MEDIENSPIEGEL 24.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo)
- Reitschule bietet mehr: Heute im Stadtrat
- Police BE: zu wenig Präsenz wegen Sport
- Randstand Langenthal: Bürgertumschreck
- Flüchtlngs-Demo 24.6.: Max Göldi aus Nigeria
- Ausschaffungen: Sonderflüge mit ÄrztInnen; 2x ausgeschafft
- Sans-Papiers LU: Anlaufstelle
- Pfefferspray-Toter in BRD
- Police FR: augenauf-Beschwerde gegen Knast-Demo-Einsatz
- Police CH vs Grenzwachtkorps
- Narrenkraut: Legalize it!
- UNO-Drogenbericht
- 30 Jahre Züri brännt: Kontinuität
- Fussball: Alternative Frauenliga ZH; Honduras-Panini-Schock
- Big Brother Sport: Hardliner-Flop
- Anti-Atom: 2 AKWs zuviel für Kapitalmarkt?; BKW-Knatsch; Tiefenlager

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REITSCHULE
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Do 24.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

Fr 25.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar mit DJ Piccolina. Standard und lateinamerikanische Tänze und Disco
23.00 Uhr - Dachstock - Little Brother: Phonté, Big Pooh & 9th Wonder (USA), Hovatron (CAN), Cratekemistry Soundsystem (Kermit, L-Cut, Mr. Thrillin). Style: Hip Hop

Sa 26.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

So 27.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

So 27.06.10
11.00 Uhr - Frauenraum - Frauenchor der Reitschule singt, anschliessend Frühstückbuffet.

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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Bund 24.6.10

Bühne "Die Dällebach-Macher"

 Eine kritische Anmerkung

 Dällebach Kari wird demnächst zum Seebühnen-Star. Dass der Berner Coiffeur kaum zum Monument taugt, suggeriert ein "Musical zum Musical" im Tojo-Theater.

 Er steht bereits, der Zytglogge-Turm auf dem Thunersee. Und das Konterfei von Dällebach Kari prangt schon lange auf Einkaufstüten, Zeitungsseiten, Zuckerbeuteln. Die diesjährige Inszenierung der Thuner Seespiele, "Dällebach Kari - das Musical", die am 14. Juli Premiere feiert, gibt den beiden Theatermachern Pascal Nater und Michael Glatthard Gelegenheit, die zum Monumentalmusical aufgeblasene Geschichte des Berner Coiffeurs zu thematisieren. "Die Dällebach-Macher" ist zunächst ein Stück Dokumentartheater: Präsentiert werden die Ergebnisse einer Recherche über die Seespiele - darüber, wie beispielsweise Liedtexte von drei deutschen Textern verfasst werden, die zwei Berner Texter dann wieder zurück in die Mundart übersetzen. Oder warum Berndeutsch sprechende Darsteller in Berlin gecastet werden.

 Karis Geist

 Nater und Glatthard, die beide an der Berner Hochschule der Künste studiert haben (der eine Musik und Medienkunst, der andere Theater), lassen in ihrem "Musical zum Musical" die kritische Bestandesaufnahme in eine Fiktion münden, indem sie sich erträumen, wie es wäre, nicht für ein paar Dutzend Zuschauer im Tojo-Theater zu spielen, sondern ein Musical für Tausende auf die Bühne zu bringen. Eines, in dem Dällebach Karis Geist, notabene, keine unwesentliche Rolle spielt. (reg)

 Tojo-Theater Reitschule Premiere: Mittwoch, 30. Juni, 20.30 Uhr. Weitere Aufführungen: 1., 4. und 5. Juli.

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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 24.6.10

Heute im Berner Stadtrat

 Reitschul-Initiative, Jahresbericht und Stabe

 Der Stadtrat nimmt heute zur Initiative zum Verkauf der Reitschule Stellung. Der Gemeinderat empfiehlt ein Nein zum Volksbegehren. Zur Debatte steht auch der Jahresbericht 2009 samt Rechnung sowie ein Vorstoss, der verlangt, dass den Stadtbauten (Stabe) die Bauherrschaft über den Feuerwehrstützpunkt weggenommen wird. Wegen des Jahresberichts beginnt die Sitzung bereits um 15 Uhr. Die Reitschule-Initiative dürfte erst in den Sitzungen ab 17 bzw. 20.30 Uhr zur Sprache kommen. (bob)

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reitschule.ch 22.6.10

Aktionstag 24.6.10:

Am Do 24.6. wird im Berner Stadtrat über die Anti-Reitschule-Initiative debattiert. Das Komitee "Reitschule bietet mehr" wird deshalb am Nachmittag (ab 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr) mit Informationen, einer Ausstellung, kurzen Statements und Aktionen vor dem Rathaus präsent sein.

Um 16.30 Uhr Statements von
- Joy Matter
- Die Effalums
- Matto Kämpf
- Marguerite Meyer
- Michael Kaufmann
- Christine Lauterburg
- u.a.

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POLICE BE
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Bund 24.6.10

Polizeipräsenz: FDP wirft Stadt Wortbruch vor

 Die Polizeipräsenz in der Berner Innenstadt lag im letzten Jahr 1700 Stunden unter dem Soll. Ursache hierfür sind die Polizeieinsätze vor den Sportstadien.

 Bernhard Ott

 Für FDP-Politiker Philippe Müller ist der Fall klar: "Die Kantonspolizei muss 65 000 Stunden Polizeipräsenz in der Stadt Bern leisten." Dies sei im Ressourcenvertrag zwischen Kanton und Stadt so festgelegt. Gemäss Jahresbericht hat die Polizei im Jahr 2009 aber bloss 63 300 Stunden auf Patrouille verbracht. Diese Lücke sei auf die "enorm vielen Stunden" zurückzuführen, welche die Polizei vor den Fussballstadien zur Gewährleistung der Sicherheit bei Hochrisikospielen verbracht habe. "Diese zusätzlich geleisteten Stunden gingen zulasten der ordentlichen Präsenz in der Stadt Bern", hält der Jahresbericht dazu fest. Auch der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) hat jüngst im Grossen Rat bestätigt, dass die Mehrkosten für die Einsätze vor den Stadien kompensiert und zu weniger Polizeipräsenz in der Stadt führen würden. Müller sieht darin eine "Missachtung des Volkswillens". Schliesslich habe die Stadt Bern im März dem Gegenvorschlag zur Initiative für eine Erhöhung der Polizeipräsenz zugestimmt. Dieser sieht eine schrittweise Erhöhung der Präsenz von heute 65 000 auf 85 000 Stunden ab 2013 vor. Zudem habe der Gemeinderat stets beteuert, dass Einsätze bei Grossanlässen für die Stadt unentgeltlich seien. "Es kann nicht sein, dass die Sicherheit in der Stadt Bern vom Tabellenstand von YB und der damit zusammenhängenden Anzahl von Hochrisikospielen abhängt", sagt Müller.

 "Auf die Dauer nicht akzeptabel"

 "Es hat eine Verlagerung der Polizeipräsenz gegeben", sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Mit der Umsetzung des Gegenvorschlags zur Polizei-Initiative habe dies jedoch nichts zu tun. "Müller tut so, als ob wir den Gegenvorschlag bereits 2009 hätten umsetzen sollen." Die Rekrutierung der neuen Polizeikräfte, mit denen die 20 000 Stunden zusätzlicher Präsenz ab 2013 gewährleistet werden sollen, sei im Gang. Wie in den Abstimmungsunterlagen kommuniziert, zahle die Stadt hierfür 2,2 Millionen Franken, was auch in einer Zusatzvereinbarung zum Ressourcenvertrag festgehalten werde. "Die 20 000 zusätzlichen Stunden sollen nicht vor dem Stadion, sondern in der Innenstadt verbracht werden", versichert Nause.

 Eine Verlagerung der Polizeipräsenz von der Innenstadt zu den Stadien will Nause auf die Dauer aber nicht akzeptieren. "Wir müssen die Einsatzstunden vor den Stadien senken." Zu diesem Zweck hätten die Stadt und die Klubs ja Sicherheitsbestimmungen vereinbart. "Wenn diese Vereinbarungen nicht greifen, müssen die Klubs halt mehr zahlen." Die Stadt und YB seien zurzeit in Gesprächen über eine Abgeltung für den temporären Sicherheitszaun, der nach den Spielen jeweils zum Einsatz komme. Zudem zeichne es sich ab, dass der Fussballverband künftig auf die Durchführung von Finalissima-Spielen verzichte. Allein bei der Finalissima YB - Basel seien 600 Polizisten im Einsatz gestanden, sagt Nause.

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RANDSTAND LANGENTHAL
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BZ 24.6.10

Langenthal

 Angst vor Drogenszene

 Bis im Herbst nächsten Jahres wird der Langenthaler Wuhrplatz umgestaltet. Der wichtigste Platz der Stadt soll zu einer attraktiven "Begegnungszone für alle" werden.

 Wirklich für alle? Direkt neben dem Platz an der Langete treffen sich die Randständigen. Und die passen nicht ins Bild, das sich Langenthal mit dem neuen Wuhrplatz geben will. Kommt hinzu, dass neben dem Alki-Treff wieder eine echte Drogenszene entstanden ist. Und wo harte Drogen konsumiert würden, da werde auch gedealt, sagt der städtische Sicherheitschef Andreas Ryf. Eine Expertengruppe soll jetzt Massnahmen vorschlagen, damit der neue Wuhrplatz nicht wieder zum Langenthaler "Letten" wird.
 khl/sae

 Seite 19

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Umbau Wuhrplatz Langenthal

 Müssen die Randständigen weichen?

 Im Herbst 2011 wird der umgestaltete Wuhrplatz eingeweiht. Ein Begegnungsplatz für alle. Oder doch nicht? Direkt neben dem Platz an der Langete treffen sich die Randständigen. Mit der Szene will die Stadt jetzt "arbeiten".

 Ein Markenzeichen Langenthals soll der Wuhrplatz werden. Bis im Herbst 2011 wird der heute wenig einladende Parkplatz zum attraktiven Begegnungsplatz umgestaltet (wir berichteten). 3,1 Millionen Franken lässt sich die Stadt das Projekt kosten. Schon vor Beginn der eigentlichen Bauarbeiten stellt sich jetzt aber die Frage: Was wird aus den Randständigen, die sich direkt neben dem Wuhrplatz am Ufer der Langete längst ihren eigenen kleinen Begegnungsplatz geschaffen haben?

 Szene im Wandel

 "Mit dieser Szene werden wir jetzt arbeiten", sagt Stadtschreiber Daniel Steiner. Denn spätestens mit der Einweihung des neuen Wuhrplatzes dürften die Randständigen auch die Politik beschäftigen. Schliesslich will sich die Stadt mit dem Platz von ihrer allerbesten Seite zeigen. Alkoholiker und Drogenabhängige sind da weniger erwünscht. Eine Arbeitsgruppe soll sich deshalb nun mit der Problematik der Randständigen befassen.

 Der neue Wuhrplatz sei nicht der Auslöser, erklärt Gemeinderat Rolf Baer (FDP), zuständig für die öffentliche Sicherheit. Handlungsbedarf bestehe schon länger. Denn die Szene - "lange war es eine Gruppe friedlicher Leute" - habe sich verändert. Immer mehr Auswärtige kämen an den Treffpunkt am Langete-Ufer, das Konfliktpotenzial sei dadurch gewachsen. Auch der Drogenhandel habe zugenommen ( Text rechts). Dagegen müsse nun etwas unternommen werden. Mit der Einweihung des Platzes soll deshalb auch in einem Konzept festgehalten sein, was im Zusammenhang mit dem Szenetreff am Langete-Ufer zu tun ist.

 Baer: "Keine Vertreibung"

 Es gehe nicht darum, die Randständigen zu vertreiben, sagt Gemeinderat Baer. "Das würde das Problem nicht lösen." Die Arbeitsgruppe, der nebst Baer und Sozial-Gemeinderat Reto Müller (SP) auch Vertreter der Jugendarbeit, der Kantonspolizei und aus dem Sozialbereich angehören, soll vielmehr Lösungen finden, damit die Szene kontrollierbarer wird. "Um einige repressive Massnahmen werden wir nicht herumkommen", sagt Baer. "Es gibt aber sicher keine Patentlösung", sondern es müssten verschiedene einzelne Massnahmen geprüft werden - auch im Rahmen des Sicherheitskonzepts, das ebenfalls bis im Herbst 2011 stehen soll.

 Farbe bekennen

 Für Diskussionen dürfte im Politherbst 2011 also gesorgt sein, wenn die ersten Ideen umgesetzt - und finanziert werden sollen. "Da werden die Politiker Farbe bekennen müssen", sagt der Gemeinderat. Denn für manche würden die Randständigen im Stadtzentrum ein Problem darstellen. "Sie sind aber Teil der heutigen Gesellschaft und als ‹Szene› so auch Merkmal des städtischen Bildes", findet Rolf Baer. Nun müsse diskutiert werden, wie damit umzugehen sei - und entsprechend gehandelt werden.
 
Kathrin Holzer

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"Es werden wieder harte Drogen konsumiert"

 Früher sei das Pärkli an der Langete ein reiner Alkitreff gewesen, sagt Sicherheitschef Andreas Ryf. Das habe sich aber geändert.

 Die Szene im Pärkli am Langete-Ufer werde grösser. Dies sagt Andreas Ryf, Amtsvorsteher öffentliche Sicherheit. Für die Behörden würden sich daraus mehrere Probleme ergeben. "Vor wenigen Jahren war das eine reine Alkiszene, es wurden vielleicht noch weiche Drogen konsumiert", erklärt Ryf. In den letzten zwei Jahren habe sich daneben aber eine zweite Szene aufgebaut, nun würden plötzlich auch wieder harte Drogen konsumiert am Langete-Ufer. "Und wo Konsum ist, wird auch gedealt", sagt Ryf, das zeigten Polizeikontrollen. Vor allem mit Kokain, wegen der tiefen Preise vermehrt auch mit Heroin. Die Polizei führe deswegen bereits heute häufig Razzien durch. "Allein mit Repression wird man aber kaum zum Ziel kommen", ist der Sicherheitschef überzeugt. "Es braucht auch Alternativen."

 Allerdings, so Sicherheitschef Andreas Ryf, sei es heute für die Kantonspolizisten schwieriger geworden, die Szene im Auge zu behalten. Die früheren Stadtpolizisten hätten die meisten der Randständigen gekannt und neue Leute einzeln kontrolliert. Nun müsse man vermehrt alle kontrollieren.
 khl

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FLÜCHTLINGS-DEMO
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WoZ 24.6.10

Asylpolitik - Dank Muammar Gaddafi hat die Schweiz weniger Asylsuchende. Wie kaum ein anderes Land profitiert die Schweiz von der Festung Europa.

 Max Göldi aus Nigeria

 Von Susan Boos

 Hans Rudolf Merz hat getan, was kleine Männer gerne tun: sich gefallen. Seine grossspurige Libyen-Aktion ging dann zwar daneben, blöd gelaufen. Jetzt fragt sich nur noch: Hat er vor seiner Libyen-Reise schon gewusst, dass der Nachrichtendienst über eine Befreiungsaktion der sogenannten Geiseln nachdachte? Selbst FDP-Fraktionschefin Gabi Huber, die immer als Merz' Kindermädchen agiert, meinte kleinlaut: Merz allein wisse, was er gewusst habe.

 Vermutlich hat er es gewusst, wollte aber allen beweisen, dass er besser ist als jeder Geheimdienst, und sah sich schon in Lorbeeren baden. Wäre logisch, der Mann tickt so. Wozu also die Aufregung? Max Göldi ist wohlbehalten wieder da. Das freut einen für ihn. Doch ein winziges Aber bleibt - auch wenn man es fast nicht sagen darf: Göldi hatte gewusst, dass er kein Arbeitsvisum besass, als er in Libyen für den Technologiekonzern ABB tätig war.

 Hierzulande ist dies allerdings mit dem Gefühl verknüpft, es sei okay, das zu tun. Nur, was wäre, wenn Max Göldi ein Arbeiter aus Nigeria wäre und sich ohne korrekte Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufgehalten hätte?

