MEDIENSPIEGEL 25.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Reitschule bietet mehr: 76,81% Nein im Stadtrat
- Bollwerk: Leerstand ist kein Zustand!
- Antifa I: Gegen rechte Bar in Burgdorf
- Antifa II: Aktueller Stand Sempach
- Randstand Thun: Kein Bettelverbot
- RaBe-Info 24.+25.6.10
- Ausschaffung: augenauf gegen Sonderflüge; ÄrztInnen-Boykott
- Fussball: mehr Frauen-Kurve bitte!
- Narrenkraut: Ansichten zum Staats-Hasch
- Fedpol: Jahresbericht 2009
- Neonazis Liechtenstein: Die Rechten von nebenan
- G8/G20 Toronto: aktiver Widerstand
- Anti-Atom: NWA informiert; Finanzierungsprobleme; Alpiq; Endlager Asse
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REITSCHULE
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Fr 25.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar mit DJ Piccolina.
Standard und
lateinamerikanische Tänze und Disco
23.00 Uhr - Dachstock - Little Brother: Phonté,
Big Pooh &
9th Wonder (USA), Hovatron (CAN), Cratekemistry Soundsystem (Kermit,
L-Cut, Mr. Thrillin). Style: Hip Hop
Sa 26.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
So 27.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
11.00 Uhr - Frauenraum - Frauenchor der Reitschule
singt, anschliessend
Frühstückbuffet.
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 25.6.10
Anti-Reitschul-Initiative der SVP wuchtig abgelehnt
Die Berner Reitschule wird nicht verkauft: Die Initiative der SVP
hatte gestern Abend im Stadtrat keine Chance.
Markus Dütschler
Als Einstimmung auf die Debatte bauten Reitschul-Aktivistinnen
und -Aktivisten gestern vor dem Rathaus eine Ausstellung auf, die die
vielfältigen gesellschaftlichen und kulturellen Nutzungen der
Reitschule vor Augen führte. Kunstschaffende boten einen
"Werbespot" für die oft umstrittene Einrichtung dar: die live
jodelnde Christine Lauterburg oder der ab Band sprechende
Schriftsteller Pedro Lenz. Er führte den von der SVP geforderten
Verkauf des Kulturzentrums an den Meistbietenden ("Bund" vom Mittwoch)
ad absurdum, indem er das Risiko ausmalte, auf der Schützenmatte
könnte gar eine Koranschule entstehen.
Reithalle als "rechtloser Raum"
Für die GB/Ja-Fraktion sagte Lea Bill, die Initiative sei
ein Zeichen für mangelnde Lernfähigkeit und Ignoranz rechter
Kreise, die schon dreimal erfolglos versucht hätten, die
Reitschule zu schliessen: Das Volk habe nie mitgemacht. Eine Reduktion
der Einrichtung auf Deal und Krawall sei unfair und einseitig.
Der Initiant Erich Hess (SVP) zeichnete das Bild eines
rechtsfreien Raums, der Krawallbrüdern, Dealern und Linksextremen
Unterschlupf biete. Offenbar gebe es in Regierung und Verwaltung
"kommunistenfreundliche" Personen, sagte Hess zum Gaudi des Rates. Aus
der Reitschule müsse etwas Gutes für die gesamte
Bevölkerung entstehen.
Versprechen: "Null - nichts - nada"
Kathrin Bertschy (GLP) sagte, die SVP giesse "Öl ins Feuer".
Ruedi Keller (SP) lobte die Freiwilligenarbeit, die in der Reitschule
geleistet werde, Bern bekomme für wenig Geld viel Kultur. Für
die FDP sagte Bernhard Eicher, kulturell sei die Halle interessant,
aber politisch ein Flop. Alle Besserungsversprechen gälten "null -
nichts - nada", sagte er mehrmals und gab so den Slogan für den
Rest der Debatte vor. Rolf Zbinden (PDA) warf den Bürgerlichen
vor, das Gewaltthema sei ein Vorwand: Es gehe ihnen darum, eine
funktionierende Alternative abzuwürgen. Jimy Hofer (parteilos)
nahm die 5000 Unterzeichner der Initiative in Schutz: Es seien "keine
Löli", sondern Leute mit einem echten Unbehagen. Hans Peter
Aeberhard (FDP) zeigte sich gespalten: Er sei es leid, neben der Kultur
die radikalpolitischen Nebenwirkungen zu ertragen.
Der Rat verwarf die Initiative weitgehend entlang dem
Links-rechts-Graben mit 53 Nein zu 15 Ja. Die Volksabstimmung findet im
September statt.
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BZ 25.6.10
Berner Stadtrat
Bekenntnis zur Reitschule
Die Reitschule soll ein Kulturzentrum bleiben: Der Berner
Stadtrat lehnte gestern die SVP-Initiative deutlich ab, welche die
Reitschule an den Meistbietenden verkaufen will. Die grosse Mehrheit
wand der Reitschule ein Kränzchen.
Den ganzen Nachmittag bis weit in den Abend hinein machten die
Reitschule-Betreiber gestern vor dem Rathaus mit Darbietungen Werbung
in eigener Sache. Auch im Innern des Rathauses wurde Werbung für
das Kulturzentrum gemacht: Von ganz links bis Mitte-rechts strichen
Stadträtinnen und Stadträte die Vorzüge der Reitschule
hervor. Von einem Kulturort mit "nationaler Bedeutung" sprach etwa
Martin Schneider (BDP/CVP) und ergänzte: "Die Reitschule macht
viel weniger Probleme als andere Kulturinstitutionen wie etwa das
Stadttheater."
"SVP giesst Öl ins Feuer"
Auch die GLP stehe "voll und ganz" hinter dem Kulturbetrieb,
sagte Kathrin Bertschy: "Die Reitschule bringt Leben in eine etwas
träge Verwaltungsstadt." Sie lobte das "immense Engagement" der
Beteiligten und wies darauf hin, dass die Initiative den
Planungsprozess für eine Aufwertung der Schützenmatte
torpedieren würde: "Die SVP giesst Öl ins Feuer." Für
Ruedi Keller (SP) ist der von der SVP angepeilte Verkauf ohne
Nutzungsstrategie ebenfalls "verantwortungslos - sowohl finanzpolitisch
wie städtebaulich."
Die SVP kassierte aber nicht nur inhaltlich Hiebe: Von
zahlreichen Rednern wurde kritisiert, dass die Partei erneut eine
Anti-Reitschule-Initiative lanciert habe, nachdem bereits 1990, 2000
und 2005 ähnliche Volksbegehren deutlich abgelehnt wurden: "Die
Initiative ist Zeichen für die mangelnde Lernfähigkeit,
Ignoranz und Respektlosigkeit der SVP." Die Partei ignoriere den
Volkswillen. Conradin Conzetti (GFL/EVP) bemühte das
Sprüchlein "Hoppe, hoppe Reiter" und ergänzte: "Die SVP
reitet ihr Steckenpferdchen." Doch: "Wenn kleine Kinder in den Sumpf
plumpsen, dann lernen sie etwas daraus." Auch das sei eine Reitschule.
FDP teilweise für Initiative
Initiant Erich Hess (SVP) hielt der Übermacht einigermassen
tapfer entgegen - seine Argumente sind wohl bekannt: Man wolle keine
rechtsfreien Räume und Rückzugsorte für Demonstranten
und Dealer. Zudem werde in der Reitschule "linksextremes Gedankengut"
verbreitet. Im Eifer verstieg er sich gar auf die Gleichung: "Wenn man
die Reitschule weiter toleriert, toleriert man Gewalt."
Partielle Unterstützung erhielt er von Teilen der FDP. Man
habe ein "gespaltenes Verhältnis zur Reitschule", gestand Bernhard
Eicher. Das gründe auch darin, dass das Kulturzentrum aus einer
illegalen Besetzung entstanden sei. Die FDP attestierte aber, dass es
heute in der Reithalle ein bemerkenswertes Kulturangebot gebe. Doch:
"Die kulturelle Entwicklung ist top, die gesellschaftliche aber ein
Flop." Seit 25 Jahren habe die Reitschule für Gewaltprobleme keine
Lösung: "Es wird nur geredet und geredet."
Rolf Zbinden (PdA) verwehrte sich dagegen, dass alle
gesellschaftlichen Probleme zwischen Heiliggeistkirche und
Lorrainebrücke der Reithalle untergejubelt werden. Er ortete bei
der SVP ganz andere Motive: "Was die stört, ist eine
funktionierende Alternative zur verblödeten
Unterhaltungsindustrie."
Ausleiernde Debatte
Für die Reithalle stark machte sich schliesslich auch
Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP): "Die Initiative
hat etwas Gutes: So können die Bernerinnen und Berner einmal mehr
sagen, was sie von der Reitschule halten."
Nach ausführlicher, gegen Ende hin ausleiernder Debatte
lehnte der Stadtrat die Initiative mit 53 zu 13 Stimmen bei einer
Enthaltung klar ab. Entscheiden werden die Bernerinnen und Berner am
26. September an der Urne.
Adrian Zurbriggen
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Blick am Abend 24.6.10
Heisse Reitschul-Debatte am Abend
Umstritten
Der Stadtrat hat heute Abend die delikate Aufgabe, zur
Reitschul-Initiative Stellung zu nehmen. Das Volksbegehren aus
rechtsbürgerlichen Kreisen, das alternative Kulturzentrum zu
verkaufen und umzunutzen, bewegt die Gemüter seit Wochen. Der
Gemeinderat empfiehlt ein Nein, bekannte Kunstschaft ende wie Gilles
Tschudi, Esther Gemsch oder Züri West setzen sich auch gegen die
Initiative ein. Die Abstimmung ist auf den 26. September dieses Jahres
angesetzt. jcg
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BOLLWERK
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BZ 25.6.10
Bollwerk
Es fehlen noch immer die Mieter
Im Bollwerk stehen Geschäfte leer. Der Standort sei
schlecht, sagt ein Verwalter. Die Preise seien zu hoch, sagt ein
Ex-Mieter.
Wo letztes Jahr Geschäfte florierten, herrscht Leere:
Mehrere Lokale im Bollwerk sind nach wie vor nicht vermietet. Offenbar
ist der Standort nicht attraktiv: "Das Bollwerk lädt nicht zum
Flanieren ein", sagt Herbert Mössinger, der die Räume des
Kinos Cinemastar und der Cinebar verwaltet. Die Bahnhofnähe reiche
nicht als Kriterium für eine gute Lage. Beim Bollwerk laufe man
stets Gefahr, in Demonstrationen oder Schlägereien zu gelangen.
"Solange die Stadt das Gebiet nicht aufwertet, wird es nicht einfacher,
die Lokale zu vermieten."
"Noch nicht spruchreif"
Die leeren Lokale beim Bollwerk 17 und 19, wo zuvor unter anderen
der Fizzen eingemietet war, werden von der Von Graffenried
Liegenschaften AG verwaltet. Der zuständige Verwalter wollte sich
zur Situation nicht äussern. Auf der Homepage der
Immobilienverwaltung sind die Räume noch immer ausgeschrieben.
Auch das ehemalige Kino sowie die Cinebar sind ungenutzt. Ein
Team aus ehemaligen Mitarbeitern und Kulturveranstaltern will die
Räume als Konzertklub weiterführen (wir berichteten). Ein
Konzept ist vorhanden, doch es fehlen noch Gönner. Herbert
Mössinger ist mit einer kulturellen Nutzung einverstanden. Aber:
"Bis Mitte Juni hätten sie ein Konzept einreichen sollen, das ist
bis jetzt nicht geschehen." So lange sucht Mössinger weiter nach
Interessenten: "Wir sind im Gespräch mit unterschiedlichen
Nutzern." Namen will er noch keine nennen. Die Miete für Bar und
Kino beträgt laut Mössinger 80 000 Franken jährlich. Die
Besitzer, eine Erbengemeinschaft, seien dem Kino positiv
gegenübergestanden und hätten die Miete immer weiter gesenkt,
um einen Rauswurf zu verhindern: "Doch tiefer konnten sie nicht gehen
als bis zum aktuellen Preis."
Zu hohe Miete?
Der Fizzen ist eines von vier Geschäften, die das Bollwerk
2009 verlassen mussten, weil die Besitzer die Räume neu nutzen
wollten. "In elf Jahren konnten wir uns dort etablieren und den Umsatz
steigern. Wir wollten nicht raus", sagt Geschäftsführer
Adrian Masshardt. Auch die anderen Geschäfte haben den Standort
nicht freiwillig verlassen. Masshardt hat eine Vermutung, warum es der
Verwaltung nicht gelingt, die Räume neu zu vermieten: "Der
Mietzins ist mit 30 000 Franken pro Monat einfach zu hoch."
