MEDIENSPIEGEL 21.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Reitschule bietet mehr: Werbespots + Stadtrats-Debatte
- Poledance in der Reitschule: Bund-Ansichten
- Kiss-In gegen Intoleranz
- 30 Jahre Bern bewegt: Rebellion und Gemeindeversammlung
- Sauvage Thun: Hausgeister für Freiraum-Bewegung
- Demorecht: CVP mit Bussen-Angriff
- Police BE: Interne DiebInnen
- RaBe-Info 21.6.10
- Kofmehl SO: Sammeln für Sanierung
- Immer jüngere Obdachlose
- Narrenkraut-Debatte: Berlin, Basel
- Bleiberecht-Demo 26.6.10
- Petition zu Abschaffung der Nothilfe
- Ausschaffungs-Tod: Gerichtsmedizinisches Gutachten da
- Police ZH: zunehmende Gewalt; Folgen RTS
- Police TG: Assistenzdienst
- Big Brother Sport: Freispruch für Pyro-Schmuggler; Schnellgerichte
- Soli-Kampagne Marco Camenisch
- Sempach: Party 2011?
- Antifaschismus: Der Geist von Turin
- Gipfelsoli-News 20.6.10
- Anti-Atom: BS vs BL; Nagra; Aves; Beznau; Gösgen

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REITSCHULE
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Mo 21.06.10
11.30 Uhr - SousLePont  - WM-Beiz im Hof

Di 22.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
22.00 Uhr - SousLePont - Civet (USA)

Mi 23.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

Do 24.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

Fr 25.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar mit DJ Piccolina. Standard und lateinamerikanische Tänze und Disco
23.00 Uhr - Dachstock - Little Brother: Phonté, Big Pooh & 9th Wonder (USA), Hovatron (CAN), Cratekemistry Soundsystem (Kermit, L-Cut, Mr. Thrillin). Style: Hip Hop

Sa 26.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

So 27.06.10
11.00 Uhr - Frauenraum - Frauenchor der Reitschule singt, anschliessend Frühstückbuffet.
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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REITSCHULE BIETET MEHR
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bernerzeitung.ch 21.6.10

Reitschule-Betreiber lancieren Werbespots

TeleBärn (20.6.10)

 Am 26. September entscheidet das Berner Stimmvolk ob die Reitschule geschlossen wird. Nun steigen die Betreiber des Kulturzentrums mit vier kurzen Werbespots in den Abstimmungskampf.

http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/ReitschuleBetreiber-lancieren-Werbespots/story/11272158
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/spots-sollen-reitschule-retten/c=84713&s=936286

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bern.ch/stadtrat 24.6.10

Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 24. Juni 2010 15.00, 17.00 Uhr und 20.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus

NEUE LISTE_____Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich (Besuchertribüne)
Traktanden
(...)
 
6.     Kleine Anfrage Martin Schneider (BDP): Wie sieht es mit der Umsetzung der überwiesenen Motion Mozsa "Sicherheit in der Reitschule" aus? (SUE: Nause)     10.000164
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000164/gdbDownload

7.     Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule!" (Abstimmungsbotschaft) (SBK: Bill / PRD: Tschäppät)     10.000143
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000143/gdbDownload

(...)

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POLEDANCE
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Bund 21.6.10

Sexistischer Tanz in der Reitschule?

 Im autonomen Kulturzentrum scheiden sich die Geister am Poledancing: Ist der Tanz an der Stange sexistisch? Und gehört er in die Reitschule? Die Kritikerinnen argumentieren grundsätzlich, die Kursleiterin sieht es locker.

 Felicie Notter

 An der Reitschule hängt seit Anfang Jahr ein Transparent mit der Aufschrift "2010 - Jahr des Antisexismus". Genau zu dieser Thematik erhitzten sich in den letzten Wochen aber die Gemüter hinter der Fassade: Ein Artikel in der Reitschul-Zeitschrift "Megafon" - verfasst von drei Frauen aus dem Umfeld der Antisexismusgruppe - prangerte die "sexistischen" Poledance-Kurse an, die im Trainingsraum Dojo durchgeführt werden. Und dies in der Reitschule, die sich in ihrem "Manifest" grundsätzlich gegen den Sexismus stelle.

 Porn Chic statt Selbstbestimmung

 Für die Autorinnen ist die Popularität von Poledance Ausdruck der wachsenden Verbreitung pornografischer Stilelemente, genannt Porn Chic. Dadurch werde der weibliche Körper re-sexualisiert - für die Autorinnen ein "gesellschaftlicher Backlash", ein Rückschlag in der Entwicklung der Gesellschaft.

 Das Argument, es handle sich beim Tanz an der Stange um einen Akt der Selbstbestimmung, lassen sie nicht gelten: Am Zur-Schau-Stellen "weiblicher Reize" finden sie nichts "Rebellisches". Diese Wahrnehmung sei vielmehr ein Zeichen dafür, "wie der institutionell tief verankerte Sexismus bereits individuell verinnerlicht" sei. Dabei machten sich die Frauen selber zu Sexobjekten - und damit auch alle anderen Frauen, das sei das Problem.

 "Sexismus ist sexy"

 Die Autorinnen argumentieren auf dem wissenschaftlichen Hintergrund der Genderstudies: Gesellschaftliche Machtverhältnisse äussern sich für sie im Alltäglichen, ganz nach dem Frauenbewegungsmotiv "das Private ist politisch". Aus dieser Warte wird der Tanz zur "Reproduktion von geschlechtlichen Machtverhältnissen". In einer Gesellschaft, in der die Macht nach wie vor ungleich verteilt sei, sei der Tanz sexistisch. Die Autorinnen verweisen zudem auf die Verbindung des Poledance mit dem Striptease und damit der "ausbeuterischen und diskriminierenden Sexindustrie". Poledance fördere nicht die Individualität, sondern die "Sexyness-Vorgabe einer Popkultur", die eine normierte Weiblichkeit vorzeige: Sexismus sei heute sexy.

 "Wir passen hierhin"

 Gabriella In-Albon führt seit 2006 die Poledancing-Kurse in der Reitschule durch und betont: "Unser Training ist tänzerisch, akrobatisch - und in keinem Moment vulgär." Kurze Hosen seien notwendig, um an der Stange nicht abzurutschen. Je nach Choreografie trage man auch hohe Absatzschuhe - wie etwa auch im Tango. Von allen Institutionen und Lokalen, die Frauen, in welcher Form auch immer, ausbeuten, grenze sie sich klar ab: "Wir sind nicht umsonst in der Reitschule", so In-Albon.

 Der Sexismus-Vorwurf traf sie unterwartet: "Das war in all den Jahren nie ein Thema." Die Kritik habe auf beiden Seiten viel "böses Blut" und heftige Diskussionen ausgelöst. Nun hätten sich die Wogen aber geglättet. "Im gegenseitigen Einverständnis gilt der Grundsatz des respektvollen Umgangs miteinander."

 Gleicher Kampf, andere Sprache

 In der Auseinandersetzung fühlte sich In-Albon an ihren eigenen Kampf für die Emanzipation vor zwanzig Jahren erinnert. Das Gebaren der "jungen Frauen", die sehr grundsätzlich argumentierten, erschien ihr "nicht zeitgemäss". Eine verkehrte Welt. Am meisten stört In-Albon, dass sich die ganze Kritik auf einen Medienbericht gestützt habe ("Egal, was passiert - stay sexy"): "Nach wie vor hat keine der Frauen einen meiner Kurse besucht."

 Immerhin, irgendwo kämpfe man wohl für die gleiche Sache, meint In-Albon. "Aber wir sprechen eine andere Sprache."

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KISS-IN
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Bund 21.6.10

Mit Küssen gegen Intoleranz

 Stadt Bern - Küssen für Gleichberechtigung: Unter diesem Motto haben sich am Samstagabend auf dem Berner Bahnhofplatz schätzungsweise 150 homo- und bisexuelle Menschen öffentlich geküsst. Sie wollten damit ein Zeichen gegen Intoleranz setzen. Die öffentliche Wirkung dieses sogenannten Kiss-in blieb allerdings beschränkt, weil sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht sehr kussfreudig zeigten, wie ein Augenschein ergab. Organisiert wurde das Treffen von den GaynossInnen, einer Arbeitsgruppe der JungsozialistInnen (Juso) Schweiz, und einer Internet-Kontaktplattform für Lesben, Schwule und Bisexuelle.

 Im Aufruf zum Treffen hatte es geheissen, es sei noch immer ein Tabu, dass sich Lesben und Schwule in aller Öffentlichkeit küssten. Eine repräsentative Befragung habe 2002 in Deutschland ergeben, dass 71 Prozent der Knaben und Burschen von 12 bis 17 Jahren offen Homosexualität ablehnten. Viele jugendliche Lesben und Schwule fürchteten sich deshalb zu Recht vor psychischer und gar physischer Gewalt. (sda)

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30 JAHRE BERN BEWEGT
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Bund 19.6.10

Vor 30 Jahren probte die Berner Jugend den Aufstand

 Mit Fantasie, Musik und Pflastersteinen kämpften Berner Jugendliche im heissen Sommer 1980 gegen den Staat und für ein AJZ. Dreissig Jahre danach blicken "Bewegte" zurück und sagen, wie die Revolte ihr Leben und Bern verändert hat. (st) — Seite 19

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Sommertage, die Bern erschütterten

 Am 20. Juni 1980 rebellierten Jugendliche in Bern - der Auftakt zu einem langen und harten Konflikt mit Stadtbehörden und Polizei. Dreissig Jahre danach blicken vier "Bewegte" zurück.

 Simon Thönen

 Es waren nur etwa 200 Jugendliche und junge Erwachsene, die sich am Abend des 20. Juni 1980 beim Bärengraben versammelten. Und ihre Forderung war nicht besonders revolutionär: ein eigenes Jugendzentrum.

 Doch an jenem Freitagabend lag Aufruhr in der Luft. Drei Wochen zuvor, am 30. Mai, war der Zürcher Opernhauskrawall ausgebrochen - unerwartet, intensiv und gewaltsam. Brennende Barrikaden und Tränengas dominierten seither die Fernsehnachrichten. Die Schweiz und die Welt waren schockiert - oder fasziniert.

 Zürcher Revolte im Kopf

 Dennoch habe die erste Berner Demo als friedliches Happening begonnen, erinnert sich der heutige Stadtratspräsident Urs Frieden (Grünes Bündnis). "Den meisten war aber wohl bewusst, dass es früher oder später auch hier zur Konfrontation kommen würde." Ihm nicht. "Die Berner Polizei ist toleranter als die Zürcher", erklärte Frieden, Sohn eines Polizisten, den Mitdemonstrierenden.

 Aber auch aufseiten der Polizei hatte man die Bilder aus Zürich im Kopf - und wollte Ähnliches mit entschiedenem Durchgreifen abwenden.

 Das alte Tramdepot beim Bärengraben hatte die Polizei vorsorglich besetzt. Die Versuche der Demonstranten, sich hier im Handstreich "eine rote Fabrik für Bern" zu erobern, verliefen im Sand. Man zog zum Zytglogge, die aus Zürich bekannte Spirale der Gewalt setzte ein: eingeschlagene Schaufenster, Wasserwerfer, Polizeiknüppel.

 Am Wochenende darauf, am Samstag, 28. Juni, versuchte eine Gruppe von Kulturschaffenden, dem Protest eine friedliche Note zu verleihen. Res Balzli liess sich mit seinem Cello auf einem Dreiradvelo zur Demo vor dem Stadttheater fahren. Der Beizer und Filmschaffende erinnert sich: "Ich hatte den unumstösslichen Glauben, dass mir nichts passiert, solange ich etwas so Friedliches wie Musik mache." Ein Irrtum. Aus nächster Nähe spritzte die Polizei ihm ein Tränengas-Wasser-Gemisch ins Gesicht. Balzli litt unter massiven Augenbeschwerden und verbrachte mehrere Tage im Spital. Dennoch sagt er: "Ich genoss es, ich war der Märtyrer der Szene."

 So überraschend der Protest über Zürich und danach über Bern hereingebrochen war, er kam nicht aus dem Nichts. Der gelernte Bäcker-Konditor Daniel Jost hatte sich - wie viele andere - bereits in der Anti-AKW-Bewegung engagiert, die Krankenschwester Heidi Ensner in der Frauenbewegung. Beide hatten schon Polizeieinsätze gegen Demonstrationen erlebt und Bundesrat Kurt Furglers Vorlage für eine Bundessicherheitspolizei (Busipo) bekämpft.

 Bern länger bewegt als Zürich

 Den Funken zur Berner Bewegung gezündet hatte die "Kultur Guerilla Bern". Das Grüppchen um den Schauspieler Max Rüdlinger mit der neckischen Abkürzung KGB rief zur ersten Demo beim alten Tramdepot auf. Die KGB hatte schon lange vorher witzig-subversive Botschaften verbreitet - sogar via Piratensender.

 So ähnlich die Motive der Bewegten in Zürich und Bern waren, so unterschiedlich war der Ablauf der Ereignisse: Am Tag, als die Berner Bewegten sich vor dem Stadttheater zu ihrem zweiten Demowochenende besammelten, öffnete das Autonome Jugendzentrum (AJZ) in Zürich bereits seine Tore.

 Die viel heftigere Zürcher Bewegung jedoch war mit dem Abriss des AJZ im Frühling 1982 zu Ende. In Bern schlossen zwar die Behörden die Reithalle nur wenig später, doch Mitte der 80er-Jahre formierte sich die Bewegung mit Zaff und Zaffaraya neu. 1987 eroberte sie die Reithalle zurück - das Berner AJZ gibt es noch heute.

 Blühende Bewegungsszene

 "Die Berner Szene blieb die ganzen 80er-Jahre hindurch extrem lebendig, weil sie anders als in Zürich weiterkämpfen musste", sagt Frieden. Im Umfeld von Zaff und Zaffaraya entstanden etwa so bekannte Bands wie Züri West, Stop The Shoppers oder Phon Roll.

 Die Schaffung kultureller Freiräume, nicht nur in der Reithalle, sieht der Kulturschaffende Balzli als nachhaltigstes Ergebnis der Bewegung. Ein erster Erfolg war, dass die zuvor verbotene Strassenmusik erlaubt wurde.

