach einer halbjährigen Versuchsphase erteilte die Regierung Ende 1999 den Psychiatrischen Diensten den Auftrag, die Heroinabgabe umzusetzen. Das dazu notwendige Ambulatorium konnte am 10. Juli 2000 in der Neumühle nahe des Churer Bahnhofs eröffnet werden. Laut Anna Regula Gujer, stellvertretende Leitende Ärztin der PDGR, kam dem Projekt die Zusammenarbeit mit dem Kanton St. Gallen zugute: Das Ambulatorium ist auch für Patientinnen und Patienten aus dem Sarganserland und der Region Werdenberg zuständig.

 Tagesstruktur ist wichtig

 Die ersten Patienten meldeten sich von sich aus bei den Behörden oder wurden durch Hausärzte oder Amtsstellen zugewiesen, schilderte Gujer gestern an einer Medienorientierung der PDGR. Schon nach kurzer Zeit habe sich der gesundheitliche Zustand der Klientel deutlich verbessert, und die meisten Bezügerinnen und Bezüger hätten nach einem Jahr den zusätzlichen Konsum von Kokain aufgegeben. Doch zeigte sich auch, dass die Abgabe von Opiaten in Form von Heroin oder dem Ersatzstoff Methadon allein nicht genügt. Denn die Gefahr, erneut in der Drogenszene abzustürzen, bleibt ohne geregelten Tagesablauf gross (siehe Kasten).

 Tagesstrukturen vermitteln

 Um den Patienten zu helfen, sich wieder an Tagesstrukturen zu gewöhnen, wurden die Dienstleistungen vor zwei Jahren erweitert, wie Betriebsleiterin Margrith Meier gestern vor den Medien schilderte. Jeden Donnerstag gibt es kreative Angebote wie Wanderungen und andere Ausflüge. Äusserst beliebt ist die Kochgruppe, wo es nicht nur darum geht, eine Mahlzeit zuzubereiten, sondern auch um die Vermittlung grundlegender Dinge wie der Erstellung und Einhaltung eines Budgets oder den sorgfältigen Umgang mit Nahrungsmitteln. Dreimal wöchentlich wird Akupunktur angeboten, was ebenfalls gern genutzt wird.

 Das Ambulatorium bietet derzeit 34 Therapieplätze für Heroinsüchtige und zehn für Abhängige, die auf Methadon umgestiegen sind. Fast zwei Drittel der derzeitigen Klienten haben im Leben wieder Fuss fassen können: 17 haben Arbeit auf dem freien Arbeitsmarkt gefunden, ein Patient steht in der Ausbildung und zwölf besuchen Beschäftigungsprogramme.

 Neben den heroin- und methadon-gestützten Behandlungen bietet das Ambulatorium auch Verhaltenstherapien für Kokain- und Cannabis-Konsumierende an. Ausserdem werden alle Gesuche von Hausärzten aus Graubünden bearbeitet, welche Methadon verabreichen wollen. Zurzeit wird das Medikament von 77 Ärzten an 336 Patienten abgegeben.

 Tag der offenen Tür

 Die Bevölkerung erhält morgen Samstag von 11 bis 15 Uhr erstmals die Gelegenheit, einen Blick in die Behandlungs- und Betreuungsräume zu werfen. Ein Rundgang gibt Einblick in die heroingestützte Behandlung, und Patienten werden von ihren Erfahrungen berichten.

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 "Auf der Gasse geht das nicht"

 Erst wenn der Zwang entfällt, sich Heroin auf dem Schwarzmarkt zu beschaffen, ist überhaupt an einen Ausstieg zu denken, so die Erfahrung eines Betroffenen.

 Er ist einer der dreissig Personen, die derzeit zweimal täglich, immer morgens und abends, im Ambulatorium Neumühle Heroin beziehen. Nur dank der Heroinabgabe sei es ihm möglich, über einen Ausstieg aus dem Drogenkonsum ernsthaft nachzudenken, erklärt der 27-Jährige. "Auf der Gasse geht das nicht."

 "Ist die Droge nicht verfügbar, wird alles andere gegenstandslos", so die Erfahrung des jungen Mannes. Alle Gedanken, alles Handeln drehe sich um den nächsten Schuss. Denn fehlt es an Nachschub, droht der Entzug: Ein ungestilltes Verlangen nimmt die Psyche in Beschlag und paart sich mit unerträglichen körperlichen Schmerzen. Heroin muss her - alles andere, alle Probleme und Aufgaben, die ein normales Leben stellt, werden bedeutungslos.

 Seit ihm das Heroin ohne Beschaffungsstress zur Verfügung steht, hat sich sein Leben zum Besseren entwickelt. Dank Beschäftigungsprogramm ist der Tagesablauf geregelt, die Beziehung zur Freundin hat sich gefestigt, und auch der Drogenkonsum hat sich stark reduziert. Heute genüge ihm weniger als die Hälfte der anfänglichen Dosis. Und er habe sich fest vorgenommen, nach und nach ganz auf Opiate zu verzichten.

 Das allerdings gelingt längst nicht allen: Von den ersten zehn Patienten, die in Chur Heroin erhielten, sind zwei nach wie vor im Heroin-Programm. Zwei sind auf Methadon umgestiegen, zwei weitere konsumieren statt Heroin die legale Droge Alkohol. Vier verstarben inzwischen, wovon drei nach Ausstieg aus der Behandlung an Überdosen eines Drogen-Cocktails. Eine Patientin verschied an den Komplikationen einer Krankheit. In den letzten zehn Jahren wurden im Ambulatorium insgesamt 270 Personen behandelt.

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Bund 10.6.10

Sogar im Nachtklub zeigt man Hitzfelds Jungs

 Wo man sich die Spiele der Fussball-WM ansehen kann: eine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

 Morgen beginnt die Fussball-WM, das weiss inzwischen der letzte Sport-Verweigerer und die letzte Alain-Sutter-Allergikerin. Doch längst nicht jede Panini-Langzeitsammlerin und jeder Vuvuzela-Virtuose weiss schon, in welchem Lokal er den nächsten Monat zubringen soll. Dabei kann der Ort des Fussball-Guckens bedeutend sein: Bei 64 Spielen kann eine gewisse Monotonie eintreten, bei Partien wie Algerien - Slowenien das Rahmenprogramm oder die Biermarke wichtiger als das Spiel selbst werden.

 Die grossen Kisten

 Mit grosser Kelle angerichtet wird heuer etwa im Westside. Auf dem Gilberte-de-Courgenay-Platz, direkt vor dem Einkaufstempel, wird gar ein Kunstrasen ausgelegt. Darauf gibt es Bildschirme, Verpflegung, einen Wettbewerb mit YB-Spielern und Nachwuchsbands aus der Region, die noch keine grossen Namen haben, dafür originelle: Death by Chocolate aus Biel etwa.

 Gleichzeitig mit der WM wird auf der Grossen Schanze auch der City Beach eröffnet. Am Stadtstrand werden aber jeweils nur die Abendspiele gezeigt, am Wochenende auch die Spiele um 16 Uhr. Halligalli gibt es während fussballreicher Zeiten immer auch in der Gurtengasse, in der die einschlägigen Lokale der Jansen-Gastronomie zu finden sind. Am Eröffnungsabend tritt die Schlagertruppe ChueLee auf, vor den Spielen gibt es jeweils Vuvuzelas zu gewinnen.

 Die Alternativen

 Etwas anders geartet wird das Publikum wohl in der Reitschule sein, wenn im Innenhof des autonomen Kulturzentrums Sepp Blatters Grossanlass gezeigt wird. Auf dem Vorplatz finden Konzerte statt, im Restaurant Sous le Pont werden ab den Achtelfinals länderspezifische Speisen gereicht (Rösti!). Alternative Szenegänger mit Hang zu Ballspielen sind gewöhnlich auch in der Rathausgasse anzutreffen, wo sich 3 Eidgenossen, Les Amis und die Videothek Dr. Strangelove zum WM-Kollektiv zusammengeschlossen haben.

 Die Quartierbeizen

 Ausserhalb des Stadtzentrums stehen auch Grossleinwände und Bildschirme. Eine feste Adresse ist etwa das Café Kairo in der Lorraine, auch hier ist das Publikum politisch eher linksfüssig unterwegs. Ein Quartier weiter, im Breitenrain, finden sich gleich zwei schmucke Lokale, die Fussball mit gastronomischen Leckereien verbinden: so das Vetter Herzog in der Herzogstrasse und das Restaurant Lokal an der Militärstrasse, das im Innenhof eine Grossleinwand installiert hat und dort Bio-Würste und lokales Gebräu kredenzt. Gratisbier gibts im Mappamondo in der Länggasse - und zwar, wenn die Schweiz oder Italien ein Tor schiesst.

 Die Klassiker

 Diese Kneipen brauchen eigentlich gar keine Erwähnung mehr, sie sind meist rappelvoll, wenn Fussball ansteht. So verhält es sich etwa mit dem Mr. Pickwick Pub an der Wallgasse, dem Aarbergerhof in der Aarbergergasse oder der Bar Subway an der Spitalgasse. Zur festen Grösse in Sachen gemeinsames Gucken hat sich auch das Bierhübeli entwickelt, das mit einem wetterfesten Saal mit 120 Plätzen aufwartet.

 Die Auswärtigen

 Eine wunderbare Adresse für gepflegten Passiv-Fussball ausserhalb der Stadtgrenzen ist der Schlosshof in Köniz. Im stimmungsvollen Ambiente treffen sich Hardcore-Fan und Familie, Einheimische und Einwanderer - und das ohne Konsumationszwang. Alle Spiele sieht man auch im Bellevue in Ittigen (jedes elfte Bier gratis), im Kreuz in Zollikofen (währschaft), im Woodys in Worb (Lounge-Style), im Schützenhaus in Burgdorf (mit eigenem Bier), im Greenplanet in Reinisch (Oberländer Bauernhaus-Groove) oder auf der Seematte in Nidau (mit Blick auf den See).

 Die Kuriosen

 Im Public-Viewing-Angebot findet sich auch allerlei Buntes: Orange dominiert in der Turnhalle, wenn die Niederländer spielen - inklusive Oranje-Deko und Polonaise Hollandaise. Holland-Specials bietet auch das Restaurant Henris auf dem BEA-Gelände. Ebenfalls ein Spezialprogramm fährt der Striptease-Schuppen Le Perroquet an der Berner Laupenstrasse, der ebenfalls alle Spiele überträgt. Wer in einem Wettbewerb den Torschützenkönig errät, dem winkt ein "Abend voller erotischer Überraschungen" mit Konsumationsgutschein über 4000 Franken. (jäg)

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BZ 10.6.10

Public Viewings während der Fussball-WM

 Das 90-Minuten-Gruppenerlebnis

 Ein grosses Public Viewing gibt es in diesem Jahr in Bern nicht. Dafür Dutzende Lokale, die ab morgen die WM-Spiele auf Leinwänden zeigen. Eine Auswahl fürs Gruppenerlebnis Fussballschauen aus der Stadt und Region Bern.

 Hunderttausende waren es, die vor zwei Jahren Bern bevölkerten und sich auf den Plätzen die Spiele der Euro 08 auf Riesenleinwänden ansahen. Zehntausende davon waren Holländer. Zu solch riesigen Public Viewings kommt es anlässlich der WM 2010 in der Stadt und Region Bern nicht. Das Gruppenschauen für 90 Minuten oder länger fällt eher klein, aber fein aus. An Holland erinnert man sich aber nach wie vor.

 Mit Erinnerung an Holland

 "WM Kermis" heisst das Motto in der Turnhalle-Bar im Progr. Hier werden alle Spiele gezeigt, im Hof und in der Turnhalle selber. Bei Spielen mit Holland läuft holländischer Kommentar. Zudem gibt es holländische Leckereien. Eineinhalb Stunden vor jedem Holland-Spiel soll ein "Oranje Mars" stattfinden: eine Velo-Pilgerfahrt vom Viktoriaplatz über die Kornhausbrücke zur Turnhalle. Hinter dem Event steckt Teddy Wassmer, Mitorganisator des "Oranje Dorps" in Neuenegg an der Euro 08.