Annina Hasler
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ANTIFA I
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BZ 25.6.10
Burgdorf
Bar jeder Sympathie
Gegen einen vermeintlichen Rechtsradikalentreffpunkt in der
Burgdorfer Oberstadt formiert sich Widerstand von links.
Auf diese Gäste hätte Sophie Güntensperger, die
Betreiberin der Royal Aces Tattoo-Bar in Burgdorf, wohl verzichten
können: "Wir schenkten der braunen Bar etwas Farbe, und dank den
Löchern in den Scheiben konnte sich die Bar temporär von der
dicken Luft der tödlichen Weltanschauung befreien", schreiben
"einige Antifaschischtinnen und Antifaschisten" in einem Mail. Sie
bekennen sich damit zu Sachbeschädigungen, von der die
Kantonspolizei seit Dienstag Kenntnis hat, wie Rose-Marie Comte von der
Medienstelle sagt. Ermittlungen seien im Gange. Seit dem "Besuch" der
Linken ist ein demoliertes Fenster des Hauses an der
Rütschelengasse 29 mit einer Kunststofftafel verdeckt. "Trotz
Anschlag" sei die Bar offen, heisst es auf dem Brett.
Auch auf Facebook machen Gegner des vermeintlichen
Neonazitreffpunkts mobil. "Wir wollen keine Faschisten in Burgdorf (und
auch sonst nirgends)", postulieren die Gründer der Gruppe
"Boykottiert diese Bar!" mit Blick auf die Tatsache, dass
Güntensperger mit einem Rechtsradikalen liiert ist. Und
freundschaftlichen Umgang mit Ultras pflegt, die dem Staatsschutz
bekannt sind. Nach der Eröffnung ihrer Beiz räumte die Chefin
ein, auch Leute aus der rechten Szene zu bewirten. Doch das Lokal sei
"für alle da".
jho
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ANTIFA II
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Indymedia 20.6.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/06/76445.shtml
(mit ausführlichen Links)
Schlachtjahrzeit in Sempach ::
Aktuelle Entwicklung und Geschichte der Schlachtfeier bei Sempach
Alle Jahre wieder findet im beschaulichen Sempach in der Innerschweiz
eine von Traditionen nur so triefende "Schlachtjahrzeit" statt. Und
alle Jahre wieder tauchen im Schlepptau der bürgerlichen,
traditionsreichen Feier auch die Neonazis, Altrechten und Politfaschos
auf und vereinnahmen die Feier mit ihrer Präsenz und eigenen
Ritualen wie der separaten Kranzniederlegung zunehmend für sich.
Die Organisatoren stören sich an deren Teilnahme kaum, sondern
freuten sich absolut unreflektiert über die hohe Teilnehmerzahl.
Erst als 2009 eine Gegendemo angekündigt und auch
durchgeführt wurde, schien man plötzlich ein Problem mit der
Schlachtjahrzeit zu haben - notabene wegen der Linken. So kam es, dass
der Kanton für 2010 einen Marschstopp verordnete und die Feier auf
einen montäglichen Abendgedenkgottesdienst reduzierte. Die Stadt
Sempach hingegen bleibt nach hitzigen Diskussionen bei ihrer
traditionellen Feier am Samstag Morgen, einziger Unterschied ist, dass
der Marsch zum Denkmal "offiziell" nicht stattfindet. Was also an
diesem Wochenende alles geschehen wird, steht in den Sternen. Sicher
ist nur, dass auch dieses Jahr mit einem Grossaufmarsch von Nazis
gerechnet werden muss.
Schlachtfeier in Sempach - Zusammenfassung des aktuellen Stands
Nach dem sich die alljährliche Schlachtfeier in Sempach zum
Gedenken an die Schlacht von 1386 seit 2003 zusehends zu dem
beliebtesten Aufmarsch der rechtsextremen Szene der Schweiz
entwickelte, entschloss sich im Januar 2010 der Luzerner Regierungsrat,
dieses Jahr eine "kreative Denkpause" einzulegen. Faktisch bedeutet
dies, lediglich einen Gedenkgottesdienst ohne Marsch zum Denkmal und
ohne Feier auf dem Schlachtfeld durchzuführen. Jedoch sind
für den Regierungsrat weniger die unheimlichen Patrioten ein
Problem, denn die befürchteten Ausschreitungen zwischen "Rechten"
und "Linken" sowie der gestiegene personelle und vor allem finanzielle
Sicherheitsaufwand zur Durchführung des Anlasses.(1) Bevor im 2009
erstmals eine offizielle Gegendemonstration stattfand - massgeblich
organisiert durch die JUSO und Gewerkschaften - störte es weder
die Gemeinde Sempach noch den Luzerner Regierungsrat, dass die
Schlachtfeier zur Profilierung und Verherrlichung rechtsextremer und
nationalistischer Gesinnung missbraucht wurde (vgl. weiter unten). Wie
nicht anders zu erwarten, regte sich gegen die vorübergehende
Abschaffung der Feier jedoch bald Widerstand aus den Reihen der
bürgerlichen Helfer und Wegbereiter der Neonazis, der SVP. So
wurde eine Petition ins Leben gerufen, um die Schlachtfeier im
gewohnten Rahmen durchzuführen und am 12.3.2010 an den Luzerner
Regierungsrat übergeben. Interessant an dieser Sache ist, dass
sich die politischen Träger dieser Petition in keinster Weise von
Rechtsextremen und deren Gedankengut distanzieren. Im Gegenteil, sie
werden nicht müde, den sogenannten "Kniefall" der Regierung vor
den "vermummten Linksextremen" zu geisseln und fordern, dass "auch
dieses Jahr und alle folgenden wieder eine würdige Gedenkfeier zu
Ehren unseres Volkshelden Winkelried und seinen Mitstreitern"
organisert werden solle.(2) Wie eine würdevolle Gedenkfeier in den
Augen der SVP also aussieht, können wir uns nur allzu gut
vorstellen - man muss sich lediglich die Bilder der Schlachtfeier 2008
ins Gedächtnis rufen, an welcher nicht weniger als 241
Rechtsextreme als solche erkannt und fotografiert werden konnten. Trotz
den nur allzu offensichtlichen Symbolen wie SS-Totenköpfen, Runen
wie Wolfsangel und Triskele, Codes wie "88" (steht für "Heil
Hitler"), Gruppennamen wie "Blood&Honour" (ein in Deutschland
verbotenes Netzwerk von Rechtsextremen), "Kameradschaft Innerschweiz"
und "Nationale Offensive", und gar Schriftzügen wie "Meine Ehre
heisst Treue" (Wahlspruch von Hitlers SS), nimmt die SVP in ihrer
Petition weiterhin die "jungen Patrioten" in Schutz und unterstellt der
Linken, diese lediglich als rechtsextrem zu verunglimpfen.(3) Ob soviel
Ignoranz und Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut von
Seiten einer (leider) etablierten Partei, kann ein vernünftig
denkender Mensch nur noch den Kopf schütteln. Obwohl der Kanton
Luzern dieses Jahr keinen Marsch zum Denkmal bewilligen will, ist
bislang nicht absehbar, was sich rund um das Wochenende des 26./27.
Juni 2010 in Sempach genau abspielen wird. So mobilisieren sowohl
stramme SVP'ler für die Sempacher Feier als auch nationalistische
und rechtsextreme Gruppierungen wie die PNOS und der
Waldstätterbund. Die Letzteren allerdings ohne gegenüber der
Öffentlichkeit ein genaues Datum zu nennen. Sicher ist nur, dass
auch dieses Jahr mit einem Grossaufmarsch von Neonazis gerechnet werden
muss.
Kurzer Rückblick über die Vereinnahmung der Schlachtfeier
durch die Nazis
Bereits 2003 und 2004 liefen an der Schlachtfeier rund 50
Rechtsextreme, unter anderem Mitglieder der PNOS und der Nationalen
Offensive mit - bis dahin von der Öffentlichkeit und den Medien
weitgehend unbeachtet.(4)(5) Im Jahr 2005 liessen die Behörden
nach dem Aufmarsch von gut 60 Rechtsextremen gegenüber den Medien
verlauten, ein solcher Aufmarsch werde im nächsten Jahr nicht mehr
erwünscht sein;(6)(7) trotzdem konnten auch 2006 an die 60
Neonazis ungehindert im Umzug mitlaufen. Zunehmend begannen die
Neonazis, den Anlass für ihre Zwecke zu vereinnahmen, sei es durch
Verteilen von Flugblättern oder durch eigene Kranzniederlegungen
und das Singen der alten Schweizer Hymne "Heil dir Helvetia" im
Anschluss an den offiziellen Festakt. Anton Schwingruber, Regierungsrat
in Luzern, meinte gegenüber Tele Tell zu dieser Tendenz: "Solange
sie sich anständig und ruhig verhalten habe ich nichts dagegen.
Wir haben eine Versammlungsfreiheit. Es darf sich jeder hier
präsentieren, und ich habe jetzt gar nicht den Eindruck, dass sie
gestört haben."(8) Anstatt Massnahmen zu ergreifen und die
Rechtsextremen klar von der Schlachtfeier zu verbannen, wurden die
"vielen Jugendlichen" im Jahr 2007 gar freundlich begrüsst. Viele
waren es in der Tat, nahmen doch in diesem Jahr bereits 160 Faschos an
der Feier teil.(9) Zudem lobte Yvonne Schärli,
SP-Regierungsrätin, in einem anschliessenden Interview die
Meinungsvielfalt der Schweiz, welche sich in der Anwesenheit der - im
Schärli-Jargon - jungen Leuten mit etwas anderen Einstellungen
äussere. (10) 2008 gehen die Organisatoren der Schlachtfeier gar
noch weiter und heissen "alle die sich an die Regeln halten"
willkommen.(11) Dieser Aufruf wird von den organisierten Neonazis
gehört und nur allzu gerne befolgt. So nehmen schliesslich knapp
250 Rechtsextreme an der Schlachtfeier teil. Sie machen mittlerweile
mehr als einen Viertel der Teilnehmerzahl aus und die Schlachtfeier ist
aus der jährlichen Agenda der Neonazis kaum mehr wegzudenken.
Quellenangaben:
* 1) http://www.lu.ch/mm_detail.html?id=7664¶meter=1283
* 2) http://www.svplu.ch/index.php?page=/News/Uebergabe-Petition-Sempacher-Schlachtfeier-_69
* 3) http://www.svplu.ch/index.php?page=/News/Petition-fuer-den-Erhalt-der-Sempacher-Schlachtfeier-_64
* 4) http://www.hans-stutz.ch/Archiv/2003/juni2003.html
* 5) http://www.hans-stutz.ch/Archiv/2004/juni2004.html
* 6) Neue Luzerner Zeitung, 9.8.2005
* 7) http://ch.indymedia.org/demix//2006/06/41563.shtml
* 8) http://ch.indymedia.org/demix//2008/06/61064.shtml
* 9) http://ch.indymedia.org/demix//2007/06/50682.shtml
* 10) http://ch.indymedia.org/demix//2007/07/50807.shtml
* 11) http://ch.indymedia.org/demix//2008/07/61968.shtml
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RANDSTAND THUN
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Thuner Tagblatt 25.6.10
Kein Verbot für Bettler
In Thun gibt es in nächster Zeit kein Bettelverbot: Einen
entsprechenden Vorstoss der SVP lehnte der Stadtrat ab.
Bereits 2008 hatte der Thuner Stadtrat einen Vorstoss, der ein
Bettelverbot gefordert hatte, abgelehnt. Nun doppelte die SVP nach und
verlangte vom Gemeinderat, die gesetzlichen Grundlagen für ein
Verbot auszuarbeiten. Im Visier hatte die SVP vor allem die
organisierte Bettelei, die einem Menschenhandel gleiche.
Doch auch diesmal lehnte der Stadtrat ein Bettelverbot ab, und
zwar mit 21 zu 15 Stimmen. Die SP meinte, es brauche ein koordiniertes
Vorgehen gegen die Hintermänner der organisierten Bettelei. Zudem
sei die von der Stadt lancierte Aktion Adios sehr wirksam. Auch die EDU
fand, dass es schon heute genügend Mittel gebe, um gegen Bettler
vorzugehen. Die FDP war hingegen mit der SVP einig, dass es griffige
Gesetze brauche. "Die Aktion Adios reicht nicht aus", sagte Christine
Buchs (FDP). Sandra Ryser (SVP) warf Sicherheitsvorsteher Peter
Siegenthaler (SP) vor, er spiele das Problem herunter. Er hatte zuvor
gesagt, man dürfe das Problem nicht dramatisieren.