 Caduta Massi, die Band der Bewegung, brachte neben eigenen auch zuvor unbekannte Stücke etwa von Tom Waits auf die Berner Gasse. Sie versammelte Talente, die wie Endo Anaconda, Sandra Goldner oder Tini Hägler der Berner Musikszene neuen Schub verliehen.

 Frieden verweist zudem darauf, dass in Bern eine Vielfalt von linken Betrieben mit Wurzeln in der Bewegungszeit entstanden ist. Druckerkollektive oder Landschaftsgärtnereien etwa. Auch die heutige Berner Beizenlandschaft wäre ohne die Pioniere aus den wilden 80er-Jahren sehr viel karger - nicht nur im Szenequartier Lorraine.

 Die Leistung dieser Betriebe könne sich sehen lassen, meint Frieden: "Aus dem Umfeld der Bewegung ist zum Beispiel auch im Bau- und Architektursektor eine linke Wirtschaft entstanden, die ökologischer und auch sehr viel besser arbeitet als die herkömmlichen Baufirmen."

 "Seid realistisch, fordert das Unmögliche!": Dieses kühne Motto der Bewegung gelte für sie immer noch, sagt Heidi Ensner.

 Sie erhoffte sich von der Bewegung ein besseres Umfeld für Frauenanliegen - und dies habe sie auch gefunden. Oder sie konnte es sich zumindest schaffen. 1981 gehörte sie zu den Gründerinnen des Frauengesundheitszentrums.

 "Wir wollten den Frauen eine Alternative zur männerdominierten Gynäkologie bieten." Heute führt sie die Naturheilpraxis MarEmma.

 Ensner gehörte zu einer Gruppe von neun Müttern, die ihre Kinder gemeinsam aufzogen - zumindest zur Hälfte, die andere Halbzeit der Kinderbetreuung übernahmen die Väter. "Die gemeinsame Betreuung ermöglichte es mir, nicht nur beruflich und politisch aktiv zu bleiben, sondern auch noch alles Private unter einen Hut zu bringen."

 Gemeindeversammlung statt VV

 Weit von der "Bewegung der Unzufriedenen" scheint sich dagegen Daniel Jost entfernt zu haben. Der einstige Punker "Yogi" ist seit einem Jahr Gemeindepräsident der kleinen ländlichen Gemeinde Eriz.

 Doch Jost lässt dies nicht gelten: "Eine Gemeindeversammlung ist etwas Ähnliches wie eine Vollversammlung der Bewegung." Wichtig ist Jost, dass er und auch die Gemeinderäte von Eriz als parteilose Unabhängige gewählt wurden. "In unserer Gemeinde diskutiert man nicht über Ideologien, sondern über die Sache", betont er.

 Als Stadtratspräsident gehört Urs Frieden heute zum Establishment der - inzwischen allerdings rot-grün dominierten - Stadt. Sein Tipp an heutige Jugendliche: "Gebt nicht auf, auch wenn ihr wegen eures Auftretens abgelehnt werdet. Früher oder später werdet ihr angehört und kommt selber ans Ruder."

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Zur Sache

 "Die Berner Szene ist lebendig geblieben"

 Andreas Berger, Sie arbeiten an Ihrem dritten längeren Film über die Berner Bewegung. Gibt es 30 Jahre danach noch etwas zu filmen?

 Weil das Klima jetzt entspannter ist, habe ich sogar filmisch viel mehr Möglichkeiten. In der Reitschule oder im Zaffaraya hiess es früher: Du darfst nur so filmen, dass man keine Einzelpersonen erkennt. Diese Angst ist weg. Auch die Polizei ist jetzt bereit, ihre Sicht der Dinge zu vermitteln.

 Passiert denn noch etwas?

 Bern ist immer noch bewegt. Wir haben eine viel lebendigere Szene als Zürich, das 1980 so grosse Schlagzeilen verursachte. Die Reitschule im Stadtzentrum, so etwas gibt es in Zürich nicht. Wir haben auch das Zaffaraya und mehrere autonome Wagenplätze.

 In den 80er-Jahren erschütterte die Bewegung die Stadt. Davon spürt man heute wenig.

 Die wenigsten streben noch eine revolutionäre Umwandlung an. Sie begnügen sich mit einer Nische, in der sie sich ausleben können.

 Als Sie "Berner beben" wieder anschauten, sind Sie erschrocken. Worüber?

 Über die Gnadenlosigkeit, mit der ich Leute in die Pfanne haute, die sich im Film nicht wehren konnten. Es sollte ein parteiischer Film sein, und für die damalige Zeit stimmte dies auch. Heute sehe ich alles differenzierter.

 Ausgerechnet von der ersten heissen Phase haben Sie keine Bilder.

 In Bewegungskreisen war Filmen verpönt. Das richtige Leben zu leben, sei viel wichtiger, als die eigenen Handlungen filmisch festzuhalten. Es war ein langer Kampf, bis ich filmen durfte. Bei den Räumungen von Zaff und Zaffaraya waren dann aber viele froh, dass ich dies dokumentierte.

 Inzwischen sind die einstigen Jugendbewegten längst erwachsen . . .

 . . . alle ausser mir, denke ich manchmal, obwohl ich inzwischen Vater von drei Kindern bin. Es gab einen Moment, als ich das Thema abhaken wollte. Das sollen Jüngere tun, fand ich. Doch obwohl an Demos viel mehr gefilmt wird als früher, versuchte niemand, das Material zu bündeln. So, wie sich die Leute in den Wagenburgen ihre Lebensnische erhalten wollen, halte ich mir mit diesem Thema eine geistige Nische offen. (st)

 Der 49-jährige Filmemacher und frühere "Bund"-Redaktor, Andreas Berger, arbeitet gegenwärtig an seinem Film "Zaffaraya 3.0". Sein Film "Berner beben" kann als DVD übers Internet bestellt werden: http://www.zaffaraya-film.ch.

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SQUAT THUN
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Indymedia 20.6.10

Sauvage in Thun ::

AutorIn : Aktion Haugeist         

Am Freitag 18. Juni 2010 fand in Thun eine Sauvage statt. Im ehemaligen Gerberkäse-Areal, nahe des Kinos Rex, feierten etwa 250 Personen die Freitag Nacht durch.     
    
Gestartet wurde der Anlass um 22:00 Uhr mit einer Punk Liveband. Anschliessend spielte ein DJ auf, dem eine zweite Liveband folgte. Abgerundet wurde der Abend durch Elektronische Musik, welche bis in die früheren Morgenstunden zur Party einlud. Die Aktivisten verliessen das Haus am Sonntag wieder.

Die Aktion zeigt einmal mehr, dass der Wunsch nach selbstbestimmten Freiräumen immer noch besteht und sogar noch wächst.

AJZ Subito!

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Hier das verteilte Flugblatt:

Freiraum Bewegung in Thun - eine Momentaufnahme

Aktion Hausgeist meldet sich zurück!

Seit der letzten Sauvage-Party in Thun verging fast ein Jahr, in dem sich die "Aktion Hausgeist" ruhig verhalten hat. Doch auch wir spüren den Frühling! Das Bedürfnis nach einem selbstverwalteten Jugendhaus besteht immer noch - die Situation für die Jugend und jungen Erwachsenen hat sich nicht verbessert, sie hat sich sogar zugespitzt!
Die Stadtverwaltung setzt statt auf lösungsorienterte Projekte lieber auf repressive Sympthombekämpfung. So wird die Videoüberwachung der Innenstadt diskutiert und vorangetrieben. Mit Securitas und erhöhter Polizeipräsenz wird der Jugend mit einem kaltem Klima begegnet, statt auf Selbstverantwortung, Aktivismus und Kreativität zu setzen. Wenn junge Menschen von sich aus aktiv werden, um ihre eigene Kultur zu gestalten, werden ihnen Steine in den Weg gelegt, Verbote ausgesprochen und Bewilligungen nicht erteilt. So will der Gemeinderat den Snowboardevent "Pray4Snow" unter dem Vorwand von zu grosser Lärmbelästigung, aus der Innenstadt verbannen. Jedoch ziehen etablierte Veranstaltungen wie das Innenstadtfest, die Fasnacht, der "Fuhlehung" mehr Leute an, welche mehr Lärm produzieren.
Bei der Stadtverwaltung sind auch nach über zwei Jahren der Selveschliessung keine Lösungsansätze sichtbar.

Thun rockt - Hinhaltetaktik und Deckmantel

Dass offizielle Wege nicht zum Erfolg führen, stellt das Komitee "Thun rockt!" unter Beweis. In das Bündnis aller wichtigen Jungparteien wurde Anfangs von seiten der Stadt grosse Hoffnungen gesteckt (die jungfreisinnigen sind vor kurzem aus dem Zusammenschluss ausgetreten) mit dem Ziel, die Thuner Ausgangssituation zu verbessern,. Bis heute haben sich jedoch keine grundlegenden Verbesserungen aus der Zusammenarbeit der Stadt Thun und diesem Komitee ergeben. "Thun rockt!" dient der Stadt mehr als Deckmantel, um zu zeigen dass sie das Anliegen der Jugend ernst nimmt. Echte Lösungsansätze kamen bis jetzt nicht heraus. Auch die Vertreter der Jungparteien nutzen die Thematik, um eine Plattform zur Selbstprofilierung zu erhalten. Statt die Problematik vom Grunde auf anzugehen, wird Sympthombekämpfung betrieben. Das Ziel einen längeren Ausgang zu ermöglichen reicht bei langem nicht aus, um die Jugendkultur zu befriedigen.

Alternativen müssen her!

Um die Problematik zu entschärfen, ist die Schaffung von kulturellem Freiraum wichtig. Es braucht eine Plattform, welche die Möglichkeiten bietet, sich individuell einzubringen um Ideen umzusetzen und selbst Hand anzulegen. Wir wollen nicht nur kommerziell konsumieren sondern mögliche Alternativen zum bestehenden Ausgangsangebot vorleben und anbieten. Diese Form betrachten wir als unseren Beitrag zur Lösung des Ausgangs- und Kulturmangel in Thun!

Aktion Hausgeist

Freiräume erkämpfen - Alternativen schaffen!

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DEMORECHT
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Tagesanzeiger 21.6.10

Bis zu 5000 Franken Busse für Gaffer bei Demonstrationen

 Die CVP will Demos schneller auflösen können. Sie fordert daher hohe Bussen, wenn sich jemand einer Wegweisung widersetzt. Die Linke fürchtet um die Grundrechte.

 Von David Schaffner, Bern

 Die kantonalen Polizeikorps sollen künftig Demonstranten und Gaffer schnell wegweisen können. Das verlangt eine entsprechende Motion, die CVP-Nationalrat Norbert Hochreutener zusammen mit einer Mehrheit seiner Fraktion eingereicht hat. Darin fordert die CVP vom Bundesrat, dass er im Strafgesetzbuch neu eine hohe Busse vorsieht, falls sich eine Person entgegen einer polizeilichen Anweisung weigert, eine politische Kundgebung oder eine Ansammlung an einem Sport-Grossanlass zu verlassen. "Die Busse soll maximal 5000 Franken betragen", so Hochreutener.

 Der Berner ist sich bewusst, dass die Polizei bereits heute in vielen Kantonen über die Möglichkeit verfügt, Personen wegzuweisen. "Leider zeigt sich im Alltag aber, dass dieses Instrument zu schwach ist. Wer sich heute der Wegweisung verweigert, riskiert keine hohe Busse. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass sich Hooligans oder die Teilnehmer einer gewalttätigen Demonstration trotz einer polizeilichen Aufforderung nicht entfernen." Würde eine hohe Busse drohen, wäre dies anders, glaubt Hochreutener.

 Berner Volk lehnte ab

 In der Stadtberner Sicherheitsdirektion stösst die CVP mit ihrem Anliegen auf offene Ohren. Dies verwundert nicht. Hat doch der städtische Sicherheitsdirektor und Christlichdemokrat Reto Nause erst am vergangenen Wochenende in Bern eine Abstimmung verloren, in der es um das gleiche Anliegen ging. Hochreutener möchte der Idee nun auf nationaler Ebene zum Durchbruch verhelfen. In Bern sei sie nur gescheitert, weil es polizeiliche Anliegen in den tendenziell linken Städten eher schwierig hätten. In diesem Fall sei das Resultat mit einer Ablehnung von 50,7 Prozent indes sehr knapp ausgefallen.

 "Ich würde eine Bussenbestimmung im Strafgesetzbuch als zusätzliches Instrument sehr begrüssen", sagt Reto Nause. "Um eine Wegweisung heute durchsetzen zu können, müssen wir für jeden Demonstranten eine Einzelverfügung ausdrucken und ihm persönlich überreichen. Dieses Vorgehen ist in einer heiklen Demonstration schlicht nicht umsetzbar." Könnten die Beamten hingegen die Teilnehmer auf die hohe Busse aufmerksam machen, würden sich viele problematische Situationen schnell entschärfen lassen. Der neue Stadtzürcher Sicherheitsdirektor Daniel Leupi wollte sich zu diesem Vorschlag nicht äussern, da er während seiner ersten 100 Tage im Amt generell keine politischen Stellungnahmen abgeben möchte.

 "Hohes Missbrauchspotenzial"

 Im eidgenössischen Parlament stösst die neue CVP-Motion indes auf heftige Kritik: "Diese Strafbestimmung birgt ein hohes Missbrauchspotenzial", warnt SP-Nationalrat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch. "Die Polizei könnte beliebig Leute wegweisen, auch wenn noch keine Sachschäden verursacht worden sind." Wenn schon, müsste die Motion genau auflisten, unter welchen Voraussetzungen die Polizei eine Person oder mehrere Personen entfernen kann.

 Gleicher Meinung ist Daniel Vischer von den Grünen: "Im Gegensatz zum Wegweisungsartikel kann diese Idee dazu führen, dass die Polizei eine Demonstration von Anfang an auflöst." Dies verstosse gegen die Demonstrationsfreiheit, moniert Vischer. Reto Nause hingegen stellt eine solche Gefahr in Abrede: "Natürlich gibt es bei Demonstrationen oder Sportereignissen Situationen, die schwierig einzuschätzen sind. Die Polizeikorps gehen hier allerdings mit dem richtigen Fingerspitzengefühl vor."