 An Holland erinnert man sich auch im Henris auf dem BEA-Gelände. Dort wird am Montag, 14.Juni, das Spiel Holland - Dänemark gezeigt. Miss Bern Noemi Leibin wird einen Wohnwagen enthüllen, dessen Benützung für das letzte Holland-Gruppenspiel gewonnen werden kann.

 Mit Sand unter den Füssen

 Wetterabhängig sind die Übertragungen der WM-Spiele an den neuen Stadtstränden. Auf dem City Beach, der morgen Freitag auf der Einsteinterrasse (vor dem Institut der exakten Wissenschaften) eröffnet wird, werden alle Abendspiele gezeigt, an Wochenenden auch die Partien ab 16 Uhr. Gleich macht es der Summerbeach, der zweite Berner Strand, weiter vorne auf der Grossen Schanze.

 Mit Live-Kommentar

 Gross wird vor dem Westside angerichtet. Auf dem Platz steht neben Leinwänden auch die Rasen-Bar, die jeweils bis 23.30 Uhr geöffnet hat. Jeden Freitag finden zudem Konzerte statt.

 In der Innenstadt zeigt etwa das Café Kairo die Spiele auf Leinwand und auf Bildschirmen drinnen und draussen, teils mit DJs. Die Bar Subway wirbt für ihre Übertragungen in HD-Qualität, das Lokal Vetter Herzog im Breitenrain für seine spezielle Atmosphäre und das Bierhübeli für die grosse Leinwand im Saal und den lauschigen Garten. Im Uptown auf dem Gurten wird Schweiz - Honduras auf Grossleinwand gezeigt. In der Räblus/Perry Bar werden einige Spiele wie die Eröffnungspartie und Spiele mit Schweizer Beteiligung von Capital-FM-Moderator Albi Saner live kommentiert. Auch im Innenhof der Reitschule ist WM Trumpf. Alle Spiele werden gezeigt. Dazu gibt es Anlässe zu Südafrika.

 Mit Konzerten und Spielen

 Eines der grössten Public Viewings in der Region organisiert der FC Schwarzenburg auf dem Gemeindeparkplatz. Die Spiele werden in einem Zelt auf Grossleinwand übertragen. Dazu kommen Konzerte und am 14.Juni die Ankunft der Tour de Suisse.

 Im Schlossareal Köniz werden alle Spiele im Restaurant zum Schloss und im Schärmeruum gezeigt. Bei Partien der Schweiz sowie ab den Achtelfinals wird im Schlosshof die Grossleinwand aufgestellt, bei schlechtem Wetter in der Pfrundschüür. Ein öffentlicher Grill steht bereit. In Stettlen laden Vereine in die WM-Bar beim Feuerwehrmagazin ein. Gezeigt werden Schweizer Spiele sowie die Partien ab Halbfinal. Im Bären Münchenbuchsee steht im Saal eine Grossleinwand, auf der Schweizer Spiele und alle wichtigen Partien gezeigt werden. "Kick&Rock" mit Matches auf Leinwand heisst das Motto im Downstair Pub Worblaufen. Die Skylounge im Restaurant Airport in Bern-Belp wird während der WM zur WM-Lounge mit südafrikanischen Spezialitäten. Die Präriebar Belp zwischen Viehweid und Flughafen zeigt die Spiele ab Viertelfinal.
 pd/wrs

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BIG BROTHER SPORT
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sf.tv 11.6.10

Fussball-WM: Hooligans müssen sich in Acht nehmen

 Gewalttätige Fussballfans in der Schweiz müssen aufpassen, dass sie die WM-Spiele nicht nur bei sich zu Hause am Fernsehen anschauen dürfen. Denn auch der Zugang zu Public-Viewing-Zonen kann mit einem Rayonverbot belegt werden.

sf/coro

 Städte oder Kantone können Public-Viewing-Zonen für die Fussball-Weltmeisterschaft zu so genannten Rayons deklarieren und Hooligans mit einem Rayonverbot für diese Zonen belegen, wie Stefan Kunfermann vom Bundesamt für Polizei fedpol auf Anfrage von "tagesschau.sf.tv" sagte. Dann dürfen sich die Betroffenen für eine bestimmte Zeitdauer nicht in dieser Zone aufhalten.

 Bisher wurden in der Schweiz 612 Rayonverbote für Hooligans verfügt. Gültig sind derzeit 243 derartige Verbote. Diese werden jeweils von den Behörden der Kantone erlassen, wo die betroffene Person wohnt oder wo sie an der Gewalttätigkeit beteiligt war.

 Spiele der "Nati" im Ausland sind friedlich

 Spiele der Schweizer Nationalmannschaft im Ausland verlaufen erfahrungsgemäss aber grundsätzlich friedlich. Gewalttätige Hooligan- und Ultragruppierungen haben laut Kunfermann meist kein Interesse an der Nationalmannschaft. Ausreisebeschränkungen werden daher eher für internationale Spiele im Clubfussball - also bei Spielen der Champions- oder Europaliga - verfügt.

 Fedpol hat deshalb im Zusammenhang mit der Fussball-WM in Südafrika bisher keine Ausreisebeschränkungen für Personen verfügt, die in der Hooligan-Datenbank Hoogan registriert sind. Der Fachbereich Hooliganismus beim Fedpol haben die Kantone, Städte und die Schweizerische Zentralstelle Hooliganismus aber darauf aufmerksam gemacht, dass sie Anträge auf Ausreisebeschränkungen stellen könnten. "Bis dato hat fedpol aber keine Anträge erhalten", sagte Kunfermann.

 Schon mehr als 900 Personen als Hooligans registriert

 Inzwischen sind bereits 904 Personen im Informationssystem Hoogan registriert. Erfasst wurden sie grossmehrheitlich wegen gewalttätiger Vorfälle im Club-Fussball oder Club-Eishockey.

 Englische Hooligans kurz vor WM festgenommen

 In Grossbritannien sind vor der Eröffnung der Fussball-WM fünf polizeibekannte Hooligans festgenommen und in Hausarrest gesetzt worden. Ihnen
 wird vorgeworfen, ihre Reisepässe nicht abgegeben und damit gegen
 gerichtliche Auflagen verstossen zu haben. Nach Polizeiangaben wird es noch weitere Razzien gegen Hooligans geben.

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POLICE CH
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NLZ 11.6.10

Sicherheit

 Polizisten schlagen Alarm

 red. Die Polizisten in der Schweiz prangern die Missstände in ihrem Beruf an: zu wenig Leute, zu viele Wochenendeinsätze wegen Fussball- oder Eishockeyspielen und zunehmender Gewalt. Dies habe zur Folge, dass die Polizei immer weniger ihre Präventionsaufgabe wahrnehmen könne, sagt Max Hofmann, Präsident des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter.

 Der Verband setzt sich für die beruflichen Interessen der Polizisten in der Schweiz ein. Ihm gehören über 23 000 Polizisten an.

 Den Polizisten machen nicht nur die Arbeitsbedingungen zu schaffen, sondern auch die privaten Sicherheitsfirmen. In der Romandie gibt es bereits mehr private Sicherheitsagenten als Polizisten.

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Sicherheitsfirmen

 "Private sind bald in der Überzahl"

Von Christoph Reichmuth

 Zu wenig Polizisten, zu viele Überstunden. Und nun auch noch Probleme, neue Leute zu finden. Max Hofmann sagt, wo der Hebel angesetzt werden muss.

 Max Hofmann, Polizisten über Überstunden, zu wenig Personal, wenig Freizeit. Mit Verlaub, das betrifft auch andere Branchen. Sind die Polizisten einfach Jammeris?

 Max Hofmann*: Natürlich nicht. Es gibt aber zwei Dinge, die unseren Beruf von den anderen Branchen unterscheiden: Das ist zum einen die Bevölkerung, die sich mehr Sicherheit wünscht. Dafür brauchen wir aber mehr Leute, zirka 1500 Stellen schweizweit. An unserem personellen Unterbestand leidet die Prävention. Ich mache Ihnen ein Beispiel: Oft sind unsere Polizisten nicht in der Lage, Patrouillenfahrten durchzuführen. Folge davon ist, dass das Risiko für kriminelle Handlungen steigt, da sich potenzielle Delinquenten mangels Polizeipräsenz zum Handeln animiert fühlen können. Wenn wir jetzt nicht endlich handeln und unseren Personalbestand massiv aufstocken, hinken wir der steigenden Kriminalität stetig hinterher.

 Sie zeichnen nicht gerade ein attraktives Bild des Polizeiberufs. Das spüren auch gewisse Korps, die Mühe haben, Polizisten zu rekrutieren.

 Hofmann: Tatsächlich gibt es in einigen Kantonen Rekrutierungsprobleme. Beat Hensler, der Kommandant der Kantonspolizei Luzern, wollte deshalb, dass auch Ausländer mit einer C-Bewilligung zum Polizeiberuf zugelassen werden. In Genf hat man das gemacht, die Probleme lösten sich aber nicht. Also liegt der Kern des Rekrutierungsproblems woanders.

 Wo denn?

 Hofmann: Die Polizei arbeitet am Limit, Überstunden können kaum kompensiert werden - 2006 erreichten alle Korps mit Ausnahme von Zürich und Aargau 1,2 Millionen Überstunden. Dadurch fehlt die Zeit der Regeneration. Hinzu kommt eine zunehmende Gewalt. Diese Mehrbelastung wird aber zu wenig honoriert, die Löhne sind in unserem Berufsstand in den letzten Jahren quasi gleich geblieben.

 Vielleicht müsste man insgesamt die Anforderungen an die Polizeikandidaten überdenken: Weshalb soll jemand mit Tätowierung oder einem Piercing eigentlich nicht Polizist werden dürfen?

 Hofmann: Das wäre eine Alibiübung. Im Kanton Tessin dürfen Polizisten ja nun eine Tätowierung tragen. Es ist aber ganz bestimmt nicht so, dass eine Lockerung der Vorschriften diesbezüglich unseren Beruf wahnsinnig aufwerten würde.

 Durch die Probleme der Polizei wittern private Sicherheitsfirmen ihre Chance. Anstatt sich über Unterstützung zu freuen, fordert Ihr Verband, die Arbeit dieser Firmen zurückzubinden. Wieso?

 Hofmann: Wir haben nichts gegen private Sicherheitsfirmen, diese Leute dort machen einen guten Job. Ein Problem bekommen wir aber, wenn diese Privatfirmen ihre Kompetenzen überschreiten: Es gibt schon private Firmen, die Personenkontrollen durchführen oder Asylbewerber zum Flughafen geleiten, in Zürich arbeitet eine Firma mit Schlagstöcken. Mit Verlaub: Das sind nicht Aufgaben, die private Firmen erledigen können, bei denen Leute arbeiten, die in einem Fünftages-Crash-Kurs ausgebildet worden sind.

 Was fordern Sie?

 Hofmann: Wir wollen eine Konkordatslösung, die für alle Kantone gilt und die den privaten Sicherheitsfirmen klare Limiten setzt. Wir haben nichts dagegen, wenn diese Leute Kleinkriminelle festhalten, bis die Polizei eintrifft oder den Verkehrsdienst bei Baustellen leiten. Wenn wir aber sehen, dass solche Leute mit Schlagstöcken bewaffnet Kriminellen hinterherjagen, macht uns das Sorgen.

 Es gibt schweizweit 14 000 Sicherheitsagenten bei 16 000 Polizisten, in der Romandie hat es sogar mehr Sicherheitsagenten als Polizisten. Die Rahmenbedingungen bei solchen Firmen scheinen attraktiver zu sein.

 Hofmann:

 Es scheint so, dass dort bessere Konditionen zu einem geringeren Risiko angeboten werden. Dem muss die Politik nun den Riegel schieben, sonst sind private Sicherheitsfirmen schon bald in der Überzahl und wir in der Unterzahl.

 Hinweis: * Max Hofmann ist Präsident des Verbandes Schweizer Polizeibeamter (VSPB).

 christoph.reichmuth@neue-lz.ch

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 DV in Luzern

 Polizisten beklagen Berufs-Missstände

 Unterbestände, regelmässige Wochenendeinsätze wegen Fussball- oder Eishockeyspielen, zunehmende Gewalt: Polizeibeamte wollen nicht länger die Prügelknaben sein. Gestern Donnerstag und heute Freitag wollen sie deshalb an der Delegiertenversammlung in Luzern die Missstände in ihrem Berufsstand bekämpfen.