Grundsätzlich sei auch der Gemeinderat für ein Bettelverbot.
rdh
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RADIO RABE
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Fr 25. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_25._Juni_2010_.mp3
- Klares Nein des Berner Stadtrates zur Reitschul-Initiative
- Deutliches Zeichen gegen Rassismus uind Ausgrenzung
- Überfischung der afrikanischen Küstengewässer durch
EU-Handelsabkommen
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Do. 24. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_24._Juni_2010.mp3
- Bundesgerichtshof in Deutschland: staatliche Überwachung von
linken Aktivisten war illegal
http://www.info.libertad.de/story/2010/06/bundesgerichtshof-bka-%C3%BCberwachung-von-libertad-aktivisten-war-illegal
- Aufsichtsbeschwerde nach Kundgebung: Augenauf fordert Untersuchung
von Polizeieinsatz
http://www.augenauf.ch/
- Freie Projektschule: Lernende und Lehrende organisieren sich selber
http://www.freieprojektschule.ch
http://www.wasichwerdenwill.ch
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AUSSCHAFFUNGEN
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NZZ 25.6.10
Gegen die Wiederaufnahme von Sonderflügen
Menschenrechtsgruppe kritisiert Prozedere bei Ausschaffung von
renitenten Häftlingen
tri. ⋅ Im letzten Jahr wurden insgesamt 5886 Ausländer aus
der ganzen Schweiz über den Flughafen Zürich ausgeschafft,
292 oder knapp 5 Prozent von ihnen stark gefesselt und per Charterflug.
Solche Sonderflüge in die jeweiligen Heimatländer werden
gemäss Angaben des Zürcher Regierungsrates nur bei besonders
renitenten Personen angewandt. Die Menschenrechtsorganisation Augenauf
hat am Donnerstag vor den Medien in Zürich diese Form der
Ausschaffung aufs Schärfste verurteilt und einen sofortigen Stopp
von Sonderflügen verlangt.
Wie Walter Angst von Augenauf sagte, werden bei den sogenannten
Level-4-Ausschaffungen "systematisch die Würde und die
persönliche Integrität der Häftlinge verletzt". Zur
Illustration des "menschenunwürdigen" Prozederes wurde den
Medienschaffenden gezeigt, wie die Häftlinge angeblich gefesselt
werden: Je nachdem, wie sie sich verhalten, werden ihnen Fuss-, Knie-,
Arm- und Handfesseln sowie ein Helm angezogen. Sollten die Gefesselten
das Sicherheitspersonal bespucken, wird ihnen zusätzlich ein
Moskitonetz übergestreift. Wer sich weigert, auf eigenen
Füssen das Flugzeug zu besteigen, wird mit einem Rollstuhl zum
Flugzeug transportiert. Diese Praxis ziele darauf, die Auszuschaffenden
einzuschüchtern und zu erniedrigen, und sei zudem
gesundheitsgefährdend, kritisiert Angst.
Nachdem im März ein 29-jähriger nigerianischer
Häftling kurz vor einer derartigen Ausschaffung verstorben war,
hatte das Bundesamt für Migration (BfM) die Sonderflüge
gestoppt. Amtsdirektor Alard du Bois-Reymond wollte vor einer
Wiederaufnahme der Flüge das gerichtsmedizinische Gutachten
über die Todesursache abwarten. Weil der Schlussbericht aber nach
wie vor aussteht und die Kantone wegen blockierter Rückschaffungen
Sonderflüge verlangt hatten, wurde Ende Mai beschlossen, diese zum
Teil wieder aufzunehmen. Als Sofortmassnahme will das BfM die
medizinische Versorgung auf den Flügen verbessern. So sollen
künftig bei jedem Sonderflug ein Arzt und ein
Rettungssanitäter zugegen sein. Laut den Vertretern von Augenauf
können aber auch mit dieser Massnahme Todesfälle nicht
ausgeschlossen werden. Die Organisation ruft deshalb Ärzte,
Polizisten und andere Personen, die an der Durchführung von
Level-4-Ausschaffungen beteiligt sind, dazu auf, den Dienst zu
verweigern. Auch die Vereinigung unabhängiger Ärztinnen und
Ärzte (VUA) appelliert an ihre Berufskollegen, sich nicht für
solche Einsätze einspannen zu lassen. Ihrer Meinung nach verbietet
das Berufsethos der Ärzte eine Teilnahme an "Handlungen, bei denen
die Gesundheit von Menschen gefährdet wird", sagte Thomas Schnyder
von der VUA.
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Landbote 25.6.10
"Eine grausame, unwürdige Prozedur"
flu
Ab Juli soll es wieder Sonderflüge mit Zwangsaus-
schaffungen geben. Nun rufen Aktivisten das Personal zur
Dienstverweigerung auf.
zürich - Am 17. März starb auf dem Flughafen Kloten ein
Mann aus Nigeria bei den Vorbereitungen für eine
Zwangsausschaffung. Er hatte sich heftig gegen die
Rückführung gewehrt. Die Todesursache ist noch nicht bekannt.
Ein Bericht des Rechtsmedizinischen Instituts liegt jetzt bei der
Staatsanwaltschaft. Sie will die Öffentlichkeit nächste Woche
informieren.
Nach dem Tod des 29-jährigen Mannes, der wegen Drogenhandels
verurteilt war, stoppte der Bund die Sonderflüge
vorübergehend. Er will sie nächstens wieder aufnehmen. "Im
Juli wird es wieder einen Sonderflug nach Afrika geben", sagt Urs von
Arb vom Bundesamt für Migration. Gegen diese Pläne wehrt sich
jetzt aber die Menschenrechtsorganisation Augenauf Zürich. Sie
fordert den Verzicht von Zwangsausschaffungen mit Sonderflügen.
Grund: "Für die Betroffenen sind sie traumatisierend und für
die Polizisten teilweise gefährlich", sagte Rolf Zopfi gestern vor
den Medien.
Die Aktivisten kritisieren vor allem die Fesselung vor dem
Sonderflug als "grausame, unwürdige Prozedur". Nach ihrer
Darstellung werden den Häftlingen vor dem Flug Hände,
Oberschenkel und Füsse zusammengebunden. Zudem verbindet ein Band
die Manschetten an Hand- und Fussgelenken. "Die Leute können damit
nicht mehr aufrecht gehen", so Zopfi.
Wie ein "Kindergstältli"
Weitere Manschetten können an den Oberarmen fixiert werden.
Damit und dank einem Zugband, das hinter dem Rücken verläuft,
könnten die Häftlinge wie an einem "Kindergstältli"
geführt werden, sagt Zopfi. Sie können aber auch an einen
Rollstuhl gefesselt werden, wenn sie das Betreten des Charterflugzeugs
verweigern. Solche Rollstühle finden sich an jedem Flughafengate
für gehbehinderte Passagiere. Falls ein Häftling einen
Polizisten gezielt bespuckt, wird ihm ein Moskitonetz über den
Helm gezogen.
Die Leute von Augenauf haben eine Fesselung gestern im Volkshaus
nachgespielt. In Wirklichkeit fesseln speziell geschulte Zürcher
Kantonspolizisten die Ausschaffungshäftlinge in einer
hergerichteten Halle auf dem Flughafengelände. Die Kapo ist bei
Sonderflügen ab Zürich für die "Bodenorganisation"
zuständig. Sie kommentierte die Bilder gestern nicht.
Gemäss Augenauf müssen die Häftlinge nicht
unbedingt gewalttätig sein, um gefesselt zu werden. Dem
widerspricht allerdings der Regierungsrat. Derartiger Zwang werde nur
bei "grosser Renitenz" angewendet, antwortete er kürzlich auf eine
kantonsrätliche Anfrage. Immerhin: Seit 2006 wickelte die Kapo 111
Sonderflüge mit 1282 Ausschaffungshäftlingen ab.
Die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren wollen neu jeden
Sonderflug von Ärzten begleiten lassen. Augenauf genügt das
nicht. Die Menschenrechtler fordern Ärzte, Flugpersonal,
Polizisten und Gefängnisangestellte auf, den Dienst bei
Sonderflügen zu verweigern. Sie lehnen auch die Idee von
Beobachtern auf den Flügen ab. Stattdessen sagt Walter Angst: "Die
Schweiz sollte endlich einsehen, dass sie nicht jeden Menschen ohne
legalen Status ausschaffen muss."
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So werden Häftlinge ausgeschafft
Für Zwangsausschaffungen gibt es laut Regierungsrat drei
"Levels": Stufe 1 ist, wenn die Person bis zum Flugzeug begleitet wird
und alleine zurückreist. Wenn sie sich widersetzt, wird sie
gefesselt und von zwei Polizisten auf einem Linienflug begleitet. Wehrt
sie sich noch heftiger, kommt die letzte Stufe zum Zug: Die Person
fliegt mit einer "verstärkten Fesselung" auf einem Sonderflug
zurück. 2009 war dies bei 292 von 5886 Häftlingen der Fall.
(flu)
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Langenthaler Tagblatt 25.6.10
"Augenauf" wehrt sich gegen Zwangsausschaffungen
Zürich Menschenrechtsorganisation fordert Polizei und
Ärzte zu Boykott auf
Philippe Klein
Abgewiesene Asylsuchende, die sich weigern die Schweiz zu
verlassen, müssen oftmals mit einem Charterflug ab Zürich
zwangsausgeschafft werden. Wenn sie sich besonders renitent verhalten,
werden sie an Hand- und Fussgelenken gefesselt, ihnen wird ein Helm
aufgesetzt und ein Band hinter den Knien sorgt dafür, dass ein
aufrechter Gang nicht mehr möglich ist. Wer sich weigert, auf
eigenen Füssen ins Flugzeug zu steigen, wird auf einen Rollstuhl
gebunden. Und wer die Sicherheitskräfte bespuckt, dem wird ein
Moskitonetz über den Kopf gestülpt.
Dieses Vorgehen hat die Menschenrechtsgruppe "Augenauf" auf den
Plan gerufen. An einer Medienkonferenz haben Vertreter der Gruppe
gestern im Zürcher Volkshaus diese Methoden als
"menschenverachtend" und "traumatisierend" bezeichnet. Walter Angst,
der auch für die Alternative Liste im Zürcher
Gemeindeparlament sitzt, sagte, diese Art von Ausschaffung verletze
systematisch die "persönliche Integrität der Asylsuchenden".
Er verlangte im Namen von "Augenauf", dass diese härteste Form der
Rückführung, die so genannte "Level-IV-Ausschaffung", nicht
wieder aufgenommen wird.
Gutachten bald publiziert
Hintergrund für die Medienkonferenz war der Tod eines
Ausschaffungshäftlings von Mitte März. Die genauen
Umstände, unter denen der Nigerianer damals ums Leben kam, sind
noch unklar. Ein rechtsmedizinisches Gutachten liegt zwar vor, wird
aber erst nächste Woche veröffentlicht. Dies sagte die
Zürcher Staatsanwaltschaft gegenüber der Nachrichtenagentur
SDA. Im Nachgang zu diesem Todesfall wurden die Level-IV-Ausschaffungen
schweizweit gestoppt. Ende Mai teilte das Bundesamt für Migration
mit, dass die Zwangsausschaffungen schrittweise wieder aufgenommen
werden sollen - dies neu mit unabhängigen Beobachtern und mehr
medizinischem Personal an Bord. "Augenauf" will genau diese
Wiedereinführung verhindern. Gestern rief Walter Angst die
beteiligten Berufsgruppen zum Widerstand auf. Ärzte, Flugpersonal,
Gefängnisangestellte, Polizisten und andere, die an der
Vorbereitung oder Durchführung von Level-IV-Ausschaffungen
beteiligt sind, sollen "ihren Dienst verweigern", wie er sagte. "Es
gibt keine Dienstpflicht, sich an Handlungen zu beteiligen, welche die
Menschenwürde in derart krasser Form verletzten." Die Aufforderung
stösst bei Ärzten und Polizisten auf wenig Verständnis.
Peter Reinhard, Präsident des Verbandes der Kantonspolizei
Zürich (VKPZ), erklärt: "Die Zwangsausschaffung ist ein
gesetzlich vorgesehenes Mittel, das werden wir nicht boykottieren."
Falls ein einzelner Polizist aus persönlichen Gründen nicht
mittun wolle, solle er sich beim Kommandanten melden. Auch Urs Stoffel,
Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich
(AGZ), ist skeptisch: "Wir gehen davon aus, dass die
Ausschaffungsflüge nach den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit
ablaufen. Wenn unsere Ärzte feststellen sollten, dass eine
Ausschaffung standesethisch nicht vertretbar abläuft, wird er dazu
keine Hand bieten. Doch mir sind keine solchen Fälle bekannt."
Das Bundesamt für Migration will an der Wiederaufnahme der
Zwangsausschaffungen festhalten, wie Urs von Arb, Chef Rückkehr,
auf Anfrage sagt. Als Teil einer "konsequenten und glaubwürdigen
Asyl- und Ausländerpolitik" seien Level-IV-Rückführungen
auch in Zukunft nötig.