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POLICE BE
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be.ch 21.6.10

Medienmitteilung des Kantons Bern

Die Kantonspolizei Bern erstattet Anzeige gegen Unbekannt (21.06.2010)

Die Kantonspolizei Bern hat im Frühling 2010 festgestellt, dass ein Geldbetrag von knapp 120'000 Euro fehlte. Dabei handelte es sich um sichergestelltes Bargeld. Da die sofort eingeleitete interne Suche negativ verlief, erstattete die Kantonspolizei Bern Anzeige gegen Unbekannt.

Im Frühling 2010 stellte die Kantonspolizei Bern fest, dass sich ein Geldbetrag von knapp 120'000 Euro nicht mehr an seinem Aufbewahrungsort befand. Das Geld war im Rahmen von Ermittlungen sichergestellt worden. Eine umgehend eingeleitete interne Suche nach dem Bargeld verlief negativ. Da das Geld an einem gesicherten Aufbewahrungsort gelagert wurde, besteht der Verdacht, dass es durch eine interne Person entwendet worden sein könnte.

Die Kantonspolizei Bern erstattete beim Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland Strafanzeige gegen Unbekannt. Die notwendigen Ermittlungen wurden sofort aufgenommen. Das Untersuchungsrichteramt wird dabei durch die Kantonspolizei Zürich unterstützt.

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RABE-INFO
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Mo 21. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_21._Juni_2010.mp3
- Vom Gefühl der Freiheit auf dem Brett: Der Go Skateboarding Day
- Von Regime-Kritik, Widerstand und Leben im Untergrund: Der iranische Schriftsteller Ali Schirasi

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KOFMEHL SO
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Grenchner Tagblatt 19.6.10

Ohne Geld gibts auch keine Arbeit

 Kulturfabrik Kofmehl Stiftung lanciert Sammelaktion für erste Sanierungsarbeiten

 Etwas mehr als fünf Jahre ist es her, seit im April 2005 die Initianten für eine neue Kulturfabrik Kofmehl mit der Eröffnung "das Wunder von Solothurn" feiern konnten. War es doch dank der neu gegründeten Stiftung zur Förderung der Jugendkultur im Kanton Solothurn gelungen, die Mittel für den über 3 Mio. Franken kostenden Neubau zu beschaffen. Einen massgeblichen Anteil leisteten damals die rund 200 Jugendlichen, die sich in der Kulturfabrik engagieren. Nun, nach 750 Anlässen mit 350000 Besucherinnen und Besuchern, die Auftritte von 4000 Künstlerinnen und Künstlern verfolgen konnten, weist die Kulturfabrik erste Abnützungsspuren auf. Die Stiftung möchte deshalb einige Investitionen zur Sanierung und Renovation im "Kofmehl" auslösen.

 Im Fokus stehen vor allem die Gestaltung des Vorplatzes mitsamt Lärmschutzmassnahmen, die Gesamterneuerung des Holzbodens im Innenbereich, eine neue Bühne sowie weitere kleinere Renovationsarbeiten.

 Den "Chrampf" leisten die Jungen

 Diese Investitionen veranschlagt die Stiftung auf rund 200 000 Franken, die ausschliesslich zur Materialbeschaffung benötigt werden. "Realisiert werden die Arbeiten von den über 200 freiwilligen Mithelferinnen und Mithelfern der Kulturfabrik Kofmehl selbst", teilen Stiftungsratspräsident Rolf Studer und Pipo Kofmehl als Stiftungsratsmitglied in ihrem diese Woche versandten Spendenaufruf mit. Im Weiteren wird darin verwiesen, dass Gönnerbeiträge an die Stiftung je nach Höhe von den Steuern abgezogen werden können.

 Für Studer wie Kofmehl tragen die Spenden "wesentlich dazu bei, dass die Jugendkultur in der Region Solothurn auch künftig über eine tolle, sinnvolle und leistungsstarke Infrastruktur verfügt und in der Kulturfabrik Kofmehl weiterhin über 150 Konzerte, Lesungen Theatervorführungen, Comedy- und Filmabende jährlich über die Bühne gehen können." (szr)

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OBDACHLOS
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Sonntagszeitung 20.6.10

Immer jüngere Obdachlose

 Notschlafstellen sollen sich auf junge Erwachsene einstellen, fordern Fachleute

Von Fabian Eberhard

 Bern Der Abend, an dem der heute 24-jährige M. R. vor einem Jahr in der Notschlafstelle Basel auftauchte, markierte den vorläufigen Tiefpunkt seines sozialen Abstiegs. Eine Lehrstelle hatte er nie gefunden, sein Vater war früh verstorben und zur Mutter hatte er ein zerrüttetes Verhältnis. Weil der Sohn eines italienischen Gastarbeiters seine Wohnung nicht mehr bezahlen konnte, wurde er von der Verwaltung auf die Strasse gesetzt. "Ich war am Boden und wusste nicht mehr, was ich tun sollte", sagt M. R. Mit harten Drogen oder kriminellen Machenschaften hatte er nie zu tun.

 M. R. ist kein Einzelfall. Immer mehr junge Menschen in der Schweiz haben kein Dach über dem Kopf und suchen Unterschlupf in Noteinrichtungen. "Die Entwicklung ist besorgniserregend", sagt Adrian Osterwalder, Leiter für Stationäre und Besondere Sozialhilfe der Stadt St. Gallen. Die Anzahl der Personen unter 25 Jahren hat sich in der Notschlafstelle St. Gallen seit 2008 versechsfacht. Mittlerweile ist mehr als ein Drittel der Hilfesuchenden jünger als 25. Dass junge Obdachlose um die 20 auftauchen, ist laut Osterwalder ein Phänomen, das neue Anforderungen an die sozialen Institutionen stelle. Deshalb wollen die Verantwortlichen der Stadt jetzt mit verschiedenen Organisationen an einen Tisch sitzen und die Lage eingehend analysieren. Nebst St. Gallen sind weitere Orte mit massiv mehr Jungen konfrontiert, die das Angebot von Notschlafplätzen in Anspruch nehmen.

 Bildung und Arbeit sind keine Garantie, integriert zu werden

 In den grossen Städten ist die Situation dank einem gut ausgebauten, präventiv wirkenden Netzwerk von Institutionen weniger gravierend. Trotzdem: Auch in Bern verzeichnen die Verantwortlichen eine deutliche Zunahme. Laut dem Leiter des Berner Sozialamtes, Felix Wolffers, sind momentan 25 junge Erwachsene zwischen 18 und 25 in Wohneinrichtungen für Obdachlose untergebracht. In derselben Alterskategorie ist rund ein Viertel der seit Anfang Jahr registrierten Personen in der städtischen Notschlafstelle Basels.

 Dass die Obdachlosen immer jünger werden, merken auch die Sozialwerke Pfarrer Sieber in Zürich. "Neben der markant erhöhten Nachfrage nach Notschlafplätzen durch die klassische Klientel steht bei uns seit längerem die besondere Situation von jugendlichen Obdachlosen im Fokus", sagt der Kommunikationsbeauftragte Mark Wiedmer.

 Aktuelle Studien über die konkrete Verbreitung und die Gründe von Obdachlosigkeit unter Jugendlichen in der Schweiz gibt es nicht. Das macht es für die Verantwortlichen besonders schwierig, die Lage zu beurteilen.

 Laut Christian Reutlinger, Jugendforscher und Professor am Institut für Soziale Arbeit an der Fachhochschule St. Gallen, haben heute nicht mehr alle jungen Menschen die Garantie, durch Bildung und Arbeit in die Gesellschaft integriert zu werden. Vor allem Personen aus ärmeren Verhältnissen und Jugendliche mit Migrationshintergrund haben es besonders schwierig. Dazu kämen oft Konflikte und Gewalt im Elternhaus.

 Reutlinger geht von einer weiteren Verschärfung der Problematik aus. "Junge werden vermehrt Mühe haben, mit dem Bewährungs- und Bewältigungsdruck zurechtzukommen." Ungewiss sei auch die Zukunft einer schwierig einzuschätzenden Dunkelziffer von Jugendlichen, die momentan zwar über keinen festen Wohnsitz verfügen, aber nicht in Kontakt mit sozialen Institutionen stehen. Deshalb fordert er die Behörden auf, zu reagieren: "Existierende Einrichtungen wie Notschlafstellen müssen speziell auf die Probleme von jungen Erwachsenen sensibilisiert werden und es sollten zusätzliche Angebote geschaffen werden." Laut Reutlinger brauchen junge Menschen Begleitung im Alltag und nicht nur Unterschlupf über Nacht.

 Genau an diesem Punkt will die Stadt Bern ansetzen. An Meetings zwischen der Verwaltung und den sozialen Institutionen soll das Problem der fehlenden Tagesstrukturen in Institutionen der Obdachlosenhilfe diskutiert werden.

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NARRENKRAUT
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Süddeutsche Zeitung 21.6.10

Das Gras liegt in der Hasenheide

 Nirgendwo sonst in Westeuropa darf man straffrei so viel Cannabis und Haschisch besitzen wie in Berlin. Das freut vor allem die Kleindealer in einem Neuköllner Volkspark.

Von Thorsten Schmitz

 Berlin - Es ist früher Vormittag, draußen scheint die Sonne und noch ist kein Mensch im Hanfmuseum. Der Mann an der Kasse sitzt mit dem Rücken zu den Sonnenstrahlen, die sich einen Weg durch das verstaubte Fenster bahnen, blättert im Hanfjournal und schickt einen in den Keller. Da liegt das Museumscafé, das "ClubChill" heißt und auch nach einer halben Stunde keine chillige Atmosphäre verbreitet. Unter den Augen von Rolf Ebbinghaus liegen tiefe Ringe.
 Ebbinghaus ist der Museumschef, ein sehr zuvorkommender Mensch. Er gibt einem die Hand und fragt, ob man Lust hat auf einen Hanftee. Wer nein sagt, ist bei ihm unten durch: "Na, ich seh‘ schon, Sie sind auch ein Opfer der Mörderkrautpropaganda geworden." Und schon ist man beim Thema.

 Das Hanfmuseum in Berlin, das sich hinter dem Alexanderplatz versteckt, will die Welt verändern, das heißt das, was die Welt über Hanf so denkt. Ebbinghaus und seine Mitarbeiter finden, Cannabis sei "Weltkultur" und nicht nur Stoff, der gekifft werden will. Im Museum erfährt man viel darüber, wozu die Hanfpflanze genutzt werden kann, als Dämmstoff, zur Darmreinigung, als Jutebeutel. Über ihre Rauschwirkung erfährt man weniger. Die Schulklassen, die hierherkommen, sagt Ebbinghaus, interessierten sich vor allem für dieses Schaufenster, gleich neben dem Eingang, wo Gras unter künstlichem Licht (und mit polizeilicher Genehmigung) wächst. Das Gras, das so aussieht wie das Gras, das man in Kreuzberg am Kottbusser Tor kaufen kann, sei nicht hochpotent, besitze also keine hohe Konzentration an Tetrahydrocannabinol (THC), jenen Wirkstoff also, der den Rausch erzeugt (oder Angstzustände).

 Aber darum gehe es doch auch gar nicht, sagt Ebbinghaus. Worum geht es denn dann? "Dass alles, was Rausch ist, böse ist und verteufelt wird. Wir leben in einem totalen Purismus, in einer genussfeindlichen Welt." Vielleicht muss man so reden, wenn man Hanf ein ganzes Museum widmet.

 Der Berliner Senat hat vor ein paar Wochen, im Stillen, eine Verwaltungsvorschrift verlängert, die es einem erlaubt, straffrei bis zu 15 Gramm Hasch oder Gras mit sich herumzuführen. Die Verordnung verhilft Berlin zu einem (zweifelhaften) Ruf - nämlich zur Kifferhauptstadt Westeuropas. Nirgendwo sonst in Deutschland darf man straffrei eine so große Menge Cannabis bei sich haben. In Brandenburg etwa, das an Berlin grenzt, sind nur sechs Gramm erlaubt, und selbst in Amsterdam darf man nur fünf Gramm für den eigenen Rausch besitzen. Nur die Tschechische Republik erlaubt noch mehr, nämlich 20 Gramm.

 Die Hauptstadt—CDU und ein Teil der Hauptstadt-Presse brüllen seit Wochen gegen den Beschluss des rot-roten Senats an, sprechen vom "Junkie-Friedhof" Berlin und verweisen auf die 155 Drogentoten im letzten Jahr, als ende automatisch jeder Kiffer wie Christiane F. vom Bahnhof Zoo an der Nadel und auf dem Strich.

 Besonders über die Regelung freuen sich arabische und afrikanische Kleindealer, im Neuköliner Volkspark Hasenheide etwa. Sie stehen neben Büschen und an Bäume gelehnt und sind so bemüht, unauffällig dazustehen, dass sie jedem auffallen. Sie fixieren einen mit einem stechenden Verkäuferblick und geben Geräusche von sich, als säßen sie in der Oper und man solle aufhören zu reden: "Sch, sch, sch" oder "pst, pst, pst".
 Die Männer wollen ihre 15 Gramm Cannabis loswerden, das Gramm zu zehn oder 15 Euro. Wenn die Polizei eine Razzia macht, behaupten sie, den Stoff nur für sich selbst zu gebrauchen.

 Dem Senat ist jede Aufmerksamkeit über die verlängerte 15-Gramm-Regelung zu viel. Wenn man die Gesundheitssenatorin sprechen will, wird man an den Innensenator verwiesen. Dort will man auch nicht reden, sondern fragt, ob der Bericht denn wirklich nötig sei. Im Justizsenat erklärt einem dann Pressesprecherin Gabriele Dördelmann in überraschender Offenheit, weshalb man in Berlin 15 Gramm Hasch bei sich haben kann, ohne ein Strafverfahren befürchten zu müssen: "Wir lassen die kleinen Fische laufen, um für die größeren Fische Kapazitäten zu haben." Und wie werden in Berlin kleine und große Fische unterschieden? "Da verlassen wir uns auf die Kenntnisse der Polizei." Wobei diese inzwischen schon so weit gereift sind, dass die Pressesprecherin zugibt: "Es ist uns bekannt, dass Kleindealer die Verwaltungsvorschrift ausnutzen."