 Der Verband der Polizeibeamten setzt sich für die beruflichen Interessen der Polizisten in der Schweiz ein. In 69 Sektionen sind über 23 000 Mitglieder im Verband organisiert.

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20 Minuten 11.6.10

Polizisten: "Jetzt reichts"

 LUZERN. Personalmangel, Überstunden, Gewaltattacken - die Vertreter des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamten VSPB haben gestern an der Delegiertenversammlung in Luzern ihrem Unmut Luft gemacht. Unter dem Motto "Es reicht!" forderte der Verband eine Aufstockung der Polizeibestände um 15 Prozent. Mit 2,3 Polizisten pro tausend Einwohner hat die Schweiz im europäischen Vergleich am wenigsten Polizeikräfte. Die Folge sind Unmengen von Überstunden: "Es kann nicht sein, dass wir unsere Freizeit hergeben, welche unserer Gesundheit, unserer Erholung und unseren Familien zugute kommen sollte", sagte VSPB-Präsident Heinz Buttauer vor rund 300 Delegierten. Ausserdem wurde eine aktive Unterstützung bei Gewalt gegen die Polizei gefordert sowie die Eindämmung der Aktivitäten privater Sicherheitsdienste. Heute verabschiedet der VSPB eine entsprechende Resolution.

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presseportal.ch 10.6.10

"Wir wollen nicht länger die Prügelknaben sein!"
240 Polizistinnen und Polizisten diskutieren in Luzern

Luzern (ots) - Es gibt viele Gründe, wieso der Polizei-Beruf zurzeit wenig attraktiv scheint: Massive Unterbestände in praktisch allen Korps, regelmässige Wochenend-Einsätze zur Sicherung von Fussball- oder Eishockey-Spielen, immer mehr Gewalt und Drohungen gegen Beamte sowie Defizite bei der Überstundenregelung und keine flexiblen Pensionierungsmöglichkeiten sind nicht unbedingt motivierend. Zudem werden immer öfters staatspolitisch sensible Aufgaben an Sicherheitsfirmen ausgelagert. Ein Zustand, der sowohl Politikern als auch den Einwohnerinnen und Einwohnern dieses Landes zu denken geben sollte. Deshalb sagen wir: Es reicht! Heute und morgen werden rund 240 Polizistinnen und Polizisten als Delegierte ihrer Sektionen aus der ganzen Schweiz zusammen mit Gästen über die aktuellen Missstände und Verbesserungsvorschläge in ihrem Berufsstand diskutieren. Zum Abschluss der 90. Delegiertenversammlung des VSPB ist auf Freitagmittag die Verabschiedung einer Resolution geplant. Der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) setzt sich für die beruflichen Interessen der Polizistinnen und Polizisten in der Schweiz ein. In 69 Sektionen sind über 23'000 Mitglieder im VSPB organisiert und knapp 95 Prozent der im Service Public angestellten Polizistinnen und Polizisten.

 Fotos und weitere Informationen über die Delegiertenversammlung werden laufend zur freien Verfügung (Quellenangabe erbeten) aufgeschaltet:
http://www.presseportal.ch/go2/www.vspb.ch/de

ots Originaltext: Verband Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB
Internet: www.presseportal.ch

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Stoppt die GWK-Abschaffer!

Bern (ots) - Verschiedene Exponenten aus Politik und Polizei wollen das Grenzwachtkorps (GWK) aufteilen und in die kantonalen Polizeikorps integrieren. Diesem Ansinnen hat der Kongress der Gewerkschaft garaNto am 10.06.2010 eine klare Absage erteilt. Angeführt wird die Allianz der "GWK-Abschaffer" durch die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter. Sie wagt sich am weitesten vor: Sie unterstellt gar, mit der Integration des GWK in die kantonalen Polizeikorps wären die Steuergelder besser investiert als heute. Das ist eine inakzeptable Behauptung und zielt am eigentlichen Problem vorbei. Im Zentrum stehen die Unterbestände in den kantonalen Polizeikorps (1'500 - 3'000 Polizisten) und die föderale Struktur der Polizeilandschaft Schweiz. Aus Kostengründen scheuen die Kantone vor einer Aufstockung der Polizeikorps zurück. Zusätzliche Kosten wollen sie ihren Steuernzahlern nicht zumuten. Ausserdem fehlt der politische Wille, eine nationale Polizeireserve zu schaffen, zum Beispiel für Grossereignisse. Da kommt eine inszenierte Diskussion über die Aufteilung des GWK auf die Kantone gerade recht: Die Kantone könnten so - ohne Kostenfolge - ihre Polizeibestände substanziell erhöhen und gleichzeitig eine nationale Polizeireserve schaffen, zu Lasten der Eidg. Zollverwaltung (EZV) und der Sicherheit an der Grenze. garaNto hat kein Verständnis dafür, dass auf dem Buckel des Grenzwachtpersonals - in beleidigender Art und Weise - Verteilkämpfe zwischen Bund und Kantonen ausgetragen werden. Das GWK ist Teil der EZV und damit des Eidg. Finanzdepartementes. So muss es auch bleiben. Es leistet zu 90 % Zollaufgaben und nur zu 10 % Polizeiaufgaben. Letztere jedoch immer im Zusammenhang mit auf dem Zollgesetz beruhenden Aufgaben und gestützt auf Vereinbarungen mit den Kantonen. Massgebend sind folglich die Synergien zum zivilen Zoll und nicht jene zu den kantonalen Polizeikorps. Das ist nicht Theorie, sondern Praxis. Die GWK-Abschaffer können das jederzeit vor Ort überprüfen.

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Zofinger Tagblatt 10.6.10

Wirksame Mittel gezielt einsetzen

 Zofingen Aktive Schweizerische Polizeitechnische Kommission

 Heute und morgen tagt im Zofinger Rathaus die Fachgruppe AT (Allgemeine Technik) der Schweizerischen Polizeitechnischen Kommission (SPTK). Organisator ist Hptm André Zumsteg, Abteilungschef der Kapo West.

 Schweizerische Polizeitechnische Kommission (SPTK) heisst ein Ausschuss von kantonalen und städtischen Polizeikommandanten. Drei Fachgruppen untersuchen, prüfen und bewerten Logistik-, Kommunikations- und Führungssysteme sowie Informatikmittel. Sie erarbeiten Empfehlungen und Richtlinien und koordinieren die Bedürfnisse der Schweizer Polizei.

 Getragen von der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) und der Schweizerischen Vereinigung der städtischen Polizeichefs (SVSP), tritt die SPTK kaum an die Öffentlichkeit. Ihre Spuren findet, wer Bot-schaften und Vernehmlassungen kantonaler Regierungen liest, sofern sie sich mit grösseren polizeilichen Projekten beschäftigen.

 Je eine Fachgruppe kümmert sich um "Allgemeine Technik" sowie um "Über-mittlung und Elektronik". Die Fachgruppe "Informatik" bearbeitet zusammen mit dem Bundesgremium für die Planung, Projektsteuerung und Standardisierung in der polizeilichen Informationsverarbeitung (PPS) verschiedene Projekte, um Applikationen auf Stufe Europa, Bund, Kantone und Gemeinden kompatibel zu machen, also technische Mauern abzubauen.

 Was leistet die SPTK?

 Die SPTK vermag zu überzeugen. Sie stützt Stellungnahmen breit ab und bezieht jedes erreichbare Fachwissen mit ein. So wirkte sie mit bei der Entwicklung der neuen, inzwischen eingeführten Polizeimunition. Diese krankt nicht an den Nachteilen der herkömmlichen, für den Krieg entwickelten VolImantelgeschosse, die den menschlichen Körper glatt durch-schlagen und nach Fehlschüssen zu Querschlägern verkommen. Sie deformiert sich beim Aufprall, zerlegt sich aber nicht in völkerrechtlich verpönter Weise.

 Die SPTK ersinnt tragfähige Kompromisse, indem sie sich mit ausländischen Erfahrungen auseinandersetzt. Das bewährte sich im Streit um das Destabilisie-rungsgerät, den "Taser". Der ermöglicht der Polizei einerseits, mitunter vom Gebrauch der Schusswaffe abzusehen, weshalb der Verzicht auf dieses mildere Mittel der Verhältnismässigkeit widerspricht. Anderseits legen im Ausland heftig diskutierte Einsätze eine gewisse Missbrauchsgefahr nahe, indem unerfahrene Funktionäre versucht sein können, zu früh nach dem Taser zu greifen. Die SPTK erarbeitete als Lösung, dass einzig Spezialformationen mit besonderer Ausbildung diese Mittel verwenden.

 Die SPTK verbindet. Sie trug bei zum Durchbruch des Projektes "POLYCOM". Dank diesem können Polizeikorps untereinander und mit allen "Blaulichtorganisationen" drahtlos Verbindung halten. Für den Sprechfunk ist das in weiten Teilen der Schweiz bereits Wirklichkeit. - Die SPTK geniesst keine Weisungsbefugnis, aber hohe Autorität. Sie trägt wesentlich zur Beruhigung bei, indem sie, nachdem eine Lösung gefunden ist, es übernimmt, Informationen über tatsächliche Einsätze zu sammeln und aufzubereiten. (pd)

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RAUSCHKNAST BS
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20 Minuten 11.6.10

Basler Regierung prüft neue Ausnüchterungszellen

 BASEL. Das Parlament hat sich gestern entschieden, Ausnüchterungszellen nach dem Zürcher Vorbild prüfen zu lassen.

 "Rund 1500 Sturzbetrunkene schlafen jedes Jahr auf der Notfallstation oder in den Ausnüchterungszellen der Polizei ihren Rausch aus", erklärt SVP-Grossrat Lorenz Nägelin. Dies binde dringend benötigtes Personal und koste den Kanton jährlich Millionen. "Es ist nicht richtig, dass die Allgemeinheit dafür zahlen muss, wenn einer zu viel gesoffen hat", so Nägelin, der selber als Rettungssanitäter arbeitet. Als Zürich im März ein Pilotprojekt mit speziellen Ausnüchterungszellen startete, wurde er hellhörig. Die Kosten müssen die Betrunkenen selber berappen: 600 Franken kostet ein Kurzaufenthalt, 950 eine Nacht. Dabei werden sie von privatem medizinischem Personal und Sicherheitspersonal überwacht. Das "Angebot" wird rege genutzt: "Wir sind jedes Wochenende gut ausgelastet", so Polizeisprecherin Judith Hödl.

 Nun prüft auch der Basler Regierungsrat dieses Konzept. Der Grosse Rat hat gestern einen entsprechenden Anzug Nägelins mit 37 zu 36 Stimmen überwiesen. Dagegen stimmten vor allem die SP und die Grünen, die die heutige Variante für praktischer halten. Und auch Polizeikommandant Gerhard Lips hegt Zweifel an der Idee: "Wenn man sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis anschaut, drängt sich so etwas nicht auf", so Lips.  

Jonas Hoskyn

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SANS-PAPIERS
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Blick am Abend 10.6.10

Illegale sollen bleiben

 Ausländer

 Sie leben versteckt und haben kaum Rechte: Jetzt zeigt Zürich Herz und will, dass Sans Papiers bleiben dürfen.

 Der Zürcher Gemeinderat gibt sich von der menschlichen Seite: Er fordert Bundesbern mit 59 zu 58 Stimmen auf, illegal anwesende Ausländer zu legalisieren. Sans Papiers (Papierlose) leben versteckt, das heisst, sie weichen den Behörden aus, weil sie gar keine Aufenthaltsbewilligung haben. Wenn überhaupt arbeiten sie als Handlanger oder im Putzgewerbe. Je nach Schätzung leben 70 000 bis 100 000 Sans Papiers in der Schweiz.