---
Südostschweiz 25.6.10
Sonderflüge: Ärzte wollen keinen Einsatz
Bern. - Nach dem Willen von Bund und Kantonen soll künftig
medizinisches Personal Sonderflüge zum Zweck von
Zwangsausschaffungen begleiten. Das Bundesamt für Migration ist
derzeit damit beschäftigt, Ärzte dafür anzuwerben. Diese
wehren sich jedoch dagegen. So fordert etwa die Vereinigung
Unabhängiger Ärztinnen und Ärzte ihre Kollegen auf, sich
für solche Einsätze nicht zur Verfügung zu stellen.
Diese würden die Menschenwürde in krasser Form verletzen und
daher gegen die ethischen Pflichten von medizinischem Personal
verstossen. (ser) Bericht Seite 18
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Ärzte weigern sich, Sonderflüge zu begleiten
Das Bundesamt für Migration will die Sonderflüge zur
Zwangsausschaffung wieder aufnehmen. Nun formiert sich Widerstand - von
ärzt licher Seite.
Von Sermîn Faki
Bern. - Nach dem Tod eines nigerianischen
Ausschaffungshäftlings Mitte März auf dem Flughafen Kloten
hatte das Bundesamt für Migration (BfM) die Sonderflüge zur
Zwangsausschaffung ausgesetzt. Nun, nachdem das BfM und die Kantone, in
denen sich daraufhin die Gefängnisse mit
Ausschaffungshäftlingen gefüllt hatten, sich auf neue
Regelungen zu den Flügen geeinigt haben, sollen die Flüge
wieder aufgenommen werden. Konkret sieht die Übereinkunft vor,
dass auf jedem Flug medizinisches Personal (ein Arzt sowie ein
Rettungssanitäter) an Bord und dieses zudem über die
Krankengeschichten der Auszuschaffenden informiert sein muss.
Bereits im Juli sollen die ersten Flüge starten, wie Urs von
Arb, Chef der Abteilung Rückkehr beim BfM, auf Anfrage der
"Südostschweiz" sagte. Diese gingen nicht nach Nigeria, aber
ebenfalls in den "afrikanischen Raum". Im Moment sei man dabei, den
Pool an Ärzten, mit dem man bereits zusammenarbeite, aufzustocken.
Gegen das Berufsethos
Doch nun fordern Ärzteorganisationen ihre Kollegen dazu auf,
sich diesen Einsätzen zu widersetzen. Das ärztliche
Berufsethos verbiete die Teilnahme an Handlungen, bei denen die
Gesundheit der Patientinnen und Patienten nicht oberstes Gebot sei,
heisst es beispielsweise von der Vereinigung Unabhängiger
Ärztinnen und Ärzte. Sie beruft sich dabei auf die
Richtlinien in der Deklaration von Tokio des Weltärztebundes.
Darin werden Ärzte aufgefordert, "keiner Aktion beizuwohnen, bei
der Folterungen oder andere Grausamkeiten, unmenschliche oder die
Menschenwürde verletzende Handlungen ausgeführt oder
angedroht werden".
Dies, so die Menschenrechtsorganisation Augenauf, sei auf den
Sonderflügen jedoch der Fall. An einer Pressekonferenz
demonstrierte die Organisation gestern, wie Ausschaffungshäftlinge
auf diesen Flügen behandelt werden. So werden, wie aus der Antwort
des Zürcher Regierungsrates auf eine Interpellation hervorgeht,
Flüchtlinge, die sich weigern, auf eigenen Füssen das
Flugzeug zu besteigen, auf einem Rollstuhl festgebunden. Je nachdem
werden ihnen Fuss-, Knie-, Arm- und Handfesseln und ein Helm angezogen.
Wehrt sich der Auszuschaffende mit Spucken, wird ihm ein Moskitonetz
über den Kopf gestreift.
Rekrutierung kein Problem
Trotz des ärztlichen Appells geht man beim BfM davon aus,
dass sich ausreichend Ärztinnen und Ärzte finden lassen, um
alle Sonderflüge zu begleiten. "Auch bis anhin war auf jedem
dritten bis vierten Sonderflug ein Arzt anbei", sagte von Arb. Daher
glaube er nicht, dass die Rekrutierung weiterer Mediziner ein Problem
werde. Im Moment prüfe das BfM verschiedene Modelle. Die
Anstellung vollamtlich für Ausschaffungen zuständiger
Mediziner sei momentan jedoch keine Option.
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20 Minuten 25.6.10
Kritik an Sonderflügen
ZÜRICH. Die Menschenrechtsgruppe Augenauf verlangt,
künftig auf Ausschaffungen mit Sonderflügen zu verzichten.
Diese Ausschaffungen, bei denen betroffene Ausländer
ungewöhnlich stark gefesselt werden, seien menschenverachtend und
traumatisierend. Der Bund hatte die Sonderflüge im März
gestoppt, nachdem ein Nigerianer kurz vor seiner Ausschaffung auf dem
Flughafen Zürich gestorben war. Zwei Monate später wurden die
Flüge schrittweise wieder aufgenommen.
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La Liberté 25.6.10
Expulsion forcée... avec médecin
Migrations ● Après la mort d'un Nigérian, les vols
spéciaux reprendront en juillet, avec des médecins
à bord. Des associations lancent un appel au boycott.
Ariane Gigon, Zurich
On devrait savoir en début de semaine prochaine comment
Alex Khamma, un Nigérian de 29 ans, est mort à
l'aéroport de Zurich-Kloten, alors qu'il était
emmené de force vers l'avion qui devait le rapatrier, lui et 15
compatriotes, à Lagos. C'est ce qu'a indiqué hier le
Ministère public zurichois. Le collectif zurichois Augenauf,
qui, depuis quinze ans, enquête sur les violations des droits de
l'homme, n'a pas attendu: après avoir parlé à dix
des quinze Nigérians présents le 17 mars, il a
demandé hier l'abandon des vols spéciaux emmenant des
personnes ligotées et immobilisées.
La mort du Nigérian avait marqué un arrêt
provisoire des vols. Le 21 mai dernier, l'Office fédéral
des migrations (ODM) a toutefois anoncé leur reprise, sauf vers
le Nigeria, moyennant quelques modifications: une équipe
médicale composée d'un médecin et d'un secouriste
sera systématiquement présente à bord.
Méthodes "inhumaines"
"Cela n'améliorera en rien la dignité et
l'intégrité des réfugiés", ont
déclaré les représentants d'Augenauf.
L'organisation, qui collabore notamment avec Amnesty International,
dénonce des méthodes "inhumaines, dont l'immobilisation
quasi totale et l'interdiction d'uriner et de manger par
soi-même, envers des personnes qui n'ont rien fait d'autre que de
vouloir être en Suisse et ne pas avoir le droit d'y être."
"Il ne faut pas croire, a précisé Rolf Zopfi,
cofondateur d'Augenauf, que ces personnes ont fait des choses horribles
ou qu'elles ont été particulièrement violentes."
Hier, Augenauf et l'Association des médecins
indépendants (VUA) ont aussi enjoint les médecins, les
soignants mais aussi les policiers à ne pas participer à
des actions "qui mettent en danger la santé d'êtres
humains". "Il y a évidemment des médecins qui refusent,
répond Urs von Arb, chef de la division retour de l'ODM. Cela
peut aussi être pour des raisons logistiques. Nous sommes en
train de négocier avec une structure pour réunir un pool
de médecins."
Se documenter d'abord
La VUA invite encore toutes les organisations médicales et
l'Académie suisse des sciences médicales à y
regarder de plus près et à se documenter sur les
pratiques d'expulsion forcée.
"Nous le ferons, assure la secrétaire
générale adjointe, Michelle Salathé. Mais nous
avons déjà des directives sur l'exercice de la
médecine auprès de personnes détenues, qui datent
de 2002." Or l'article 6.4 prévoit le refus de "prêter son
concours" si le médecin pense qu'il y a un danger majeur pour le
patient et "au cas où les moyens prévus ne seraient pas
abandonnés".
Les vols spéciaux reprendront en juillet, "vers des pays
de la région africaine", annonce l'ODM, sans préciser
lesquels. I
"La pression psychologique sur le médecin est majeure"
Pour Jacques de Haller, président de la
Fédération des médecins suisses, il est illusoire
de penser que les médecins vont garantir des retours tranquilles.
Comment la FMH réagit-elle à la décision de
la Confédération de faire accompagner les vols
d'expulsion par une équipe médicale?
Jacques de Haller: Nous constatons que les médecins sont
de plus en plus souvent sollicités par la société
civile pour fournir toutes sortes de garanties de
sécurité. Mais il est illusoire de penser que les
réfugiés déboutés vont retourner
tranquillement chez eux si un médecin est à bord. Les
médecins peuvent aider et apporter l'engagement de leur
profession, mais ils n'ont pas des pouvoirs magiques. Cela dit, la FMH
n'a pas à se prononcer sur les méthodes utilisées,
qui relèvent de la politique. Notre mission est de garantir que
les médecins puissent travailler correctement et qu'ils ne
soient pas instrumentalisés.
Précisément, la présence de médecins
dans ces avions ne revient-elle pas à cautionner la
méthode?
C'est pour cela que les directives médico-éthiques
sont importantes: non seulement l'avis médical ne doit pas faire
partie de la décision d'expulser ou non, mais, de plus, le
médecin doit pouvoir se retirer à tout moment. Il faut
aussi souligner que sa présence, dans ces cas-là, n'est
pas d'ordre thérapeutique. De plus, tout médecin peut
aussi décider par principe de ne pas participer à ce type
de procédures.
L'accompagnement de détenus exige-t-il des conditions
particulières?
Je plaiderais pour que seuls des médecins formés
à cela soient sollicités, comme des médecins de
prison. Ce ne sont pas des situations que l'on peut juger sans
expérience particulière. La pression psychologique sur le
médecin est majeure.
L'Office fédéral des migrations dit être en
train de "négocier" avec une structure pour réunir un
pool de médecins prêts à accompagner des vols
d'expulsion. La FMH est-elle impliquée?
Non, en aucun cas. J'imagine que l'ODM est en train de constituer
un pool sur la base de sollicitations individuelles.
Propos recueillis par AG
---
20min.ch 24.6.10
http://www.20min.ch/news/schweiz/story/-Erniedrigende-Fesselung--17330273
Video: http://www.20min.ch/videotv/?vid=124265&cid=1
Ausschaffungs-Praxis
"Erniedrigende Fesselung""Erniedrigende Fesselung"
von Lukas Mäder - Wie menschenunwürdig Zwangsauschaffungen
sind, zeigt jetzt ein Video der Organisation Augenauf. Sie fordert
einen sofortigen Stopp der Massnahme.
Er kann sich kaum bewegen, Fesseln an Armen und Beinen hindern ihn
daran. Auf dem Kopf trägt er einen Helm, er kann den Mund kaum
öffnen und hört die Geräusche der Umgebung nur
gedämpft. Was ein Freiwilliger der Organisation Augenauf vor den
Medien in Zürich demonstrierte (siehe Video), ist für
Betroffene bei Zwangsausschaffungen die Realität. Und sie
müssen die Fesseln stundenlang tragen. Die Fesselung zu
Demonstrationzwecken beruht auf Zeugenaussagen von Betroffenen.
Die Organisation Augenauf will erreichen, dass Bund und Kantone keine
Zwangsausschaffungen mehr durchführen. "Das Verfahren ist
erniedrigend und menschenunwürdig", sagte Rolf Zopfi vor den
Medien in Zürich. Die Betroffenen würden traumatisiert. Bei
einigen Massnahmen gehe es nur darum, die Auszuschaffenden zu
erniedrigen. "Eine Person muss nicht unbedingt gewalttätig sein,
um so behandelt zu werden", sagt Zopfi. Der Zürcher Regierungsrat
hingegen schreibt in einer Interpellationsanwort, dass dieses Vorgehen
nur bei besonders renitenten Personen angewendet wird, bei denen eine
Rückführung mit normaler Fesselung nicht möglich ist.
Bereits das dritte Todesopfer
Bund und Kantone haben Zwangsausschaffungen gestoppt, nachdem vor einem
Ausschaffungsflug nach Lagos am 17. März ein Nigerianer ums Leben
kam. Die Untersuchung des Todesfalls läuft noch; nächste
Woche sollen die Ergebnisse des rechtsmedizinischen Gutachtens
veröffentlicht werden. Eine Wiederaufnahme der Flüge ist aber
bereits geplant und soll schrittweise erfolgen. Neu ist vorgesehen,
dass ein Arzt die Ausschaffung begleitet. Für Augenauf lässt
sich so aber nicht ausschliessen, dass es erneut zu einem Todesfall bei
Zwangsausschaffungen komme. Bereits 1999 und 2001 waren abgewiesene
Asylbewerber während Zwangsausschaffungen erstickt.