Mohammed aus dem Senegal verbringt seine Tage (und Nächte) in der Hasenheide. Mit dem Dealen bessert er seinen Hartz-IV-Zuschuss auf. In Berlin kifft ja jeder", sagt er, "hier ist immer gutes Geschäft." Die 15-Gramm-Regelung mache ihm das "Business", wie er das Dealen nennt, noch bequemer. Er packe den Stoff in 15-Gramm-Päckchen, und wenn ihn die Polizei kontrolliere, sage er, dass er das Zeugs für sich brauche. Die anderen 15-Gramm-Päckchen deponieren die Dealer in den Büschen. Mohammed sagt, er selbst kiffe nicht, das mache "die Birne weich". Er würde "auch nie" an Jugendliche verkaufen oder auf Schufhöfen. Das Geschäft muss gut laufen, denn als man Mohammed fragt, wie er so abchille, antwortet er: "Mit Koks."

Christine Köhler-Azara ist Berlins Drogenbeauftragte, aber auch sie redet über die 15-Gramm-Regelung nur vorsichtig. Man merkt, dass sie ihr nicht gefällt. In der Abteilung der Drogenbeauftragten hatte man sich gewünscht, dass Berlin nur sechs Gramm Hasch erlaubt wie in Brandenburg. Die Botschaft, die von den 15 Gramm ausgehe, "ist schwierig, aber gut, so ist es jetzt", sagt Köhler-Azara. Sie ist dafür, striktere Grenzen zu setzen. Und außerdem findet sie sowieso: "Was einen glücklich macht, sind soziale Beziehungen und nicht Cannabis oder Alkohol."

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Basler Zeitung 19.6.10

Neuer Anlauf für Legalisierung

 Basler Politikern gefällt die Idee der Cannabis-Abgabe

 Entkriminalisierung. Zürich will in einem wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekt eine staatlich kontrollierte Abgabe von Cannabis lancieren und das Kiffen aus der Illegalität holen. Damit würde die Politik den Staatsanwaltschaften folgen, die Konsum und Besitz von Hanf nicht mehr in jedem Fall verfolgen. Stattdessen werden immer häufiger lediglich Bussen ausgesprochen und Verzeigungsverfahren eingestellt.

 Mehrere Basler Politiker könnten sich eine Teilnahme von Basel an dem Zürcher Projekt vorstellen, noch erfolgte aber kein Vorstoss. Das Modell dürfte Chancen haben, wenn es konsequent auf Jugendschutz setzt und wenn das Cannabis an staatlichen Stellen zu beziehen wäre.  hws  > seite 33

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Für eine Cannabis-Abgabe

 Basler Politiker unterstützen Pilotprojekt aus Zürich
 
Mischa Hauswirth

 Das Zürcher Stadtparlament will Hanfkonsum und staatlich kontrollierten Cannabis-Verkauf legalisieren. Das Modell stösst in Basel auf Interesse.

 Noch ist es eine Idee: Basel könnte mit Zürich zusammenspannen und ein wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt zur staatlich kontrollierten Cannabis-Abgabe lancieren. Kiffen und Hanf-Biscuits sollen legal werden. Am Mittwochabend hat sich Zürich dazu durchgerungen, ein wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt anzustreben.

 Basler Politiker finden die Idee lobenswert. André Weissen, CVP-Fraktionschef: "Es wäre sinnvoll, wenn Basel sich dem Zürcher Projekt anschliessen würde. Der Staat muss aufhören mit seiner repressiven Tour." Und SP-Präsident Martin Lüchinger sagt: "Die beiden Städte sind durchaus vergleichbar, und eine Zusammenarbeit bietet sich an."

 Der Präsident der Grünliberalen, David Wüest-Rudin hat den Zürcher Vorstoss mit Interesse verfolgt. Wüest: "Ich kann mir gut vorstellen, dass meine Partei das Anliegen, Basel solle mit Zürich zusammen ein solches Projekt aufgleisen, unterstützen wird."

 Ein Drittel konsumiert

Die Initianten der neuen Legalisierungsbewegung nehmen das Interesse aus Basel gerne zur Kenntnis. Matthias Probst von den Zürcher Grünen sagt: "Je mehr Städte bei dem Pilotprojekt mitmachen, umso effektiver die Signalwirkung an die Bundesbehörden. Ausserdem hätten die wissenschaftlichen Daten dann mehr Aussagekraft."

 Rund ein Drittel der 15- bis 34-jährigen Basler hat mindestens einmal im Leben mit berauschendem Hanf Erfahrungen gemacht. "Es ist eine Tatsache, dass Cannabis konsumiert wird. Die momentane Gesetzeslage halte ich für vollkommen unverhältnismässig", sagt Jürg Stöcklin, Präsident der Basler Grünen.

 EVP-Präsident Leonhard Müller erachtet eine kontrollierte Abgabe für die bessere Lösung als den "Wildwuchs" von heute. "Zudem sehe ich das Geld, das für Cannabis ausgegeben wird, lieber in der Staatskasse." Müller findet es bedenklich, dass sich in der Schweiz mafiaähnliche Kreise über den illegalen Verkauf einer alten Nutzpflanze finanzieren können.

 Diskussion

Selbst unter bürgerlichen Politikern, die bisher in Sachen Marihuana mehr auf die Prohibition nach US-amerikanischem Vorbild setzten, sieht man Handlungsbedarf. "Den Ist-Zustand der Kriminalisierung erachte ich als untragbar. Wir sollten tatsächlich darüber diskutieren", sagt der Basler FDP-Präsident Daniel Stolz.

 SVP-Präsident Sebastian Frehner lehnt dagegen die kontrollierte Abgabe ab und möchte das Thema gar nicht erst aufnehmen. "Cannabis ist ein Einstieg zu harten Drogen", sagt er. Thomas Steffen, Leiter Bereich Gesundheitsdienste Basel-Stadt, sagt dazu: "Diese Theorie ist wissenschaftlich widerlegt." Thomas de Courten, Präsident der landrätlichen Gesundheitskommission und Baselbieter SVP-Politiker, sieht in einem solchen Pilotprojekt einen Widerspruch zu den staatlichen Präventionsprogrammen. Für ihn ist es "unvorstellbar, dass sich die Obrigkeit als Drogendealer etabliert".

 Dass die Befürworter von Cannabis einen neuen Anlauf nehmen, verwundert Thomas Steffen wenig. "Die Diskussion um die Liberalisierung ist ein noch nicht abgeschlossener, gesellschaftlicher Prozess", sagt er.

 Keine Werbung

Die von der BaZ befragten Politiker sind sich einig: Niemand will zurück zur unübersichtlichen Situation von 2003. Damals verkauften Hanfläden unkontrolliert Cannabis und kümmerten sich kaum um den Jugendschutz. In Zürich ist denn auch von einem Schalter die Rede, wo Konsumenten die Hanfblüten kaufen könnten. Thomas Steffen: "Diese Verkaufsstellen dürfen nicht attraktiv sein." Keine Werbung. Keine Nebenverkäufe, wie dies in Hanfläden üblich ist. Vorbild könnte eine ebenso strikte Kontrolle durch den Bund wie beispielsweise bei Herstellung, Vertrieb und Verkauf von Schnaps sein.

 Damit das Pilotprojekt überhaupt Chancen hätte, müsste es dem Jugendschutz kompromisslos Rechnung tragen. Thomas Steffen: "Ein Verkauf durch ausschliesslich geschultes Personal wäre sinnvoll, zudem die strikte Überprüfung des Mindestalters von 18 Jahren und eine Abgabe von beschränkten Mengen zu hohen Preisen."

 Mit diesen Regeln könne verhindert werden, dass es zu Zuständen wie beim Alkohol und Tabak komme, bei denen die an sich genügend restriktiven Massnahmen in der Praxis oft zu lasch gehandhabt würden.

 Das Zürcher Modell ist nichts Neues. Bereits Anfang der 1990er-Jahre gab es Vorstösse, um den Canna- bis-Konsum sowie den Anbau für Eigenbedarf zu legalisieren und eine staatlich kontrollierte Abgabe zu organisieren.

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BLEIBERECHT
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bleiberecht.ch 30.5.10

Gesamtschweizerische Grossdemo Samstag, 26. Juni 2010 in Bern
Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich.
Samstag, 26. Juni 2010 in Bern. Besammlung: 14.30 Waisenhausplatz, Schlusskundgebung auf dem Bundesplatz.

Demoaufruf als PDF in verschiedenen Sprachen und weitere Infos bei Solidarité sans frontières
http://www.sosf.ch/cms/front_content.php?idcat=677&lang=1&client=1

Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung sind salonfähig geworden in der Schweiz. Auch wenn die millionenschweren Kampagnen von SVP und Co. of nicht zu Mehrheiten an der Urne führen, haben sie dennoch Erfolg: Unter dem Vorwand, die Ängste in der Bevölkerung aufzugreifen, passen sich der Bundesrat und die Parlamentsmehrheit oft vorauseilend allen Forderungen an.

Dem Misstrauen und der Sündenbockpolitik setzen wir den solidarischen Kampf entgegen für politische und soziale Grundrechte für alle.

Wir sagen

* Ja zur Regularisierung von Sans-Papiers. Flüchtlinge brauchen Schutz, nicht Abschreckung. Kein Mensch ist illegal. Zwangsausschaffungen sind unmenschlich.

* Ja zum Recht auf Ehe auch für Menschen, die keine Papiere haben. Liebe kennt keine Grenzen.

* Ja zum Einsatz für Menschenwürde und Menschenrechte. Unterstützungsgruppen von und für Menschen, die ausgegrenzt werden dürfen nicht kriminalisiert werden.

* Ja zur Sozialhilfe für alle, die sie benötigen. Die Nothilfe muss in Sozialhilfe umgewandelt werden und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Die Arbeitslosenversicherung muss in der Krise aus- und nicht abgebaut werden.

* NEIN zur Ausschaffungsinitiative. Ein liberales Strafrecht gilt für alle gleich.

Wir finden uns nicht damit ab, dass Ausgrenzung normal wird. Den zunehmenden Rassismus in unseren Gesetzen und im Alltag akzeptieren wir nicht.

Wir fordern: Solidarität, gleiche Rechte und Mitbestimmung für alle statt Zwangsintegration.

Demokratie kann es ohne Grundrechte nicht geben. Sie sind Fundament einer offenen Gesellschaft mit Zukunft. Sie gelten für alle. Oder gar nicht. Darum stehen wir ein für Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich.

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NOTHILFE
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bleiberecht.ch 19.6.10

Petition zur Abschaffung der Nothilfe

Seit dem 1. April 2004 erhalten Personen mit einem Nichteintretensentscheid (NEE) nur noch Nothilfe, seit dem 1. Januar 2008 auch jene mit einem abgelehnten Asylgesuch. Das bedeutet je nach Kanton circa 8 Franken pro Tag, eine notdürftige Unterkunft nur für die Nacht und nur eine minimale medizinische Grundversorgung im Akutfall. Je nach Kanton und Gemeinde herrschen grosse Unterschiede in der praktischen Ausgestaltung, die an Willkür grenzen. Besonders gravierend ist die Situation der Menschen, die lange in der Nothilfe leben.

Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen und eine Abschaffung des Nothilfe-Regimes zu fordern, haben die "Landsgemeinde zur Nothilfe” und das Solidaritätsnetz Ostschweiz (http://www.solidaritaetsnetz.ch/) eine Petition lanciert:

Die Petition zur Abschaffung der Nothilfe als pdf
http://www.bleiberecht.ch/wp-content/uploads/2010/06/Petition-Nothilfe.pdf

Jede Person ist berechtigt diese Petition zu unterschreiben. Ausgefüllte Bögen bis zum 30. August 2010 zurück an: Solidaritätsnetz Ostschweiz, Oberer Graben 31, 9000 St.Gallen.

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AUSSCHAFFUNGS-TOD
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Sonntagszeitung 20.6.10

Zürich Das gerichtsmedizinische Gutachten zum Tod eines 29-jährigen Afrikaners ist abgeschlossen. Die Oberstaatsanwaltschaft Zürich bestätigt, es sei am Freitag eingegangen. Das Gutachten soll klären, ob der Nigerianer am 17. März kurz vor seiner Zwangsausschaffung wegen der Behandlung durch die Polizei gestorben ist. Zum Ergebnis schweigt sich die Staatsanwaltschaft noch aus. Nach dem Todesfall hatte das Bundesamt für Migration (BFM) die Zwangsausschaffungen gestoppt. Der Stopp ist aufgehoben, aber kein Rückschaffungsflugzeug hat seither abgehoben. Das BFM bereitet nun zwei Sonderflüge nach Afrika vor.  (PT)

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POLICE ZH
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Blick am Abend 18.6.10

Täglich Gewalt gegen Polizei

 Von  Roman Neumann  und  Reda El-Arbi

 GENUG

 Den Polizisten platzt der Kragen. Jetzt wehren sie sich gegen die Gewalt gegen Beamte.

 Das Mass ist voll. Etwas muss passieren", wehrt sich Werner Karlen, Präsident des Polizeibeamtenverbands Stadt Zürich, gegen die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte. Die jüngsten Ereignisse, die Übergriffe von feiernden Fans auf Polizeibeamte nach dem Schweizer Sieg über Spanien an der Langstrasse, geben ihm recht. Doch der Vorfall ist nur einer von vielen: Vor sieben Jahren wurden 1125 Anzeigen wegen Gewalt und Drohungen gegen Beamte eingereicht, vor zwei Jahren waren es bereits 2024! Letztes Jahr wurden täglich sechs bis sieben Polizeibeamte Opfer von Gewalt oder schweren Drohungen.

 Jetzt wehren sich die Polizisten: In einer Resolution fordern sie die Politik auf, endlich etwas gegen die gegen sie gerichtete Gewalt zu unternehmen. Sprich: "Wir brauchen härtere Strafen", sagt Karlen. "Eine bedingte Geldstrafe ist lächerlich und schreckt niemanden ab." Für die Zunahme der Gewalt gebe es viele Gründe - einer davon: "Als die Beizen vor einigen Jahren um 1 Uhr zumachten, gingen die Leute mit dem Alkoholpegel nach Hause, den sie um diese Zeit erreicht hatten." Heute sei dies ganz anders. "Um diese Zeit gehen sie in den Klub - und da fängt dann alles erst an."

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 "Wir brauchen härtere Strafen."