 Er wäre zwar kaum im Auftrag einer nigerianischen Firma hier, sondern würde versuchen, als Flüchtling Unterschlupf zu finden. Man hätte ihm freundlich gesagt, er sei kein richtiger Flüchtling, er solle das Land verlassen. Er hätte gesagt, das könne er nicht, weil er in seinem Land verfolgt werde. Man hätte ihm gesagt, er solle jetzt gehen. Er wäre nicht gegangen. Und dann hätte man ihn eingesperrt. Bis zu zwei Jahre hätte das dauern können, obwohl er nichts getan hat, als hier zu sein.

 Schweiz profitiert kräftig

 Künftig müsste er höchstens eineinhalb Jahre im Gefängnis sitzen, nicht mehr zwei. Das Parlament hat in dieser Sommersession die Ausschaffungshaft verkürzt - nicht freiwillig, denn die lange Ausschaffungshaft verstiess gegen die EU-Richtlinien, die nur achtzehn Monate zulassen.

 Im Übrigen profitiert die Schweiz kräftig von der Festung, die die EU gebaut hat. Der "Migrationsbericht 2009", der Anfang Woche erschienen ist, liefert dazu einige Daten. Europaweit haben im vergangenen Jahr 283 000 Menschen einen Asylantrag gestellt. Südafrika, als Gastgeber der Fussball-WM zurzeit omnipräsent, kann mit 220 000 Asylanträgen durchaus mithalten - vier Fünftel aller Flüchtlinge werden von Entwicklungs- und Schwellenländern aufgenommen, nicht vom reichen Norden, aber das steht nicht im Migrationsbericht. Was hingegen drinsteht: In der Schweiz haben 16 000 Personen einen Asylantrag gestellt. Fast 4600 Menschen konnten gleich in ein EU-Land zurückgeschoben werden, weil sie von dort eingereist waren - womit laut Dub liner Abkommen das betreffende Land für diese Personen zuständig ist. Gäbig für die Schweiz. Im gleichen Zeitraum musste die Schweiz nur 452 Personen von anderen EU-Staaten übernehmen.

 Die Schweiz sitzt ja praktischerweise mitten in Europa, weshalb es dank der Abkommen von Schengen und Dublin immer weniger Menschen gelingt, hier Asyl zu beantragen. Bislang war das eine Behauptung. Die Statistik zeigt nun, dass es stimmt: In den EU-Ländern stieg die Zahl der neuen Asylanträge um durchschnittlich zwei Prozent, in Dänemark gar um fünfzig Prozent. In der Schweiz aber sind sie um zwei Prozent gesunken - nur Griechenland, Italien und Spanien sind noch abweisender. Dazu steht im Migrationsbericht: "Mit der faktischen Schliessung der Route über das zentrale Mittelmeer von Libyen via Lampedusa nach Italien wurde einer der wichtigsten Migrationswege in Richtung Schweiz unterbrochen." Muammar al-Gaddafi sei Dank.

 Max Göldi könnte heftige Geschichten erzählen, falls es ihn eben nicht als ABB-Angestellten, sondern als Flüchtling nach Libyen verschlagen hätten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat im letzten Jahr Dutzende von Flüchtlingen interviewt, die in Libyen gestrandet waren. Ihre Geschichten sind grauenvoll. Wer erwischt wird, kommt ins Gefängnis, wird verprügelt, manchmal mit Elektroschocks traktiert, es gibt überfüllte Zellen, kein Wasser, kaum zu essen, kein Klo, keine medizinische Versorgung. Die Wärter arbeiten mit Schleppern zusammen und kassieren ab.

 So geht das in Libyen

 Einer der Flüchtlinge erzählte: "Einige wurden von den Polizisten in der Wüste ausgesetzt. Manchmal fuhren sie ihnen noch mit dem Wagen über die Beine und liessen sie einfach liegen." Ihn selbst verkaufte ein Gefängniswärter zusammen mit anderen Flüchtlingen an einen libyschen Schlepper, der verlangte, ihre Familien müssten 200 Dollar schicken, damit sie rauskämen. Es sei einfach zu viel gewesen, berichtete er: "Für manche war es der vierte oder fünfte Versuch, nach Europa zu kommen. Manche verloren die Hoffnung. Ich hörte, dass sich einige selbst umgebracht haben."

 So geht das in Libyen. Aber das war in Ordnung, solange das Geschäft rund lief: Noch 2008 importierte die Schweiz aus keinem anderen afrikanischen Land so viel wie aus Libyen (insbesondere Erdöl) - auch der Export gedieh. Bis dann die Geschichte mit Gaddafi junior in Genf passierte und man plötzlich merkte, wie unfreundlich Diktaturen sein können.

 Zurück zum Migrationsbericht. Im letzten Jahr hat das Bundesamt für Migration 17 326 Asylgesuche behandelt. 2600 Gesuche wurden gutgeheissen, das heisst, 16,3 Prozent der Asylsuchenden wurden als Flüchtlinge anerkannt. Alle andern sollten eben wie Max Göldi aus Nigeria die Schweiz verlassen. Fast 4000 von ihnen wurden im letzten Jahr in Ausschaffungshaft gesetzt. 300 wurden am Ende zwangsweise ausgeschafft. Das klingt harmlos, in der Realität heisst es aber: Sie werden gefesselt mit einem Sonderflugzeug irgendwohin verfrachtet, manche von ihnen überleben dieses Prozedere nicht - wie zum Beispiel Joseph Ndukaku Chiakwa, der am 17. März 2010 an der Ausschaffung gestorben ist (vgl. Seite 3).

 Gäbe es doch nur für alle, die irgendwo rechtlos festsitzen, so viel Medienaufmerksamkeit wie für Max Göldi. Wäre schön, er ginge am nächsten Samstag an die grosse Flüchtlingsdemo "Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich" - weiss er doch, was es heisst, in prekärer Ungewissheit zu überleben.

 "Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich": Grosse Flüchtlingsdemo in Bern, Waisenhausplatz, Samstag, 26.   Juni, Beginn 14.30 Uhr. http://www.sosf.ch

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AUSSCHAFFUNGEN
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WoZ 24.6.10

Tod bei Ausschaffung - Das Bundesamt für Migration beginnt demnächst wieder mit Ausschaffungsflügen. Neu sollen immer ÄrztInnen mit an Bord sein. Das sorgt für Fragen und Kritik bei ÄrztInnen und Menschenrechtsgruppen.

 "Ein dreckiger Job"

 Von Carlos Hanimann

 Alard du Bois-Reymond hatte sich seinen ersten Ausschaffungsflug sicher anders vorgestellt. Der Direktor des Bundesamtes für Migration (BFM) wollte sich in Zürich ein Bild von den Ausschaffungen machen. Aber als er am Abend des 17. März auf den Abflug des Charters nach Lagos wartete, kam es zur Tragödie: Der 29-jährige Ausschaffungshäftling Joseph Ndukaku Chiakwa starb auf dem Flughafengelände. Das Flugzeug hob nie ab. Die anderen fünfzehn Auszuschaffenden wurden in das Flughafengefängnis zurückgebracht. Das BFM stoppte vorerst alle Ausschaffungsflüge. Mittlerweile hat es den Stopp aufgehoben und will die umstrittenen Flüge wieder aufnehmen.

 Beim gestoppten Flug nach Lagos handelte es sich um eine sogenannte Ausschaffung auf Level 4. Auszuschaffende, die nicht freiwillig in ihr Herkunftsland reisen, werden zwangsweise zurückgebracht (vgl. Text "Wie wird ausgeschafft?"). Dabei fesselt die Polizei die Häftlinge an Händen, Füssen, Knien und Armen, bindet sie auf Rollstühle und setzt ihnen einen "Sparringpartnerhelm" auf - laut Zürcher Regierungsrat "zum Schutz vor Selbstverletzungen". Seit 2006 organisierte die Kantonspolizei Zürich 111 solcher Sonderflüge mit insgesamt 1282 Auszuschaffenden. Zwei mussten seither abgebrochen werden. Der letzte am Mittwoch, dem 17. März 2010.

 Gefesselt und geknebelt

 Der Tod des 29-jährigen Nigerianers ist nicht der erste bei einer Ausschaffung. Im Jahr 2001 starb der Nigerianer Samson Chukwu, als ihn eine Walliser Anti-Terror-Einheit für die Ausschaffung überwältigte und fesselte. Zwei Jahre zuvor war der Palästinenser Khaled Abuzarifa auf dem Weg zum Flugzeug erstickt, weil er, gefesselt auf einem Rollstuhl, mit einem Klebeband geknebelt worden war.

 Jedes Mal mussten die Behörden das Ausschaffungsprozedere anpassen. So auch diesen Frühling. Anlass dazu hatte ein Zwischenfall im November 2009 in Lagos gegeben. "Die Leute im Flugzeug konnten ihre Fesseln lösen, und es kam zu einer Meuterei", sagt Urs von Arb, Chef der Abteilung Rückkehr beim Bundesamt für Migration. Die Polizisten verliessen das Flugzeug, die Ausschaffungshäftlinge weigerten sich, es zu verlassen. Erst mithilfe der nigerianischen Polizei konnten sie schliesslich zum Aussteigen bewogen werden.

 Daraufhin erarbeitete das BFM gemeinsam mit der Polizeidirektorenkonferenz einen Massnahmenkatalog mit 26 Punkten. Inhalt waren vor allem polizeitaktische und technische Massnahmen: neue Kommunikationsmittel, aber auch ein spezielles Interventionsteam, das im Notfall eingreifen kann.

 Am 17. März hätten die Neuerungen erstmals angewendet werden sollen. BFM-Direktor du Bois-Reymond wollte sich das alles ansehen. Aber dieses Mal entstand das Problem nicht bei der Landung, sondern bereits vor dem Abflug.

 Warum starb Joseph Ndukaku Chiak wa  an jenem Abend auf dem Zürcher Flughafen? Chiakwa befand sich zum Zeitpunkt seiner Ausschaffung bereits mehrere Tage in einem Hungerstreik. War er geschwächt? Starb er an den Folgen der äusserst brutalen Zwangsausschaffung? Oder hat sich das Begleitpersonal falsch verhalten?

 Drei Monate nach dem Todesfall sind diese Fragen noch immer offen. Das rechtsmedizinische Gutachten, das den Ursachen auf den Grund gehen soll, wurde letzte Woche fertiggestellt und liegt derzeit bei der Zürcher Staatsanwaltschaft. Sie will die Öffentlichkeit demnächst informieren.

 "Handlanger der Polizei"

 Der Tod von Joseph Ndukaku Chiak wa hat die Behörden nun erneut gezwungen, ihre Ausschaffungspraxis zu überdenken. Zwei Neuerungen hat das BFM geplant: Künftig ist auf allen Ausschaffungsflügen ausserhalb Europas immer ein Arzt und ein Sanitäter anwesend. Und die Krankengeschichten der Häftlinge werden vorgängig an die Ärzt Innen übermittelt, die den Flug begleiten. "Bisher flogen Ärzte nur bei Bedarf mit", sagt Urs von Arb vom BFM. "Etwa bei Risikoflügen nach Nigeria oder wenn jemand mit medizinischen Problemen an Bord war. In Zukunft soll in jedem Fall ein Arzt dabei sein, um das Risiko eines Todesfalls zu minimieren."

 Die beschlossenen Massnahmen stossen allerdings auf Kritik - und werfen neue Fragen auf.

 Die Menschenrechtsgruppe Augenauf hält die Massnahmen "für eine Farce".  Und Denise Graf von Amnesty International bezeichnet sie als "absolut ungenügend". Für sie reicht die Anwesenheit eines Arztes nicht: "Es braucht eine unabhängige Beobachtung. Es geht nicht nur darum, das Risiko eines Todesfalls auszuschliessen, sondern auch um eine menschenwürdige Behandlung."

 Walter Angst von Augenauf hat noch eine weitere Befürchtung: "Neu soll auch eine Eingreiftruppe an Bord sein, das bedeutet noch mehr Polizei auf diesen Flügen. Die Brutalität der Ausschaffungen wird damit verstärkt."  Angst sieht in den anwesenden Ärzt Innen ein Feigenblatt. "Sie werden zu Handlangern der Polizei, die ihren Kopf hinhalten müssen, wenn auf den Ausschaffungsflügen etwas passiert." Beängstigend sei dies aber vor allem für die Betroffenen. "Bei Level-4-Ausschaffungen werden die Würde und die persönliche Integrität der Flüchtlinge systematisch verletzt. Sie sollen die Flüchtlinge einschüchtern und abschrecken." Augenauf fordert deshalb, dass auf die Wiederaufnahme der Charterflüge verzichtet wird. "Solche Ausschaffungen sind menschenverachtend, für die betroffenen Flüchtlinge traumatisierend und für die Personen, die sie ausführen, eine nicht zumutbare Belastung."

 Der Arzt Jean-Pierre Restellini kann die Bedenken verstehen. Restellini arbeitete selber zehn Jahre lang als Gefängnisarzt und präsidierte eine Kommission der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW), die 2002 ethische Richtlinien für Ärzte von inhaftierten Personen ausarbeitete. Er weiss, dass es sich hierbei um eine äusserst heikle Angelegenheit handelt. "Es gibt einen sehr starken Druck auf den Arzt, der einen solchen Flug begleitet. Die Polizei verrichtet ihre Arbeit und versucht natürlich auch, den Arzt für ihre Zwecke zu benützen. Dabei kann es sein, dass der Arzt dazu gedrängt wird, gegen ethische Grundregeln zu verstossen."

 Ein Arzt, sagt Restellini, dürfe sich auf keinen Fall instrumentalisieren lassen. "Die entscheidende Frage ist: Wer sind diese Ärzte?" In jedem Fall müssten sie gecoacht werden und eine entsprechende Ausbildung geniessen: "Es braucht vor jedem Flug ein Briefing: Was ist die Aufgabe des Arztes - und was nicht?"

 Der Arzt Cyrill Jeger reagiert mit Unverständnis auf die neuen Massnahmen. Jeger ist Präsident von Consano, einer Vereinigung für faire und soziale Medizin in der Schweiz. Auch er fragt sich, wer diese Flüge begleiten soll: "Das ist eine ethisch höchst brisante Tätigkeit. Ich würde mich nie dazu bereit erklären."

 Ohne ÄrztInnen noch schlimmer?

 Das Bundesamt für Migration kann derzeit noch keine Angaben dazu machen: "Wir sind noch am Aufbau eines Pools von Ärzten, die infrage kommen", sagt Urs von Arb. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, die Ärzte dienten als Feigenblatt. "Deshalb müssen die Ärzte ja auch die Krankengeschichte der Patienten kennen. Wir wollen nicht, dass der Arzt im Flugzeug die Verantwortung für einen Patienten trägt, dessen Geschichte er nicht kennt."

 Für Restellini ist die Kenntnis der Krankengeschichte eine Bedingung, sonst sei die Aufgabe für einen Arzt "inakzeptabel". "Wenn sich beispielsweise jemand schon über eine Woche im Hungerstreik befindet, er schockartig gefesselt wird und einen Helm aufgesetzt bekommt, dann kann das tödlich sein."

 Darf ein Arzt überhaupt an solchen Flügen teilnehmen? Darf ein Arzt bei massiven Eingriffen in die Grundrechte eines Patienten zusehen? Für Jean- Pierre Restellini eine grundsätzliche philosophische Frage, die er bejaht. "Wenn keine Ärzte mitflögen, wäre die Situation noch schlimmer."

 Künftig dürften die ethischen Richtlinien der SAMW als Grundlage für die Arbeit der ÄrztInnen dienen. Auch die Ärztevereinigung FMH verweist auf diese Direktiven. Darin wird geregelt, wie sich ein Arzt bei polizeilichen Zwangsmassnahmen zu verhalten hat und wann er seine Mitwirkung verweigern kann.

 "Aber zwischen Theorie und Praxis gibt es einen grossen Unterschied", sagt Jean-Pierre Restellini. "Das ist ein dreckiger Job. Nur ist er für die Polizisten Teil der Arbeit, nicht aber unbedingt für die Ärzte." Für Restellini gibt es bei Ausschaffungsflügen keine klare Unterscheidung zwischen der polizeilichen und der ärztlichen Arbeit: "Es gibt immer unkontrollierbare Überschneidungen. Und genau darin liegt die Gefahr."

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 Wie wird ausgeschafft?