Die Kantone, die für die Ausschaffung zuständig sind,
drängen jedoch auf eine rasche Wiederaufnahme der Flüge,
haben diese doch grosse Ausmasse angenommen. Durchschnittlich fanden
seit Anfang 2006 mehr als zwei Flüge monatlich statt. Laut
Regierungsrat des Kantons Zürich sind in 111 Flügen ab
Flughafen Kloten 1282 Personen zwangsausgeschafft worden. Dabei kommen
gecharterte Reisejets, laut "10vor10" von den Airlines Swiss oder
Hello, zum Einsatz mit 60 bis 70 Personen an Bord, wobei der Grossteil
Polizisten sind. Denn jeder Ausschaffungshäftling hat zwei
Polizisten als Begleitung an Bord.
Aufruf zu Ungehorsam
Diese Polizisten und die übrigen Begleitpersonen von
Zwangsausschaffungen wie Ärzte oder die Flugzeugbesatzung ruft die
Organisation Augenauf auf, den Dienst zu verweigern. Es gebe keine
Dienstpflicht für Handlungen, die die Menschenwürde
verletzen. "Es ist unglaubwürdig, solche Zwangsausschaffungen zu
dulden und gleichzeitig mit dem Finger auf Guantánamo zu
zeigen", sagt Walter Angst von Augenauf. Deshalb hält Angst auch
nicht viel von unabhängigen Beobachtern, wie sie Amnesty
International oder das Komitee des Uno-Menschenrechtsrats fordern. In
der EU sind solche Beobachter bereits Pflicht. Die Schweiz
übernimmt diese Richtlinie möglicherweise. Das nütze
nichts, sagt Angst: "Unabhängige Beobachter können fatale
Ereignisse wie der Todesfall im März nicht beeinflussen oder
verhindern."
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FUSSBALL
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Basler Zeitung 25.6.10
Theater
"Wir brauchen mehr Frauen in der Kurve!"
Das Junge Theater Basel spielt ihr Stück "Der 12. Mann ist eine
Frau" in der Kaserne
Provokativ. "Hey, mal ne kurze Durchsage an alle Typen: Um euch
gehts gar nicht. Wir reden nur mit den Frauen." Mit diesem provokativen
Ausruf beginnt das Junge Theater Basel sein Stück "Der 12. Mann
ist eine Frau". Die Theatergruppe hat über Lust und Leid
weiblicher Fussballfans recherchiert, die immer noch eine krasse
Minderheit in der Fankurve darstellen. Die Erkenntnisse aus 80 Seiten
Interviewmaterial bringen drei junge Schauspielerinnen auf die
Bühne. Das Stück legt den Zeigefinger auf einen wunden Punkt
des Fussballs, den weit verbreiteten Sexismus in Stadien.
> Kaserne, Klybeckstrasse 1b, Basel. 19.30 Uhr. http://www.jungestheaterbasel.ch
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NARRENKRAUT
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Beobachter 25.6.10
Standpunkt
Legal, illegal - total egal
Politiker fordern: Als Test soll die Stadt Zürich Cannabis
verkaufen. Eine gutgemeinte Idee, die leider gesellschaftliche
Realitäten ausblendet.
Sven Broder
Entschuldigen Sie, wo gibts was zu kiffen?" - "Beim
Personenmeldeamt." Erwin tut, wie ihm die Dame am Empfang im Stadthaus
kundgetan hat, und stellt sich am Schalter 5 in die Schlange. Bald
steht er vor einem Sozialpädagogen, der seine Personalien aufnimmt
und ihm Fragen zu seinem Drogenkonsum stellt. Ehe er sichs versieht,
steckt Erwin in einem Lebensberatungsgespräch, das er weder
gebraucht und schon gar nicht gewünscht hatte. "Sie wissen", sagt
der Mann zum Schluss, "die Dosis macht das Gift." Erwin tut, was er
seit einer Viertelstunde getan hat. Er nickt nett. Dann ist es so weit:
Als Dankeschön für seine Geduld und seine Teilnahme am
wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekt "Zürich kifft richtig"
bekommt Erwin für zehn Franken ein Säckchen Gras mit
Biozertifikat und einem amtlich bestätigten THC-Gehalt von 15
Prozent. Draussen setzt sich Erwin zu Kumpels an die Limmat und meint:
"Uff, jetzt brauch ich erst mal einen Joint."
Die Stadt, dein netter Cannabis-dealer? Noch ist diese Szene
Fiktion. Doch schon in zwei, drei Jahren könnte sie Realität
sein, zumindest in der Stadt Zürich. Dort überwies eine
Mehrheit aus SP, Grünen und Grünliberalen ein Postulat, das
den kontrollierten Testverkauf von Cannabis an über
18-Jährige verlangt, kombiniert mit Infoveranstaltungen an Schulen.
Die Konsumenten haben ihre Quellen
Mit Verlaub: was für eine blöde Idee. Nicht
grundsätzlich zwar. Aber so, wie die Postulanten sich den
Pilotversuch vorstellen, erscheint das Vorhaben recht naiv. Welcher
volljährige Cannabiskonsument wird sich schon an den amtlichen
"Drogenschalter" stellen, wo er registriert und allenfalls noch von
einem netten Sozialarbeiter bequatscht wird, wenn er seinen Stoff
problemlos auch woanders beziehen kann?
Denn eines sollten wir gelernt haben: Egal, ob an der
Repressionsschraube gedreht wird oder nicht, Cannabisprodukte gibts
immer. Das Marihuana heisst eben nicht nur "Gras", weil es grün
ist, sondern auch weil es wächst wie Unkraut. Der letzten
repräsentativen Befragung zufolge beziehen es neun von zehn jungen
Kiffern von Freunden - davon die Mehrheit sogar umsonst. Legal, illegal
- total egal.
Und diejenigen, die (noch) keinen Draht zu einem Kollegen mit
einer kleinen Indoor- oder Balkonplantage haben und zu den 13 Prozent
gehören, die ihren Cannabis auf der Gasse besorgen müssen?
Diese Kiffer dürften selber noch etwas grün sein, also auch
noch keine 18 Jahre alt. Und just die würden am Schalter 5
vergeblich um ihr kontrolliertes Gras anstehen.
Wenn die Postulanten schon den Jugendschutz betonen, dann sollen
sie konsequent sein und die kontrollierte Abgabe an 14-Jährige
fordern. Immerhin kifft je nach Studie bereits jeder vierte
15-Jährige. Zudem gilt als erwiesen, dass der
übermässige Cannabiskonsum gerade in der Pubertät
gefährlich sein und Psychosen und andere Langzeitschäden
verursachen kann. Gerade die, die Aufklärung und Kontrolle am
nötigsten hätten, gingen den Fachleuten jedoch auch
künftig durch die Lappen.
Wenn schon, dann gleich richtig
Anders sähe es aus, wenn die Stadt das Postulat aus dem
Gemeinderat zum Anlass nähme, ein niederschwelliges und
flächendeckendes Verkaufsmodell zu testen, in Apotheken oder mit
lizenzierten Shops etwa. Dort wäre nicht nur der Verkauf klar
geregelt, auch die Preise wären abgestimmt und die Qualität
überprüft. Das Geld strömte nicht mehr auf die Konten
Krimineller, sondern in die Staatskasse. Nur dann würde sich der
Schwarzhandel in Rauch auflösen. Und nicht mehr das
überzüchtete, mit Dünge- und
Schädlingsbekämpfungsmitteln vergiftete Kraut, das zu Recht
verboten gehört, weil es Kiffern das Hirn wegbläst - und zwar
auch der Mehrheit der 500000 Cannabiskonsumenten im Land, die alt und
vernünftig genug sind, einen besonnenen Umgang mit psychoaktiven
Substanzen zu pflegen.
Doch auch wenn die Stadtzürcher 2008 ja zur Hanfinitiative
gesagt haben, fände diese Quasilegalisierung kaum eine Mehrheit.
Nicht im Alleingang - weil Zürich so das Amsterdam der Schweiz
würde. Und so bleibt wohl alles beim Alten: Tausende kiffen,
Politik und Justiz verschliessen die Augen. Oder kneifen zumindest ein
Auge zu. Das ist ein praktikabler Weg, aber keine Lösung. Denn im
Grunde hat die strafrechtliche Verfolgung selbstschädigenden
Verhaltens in einer liberalen Rechtsordnung nichts verloren. Schon gar
nicht, wenn die Polizei weder Geld noch Zeit und offenbar auch nicht
die Lust hat, das Verbot durchzusetzen.
Sven Broder ist Beobachter-Redaktor.
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FEDPOL 2009
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fedpol.admin.ch 25.6.10
Jahresbericht 2009:
http://www.fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/migr_new/sicherheit___jahresbericht.Par.0001.File.tmp/JaBe-2009-D.pdf
Jahresbericht 2009 des Bundesamtes für Polizei
Internationale Polizeikooperation gegen globalisierte Kriminalität
Medienmitteilungen, fedpol, 25.06.2010
Bern. Die Globalisierung ist auch bei der Schwerstkriminalität
spürbar: Organisierte Kriminalität, Menschenhandel und
-schmuggel sowie Cybercrime sind laut Bundesamt für Polizei
(fedpol) Kriminalitätsformen, denen entschlossen begegnet werden
muss. Da diese Kriminalitätsphänomene fast ausschliesslich
transnational auftreten, muss auch deren Bekämpfung
grenzüberschreitend erfolgen, wie der Jahresbericht 2009 zeigt.
Die Schweiz ist auch 2009 für kriminelle Organisationen attraktiv
geblieben. Gruppen aus Georgien, Südosteuropa und Westafrika
beispielsweise machen in der Schweiz durch Drogenhandel, Einbrüche
und Raub auf sich aufmerksam. Andere Gruppen insbesondere aus Italien
oder aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion wiederum benutzen die Schweiz
eher für logistische Zwecke, für Geldwäscherei oder als
Rückzugsgebiet. Diese Bedrohung ist weniger sichtbar und subtiler,
gefährdet aber sowohl den freien Wettbewerb, als auch die
Unabhängigkeit von Personen und Institutionen.
Grenzüberschreitende Schwerstkriminalität…
Konkret hat fedpol 2009 im Bereich der Organisierten Kriminalität
61 Fälle bearbeitet und dabei verschiedene Erfolge verbucht. Ein
Beispiel dafür ist die international koordinierte Polizeiaktion
gegen eine georgische Gruppierung, die in der Schweiz und in anderen
europäischen Ländern vor allem Einbrüche und
Ladendiebstähle im grossen Stil beging. 69 Personen wurden bei
dieser Aktion verhaftet, darunter 11 in der Schweiz.
Eine weitere grosse Herausforderung stellen für fedpol die
wachsenden Möglichkeiten der digitalen Welt dar: Plattformen
für soziale Netzwerke, Online-Bilder und Video-Sharing bieten neue
Formen der Kommunikation an, bergen aber auch eine Fülle von
Gefahren und stellen einen Nährboden für neue Deliktsformen
dar. Davon profitiert die Täterschaft. Die professionellen
Methoden zur Verschlüsselung der Kommunikation und die vermehrte
Nutzung von mobilen Geräten erschweren den
Strafverfolgungsbehörden die Identifikation von
Internetteilnehmern. Gleichzeitig wird die digitale Welt zunehmend zur
Planung, Koordinierung und Durchführung von Delikten genutzt. Dies
zeigt sich auch in den Zahlen der Koordinationsstelle zur
Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) bei fedpol. Auch
im Bereich Cybercrime ist darum eine zunehmend internationale
Vernetzung bei der Bekämpfung der Schwerstkriminalität
gefragt.
Die mit der Globalisierung einhergehende Vernetzung der kriminellen
Aktivitäten zeigt sich zudem auch im Bereich Menschenhandel und
-schmuggel. Die Schweiz war auch 2009 ein attraktives Ziel- und
Transitland für diese Kriminalitätsformen. Stark angestiegen
sind im Berichtsjahr der Handel mit Frauen aus Ungarn und die
organisierte Schleusung junger Westafrikanerinnen. Daran hat sich auch
2010 nichts geändert. Ungarisch-stämmige Tätergruppen,
welche primär der Ethnie Roma angehörig sind, versuchen sich
gesamtschweizerisch in der Strassenstrichszene sowie in Kontaktbars zu
etablieren. fedpol unterstützt die Verfahren der Schweizer
Behörden und Polizeikorps bei Aktionen jeweils direkt vor Ort und
koordiniert gleichzeitig den nationalen und internationalen
Informationsaustausch. Bei der jüngsten Aktion, welche vor rund
zwei Wochen in Zürich stattfand, konnten dank dieser vernetzten
Arbeit zeitgleich Straftäter in Ungarn und Zürich verhaftet
werden.