 Mehr Wochenend-Präsenz

 Nach den Ausschreitungen an der unbewillligten "Reclaim the Streets"-Demo im Februar zieht der Stadtrat jetzt Konsequenzen: An den Wochenenden soll die Polizeipräsenz erhöht werden. Die Stapo soll schneller von der Kantonspolizei oder anderen Korps Unterstützung bekommen. Polizisten auf Pikett müssen schneller vor Ort sein, dazu sollen ständig Fahrzeuge bereitstehen. Die Polizisten sollen sich auch im Vorfeld besser über allfällige illegale Events informieren. Ob die Stapo mehr Stellen beantragen wird, muss diese erst noch prüfen.

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Limmattaler Zeitung 19.6.10

Stadtrat liebäugelt mit einem grösseren Polizeicorps

 Der "Saubannerzug" im Februar hat Folgen, eine Analyse soll Klarheit bringen

 Braucht es mehr Polizisten in Zürich? Der Stadtrat hat seine Polizei damit beauftragt, die Lage zu analysieren. Dies geht aus dem Regierungsprotokoll vom 9.Juni hervor. Damit reagieren die Räte auf eine Interpellation von Marc Hohl und Hans Bachmann (beide FDP) sowie auf eine Schriftliche Anfrage von Roger Bartholdi und Mauro Tuena (beide SVP). Eingereicht hatten sie diese nach dem "Saubannerzug" vom letzten 6.Februar, bei dem Partygänger, Hooligans und Linksautonome im Kreis5 eine unbewilligte Demo durchgeführt und grosse Sachbeschädigungen verursacht hatten. Die Stadtpolizei sei von der plötzlichen Gewaltbereitschaft überrascht worden und hätte kurzfristig nicht genügend Personal aufbieten können, schreibt der Stadtrat. Nun soll die Polizei vier Massnahmen prüfen, um bei ähnlichen Fällen reagieren zu können: Nebst einer Aufstockung des Personals wird untersucht, wie der Zusammenzug der Kräfte aus verschiedenen Wachen optimiert werden kann. Geprüft wird auch, wie Polizisten, die nicht im Dienst stehen, effizient alarmiert werden können. Und schliesslich soll erwägt werden, ob die Unterstützung durch andere Korps, wie demjenigen der Kantonspolizei, verbessert werden kann. (cov)

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POLICE TG
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Thurgauer Zeitung 19.6.10

Thurgau

Polizei soll Gemeinden entlasten

 Ein neuer Assistenzdienst der Kantonspolizei soll die Thurgauer Gemeinden unterstützen. Offene Fragen gibt es zu ihrer Ausbildung.

 Frauenfeld - Bisher übernahmen in verschiedenen Gemeinden private Sicherheitsdienste die Verkehrskontrollen sowie sicherheitspolizeiliche Aufgaben. Im neuen Polizeigesetz schlägt der Regierungsrat zwei Varianten vor: Nach der ersten soll neu ein polizeilicher Assistenzdienst anstelle der privaten Dienste treten. "Dieser kann gegen Entgelt von den Gemeinden eingesetzt werden", sagt Regierungsrat Claudius Graf-Schelling.

 "Da diese Polizeiassistenten Staatsangestellte sind, gehen ihre polizeilichen Befugnisse weiter als diejenigen der Privatpersonen in den Sicherheitsdiensten." So darf der private Sicherheitsdienst Menschen nur dann festhalten, wenn er sie auf frischer Tat ertappe. In einer zweiten Variante sieht die Regierung vor, dass die Gemeinden neben dem Assistenzdienst auch weiter private Sicherheitsfirmen wie die Securitas einsetzen dürfen.

 "Vorteil für die Gemeinden"

 Die erweiterten polizeilichen Rechte des Assistenzdienstes seien für die Gemeinden ein Vorteil, findet Graf-Schelling. Zudem könnten die Gemeinden für den Ordnungsdienst auf ausgebildete Personen zurückgreifen. Die Ausbildung übernimmt die Kantonspolizei. Nach zwei bis drei Monaten sind die Polizeiassistenten dann in den Gemeinden einsatzfähig. "Details zur Ausbildung müssen aber noch festgelegt werden", sagt Graf-Schelling.

 Der Kreuzlinger Stadt- und Kantonsrat David Blatter begrüsst das zusätzliche Angebot zur Entlastung der Gemeinden. Man müsse allerdings auf die Ausgestaltung der Ausbildung achten. Nach Blatters Einschätzung sollten drei Monate dafür ausreichen. Zudem könne der Kanton von den Erfahrungen anderer Kantone profitieren. So gibt es Assistenzpolizisten bereits in Zürich.

 Auch Roland Kuttruff, der Präsident des Verbandes Thurgauer Gemeinden, will abwarten, wie die Ausbildung der Polizeiassistenten im Detail aussieht und mit welcher Erfahrung sie in die Gemeinden kommen. "Ich stehe dem Vorschlag grundsätzlich aber positiv gegenüber." Tobel-Tägerschen, wo Kuttruff Gemeindeammann ist, sei aber für einen Einsatz wohl zu klein. "Die Polizeiassistenten sind eher für mittlere oder grössere Gemeinden gedacht", so Kutruff.

 Auch in Kreuzlingen besteht momentan kein Bedürfnis nach dem Assistenzdienst. "Wir haben eine Stadtpolizei, die neben Verkehrskontrollen auch andere Aufgaben erledigt", sagt Blatter. Diese könnte ein Assistenzdienst nicht direkt übernehmen. Er schliesst aber nicht aus, dass Kreuzlingen das Angebot dereinst beanspruchen wird. (rba/hal)

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 Grundlage für Videoüberwachung

 Im Datenschutzgesetz soll neu der Umgang mit Ton- und Videoaufnahmen festgelegt werden. Neu sollen öffentlich zugängliche Orte zum Schutz von Personen und Sachen mit technischen Geräten überwacht werden dürfen. Voraussetzung dafür sei, dass die Geräte erkennbar gemacht werden, die Daten nach einer gewissen Zeit gelöscht und die Aufsichtsstellen des Datenschutzes vorgängig informiert werden; dies soll als Ergänzung ins Datenschutzgesetz. "Dieses Gesetz soll Richtlinien für Gemeinden und den Kanton schaffen", sagt Regierungsrat Claudius Graf-Schelling. Wie auf Bundesebene dürfen die Aufnahmen 100 Tage aufbewahrt werden. "Die Daten werden aber meistens schon früher gelöscht, um nicht unnötig Speicherplatz zu beanspruchen", so Graf-Schelling. (rba)

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St. Galler Tagblatt 19.6.10

Kanton will Polizei light

 Das Polizeigesetz soll erneuert werden. Vorgesehen ist ein polizeilicher Assistenzdienst, der in den Gemeinden die Aufgaben der privaten Sicherheitsleute übernimmt. Zudem soll die Videoüberwachung in Zukunft erlaubt sein.

 Jeanette Herzog

 Frauenfeld. Der Gesetzesentwurf für ein neues kantonales Polizeigesetz sieht vor, dass künftig ein polizeilicher Assistenzdienst in den Gemeinden für Sicherheit sorgt. Im Rahmen einer Leistungsvereinbarung sollen Gemeinden vom Kanton ausgebildete Polizeiassistenten engagieren können. Sie übernehmen sicherheitspolizeiliche Aufgaben und Verkehrskontrollen. Grundsätzlich sollen sie mit ihrer Präsenz für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl bei der Bevölkerung sorgen. Ob sie dabei die privaten Sicherheitsleute ganz ersetzen oder lediglich ergänzen, ist noch offen. Im Gesetzesentwurf des Regierungsrates sind beide Varianten aufgeführt. Klar ist jedoch, dass der polizeiliche Assistenzdienst eine direkte Konkurrenz zu den privaten Sicherheitsunternehmen darstellen würde.

 Zivilpersonen in Uniform

 Mit dem Assistenzdienst werde ein Schritt in Richtung Einheitspolizei gemacht, teilt die Regierung mit. Polizeiassistenten sollen eine zwei- bis dreimonatige Ausbildung durchlaufen. "Sie werden gerüstet für die Aufgaben, die auf Gemeindeebene eintreten könnten", erklärt Regierungsrat Claudius Graf-Schelling auf Anfrage. Wer sich zum Polizeiassistenten ausbilden lassen kann und die Art der Bewaffnung ist noch nicht entschieden. Eine normale Polizeiausbildung dauert rund zwei Jahre. Die polizeilichen Assistenten gehören nicht zum Polizeikorps, sondern sind formal als Zivilpersonen beim Kanton angestellt. Dennoch haben sie als Staatsangestellte grössere Befugnisse als private Sicherheitsleute. Ein ähnlicher Assistenzdienst sei bereits im Kanton Zürich eingeführt worden und hätte sich "bestens bewährt", ist dem Gesetzesentwurf zu entnehmen.

 Videoüberwachung wird erlaubt

 Zudem soll das Datenschutzgesetz mit einer gesetzlichen Grundlage für die Überwachung mit Videokameras ergänzt werden. Bislang waren die Grundlagen für die Videoüberwachung ausschliesslich auf Stufe Gemeindeverordnung festgehalten. "Mit einer Regelung im Polizeigesetz wird eine Vereinheitlichung der maximalen Aufbewahrungsfrist von 100 Tagen für das Videomaterial getroffen", erklärt Graf-Schelling. Das bestehende kantonale Polizeigesetz stammt aus dem Jahr 1980 und wurde in den Jahren 2006 und 2007 punktuell angepasst. Eine umfassende Erneuerung wird fällig, weil viele polizeiliche Bestimmungen bislang nur im Dienstreglement festgehalten sind. Dazu gehören beispielsweise polizeiliche Zwangsmassnahmen wie Fesselung, Schusswaffengebrauch und Personen-Durchsuchung. "Wenn Bürger betroffen sind, sollte man das auch auf Gesetzesebene festhalten", so Regierungsrat Graf-Schelling. Dies würde den Bestimmungen eine höhere Legitimation geben. Der Gesetzesentwurf umfasst 70 Paragraphen und wird in eine breite Vernehmlassung geschickt, die bis Ende September dauert.

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 Befragt

 Claudius Graf-Schelling

 Regierungsrat

 "Konkurrenz besteht"

 Herr Graf-Schelling, wozu braucht es einen polizeilichen Assistenzdienst?

 Die kantonalen Polizeiassistenten werden gewisse hoheitliche Befugnisse haben, und ihr Aufgabenbereich soll auf die kommunalen Bedürfnisse zugeschnitten werden. Im Gegensatz zu privaten Sicherheitsleuten können sie also Personen auf Verdacht festhalten.

 Der Kanton tritt damit in Konkurrenz zu den privaten Sicherheitsunternehmen.

 Eine gewisse Konkurrenz besteht durchaus. Man muss aber auch sehen, dass wir auf nationaler Ebene gerügt wurden, weil wir den privaten Sicherheitsunternehmen einen zu grossen Spielraum eröffnet haben sollen. Polizeiliche Eingriffe gehören zum Gewaltmonopol des Staates und nicht in die Kompetenzen von privaten Sicherheitsunternehmen.

 Der Kanton wird also zum Unternehmer?

 Nein, im Gegenteil. Wir achten darauf, dass die hoheitlichen Befugnisse beim Staat bleiben.

 Müssen private Sicherheitsleute um ihren Job bangen?

 Nein, gar nicht. Beschäftigungsmässig ist das kein Thema. Der grosse Markt für Sicherheitsunternehmen dürften Sportanlässe, Messen und Aufträge von Firmen sein. (jhe)

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BIG BROTHER SPORT
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Südostschweiz 20.6.10

Basler Pyro-Fans freigesprochen

 Das Kreisgericht St. Gallen hat am Freitag sechs Basler Fussballfans freigesprochen, die bei einem Match in St. Gallen Fackeln und Rauchkörper ins Stadion schmuggeln wollten. Allein das Mitführen von "Pyros" sei nicht strafbar, hiess es.

 Fussball. - Die sechs Basler Fussball-Fans wurden am 21. März vor dem Spiel des FC St. Gallen gegen den FC Basel beim Eingang zur AFG-Arena mit Feuerwerk und Rauchkörpern erwischt, die sie in den Unterhosen versteckt hatten. Zusammen mit weiteren Personen waren sie im Schnellverfahren zu bedingten Geldstrafen und Bussen zwischen 400 und 1200 Franken verknurrt worden.

 Sechs Betroffene fochten dieses Urteil an. Sie standen vor zwei Wochen in St. Gallen vor dem Kreisgericht. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz vor. Die Verteidigung forderte Freisprüche: Nur das Abbrennen von Feuerwerk sei strafbar, nicht aber das alleinige Mitführen von pyrotechnischen Gegenständen.

 Gesetzliche Grundlage fehlt

 Das Gericht folgte der Argumentation der Verteidigung und sprach die sechs Angeklagten frei, wie es am Freitag mitteilte. Das Sprengstoffgesetz biete keine gesetzliche Grundlage, um bereits das Mitführen pyrotechnischer Gegenstände ins Sportstadion strafrechtlich zu sanktionieren.

 Zwei der Anhänger des FC Basel wurden in nebensächlichen Anklagepunkten wegen Besitzes von Haschisch, einer zudem wegen Tätlichkeit verurteilt. Einem der Angeklagten war auch Vermummung angelastet worden. Von diesem Vorwurf sprach ihn das Kreisgericht ebenfalls frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (sda)

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Sonntagszeitung 20.6.10

Keller-Sutter: "Wir führen die Eilverfahren weiter"

 St. Gallen Die St. Galler Justizdirektorin Karin Keller-Sutter hält an Schnellgerichten für Hooligans fest, obwohl das St. Galler Kreisgericht die Urteile gegen sechs Basler Fans aufgehoben hat, die im März im Eilverfahren verurteilt worden sind. Sie hatten Rauchpetarden in die AFG-Arena schmuggeln wollen. Das Kreisgericht entschied, das Mitführen von Pyros sei nicht strafbar. Die Staatsanwaltschaft akzeptiert die Freisprüche nicht. Sie zieht die Fälle weiter. "Ich begrüsse den Weiterzug", sagt Keller. Das Urteil des Kantonsgerichts werde zeigen, ob auf Bundesebene eine Gesetzesänderung in Sachen Pyros notwendig sei. "Klar ist: Wir führen die Eilverfahren weiter."  (PT)

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Sonntagsblick 20.6.10

Schnellrichter bleiben!

 Die St. Galler Justizvorsteherin Karin Keller-Sutter wird gegen Hooligans weiter eine harte Linie fahren und Freisprüche anfechten.