 Der Gemeinderat sprach sich für den Vorstoss der SP aus, weil diese Leute das Land so oder so nicht mehr verliessen. Damit die Schweiz aber nicht ein falsches Zeichen setze und noch mehr Ausländer ohne Aufenthaltsbewilligung anziehe, hat der Gemeinderat beschlossen, dass der Legalisierungsakt einmalig bleiben müsse. Der Vorstoss ist allerdings nur eine Anregung für Bern, denn entsprechende Verordnungen können nur in Bern gemacht werden. mip

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Langenthaler Tagblatt 11.6.10

Gegen Lehren für junge Sans-Papiers

 Grosser Rat Bern sendet kein positives Zeichen an Ständerat

 Sollen junge Sans-Papiers nicht nur Gymnasien, sondern auch Lehren absolvieren können? Corinne Schärer (Grüne/Bern) verlangte gestern von der Regierung zu prüfen, wie sichergestellt werden könne, dass auch junge Ausländer ohne Papiere durch gute Ausbildung für ihre wirtschaftliche Existenz selber aufkommen könnten. SP und Grünliberale kritisierten zudem die Ungleichbehandlung - zahle Bern doch etwa für den Gymer-Unterricht von Sans-Papiers-Jugendlichen.

 Für die SVP gibts "nur eine Lösung: Illegale sofort ausweisen", so Erich Hess (Bern). Christian Hadorn (Ochlenberg) fügte an: "Es gibt immer einen legalen Weg, wenn Ausländer sich engagieren, um hier zu bleiben." FDPler mahnten, der Bund sei bereits am Thema dran; nächste Woche entscheide der Ständerat. Die EDU war gespalten; das Herz sage Ja, der Verstand Nein. Samuel Leuenberger (BDP/Trubschachen) sagte, die "stete Ausreizung des Rechtssystems durch Linke" fördere das Gegenteil. "Irgendwann kippt die Stimmung im Volk, und die Bedingungen werden unverhältnismässig verschärft."

 Da sie vor dem Bund "kein negatives Signal" senden wollte, zog Schärer den Vorstoss "konsterniert und enttäuscht" zurück. (sat)

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WM
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WoZ 10.6.10

Weltmeisterschaft - Protest vor dem Zürcher Fifa-Hauptsitz gegen Zwangsumsiedlungen, schlechte Arbeitsbedingungen und Verbote für StrassenhändlerInnen in Südafrika.

 Sepp Blatter verwarnt
 
Von Carlos Hanimann

 Sepp Blatter ist mal wieder ausser Haus. Als am Dienstagvormittag rund ein Dutzend Menschen einen riesigen Fussball mit 4,5 Meter Durchmesser vor den Fifa-Hauptsitz auf dem Zürichberg her anrollt, weilt der Präsident des Weltfussballverbands bereits in Südafrika, im Hotel Michelangelo Towers in Johannesburg. Auch sonst ist niemand hier, um die Delegation zu empfangen. Aber der Ball, so hat die Fifa schriftlich mitgeteilt, dürfe beim Empfang abgegeben werden.

 Den überdimensionalen Ball hat das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) mitgebracht. Er steht symbolisch für rund 14 000 Unterschriften, die das SAH in den vergangenen sechs Wochen gesammelt hat, eine Petition "gegen die Ausbeutung" an der Fussball-WM. Zeigen Sie Sepp Blatter die gelbe Karte, heisst die Kampagne. Es ist eine Verwarnung an die Adresse der Fifa, eine gelbe Karte, auf dass sich der Weltfussballverband künftig verantwortungsbewusster zeige.

 Wenn am Wochenende die Fussballweltmeisterschaft in Johannesburg beginnt, dann werden über 90 000 Fussballfans im Soccer City Stadion Platz finden. Es ist nur eines der zehn Stadien, die für die WM um- beziehungsweise neu gebaut werden mussten. Die Bauarbeiten lösten einen Wirtschaftsaufschwung aus, die grossen Baufirmen konnten ihre Gewinne im Vorfeld der WM verfünffachen. Doch gerade die Um- und Neubauten der Stadien sorgten in Südafrika für viel Unzufriedenheit: Tiefe Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen waren die Regel. Zusammen mit internationalen Gewerkschaften und Hilfsorganisationen lancierte das SAH deshalb im Jahr 2007 die Kampagne "Fair Games - Fair Play" für bessere Arbeitsbedingungen in den WM-Städten.

 Schweizer Gewerkschaften vor Ort

 Vor zwei Monaten reiste eine Delegation von GewerkschafterInnen nach Südafrika, um sich vor Ort vom Ergebnis dieser Kampagne zu überzeugen   - und um die Kampagne an Brasilien weiterzugeben, wo 2014 die nächste Weltmeisterschaft stattfindet. Mit dabei waren auch SAH-Präsident und SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr und SAH-Kampagnenkoordinator Joachim Merz. Rückblickend sind beide zufrieden mit der Kampagne. "Anfangs sah es sogar sehr gut aus", sagt Hans-Jürg Fehr. "Im Frühling 2008 empfing Sepp Blatter in Zürich eine Delegation aus Südafrika und Schweizer Vertreter der Gewerkschaft Unia und des SAH. Die Fifa erklärte, dass sie sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen werde." Aber es sei bei Lippenbekenntnissen geblieben.

 "Blatter versprach, er werde unsere Anliegen an das Organisationskomitee in Südafrika weiterleiten", sagt Joachim Merz vom SAH. Er habe auch versprochen, dass die Tür für den Dialog weiterhin offen bleibe. "Aber dann krebste die Fifa zurück." Als eine Delegation von GewerkschafterInnen nach Südafrika reiste, um die Stadien zu inspizieren, durften sie zwar das Soccer City Stadium in Johannesburg betreten.

 Zutritt erst nach Streik

 Daniel Jordaan, der Chef des WM-Organisationskomitees, habe den GewerkschafterInnen aber gleich erklärt, dass es ihnen nicht erlaubt sei, Fragen zu stellen. Die Inspektion eines zweiten Stadions sei der Delegation dann gar nicht mehr erlaubt worden, erzählt Joachim Merz. Erst als die Arbeiter in einem dritten Stadion streikten, erhielt die Delegation noch einmal Zutritt.

 Die Kampagne in Südafrika ist abgeschlossen - mit einigem Erfolg: Die Löhne der ArbeiterInnen in den Stadien konnten um dreissig Prozent erhöht werden (auch wenn sie mit 3000 Rand, rund 450 Franken, noch immer unter der gewerkschaftlichen Forderung von 4000 Rand liegen), die Bauarbeiter Innen erhielten Transportentschädigungen, und die Gewerkschaften konnten knapp 10 000 Neumitglieder gewinnen. Doch während die Fifa und die grossen Sponsoren der WM viel Geld verdienen, bleiben zahlreiche Probleme bestehen: Strassenhändler beispielsweise, die sich von der WM Zusatzeinnahmen erhofften, dürfen in einem Umkreis von 800 Metern rund ums Stadion keine Waren verkaufen (vgl. Seite 14). Die Zone ist den Sponsoren vorbehalten. Die Menschen, die in Armenvierteln um die Stadien lebten, wurden in Blechhütten an die Stadtränder verfrachtet. "Die Fifa hat diese Leute nicht eigenhändig umgesiedelt", sagt Ruth Daellenbach, die Geschäftsleiterin des SAH. "Aber sie kann ihren Einfluss geltend machen, um dies künftig zu verhindern." Auch Joachim Merz erwartet von der Fifa im Hinblick auf die WM 2014 mehr Engagement. Die Fifa müsse beispielsweise faire Löhne bereits im Ausschreibeverfahren für Bauaufträge als Bedingung festhalten.

 Dann rollen Daellenbach und Merz mit einem Dutzend SympathisantInnen den überdimensionalen Fussball vor den Fifa-Palast. "Der Ball liegt nun bei Blatter."

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APARTHEID-CH
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WoZ 10.6.10

FUSSBALL-WM-Das Beispiel von Nationalmannschaftssponsor Credit Suisse zeigt, wie wenig die Apartheidunterstützung der Schweiz im öffentlichen Bewusstsein vorhanden ist.

 Ein Team. Eine Bank.

 Von Kaspar Surber

 So heisst der Werbeslogan der Credit Suisse zur Fussball-WM: "Ein Land. Ein Team. Eine Bank." Im Vorfeld der WM  wurden 10 000 Natitrikots ver lost -  mit dem CS-Logo drauf. In den Sta di en­ der "Fifa-Fussball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010(tm)" wird Leibchenwerbung zwar verboten sein. Dafür wird die CS als einer von drei Sponsoren die Übertragungen am Schweizer Fern sehen präsentieren.

 Die Credit Suisse, ehemals Kreditanstalt, ist seit 1993 Hauptsponsorin des Schweizerischen Fussballverbandes. Das Unternehmen war allerdings auch, um es mit Mascha Madörin zu sagen, eines der "Helfer der Apartheid". In ihrem gleichnamigen Buch schreibt die Ökonomin: "Bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit hatten die Schweizer Grossbanken die Federführung und setzten ihre Interessen gegenüber allen Einwänden durch."

 Aktensperre bis heute

 2005 ist der Schlussbericht eines Nationalfondsprojekts zu den Beziehungen Schweiz-Südafrika erschienen. Geleitet hatte es der Historiker Georg Kreis. In den Folgerungen heisst es klipp und klar: "Dass sich die Schweiz der Sanktionsbewegung nicht anschloss, insbesondere wegen des Kapitalexportes und der Abnahme des südafrikanischen Goldexportes, hatte den Apartheidstaat mit seinen kredithungrigen Staatsbetrieben und seinen hohen Staatsausgaben gestützt und gestärkt und somit begünstigt." Die Einrichtung eines Goldpools in Zürich, die Umgehung einer Kapitalexportbeschränkung sowie eine Umschuldungsmission durch den ehemaligen Nationalbankchef Fritz Leutwiler - all dies geschah auf Betreiben der drei damaligen Grossbanken Bankgesellschaft, Bankverein und eben Kreditanstalt. Was sagt die Credit Suisse  heute zu ihren Verstrickungen? "Der Credit Suisse Group eine Mitverantwortung für die Ungerechtigkeiten der Apartheid zuzuweisen, entbehrt jeder Grundlage und wird von den Fakten in keiner Weise gestützt. Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Vorgehen der Apartheidregierung gegen die schwarze Bevölkerung Südafrikas und der Geschäftstätigkeit der Credit Suisse Group in Südafrika."

 Nun entbehrt diese Antwort zumindest einer Grundlage, nämlich des Zitats von Kreis. Dass sie im Jahr 2010 so gegeben werden kann, zeigt: Wohl ist die Apartheidgeschichte in den letzten Jahren ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Weit weniger ist es aber die Schweizer Beteiligung. Und das hat wieder direkt mit den Banken zu tun: 2002 wurden in den USA 23 Konzerne wegen Menschenrechtsverletzungen während der Apartheid angeklagt, darunter auch die CS und die UBS. Just als das Nationalfondsprojekt begann. Auf Druck "interessierter Kreise der Wirtschaft" verhängte der Bundesrat 2003 eine bis heute gültige Aktensperre. Damit war die Forschung stark eingeschränkt. Zum Finanzplatz "fehlen die wichtigen dreissig Jahre von 1960 bis 1990".

 Im April 2009 liess eine New Yorker Richterin gegen fünf Konzerne Klagen zu: Daimler, Ford, General Motors, Rheinmetall, zu der die einstige Rüs tungssparte von Oerlikon-Bührle gehört, sowie IBM. "Mangels Unterlagen konnte den Banken keine direkte Unterstützung von Verbrechen im Apartheidsystem nachgewiesen werden", sagt Barbara Müller von der Kampagne für Entwicklung und Entschuldung im südlichen Afrika.

 In der Hälfte abgeblockt - das ist die Bilanz der Forschung zu den Schweizer Beiträgen an die Apartheid. Anders in Deutschland: Dort läuft vor der WM eine Kampagne gegen Daimler, den Sponsor des Nationalteams. "Der Spiegel" widmete ihr eine mehrseitige Reportage.

 Multikulti auf dem Fussballplatz

 Man mag einwenden: Die Schweiz hat sich in den letzten zwanzig Jahren stark verändert. Wozu die Beschäftigung mit der alten Geschichte?