…erfordert vermehrt eine koordinierte Polizeizusammenarbeit
Um der geschilderten Vernetzung der schwerstkriminellen
Aktivitäten entschlossen zu begegnen, ist eine koordinierte
Polizeizusammenarbeit auf nationalem und internationalem Niveau
unabdingbar. In diesem Zusammenhang sind die bilaterale
Polizeizusammenarbeit (namentlich mit den umliegenden
Nachbarländern), das Netz der Polizeiattachés sowie der
Informationsaustausch über INTERPOL zu nennen.
Speziell zu erwähnen ist zudem die Zusammenarbeit mit dem
Europäischen Polizeiamt (EUROPOL) in Den Haag, welche seit 2006
besteht und sich kontinuierlich weiterentwickelt hat. 2009 waren es
monatlich ca. 200 operationelle Geschäfte, die im Rahmen dieser
Zusammenarbeit bearbeitet worden sind. Darüber hinaus ist fedpol
Mitglied von mehreren Analysegruppen zum Austausch von Daten
(sogenannte Analysis Work Files). Dies ermöglicht es den
Mitgliedstaaten, die unter der Leitung von EUROPOL ausgetauschten
Informationen zu speichern, zu analysieren sowie zu vergleichen. Dank
dieser Arbeit können ausgewertete Daten mit grossem operativem
Mehrwert an alle betroffenen Partner weitergeleitet werden.
Auch das Schengen-Abkommen hat sich im ersten Jahr überaus
bewährt. Dank dem Schengener Informationssystem (SIS) wurden im
Durchschnitt täglich 24 Fahndungstreffer erzielt. Die meisten
Treffer bezogen sich auf Personenfahndungen. Gesucht wurden dabei
Personen, die aus Gründen wie Drogenhandel, Vergewaltigung oder
Mord international zur Verhaftung ausgeschrieben waren. Auch 2010
wurden in der Schweiz dank dem SIS bereits wieder 93 vermisste
Personen, darunter zahlreiche Kinder, gefunden. Die Schengener
Zusammenarbeit trägt damit massgeblich zur Sicherheit unseres
Landes bei.
Die Erkenntnisse zeigen, wie wichtig die internationale Vernetzung und
Zusammenarbeit bei der Steuerung und Koordination von internationalen
Fahndungen ist. Nur dank dieser Vernetzung kann fedpol Delikte aus den
Bereichen Menschenschmuggel und Drogenhandel, Tötungsdelikte oder
organisierte Kriminalität auch künftig professionell und
effizient verfolgen.
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NEONAZIS LIECHTENSTEIN
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Beobachter 25.6.10
Die Neonazis von nebenan
Ausgerechnet Liechtenstein hat ein massives Problem mit
Rechtsextremismus. Auf Spurensuche im kleinen reichen Land, wo jeder
jeden kennt.
Text: Andrea Haefely; Fotos: Dominic Büttner
Schaut der Fürst von seinem Schloss hinunter in die Ebene zu
seiner Rechten, schaut er zu den Rechten. Dort, im Liechtensteiner
Unterland, genauer in der Doppelgemeinde Eschen-Nendeln, lebt ein
Grossteil der Liechtensteiner Rechtsextremen. Und dort verüben sie
meist auch ihre Straftaten.
Zum Beispiel den Brandanschlag auf das Kebab-Bistro "Abra
Kebabra" in Nendeln. Am Freitag, dem 26. Februar 2010, gegen fünf
Uhr morgens werfen Unbekannte mit Steinen die Scheiben des Lokals ein.
Dann folgt ein Molotow-Cocktail. Der Brand wird zum Glück bald
entdeckt - in dem Haus wohnen zwei Familien.
Das Haus steht schräg vis-à-vis vom Bahnhof Nendeln,
einem winzigen Bahnhof aus den Gründerjahren, wo nur morgens und
am späten Nachmittag Pendlerzüge halten. Der Intercity nach
Wien bremst nicht. Ennet den Gleisen ist Industrie. Um die Ecke an der
Strasse nach Vaduz bietet "Herberts Militärstüble" Militaria
und neuzeitliche Waffen vom "2. und 1. Weltkrieg bis zurück in die
Kaiserzeit" zum Verkauf an. Ein handgeschriebenes Zettelchen, mit
Klebstreifen an der Glasscheibe der Tür befestigt, informiert in
verblichener Schrift potentielle Kunden über die
Öffnungszeiten. Der Handel mit antiquarischen Nazi-Devotionalien
ist legal.
"Wer dieses Feuer legte, hat in Kauf genommen, dass Menschen
sterben", sagt Erdal Kilic, der mit seinen beiden Brüdern das
"Abra Kebabra", das zum Zeitpunkt des Brandanschlags noch nicht
eröffnet war, betreiben wollte. Angst vor weiteren Anschlägen
hat Kilic nicht: "Das bringt nichts." Fassungslos ist der
37-Jährige aber auch noch Monate nach dem Anschlag.
40 Rechtsradikale sind der Polizei bekannt
Mitte Mai wird ein Hauptverdächtiger, ein 22-jähriger,
bislang nicht vorbestrafter Liechtensteiner, festgenommen. Ihm werden
zwei weitere Brandanschläge zur Last gelegt, bei denen in der
Nacht auf den 22. November 2009 Brandsätze gegen zwei Nendler
Wohnhäuser geworfen wurden. Noch sucht die Polizei nach
Mittätern.
Der junge Mann ist teils geständig. Er bezeichnet sich als
Nationalsozialist und Türken als "die Juden der Neuzeit". Mit
seinem Fremdenhass, der sich offensichtlich vor allem gegen
Liechtensteiner Türken richtet, ist er nicht allein: Rund 40
Personen gehören einer rechtsradikalen Gruppierung an oder
orientieren sich an einer solchen und sind deswegen polizeilich
registriert. Mitläufer und Sympathisanten nicht mitgerechnet. Das
ist jeder 900. Einwohner von Liechtenstein. Zum Vergleich: In der
Schweiz gehören laut Schätzungen des Bundesamts für
Polizei gegen 1200 Personen zum harten Kern der rechtsextremen Szene,
eine auf 6500 Einwohner.
Seit Anfang der neunziger Jahre hat Rechtsextremismus im
Fürstentum hässliche Tradition. 1999 und 2006 kamen
Untersuchungen des Liechtensteiner Amtes für Soziale Dienste zum
Schluss, dass rund 20 Prozent der Jugendlichen mit
nationalsozialistischen Ideen sympathisieren und vier Prozent solche
Ideen offen unterstützen. Wieso aber fällt rechtsextremes
Gedankengut ausgerechnet im Ländle auf so fruchtbaren Boden? In
einem Land, wo praktisch jeder einheimische Jugendliche beste
Bildungschancen hat, mit 18 ein Auto fährt und wo so gut wie kein
Lehrstellenmangel herrscht? Wieso neigen sozial und beruflich bestens
integrierte junge Menschen aus alteingesessenen Familien, teils sogar
mit Hochschulabschluss und in Kaderposition, zu Rechtsextremismus?
Auf Anregung des Uno-Überwachungsausschusses gegen
Rassendiskriminierung und der Liechtensteiner Regierung gab die
Gewaltschutzkommission des Landes vor zwei Jahren eine Studie in
Auftrag, die das Phänomen untersuchen sollte. Der Bericht,
erschienen im September 2009, zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die
mit ihren traditionalistischen und konservativen Milieus durchaus
rechtsradikale Tendenzen begünstigt.
"Speerspitze der Gesellschaft"
Es ist eine Gesellschaft von 36 000 Einwohnern auf 160
Quadratkilometern, in der jeder jeden kennt und man sich unter
Einheimischen grundsätzlich duzt. In der man nicht leichtfertig
gegen den Nachbarn stänkert. Wo die Kirche noch im Dorf steht und
der erzkonservative Erzbischof Wolfgang Haas wohlgelitten ist. Wo die
soziale Kontrolle allgegenwärtig ist und ortsfremde Autos im
Quartier die Menschen an die Fenster locken. Wo man sich als
Auswärtiger nicht nur beobachtet fühlt, sondern es ist.
Es ist eine Gesellschaft, in der sich Unterländer und
Oberländer voneinander abgrenzen, auch wenn nur zehn Kilometer sie
trennen. Eine Gesellschaft, die ihren Nationalstolz aus einem 800 Jahre
alten Fürstenhaus, ihre Zukunftsängste hingegen aus ihrer
Kleinheit nährt. Die Eigenständigkeit und Identität
durch den Druck von Europa, durch die Globalisierung in Frage gestellt
sieht.
Und auf eben diese Gesellschaft berufen sich die Rechtsradikalen.
Behaupten, dass sie lediglich das sagen und tun, was sich die andern
nicht trauen. Verstehen sich als "Speerspitze der Gesellschaft". Ab und
an mag das wohl stimmen: "Wir treffen manchmal tatsächlich auf
Eltern von rechtsradikalen Jugendlichen, die finden, ihre Kinder
müssten sich doch wehren gegen die Türken", sagt Jules Hoch,
Chef der Liechtensteiner Kriminalpolizei und Präsident der
Gewaltschutzkommission. "Die sehen nichts Falsches am Tun ihrer Kinder."
"Wir wissen", liess auch Innenminister Hugo Quaderer diesen
Frühling verlauten, "dass rechtsextreme Einstellungen bis weit in
die Mitte der Gesellschaft verbreitet sind." Seine Erklärung: "Die
Tendenzen, die in Europa erkennbar sind, haben auch vor den Grenzen
Liechtensteins nicht haltgemacht. Auch unser Land ist betroffen von
Zuwanderung und Internationalisierung." Und das könne durchaus
Angst vor Identitätsverlust auslösen.
Tatsächlich hat das Fürstentum in den letzten 30 Jahren
einen strukturellen Wandel vollzogen von einer homogenen,
bäuerlich geprägten hin zu einer industrialisierten Region.
Statt ländlicher Idylle findet der Besucher heute einen
Landstrich, der sein Gesicht verloren hat an Fabrikhallen und biedere
Einfamilienhäuschen mit Eternitschindeln, Rauverputz und
schmiedeeisernen Treppenhandläufen. Die Bevölkerung hat um
rund ein Drittel zugenommen, der Ausländeranteil ist auf 33
Prozent angestiegen. Dabei entfällt das Gros auf Deutsche,
Österreicher, Schweizer und Italiener. Türkische
Staatsangehörige, primäres Ziel der Liechtensteiner
Rechtsradikalen, zählte die Bevölkerungsstatistik per Mitte
2009 gerade mal 767.
Neu fürs Ländle ist die zunehmende Gewaltbereitschaft
der Rechtsextremen. Die bekam auch Ayhan Gündogdu zu spüren.
Seit neun Jahren betreibt der 36-Jährige mit seiner Frau Meryem
den "Anatolia Dorf Imbiss". Das Lokal liegt gleich hinter dem Dorfplatz
von Eschen, einem kahlen, von der Kirche dominierten Platz mit
Bushaltestelle. Ohne das "Anatolia", das nicht nur Kebab und Pizza,
sondern auch Bratwurst mit Pommes und Gulaschsuppe serviert, wäre
Eschens "Dorfzentrum" selbst an Samstagabenden völlig tot. Das
Ehepaar Gündogdu gilt allgemein als ausgesprochen freundlich und
zuvorkommend.
"Wir wollen keine Ausländer hier"
Es ist der 16. Mai 2009, gegen zwei Uhr nachts. Ayhan
Gündogdu ist noch am Aufräumen, als ein Skinhead an die
Scheibe klopft und mit Gesten andeutet, er brauche Zigaretten. Obwohl
er schon geschlossen hat, lässt der gastfreundliche Bistrowirt den
jungen Mann ein. Kaum drin, fängt der Rechtsextreme an,
Gündogdu zu beschimpfen: "Wir bringen dich um. Wir wollen keine
Ausländer hier." Dann greift er zum Handy. "Ich bin jetzt drin",
will Gündogdu gehört haben. Sofort tauchen zwei weitere
Neonazis auf. Sie werfen mit Gegenständen nach dem Wirt, der vom
grossen Abfalleimer am Kopf getroffen wird, den schweren gläsernen
Wirtshaus-Aschenbechern aber ausweichen kann: "Wirst du von so einem
getroffen, bist du schnell tot." Mit dem Kebabmesser versucht
Gündogdu, der Todesängste aussteht, die jungen Männer
auf Distanz zu halten. Schliesslich hören ein Nachbar und dessen
Sohn den Tumult. Sie alarmieren die Polizei, die nach einer
Viertelstunde eintrifft.
Gündogdu muss ins Spital und kann zweieinhalb Monate nicht
arbeiten. Der Flachbildfernseher, die Kebabmaschine, die Kasse, alles
in Trümmern. 12 500 Franken Schaden richten die Angreifer an. Der
jugendliche Haupttäter wird erstinstanzlich zur Zahlung von 1000
Franken Schmerzensgeld verurteilt, sein Anwalt hat das Verfahren
weitergezogen. Die Mittäter wurden freigesprochen.