 Keine Justizdirektorin geht härter gegen Krawallmacher vor als Karin Keller-Sutter. Die St. Galler Regierungsrätin führte im November 2009 Schnellrichter ein, welche Hooligans noch in den Stadien im Ruckzuckverfahren verurteilen und büssen. Über ein Dutzend Chaoten wurden seit der Einführung auf diese Weise bestraft (SonntagsBlick berichtete).

 Doch nun bekommt die Strahlefrau unerwartet Gegenwind, und zwar heftig. Ein St. Galler Richter sprach am Freitag sechs Hooligans frei, die Ende März Pyros ins Stadion geschmuggelt hatten und zu Bussen bis zu 1200 Franken verknurrt wurden. Nach Ansicht des Richters ist zwar das Abbrennen, aber nicht das Mitführen von Pyros strafbar. Der Rechtsspruch ist für Keller-Sutter ein Schlag ins Gesicht. Trotzdem zeigt sie sich siegessicher. "Wir fechten das Urteil an und führen die Schnellverfahren weiter", so Keller-Sutter zu SonntagsBlick. Der Kampf geht in die nächste Runde.

Romina Lenzlinger

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St. Galler Tagblatt 19.6.10

Pyro-Fans freigesprochen

 Sechs Fussballfans, die Rauchkörper in die AFG Arena schmuggeln wollten, sind vom St. Galler Kreisgericht freigesprochen worden. Die FDP ist enttäuscht und fordert ein schärferes Gesetz.

 Claudia Schmid/Adrian Vögele

 St. Gallen. Die sechs Basel-Fans im Alter zwischen 18 und 23 Jahren haben nicht gegen das Sprengstoffgesetz verstossen. Dies hat das St. Galler Kreisgericht entschieden. Grund: Für einen Schuldspruch fehlen die gesetzlichen Grundlagen. Das Sprengstoffgesetz verbiete nicht insgesamt den Verkehr mit pyrotechnischen Gegenständen, die für gewerbliche Zwecke bestimmt seien, heisst es in der Urteilsbegründung. Die Pyros für Vergnügungszwecke zu verwenden, sei zwar verboten. Es gebe aber keine Möglichkeit, bereits das Mitführen von Pyro-Artikeln strafrechtlich zu ahnden.

 Urteil wird weitergezogen

 Genau diesen Punkt hatte die Verteidigerin der Angeschuldigten ins Feld geführt. Im Gesetz finde sich kein einziger Hinweis, dass nicht nur das Abbrennen, sondern auch der Besitz von explosionsgefährlichen Stoffen verboten sei. "Um die strafrechtliche Sanktionierung des Mitführens von pyrotechnischen Gegenständen in Sportstadien zu ermöglichen, müsste eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen werden", schreibt das Gericht. Die Staatsanwaltschaft kündigt an, die Freisprüche nicht zu akzeptieren und die Fälle ans Kantonsgericht weiterzuziehen.

 FDP reicht Motion ein

 Auch die FDP-Fraktion im Nationalrat hat am gestrigen letzten Sessionstag in Bern sofort auf das St. Galler Urteil reagiert: Sie reichte eine Motion ein, die verlangt, dass auch das Mitführen von Pyros strafbar sein soll. Unklar ist die Haltung der St. Galler Regierung: Justizdirektorin Karin Keller-Sutter (FDP) nehme zu gesprochenen Urteilen keine Stellung, heisst es auf Anfrage aus ihrem Departement.

 Die sechs Fans waren am 21. März vor dem Spiel St. Gallen-Basel verhaftet und in einem Schnellverfahren zu Geldstrafen und Bussen verurteilt worden. Gegen den Strafbescheid hatten sie Einsprache erhoben, weshalb es zur Verhandlung am Kreisgericht St. Gallen kam.

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Bund 19.6.10

Mitbringen von Pyros ist nicht strafbar

 Ein St. Galler Gericht hat sechs FCB-Fans freigesprochen, die Feuerwerk ins Stadion schmuggeln wollten.

 Die Fans wurden am 21. März vor dem Spiel des FC St. Gallen gegen den FC Basel beim Eingang zur St. Galler AFG-Arena mit Feuerwerk und Rauchkörpern erwischt, die sie in den Unterhosen versteckt hatten. Sie wurden im Schnellverfahren zu bedingten Geldstrafen und Bussen zwischen 400 und 1200 Franken verknurrt.

 Sechs Betroffene fochten dies an. Sie standen vor zwei Wochen in St. Gallen vor Kreisgericht. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz vor. Die Verteidigung forderte Freisprüche: Nur das Abbrennen von Feuerwerk sei strafbar, nicht aber das alleinige Mitführen von Pyros.

 Gesetzliche Grundlage fehlt

 Das Gericht folgte dieser Argumentation und sprach die Angeklagten frei, wie es gestern mitteilte. Das Sprengstoffgesetz biete keine gesetzliche Grundlage, um bereits das Mitführen pyrotechnischer Gegenstände ins Stadion strafrechtlich zu sanktionieren.

 Zwei der FCB-Fans wurden in nebensächlichen Anklagepunkten wegen Besitzes von Haschisch verurteilt, einer zudem wegen Tätlichkeit.

 Die Staatsanwaltschaft will die Freisprüche nicht akzeptieren und die Fälle ans Kantonsgericht weiterziehen, wie sie mitteilte. Wenn Pyros legal ins Stadion gebracht werden dürften, könne die Justiz praktisch nicht mehr gegen das Abbrennen von Feuerwerk vorgehen, weil die Täter zumeist vermummt seien und sich in der Menge versteckten. (sda)

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BZ 19.6.10

Feuerwerk in Stadien

 Nur Abfackeln ist verboten

 Fussballfans dürfen Feuerwerkskörper mit ins Stadion nehmen, nur Abfeuern ist verboten. Das befand ein St. Galler Gericht.

 Das Kreisgericht St. Gallen hat sechs Basler Fussballfans freigesprochen, die bei einem Match in St. Gallen Fackeln und Rauchkörper ins Stadion schmuggeln wollten. Das Gericht kam zur Auffassung, allein das Mitführen von "Pyros" sei noch nicht strafbar.

 Bussen angefochten

 Die sechs Fans waren am 21. März 2010 vor dem Spiel des FC St. Gallen gegen den FC Basel beim Eingang zur AFG-Arena mit Feuerwerk und Rauchkörpern erwischt worden. Versteckt hatten sie die Pyro-Artikel in ihren Unterhosen. Dafür wurden sie zusammen mit weiteren Personen im Schnellverfahren zu bedingten Geldstrafen und Bussen zwischen 400 und 1200 Franken verknurrt.

 Sechs Betroffene fochten dies an. Sie standen vor zwei Wochen in St. Gallen vor dem Kreisgericht. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, gegen das Sprengstoffgesetz verstossen zu haben. Die Verteidigung dagegen stellte sich auf den Standpunkt, dass nur das Abbrennen von Feuerwerk in einem Stadion strafbar sei.

 Gesetzliche Grundlage fehlt

 Das Gericht folgte der Argumentation der Verteidigung und sprach die sechs Angeklagten frei, wie es gestern mitteilte. Das Sprengstoffgesetz biete keine gesetzliche Grundlage, um bereits das Mitführen pyrotechnischer Gegenstände ins Sportstadion strafrechtlich zu sanktionieren. Zwei der FCB-Fans wurden dennoch verurteilt - in nebensächlichen Anklagepunkten wegen Besitzes von Haschisch, einer zudem wegen Tätlichkeit.

 Die Staatsanwaltschaft will die Freisprüche nicht akzeptieren und die Fälle ans Kantonsgericht weiterziehen: Wenn "Pyros" legal ins Stadion gebracht werden dürften, könne die Justiz praktisch nicht mehr gegen das Abbrennen von Feuerwerk vorgehen, weil die Täter zumeist vermummt seien und sich in der Menge versteckten.
 sda

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Blick 19.6.10

Straffrei Fans mit Pyro

 St. Gallen - Sechs Feuerwerk-Schmuggler kommen am St. Galler Kreisgericht ohne Strafe davon. Der Einzelrichter sprach sie frei, nachdem sie vom Untersuchungsamt bestraft worden waren. Die sechs Fans hatten am Spiel zwischen dem FC St. Gallen und dem FC Basel versucht, in ihrer Unterwäsche Pyro-Material in die AFG Arena zu schmuggeln. Der Richter hielt sich bei seinem Entscheid penibel an das Gesetz, das bei einer Bestrafung die Verwendung des Feuerwerks voraussetzt. Der Staatsanwalt akzeptiert den Freispruch nicht. Er zieht den Fall ans Kantonsgericht weiter. Eine strafrechtliche Verfolgung sei schwierig, wenn die Fans die Pyros bereits am Abfeuern seien, da sie sich meist vermummten, so der Staatsanwalt.

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MARCO CAMENISCH
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Rundmail 18.6.10

aufruf zu einer internationalen solidaritäts-kampagne für marco camenisch

marco camenisch, bekannt durch seine aktive rolle in der anti-akw-bewegung der 70er jahre, sitzt seit bald 20 jahren als politischer gefangener im knast. als kämpferischer grün-anarchist hat er während all diesen jahren an kämpfen, kampagnen und protesten inner- und ausserhalb des knastes teilgenommen. derzeit sitzt er in der haftanstalt pöschwies/regensdorf bei zürich.

in zwei jahren (2012) steht der termin seiner bedingten entlassung an, die ihm grundsätzlich gewährt werden müsste. denn die bedingte entlassung stellt im schweizer gefängnis-system die regel dar. marcos situation ist jedoch eine besondere. alle erleichterungen und entlassungsvorbereitenden massnahmen werden ihm kategorisch verweigert. die medizinische versorgung, die er seiner krebserkrankung wegen benötigt, bleibt mangelhaft. der übliche hafturlaub wird ihm mit der begründung verweigert, er schwöre seiner politischen überzeugung nicht ab und besässe zuviele freund/innen weltweit, die ihm zur flucht verhelfen könnten. gute soziale kontakte ausserhalb des knastes sind gleichzeitig ein kriterium, um bedingt entlassen zu werden. eines von vielen kriterien, die marco objektiv erfüllen würde.

man wird den eindruck nicht los, die justiz-behörden gewähren nur gebrochenen und/oder angepassten gefangenen die bedingte entlassung. diese tendenz lässt sich bei praktisch allen politischen gefangenen in den metropolen feststellen. gefangene, die ihre politische identität verteidigen, werden in den knästen lebendig begraben, auch wenn sie ihre strafe abgesessen haben. in der absicht, sie und die fortschrittlichen bewegungen, aus denen sie kommen, zu schwächen - zur aufrechterhaltung der furcht vor dem gefängnis als waffe der herrschenden. als beispiele unter vielen kann etwa die situation von leonard peltier in den usa, jene der action-directe-gefangenen in frankreich oder der baskischen gefangenen im spanischen staat genannt werden.

wir rufen deshalb gemeinsam mit der roten hilfe international zu einer internationalen solidaritätskampagne für marco camenisch auf, die sich mit den kämpfen für die freilassung der langjährigen politischen gefangenen in anderen ländern verbinden soll. dabei wollen wir die perspektive einer gesellschaft ohne knäste nicht aus den augen verlieren, weshalb wir den startschuss für die kampagne auf den 19. juni festgelegt haben, der als internationaler aktionstag für die antagonistischen gefangenen und gegen den knast begangen wird.

unterzeichnet den aufruf der roten hilfe international, verbreitet die informationen über eure webseiten und andere infokanäle. beteiligt euch mit euren eigenen inhaltlichen schwerpunkten an der kampagne.

solidarität ist eine waffe!

freund/innen und unterstützer/innen von marco camenisch

juni 2010


schreibt marco (absender nicht vergessen):
marco camenisch
postfach 3134
ch-8105 regensdorf

unterstützt ihn:
pc-konto 87-112365-3 (PAN-IG, ch-8000 Zürich)

kontakt:
marco_camenisch@yahoo.de

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Secours Rouge International

AUFRUF für eine Freilassungskampagne
19. Juni 2010 Internationaler Tag mit politischen Gefangenen

Wir nehmen dieses Datum zum Anlass, um eine langfristige Kampagne für die Freilassung all jener politischen Gefangenen anzukünden, die zum Teil Jahrzehnte von Knastjahren auf dem Buckel haben. Sie kommen nur deshalb nicht raus, weil sie in ihren revolutionären Identitäten ungebrochen sind und sich weiterhin als Revolutionäre verhalten.

Umso mehr sich die Spirale der kapitalistischen Krise nach unten dreht, umso schärfer reagiert der Staat mit seinen Repressionsorganen auf alles, was sich regt, Widerstand leistet und sich organisiert. Sei dies gegen die Mobilisierungen auf der Strasse, die der Arbeitskämpfe, die an den Universitäten oder die der SansPapiers.

Die staatliche Verbissenheit selbst für jene, die ihre Jahre im Knast abgesessen haben, die Knasttore nicht zu öffnen, lässt sich nur durch die sich zuspitzende Situation erklären. Die Ungebrochenheit dieser politischen Gefangenen und das, was sie damit ausdrücken dass Widerstand nicht nur notwendig, sondern auch machbar ist darf nicht aus den Knästen entlassen werden, wo sie wieder Teil der Bewegung werden könnten.

Weltweit ist diese Tendenz sichtbar. In Europa steht wohl der spanische Staat an der Spitze. Da werden schwerkranke Langzeitgefangene nicht rausgelassen und mittels neuem Gesetz sogar bereits entlassene Gefangene wieder eingeknastet: Die Höchststrafe wird mittels Gesetz heraufgesetzt und die Gefangenen werden rückwirkend wieder eingeknastet! Und auch in anderen Ländern Europas wie Frankreich mit den GenossInnen der Action Directe oder Italien mit den GenossInnen der Brigate Rosse werden die Knasttore für die revolutionären Gefangenen auch nach Jahren nicht kampflos geöffnet.

In der Schweiz betrifft diese Situation Marco Camenisch. Seine Knastzeit neigt sich dem Ende zu, doch die Schweizer Justiz begründet ihre Weigerung darauf einzugehen und ihn rauszulassen unter anderem mit der Erklärung, dass "Herr Camenisch sich nach wie vor als Anarchist bezeichnet..." und "...er glaubt, die Gesellschaft befände sich im Kriege!"