 Tatsächlich heissen die Natispieler nicht mehr Egli oder Sutter, sondern Derdiyok oder Shaqiri. Zumindest auf dem Fussballplatz, wo die geschossenen Tore mehr zählen als die soziale Herkunft, ist die Schweiz zur multikulturellen Gesellschaft geworden. Aber sonst? Zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung klafft mit Burkaparanoia und Ausschaffungswahn eine beträchtliche Lücke. Vielleicht hat sie mit dieser unbewältigten Geschichte zu tun, die vom Überlegenheitsdenken berichtet. Und von der nicht nur die Credit Suisse nichts mehr wissen will, weil sie ja sowieso nicht dabei war.

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APARTHEIDVERGANGENHEIT - Die Auseinandersetzung um Südafrika sei der Schweizer "Entkolonialisierungsprozess", sagt die Ethnologin und Aktivistin Barbara Müller. Wegen einer Aktensperre bleibt er blockiert.

 Doppelt unerledigte Geschäfte

 Interview: Kaspar Surber

 WOZ: Im Zusammenhang mit der Apartheidvergangenheit Südafrikas ist oft von einem "Unfinished Business" die Rede. Was ist unter diesen unerledigten Geschäften zu verstehen?

 Barbara Müller: Der Begriff wurde in Südafrika selbst geprägt, vom Journalisten Terry Bell und dem Chefermittler der Wahrheits- und Versöhnungskommission, Dumisa Ntsebeza. Die beiden kritisierten in einem Buch, dass die Forderungen nach Wiedergutmachung durch die Versöhnungskommission nicht erfüllt sind, und die Strukturen der Apartheid fortwirken. In einer ers ten Phase des neuen Südafrika hatte Präsident Thabo Mbeki, unter politischem und wirtschaftlichem Druck ausländischer Investoren, auch aus der Schweiz, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen wollen.

 Welche Strukturen der Apartheid wirken fort?

 Beispielsweise die räumliche Separation zwischen Schwarzen und Weissen, die heute eine Trennung von Arm und Reich ist. Wir haben Ende Mai im Romero-Haus in Luzern eine Tagung mit zahlreichen jungen Akademikerinnen und Aktivisten auch aus Südafrika durchgeführt. Sie haben prononciert auf das Thema Armut hingewiesen: Bis 2014 sollten dreissig Prozent des Landbesitzes neu verteilt werden. Bisher sind davon erst fünf Prozent verteilt worden.

 Wie steht es mit der Schweizer Unterstützung des Apartheidregimes? Ist auch dieses Geschäft unerledigt?

 Ich würde sogar sagen, es sei doppelt "unfinished": Die Geschichte ist nicht fertig aufgearbeitet, und sie wurde trotz der skandalösen Forschungsresultate nicht offiziell kommentiert. Zwar wurden die Beziehungen der Schweiz zu Südafrika von 1948 bis 1994 in einem Nationalfondsprojekt untersucht. Doch wegen einer Aktensperre reicht der Bericht kaum über die siebziger Jahre hin aus. Der Bundesrat hat den Bericht an zwei Sitzungen diskutiert, er wollte aber keine Stellungnahme dazu abgeben.

 Das war 2005, als die Apartheidfreunde Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz zusammen im Bundesrat sassen.

 Herr Blocher und Herr Merz wollten vom Bericht sicher nichts wissen: Blocher war Gründungspräsident der apartheidfreundlichen Lobby-Gruppe "Südliches Afrika", Merz führte als Wirtschaftsberater zahlreiche Mandate in der Apartheidzeit aus. Deswegen wurde er 2002 nicht FDP-Präsident. Offenbar gab es damals einen kurzen Zeitraum, in dem solche Beziehungen skandalisierbar waren. Ein Jahr später wurde er zum Bundesrat gewählt.

 Wie kam es zur Aktensperre?

 Die Opferorganisation Khulumani, die 58 000 Mitglieder umfasst, hat im Jahr 2002 Klagen gegen 23 Konzerne angestrengt, die sich in der Apartheidzeit Menschenrechtsverletzungen schuldig machten, darunter auch die Vorgängerbanken der jetzigen Credit Suisse und der UBS. Auf Druck der Grossbanken wurden 2003 die Akten, die Südafrika  be treffen, im Bundesarchiv gesperrt - ­ mitten in der laufenden Forschungsar beit, damit keine Beweise gefunden werden konnten. Die Finanzinstitute wurden mittlerweile von den Klagen ausgenommen, weil ihnen Menschenrechtsverletzungen schwieriger direkt nachzuweisen sind als beispielsweise einem Autobauer wie Daimler Chrysler, der dem Regime Truppentransporter lieferte. Die Akten im Bundesarchiv sind trotzdem weiter gesperrt.

 Auch wenn die Geschichte nicht fertig aufgearbeitet ist - welches waren die wichtigsten Unterstützungsleistungen an das Apartheidregime?

 Wirtschaftlich ist sicher die Einrichtung eines Goldpools 1968 in Zürich zu erwähnen: In Spitzenzeiten liefen achtzig Prozent des südafrikanischen Goldhandels über die Schweizer Grossbanken. Man muss von einer engen Freundschaft, einer eigentlichen Komplizenschaft reden: Weil die internationalen Boykotte gegen das Regime zunahmen, wurde die Kategorie "Schweiz" aus den Statistiken der südafrikanischen Nationalbank gestrichen. Dies auf Antrag der hiesigen Grossbanken. Die grösseren Industriebetriebe waren alle in Südafrika tätig. Auch im militärischen und wissenschaftlichen Bereich gab es zahlreiche Kooperationen, etwa mit Waffenlieferungen und in der Nukleartechnik.

 Wie ist diese Komplizenschaft entstanden?

 Mit der Einführung der Apartheid 1948 bot sich der Schweiz die Gelegenheit, ihren Aussenhandel auszudehnen: Wegen der Machtergreifung der burischen Nationalpartei zogen sich die britischen Firmen zurück. Und im Commonwealth stiess die Rassentrennung zunehmend auf Kritik. Die Schweiz hatte die Buren schon im Krieg gegen die Briten im 19. Jahrhundert mit Geldsammlungen unterstützt: Offenbar sah man Gemeinsamkeiten in der kleinstaatlichen, traditionsbewussten Mentalität. Später nahmen südafrikanische Militärs bei uns auch an Waffenläufen teil.

 Sie haben selbst am Nationalfondsprojekt mitgearbeitet und sind dabei zum Schluss gekommen, dass es nicht nur wirtschaftliche und militärische Verbindungen zum Apartheidregime gab, sondern auch ideologische.

 In den Berichten der Botschafter zeigt sich, dass sie sich ausschliesslich auf die offizielle Politik konzentrierten und keinen Kontakt hatten zur schwarzen Bevölkerung. Südafrika wurde, sicher bis in die sechziger Jahre, als "Bastion des weissen Mannes" wahrgenommen. Die Schweizer Diplomatie unterstützte paternalistische Konzepte: Dass die Schwarzen noch nicht reif genug seien und erst an die Demokratie herangeführt werden müssten. Die Schweiz hat sich nie hinter die Forderung "ein Mensch - eine Stimme" gestellt. Letztlich wurde die Auseinandersetzung um das Verhältnis der Schweiz zum Apartheidstaat Südafrika zu unserem "Entkolonialisierungsprozess": Zu keinem aussenpolitischen Thema gab es im Parlament so viele Vorstösse, auch die Kirchen waren heftig zerstritten.

 Südafrika als Schweizer Kolonie?

 Die Schweiz hat sich auf jeden Fall am globalen kolonialen Projekt beteiligt, wirtschaftlich wie mental. Darüber hin aus war Südafrika das gelobte Land, zur Auswanderung und dem Tourismus. Erst die Auseinandersetzung um die Apartheid hat die Schweiz gezwungen, sich grundlegenden Fragen beispielsweise des Völkerrechts zu stellen und einen neuen Platz in der Welt zu suchen. Das zeigt sich etwa in jüngeren Verlautbarungen des Aussendepartementes, wenn von "unseren Erfahrungen" mit Menschenrechtsverletzungen die Rede ist: Gemeint damit sind der Holocaust und die Apartheid.

 Vom Verschwinden des Goldes aus der Statistik bis zur Sperre der Ak ten - kann man von einer Kontinuität der Vertuschung und Verdrängung sprechen?

 Ganz bestimmt. Sicher ist in der Aufarbeitung vieles passiert. Aber noch ist der "Entkolonialisierungsprozess" nicht abgeschlossen. Das Überlegenheitsdenken ist auch regelmässig in den fremdenfeindlichen Diskussionen spürbar.

 Literaturtipp: Mascha Madörin: "Helfer der Apartheid oder ‹Verlässliche Freunde›. Wie die Schweizer Banken das südafrikanische Apartheid-Regime stützten". edition 8. Zürich 2008. 144 Seiten, 22   Franken.

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 BARBARA MÜLLER

 Barbara Müller (60) ist Koordinatorin der Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika (Keesa) und war eine der ForscherInnen im Nationalfondsprojekt Schweiz-Südafrika. Die Keesa ist eine Koalition von NGO und kirchlichen Organisationen und kämpft für die Auf arbeitung der Beziehungen der Schweizer Politik und Wirtschaft zum Apartheidregime. Sie unterstützt Khulumani, die südafrikanische Organisation der Apart heidopfer, in ihren Forderungen nach Entschädigung und Anerkennung.

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WoZ 10.6.10

World Wide Web-Im gigantischen Speicher des Internets geht nichts unter. Kommt es zum Kräftemessen zwischen menschlicher und maschineller Intelligenz?

Googles gnadenloses Gedächtnis

Von Eduard Kaeser (Text) und Patric Sandri (Illustration)

Ireneo Funes, der traurige Held in Jorge Luis Borges' Kurzgeschichte "Das unerbittliche Gedächtnis", besitzt nach einem Reitunfall eine Gabe, die eher wie ein Fluch auf ihm lastet. Er leidet unter einer Art von "Total Recall": Funes lernt mühelos neue und alte Sprachen, prägt sich jede autobiografische Einzelheit ein, liest Plinius im Original und kann komplexe visuelle Szenen nahezu fotografisch erfassen. "Ich vermute, dass er zum Denken nicht sehr begabt war", urteilt Borges über sein Geschöpf. "Denken heisst, Unterschiede vergessen, heisst verallgemeinern, abstrahieren. In der vollgepfropften Welt von Funes gab es nichts als Einzelheiten, fast unmittelbarer Art."

Borges' Erzählung erschien erstmals 1942. Und sie mutet auf unheimliche Weise wie eine Vorwegnahme unseres Zeitalters an. Funes, das ist Google in Menschengestalt.

"Das Netz vergisst nie"

Andrew Feldmar, ein Psychotherapeut aus Vancouver, schrieb 2001 in einem wissenschaftlichen Artikel, in den sechziger Jahren einmal LSD probiert zu haben. Als er fünf Jahre später, wie schon oft, in die USA einreisen wollte, googelte einer der Grenzbeamten nach seinem Namen. Die Maschine spuckte den Artikel von 2001 aus. Auf die Frage des Beamten, ob die Aussage über LSD stimme, bejahte Feldmar. Woraufhin ihm beschieden wurde, dass er als "Drogenkonsument" gelte. Er wurde zurückgewiesen und darf seither nur noch mit einer Sondergenehmigung in die USA einreisen. "The Net Never Forgets" - das Netz vergisst nie - formulierte der Journalist Joseph D. Lascia schon 1998 in einem hellsichtigen Onlineartikel: "Gesprochene Wörter verschwanden früher wie Dampf in der Luft; Zeitungen vergilbten und wurden zu Staub. Heute ritzt sich die Vergangenheit wie ein Tattoo in unsere digitale Haut."

Das Internet hat sich rasant von einem Mittel der Kommunikation und Informationsbeschaffung in eine neuartige digitale Öffentlichkeit transformiert. Sobald wir - und das sind nicht bloss Promis und andere menschliche Pseudoerscheinungen - daran teilnehmen, verlieren wir sozusagen einen Teil der Verfügungsgewalt über uns selbst. Der Netznutzer wird zum Netzbenutzten. Unsere Äusserungen, Gewohnheiten, Intimitäten und Indiskretionen werden prinzipiell zugänglich - für Familienangehörige, Freundinnen, Übelwoller, Personalchefs, Vermieterinnen, Steuerbeamte, Schnüfflerinnen, Nachsteller.