 Nach dem Todesfall im März stehen die Zwangsausschaffungen einmal mehr in der Kritik. Menschenrechtsgruppen kritisieren diese Praxis seit Jahren heftig, auch weil die Ausschaffungen bereits mehrere Todesopfer gefordert haben. Am Erscheinungstag dieser WOZ will die Menschenrechtsgruppe Augenauf an einer Medienkonferenz über die prekären Bedingungen orientieren, die während der Ausschaffungen herrschen.

 Bei Ausschaffungen unterscheidet man grundsätzlich vier Stufen: Wenn abgewiesene AsylbewerberInnen nicht freiwillig in ihre Herkunftsländer zurückkehren, werden sie unter Zwang ausgeschafft. PolizistInnen begleiten die Flüchtlinge auf ein gewöhnliches Linienflugzeug. Die Rückreise erfolgt ohne Fesselung und ohne Polizeibegleitung (Level 1). Ist das nicht möglich, wird die Person in Handschellen und von zwei Polizisten begleitet in einem Linienflugzeug zurückgeflogen (Level 2). Auf Level 3 werden die Personen an Händen, Füssen, Knien und Oberarmen gefesselt und von Polizisten begleitet in einem Linienflugzeug (hinter einem Vorhang) ausgeflogen. Weil sich gewöhnliche Passagiere daran störten, sind Ausschaffungen auf Level 3 nur noch selten. Die schärfste Stufe ist die sogenannte Level-4-Ausschaffung. Das Bundesamt für Migration organisiert einen Sonderflug, die Auszuschaffenden werden gefesselt vom Ausschaffungsgefängnis am Flughafen auf die Chartermaschinen gebracht. Im Flugzeug werden sie von Polizisten begleitet. Ihre Fesselung wird unter Umständen während des Fluges gelöst.

 Letztes Jahr waren von den insgesamt 5886 Ausschaffungen über Zürich 292 Fälle auf Level 4, also rund fünf Prozent. In der Theorie dürfen abgewiesene Asylsuchende erst auf Level 4 ausgeschafft werden, wenn die Level 1 und 2 gescheitert sind. Die Praxis sieht freilich etwas anders aus: Ausschaffungshäftlinge werden aufgefordert, selbständig zurückzukehren. Weigern sie sich, gelten sie bei der Polizei als "renitent" und werden sofort auf Level 4 ausgeschafft. Mittlerweile finden die Charterflüge auch im gesamteuropäischen Verbund statt, das heisst Ausschaffungshäftlinge werden in verschiedenen Ländern eingesammelt und gemeinsam zurückgeflogen. ch

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St. Galler Tagblatt 24.6.10

Zweimal ausgeschafft

 Das Dublin-Abkommen vereinfacht in der Regel die Verfahren im Asylwesen. Doch es gibt auch die Ausnahme von der Regel, wie das Beispiel der Familie T. aus Armenien zeigt.

 KATHARINA RUTZ

 ST. GALLEN. "Es ist ein verrückter Fall", sagt Tilla Jacomet, die Leiterin der Heks-Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende St. Gallen/Appenzell. Im Juni 2009 reist Frau T. mit ihren zwei Kindern aus Armenien mit dem Flugzeug via Minsk nach Warschau. Dort verbringt sie sechs Tage im Flughafen. Von Polen aus kommt sie mit einem Schlepper illegal in die Schweiz. Unterwegs seien die Ausweispapiere abhanden gekommen, sagt Frau T. In der Schweiz hat die Armenierin eine Tante, deshalb kommt sie hierher und stellt ein Asylgesuch. Sie begründet es damit, dass sie in ihrem Heimatland verfolgt worden sei, nachdem sie an Demonstrationen teilgenommen habe. Auch die Gesundheit ihrer Kinder sei ein Grund: Die Tochter leidet an einer Erbkrankheit, und der Sohn hat eine Nierenoperation hinter sich. Frau T. lebt im Zentrum für Asylsuchende Neckermühle in der Gemeinde Neckertal und lässt sich von der Heks-Rechtsberatungsstelle beraten.

Ausschaffung innert Stunden

 "Mittels Fax wurden wir vom Bundesamt für Migration im November 2009 informiert, dass die Familie nur wenige Stunden später nach Polen ausgeschafft werden soll", erinnert sich Tilla Jacomet. Die Rechtsberatungsstelle legte daraufhin Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Bern ein.

 "Die von der Mutter angegebenen Gründe hätten wohl auch hier nicht für einen positiven Asylentscheid gereicht, doch hätte die Schweiz aus humanitären Gründen die Zuständigkeit übernehmen können, und zwar aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes der Kinder und der in der Schweiz lebenden Verwandten der Familie", sagt die Stellenleiterin. Dies hätte entweder zu einer vorläufigen Aufnahme in der Schweiz oder zumindest zu einer menschlicheren Ausschaffung direkt in das Heimatland Armenien geführt, ist sie überzeugt.

 Flugzeugtüren bereits zu

 Das Bundesverwaltungsgericht verfügte die Rücküberstellung nach Polen denn auch superprovisorisch. Doch es war zu spät - die Türen des Flugzeugs, in dem die Familie sass, waren bereits geschlossen. In Polen stand die Familie erst einmal auf der Strasse, ohne ein Wort der Landessprache zu verstehen. Eines der Kinder musste schliesslich als medizinischer Notfall ins Spital eingeliefert werden.

 Diese Erlebnisse traumatisierten die Mutter dermassen, dass sie später einen Suizid versuchte. Doch erst einmal entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass der Familie die Rückreise in die Schweiz zu ermöglichen sei. Die Begründung: Das Bundesamt für Migration habe der gesundheitlichen Situation der Kinder - obwohl darüber informiert - zu wenig Beachtung geschenkt und nicht abgeklärt, ob eine medizinische Versorgung der Kinder in Polen gewährleistet sei.

 Die Familie kam also zurück in die Schweiz. Aus Furcht vor einer erneuten Ausschaffung nach Polen liess Frau T. eine Tochter untertauchen, versuchte erneut einen Suizid und musste in psychiatrische Behandlung. "Sie hat mit allen Mitteln gegen die Ausschaffung nach Polen gekämpft", sagt Tilla Jacomet. Das Bundesamt für Migration beurteilte den Fall der armenischen Familie erneut, dieses Mal eingehender. Dennoch wurde erneut die Ausschaffung angeordnet, und das Ausländeramt St. Gallen vollzog diese im Mai, diesmal ohne die Heks-Rechtsberatungsstelle zu informieren.

 Wiedererwägung noch im Gang

 Über das von der Rechtsberatungsstelle gestellte Gesuch um Wiedererwägung aufgrund des Kindswohls war zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Zu dem vom Heks vorgeschlagenen sogenannten "sanften" Vollzug, der Ausreise der Familie nach Polen ohne Polizei, jedoch mit einer freiwilligen Begleitung, kam es nicht mehr. Dies, obwohl sich eine Pfarrerin in der Region bereit erklärt hatte, die Familie zu begleiten.

 Wo sich die Familie T. zurzeit befindet oder wie es ihr geht, weiss Tilla Jacomet nicht. "Natürlich ist der Entscheid des Bundesamts für Migration gesetzlich richtig. Mit der Übernahme der Zuständigkeit durch die Schweiz wäre aber selbst bei einem negativen Asylentscheid eine Rückführung direkt nach Armenien relativ einfach möglich gewesen - mit weniger traumatischen Erlebnissen für die Familie. Zudem wären nicht zwei aufwendige Ausschaffungen und eine Wiedereinreise aus Polen nötig gewesen. Unser Weg hätte weniger Verwaltungsaufwand und weniger Kosten verursacht", so die Juristin.

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 Stichwort

 Dublin-Abkommen

 Ziel des Dublin-Abkommens ist es, dass für die Prüfung eines Asylgesuches nur noch ein einziges Land zuständig ist. Zweitasylgesuche in der Schweiz können damit verhindert und die Gesuchsteller rasch in den für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Staat zurückgeführt werden. Zuständig ist jener Staat, der einem Asylbewerber den Aufenthalt durch ein Visum oder einen Aufenthaltstitel erteilt, seine Aussengrenzen nicht ordnungsgemäss kontrolliert oder die Einreise ohne Visum ermöglicht hat. (kru)

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SANS-PAPIERS
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NLZ 24.6.10

Härtefallgesuche

 Studenten beraten Sans-Papiers

Von Dave Schläpfer

 In vielen Städten gibt es eine Anlaufstelle für Sans-Papiers - nicht aber in Luzern. Eine klare Lücke, findet die Kirche und ergreift die Initiative.

 Hamid P.* aus Afghanistan lebt seit acht Jahren in der Schweiz. Sein Asylgesuch wurde vor einem Jahr abgelehnt, ein Wiedererwägungsgesuch ist hängig, hat jedoch wohl nur geringe Chancen. Bis zum Entzug der Arbeitsbewilligung vor einem Jahr hat er fünf Jahre als Küchenhilfe in einem Restaurant in der Agglomeration Luzern gearbeitet. Er verfügt über einen grossen Schweizer Freundeskreis und spielt seit fünf Jahren Fussball in einem Drittliga-Verein. Der Afghane kann sich ohne grosse Probleme auf Deutsch verständigen.

 Nun hofft er, dass er wegen seiner guten Integration und der Schwierigkeit einer Wiedereingliederung in Afghanistan als schwerwiegender Härtefall anerkannt wird und eine Aufenthaltsbewilligung des Typs B erhält.

 15 suchten bislang Hilfe

 Hamid P. ist eine von 15 Personen, die inzwischen bei der seit bald zwei Monaten bestehenden Härtefallberatung für Sans-Papiers und abgewiesene Asylbewerber in Luzern Rat gesucht haben. Betrieben wird diese von zehn Jus-Studenten - ehrenamtlich. Im Wechsel stellen diese jeden Dienstag während drei Stunden ihr Rechtswissen für das Verfassen von Härtefallgesuchen unentgeltlich zur Verfügung. "Aus humanistischen Überlegungen wollen wir den Schwächsten der Gesellschaft beistehen. Diese sind damit oft überfordert respektive können sich keinen Anwalt leisten", sagt Luca Langensand (26). "Zudem können wir so wertvolle Praxiserfahrungen sammeln."

 Weil eines der Kriterien für die Annahme von Härtefallgesuchen gute Deutschkenntnisse sind, erfolgt die Beratung nur in deutscher Sprache. Des Weiteren müssen sich die Antragsteller seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz aufhalten.

 Nachfrage herausspüren

 "Ziel ist es, Betroffene bei der Legalisierung ihres Aufenthalts zu unterstützen. Es gibt viele, die sich inzwischen das Recht erworben haben, legal hier zu sein, das aber gar nicht wissen", sagt Nicola Neider Ammann, Bereichsleiterin Migration/Integration bei der katholischen Kirche Stadt Luzern. "Wir wollen herausfinden, welche Nachfrage für dieses Angebot besteht." Es handle sich dabei um eine Initiative der Studenten. Diese konnten zum Teil bereits Erfahrung in Zürich bei einer ähnlichen Beratungsstelle sammeln. Fachlich eingeführt wurden die Freiwilligen, die der Schweigepflicht unterliegen, von der Rechtsberatung der Caritas Schweiz. Die katholische Kirche stellt für das Projekt kostenlos den Raum und die Infrastruktur zur Verfügung. Auch der Verein Luzerner Asylnetz unterstützt das Projekt.

 Die Beratungsstelle stellt nur einen Teil eines grösseren Unterfangens dar. "Geplant ist eine Anlaufstelle für Sans-Papiers mit einer breiten Trägerschaft, so wie es sie in mehreren grösseren Schweizer Städten schon gibt", sagt Neider Ammann. Dazu gehörten Beratungsangebote in den Bereichen Gesundheit und Ausbildung, aber auch Unterstützung in Alltagsfragen und bei Behördengängen sowie - für diejenigen, die es wünschen - seelsorgerische Begleitung. Zudem wolle man den Anliegen der Betroffenen in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen. Dabei sollen die bereits bestehenden Angebote, etwa der Asylnetz-Mittagstisch, ergänzt und nicht verdoppelt werden. Man sei momentan daran, zusammen mit anderen sozialen und kirchlichen Institutionen einen entsprechenden Verein zu gründen. Das Projekt soll mit einer dreijährigen Pilotphase gestartet werden, der Beginn ist noch offen.

 "Humanisierung des Alltags"

 Bewegt man sich mit der Schaffung dieser Stelle juristisch auf heiklem Terrain? "Wir machen nichts Illegales, davon würde ich mich distanzieren", betont Nicola Neider Ammann, die sich seit eineinhalb Jahren mit dem Projekt befasst. Vorbild für die Anlaufstelle ist diejenige in Bern. "Leitidee dieser Institution, an die wir uns eng anlehnen, ist eine Humanisierung des Alltags. Auch wir wollen besonders verletzlichen Personen - Kindern, Frauen, Familien - ein menschenwürdiges Leben in der Schweiz ermöglichen und deren Grundrechten mehr Akzeptanz verschaffen", so Neider Ammann.

 Nicht gewünschter Rücklauf

 "Ich begrüsse dieses Engagement", sagt Verena Wicki, Leiterin der Luzerner Fachstelle für die Beratung und Integration von Ausländern. Hier wurde 2003 im Auftrag des Kantons während drei Monaten eine Härtefallberatung für Sans-Papiers angeboten. Der Regierungsrat schätzte den Rücklauf an Härtefallgesuchen - vier trafen ein, zwei davon wurden angenommen - aber als zu gering ein, um weitere Schritte zu unternehmen. "Diese Erfahrungen haben gezeigt, dass sogar eine private Stelle, die im staatlichen Auftrag arbeitet, wenig Vertrauen bei den illegal Anwesenden findet", sagt Peter Schwegler, Departementssekretär des Gesundheits- und Sozialdepartements.

 Stadtrat Ruedi Meier, Leiter der Sozialdirektion, findet es "grundsätzlich gut, dass das Thema angegangen wird". Es liege im Interesse der Stadt, den Status von Sans-Papiers zu klären. "Ein zentrales Anliegen dabei ist, dass die Kinder und Jugendlichen nicht Opfer der Situation ihrer Eltern werden."

 Hinweis: * Name von der Redaktion geändert. Die Härtefallberatung findet jeden Dienstag von 16 bis 19 Uhr an der St. Karlistrasse 23 in Luzern statt. Generelle Infos: http://www.sans-papiers.ch

 david.schlaepfer@neue-lz.ch

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PFEFFERSPRAY
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Newsnetz 24.6.10

Mann stirbt nach Pfefferspray-Einsatz

dapd / oku

 Im deutschen Dortmund ist ein Mann gestorben, nachdem die Polizi ihn wegen Ruhestörung mitnehmen wollte.

 Einen tödlichen Kreislaufkollaps hat ein 32-jähriger Dortmunder nach einem Pfefferspray-Einsatz der Polizei erlitten. Anwohner hatten am frühen Mittwochmorgen um 02.23 Uhr die Polizei gerufen, weil der Mann in Dortmund-Oestrich die Nachtruhe mit lautem Rufen störte.

 Die Staatsanwaltschaft und Bochumer Polizei berichteten, der Mann habe einen verwirrten Eindruck gemacht und die als erste eintreffende Besatzung eines Rettungswagens bedrängt. Zwei Polizeibeamte versuchten danach vergeblich, ihn zu beruhigen "und brachten ihn schliesslich unter Einsatz von Pfefferspray zu Boden".

 Beim anschliessenden Transport in den Rettungswagen sei der 32-Jährige kollabiert. Die Rettungskräfte reanimierten ihn und brachten ihn ins Krankenhaus. Dort bestand weiterhin Lebensgefahr. Am späten Nachmittag starb er. Zur Klärung der genauen Todesursache soll die Leiche am Donnerstag obduziert werden. "Ein erstes Drogenscreening ergab einen Hinweis auf den Konsum von Kokain", heisst es im Bericht von Staatsanwaltschaft und Polizei weiter.

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POLICE FR
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Freiburger Nachrichten 24.6.10

Beschwerde gegen Polizei

 Augenauf Bern hat im Nachgang der Demonstration vom 12. Juni eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht.