Als Fremde gelten hier viele
Gündogdu fühlt sich von der Justiz im Stich gelassen
und ist schockiert: "Irgendwann gibt es wirklich mal einen Toten." Er,
der schon seit 20 Jahren im Ländle lebt, ist als Einwohner des
Fürstentums tief verletzt. Das Wort Ausländer hat für
ihn seine ursprüngliche Bedeutung verloren, ist ein Schimpfwort
geworden. Ein Mensch sei doch ein Mensch, sagt er, nicht ein
Ausländer. Faktisch muss Gündogdu noch weitere zehn Jahre
durchhalten, erst dann steht ihm - nach 30 Jahren - die erleichterte
Einbürgerung offen. Wer hier geboren ist, darf schon nach 15
Jahren dazugehören. Zumindest auf dem Papier.
Man muss im Ländle nicht Türke sein, um nicht
dazuzugehören. Selbst wer hier geboren und aufgewachsen ist, aber
keinem der Liechtensteiner Geschlechter angehört, kein Hoch, kein
Quaderer, kein Hasler ist, wird immer ein fremder Fötzel bleiben.
"Wer nicht von hier stammt, hat es eindeutig schwerer, die
Fremdenfeindlichkeit ist unterschwellig immer da", sagt Stefanie von
Grünigen, die Einzige im Eschener Gemeinderat, die keinen Namen
einer alteingesessenen Familie trägt. Die Ur-Liechtensteinerin,
eine geborene Sele, hat durch Heirat ihren Namen gegen den eines
Bernbieters eingetauscht. "Und das kriege ich immer wieder zu
spüren." Lokalchauvinismus als Steigbügel für
Rechtsradikalismus?
Kripochef Jules Hoch sitzt in seinem Büro im Vaduzer
Polizeigebäude, vor sich eine beschlagnahmte Neonazi-Fahne.
Kinderzeichnungen hängen an der Wand. FBI-Plaketten, in Acrylharz
gegossen, stehen auf der Fensterbank. Dass die Gewalt zugenommen hat,
kommt nicht von ungefähr, weiss der Mann mit den ernsten Augen:
"Die Rechtsextremen der jüngeren Generation pflegen enge Kontakte
zur ‹Blood and Honour›-Bewegung in Österreich, Deutschland und der
Schweiz." Diese Neonazi-Organisation strebt nach eigenen Angaben einen
dritten Weltkrieg an, um "zu beenden, was Hitler begonnen hat", ist
hierarchisch organisiert und sehr gewaltbereit.
Trotzdem muss schon sehr genau hinschauen, wer Zeichen von
Rechtsradikalismus im Fürstentum finden will. Die Rechtsextremen
scheinen gar auf dem Rückzug. "Das liegt daran, dass Schmierereien
meist sofort entfernt werden und dass sich die hiesigen Neonazis sehr
angepasst geben", erklärt Jules Hoch. "Sie haben gemerkt, dass sie
so bessere Chancen haben, wenn sie etwa eine Banklehre machen wollen."
Statt mit gut sichtbaren Insignien wie Glatze, Bomberjacke und
Springerstiefeln geben sie sich untereinander durch Kleidermarken und
Zahlencodes zu erkennen: Die Zahl 18 beispielsweise steht für den
ersten und den achten Buchstaben im Alphabet, die Initialen Adolf
Hitlers, 88 entsprechend für "Heil Hitler". Doch die Codes
wechseln ständig. Das Versteckspiel macht es der Polizei schwerer,
neue Szene-Angehörige zu identifizieren. "Im Prinzip hinken wir
immer ein wenig hinterher", sagt Hoch.
Die Folgen rechtsextremen Tuns beschränken sich nicht nur
auf Straftaten. Gerade Jugendliche fühlen sich durch das
Auftauchen von Neonazis in ihrer Freiheit eingeschränkt. "Wir
wollen und dürfen nicht tolerieren, dass Rechtsradikale das Leben
in der Öffentlichkeit dominieren", betont der Kripochef Jules Hoch.
Das Fürstenhaus schweigt
Doch die Angst vor Vergeltungsschlägen hält manchen
Beobachter davon ab, einen Vorfall zu melden oder eine Aussage zu
machen. Und auch die Kleinräumigkeit, die Nähe, macht die
Polizeiarbeit nicht einfach. Wenn der eigene Sohn beim Vater eines
rechtsradikalen Jugendlichen ins Fussballtraining geht, wird man es
sich zweimal überlegen, ob man Anzeige erstatten will. "Das
erschwert uns die Arbeit, allerdings nicht nur bei rechtsradikal
motivierten Taten, sondern generell", sagt Hoch.
Aufgeschreckt durch die Studie der Gewaltschutzkommission, hat
die Regierung ein Massnahmenpaket gegen Rechtsextremismus
verabschiedet. Grundpfeiler ist eine Sensibilisierungskampagne mit
Inseraten in der Presse. Sie soll vermitteln, dass rechtsextreme
Positionen wie Fremdenfeindlichkeit und Gewalt in Liechtenstein keine
Akzeptanz hätten. Und Innenminister Hugo Quaderer rief
unlängst zu mehr Zivilcourage auf.
Das Fürstenhaus hoch über der Ebene hüllt sich in
vornehmes Schweigen. Fürst Hans-Adam II. sah sich nicht
bemüssigt, Stellung zu nehmen. Und Erbprinz Alois, der seit 2004
die Regierungsgeschäfte führt, liess über seinen
PR-Berater gegenüber dem Beobachter verlauten: "Wir sehen keine
zwingende Notwendigkeit, uns zu diesem Thema zu äussern."
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G8/G20
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Indymedia 25.6.10
G20 Proteste in Toronto ::
AutorIn : cumbre: https://linksunten.indymedia.org/en/node/22001
Schon seit dem vergangenen Wochenende treffen sich AktivistInnen aus
aller Welt in Toronto um gegen den G20 Gipfel zu protestieren.
Die kanadische Großstadt gleicht im Zentrum einer Geisterstadt,
während ein Großaufgebot von Polizei aus allen Landesteilen
für die Sicherheit "global leaders" sorgt. Die Stadt hat über
eine Milliarde US$ für Sicherheitsvorkehrungen ausgegeben. Mit dem
Geld wurde nicht nur die komplette Innenstadt eingezäunt, sondern
unter anderem auch ein kompletter künstlicher See angelegt. Die
Staats- und Regierungschefs mauern sich mal wieder ein, um vom Protest
auf der Straße so wenig wie möglich mitzukriegen und auch an
den Landesgrenzen werden politisch aktive Menschen abgewiesen.
This is what Democracy looks like!
Alternative Medien: Toronto Media Coop | subMedia.TV | Audio Podcasts |
Bevor aber der G20 Gipfel in Toronto selbst losgeht treffen sich die G8
Staaten in einem exklusiven Kreis um schon mal ihre Positionen
abzustimmen. Der großen Politik geht es um die Krise der
Weltwirtschaft und die rettenden Maßnahmen, um aus dieser
möglichst unbeschadet wieder herauszukommen.
Die AktivistInnen auf der Straße haben sich andere Themen
ausgesucht. Ein People´s Summit beschäftigte sich vom 18.
Juni - 20 Juni mit Fragen wie globaler Gerechtigkeit, Umwelt- und
Klimafragen, Menschrechten und dem Aufbau einer Bewegung.
Am Montag gab es dann Aktionen unter dem Motto "Migrant Justice and An
End to War and Occupation, Income Equity and Community Control Over
Resources". Am Tag darauf fand eine Demo von hunderten Queers und
Symphatisanten statt [Video]. Der Mittwoch begann mit einer Toxic Tour
of Toronto gleich um 11 Uhr, die sich dem Klimawandel und deren
Auswirkungen auf Kanada befasste. Haupthema war dabei das Gigaprojekt
des Tar Sands, bei dem in dem Bundesstaat Alberta auf indigenem Land
großflächig Land abgegraben werden soll, um daraus Öl
zu extrahieren. Dies sorgt nicht "nur" für eine
Umweltzerstörung von unverstellbarem Ausmaß, sondern zur
Zerstörung der Gesundheit und der Lebensgrundlagen der dort
lebenden Indigenen. [Video]
Artikel mit links & Bildern und Interview hier:
Am Abend fand ein Treffen statt, dass die Ergebnisse des alternativen
Klimagipfels in Cochabamba weiter diskutierte.
Gasmasken Öl & Buisness Cops vs. Clown Rebell Army
Am Donnerstag fand dann der Aktionstag für die Indigene
Souveränität statt. Mehr als 2200 Menschen beteiligten sich
an der Demonstration, was für die Organisatoren einen großen
Erfolg darstellte. Das Motto war "Canada can`t hide his genocide",
Kanada kann seinen Genozid an den ursprünglichen Einwohnern nicht
verstecken. Dieser geschieht seit 500 Jahren und geht auch heute mit
Landvertreibungen und umwelt- und gesundheitsgefährdenden
Projekten wie den Tar Sands weiter.
Im Anschluss an die Demo fand eine Versammlung der indigenen
Völker statt, die sich selbst gegenseitig über Kämpfe um
Selbstbestimmung in anderen Teilen des riesigen Landes Kanada
informierten. Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass die
Veranstaltung sehr inspirierend gewesen sei.
Canada Can t hide Genocide Native Rights are Human Rights Native Land
Rights Now!
Am heutigen Freitag beginnen die eigentlichen Großproteste mit
dem Community Action Day ab 14:30 Ortszeit.
Orignialartikel mit Links, Bildern und Interview:
http://linksunten.indymedia.org/en/node/22001
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ANTI-ATOM
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Oltner Tagblatt 25.6.10
Widerstand gegen die Richtplananpassung
Niedergösgen Die Organisation NWA - Nie wieder Atomanlagen -
orientierte über Einsprachemöglichkeiten
Der Widerstand gegen weitere Atomanlagen im Niederamt
wächst: Am Mittwoch wurden in Niedergösgen Argumente auf den
Tisch gelegt, die gegen eine Änderung des Richtplans sprechen.
Dieser soll neu den Bau eines zweiten Kernkraftwerks im Niederamt
ermöglichen.
Clemens Ackermann
Rund drei Dutzend Personen waren es, die am Mittwochabend auf
Einladung von NWA (Nie wieder Atomkraftwerke, vergleiche Stichwort) im
Schlosshof in Niedergösgen zusammenkamen - mehr als bei einer
Gemeindeversammlung einer durchschnittlichen Niederämter Gemeinde.
Roberto Aletti zeigte sich denn in seiner Begrüssung auch positiv
überrascht über das Interesse für die
Informationsveranstaltung, die zum Ziel hatte, darüber zu
orientieren, wie Jeder und Jede Einwendungen gegen die
Richtplananpassung machen kann. Die Pläne sind zurzeit aufgelegt
in den Standortgemeinden Niedergösgen, Gretzenbach, Däniken
und beim Amt für Raumplanung in Solothurn.
Richtplananpassung
Ausgangspunkt des Abends war ein Referat von Andreas Knobel,
Co-Päsident von NWA. Knobel zeigte zuerst in einer Übersicht,
welche Schritte gemacht werden müssen, bis ein zweites
Atomkraftwerk im Niederamt steht. Einer dieser Schritte ist die
Anpassung des Richtplanes. Mit dieser Anpassung zeigt der Kanton
Solothurn, dass er eine solche Anlage zulassen will. Das Verfahren
sieht aber vor, dass zur Änderung des Richtplanes alle ihre
Meinung kundtun können. Das Verfahren läuft noch bis
Mittwoch, 7. Juli. Knobel forderte dazu auf, möglichst zahlreich
Einsprachen einzureichen.
Ein zweiter Schritt, bei dem die Stimmbürgerinnen und
Stimmbürger sich gegen ein Kernkraftwerk wehren können,
wäre, wenn ein Referendum gegen eine Rahmenbewilligung erfolgreich
zustande käme. Knobel rechnet damit frühestens bis Ende 2013.
Hybridkühlturm
Knobel stellte das Projekt mit seinem 60 Meter hohen
Hybridkühlturm, einem 80 Meter hohen Reaktorgebäude und einem
Flächenbedarf von 20 bis 25 Hektaren Land vor. Geplant wird eine
Leistung von 1,1 bis 1,6 Gigawatt. Die Versammlung in Niedergösgen
liess auch während des Referats Raum für spontane
Wortäusserungen. So wurde ein Bild kritisiert, das Knobel als
Projektbild zeigte. Die offizielle Fotomontage täusche, wurde
moniert, sie zeige keineswegs die korrekten
Grössenverhältnisse für die neue Atomanlage.