Was wir auch tun, wir hinterlassen Spuren, in die andere klicken können. Im Jahre 2007 machte Google publik, dass bis dato jede einzelne Suchanfrage und jedes nachfolgende Suchergebnis gespeichert worden seien. Man kann sich das unmöglich vorstellen: Um die dreissig Milliarden Suchanfragen erreichen Google durchschnittlich im Monat, die die Maschine archiviert, auf Trends analysiert sowie demografisch auswertet. Durch geschickte Verknüpfung von Logindaten, Cookies und IP-Adressen ist es inzwischen möglich, mit erstaunlicher Präzision Suchanfragen auf individuelle User einzuengen. Kurz und leidig: Google weiss über jede Google-Nutzerin mehr, als sie sich zu erinnern vermag, und auch mehr, als ihr vielleicht lieb ist. Und auf der Basis dieser Vergangenheit errechnen die Algorithmen unsere monetarisierbare Zukunft. Der Netzwerktheoretiker Albert Laszlo Barabasi hat jüngst in einer Studie in "Science" gezeigt, dass sich das Online verhalten eines Menschen aufgrund der gespeicherten Verbindungsdaten der letzten drei Monate mit mindestens achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit voraussagen lasse.

Rosa oder Schwarz?

Mutieren wir alle - aufgerüstet mit dem digitalen Globalgedächtnis - mehr oder weniger zu Menschen wie Funes? Der in Harvard lehrende Medienrechtler Viktor Mayer-Schönberger hat in einem lesenswerten neuen Buch ("Delete") folgende These aufgestellt und begründet: War früher Vergessen leicht und Erinnern aufwendig, verhält es sich heute zunehmend umgekehrt - aufgrund eines gewaltigen technisch-ökonomischen Impulses zur Digitalisierung und Verbilligung der Speicher und Prozessorenleistung; Abfragen sind leicht, die Reichweite ist global.

Wie immer treten bei solch grossen technischen Schüben die Rosa- und die SchwarzseherInnen auf den Plan. Zu den ersten gehören Ingenieure, die schon seit einem halben Jahrhundert von einem künstlichen Langzeitgedächtnis träumen. Vannevar Bush, ein Pionier des Analogrechners, beschrieb 1945 eine perfekte Erinnerungsmaschine namens "Memex" ("memory extended"), die dem Menschen nicht nur Zugang und Herrschaft über das Wissen aller Zeiten verschaffe, sondern in das er sich auch fortführend einschreiben könne. Heute führt Gordon Bell dieses Projekt auf digitaler Basis weiter. Sein Ziel ist "Lifelogging", das Verewigen seines Lebens auf einem Laptop: Bilder, E-Mails, Texte, Telefonanrufe, aufgezeichnete Gespräche, ein riesiges Sammelsurium an biografischen Daten. "Ich glaube, das Bestreben des Personal Computer ist es, das eigene Leben einzufangen", sagte er in einem Interview: "Ich stelle mir das System als ein persönliches Gedächtnis vor. Und ich fühle mich ungemein frei, all die Information da zu haben."

Dieser technologischen Zuversicht steht ein wachsendes politisches Unbehagen gegenüber. Man könnte es als panoptische Phobie bezeichnen, in Anlehnung an Jeremy Benthams "Pan opticon", ein Prinzip des Gefängnisbaus im 19. Jahrhundert, in dem die Wärter die Insassen kontrollieren, ohne dass diese es merken. Ein architektonisches Prinzip, das der französische Philosoph Michel Foucault zur These verschärfte, die Struktur der modernen Gesellschaft insgesamt gleiche einem Gefängnis: Die meisten Menschen haben das Überwachtwerden tendenziell verinnerlicht und handeln so, als ob sie beobachtet würden - auch wenn dies nicht der Fall ist.

Was heute Gestalt annimmt, ist nicht bloss ein Panopticon über den Raum, sondern auch über die Zeit. In der digitalen Öffentlichkeit sind unsere archivierten Worte und Taten über Generationen hinweg verfügbar. Fälle wie jene von Andrew Feldmar könnten zur Normalität werden, sodass wir in einer Art von vorauseilender Wachsamkeit zweimal überlegen, was wir sagen und was wir tun. Bereits mahnt Google-CEO Eric Schmidt die UserInnen an, "vorsichtiger darin zu sein, was sie sagen, wie sie miteinander verkehren, was sie von sich zur Schau stellen". Genau dann aber, wenn sich solche Selbstzensur unserem Denken und Handeln aufdrückt, ist das digitale Panopticon gesellschaftliche Realität geworden. Dann beginnt die Zersetzung der Demokratie von innen.

Alles ist Kopie

Über Zehntausende von Jahren hinweg galt Erinnern als Kulturleistung par excellence. Seit den Felsmalereien von Altamira lagert der Mensch die Gedächtnisfunktionen seines Gehirns aus in externe Speicher: in Bild, Ritual, Spiel, Zeremonie, Musik, Theater, Schrift, Film, Architektur, Werkzeug gebrauch. Kulturen sind kollektive, verkör perte Gedächtnisse - und der Akzent liegt durchaus auf der Verkörperung.

Das digitale Zeitalter beruht im Grunde auf einem einzigen genialen Trick: der Übersetzung von einem vieldeutigen in einen eindeutigen Code. Analoge Erinnerungsmedien - Sprache, Stein, Holz, Wachstafel, Papier, Textilien, Vinylscheiben, Magnetbänder - sind empfindlich abhängig von den Eigenschaften der Materie. Analoge Information verfällt, erodiert, verwittert: Sie "verrauscht" mit der Materie, die sie trägt. Weil die digitale Codierung nur auf einer simplen Option - ist eine Markierung da oder ist sie nicht da - beruht, sind binäre Spuren materieunabhängiger und weniger rauschanfällig als die analogen. Zwar bringt die Übersetzung eines Musikstücks in binären Code Qualitätseinbussen mit sich, aber das einmal digitalisierte Musikstück kann tausendmal kopiert werden, die Qualität bleibt immer die gleiche, während Abspielgerät und Ohren sich abnutzen. Und das ist das Grundmerkmal des neuen digitalen Globalgedächtnisses im Vergleich zum natürlichen Gedächtnis: Es nutzt sich viel weniger ab. Es wächst und wächst.

Die binäre Art der Information kennt keinen Unterschied zwischen Original und Kopie. Alles ist im Grunde Kopie. 2006 sah der Webvisionär Kevin Kelly durch massenhaftes Scannen von Büchern einen einzigen riesigen Universaltext entstehen, an dem alle mitschreiben und aus dem alle ihre Bruchstücke holen können. Goethes "Faust" neben einem Manual zur Bedienung der Kaffeemaschine - einerlei. Rekombinieren und Teilen werden Urheberschaft und geis tiges Eigentum verdrängen. Die Omni -Kopierbarkeit von Texten, Bildern, Filmen, Musikstücken hat eine neue Kulturtechnik hervorgebracht - das "Mashup" oder Zermanschen. Nicht selten wird dieses Mashup unterlegt mit muskulöser Web2.0-Emanzipations ideologie: Radikaldemokratie, authentische Gemeinschaft, Kollektivkreativität. Verfügbarkeit ist (neben Fun) der Leitwert. Und die Netzgeneration geht ohne grosse Plagiatskrupel damit um. Wer will denn noch sagen: Das ist mein Teil des Breis?

Die zeitliche Dimension

Es gibt viele Gründe, warum Vergessen wichtig ist. Zum Beispiel, weil es Spielraum schafft, freien Platz im Kopf. Menschen mit aussergewöhnlichem Erinnerungsvermögen - es gibt sie tatsächlich - sind Gefangene ihrer Vergangenheit. Der Journalist Joseph Foer berichtete 2007 im "National Geographic" über eine Kalifornierin mittleren Alters, die sich detailscharf - ohne Gordon Bells digitale Armatur - an ihre Biografie seit dem elften Lebensjahr erinnert. Nicht im Sinne verflossener Tage, sondern in quälenden Einzelheiten. Sie erinnert sich, was sie vor drei Jahrzehnten zum Frühstück ass, wer sie am Sonntag, 3. August 1986, um 12 Uhr 34 anrief. Sie erinnert sich an Weltereignisse, triviale Einkaufsgänge, an das Wetter, ihre Gefühle. Sie lebt wie Funes in permanent gegenwärtiger Vergangenheit, die buchstäblich wie ein Film ihren Alltag überzieht. Statt in der Gegenwart zu leben, hängt sie vergangenen verpassten Chancen nach und macht sich Vorwürfe: "Die meisten Leute nennen das, was ich habe, ein Geschenk, ich nenne es eine Bürde." Die Frau bezeichnet sich selbst als "verrückt".

Anomalien spiegeln den Normalfall: Wir sind von Kopf bis Fuss auf das Vergessen eingestellt, als Filter gegen Informationsüberflutung. Es ist die Knappheit des Speicherraums, die überhaupt erst die Notwendigkeit des Verknüpfens, Weglassens, Abstrahierens schafft - will sagen: der Intelligenz. Wem ist ausserdem beim Betrachten alter Bilder nicht schon die Frage aufgestossen: Bin ich das noch? Wer hat beim Lesen alter Briefe oder Tagebucheintragungen über Bekanntschaften nicht schon plötzlich den irritierenden Zweifel in sich nagen gespürt: Ist das wirklich die Person, mit der ich heute freundschaftlich verkehre? Solche Fragen tauchen auf, weil Information eine zeitliche Dimension hat. Und gerade der Informa tionsverfall durch Vergessen gehört zum persönlichen Wachstumsprozess. Das digitale Gedächtnis negiert diese Zeitdimension. Es kann die persönliche "Aufräumarbeit" behindern, indem es uns immer wieder mit Relikten aus der Vergangenheit konfrontiert, die man eigentlich abgestossen zu haben glaubt. Es paralysiert uns wie Ireneo Funes mit Einzelheiten.

Unser Gedächtnis ist kein Aktenschrank, in den man einfach Informationen hineinlegt und wieder herausnimmt - "save and retrieve". Unser Gedächtnis ist ein hochadaptives neuro­sensorisches System, das sich und die verwahrte Information ständig verändert, sich permanent im Wechselspiel persönlicher Vorlieben, Abneigungen, Erwartungen rekonstruiert. Bewusstes, aktives Vergessen bedeutet deshalb, dass wir Information interpretieren, beurteilen und gewichten und uns nicht einfach passiv mit Daten mästen. In diesem Sinn machen zu viele Daten aus uns unfreie, urteils- und entscheidungsunfähige Menschen.

Den Speicher ausmisten

Brauchen wir eine "ars oblivionalis", eine Vergessenskunst, wie sie Umberto Eco vor über zwanzig Jahren als Beispiel einer paradoxen Wissenschaft vorgestellt hat? Ob paradox oder nicht, die Frage gewinnt gerade im Zeitalter der Erinnerungsmaschinen an Bedeutung. Wir werden zusehends zu BürgerInnen zweier Gesellschaften - einer materiellen und einer immateriellen oder "Avatar"-Gesellschaft. Insofern beschreibt die Metapher der digitalen Haut emblematisch unsere Condition humaine im angebrochenen Millenium. Die juristische Debatte über Privatsphäre, Urheberrechte, Datenschutz in der digi talen Öffentlichkeit ist im vollen Gange. Auf der technischen Ebene wird die Möglichkeit diskutiert, Information mit einem Verfallsdatum zu versehen. So haben Computerwissenschaftler­Innen an der University of Washington eine Software entwickelt, die Daten altern und schliesslich verschwinden lässt. Vom Princeton-Informatiker Ed Felten stammt der informationspolitische Vorschlag, analog zu einem CO2-neutralen auch einen informationsneutralen Lebensstil zu pflegen. Also etwa gleich viel Information zu speichern wie zu löschen.