 Freiburg Die bewilligte Demonstration gegen Polizeigewalt vom 12. Juni ist in der Freiburger Unterstadt eskaliert (die FN berichteten). In den darauffolgenden Stunden nahm die Kantonspolizei Freiburg 41 Personen fest. Nun hat die Menschenrechtsorganisation Augenauf Bern bei der kantonalen Sicherheits- und Justizdirektion eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Sie kritisiert, einige Polizisten seien bei den Festnahmen unverhältnismässig hart vorgegangen. Auch seien einzelne Demonstranten sehr lange festgehalten worden, obwohl am Sonntag keine Verhöre mehr stattgefunden hätten. njb

 Bericht Seite 3

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Aufsichtsbeschwerde von Augenauf

 Keine Informationen über den Haftgrund, erzwungene Entnahme von DNA, schlechte Festhaltebedingungen: Augenauf Bern kritisiert den Einsatz der Kantonspolizei nach der gewalttätigen Demonstration vom 12. Juni.

 Nicole Jegerlehner

 "Rund zehn Leute haben uns einen Bericht über ihre Behandlung durch die Freiburger Kantonspolizei abgegeben", sagt Nicholas Pohl von Augenauf Bern. Auf diese Berichte und verschiedene Gespräche stützt sich die Menschenrechtsorganisation, wenn sie das Verhalten der Polizei nach der gewaltsamen Demonstration vom 12. Juni in der Freiburger Unterstadt anprangert: Sie hat gestern bei der kantonalen Sicherheits- und Justizdirektion eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht.

 Angriff aufs Gefängnis ...

 Die Punkte, welche Augenauf in der Beschwerde anspricht, decken sich mit Aussagen, welche Demonstrierende gegenüber den FN gemacht haben. Augenauf bemängelt, dass die Polizei Gummigeschosse ohne Vorwarnung eingesetzt habe. An der Pressekonferenz gleich nach der Kundgebung meinte Gallus Risse, Einsatzleiter der Polizei: "Wir hatten keine Zeit, unsere Aktion anzukünden." Die Demonstrierenden hätten mit Raketen das Zentralgefängnis angegriffen; die Polizei habe sofort eingreifen müssen.

 ... oder Feuerwerk?

 Einige der Demonstrierenden betonen, dass sie "einfach ein Feuerwerk losgelassen" hätten; "das war kein Angriff auf das Gefängnis". Mit den Raketen hätten sie ihre Solidarität mit den Gefangenen zeigen wollen. "Hätte die Polizei nicht Gummigeschosse eingesetzt, wäre die Demonstration weiterhin friedlich verlaufen."

 Das sieht die Polizei anders: Sie sprach nach der Demonstration von "äusserst gefährlichen Leuchtraketen, die gegen das Gefängnis und gegen die Polizisten abgefeuert wurden". Die Polizei habe erst Gummigeschosse eingesetzt, nachdem sie mit Raketen beschossen worden sei.

 Augenauf kritisiert auch, dass die Polizistinnen und Polizisten sich zum Teil geweigert hätten, ihre Namen oder ihre Dienstnummer zu nennen - was ein Festgenommener verlangen kann. Auch seien einige Festgenommene erst nach mehr als sieben Stunden Polizeigewahrsam über den Grund ihrer Festnahme informiert worden.

 Augenauf spricht von Gewaltanwendung: So sei eine Person bei ihrer Festnahme zu Boden gedrückt worden - obwohl sie keinen Widerstand geleistet habe. Ein weiterer Polizist habe seinen Schuh auf den Kopf der Person gedrückt. Auch hätten Polizisten aus nächster Nähe Mehrzweckwerfer auf angehaltene Personen gerichtet.

 Einmal auf dem Polizeiposten seien die Bedingungen für die Festgehaltenen sehr unterschiedlich gewesen, schreibt Augenauf. Was auch Demonstrierende gegenüber den FN bestätigen: "Wir durften trotz mehrmaligem Nachfragen stundenlang nicht zur Toilette gehen", sagt ein 22-Jähriger. Rund 25 Männer seien zusammen in einer etwa 16 Quadratmeter grossen Zelle gewesen. "Mit der Zeit haben einige durch die Gitterstäbe gepinkelt, weil sie dringend auf die Toilette mussten", erzählt der Demonstrant. Stunden später erst hätten Polizisten sie einzeln hinausbegleitet - nicht auf die Toilette, sondern zu Büschen beim Parkplatz.

 "Eine Schikane"

 Auch habe es an Wasser gefehlt, erzählen die Demonstrierenden. "Gleich neben der Zelle standen Wasserflaschen", sagen sie. "Wir erhielten aber erst nach Stunden etwas zum Trinken." Augenauf nennt dies "eine Schikane."

 Aufgebracht sind die Demonstrierenden auch, weil ihnen DNA-Proben abgenommen wurden. "Die DNA-Abnahme an sich war legal", sagt Nicholas Pohl von Augenauf. "Jedoch muss die Polizei bei DNA-Entnahmen die Betroffenen über ihr Recht auf Rekurs informieren." Das sei nicht immer der Fall gewesen. "Und einigen, die einen Rekurs verlangten, wurde die DNA unter Gewalt abgenommen."

 Polizeisprecher Benoît Dumas wollte keine Stellung nehmen, da eine Untersuchung eingeleitet werden könnte. Sicherheitsdirektor Erwin Jutzet war gestern nicht erreichbar.

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 DNA-Entnahme: Viele Möglichkeiten, striktes Löschen

 Wer eines Verbrechens oder eines Vergehens verdächtigt wird, bei dem kann die Polizei eine DNA-Probe einfordern. Das steht im DNA-Profil-Gesetz. Verbrechen sind Straftaten, die mit mehr als drei Jahren Freiheitsentzug bedroht sind, Vergehen werden mit Gefängnis bis drei Jahre oder Geldstrafe sanktioniert.

 Im Gegensatz zu anderen Ländern kenne die Schweiz damit eine "verhältnismässig breite Möglichkeit, DNA-Profile zu erstellen und in der Datenbank abzugleichen", sagt Christian Linsi vom Bundesamt für Polizei. In einigen Ländern könnten nur richterliche Behörden DNA-Entnahmen anordnen. Andere gäben einen Katalog mit bestimmten Vergehen und Verbrechen vor, bei denen eine DNA-Probe möglich sei.

 "In der Schweiz herrscht im Gegenzug eine strikte Lösch-Regelung", sagt Linsi: Zeigt sich im Verlaufe des Verfahrens, dass jemand unschuldig ist, wird dessen DNA-Profil aus der DNA-Datenbank gelöscht; ebenso bei einem Freispruch vor Gericht. Und bei einer Verurteilung wird das DNA-Profil je nach Strafmass nach einiger Zeit von Amtes wegen gelöscht - so wie auch im Todesfall.

 In der Schweiz kann die Polizei eine DNA-Probe anordnen. Die betroffene Person kann sich mit einem Rekurs dagegen wehren; in diesem Fall entscheidet die Untersuchungsbehörde.

 Nur vom Bund anerkannte Labors dürfen DNA-Profile erstellen. Aus einem Wangenschleimhautabstrich ein DNA-Profil zu erstellen, kostet rund 200 Franken; wenn auf Gegenständen vom Tatort nach DNA-Spuren gesucht wird, kann dies 500 Franken und mehr kosten. njb

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BZ 24.6.10

Freiburg

 Vorwürfe zum Polizeieinsatz

 Die gewalttätige Demonstration vor knapp zwei Wochen hat ein Nachspiel. Der Menschenrechtsverein Augenauf Bern hat eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Er will untersucht haben, ob der Polizeieinsatz korrekt verlaufen war.

 Am Samstag, 14. Juni, fand in Freiburg eine bewilligte Solidaritätskundgebung für inhaftierte mutmassliche Autodiebe statt. Vor dem Zentralgefängnis eskalierte die Demonstration in Gewalt, und es kam zu Zusammenstössen zwischen den rund 100 teils vermummten Teilnehmern und der Polizei. Laut der Polizeimitteilung schossen die Demonstranten Raketen und Petarden in Richtung des Gefängnisses und der Einsatzkräfte. Diese antworteten mit Gummischrot und drängten die Demonstranten zurück. Diese feuerten erneut Leuchtraketen gegen die Polizisten. Beim Liebfrauenplatz wiederholten sich die Szenen, wenn auch weniger gewalttätig. Bei der Auseinandersetzung wurden zwei Polizisten durch Leuchtraketen verletzt.

 47 Festnahmen

 Die Polizei nahm 47 Personen fest, 18 von ihnen wurden erst am Sonntagabend freigelassen. Den Angehaltenen droht eine Anzeige wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Gewalt gegen Beamte oder der Gefährdung des Lebens Dritter.

 Gestern hat nun der Menschenrechtsverein Augenauf Bern bei der Freiburger Justiz- und Sicherheitsdirektion eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Der Verein erachtet es "als dringend notwendig, dass das polizeiliche Handeln anlässlich der Demonstration einer eingehenden Untersuchung unterzogen wird".

 Die Beschwerde basiere auf Gedankenprotokollen von Festgenommenen oder von Leuten, welche die Festnahmen oder das polizeiliche Handeln beobachtet hätten, teilt der Verein mit. Daraus gehe hervor, dass die Polizei in verschiedenen Fällen mit unverhältnismässiger Härte gegen Personen vorgegangen sei und teilweise deren Rechte nicht oder zu wenig beachtet habe. Eine Person, die bei der Festnahme keinen Widerstand geleistet habe, sei zu Boden gedrückt worden. Dabei sei ihr von einem Polizisten der Schuh auf den Kopf gedrückt worden.

 Zu lange festgehalten

 Auch die Festhaltebedingungen werden kritisiert. Der Zugang zu Trinkwasser oder zur Toilette sei erst zwei bis drei Stunden nach der ersten Anfrage gewährt worden. Die Dauer des Polizeigewahrsams sei zudem unverhältnismässig lang gewesen.

 Augenauf seien auch Fälle bekannt, in denen sich die Polizisten geweigert hätten, ihre Namen zu nennen oder die Festgenommen über ihre Rechte aufzuklären. Als "besonders schwerwiegend" würden die Fälle angesehen, bei denen DNA-Entnahmen "trotz fehlender rechtlicher Grundlagen und unter Zwang" vorgenommen worden seien.

 Für ein faires Verfahren

 Mit keinem Wort erwähnt oder verurteilt Augenauf hingegen das Abfeuern von Leuchtpetarden gegen die Polizisten durch die Demonstranten. Man habe über den genauen Verlauf der Demo zu wenig Informationen, begründet Nicholas Pohl von Augenauf. Dem Verein gehe es in erster Linie darum, dass die rechtsstaatlichen Grundsätze respektiert würden. Jeder habe das Recht auf ein faires Verfahren, ergänzt Nicholas Pohl.

 Polizeidirektor Erwin Jutzet war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Sein Generalsekretär Thierry Steiert kennt den Inhalt der Beschwerde nicht. Auch die Kantonspolizei kann man sich zu den Vorwürfen nicht äussern, weil die Beschwerde noch nicht eingetroffen ist.
 
Hans Ulrich Schaad

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POLICE CH
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Landbote 24.6.10

Grenzwächter geraten unter Druck

 BERN/St. Gallen - Das Grenzwachtkorps (GWK) sorgt derzeit in einigen Kantonen für rote Köpfe. Seit dem Schengen-Beitritt stellt die St. Galler Polizeidirektorin Karin Keller-Sutter im Gespräch mit dieser Zeitung bei der GWK Entwicklungen fest, "die zu denken geben". So habe das Korps zum Beispiel eine Interventionseinheit von 200 Personen aufgestellt, "die letztlich eine reine Sicherheitspolizei darstelle". Eine solche Aufgabe obliege aber einzig den Kantonen, so Keller-Sutter weiter. Überhaupt überschneide sich das Einsatzgebiet des GWK vermehrt mit dem der kantonalen Polizeikorps. "Das führt zu Doppelspurigkeiten", sagt Keller-Sutter. Für die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren ist deshalb klar, "dass in dieser Situation eine Rollenklärung angezeigt ist". Das Spektrum der möglichen Lösungsvarianten reicht dabei nach Auffassung der Kantone vom Einsatz der Grenzwächter unter den Kantonspolizeibehörden bis hin zur totalen Integration in die Polizei- korps. (tm)lSeite 3

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Grenzwacht gerät ins Visier der Kantone

 Thomas Münzel

 Grenzwächter und Polizisten kommen sich vermehrt in die Quere. Die Kantone fordern nun "eine Klärung". Die St. Galler Polizeidirektorin Karin Keller-Sutter unterstützt die Idee, die Grenzwacht in die Polizeikorps zu integrieren.

 Am 12. Dezember 2008 ist die Schweiz dem Schengen-Raum beigetreten und führt ab diesem Datum keine systematischen Grenzkontrollen mehr durch. Ist die Schweiz seit dieser Zeit sicherer geworden?

 Karin Keller-Sutter: Ich würde weder sagen, dass die Schweiz seit dieser Zeit sicherer geworden ist, noch dass sie sich zwingend unsicherer präsentiert. Meiner Ansicht nach erfolgte der grosse Einschnitt in die schweizerische Sicherheitslandschaft ohnehin bereits im Jahr 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des eisernen Vorhangs. Mit der Öffnung der entsprechenden Grenzen und mit der zunehmenden Mobilität stellten sich uns damals ganz neue sicherheitspolitische Herausforderungen.

 Aber gibt es seit der Inkraftsetzung des Schengen-Vertrags nicht viel mehr Aufgriffe?

 Doch. Wir stellen fest, dass die Aufgriffe seit dem Beitritt der Schweiz zu Schengen im rückwärtigen Raum zugenommen haben. Das hat aber natürlich vor allem damit zu tun, dass die Kontrollen im Landesinnern gegenüber früheren Zeiten etwas dichter geworden sind.

 Probleme bereitet derzeit vor allem ein Konflikt unter Schweizern. Denn seit dem Schengen-Beitritt kommen sich Grenzwächter und Polizisten immer wieder in die Quere. Weshalb?

 Zuerst einmal: Weder die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) noch ich persönlich wollen Kritik an der Arbeit der Grenzwächter üben, die ihren Auftrag vor Ort sicher sehr gut wahrnehmen. Doch die Frage ist natürlich, welche Vorgaben diese Leute haben. Denn im Zentrum der aktuellen Diskussionen steht die künftige Ausrichtung des Grenzwachtkorps. Das Problem besteht darin, dass die Grenzwächter, die vorher vor allem auf der Grenze tätig waren, sich seit Schengen vermehrt in den rückwärtigen Raum verschoben haben und dort aufgrund der Polizeihoheit der Kantone auf Polizisten treffen. Dies wiederum führt leider dazu, dass es vermehrt zu Doppelspurigkeiten kommt.

 Die Grenzwächter sagen nun aber, dass sie nur jene Aufgaben übernehmen, die ihnen die Kantone explizit übertragen. Damit ist der Schwarze Peter wieder bei den Kantonen.

 Die meisten Kantone haben mit dem Grenzwachtkorps Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im rückwärtigen Raum getroffen. Insofern ist es richtig, dass die Grenzwächter im Grunde genommen nur das tun, was man ihnen aufträgt. Andererseits gibt es allerdings Entwicklungen, die dennoch zu denken geben. Das Grenzwachtkorps hat zum Beispiel eine Interventionseinheit von 200 Personen aufgestellt, die letztlich eine reine Sicherheitspolizei darstellt. Eine solche Aufgabe obliegt aber einzig den Kantonspolizeien. Zudem gab es auch eine Zeit lang bei der Grenzwacht Bestrebungen, eine Art kriminaltechnische Labors zu eröffnen. Nach Auffassung der KKJPD ist dies allerdings ebenfalls alleinige Aufgabe der Kantone, die ja bereits entsprechende Kompetenzzentren aufweisen. Entsprechende Leistungen könnten bei ihnen eingekauft werden.

 Es gibt Schweizer Polizeikommandanten, die das Grenzwachtkorps lieber heute als morgen abschaffen würden. Gehen Sie auch so weit?

 So lange die Schweiz mit der EU keine Zollunion bildet, gilt es nach wie vor, die entsprechenden Zollaufgaben wahrzunehmen. Und dafür braucht der Bund Grenzwächter. Was jedoch nicht nur bei den Polizeikommandanten, sondern auch bei der KKJPD diskutiert wird, ist die Frage, wie man die Zusammenarbeit von Grenzwächtern und Polizisten in der Zukunft besser ausgestalten könnte. Da gibt es verschiedene Modelle.

 Ein Modell sieht vor, dass das Grenzwachtkorps in die kantonalen Polizeikorps integriert wird.