Anarchist sein, ein Grund zur Kriminalisierung? Und betreffend der Gesellschaft im Krieg: Ein Blick auf die Weltkarte zeigt, dass es wohl kaum je ein historische Phase gab, in der es so viele Kriegs-, Spannungs- und Umweltkatastrophenschauplätze gab wie die aktuelle!

Solidarisieren wir uns mit den ungebrochenen, revolutionären Langzeitgefangenen und erkämpfen wir gemeinsam mit ihnen ihre Freiheit!
Wir sind nicht alle - es fehlen die Gefangenen!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

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Internationaler Aktionstag 18. September 2010

Unterzeichnet den Aufruf!
Setzt ihn auf die Website's, leitet ihn weiter! Schliesst Euch der langfristigen Kampagne mit eigenen Inhalten + betroffenen Gefangenen an!

http://www.rhi-sri.org
info@rhi-sri.org

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SEMPACH
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Zentralschweiz am Sonntag 20.6.10

Sempach

 Soll man die Schlachtfeier so gross zelebrieren?

 Nach Zwischenfällen mit Rechts- und Linksextremen soll die Schlachtjahrzeit Sempach 2011 neu konzipiert werden. Geplant ist eine Feier mit nationaler Ausstrahlung.

 Meinung Pro: Hilmar Gernet*

 Tag des Denkens und Gedenkens

 Gedenktage gehören zur Schweiz und zu unserer Tradition. Es sind auch Tage der Begegnung, des friedlichen Gesprächs und des Meinungsaustausches. Diese Tage lassen wir uns nicht nehmen, weil sie wertvoll sind und zu unserem (politischen) Kulturgut gehören.

 Die "alte" Sempacher Schlachtjahrzeit aber ist nicht mehr durchführbar. Sie wurde kaputt gemacht: Von den Rechten, die schwiegen, und von den Linken, die schrieen. Wir Demokraten hatten die Meinungsäusserungsfreiheit zu garantieren. Wir schickten die Polizei. Sie sorgte dafür, dass die Extremisten nicht aufeinander losgehen konnten.

 Die "neue" Schlachtjahrzeit in Sempach muss ein Tag des Gedenkens und des Denkens werden. Sie soll die positiven Elemente der Vergangenheit mitnehmen (Totengedenken, Brauchtum, Rede, Schulklassen, Käseschnitte). Sie kann eine Plattform für Neues und Innovatives werden, ein Forum für zeitgerechten Patriotismus.

 Die Schlacht von 1386 war eine Art Startsignal für den Territorialstaat Luzern (vorher gehörten wir fast alle zu Österreich). Heute kann Sempach für den Kanton Luzern wieder zum Ausgangspunkt für eine gemeinsame Zukunft werden: Einmal im Jahr sollten wir uns Gedanken machen, wie wir die "Idee Luzern" im 21. Jahrhundert positionieren. Selbstverständlich ist die "Idee Luzern" kontrovers zu diskutieren - und danach feiern wir! Von der kleinen Stadt am See können Impulse ausgehen für den sich permanent erneuernden Staat - einen Staat, wo niemand für seine Ideen schweigen oder schreien muss, sondern wo wir miteinander über eine gemeinsame "Idee Luzern" reden.

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 Meinung Contra: David Roth*

 Das Fest im Städtli belassen

 Aus der Not eine Tugend zu machen, aus einem von Nazis vereinnahmten Fest wieder ein Volksfest zu machen, das ist eigentlich eine gute Idee. Der jetzt angedachte Weg jedoch höchst fragwürdig.

 Der "Tages-Anzeiger" schrieb vor einem Jahr: Heute ist der Anlass mit seinen Hellebarden, Lanzen und Speeren ein durch und durch martialisches Ereignis, wie aus einem schlechten Ritterfilm. Jedes Jahr wärmt ein Redner die Geschichte vom Schlachthelden Winkelried auf - nichts als eine Legende. Kein Wunder, finden die Rechtsextremen an dieser mythisch überhöhten Zeremonie besonderen Gefallen. Kein Wunder, erscheinen sonst nur wenig Leute.

 Das jetzt diskutierte Konzept verzichtet jedoch auf keines dieser Elemente. Vielmehr soll die Schlachtfeier nach Meinung des Kantons noch grösser werden. Der Grundgedanke ist zudem derselbe. Anstatt das Fest endlich wieder zum "Städtlifäscht" von Sempach werden zu lassen, wird vom Kanton die nächste Überhöhung vorbereitet: Die Feier soll auf unsere "gemeinsame Herkunft" hinweisen. Als ob der Charakter des heutigen Kantons auf einer Schlacht vor 624 Jahren fussen würde. Und wer das wohl gerne so sehen würde, ist klar. All jene, welche sich nicht vorstellen können, dass sich unsere Gesellschaft seither verändert hat.

 Der Kanton Luzern müsste sich gar nicht so viele Gedanken machen. Die einzige Herausforderung, die sich ihm stellt, ist folgende: Wie verhindert man die zurzeit grösste Neonazi-Demo der Schweiz? Dazu muss man das Fest im Städtli belassen und im Gegensatz zu letztem Jahr die unbewilligte Demonstration der Rechtsextremen nicht mehr tolerieren.

 Hinweis: * Hilmar Gernet ist Luzerner Kantonsrat (CVP) und Direktor Raiffeisen Schweiz, Politik & Gesellschaft.

 Hinweis: * David Roth ist Student Zeitgeschichte und Luzerner Grossstadtrat (Juso).

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ANTIFA
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NZZ am Sonntag 20.6.10

Antifaschisten

 Maike Albath: Der Geist von Turin. Pavese, Ginzburg, Einaudi und die Wiedergeburt Italiens nach 1943. Berenberg, Berlin 2010. 190 S., Fr. 31.90.

 Ende 1933 wurde in Turin, der Stadt von Fiat und Olivetti, der Verlag Einaudi gegründet. Er wurde alsbald zu einem Zentrum des antifaschistischen Widerstands in Mussolinis Italien. Treibende Kraft war Leone Ginzburg, ein jüdischer Intellektueller aus Odessa, der 1944 von der Gestapo zu Tode gefoltert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Einaudi eines der führenden Verlagshäuser Italiens. Wichtige Buchreihen und Zeitschriften entstanden. Unter dem extravaganten, dem Grossbürgertum entstammenden Chef Giulio Einaudi engagierten sich Grössen wie Elio Vittorini, Cesare Pavese, Natalia Ginzburg, Norberto Bobbio und Italo Calvino als Lektoren, Übersetzer, Herausgeber. Probleme blieben indes nicht aus. Zu politischen Richtungskämpfen kamen solche der finanziellen Verlagsführung. Einaudi, Feuerkopf und Diva zugleich, stürzte sich in defizitäre Projekte, lebte auch über seine Verhältnisse. Ein halbes Jahrhundert nach seiner Gründung musste der Verlag Konkurs anmelden. Seit 1994 gehört er zu Berlusconis Mondadori-Gruppe: Welch bittere Ironie! - Die deutsche Kulturjournalistin Maike Albath konzentriert sich in ihrer von Sachkenntnis und Liebe zum Geist der Utopie geprägten Darstellung auf die grossen Jahre des Verlags. Ihre auf Recherchen und Interviews mit Zeitzeugen beruhenden Porträts der Hauptpersonen überzeugen. Der historische Kontext kommt dagegen etwas zu kurz. (pap.)

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GIPFELSOLI
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gipfelsoli.org/Newsletter 20.6.10

20.6.2010 Ontario -- Genua -- Militant Reflection

- Police seize hundreds of bullets in arrests of three Ottawa men
- Police expected to announce charges Saturday in Ottawa bank firebombing
- G20 police arsenal includes plastic bullets
- Dance Dance Dance - The CLAC vs. Lykkie Li(Buraka Som Sistema rmx) ~ G20 Rmx
- G20 activists jailed for poster
- Police ask protesters to report violent members
- Police deny reports of stolen uniforms
- Polizei verhaftet Anarchisten
- Ex-Polizeichef nach Genua-Gipfel zu Haftstrafe verurteilt
- Militant reflektiert
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/8461.html

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ANTI-ATOM
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Basler Zeitung 21.6.10

Kontroverse um neue AKW

 Basel-Stadt und Baselland sind sich uneinig

Michael Rockenbach

 Basel-Stadt nutzt die erste Gelegenheit, um mit deutlichen Worten gegen den Bau eines neuen AKW Stellung zu nehmen. Die Baselbieter Regierung dagegen schweigt. Aufgrund einer umstrittenen Risikoabschätzung.

 Braucht die Schweiz neue Atomkraftwerke? Und wenn ja: wo? Diese Fragen werden nun aktuell. Der Bundesrat entscheidet zwar frühestens Mitte 2012 über die Gesuche für AKW-Projekte in Gösgen (SO), Beznau (AG) und Mühleberg (BE). Die Standortkantone müssen die planerischen Grundlagen aber schon jetzt schaffen. Besonders weit ist das Verfahren im Aargau. Dort ist die Vernehmlassung über die Richtplan-Anpassung, die für ein Ersatz-AKW auf der Aareinsel Beznau nötig ist, vor wenigen Tagen abgeschlossen worden. Die Stellungnahmen von Parteien, Verbänden und anderen Kantonen sind noch nicht abschliessend ausgewertet, dem Aargauer Baudepartement ist trotzdem schon aufgefallen, dass die Reaktionen "sehr kontrovers" sind.

 Sehr kritisch ist die Stellungnahme der Basler Regierung: Der Kanton stelle sich "eindeutig gegen den Bau neuer Kernkraftwerke und den Ersatz von Kernkraftwerken". Begründet wird diese Haltung mit der Basler Verfassung und dem Atomschutzgesetz.

 In der Baselbieter Verfassung gibt es einen ähnlichen Passus, der den Kanton zum Widerstand gegen neue Atomanlagen "auf dem Kantonsgebiet oder in dessen Nachbarschaft" verpflichtet. Die Baselbieter Regierung definiert den Begriff der Nachbarschaft aber sehr eng. So will sie nur gegen jene AKW-Projekte Stellung nehmen, die höchstens 20 Kilometer von der Kantonsgrenze entfernt sind. Beznau ist bei dieser Definition wenige Kilometer zu weit weg, um als "Nachbarschaft" zu gelten. Darum unternimmt Liestal in dieser Sache nichts. Die Regierung begründet diese 20-Kilometer-Regel mit der räumlich eng gesteckten Risikoabschätzung des Bundes. In Basel hält man das für einen Unsinn, wie die Stellungnahme der Regierung zeigt.  rock  > Seite 25

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Die Stadt kämpft, das Land schweigt

 Basel-Stadt wehrt sich gegen ein neues Atomkraftwerk, Baselland unternimmt gar nichts

 Michael Rockenbach

 Bei einem Unfall in einem AKW bestehe höchstens im Umkreis von 20 Kilometern eine Gefahr für die Bevölkerung, glaubt die Baselbieter Regierung. Darum wehrt sie sich nicht gegen ein Ersatz-AKW in Beznau. In Basel hält man solche Überlegungen für mehr als fragwürdig.

 "Atomkraft - nein Danke!" Das war gestern. Heute werden in der Schweiz in Beznau (AG), Gösgen (SO) und Mühleberg (BE) gleich drei neue AKW geplant. In Zugzwang geraten damit auch Basel-Stadt und Baselland. Gegen neue Atomanlagen "auf dem Kantonsgebiet oder in dessen Nachbarschaft" müssen sie sich zur Wehr setzen, wie es im Baselbiet Paragraf 115 der Verfassung vorschreibt. Einen sehr ähnlichen Passus gibt es auch in der Basler Verfassung und im Basler Atomschutzgesetz.

 Opposition

Trotzdem verhalten sich die Regierungen bereits bei der ersten Gelegenheit stark unterschiedlich. In der Vernehmlassung zu einem neuen AKW auf der Aareinsel Beznau stellt die Basler Regierung klar: "Aufgrund der verfassungsmässigen und gesetzlichen Vorgaben stellt sich unser Kanton grundsätzlich und eindeutig gegen den Bau neuer Kernkraftwerke und den Ersatz von Kernkraftwerken." Gegen ein Ersatz-AKW in Beznau werde sich Basel-Stadt mit allen "zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln" wehren.

 Die Baselbieter Regierung will dagegen nichts unternehmen. Denn sie legt die Verfassung so aus, dass es nur in der "unmittelbaren Nachbarschaft" keine neuen Kernkraftwerke geben soll, wie sich Baudirektor Jörg Krähenbühl (SVP) ausdrückt: "Und die Ausdehnung dieses Gebietes ist klar definiert - mit einem 20-Kilometer-Radius." Damit stützt sich die Baselbieter Regierung wie seit Längerem angekündigt auf die Risikoabschätzung des Bundes ab.

 Gemäss den Erläuterungen zur Bundesverordnung über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen besteht für die Bevölkerung, die über 20 Kilometer entfernt von einem AKW lebt, "keine wesentliche Gefährdung" - auch nicht nach einem schweren Unfall, bei dem eine radioaktive Wolke austreten würde. Demnach müssten sich die Baselbieter wegen des Projekts in Beznau keine Sorgen machen: Die Aareinsel ist rund 24 Kilometer von der Kantonsgrenze entfernt.

 In Basel hält man solche Überlegungen aber offenbar für Unsinn. "Die Ausmasse eines Unfalls in Beznau mit Freisetzung einer grösseren Menge an Radioaktivität wären derart gross und folgenschwer, dass die Region Basel und unser Kanton zweifelsohne betroffen wären", schreibt die Basler Regierung in ihrer Stellungnahme an das Aargauer Baudepartement weiter.

 Forderungen

Konkret befürchten die Basler "eine grossflächige Bestrahlung der Bevölkerung und der Umwelt, eine Kontamination des Trinkwassers etc.". So unterschiedlich wie die Risikoabschätzungen sind die daraus abgeleiteten Forderungen. Während die Basler Regierung auf die Förderung neuer Energien pocht, unterstützt man in Liestal die Strategie des Bundesrates zur Überbrückung der drohenden Energielücke. Die Landesregierung setzt nicht nur auf höhere Energieeffizienz, erneuerbare Energien und eine bessere Energieaussenpolitik, sondern auch auf den Bau neuer Grosskraftwerke im Inland, insbesondere auf AKW. Eine Strategie, die nach Ansicht von Krähenbühl im Einklang mit der Baselbieter Verfassung steht: "Der Paragraf 115 verpflichtet Kanton und Gemeinden auch zu einer Förderung einer sicheren, volkswirtschaftlich optimalen und umweltgerechten Versorgung mit Energie." Die "Frage nach der Versorgungssicherheit" müsse aber nicht vom Kanton, sondern auf Bundesebene geklärt werden.