Zunehmend deutlicher scheint sich aber auch eine Art von Dialektik des Fortschritts abzuzeichnen: Mensch und Technik entwickeln sich in einer Ko-Evolution. Wir delegieren immer mehr Kompetenzen und Kenntnisse an die Maschine. Dadurch entlasten wir uns in vielerlei Hinsicht. Gleichzeitig aber riskieren wir ein wachsendes Ungleichgewicht von menschlichen und maschinellen Kompetenzen. Wir tendieren dazu, uns der Maschine anzupassen. Wir verschmelzen mit ihr. Wenn wir heute von "NutzerInnen" sprechen, dann handelt es sich nicht mehr einfach um Menschen, sondern um einen Hybriden aus Mensch und Netz. Wir tragen das Netz in der Hosentasche. Und das babylonische digitale Archiv hat die Randbedingungen des Erinnerns und Vergessens für uns Hybride verändert. Die Entlastungen des zum Alltag gewordenen Geräts prägen uns, auf eine oft unbewusste Weise. Umso nötiger wird daher seine Bewusstmachung. Es mag trivial klingen: Nicht das Netz entscheidet, was eine wichtige Information ist, sondern die medienkompetenten NutzerInnen. Und zu dieser Kompetenz zählt das Vergessen.

Aber, so könnte man einwenden, wünschen sich denn Hinterbliebene von Opfern politischer Verbrechen (und nicht nur sie) nichts sehnlicher, als dass die Vergangenheit die TäterInnen einholt? Gewiss doch, wie sich nicht wenige StraftäterInnen genauso sehnlich wünschen, dass der Mantel des Vergessens ihre Vergangenheit umhüllt, damit sie eine zweite Chance erhalten. Es geht, mit andern Worten, keinesfalls darum, Erinnern und Vergessen gegeneinander auszuspielen, sondern darum, im Horizont maschineller Intelligenz die menschliche Intelligenz neu zu verorten.

Denn das Netz schaut intelligenter aus, als es ist. Und wir Menschen tendieren fatalerweise dazu, uns darin dümmer zu verhalten, als wir sind.

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ANTI-ATOM
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Oltner Tagblatt 11.6.10

Braucht es ein zweites KKW?

 Niedergösgen Informationsveranstaltung zur Änderung des kantonalen Richtplans

 Am Podium in der Mehrzweckhalle Inseli wurde das Für und Wider eines neuen Kernkraftwerkes im Niederamt diskutiert. Eingeladen hatte das Kantonale Amt für Raumplanung.

 Beat Wyttenbach

 Gut 120 Personen erschienen am Mittwochabend zum Podiumsgespräch, an welchem das Für und Wider eines neuen KKW im Niederamt diskutiert wurde. Viele Stühle blieben leer. Begrüsst wurden sie von Moderatorin Anita Panzer, Solothurn, die durch den Abend führte, und von Niedergösgens Gemeindepräsident Kurt Henzmann, der betonte, dass es sich hierbei "nicht um ein alltägliches Projekt" handle, und der die Bevölkerung aufforderte, die Wünsche und Ideen dazu während der bis 7. Juli laufenden Auflagefrist für das Richtplanverfahren zu äussern.

 Verbindliche Planungsrichtlinie

 Landammann Walter Straumann, Vorsteher des Bau- und Justizdepartements, hielt in seinen Ausführungen fest, dass es sich während des Richtplanverfahrens zeige, ob das Niederamt als Standort für ein neues KKW in Frage komme. Es müsse geklärt werden, was der Bau wirtschaftlich, gesellschaftlich und auf die Umwelt bezogen für Auswirkungen habe.

 Während des Richtplanverfahrens würden zwar noch keine konkreten Bewilligungen erteilt, aber der Richtplan stelle für den Kanton eine verbindliche Planungsrichtlinie dar. Es gehe zudem darum, die Zeit nach der Stilllegung des Kernkraftwerks Gösgen zu planen, damit die Energieversorgung aufrechterhalten werden könne. Rechtliche Basis für ein neues Kernkraftwerk sei zudem das Eidgenössische Kernenergiegesetz. Und er betonte: "Eine lückenlose Information ist unabdingbar, das sind wir der Bevölkerung schuldig".

 "Stromlücke droht"

 Giovanni Leonardi, CEO der Alpiq AG, hielt in seinen Ausführungen fest, dass ab 2020 eine Stromlücke drohe, die geschlossen werden müsse. Darüber hinaus wolle die Bevölkerung nicht auf ihren Komfort - sprich: Mehr Elektrizität - verzichten. Der Kanton Solothurn habe dies auch erkannt und wolle die Lücke nicht abwarten. Zudem hätten Eckwertstudien gezeigt, dass die Bedeutung der Kernenergie für die künftige Stromversorgung anerkannt werde.

 Er betonte, dass es für die Schweiz wichtig sei, die energiepolitische Unabhängigkeit sicherzustellen, da man über keine Rohstoffe wie Öl, Gas oder Kohle verfüge. Er strich die Wichtigkeit der Meinungen der Bevölkerung heraus und forderte die Anwesenden auf: "Setzen Sie ein starkes Zeichen für den weiteren Bewilligungsprozess." Dennoch gelte für sein Unternehmen folgender Grundsatz: Egal, wie der Souverän am Schluss entscheidet: "Wir werden das Verdikt akzeptieren."

 Sechs Eckwerte

 Danach lag es an Herbert Niklaus, Geschäftsleitungsmitglied der Alpiq und Gesamtprojektleiter KKN, das Projekt vorzustellen. Auf einer Betriebsfläche von 20 bis 25 ha östlich des bestehenden Kernkraftwerkes soll ein Neubau von rund 60 Metern Höhe mit einem ähnlich hohen Hybrid-Kühlturm entstehen, der mit Umlaufkühlung funktioniert. Dabei handle es sich um "keinen Prototyp", wie er betonte.

 Das dafür notwendige Rahmenbewilligungsgesuch habe man eingereicht. Es umfasse die sechs Eckwerte Umweltverträglichkeitsbericht, Bericht über die Abstimmung mit der Raumplanung, Konzept für die Stilllegung, Entsorgungsnachweis, Sicherungsbericht und Sicherheitsbericht.

 Fahrplan erläutert

 Werner Bühlmann, Vizedirektor des Bundesamts für Energie, gab in der Folge den Fahrplan für das dreistufige Bewilligungsverfahren bekannt. Ab 2013 solle das Referendum laufen; die Baubewilligungsphase soll sich zwischen 2013 und 2017 vollziehen, und mit dem Bau rechne das BfE für die Zeitperiode zwischen 2017 bis spätestens 2023. Die Betriebsbewilligung könne frühestens 2025 erteilt werden.

 Er erläuterte ferner kurz den Fahrplan für das andere Grossprojekt, bei welchem das Niederamt nach wie vor im Rennen ist, nämlich jenem für ein mögliches Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle.

 Grundlage für Stellungnahme

 Kantonsplaner Bernard Staub erläuterte danach das Verfahren zur Anpassung des Kantonalen Richtplanes und bemerkte, dass dieser die Grundlage für die Stellungnahme des Kantons an den Bund bilde. Deshalb sei es wichtig, dass diese breit abgestützt sei. Er hielt fest, dass jeder Einwohner und jede Einwohnerin des Kantons Solothurn innerhalb der besagten Auflagefrist Einsprache erheben könne, und erklärte die Formalitäten. Er stellte den daraus entstehenden Einwendungsbericht für Juli/August in Aussicht und rechnete mit einem Entscheid des Regierungsrates im Herbst dieses Jahres.

 "Wollen Einfluss nehmen"

 Hanspeter Jeseneg, alt Gemeindepräsident von Gretzenbach und Verantwortlicher Energie innerhalb der Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN), erklärte, dass die GPN während des Verfahrens Einfluss nehmen und am Schluss entscheiden wolle: "Ist ein KKN für uns tragbar oder nicht?"

 Basis für einen GPN-Entscheid biete die gegenwärtig laufende Sozioökonomische Studie - die von der GPN in Auftrag gegeben und von der Alpiq sowie vom Kanton finanziert wird-, welche die Vor- und Nachteile eines KKN für die Region aufzeigen solle. "Wir werden erst dann entscheiden, wenn alle Berichte auf dem Tisch liegen", betonte Jeseneg dezidiert. Dies wird aber erst im Herbst der Fall sein; ein Umstand, der mit dem von Staub angetönten Regierungsratsentscheid terminlich kollidieren dürfte. Ein Umstand, der in der anschliessenden Diskussion (siehe untenstehenden Artikel) tüchtig zu reden gab.

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Aargauer Zeitung 11.6.10

"Nagra lässt zu viele Fragen offen"

 Gegner eines Atommüll-Endlagers im Bözberg legten in Brugg ihre Argumente dar

 Der Verein Kaib (Kein Atommüll im Bözberg) und die Energiestiftung informierten über Risiken eines Atommüll-Lagers im Bözberg. Sie wollen eine Schweizer Lösung, die vorgeschlagene ist aber noch nicht ausgereift genug.

 Stefanie Niederhäuser

 Der Anlass stiess auf reges Interesse. Sowohl Vereinsmitglieder und Sympathisanten als auch Mitarbeiter der Nagra und des Bundesamtes für Energie fanden sich am Donnerstagabend im Brugger Salzhaus ein. Zum Einstieg informierte Sabine von Stockar, Projektleiterin bei der Schweizer Energiestiftung SES, über das von der Nagra vorgeschlagene Atommüll-Lagerungskonzept.

 "Atommüll ist nicht beseitigbar. Er strahlt über 1 Million Jahre.", erklärte sie. Weltweit werde nach einer Lösung zu seiner Lagerung geforscht, eine befriedigende sei bisher aber nicht gefunden worden. "Mit dem Lagerungskonzept der Nagra erklärte der Bundesrat das Problem als technisch gelöst. Hinter diese Aussage setze ich ein grosses Fragezeichen", so die Expertin. Noch sei unklar, welche Auswirkung die abgestrahlte Wärme des Atommülls auf die Geologie hätte, die Fachleute seinen sich uneinig, welches Verpackungsmaterial geeignet sei. "Der Zeitraum von 1 Mio. Jahren, für den eine sichere Lösung gefunden werden muss, ist für uns unvorstellbar. Wir können nicht abschätzen oder voraussehen, was in dieser Zeit alles geschehen wird", sagte von Stockar.

 Gefahrenherde

 Naturereignisse wie Erdbeben oder eine Eiszeit, leckes Material oder Untergrundkonflikte könnten nicht ausgeschlossen werden, erklärte sie. Für die SES sei deshalb klar, dass es keine Scheinlösung nach dem Prinzip "Vergraben und vergessen" geben dürfe. "Atommüll muss kontrollier- und rückholbar sein", forderte sie.

 Ungeklärt sei zudem die Finanzierung des Lagers. "Zum Bau des Lagers werden noch ungefähr 6 Mrd. Franken zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: Die Neat kostet 25 Mrd. Franken. Für die Überwachung oder - im Notfall - eine Rückholung ist kein Geld vorgesehen. Die Frage bleibt also: Wer soll das bezahlen?" Weiter bemängelte von Stockar, dass sich mit der Nagra keine unabhängige Forschungsstelle intensiv mit dem Problem auseinandersetze. Sie betonte: "Wir wollen und müssen eine Lösung suchen, und zwar hier in der Schweiz. Aber wir wollen eine ausgereifte Lösung. Das Nagra-Konzept lässt zu viele Fragen offen, deshalb wehren wir uns dagegen."

 Sichere Lösung suchen

 Anschliessend informierte Kaib-Co-Präsidentin Elisabeth Burgener aus Gipf-Oberfrick über die Haltungen des Vereins. Sie führte aus, dass der Kanton Aargau mit den Kernkraftwerken und den Autobahnen schon genug Lasten für die Schweiz trage, ein Endlager im Bözberg nicht mit dem Projekt "Jurapark" vereinbar sei und dass es eine politische und nicht die wissenschaftlich beste Lösung wäre. "In anderen Regionen kämpfen sogar die Regierungen gegen ein Endlager. Wenn wir uns nicht wehren, wird es letztlich dort gebaut, wo der Widerstand am geringsten ist und nicht dort, wo es am sichersten wäre", befürchtet sie.