 Das ist eines von mehreren Modellen, das man jetzt mit dem Bund diskutieren muss. Es wäre sicher zu begrüssen, wenn man künftig nach der militärischen Devise "Ein Raum, eine Aufgabe, ein Chef" vorgehen würde.

 Und der Chef wäre dann beispielsweise die Polizei?

 Ja, ich würde dies als sinnvoll erachten. Man könnte zwar durchaus zwei parallele Organisationen nebeneinander existieren lassen, um aber weiterhin Doppelspurigkeiten zu vermeiden und noch effizienter zu arbeiten, wäre es wünschenswert, wenn man das Grenzwachtkorps im Einsatz der jeweiligen Kantonspolizei unterstellt. Doch vorerst geht es nun darum, die verschiedenen Modelle eingehend zu prüfen und sie mit den involvierten und verantwortlichen Personen zu diskutieren. Ziel muss es auf jeden Fall sein, mit den vorhandenen Mitteln die anstehenden Aufgaben optimaler zu erfüllen als bisher, sodass die Bürgersicherheit letztlich erhöht wird.

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 Grenzwächter wehren sich

 Mit Kontrollen in Zügen, weitab von den Landesgrenzen, sorgen Grenzwächter seit einiger Zeit bei manchen SBB-Fahrgästen für Unmut und Erstaunen. Aus einigen Kantonen hiess es deshalb, das Grenzwachtkorps (GWK) entwickle sich zu einer Bundespolizei. "Das ist absolut ausgeschlossen, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage", wehrt sich nun Oberzolldirektor Rudolf Dietrich. "Ausserdem haben wir keine Mittel dazu." Er stellt zudem in Abrede, dass sich das GWK in die Hoheit der Kantone einmische. "Wir übernehmen von den Kantonen nur Aufgaben, welche uns diese explizit übertragen", erklärt Dietrich. "Da wir wegen der Zollkontrollen ohnehin auf den Zügen sind, haben uns die meisten Kantone die Personenkontrollen im Bahnverkehr delegiert." Eine Absage erteilt der Oberzolldirektor auch dem Wunsch mancher kantonaler Polizeidirektoren, das GWK solle kantonalisiert werden. "Die Zollaufgaben sind seit 1848 Bundessache; es wäre ziemlich merkwürdig, diese nach über 160 Jahren wieder zurückzudelegieren", meint Dietrich. Unterstützung erhält er dabei von Bundesrat Hans-Rudolf Merz, welcher die Unabhängigkeit der Grenzwächter verteidigt. "Es gibt wohl kaum einen Staat, der die Überwachung seiner nationalen Grenzen an die Gliedstaaten, sprich Kantone, delegiert", hielt Merz kürzlich fest. (tm)

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NARRENKRAUT
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WoZ 24.6.10

Legalize it!

Ruth Wysseier

 KifferInnen sind mir eigentlich recht sympathisch. Mit ihrem entschleunigten, verträumten Wesen sind sie ein wohltuender Kontrast zur hektischen Leistungsgesellschaft und zu den gespeedeten Koksnasen im Bankgewerbe.

 Unsympathisch ist aber, dass die Cannabisfans der Feuerwehr so viel Arbeit machen, weil sie in ihren unterirdischen Plantagen die Heiz- und Tageslichtlampen, Lüfter und Zeitschaltuhren so schlampig verkabeln. Wenn es in den letzten Monaten in Biel und Umgebung brannte, war oft ein Kurzschluss in einer Hanfindoor­anlage schuld. In Ipsach flog jüngst eine unterirdische Plantage mit gegen 3700 Pflanzen, in einem Club in Biel eine mit rund 1500 Pflanzen auf. Zuletzt brannte es am 30. Mai in einer Werkstatt in Lengnau.

 Unsympathisch ist auch der hor rende Stromverbrauch dieser Pflanzplätze. Ein Minidarkroom für den Eigengebrauch, in dem dreimal pro Jahr ein paar Pflänzli wachsen, braucht so viel Strom wie ein Heizöfeli. 20 000 Anlagen soll es geben hierzulande - viele so gross und professionell betrieben wie der Hors-sol-Tomatenanbau in Holland. Im Kanton Bern hat die Polizei allein in diesem Februar 12 Indooranlagen mit über 8500 Pflanzen aufgespürt, 140 Anlagen flogen in den letzten zwei Jahren auf.

 In der Schweiz wird also ge kifft   - und wie! Zwar spricht die neuste Studie nur von 211 000 CannabiskonsumentInnen in der Schweiz. Fragt man aber bei der Schweizer Hanf-Koordination nach, erklärt einem André Fürst, ein bedächtiger Hanffreund, die Studie habe nur die KampfkifferInnen gezählt, also solche, die mehrmals täglich pafften, dazu kämen noch eine halbe Million, die gelegentlich konsumierten. Mit Cannabis werde eine Milliarde Franken Umsatz gemacht pro Jahr. In Biel gebe es locker zwanzig Läden, scheinbar normale Kleider- oder CD-Geschäfte, in denen ich das Kraut unter der Hand kaufen könne.

 Wenn ich es selber anbauen möchte, bestelle ich das Zubehör ganz legal via Internet oder kaufe es zum Beispiel bei Agriculture Trading an der Bahnhofstrasse in Walenstadt. Mitten in diesem putzigen Ort, wo man Autos mit Spezialfelgen fährt und aufgemalte Bambis die Fassaden schmücken, wo vor jedem Haus ein herziges Bluemetrögli steht und Schweizer Fahnen aus den Fenstern hängen, kaufen Cannabis-Winkelriede ihre Ausrüstung.

 Der blühende Geschäftszweig hat auch ausländische Konkurrenz. Ein Teil der Ware wird seit jeher importiert - etwa der im Freien angebaute Schwarze Afghan AOC. Aber es gibt auch deutsche Interessenten, die auf den Markt drängen, wie folgender Eintrag mit dem Titel "Indoor Anbau Schweitz legal illegal" auf einem Internetforum dokumentiert: "Also ich habe vor in der Schweitz eine neue Hanfplantage indoor groß zuziehen da ich in Deutschland dafür schon ins Gefängniss müsste habe ich mich dazu entschieden diese in der Schweitz aufzubauen, dies liegt zwar 500-600km von mir weg aber da ich Mechtroniker bin (und bereits eine Vollautomatische Fernwartbare Anlage gebaut habe sollte auch die Entfernung nicht so problematisch sein) das das Problem ist das ich bei der Schweitzer Gesetzesgebung nicht ganz durchblicke..."

 Lieber Hanffreund aus Deutschland, vielleicht kannst du bald die Apotheken in Zürich beliefern, und falls das Parlament wieder mal einen lichten Moment hat, legalisiert es endlich diesen Landwirtschaftszweig und entlässt die Pflänzchen aus ihren dunklen Kammern.

 Ruth Wysseier ist WOZ-Redaktorin und Produzentin von Outdoorweintrauben.

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20 Minuten 24.6.10

Stadt Basel soll Cannabis verkaufen

 BASEL. Die Stadt Basel soll im Rahmen eines Pilotversuchs kontrolliert Cannabis verkaufen. Dies forderte SP-Grossrätin Tanja Soland gestern in einem Anzug, der von mehreren Parlamentariern aus dem bürgerlichen Lager mitunterzeichnet wurde. Das gleiche Projekt steht momentan auch in Zürich und Bern zur Diskussion. "Damit soll der Konsum von Cannabis entkriminalisiert werden", so Soland, die nach eigenen Angaben als Jugendliche auch ab und zu gekifft hat.

 Verkauft werden soll das Basler Gras nur an über 18-Jährige. Gleichzeitig wird das Projekt wissenschaftlich begleitet und eine neue Präventionskampagne an Schulen lanciert. "Hier können wir eine Pionierrolle einnehmen", so Soland. Sie sagt dies nicht ohne Grund: Vor zwei Jahren hatte Basel-Stadt bei der Hanflegalisierungs-Abstimmung mit fast 45 Prozent schweizweit die meisten Ja-Stimmen.  hys

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DROGEN
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NZZ 24.6.10

Uno-Angaben zum Kokaanbau

 Deutlicher Rückgang in Kolumbien - Zunahme in Peru - Stagnation in Bolivien

 Die Uno lobt Kolumbien für die Verkleinerung seiner Kokaanbaufläche. Peru könnte das Land bei der Produktion des Rohmaterials für Kokain bald überholen.

 Werner Marti, Buenos Aires

 Laut am Montag vom Uno-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) bekanntgegebenen Zahlen hat die in Kolumbien, Peru und Bolivien zur Anpflanzung von Kokabüschen verwendete Fläche im letzten Jahr von 167 000 auf 159 000 Hektaren abgenommen. Entsprechende Zahlen hat die Uno in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Welt-Drogenbericht 2010 bekanntgemacht.

 In Kolumbien fiel demnach 2009 die mit Kokablättern bewachsene Fläche um 16 Prozent auf 68 000 Hektaren. Im Zehn-Jahres-Vergleich beträgt der Rückgang fast 60 Prozent. Nach Ansicht von Antonio Costa, dem Exekutivdirektor von UNODC, basiert dies auf der Drogenbekämpfungsstrategie der kolumbianischen Regierung, die die Sicherheits- und Entwicklungspolitik in den Anbaugebieten kombiniere.

 Ein weniger erfreuliches Bild zeichnet Costa von Peru. Die bepflanzte Fläche sei im letzten Jahr zum vierten Mal in Folge gewachsen, und zwar um 6,8 Prozent auf 59 900 Hektaren. Dies bedeute, dass in Peru 55 Prozent mehr Koka angebaut würden als noch vor zehn Jahren. Vor zwanzig Jahren, auf dem Höhepunkt der peruanischen Kokaproduktion vor der Verlagerung des Schwerpunkts nach Kolumbien, sei in Peru noch doppelt so viel produziert worden. Costa hebt warnend hervor, dass, falls der Trend anhalte, Peru Kolumbien bei der Produktion von Kokablättern überholen werde. Um dies zu verhindern, sei eine koordinierte Strategie notwendig, welche alle betroffenen Bereiche einschliesse, von der eigentlichen Drogenbekämpfung bis hin zur Gesundheits- und Entwicklungspolitik und zur regionalen Zusammenarbeit.

 Für Bolivien meldet die Uno einen leichten Anstieg um 1 Prozent auf 30 900 Hektaren. Doch auch hier hat sich die Fläche in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Als Medizin verschreibt Costa Präsident Morales mehr Operationen zur Zerstörung illegaler Kokafelder und Entwicklungsprogramme, die den betroffenen Bauern Einkommensalternativen bieten.

 Die Zahlen der Uno beruhen auf Schätzungen und sind deshalb fehleranfällig. Angesichts der langjährigen Erfahrung des UNODC dürften sie den Trend aber korrekt abbilden. Zudem muss beachtet werden, dass gleiche Anbaufläche nicht notwendigerweise mengenmässig gleiche Produktion von Koka heisst. In den letzten Jahren sind effizientere Pflanzen entwickelt worden, die ein Mehrfaches an Blättern liefern.

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 Aufputschmittel bieten der Mafia neue Märkte

 (Reuters) ⋅ Die Produktion von Heroin und Kokain geht weltweit zurück, während illegal hergestellte Aufputschmittel und Arzneien immer mehr Abnehmer finden. Das geht aus dem neuen Jahresbericht des Uno-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hervor. Die Zahl der Konsumenten von Partydrogen auf Amphetaminbasis wird auf bis zu 40 Millionen geschätzt. Damit könnte diese Gruppe bald grösser sein als der Kreis jener, die nach Opiaten und Kokain süchtig sind. Demnach ist die Anbaufläche für Opium seit zwei Jahren um fast ein Viertel geschrumpft. Die Herstellung von Kokain sei um rund 18 Prozent gefallen. Aus Afghanistan stammen weiter 90 Prozent des Rohopiums.

 Für die USA stellte das in Wien angesiedelte Uno-Büro einen deutlichen Rückgang beim Konsum von Kokain fest. In Europa sei dagegen mehr Kokain im Umlauf, da über Afrika neue Schmuggelrouten liefen. Die Mafia stieg wegen der vergleichsweise billigen Herstellung in geheimen Labors ins grosse Geschäft mit synthetischen Aufputschmitteln ein. Die Drogenfabriken im Untergrund können laut dem UNODC direkt auf die Nachfrage nach bestimmten Stoffen reagieren und diese produzieren. Auch die Vertriebswege zwischen Hersteller und Konsument seien kurz. Cannabis ist laut dem Bericht weiter die Droge mit der grössten Verbreitung. Sie wird in nahezu jedem Land angebaut.

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Südostschweiz 24.6.10

Peru erbt das Drogenproblem

 Der Kampf gegen die Drogen führt dazu, dass Peru Kolumbien als wichtigstes Anbauland für Kokapflanzen abgelöst hat. Der Drogenkrieg destabilisiert nicht nur Süd-, sondern auch Mittelamerika und die Karibik.

 Von Sandra Weiss

 Lima. - Experten im Kampf gegen die Drogenmafia vergleichen die Situation mit einem wassergefüllten Schlauch: Das illegale Geschäft verlagert sich unter Druck jeweils in andere Gegenden - und wieder zurück. Der von den USA unterstützte Krieg gegen die Drogen in Mexiko und Kolumbien hat nach Erhebungen der Uno dazu geführt, dass Peru zum wichtigsten Anbauland für Kokapflanzen aufgestiegen ist, aus denen Kokain gewonnen wird. Auch der Handel hat sich verlagert - nach Mittelamerika und in die Karibik.

 Hälfte des Kokas kommt aus Peru

 In Peru - in den Achtzigerjahren schon einmal grösster Kokaproduzent weltweit - wurden im vergangenen Jahr 128 000 Tonnen Kokablätter geerntet, wie das Uno-Büro gegen Drogen und Kriminalität (Unodoc) am Dienstag in der peruanischen Hauptstadt Lima mitteilte. In Kolumbien waren es 103 000 Tonnen. Ganze 92 Prozent der angebauten Kokapflanzen werden zu Kokain verarbeitet, der Rest zum traditionellen Kauen verwendet oder für Tee und Medikamente genutzt. Damit wird in Peru fast die Hälfte des südamerikanischen Kokas produziert, in Kolumbien 39 und in Bolivien 15 Prozent.

 Der peruanische Anti-Drogen-Zar Rómulo Pizarro führt den Anstieg auf die gestiegene Drogennachfrage in den Industrieländern zurück. "Und wenn dann erst der Konsum in Asien zulegt, wofür es erste Anzeichen gibt, wird der Druck auf die Anbauländer wie Peru noch grösser", sagt Pizarro. Er bedauert die aus seiner Sicht ungenügende und abnehmende internationale Kooperation im Kampf gegen die Drogen.

 Dabei hat Kolumbien seit den Neunzigerjahren über fünf Milliarden Dollar Militärhilfe aus den USA zur Bekämpfung der Drogen erhalten. Den Drogenkrieg in Peru unterstützt Washington mit 70 Millionen Dollar sowie eigens dafür abgestellten Experten; die EU hat Hilfe zur Wiederaufforstung, zur Polizeiausbildung und zur Förderung alternativer Anbauprodukte versprochen.

 Maoistische Miliz erstarkt

 In Peru hat das Drogengeschäft zudem einen gefährlichen Nebeneffekt: Es führte zum Erstarken der maoistischen Rebellenbewegung Leuchtender Pfad, die sich als Miliz in den Dienst der Drogenmafia stellt und sich in jüngster Zeit im Dschungel häufig Gefechte mit Sicherheitskräften lieferte. Mehr als 400 Mitglieder hat die Guerilla nach Schätzungen von Experten wieder. Die Gewalt des Leuchtenden Pfades hatte Peru in den Achtzigerjahren in einen Bürgerkrieg gestürzt, der rund 70 000 Menschen das Leben kostete.

 Auch Mittelamerika und die Karibik - etwa Jamaika (siehe Kasten) - wurden durch die Verlagerung des Drogengeschäfts destabilisiert. In Guatemala ist nach Aussagen des jüngst zurückgetretenen Uno-Chefermittlers Carlos Castresana die Justiz bis in höchste Sphären vom organisierten Verbrechen infiltriert, und auch Exekutive und Legislative unternähmen wenig im Kampf gegen Kriminelle. Im politisch destabilisierten Honduras starten und landen täglich Kleinflugzeuge, bis oben hin gefüllt mit Kokain.