 Anders die Basler Regierung. Beim wichtigen Entscheid über die Energieversorgung des Landes glaubt sie unbedingt mitreden zu müssen; mit der Forderung nach mehr erneuerbaren Energiequellen etwa. Das verlangen, so die Basler Regierung, die "klaren Vorgaben" der Verfassung, die vor allem "dem Schutz der Bevölkerung vor möglichen Gefahren dienen".

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 Jetzt geht die AKW-Debatte los

 Umstritten. Beim Bundesamt für Energie (BFE) liegen drei Rahmenbewilligungsgesuche für neue AKW vor. Eines der Alpiq für Gösgen, ein zweites der BKW für Mühleberg und ein drittes des Energiekonzerns Axpo und der Planungsgesellschaft Resun AG für Beznau. Der Bundesrat wird über die Gesuche frühestens Mitte 2012 entscheiden. Nach einer Annahme im Bundesrat würden die entsprechenden Gesuche dem Parlament vorgelegt. Eine allfällige Referendumsabstimmung findet frühestens Ende 2013 statt. Die planerischen Voraussetzungen für den Bau neuer AKW werden aber schon jetzt geschaffen. Auf der Aareinsel Beznau in der Gemeinde Döttingen ist für den Ersatz von Beznau I und Beznau II eine Anpassung des Richtplans nötig, über die schliesslich das Kantonsparlament entscheidet. Die Vernehmlassung ist vor wenigen Tagen abgelaufen, ausgewertet ist sie noch nicht. Offenbar hat sich aber nicht nur Basel-Stadt kritisch geäussert; im Aargauer Baudepartement ist von "kontroversen Reaktionen" die Rede. Geplant ist ein Leichtwasserreaktor mit einer Leistung von 1450 Megawatt (MW) ohne Flusswasserkühlung. Der Aargauer Regierungsrat setzt auf ein Kühlsystem ohne Dampffahne. Ähnlich weit ist man in Solothurn, wo das Richtplanverfahren für das AKW Gösgen II aktuell ist. Gegen dieses zusätzliche AKW müsste sich die Baselbieter Regierung eigentlich wehren, da es weniger als 20 Kilometer von der Kantonsgrenze entfernt ist. Ein Entscheid wurde in Liestal aber noch nicht gefällt.  rock

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Aargauer Zeitung 21.6.10

Ja zu Nagra-Station in Hägglingen

 Gemeinderat erteilt Bewilligung für Satelliten-Empfänger zur Bodenvermessung im Sandbühl

 Mit einem neuen Standort in Hägglingen erweitert die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) ihr Prä-zisionsmessnetz. Der Satellitenempfänger soll Daten über kleinste Bewegungen im Untergrund liefern.

 Fabian Hägler

 "Hägglingen ist kein potenzieller Standort für ein radioaktives Endlager", sagt Gemeindeschreiberin Fabienne Fischer. Dennoch hat die Baubewilligung für eine so genannte GNSS-Empfangsstation im Sandbühl einen Zusammenhang mit der Standortsuche der Nagra. "Im Hinblick auf die Langzeitsicherheit von zukünftigen geologischen Tiefenlagern können damit die Modelle zur Bewegung der Erdkruste überprüft werden", heisst es in einer Mitteilung der Genossenschaft.

 "Die Nagra-Experten führten eine Evaluation durch und hielten Hägglingen als Standort für geeignet", ergänzt Fischer.

 Bestehendes Netz wird ergänzt

 Mit ihrem Messnetz zeichnet die Nagra über Jahre hinweg kleinste Bewegungen im geologischen Untergrund der Nordschweiz auf. Die hochpräzisen Messungen erfolgen mithilfe von Navigationssatelliten (siehe Artikel links). Mit zehn neuen Stationen soll das bestehende Messnetz ergänzt werden, das vom Bundesamt für Landestopografie betrieben wird. Bei der Platzierung der neuen GNSS-Messstationen legte die Nagra den Fokus auf die im November 2009 vorgeschlagenen Standortgebiete für die Tiefenlagerung hochradioaktiver Abfälle.

 Die neue Station soll gemäss Nagra "für mehrere Jahrzehnte betrieben werden, mit dem Ziel, Bewegungen der Erdkruste von weniger als einem Millimeter pro Jahr zu bestimmen".

 Stationen strahlen nicht

 Die Messstationen sind laut der Nagra-Mitteilung "kompakt gestaltet und treten im Gelände nicht gross in Erscheinung". Sie sind im Gegensatz zu Mobilfunkantennen passiv, haben also nur eine Empfängerfunktion und senden keine Strahlung aus.

 Die Nagra begann im September 2009 mit der Evaluation von möglichen Standorten für die Messstationen. Dazu führten Fachleute Feldbegehungen vor Ort durch. Die lokalen Behörden wurden über alle Begehungen der Nagra vorgängig informiert.

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 Was heisst GNSS?

 Beim GNSS (Global Navigation Satellite System) handelt es sich um eine sehr präzise, weltweit eingesetzte Positionsbestimmung mithilfe von Satelliten. Die Genauigkeit der heutigen Navigationssysteme in Autos ist für die Bedürfnisse der Nagra nicht ausreichend. Um geologische Bewegungen im Bereich von weniger als einem Millimeter pro Jahr überhaupt feststellen zu können, müssen die Messstationen höchsten technischen Ansprüchen genügen. Zudem ist eine langfristige kontinuierliche Aufzeichnung der Satellitensignale erforderlich. Durch Kombination von hochpräziser Messtechnik und aufwendiger Berechnungs- und Auswerteverfahren wird die erforderliche Genauigkeit erreicht. Die US-Variante ist unter dem geläufigen Kürzel GPS (Global Positioning System) bekannt; die russische heisst Glonass. Zurzeit entsteht das europäische System namens Galileo. Aktuell kreisen rund 50 Navigationssatelliten um die Erde. (fh)

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Südostschweiz 20.6.10

Aves fordert zwei neue Atomkraftwerke

 Gestern tagte die Aktion für eine vernünftige Energiepolitik Schweiz (Aves) in Glarus. Sie verlangt den Bau zweier neuer Atomkraftwerke.

 Glarus. - Die beiden AKW seien zur Deckung der "absehbaren Stromlücke" nötig, so die Aves. Und sie fordert: "Die anstehenden politischen Entscheide dafür sind ohne weitere Verzögerungen anzugehen."

 Die Stromverknappung auf schweizerischer und europäischer Ebene sei in wenigen Jahren absehbar, schreibt die Aves zu einer am Samstag von den Delegierten in Glarus verabschiedeten Resolution. Deshalb müsse die Planung zweier neuer grosser AKW - als Ersatz für bestehende - zeitgerecht angepackt werden. So könne der bewährte CO2-freie Strommix der Schweiz aufrecht erhalten werden.

 "Keine Alternativen zu Atom"

 Die absehbare Stromlücke beziffert die Aves auf mindestens 3200 Megawatt. Zur Deckung kämen nur Atom- oder fossil-thermische Kraftwerke in Frage, da erneuerbare Energiequellen auf Jahre hinaus dazu nicht in der Lage seien.

 Fossil-thermische Kraftwerke würden aber viel Kohlendioxid (CO2) ausstossen, sodass die Atomkraft klar im Vorteil sei. In letzter Konsequenz bedeutet das gemäss Aves, dass mit dem Bau von zwei neuen Atomkraftwerken schnellstmöglich ernst gemacht wird. (sda)

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Aargauer Zeitung 19.6.10

"Ohne Entschädigung geht es nicht"

 Planungsverband Zurzibiet nimmt Stellung zum Ersatzkernkraftwerk Beznau

 Die Insel Beznau ist geeignet als Standort für ein neues Atomkraftwerk. So viel steht für den Planungsverband Zurzibiet fest. Genauso unbestritten ist: Die Region muss entschädigt werden.

 Michael Hunziker

 Zwar haben sich schon viele zum Ersatzkernkraftwerk Beznau vernehmen lassen. Aber: Von zentraler Bedeutung beim Richtplanverfahren sei die Haltung der Region, sagte Felix Binder, Präsident des Planungsverbandes Zurzibiet, an der Vorstandssitzung am Donnerstagabend in Gippingen. "Die Standortgemeinden, die angrenzenden Gemeinden sowie das Zurzibiet müssen zwingend für den Standort des Ersatzkernkraftwerks entschädigt werden", hielt Erwin Baumgartner, Gemeindeammann in Tegerfelden, fest. Oder anders gesagt: "Ohne Entschädigung geht es nicht." Gleichzeitig wies Baumgartner darauf hin, dass es rechtlich anspruchsvoll sei, eine sinnvolle Lösung zu finden.

 Die Arbeitsgruppe Energie wird sich sowohl mit dem Thema "Entschädigung" als auch mit dem Thema geologisches Tiefenlager" beschäftigen. Bei Letzterem hat das Zurzibiet laut Regionalplanerin Dunja Binggeli noch keinen Standpunkt eingenommen. Deshalb gelte das Augenmerk der Meinungsbildung.

 Clearingstelle umstritten

 Eine lebhafte Diskussion entwickelte sich zur Vernehmlassung "Pflegefinanzierung". Auseinander gingen die Meinungen bei der geplanten kantonalen Clearingstelle. Der Hintergrund: Die Restkosten der stationären Pflege sollen direkt vergütet und anschliessend der Wohnsitzgemeinde weiter verrechnet werden. Präsident Binder zeigte sich überzeugt davon, dass wegen der hohen Komplexität der Materie eine Clearingstelle erforderlich sei.

 Kurt Schmid, Gemeindeammann in Lengnau, hielt dagegen und äusserte grundsätzlich Kritik an der Teilrevision des Pflegegesetzes. Er erwähnte die finanziellen Auswirkungen auf die Gemeinden: "Wir stehen vor einem riesigen Kostenberg." Die Clearingstelle bezeichnete er als Moloch. Die Gemeinden hätten keinen Durchblick und keinen Einfluss mehr.

 Unmut wurde beim Thema "Gesundheitspolitische Gesamtplanung" laut. Die Vorstandsmitglieder waren der Ansicht, dass der Vernehmlassungstermin bis 9. Juli für das umfangreichen Dossier viel zu knapp bemessen sei. Entschieden wurde, eine Stellungnahme auszuarbeiten - "eine Verweigerung macht keinen Sinn" -, sich gleichzeitig aber auch für eine Verlängerung der Frist stark zu machen, denn: "Wir wollen eine seriöse Arbeit machen."

 Kein gemeinsamer Nenner

 Für Erstaunen, so führte Binder aus, hätten bei ihm die Ansichten zur Richtplananpassung "Anbindung Unteres Aaretal" gesorgt. Eine regional abgestimmte, gesamtheitliche Beurteilung sei nicht möglich. An einer Sitzung mit den Regionalplanungsverbänden Baden Regio, Brugg Regio, Rohrdorferberg-Reusstal sowie Zurzibiet habe kein gemeinsamer Nenner gefunden werden können. Beide Varianten - Baldeggtunnel sowie Petersbergtunnel - sind gemäss Planungsverband Zurzibiet als Zwischenergebnis in den Richtplan aufzunehmen.

 Kurz informiert wurde an der Vorstandssitzung im Weiteren über das Projekt "Vision Zurzibiet". Zur Erinnerung: Erarbeitet werden Ideen für die Ausrichtung und Entwicklung der Region. Laut Regionalplanerin Dunja Binggeli ist die Halbzeit erreicht. "Die Vision steht zu grossen Teilen." Im August sei ein "hochkarätig besetztes" Podium geplant, in der Folge werde die Steuergruppe ihre Stellungnahme abgeben. An einer Regionalkonferenz im November 2011 soll die Vision vorgestellt werden.

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 Schwaderloch dabei

 Einstimmiger Beschluss des Vorstandes: Die Gemeinde Schwaderloch wird als Vollmitglied in den Planungsverband Zurzibiet aufgenommen. Rückblick: Das Gesuch wurde im Juli 2009 eingereicht. Nach Besprechungen und Bereinigung der Differenzen versicherte der Gemeinderat Schwaderloch, sich zukünftig Richtung Zurzibiet ausrichten zu wollen. Dieses Bekenntnis führte dazu, dass die Gemeinden Leibstadt und Full-Reuenthal das Aufnahmegesuch unterstützten. Das letzte Wort haben die Stimmberechtigten in Schwaderloch. Sie werden an der Gemeindeversammlung über die Anlehnung ans Zurzibiet entscheiden. (mhu)

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Oltner Tagblatt 19.6.10

Kein zweites AKW

 Olten Städtische SP sagt Nein

 Die SP der Stadt Olten sagt Nein zu einem zweiten AKW in Gösgen. Sie wünsche sich für die Zukunft in der Region mehr Lebensqualität und Ökologie und weniger atomare Bedrohung, teilt die Partei in ihrem gestrigen Mediencommuniqué mit. "Dreissig Jahre viel zu nahe Nachbarschaft zum Atomkraftwerk Gösgen sind genug für die Stadt Olten", argumentiert die SP. Die ganze Region werde aufatmen, wenn das AKW in zwanzig Jahren altershalber ausser Betrieb genommen werde.

 Nach Überzeugung der SP gelte es jetzt zu verhindern, dass in Gösgen mit einem neuen AKW die veraltete und gefährliche Atomtechnologie um 60 Jahre fortgeführt werde. Die SP fordert den Stadtrat und die Regierung des Kantons Solothurn deshalb auf, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um einen neuen AKW-Neubau in Gösgen zu verhindern. "Dabei ist der SP bewusst, dass mit dem Oltner Energieunternehmen Alpiq einer der wichtigsten Arbeitgeber und Steuerzahler in Gösgen engagiert ist", so die Medienmitteilung. Die SP hoffe zuversichtlich darauf, dass Alpiq in Zukunft noch stärker als bisher schon zum Wohle der Allgemeinheit auf umweltfreundliche und erneuerbare Techniken der Stromgewinnung aus Wasser, Sonne und Wind setze", endet das Communiqué. (mgt/otr)