 Kritische Fragen

 In der Diskussionsrunde wurden auch kritische Fragen diskutiert. "Wenn kein Atomlager im Bözberg - wo dann?", fragte ein Anwesender. Und ein anderer merkte an: "Keiner will das Endlager, das ist klar, aber wir verursachten den Müll, also müssen wir ihn auch entsorgen. ‹Regiönligeist› ist fehl am Platz, wenn es um eine sichere Lösung geht." Es gehe nicht darum, das Problem auf andere Regionen abzuwälzen, betonte der Vorstand des Vereins. Man arbeite stark mit den Gegnern in anderen Regionen zusammen. "Wir wollen bewirken, dass das Konzept überdacht wird und offene Fragen geklärt werden, bevor man Schritte zu seiner Realisierung plant."

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Basler Zeitung 11.6.10

Endlager-Gegner machen mobil

Die Kampagne gegen den Bözberg als Lager für radioaktiven Müll hat begonnen

Franziska Laur, Brugg

 Gegen ein Atommülllager am Böz-berg formiert sich Widerstand. Der neu gegründete Verein Kein Atommüll am Bözberg (Kaib) wirft den Aargauer Behörden vor, sich nicht gegen das Endlager gewehrt zu haben. Er befürchtet, dass Nagra und Bund deswegen den Bözberg favorisieren.

 Der grosse Raum im Salzhaus Brugg füllte sich am Mittwoch schnell, als Kaib zur Informationsveranstaltung rief. Während Interessierte bis anhin von Bund und Nagra zum Endlagerkonzept informiert worden waren, konnten sie nun auch die Argumente der Endlagergegner hören. Co-Präsidentin Elisabeth Burgener aus Gipf-Oberfrick betonte, wie wichtig der organisierte Widerstand sei: "Der Bözberg wird bei Bund und Nagra für ein atomares Endlager favorisiert", sagte sie. Doch ein Atommülllager bedeute für die Region nur Nachteile, und anders als an anderen potenziellen Standorten habe sich der Regierungsrat nie deutlich gegen ein Endlager verwahrt.

Sabine von Stockar von der Schweizerischen Energiestiftung wies auf ungelöste Aspekte der Atommüllentsorgung hin, welche die Nagra bis anhin nicht in den Vordergrund gestellt hatte. Die diplomierte Umweltnaturwissenschaftlerin sagte, das Konzept sei technisch nicht ausgereift (siehe Interview rechts) und die Nagra hänge am Tropf der AKW-Betreiber. Doch diese seien daran interessiert, den Atommüll möglichst schnell und kostengünstig unter dem Boden zu haben, und würden daher die Gefahren verharmlosen.

Unter den rund 150 Teilnehmern befanden sich auffallend viele Fricktaler und auch junge Leute. Ob man das Problem nicht zu sehr von der regionalpatriotischen Seite her betrachte und es an andere Gegenden delegieren wolle, wollten zwei Votanten wissen. Kaib-Co-Präsident Jörg Wyder hingegen befürchtet genau das Gegenteil. Weil am Bözberg bisher kaum Widerstand geleistet worden sei, drohe die Gefahr, dass Nagra und Bund aus politischen Gründen den Bözberg wählen; weil sie glauben, dieses Projekt sei am einfachsten umsetzbar. Dem gelte es entgegenzutreten.

Einige Milliarden

Weitere Votanten bezweifelten, dass die Kraftwerkbetreiber genügend finanzielle Mittel bereitstellen können, um das Lager über Jahrhunderte, ja Jahrtausende hinweg zu überwachen. Tatsächlich planen die Kraftwerkbetreiber lediglich eine Überwachung von 50 bis 100 Jahren über die Inbetriebnahme des Endlagers hinaus und haben dafür einige Milliarden Franken zur Verfügung. Als Zuhörer im Publikum sassen auch Vertreter der Nagra, des Bundes und des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorates. Sie hielten sich mit Statements allerdings zurück.

 Dienstag, 22. Juni, findet auch in Olten zum Standort Jura-Südfuss eine Veranstaltung der Endlagerkritiker statt. Stadthaus, 19 Uhr.

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WoZ 10.6.10

Unrentable AKW

 Neue Energien, neue Jobs

 Atomkraftwerke sind unökono misch - dass dies auf bestehende AKW zutrifft, haben schon diverse Studien belegt. Dass dies auch für die geplanten neuen Atomkraftwerke gilt, zeigt eine Studie, die Umweltorganisationen zusammen mit den Kantonen Basel-Stadt, Genf und der Energieversorgerin der Stadt Bern in Auftrag gegeben haben. Die Studie "Stromeffizienz und erneuerbare Energien - wirtschaftliche Alternativen zu Grosskraftwerken" rechnet detailliert vor, wie viel es unserem Geldbeutel bringt, wenn in erneuerbare Energien und Energieeffizienz statt in neue Grosskraftwerke investiert wird. Infras und TNC Consulting, die Verfasserinnen der Studie, gingen von den Annahmen aus, welche die Strombranche selbst vorgegeben hatte: Der Schweiz sollen bis ins Jahr 2035 rund dreissig Terawattstunden Strom fehlen. Diese Strommenge lässt sich - so würden es die grossen Energiekonzerne gerne machen - mit zwei neuen Atomkraftwerken und einem Gaskraftwerk erzeugen. Nun könnte man das Problem aber auch anders angehen und ins Stromsparen und in erneuerbare Energien investieren.

 Infras/TNC haben diese Szenarien durchgerechnet. Die Ergebnisse sind verblüffend: Wenn auf erneuerbare Ener gie gesetzt wird, die im Inland bereitgestellt wird, lassen sich über 5300 neue Stellen schaffen - mit Grosskraftwerken wären es höchstens 3300. Kommt hinzu, dass die neuen Grosskraftwerke nur wirtschaftlich wären, wenn sie Strom produzierten, der weniger als sieben Rappen pro Kilowattstunde kosten würde. Das ist aber nicht zu bewerkstelligen, eher dürfte die Kilowattstunde bis zu zwölf Rappen kosten, womit die Grosskraftwerke völlig unrentabel werden.

 Rein ökonomisch betrachtet sind auch Investitionen in erneuerbare Ener gien nicht rentabel. Doch steckt man gleichzeitig Geld in die Energieeffizienz und lässt beispielsweise nur noch den Verkauf der besten Geräte zu, wird - laut den Berechnungen von Inf ras/TNC - dieses Szenario insgesamt zu einer höchst rentablen Strategie, die zudem massiv CO2 einspart. sb

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AKW-Neubauten

 Schnelle Meinung gefragt

 Jetzt muss sich die Regierung des Kantons Bern - gegen ihren Willen - für den Bau eines neuen AKW Mühleberg II aussprechen. Dies hat Anfang Woche der Berner Grosse Rat entschieden und zwingt damit den Regierungsrat, künftig gegen seine eigene Energiestrategie zu argumentieren, in der steht: "Die Kernenergie ist für den Regierungsrat keine Option für eine zukunftsfähige Energiepolitik."

 Die AKW-Lobby ist im Berner Kantonsparlament stark präsent, sitzt doch unter anderem auch der Pressesprecher der BKW FMB Energie AG - die Mühleberg II bauen möchte - als FDP-Vertreter im Rat.

 Voraussichtlich dürfte es im Februar zu einer ersten kantonalen Abstimmung kommen, an der die Berner Bevölkerung sich zum AKW-Projekt äussern kann. Ähnliche Abstimmungen sind auch in anderen Kantonen ge plant. So unterstehen die kantonalen Stellungnahmen zu den AKW-Bewilligungsgesuchen in den Kantonen Waadt und Jura gar dem obligatorischen Referendum.

 Aktuell können sich noch alle an der Vernehmlassung zum Richtplanverfahren Ersatzkernkraftwerk Beznau beteiligen. Das Richtplanverfahren beschäftigt sich mit "raumplanerischen und sozioökonomischen Fragen", die der AKW-Neubau aufwirft - nicht aber mit sicherheitstechnischen Fragen.

 An der Vernehmlassung dürfen sich alle, also nicht nur Aargauerinnen und Aargauer beteiligen. Man sollte dies allerdings schleunigst tun, da die Vernehmlassung nur noch bis am kommenden Montag, den 14. Juni, läuft. Es ist jedoch einfach und braucht wenig Zeit, da man sich online äussern kann (entweder über http://www.nein-zu-neuen-akw.ch oder direkt auf der Website des Kantons Aargau unter http://www.tinyurl.com/akw-beznau.

 sb

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BZ 10.6.10

Berner Grüne

 AKW nur mit Endlager

 Die bernischen Grünen fordern, dass neue AKW - wenn überhaupt - nur dann gebaut werden, wenn es ein Endlager gibt.

 Nachdem sich der bernische Grosse Rat klar für ein neues AKW in Mühleberg ausgesprochen hat (siehe Ausgabe von gestern), verstärken die Grünen ihren Kampf gegen neue Atomkraftwerke. Mit einer Motion fordern sie, der Kanton müsse sich beim Bund via Standesinitiative dafür einsetzen, dass die Endlagerung von radioaktiven Abfällen endlich gelöst werde.

 Konkret wollen die Grünen, dass Bewilligungen für neue AKW erst dann erteilt werden dürfen, wenn die Endlagerung des gesamten in der Schweiz anfallenden Atommülls "definitiv gelöst" sei. Der Bund sucht seit Jahren nach einem Standort. Bis jetzt ohne Erfolg. Der Widerstand ist überall gross. Heute lagert der Atommüll in den AKW und im zentralen Zwischenlager in Würenlingen.
 drh

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Bund 10.6.10

Nidwalden verzichtet nicht auf AKW-Strom

 Das Nidwaldner Parlament hält an der Kernenergie fest. Es hat die SP-Initiative "für einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie" mit 45 zu 8 Stimmen abgelehnt. Nun haben die Stimmberechtigten das Wort. Das Volksbegehren gibt dem kantonalen Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN) bis Ende 2039 Zeit, aus der Kernenergie auszusteigen.

 Erreicht werden soll dieses Ziel, indem das EWN seine Beteiligungen an den AKW von Gösgen und Leibstadt verkauft und keinen Strom aus Kernkraftwerken mehr bezieht. Heute stammen 54 Prozent des EWN-Stroms aus AKW. Das Nidwaldner Volk hat sich mehrmals gegen ein Atommülllager im Wellenberg ausgesprochen. (sda)

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NZZ 10.6.10

Wechselhafte Berner AKW-Position

 Erst Ja, dann Nein, derzeit Ja

 dsc. ⋅ Von wegen Berner Langsamkeit - die Haltung der Kantonsregierung zum Ersatz des AKW Mühleberg wechselt rasch. Am Dienstag hat der bürgerlich dominierte Grosse Rat per Motion verlangt, dass sich die Berner Exekutive in der Vernehmlassung des Bundes positiv zum neuen Atomkraftwerk äussert. Doch zeichnet sich ab, dass im Herbst das Parlament dafür votieren wird, dass das Volk über die offizielle Berner Position befinden soll - Abstimmungstermin wäre der 13. Februar.

 Im Herbst hatte die Regierung, in der die Linke in der Mehrheit ist, sogar die nationalen grünen und roten Parteioberen brüskiert, als im Rahmen von ständerätlichen Sondiergesprächen zu den möglichen AKW-Standorten ein Neubau im bernischen Mühleberg befürwortet worden war - der Kanton ist Mehrheitsaktionär des Stromkonzerns BKW und würde wirtschaftlich von der Realisierung eines neuen AKW profitieren. Diese Haltung wurde aber kurz nach der Veröffentlichung jener Aussage relativiert. Ein kategorisches Nein folgte dann in der Antwort auf die nun vom Grossen Rat angenommene Motion eines FDP-Mitglieds.

 Auch in anderen, vor allem Westschweizer Kantonen wird nächsten Winter das Volk die kantonale Position zu den AKW-Rahmenbewilligungs-Gesuchen bestimmen. Die Stellungnahmen der Kantone haben zwar keine verbindliche Wirkung im Bewilligungsverfahren - am Schluss wird der Ausgang der eidgenössischen Abstimmung von 2014 gelten; doch frühe kantonale AKW-Verdikte haben zweifellos einen nationalen Signalcharakter. In Nidwalden hat sich am Mittwoch das Kantonsparlament negativ zu einer Volksinitiative der SP geäussert, die dem kantonalen Elektrizitätswerk eine Versorgung ohne AKW-Strom auferlegen will.