 "Das eigentliche Problem liegt nicht in Mexiko, sondern in Mittelamerika und der Karibik, wo in weniger als einem Jahrzehnt Gewalt und Korruption sprunghaft zugenommen haben", schreibt denn auch der salvadorianische Sicherheitsexperte Joaquin Villalobos. Schwache Staaten, ein hohes Gewalt- und Armutsniveau, kleine Volkswirtschaften mit wenig Widerstandskraft gegenüber den Drogenmillionen und der Tourismus mit dem damit einhergehenden Drogenkonsum leisteten dem organisierten Verbrechen Vorschub.

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 Drogenboss Coke gefasst

 Kingston. - Die Jagd auf den berüchtigten Drogenboss Christopher "Dudus" Coke in Jamaika ist zu Ende: Der von den USA Gesuchte wurde am Dienstag auf der Karibikinsel festgenommen, wie die Polizei mitteilte. Die USA wollen Coke den Prozess machen und fordern dessen Auslieferung. Coke soll seit 1990 einen international agierenden Drogenring anführen, der laut amerikanischen Ermittlern Marihuana und Crack vor allem in den Grossraum New York liefert.

 Die wochenlange Suche nach Coke hatte Jamaikas Hauptstadt Kingston vorübergehend ins Chaos gestürzt. Bei Auseinandersetzungen Ende Mai starben nach offiziellen Angaben 73 Menschen.

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Basler Zeitung 24.6.10

Eine Million Afghanen sind drogensüchtig

 Opiumkonsumenten lassen ihre Kinder regelmässig vom Saft des Schlafmohns naschen

 Pierre Simonitsch, Genf

 Afghanistan ist nicht nur der weltgrösste Hersteller von Opium, Heroin und Haschisch, sondern selber zum Opfer der Suchtmittel geworden.

 Eine Million Afghanen - acht Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes - sind drogenabhängig. Zu diesem Fazit gelangt das für den Kampf gegen Drogen und organisiertes Verbrechen zuständige UNO-Büro (UNODC) in Wien. Die Zahl der regelmässigen Opiumkonsumenten in Afghanistan stieg in fünf Jahren um 53 Prozent, jene der Heroinabhängigen um 140 Prozent.

 350 000 Afghanen stehen unter ständigem Einfluss harter Drogen. Dazu kommt eine grosse Anzahl Haschischraucher und Abhängiger von psychotropen Medikamenten wie Schmerzmittel und Beruhigungspillen. "Drei Jahrzehnte Krieg, unbegrenzte Verfügbarkeit von billigen Suchtstoffen und mangelnde Behandlung der Süchtigen haben in Afghanistan ein wachsendes Problem der Drogenabhängigkeit geschaffen", erklärte der Exekutivdirektor von UNODC, der Italiener Antonio Maria Costa, bei der Vorstellung des Berichts.

 Laut UNODC konsumieren viele Afghanen Opiumderivate als selbst verschriebene "Medizin" gegen die Härten ihres Lebens. Eine grosse Anzahl von ihnen hat diese Gewohnheit in Flüchtlingslagern in Pakistan oder Iran angenommen, wo sie jahrelang die schlimmsten Kriegswirren in ihrer Heimat überstanden.

 Die Folgen der wachsenden Drogenabhängigkeit sind erschreckend. Der Bericht listet die Zunahme gesellschaftlicher Konflikte, von Verbrechen und Unfällen sowie die fallende Produktivität auf. Die Verwendung gebrauchter Spritzen hat die Verbreitung von Aids und anderer durch Blut übertragenen Krankheiten anschwellen lassen. Auch Sex im Tausch gegen Drogen oder Geld aus dem Drogenhandel breitet sich aus.

 Schockierend. Als besonders schockierend bezeichnen die Autoren des Berichts die Statistiken, wonach im Norden und Süden Afghanistans die Hälfte der Opiumkonsumenten ihre Kinder regelmässig vom Saft des Schlafmohns naschen lassen. "Die nächste Generation des Landes ist damit schon zur Sucht verurteilt", meint Costa, "wenn man in Betracht zieht, dass jede Familie im Schnitt ein halbes Dutzend Kinder hat."

 Tragödie. Nur ein Zehntel der Drogenabhängigen in Afghanistan haben laut UNODC Zugang zu einer medizinischen Behandlung. 700 000 bleiben ausgeschlossen. Costa fordert die am Kampf gegen die Taliban und den Mohnanbau beteiligten Staaten auf, den von Drogen verursachten Gesundheitsproblemen gleiche Aufmerksamkeit zu schenken. "Es ist viel über die Rolle Afghanistans als weltgrösster Lieferant von Opium und Cannabis geschrieben worden", erklärt Costa, "jetzt wäre es an der Zeit anzuerkennen, welche Tragödie der Drogenkonsum im Erzeugerland selbst verursacht."

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 Synthetische Drogen im Vormarsch

 200 000 TOTe. Der illegale Handel mit Opium, Heroin und Kokain stagniert; Angebot wie Nachfrage sind rückläufig. Dies stellt der am Mittwoch veröffentlichte Weltdrogenbericht 2010 der UNODC fest. Dafür sind synthetische Suchtmittel wie Aufputsch- oder Beruhigungspillen auf dem Vormarsch. Bereits zwischen 30 und 40 Millionen Menschen greifen regelmässig zu solchen Amphetaminpräparaten - mehr als alle Konsumenten von Opiaten und Kokain.

 Der Koka-Anbau ist laut dem Bericht in den letzten zwei Jahren um 28 Prozent geschrumpft, die Anbaufläche des Schlafmohns um fast ein Viertel. Die afghanischen Opiumhändler sitzen derzeit auf 12 000 Tonnen unverkaufter Ware.

 Der Kokainkonsum geht insbesondere in den USA zurück. Dafür stieg die Zahl der Kokainsüchtigen in Europa in zehn Jahren von zwei auf mehr als vier Millionen. Wie UNODC-Sprecher Walter Kemp der BaZ auf Anfrage erklärte, tötet der Drogenmissbrauch weltweit 200 000 Menschen jährlich. Die Hälfte davon stirbt an Heroin.  sim

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undoc.org 23.6.10

World Drug Report 2010: drug use is shifting towards new drugs and new markets

23 June 2010 - Today, at the National Press Club in Washington, UNODC launched the  World Drug Report 2010. Taking part in the launch were UNODC Executive Director Antonio Maria Costa, Viktor Ivanov, Director of the Federal Drugs Control Service of the Russian Federation, and Gil Kerlikowske, Director of the White House Office of National Drug Control Policy.

The Report shows that drug use is shifting towards new drugs and new markets. Drug crop cultivation is declining in Afghanistan (for opium) and the Andean countries (coca), and drug use has stabilized in the developed world. However, there are signs of an increase in drug use in developing countries and growing abuse of amphetamine-type stimulants and prescription drugs around the world.

The Report shows that the world's supply of the two main problem drugs - opiates and cocaine - keeps declining. The global area under opium cultivation has dropped by almost a quarter (23 per cent) in the past two years, and opium production looks set to fall steeply in 2010 due to a blight that could wipe out a quarter of Afghanistan's opium poppy crop. Coca cultivation, down by 28 per cent in the past decade, has kept declining in 2009. World cocaine production has declined by 12-18 per cent over the period 2007-2009.

Global potential heroin production fell by 13 per cent to 657 tons in 2009, reflecting lower opium production in both Afghanistan and Myanmar. The actual amount of heroin reaching the market is much lower (around 430 tons) since significant amounts of opium are being stockpiled. UNODC estimates that more than 12,000 tons of Afghan opium (around 2.5 years' worth of global illicit opiate demand) are being stockpiled.

The  World Drug Report 2010 shows that in the past few years cocaine consumption has fallen significantly in the United States, where the retail value of cocaine declined by about two thirds in the 1990s and by about one quarter in the past decade.

To an extent, the problem has moved across the Atlantic: in the last decade, the number of cocaine users in Europe has doubled, from 2 million in 1998 to 4.1 million in 2008. By 2008, the European market ($34 billion) was almost as valuable as the North American market ($37 billion). The shift in demand has led to a shift in trafficking routes, with an increasing amount of cocaine flowing to Europe from the Andean countries via West Africa, causing regional instability. "People snorting coke in Europe are killing the pristine forests of the Andean countries and corrupting governments in West Africa", said Mr. Costa.

Globally, the number of people using amphetamine-type stimulants - estimated at around 30-40 million - is soon likely to exceed the number of opiate and cocaine users combined. There is also evidence of increasing abuse of prescription drugs. "We will not solve the world drugs problem if we simply push addiction from cocaine and heroin to other addictive substances - and there are unlimited amounts of them, produced in mafia labs at trivial costs", warned Mr. Costa.

The market for amphetamine-type stimulants is harder to track because of short trafficking routes (manufacturing usually takes place close to the main consumer markets) and the fact that many of the raw materials are both legal and readily available. Manufacturers are quick to market new products (like ketamine, piperazines, mephedrone and Spice) and exploit new markets. "These new drugs cause a double problem. First, they are being developed at a much faster rate than regulatory norms and law enforcement can keep up. Second, their marketing is cunningly clever, as they are custom-manufactured so as to meet the specific preference in each situation", said Mr. Costa.

The number of clandestine laboratories involved in the manufacture of amphetamine-type stimulants is reported to have increased by 20 per cent in 2008, including in countries where such labs had never been detected before.
Manufacture of "ecstasy" has increased in North America (notably in Canada) and in several parts of Asia, and use seems to be increasing in Asia. In another demonstration of the fluidity of drug markets, "ecstasy" use in Europe has plummeted since 2006.

Cannabis remains the world's most widely produced and used illicit substance: it is grown in almost all countries of the world and is smoked by 130-190 million people at least once a year - though these parameters are not very telling in terms of addiction. The fact that cannabis use is declining in some of its highest value markets, namely North America and parts of Europe, is another indication of shifting patterns of drug abuse.

UNODC found evidence of indoor cultivation of cannabis for commercial purposes in 29 countries, particularly in Europe, Australia and North America. Indoor cultivation is a lucrative business and is increasingly a source of profit for criminal groups. Based on evidence gathered in 2009, Afghanistan is now the world's leading producer of cannabis resin (as well as of opium).

The  World Drug Report 2010 exposes a serious lack of drug treatment facilities around the world. "While rich people in rich countries can afford treatment, poor people and/or poor countries are facing the greatest health consequences", warned the head of UNODC. The Report estimates that, in 2008, only around one fifth of problem drug users worldwide had received treatment in the previous year, which means that around 20 million drug dependent people did not receive treatment. "It is time for universal access to drug treatment", said Mr. Costa.

He called for health to be the centrepiece of drug control. "Drug addiction is a treatable health condition, not a life sentence. Drug addicts should be sent to treatment, not to jail. And drug treatment should be part of mainstream health care."

He also called for greater respect for human rights. "Just because people take drugs, or are behind bars, this doesn't abolish their rights. I appeal to countries where people are executed for drug-related offences or, worse, are gunned down by extrajudicial hit squads, to end this practice".

Mr. Costa highlighted the dangers of drug use in the developing world. "Poor countries are not in a position to absorb the consequences of increased drug use. The developing world faces a looming crisis that would enslave millions to the misery of drug dependence". He cited the boom in heroin consumption in East Africa, the rise of cocaine use in West Africa and South America, and the surge in the production and abuse of synthetic drugs in the Middle East and South-East Asia. "We will not solve the world drug problem by shifting consumption from the developed to the developing world", said Mr. Costa.

The  World Drug Report  2010 contains a chapter on the destabilizing influence of drug trafficking on transit countries, focusing in particular on the case of cocaine. It shows how underdevelopment and weak governance attract crime, while crime deepens instability. It shows how the wealth, violence and power of drug trafficking can undermine the security, even the sovereignty, of States. The threat to security posed by drug trafficking has been on the agenda of the Security Council several times during the past year.

While drug-related violence in Mexico receives considerable attention, the northern triangle of Central America, consisting of Guatemala, Honduras and El Salvador, is even more seriously affected, with murder rates much higher than in Mexico. The Report says that the Bolivarian Republic of Venezuela has emerged as a major departure point for cocaine trafficked to Europe: between 2006 and 2008, over half of all detected maritime shipments of cocaine to Europe came from that country.

The Report highlights the unstable situation in West Africa, which has become a hub for cocaine trafficking. It notes that "traffickers have been able to co-opt top figures in some authoritarian societies", citing the recent case of Guinea-Bissau.

Mr. Costa called for more development to reduce vulnerability to crime and increased law enforcement cooperation to deal with drug trafficking. "Unless we deal effectively with the threat posed by organized crime, our societies will be held hostage - and drug control will be jeopardized, by renewed calls to dump the UN drug conventions that critics say are the cause of crime and instability. This would undo the progress that has been made in drug control over the past decade, and unleash a public health disaster", he warned.  "Yet, unless drug prevention and treatment are taken more seriously, public opinion's support for the UN drug conventions will wane".

Speaking at the launch, Mr. Kerlikowske said: "The United States recognizes, as a major drug consuming nation, our responsibility to reduce American drug use and global consequences of that use. For this reason, the Obama Administration released last month its first National Drug Control Strategy emphasizing community-based prevention, early intervention, integration of drug treatment into our health-care system, and evidence-based prevention and treatment, combined with innovations in the criminal justice system. These new efforts will complement our continuing efforts at home and abroad to disrupt drug trafficking organizations, interdict currency and weapons before they get in the hands of drug cartels, and assist our partners around the world to reduce drug production, trafficking and use."

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http://www.unodc.org/documents/wdr/WDR_2010/World_Drug_Report_2010_lo-res.pdf

CONTENTS
http://www.unodc.org/unodc/en/data-and-analysis/WDR-2010.html
1. Transnational drug market analysis
1.1 Introduction
1.2 The global heroin market
1.3 The global cocaine market
1.4 The global amphetamine-type stimulants market

2. Drug statistics and trends
2.1 Understanding the extent and nature of drug use
2.2 Opium/heroin
2.3 Coca/cocaine
2.4 Cannabis
2.5 Amphetamine-type stimulants

3. The destabilizing influence of drug trafficking on transit countries: The case of cocaine

4. Statistical annex
4.1 Production
4.2 Consumption

Further statistical information on seizures
Drug seizures (by drug class and country)
Laboratory seizures (by drug class and country)
Global and regional seizure totals for:  ATS -  cannabis herb -  cannabis resin -  cocaine -  ecstasy -  heroin and morphine -  opium -  opiates

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30 JAHRE ZÜRI BRÄNNT
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Limmattaler Tagblatt 24.6.10

"Nach 80 machte man weiter"

 Kristin Gunkel baute im Zuge der 80er-Bewegung ein selbstverwaltetes Jugendhaus auf

 Kristin Gunkel blickt auf ein bewegtes Leben zurück: Vor 30 Jahren baute sie in Dietikon das erste selbstverwaltete Jugendhaus auf. Dann zog es sie nach Nicaragua, wo sie den Bauern ihr tierärztliches Wissen weitergab. Heute lebt sie als Tierärztin bei Interlaken.

 Matthias Scharrer

 Wir treffen uns am Bahnhof Interlaken Ost und fahren zu ihrer Wohnung in einem alten Berner Oberländer Haus. Durchs Stubenfenster sieht man die schneebedeckte Kuppe der Jungfrau. Gunkel kocht Espresso und lehnt sich im Schaukelstuhl zurück.

 Machen wir einen Zeitsprung: Wie kamen Sie mit der 80er-Bewegung in Kontakt? Kristin Gunkel: Ich war am 30. Mai 1980 per Zufall in Zürich, im Café Mandarin beim Bahnhof Stadelhofen. Ich weiss nicht mehr warum und mit wem. Als wir rauskamen, lag Tränengas in der Luft. Wir wussten: Das muss mit dem Opernhaus-Kredit zu tun haben.

 Die als "Opernhaus-Krawall" berühmt gewordene Demo an jenem Tag bildete den Auftakt der Unruhen, die Zürich von 1980 bis 1982 erschütterten. Gunkel, die damals kurz vor dem Abschluss ihres Tiermedizin-Studiums stand, hat an der "Bewegung" nach eigenen Angaben nicht gross teilgenommen: Sie verfolgte sie am Radio und ging manchmal an die Demos, um zu sehen, was lief. Und doch setzte die "Bewegung" in ihrem Leben etwas in Bewegung.

 Schon während des Studiums hatte sie in Zollikerberg zusammen mit Franz Stappung Jugendarbeit geleistet - freiwillig, ohne Lohn. "Als dann 1980 alle über die gewalttätige Jugend schimpften, fanden wir, wir müssten etwas tun, gerade in dieser Zeit." Inseraten entnahm sie, dass nahezu jede Gemeinde rund um Zürich Jugendarbeiter suchte. "Wir sahen uns einige der Jugendhäuser an. Manche waren in Zivilschutzbunkern unter der Erde untergebracht. Wir fanden: So geht das nicht. Entweder man nimmt die Jugendlichen ernst - oder man lässt es bleiben."

 In Dietikon, wo ebenfalls eine Stelle ausgeschrieben war, traf sie auf überzeugende Rahmenbedingungen: Ein geräumiges Haus, das längerfristig zur Verfügung stand - und in dem sie mit Stappung ihre Idee eines selbstverwalteten Jugendhauses umsetzen konnte.

 Selbstverwaltet, das hiess für sie: Die, die das Jugendhaus brauchen, machen es. Mit möglichst wenig Sozialarbeitern, denen primär die Aufgabe zukam, den Behörden zu erklären, was die Jugendlichen wollten.

 "Wir machten eine Studienreise durch Europa, um autonome Jugendhäuser anzuschauen", erinnert sich Gunkel. Vorbilder gab es etwa in Deutschland, Dänemark und Holland. Und in Zürich, wo die "Bewegung" beim Hauptbahnhof das Autonome Jugendzentrum (AJZ) erkämpfte? "Das AJZ wurde erdrückt von sozialen Problemen aus der ganzen Stadt", sagt Gunkel. Selbstverwaltung sei dort sehr schwierig gewesen. "Mit so vielen Leuten für alle gültige Regeln aufzustellen, ist äusserst anspruchsvoll."

 Anspruchsvoll war es auch in Dietikon, wo sie ab 1981 als Jugendhaus-Leiterin arbeitete. Wer etwas im "Jugi" machen wollte, musste jeweils dienstags an dessen Versammlung kommen. Dort wurde "diskutiert, bis man sich einig war", sagt Gunkel. "Das konnte Stunden dauern, vor allem in der Anfangszeit. Doch es funktionierte gut."

 Gunkel machte eine Erfahrung, die sie später in Nicaragua erneut machen sollte: "Du kannst die Leute mit nichts so überraschen, wie wenn du fragst, was sie eigentlich wollen." Die Dietiker Jugend wollte Rockkonzerte, ein Café, eine Disco im Keller, einen Band-Übungsraum - und einen Raum, der einfach leer war. Im "Jugi" konnte sie sich diese Wünsche erfüllen.

 Einige der "Jugi"-Gänger traf Gunkel auch in Zürich an den Demos der "Bewegung". Ein komisches Gefühl? "Nein", entgegnet sie. "Es war klar, auf welcher Seite wir standen."

 Nach fünf Jahren gab Gunkel im Februar 1986 die Leitung des Dietiker Jugendhauses ab und ging auf Reisen. In Nicaragua blieb sie schliesslich zwölf Jahre hängen und leistete in einem abgelegenen Dorf Entwicklungsarbeit - wieder selbstverwaltet, also, indem sie sich nach den Bedürfnissen der dortigen Landbevölkerung ausrichtete und ihr Wissen als Tierärztin weitergab. Als ihr Projekt längst auf sicheren Füssen stand, zog es Gunkel zurück in die Schweiz. Diesmal verschlug es sie auf ein Stelleninserat hin ins Berner Oberland, wo sie seither in einer Tierarzt-Praxis arbeitet.

 Frau Gunkel, wenn Sie auf die 80er-Bewegung und Ihr Wirken in der Jugendarbeit zurückblicken: Was bleibt?

 Gunkel: Dass es geht. Wir hatten eine Vision, die Vision eines selbstverwalteten Jugendhauses, und wir haben sie zusammen umgesetzt. Zentral war dabei der Durchhaltewillen der Jugendlichen, die es zuvor schon oft erfolglos probiert hatten.

 Und was hat die 80er-Bewegung gebracht?

 Gunkel: Die Behörden merkten plötzlich: Da gibt es ja Jugendliche - und die wollen zu Recht etwas. Das war schon mal eine Erkenntnis. Nach der 68er-Bewegung machte man vieles einfach fertig. Nach der 80er-Bewegung machte man weiter. Es entstanden viele selbstverwaltete Betriebe: Restaurants, Handwerksbetriebe, Jugendhäuser. Viele sind allerdings inzwischen wieder verschwunden. Wir leben heute in einer unverbindlicheren Zeit.

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 Züri brännt

 Mit dem Opernhauskrawall brach am 30. Mai 1980 in Zürich die Zeit der "Bewegung" an. Demonstrationen und Ausschreitungen, die sich an der Forderung nach Raum für alternative Kultur und ein autonomes Jugendzentrum (AJZ) kristallisierten, hielten die Stadt bis zum Abbruch des AJZ am 28. März 1982 in Atem. Zu den Kulturbetrieben, die aus dieser Zeit hervorgingen, gehören die Rote Fabrik und das Jugendhaus Dynamo. In loser Folge stellen wir Ihnen Menschen vor, die in der Jugendbewegung eine Rolle spielten. Bereits erschienen: Achmed von Warburg, Ex-Punk und Ex-Stadtratskandidat, Christoph Schaub, Regisseur, und Olivia Heussler, Fotografin. (liz)

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FUSSBALL
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WoZ 24.6.10

Fest

 Alternative Liga

 Fussball ist zurzeit das dominierende Thema in den Medien, am Stammtisch und in den Gesprächen vieler. In diesem ganzen WM-Fussballzirkus werden die Frauen total ausgeblendet: Elf Männer spielen gegen elf Männer, die Schieds- und Linienrichter sind alle männlich und dann erst die Experten, Kommentatoren und Reporter, die ihren Senf zu den Spielen geben: allesamt Männer. Als ob Frauen in Sachen Fussball nichts zu sagen hätten! Dabei gibt es seit Jahren auch in der Schweiz Hobby- und Profifussballspielerinnen, und Expertinnen in Sachen Fussball liessen sich bestimmt finden.

 Zum Beispiel bei der Alternativen Frauenliga Zürich. Diese feiert heuer ihr 10-Jahr-Jubiläum. Vor einem Jahrzehnt fand auf dem Hardhof die erste Frauen meisterschaft der Alternativen Liga Zürich statt. Noch immer sind Spielerinnen der ersten Stunde dabei, ständig kommen auch neue dazu. Die Frauenliga ist mittlerweile von fünf auf zwölf Teams gewachsen.

 Am Fest findet ein Jubiläumsduell zwischen einem Team der Alternativen Frauenliga und der 2. Mannschaft der FCZ-Frauen statt. Ab 16 Uhr gibts eine WM-Bar, und zwischen und nach den WM-Spielen treten die langjährige Frauenliga-Fussballerin Stella Glitter und ihre Freundinnen mit Rock 'n' Roll und Fussballliedern auf. süs

 "10 Jahre Alternative Frauenliga Zürich - Lasst die Korken knallen" in: Zürich Zum Glatten Köbi im Exil, Sa, 26. Juni, ab 16 Uhr. Jubiläumsduell beim Schulhaus Milchbuck, 13.30 Uhr.


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20 Minuten 24.6.10

Juso schockieren Fussballfans mit Panini-Bildern von Putsch-Opfern

 ZÜRICH. Die Juso wollen vor dem morgigen WM-Knüller blutige Panini-Bilder von Putsch-Opfern aus Honduras verteilen. Für die anderen Jungparteien wird die Partei damit zum Spassverderber.

 Roger Vallejo Soriano, 37, blutüberströmt mit einer Schusswunde im Kopf - solche Bilder zeigen die Juso und das Zentralamerika-Sekretariat Schweiz in ihrem "Minipaniniheft", das sie seit heute verteilen. Statt honduranischen Spielern können darin Bildchen von Opfern des Staatsstreichs von 2009 in Honduras eingeklebt werden. "Wir dürfen nicht vergessen: Die Nati spielt morgen gegen ein Land, in dem auch heute noch Menschen aus politischen Gründen ermordet werden und Putschisten an der Macht sind", sagt Juso-Chef Cédric Wermuth. Auf der Frontseite des Hefts steht deshalb "Rote Karte für die Putschregierung in Honduras".

 Die rote Karte würden die Jungparteien der CVP und der FDP am liebsten Wermuth selbst zeigen: "Ich bedaure sehr, dass die Juso Sport und Politik nicht auseinanderhalten kann", sagt JFDP-Vorstand und Nationalrat Christian Wasserfallen. "So etwas verdirbt einem die Freude am Fussballschauen." Auch JCVP-Präsident Simon Oberbeck hält die Aktion für völlig deplatziert: "Die Juso missbraucht ein freudiges Fest für primitive Effekthascherei." Er hat Wermuth bereits nach dem Plakat mit den Parteipräsidenten als Prostituierte (20 Minuten berichtete) in einem offenen Brief zum Rücktritt aufgefordert. Dieser reagiert mit Kopfschütteln: "Die Gleichgültigkeit der bürgerlichen Jungparteien erschreckt mich. Die Menschen in Honduras haben unsere Solidarität jetzt dringend nötig."  

Lorenz Hanselmann

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BIG BROTHER SPORT
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WoZ 24.6.10

FUSSBALLFANS - Das Mittragen von Pyrotechnik ist nicht strafbar, das St. Galler Kreisgericht spricht Fans frei. Was sagt ihre Anwältin?

 Ein Flop für die Hardliner

 Von Andreas Kneubühler

 In der ganzen Schweiz gibt es Probleme mit randalierenden Fussball- oder Eishockeyfans - aber nur im Kanton St. Gallen ist das Thema derart politisch aufgeladen. Der Grund: Es gibt dort mit der FDP-Regierungsrätin Karin Keller-Sutter eine Politikerin, die ihre Bundesratskarriere vorantreibt, indem sie gegen eine Gruppe ohne Lobby demonstrative Härte zeigt, und es gibt dort die Justiz unter dem Ersten Staatsanwalt Thomas Hansjakob (SP), die diesen Kurs beflissen umsetzt. Wiederholt lobte sich die Regierungsrätin in Interviews selber und forderte: Das Vorgehen in St. Gallen müsse schweizweit zum Standard werden.

 Der bisherige Höhepunkt der politisch kalkulierten Machtdemonstrationen wurde am 21. März 2010 erreicht, als vor dem Match des FC St. Gallen gegen den FC Basel die Eingangskontrollen ohne Ankündigung rigoros verschärft wurden. Mit dem Resultat übrigens, dass die Basler Fankurve während des Spiels trotzdem Pyros zündete und es am Bahnhof zu heftigen Krawallen kam.

 Zieht man drei Monate nach den damaligen Schnellurteilen eine vorläufige Bilanz, muss man einen Flop konstatieren. Dem St. Galler Repressionsapparat wurde ziemlich viel Luft abgelassen. Dazu trug die Geschichte um die Schläger innerhalb der Delta Security bei, die neben der Securitas in der AFG-Arena für die Eingangskontrolle zuständig waren und mit Teleskopschlagstöcken ausgerüstet wurden. Einer der Delta-Männer enttarnte sich nach dem Einsatz durch triumphierende Facebook-Einträge gleich selber als brutaler Schläger und wurde auf Druck der Medien entlassen. Zur Erinnerung: Bei den Auseinandersetzungen vor dem Eingang hatten verschiedene Basler Anhänger Riss-, Quetsch- und Platzwunden am Kopf davongetragen.

 Zehn Fans waren bei den Eingangskontrollen verhaftet worden. Sieben blieben bis zu 48 Stunden in Polizeihaft und wurden dann abgeurteilt. Um die Haft zu begründen, legte ihnen die Polizei in einem ersten Aufwisch alle möglichen Delikte zur Last, von Landfriedensbruch über Gewalt und Drohung gegen Beamte oder Vermummung bis zu Körperverletzung. Unter dem Strich blieb davon nicht allzu viel übrig: Im Wesentlichen sind es sieben Schnellurteile wegen Verstosses gegen das Sprengstoffgesetz. Gegen die Busse und die bedingten Geldstrafen erhoben die Fans Einsprache. Das St. Galler Kreisgericht sprach im Urteil vom 16. Juni sechs von ihnen frei. Ein Fall ist noch offen. Der Einzelrichter befand, das Sprengstoffgesetz biete keine gesetzliche Grundlage, "um bereits das Mitführen pyrotechnischer Gegenstände im Sportstadion strafrechtlich zu sanktionieren".

 Die Zürcher Anwältin Manuela Schiller hat die Anhänger vor Gericht vertreten.

 WOZ: Frau Schiller, waren die Freisprüche eine Überraschung?

 Manuela Schiller: Eigentlich nicht. Ich habe mich zuvor beim Bundesamt für Polizei rückversichert und auch das Kreisgericht auf dessen Haltung aufmerksam gemacht. Die Bundespolizei hält klar fest, dass das Mitführen von Leuchtfackeln nicht strafbar ist. Diese Auslegung kannten übrigens auch die Untersuchungsbehörden in St. Gallen. Sie rechneten wohl damit, dass sich die Leute nicht wehren würden.

 Wie liefen die Kontrollen ab?

 Die Anhänger wurden bei der Eingangskontrolle von Securitas-Mitarbeitern abgetastet, besonders in der Genitalgegend. Wurde das Sicherheitspersonal fündig, wurde die Person gepackt, niedergedrückt und in einen abgetrennten Raum gebracht. Die Fans wurden auf den Boden gedrückt, die Hände mit Kabelbindern gefesselt. Ein Sicherheitsbeamter zog ihnen dann die Hosen aus.

 Die verhafteten Fussballanhänger hätten neben einer bedingten Geldstrafe auch noch eine Art gerichtliches Stadion- und Rayonverbot erhalten. Wie steht es damit?

 Mit den Freisprüchen wurden die Weisungen nun nicht mehr überprüft, welche die St. Galler Behörden als Standard schweizweit durchsetzen wollen. Diese Weisungen, die nicht mit den bereits bekannten Stadion- und Rayonverboten zu verwechseln sind, würden bedeuten, dass die Fans vor und nach einem Spiel von jedem der 46 Stadien eines Fussball- oder Eishockeyklubs der obersten beiden Ligen einen Abstand von mindes tens tausend Meter einhalten müssten. Das einzuhalten, wäre eine enorme Einschränkung.

 Wird nach den Freisprüchen nun einfach das Sprengstoffgesetz angepasst?

 Die St. Galler Behörden werden das Urteil weiterziehen, wohl bis vor Bundesgericht. Der Wortlaut des Gesetzes ist aber klar. Eine Anpassung könnte kompliziert werden, denn man müsste Pyros beispielsweise von den Signalraketen für Segler oder Bergsteiger unterscheiden können.

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ANTI-ATOM
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Bund 24.6.10

Sind zwei AKW zuviel für den Kapitalmarkt?

 Alpiq möchte neue Atomkraftwerke gestaffelt bauen. Im Spiel ist auch Taktik um die Standorte.

 Andreas Flütsch

 Der Finanzchef des Energiekonzerns Alpiq, Kurt Baumgartner, sorgte gestern in der Strombranche für Irritation mit Aussagen in der "Handelszeitung", die Schweiz könne "zwei Kernkraftwerke kaum gleichzeitig bauen". Dies überfordere die Kapazitäten des Schweizer Kapitalmarkts und der hiesigen Baubranche.

 "Die Finanzierung unserer beiden Projekte ist gewährleistet", hielt Axpo-Chef Heinz Karrer dagegen, der zusammen mit dem Stromkonzern BKW in Beznau AG und Mühleberg BE in kurzer Folge zwei neue Atomkraftwerke bauen will. Neben der Schweiz ist laut Karrer zudem der Zugang zum Euro-Kapitalmarkt eine "sehr reale Möglichkeit".

 Alpiq-Finanzchef Baumgartner hält an seiner Position fest, präzisierte diese aber gestern: "Es wird kaum möglich sein, dass zwei Werke miteinander in der gleichen Periode allein über den Schweizer Kapitalmarkt finanziert werden können." Es sei zwar möglich, neue Werke teilweise über den Euro-Kapitalmarkt zu finanzieren. "Dort sind die Zinsen aber im Schnitt eineinhalb Prozent höher", sagt Baumgartner.

 Darum sei es sinnvoll und auch billiger, den Bau der 6 bis 8 Milliarden Franken teuren Atommeiler zu staffeln. "Ideal wäre, wenn erst nach abgeschlossener Finanzierung des ersten Werkes das zweite in Angriff genommen würde", sagt Baumgartner, "sonst riskiert man, dass man durch die grosse Belastung des Kapitalmarktes die Risikoprämien und damit die Finanzierungskosten unnötig in die Höhe treibt."

 In der Branche fragt man sich, warum Alpiq drei Jahre vor einer nationalen Volksabstimmung für eine Staffelung neuer AKW eintritt. Alpiq will bekanntlich ein AKW in Gösgen SO bauen. Er habe nicht gesagt, "dass das zweite Werk zehn oder gar zwanzig Jahre später folgen soll", sucht Baumgartner die Wogen zu glätten. Er äussere sich auch nicht, "an welchen Standorten in welcher Reihenfolge gebaut wird". Darauf werde der laufende Behördenprozess laut Atomgesetz Antworten geben.

 Gemeinsam bauen

 Just letztere Aussage ist indes ein Hinweis auf die Taktik von Alpiq. "Wir setzen uns dafür ein, dass die zwei neu- en Werke als Gemeinschaftswerke von den grossen Versorgungsunternehmen Axpo, Alpiq und BKW zusammen errichtet und betrieben werden", betont Baumgartner. Aber bloss: wo bauen? Bis die drei Projekte abstimmungsreif sind, dauert es Jahre. Das Konkurrenzprojekt in Mühleberg könnte schon im Februar 2011 einen schweren Dämpfer erhalten: Dann nämlich, wenn der Berner Souverän in der konsultativen Abstimmung über die Vernehmlassung Nein sagen sollte. Im Rennen wären dann nur noch Beznau und Gösgen. So versucht Alpiq, Zeit zu gewinnen, während Axpo und BKW auf eine Einigung bei den Standorten drängen.

 Einigung über Standorte vertagt

 Im Februar hiess es, die drei Konkurrenten vertagten den Standortentscheid auf 2011. Axpo und BKW haben aber offenbar von der Position, Beznau und Mühleberg müssten, weil sie älter sind, zuerst ersetzt werden, nicht abgelassen. Folgerichtig macht Alpiq gegen deren fast gleichzeitigen Bau Stimmung, weil Gösgen sonst Gefahr läuft, als überzählig abgestempelt zu werden.

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 Energieverbrauch gesunken

 Wegen des warmen Wetters und der schwachen Wirtschaftslage haben Schweizerinnen und Schweizer im vergangenen Jahr 2,5 Prozent weniger Energie verbraucht als 2008. Der gesamte Energieverbrauch lag im Jahr 2009 bei 877 560 Terajoule, wie das Bundesamt für Energie (BFE) mitteilte. Dieser Rückgang um 2,5 Prozent ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen: Im Vorjahr hatte der Energieverbrauch den höchsten Stand aller Zeiten erreicht. Zurückgegangen ist 2009 vor allem der Verbrauch von Heizöl (-3,9 Prozent), Erdgas (-4 Prozent) und Flugtreibstoff (-4,1 Prozent). Auch der Stromverbrauch sank um 2,1 Prozent. Zugenommen hat hingegen die Nutzung von erneuerbaren Energien. (sda)

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Langenthaler Tagblatt 24.6.10

SP will die BKW zu Neutralität verpflichten

 "Mühleberg"-Ersatz Vom BKW-Verwaltungsrat beschlossene Grundsätze zur Information sollen überprüft werden

 Darf die BKW Abstimmungspropaganda betreiben? Der Regierungsrat findet Nein, die BKW ist gegenteiliger Meinung: Vor Abstimmungen sei sie bei Betroffenheit sogar zur Information verpflichtet.

 Eine halbe Million Franken investierte die BKW Energie AG im vergangen November in einen Abstimmungskampf im Waadtland: Die Waadtländer sagten in der Konsultativbefragung trotzdem mit 64 Prozent Nein zur unbefristeten Betriebsbewilligung für das bestehende Atomkraftwerk Mühleberg. Im Dezember hat der dafür zuständige Bundesrat Moritz Leuenberger dem Gesuch der BKW jedoch entsprochen (wir berichteten).

 Das sich der mehrheitlich dem Kanton Bern gehörende Stromkonzern in Abstimmungskämpfe einmischt, stösst auf politischen Widerstand. In einem Vorstoss reklamiert Roland Näf (Muri), Grossrat und Vizepräsident der SP: "Solche Finanzierungen sind unvereinbar mit unserem demokratischen System. Stromkonsumenten, welche eine andere Meinung als die BKW haben, müssen mit dem Begleichen ihrer Stromrechnungen eine Propaganda unterstützen, die sie entschieden ablehnen."

 Bei der mehrheitlich rot-grünen Regierung stösst Näf auf Zustimmung. "Auch der Regierungsrat ist klar der Auffassung, dass Unternehmen wie die BKW, welche mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören, bei Volksabstimmungen grundsätzlich keine Informations- und Kommunikationsmassnahmen finanzieren sollen." Im Voraus habe sie keine Kenntnis vom Vorgehen im Waadtland gehabt, schreibt der mit Barbara Egger (SP) und Beatrice Simon (BDP) im elfköpfigen BKW-Verwaltungsrat vertretene Regierungsrat. Die Regierung verfüge auch über keine direkten Eingriffsmöglichkeiten. Die BKW sei privatrechtlich organisiert und börsenkotiert. Der BKW-Verwaltungsrat habe 1987 "Grundsätze zur BKW-Information bei Volksabstimmungen" erlassen. Diese sähen vor, dass die BKW die Bevölkerung vor eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Volksabstimmungen informieren könne, wenn die Unternehmung betroffen ist. Im Fall "Waadt" sei die Kompetenz bei der Unternehmensleitung gelegen.

 Keine finanziellen Beiträge

 Laut Angaben der BKW bezahlte das Unternehmen in den vergangenen Jahren jedoch weder Beiträge an politische Parteien noch an Wahlkomitees. Solche seien auch künftig nicht vorgesehen, bestätigt auf Anfrage BKW-Sprecher Sebastian Vogler. Und wie wird sich die BKW bei der vom Regierungsrat angekündigten Konsultativ-Befragung des Berner Stimmvolks zum "Mühleberg"-Ersatz-Atomkraftwerk verhalten? Vogler: "Die erwähnten ‹Grundsätze› basieren auf Urteilen des Bundesgerichts. Demnach sind wir sogar dazu verpflichtet, sachlich zu informieren. Aber Geld wird keines fliessen an Komitees."

 Zurück zum SP-Vorstoss: In seiner schriftlichen Antwort betont der Regierungsrat, er werde sich im BKW-Verwaltungsrat dafür einsetzen, dass dieser die "Grundsätze" überprüft. Die SP ihrerseits verlangt mehr: Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand seien zu Neutralität zu verpflichten. In einer Stellungnahme äussert die SP die Befürchtung, dass sich die Situation in Zukunft durch die "massiven persönlichen Interessenbindungen zwischen der BKW und der BDP" verschärfen könnte: Verwaltungsratspräsident Urs Gasche ist Präsident BDP Kanton Bern. Der Kommunikationschef Dieter Widmer ist BDP-Fraktionspräsident und BDP-Regierungsrätin Beatrice Simon ist BKW-Verwaltungsrätin. (uz)

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Aargauer Zeitung 24.6.10

Tiefenlager technisch leicht, politisch schwer zu lösen

 Böttsteiner Tagung der FDP Aargau befasst sich mit Endlager-Standort

 Technisch lassen sich die radioaktiven Abfälle leicht für immer wegsperren, sagen die Fachleute. Aber das Volk in den Lagerkantonen hat Mühe, das zu glauben.

 Hans Lüthi

 Die Freisinnigen fahren in der Kernenergie eine klare Linie. "Wir haben uns immer zu den Kernkraftwerken bekannt, also müssen wir auch die Abfallprobleme lösen", sagt FDP-Präsidentin Doris Fischer-Taeschler. An der Böttsteiner Tagung greift die Partei immer ein brennendes Schwerpunktthema auf. Das Tiefenlager passt zur Gegend, das Atomkraftwerk Beznau liegt ganz nah, vom Lager Bözberg wäre auch die Region tangiert.

 Sicher für eine Million Jahre

 Fachleute von höchster Kompetenz präsentierten die Ausgangslage. Als oberster Lagerpapst kam Direktor Walter Steinmann vom Bundesamt für Energie nicht ungern in den Aargau, weil der nicht zu den Verweigerer-Kantonen gehöre. Die Reduktion von heute sechs auf einen oder zwei Standorte werde in drei Etappen entschieden, durch Bundesrat, Parlament und Volk. Das schwach- bis mittelaktive Lager sei ab 2030, das hoch radioaktive Lager ab 2040 nötig. Die Abfälle müssen bis zu einer Million Jahre von der Biosphäre ferngehalten werden. Kein Problem, findet Markus Fritschi von der Nagra, der Opalinus-Ton sei 130 Meter dick und habe sich 180 Millionen Jahre nicht verändert. Wenn Wasser dazu komme, quelle der Ton auf.

 Aargau möglicher Standort?

 "Ja", sagte Landammann Peter C. Beyeler kurz und bündig, um dann vertieft darauf einzugehen. Dabei kritisierte er jene Kantone und speziell die Städte Basel, Bern und Zürich, welche den Atomstrom aus dem Aargau gerne konsumieren, aber mögliche Lösungen torpedieren. In diese Verhinderer-Gruppe will sich der Aargau nicht einreihen, stellt aber klar: "Die höchste Sicherheit muss allein über den Standort entscheiden." Das richtige Mass der Mitwirkung für die Bevölkerung ist problembehaftet, wie Ueli Müller von der Plattform Bözberg darlegte. Milizpolitiker seien zeitlich und fachlich überfordert. Der ganze Aufwand könne zur Alibi-Übung werden, weil der Bund am Schluss autonom entscheide.

 Sicherheit und Ethik

 Sicherheit und nochmals Sicherheit prägten die Diskussion, wobei die Fachleute versicherten, technisch und geologisch sei alles sicher machbar. "Aber politisch und emotional ist das ein riesiges Problem", meinte ein Redner zur Akzeptanz in der Bevölkerung. Wie man das ethisch verantworten könne, für die nächsten 3000 Generationen zu entscheiden. Dem hielt der frühere Beznau-Leiter Walter Nef entgegen, die Menschheit produziere seit 100 Jahren gefährliche Abfälle und beute die Ressourcen verantwortungslos aus. "Das sind die wirklichen Hypotheken für kommende Generationen, nicht die mustergültig gelösten radioaktiven Abfälle".

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Oltner Tagblatt 24.6.10

Skepsis blieb ein steter Begleiter

Niederamt ohne Endlager Informationsabend rund um die Problematik Atommüll-Endlager

 Der Verein Niederamt ohne Endlager lud - und viele kamen. Im Oltner Parlamentssaal waren Informationen zur Problematik "Atommüll XY ungelöst" traktandiert.

 Urs Huber

 Schweizweit sechs mögliche Standorte für die Endlagerung radioaktiver Abfälle hat die Nagra, die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, ausgemacht. Darunter auch einen am Jurasüdfuss - also auch in der Region Niederamt. Geologische Formationen würden dort ein Lager für mittel- bis schwach radioaktive Stoffe möglich machen, so die Nagra.

 Verhindern - aber wie?

 Die Region als Atommüllhalde der Nation? Das will der Verein Niederamt ohne Endlager (NOE) mit ihrem Vorsitzenden, Kantonsrat Urs Huber (Obergösgen) verhindern. Der lud am Dienstag zur Infoveranstaltung "Atommüll XY ungelöst" in den Oltner Parlamentssaal. Rund 80 Personen folgten dem Ruf, wollten sich unter Mitwirkung der Schweizerischen Energiestiftung (SES) und deren Fachfrau Sabine von Stockar im argumentativen Kampf schulen und aufrüsten lassen oder Fragen beantwortet wissen.

 Moderater Tonfall

 Eigentlich fast überraschend schlug man im Allgemeinen einen doch eher moderaten Ton an. Weniger kategorische Ablehnung denn grundlegende Skepsis prägten die Atmosphäre, auch wenn während des Abends immer wieder davon gesprochen wurde, "die" im Wellenberg NW/OW, einer der sechs Standorte, hätten durch ihre Standfestigkeit und Entschlossenheit erreicht, dass dort mit Sicherheit kein Endlager eingerichtet werde. Eine Vertreterin aus dem zürcherischen Weinland (ebenfalls möglicher Standort) folgte Grundsätzlicherem und rief dazu auf, der Nuklearenergie überhaupt zu entsagen. Diese sei wider die Würde der Schöpfung und schaffe Probleme ungeahnten Ausmasses, die von der Menschheit nicht zu bewältigen seien. Haken dieses philosophischen Gedankengangs blieb allerdings die Tatsache, dass radioaktive Abfälle bereits seit über 40 Jahren aus Medizin und Forschung anfallen - wenn auch in deutlich geringeren Mengen und ebenso deutlich schwächer strahlend als jener aus Kernkraftanlagen. Aber: Auch sie harren bis heute einer sicheren Entsorgung.

 Der Argumente viele

 Argumente gegen die von der Nagra propagierte Form der Endlagerung von radioaktivem Müll - einem Tiefenlager ummantelt von Stahlbehälter, Betonit und entsprechender geologischer Umgebung (Opalinuston) - lieferte von Stockar viele: lecke Lager, verursacht durch chemischen Reaktionen, versehentliche Tangierung durch Geothermiebohrungen oder etwa geologische Verwerfungen. Vor diesem Hintergrund kritisierte sie auch den Umstand, dass die Tiefenlager lediglich während 50 Jahren unter Beobachtung und Kontrolle stünden, nachher versiegelt und - vergessen würden. Und dies bei einer angeblichen Strahlungsdauer von 1 Mio. Jahren. Ein Argument, das von einem anwesenden Vertreter der Nagra nicht vollständig entkräftet werden konnte. Er ergänzte zwar, die Versiegelung würde nur mit bundesrätlicher Genehmigung erfolgen. Es blieb letztlich aber bei der ebenso trivial tönenden wie nur schwer erfüllbaren Forderung der SES: "Sichere und reversible Lösungen auf Zeit statt Scheinlösungen für alle Ewigkeit."

 Und die Mitsprache?

 Zu reden gaben auch Form und Möglichkeit der Mitsprache; Fragen, die trotz Drängen Urs Hubers nicht restlos geklärt werden konnten. Bis und mit dem Rahmenbewilligungsverfahren (nach Angaben der SES Zeitraum von 2016 bis 2020) sei die Mitsprache garantiert, so Hanspeter Jeseneg, Präsident der "Plattform Jura-Südfuss", einer Behördendelegation der gleichnamigen Region. Diese will ein transparentes Partizipationsverfahren gewährleisten, versteht sich auch als Anlaufstelle für Behörden und Einwohnerinnen und Einwohner der Region und will deren Anliegen gegenüber den am Verfahren beteiligten Instanzen der Kantone und des Bundes einbringen.

 Bleibt der Traum ein Traum?

 Von der Lösung Endlagerung atomarer Abfälle sei man weit weg, konstatierte Sabine von Stockar zum Schluss. Sie bezeichnete die Vorstellung von einer sicheren Endlagerung schon fast satirisch als "Traum". Nirgends auf dem Planeten gebe es so etwas. Feststellungen, die unwidersprochen blieben. Da nützen auch Bemerkungen aus dem Saal, man habe bei radioaktivem Abfall allenfalls auch hinsichtlich dessen Halbwertszeit zu differenzieren, nichts. Und die Idee, solche Abfälle möglicherweise im Ausland deponieren zu können, so quasi nach dem Motto "Heiliger St. Florian - zünd lieber andre Häuser an", verhallte ebenfalls ohne Sympathien gewonnen zu haben.

 Nach fünf Viertelstunden ging die Versammlung zum Lukullischen über. Zuvor aber hatte Oltens Stadträtin Iris Schelbert (Grüne) noch sibyllinisch gesagt, man habe sich angesichts solcher Fakten schon seine Gedanken zu machen. Vielleicht hatte sie damit auch solche zum allgemein verbreiteten energieintensiven Lebensstil unsere Tage gemeint.