Das Werk würde nicht nur Strom produzieren, sondern vor
allem auch Abwärme. Mit dieser könnte man zwei Millionen
Wohnungen heizen, erklärte Knobel, aus Sicht der Umwelt wäre
aber mindestens zu fordern, dass diese Abwärme obligatorisch
genutzt wird.
Mitten im Wohngebiet
Der Richtplan zeigt für die geplante Anlage keine Details.
Nicht klar ist, wohin die Anlagen für die Weiterverarbeitung des
Stroms zu stehen kommt, ebenfalls offen ist die Frage, wo die bis zu
3000 Arbeiter während der geplanten Bauzeit von fünf bis acht
Jahren wohnen werden. Als Knobel die Baustelle des Kernkraftwerks
Olkiluoto in Finnland im gleichen Massstab wie die Pläne für
das KKN zeigte, meinte eine Frau aus dem Publikum: "Ich verstehe nicht,
wie man eine solche Anlage direkt in ein Wohngebiet hinein bauen will."
Knobel wies allerdings darauf hin, dass zum Beispiel in Japan
Atomanlagen ebenfalls in sehr dicht besiedelten Gebieten stehen.
Zu reden gaben die während der Bauzeit anfallenden
Immissionen. Knobel geht davon aus, dass für den Bau sicher mehr
als 400 000 Lastwagenfahrten nötig sein werden. Für die
aktivste Bauzeit rechnet Knobel damit, dass jede Minute ein Lastwagen
durch Niedergösgen fährt. Dabei wies er auf weitere
Grossprojekte hin, die für die nächsten 20 Jahre im Niederamt
geplant sind, etwa der Bau des Eppenbergtunnels, später der
Rückbau des Kernkraftwerks Gösgen und möglicherweise der
Bau eines Tiefenlagers für schwach und mittelaktive atomare
Abfälle.
20 MW für Ventilatoren
Kritisch beurteilte Knobel auch den geplanten
Hybridkühlturm. Nicht einmal wegen seiner Grösse, sondern aus
technischen Überlegungen. Der Kühlturm wird für seine
Ventilatoren rund 20 Megawatt Strom verbrauchen - in etwa die Leistung
des Flusskraftwerks Ruppoldingen, rechnete Knobel vor. Ausserdem werde
die Kühlung alles andere als lautlos sein. Das Projekt rechnet
für die Nacht mit einer Belastung von 50 Dezibel in
Mühledorf. Die WHO empfiehlt eine Maximalbelastung von 40 Dezibel.
Für den Lärm am Tag konnte Knobel keine verlässlichen
Zahlen nennen, die Belastung sei aber sicher höher.
Ein weiteres Thema war das Kühlwasser. Die Betreiber
versprechen zwar, dass das Wasser der Aare durch die Anlage um nicht
mehr als 0,1 Grad erwärmt werden solle. Die Frage blieb an der
Versammlung aber unbeantwortet, was passiert, wenn der Fluss wenig
Wasser führt. Dabei wurde auf Studien hingewiesen, die davon
ausgehen, dass die Wassermenge in der Aare mit der
Klimaveränderung in Zukunft eher kleiner sein werde und dass schon
im Sommer 2003, als das Wetter lange Zeit ausserordentlich heiss war,
das bestehende Kernkraftwerk Gösgen nicht mehr mit voller Leistung
betrieben werden konnte.
Neben dem AKW wohnen?
Ein weiteres Argument der Gegner des KKN zielte auf die
Entwicklungschancen des Niederamts. Das Niederamt wäre eine
ideale, attraktive Wohnlage im Grünen zwischen den grossen
Agglomerationen Zürich, Bern und Basel. Wenn man aber die Leute
darauf anspreche, erhalte man allzu oft die Antwort: "Wer will schon
neben einem Atomkraftwerk wohnen?"
Das Endlager hat zwar mit dem Standort eines Atomkraftwerks
direkt keinen Zusammenhang, Knobel geht aber davon aus, dass das
Endlager schliesslich dort gebaut werden wird, wo sich die
Bevölkerung am wenigsten kritisch gegen Atomanlagen zeigt. Wenn
nun behauptet werde, das Niederamt sei atomkraftfreundlich, so liege
das unter anderem daran, dass der Widerstand noch zu wenig sichtbar
sei. Deshalb müsse man allen klar machen: "Wer Ja sagt zum neuen
Atomkraftwerk, sagt auch Ja zum Endlager".
Kritische Mehrheit
Das Erstaunliche an der heutigen Situation ist, dass die
überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Atomkraft kritisch
gegenüber steht. Andreas Knobel zitierte Zahlen einer Umfrage der
Alpiq, in der sich 57 Prozent der Befragten für die weitere
Entwicklung erneuerbarer Energien aussprach. In der gleichen Umfrage
befürworteten weniger als fünf Prozent der Befragten die
Erneuerung und den Ausbau der Kernenergie.
Die Stimmung an der Veranstaltung war zuversichtlich. "Vor 30
Jahren ist es uns nicht gelungen, das Atomkraftwerk Gösgen zu
verhindern, weil der Widerstand auf einen zu kleinen Teil der
Gesellschaft beschränkt war", meinte eine Stimme aus der
Versammlung. "Heute haben auch Bürgerliche begriffen, dass es auch
ohne AKWs geht."
--
Nie Wieder Atomkraftwerke
NWA (Nie wieder Atomkraftwerke) ist eine Bewegung, die aus dem
Widerstand gegen das geplante Kernkraftwerk Kaiseraugst in den
1970er-Jahren gewachsen ist. Sie setzt sich ein für eine
Vollversorgung der Schweiz mit erneuerbaren Energien, konsequente
Energieeffizienz und gegen Atomkraft. Die Sektion Solothurn wurde am
25. Juni 2009 in Olten gegründet. Weitere Regionalgruppen gibt es
in Bern und Thun sowie im Aargau. Der Vorstand im Kanton Solothurn
besteht aus Roberto Aletti, Beat Hodel, Jacques Laville (alle
Niedergösgen), Käthi Walde Hunkeler (Schönenwerd), sowie
Philipp Hadorn (Gerlafingen) und Andreas Knobel (Däniken). Weitere
Informationen: http://www.nwa-solothurn.ch.
(ca)
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BZ 25.6.10
Schwierige Geldsuche für neue AKW
Die Linke erhält im AKW-Streit Munition von unerwarteter
Seite: Laut Alpiq-Finanzchef sind zwei neue AKW nicht finanzierbar.
"Der Schweizer Kapitalmarkt ist zwar recht liquide. Aber wir
werden die zwei Kernkraftwerke kaum gleichzeitig bauen können."
Das sagt Kurt Baumgartner, Finanzchef des Solothurner Stromkonzerns
Alpiq, in einem Interview mit der "HandelsZeitung". Baukapazität
und Finanzmarktkapazität sprächen für eine zeitliche
Staffelung. Ein zweites AKW könne erst nach der Fertigstellung des
ersten gebaut werden, also frühestens ab 2025. Denn die
Finanzierung werde "alles andere als ein Sonntagsspaziergang".
Nur mit staatlicher Hilfe?
Damit spricht der Alpiq-Manager ein Thema an, welches SP und
Grüne als ein Argument gegen den Bau neuer AKW ins Feld
führen. Sie sagen, keine Versicherung sei bereit, die atomaren
Risiken von AKW zu versichern. Daher sei klar, dass neue AKW ohne
staatliche Gelder nicht finanzierbar seien. Die AKW-Gegner verweisen
dabei gerne auf eine Studie der Bank Citigroup, die zeigt, dass allein
mit Privatinvestoren wohl kein neues AKW gebaut werde, weil die
finanziellen Risiken zu gross seien. Dies erinnere an die Grossbanken,
die im Schadenfall eine faktische Staatsgarantie genössen.
"Ohne Staatsgarantie"
Während die Linke daraus schliesst, dass auch aus
finanziellen Gründen keine neuen AKW gebaut werden sollten,
plädiert der Alpiq-Finanzchef dafür, den Bau der zwei aus
seiner Sicht notwendigen neuen AKW zu etappieren. Eine Preisgarantie
für Atomstrom, wie dies die Citibank-Studie suggeriere, sei "in
der Schweiz nicht machbar" und auch nicht nötig. "Unser Ziel ist
es, das Kernkraftwerk ohne Staatsgarantie zu bauen", sagt Baumgartner.
Taktik von Alpiq?
Dies sei möglich, wenn alles stimme. Er ist auch
überzeugt, Versicherer zu finden, welche ein neues AKW versichern.
Die AKW-Betreiber hätten heute "ja auch keine grundsätzlichen
Probleme, die bestehenden Werke zu versichern". Wenn ein neues AKW
hinzukomme, "ändert dies an der Haftung oder den Risiken nichts
Wesentliches".
Mit seiner Meinung betreffend Etappierung steht der
Alpiq-Finanzchef in Kreisen der Wirtschafts- und Stromlobby allerdings
ziemlich alleine da. Das ist ein Hinweis darauf, dass es Alpiq einmal
mehr vor allem um taktische Spielchen im Wettbewerb der Standorte
Mühleberg, Beznau AG und Gösgen SO geht. Axpo-Chef Heinz
Karrer sowie der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sagen im
Gegensatz zum Alpiq-Finanzchef, dass zwei neue AKW gleichzeitig
finanziert werden könnten.
BKW, Axpo und Alpiq wollen die neuen AKW gemeinsam als
Partnerwerke finanzieren. Und zwar zu rund 40 Prozent mit Eigen- und zu
rund 60 Prozent mit Fremdkapital. Die Frage ist, wo sie gebaut werden -
sofern das Schweizervolk Ja dazu sagt.
drh
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Stocks 25.6.10
"Die Marktöffnung führt zu mehr Regulierung"
Widrige Rahmenbedingungen belasten die Strombranche. Alpiq-Chef
Giovanni Leonardi ist aber zuversichtlich für die Zukunft des
grössten Schweizer Stromkonzerns.
Von Pascal Roth
Alpiq versorgt rund einen Drittel der Schweiz mit Strom und ist
in 30 europäischen Ländern im Energiehandel und im Vertrieb
tätig. Seit der Fusion von Atel mit der Westschweizer Stromgruppe
EOS arbeiten über 10 000 Menschen im Konzern, der einen
Jahresumsatz von 15 Milliarden Franken erzielt.
Stocks: Herr Leonardi, Sie sprechen oft von "Marktöffnung
light". Warum?
Giovanni Leonardi: Viele haben gehofft, dass mit der
Liberalisierung des Strommarktes die Deregulierung kommt. Mich
stört, dass die Marktöffnung nicht zu weniger, sondern zu
mehr Regulierung geführt hat. Die parlamentarische Diskussion
über die Strompreise widerspricht der ursprünglichen Idee.
Die Anforderung lautet, dass der Verkaufspreis nicht höher sein
darf als die Gestehungskosten. Die Politik will den Markt öffnen
und gleichzeitig die Preise und die Produktion diktieren. Das kommt
nicht gut. Würden Sie Ihr Magazin nach staatlichen Vorgaben
produzieren und dann zu den Gestehungskosten verkaufen?
Findet wenigstens der konjunkturbedingte Strompreisrückgang
ein Ende?
Ein baldiges Ende der schwierigen Konjunktur sehe ich noch nicht.
Verschiedene Interventionen der Europäischen Union sind ein
Signal, dass die Lage noch instabil ist. An der Strombörse bewegen
sich die Preise nach dem Einbruch in der zweiten Hälfte 2008 mehr
oder weniger seitwärts. Kürzlich war die Volatilität
sehr hoch. Da der konjunkturbedingte Strompreisrückgang von
regulatorisch bedingten Strompreiserhöhungen überlagert
wurde, hat der Konsument bisher nicht profitieren können. Diverse
Faktoren sind dafür verantwortlich: Kostendeckende
Einspeisevergütung, Wasserzinsen, Renaturierungs- oder
Netznutzungsbeiträge. Die kurzfristige Preisentwicklung kann ich
nicht voraussagen. Sicher ist nur, dass der Stromverbrauch mittel- und
langfristig kontinuierlich steigt. Seit es Strom gibt, ist das der
Fall, und es spricht nichts dafür, dass sich an diesem Trend etwas
ändern wird. Entweder gelingt es, die Produktion auszubauen, oder
die Verknappung führt langfristig zu höheren Preisen.
Sie haben beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde
eingereicht, die immer noch hängig ist. Worum ging es dabei genau?
Es geht um die Tarifsenkungen für das Übertragungsnetz
durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom
für die Jahre 2008 und 2009. Umstritten ist einerseits, ob es das
Gesetz erlaubt, einen gewichtigen Teil der Kosten für
Systemdienstleistungen - das heisst Dienstleistungen, die der
Stabilität des Übertragungsnetzes dienen - den grösseren
Kraftwerken mit über 50 Megawatt elektrischer Leistung
aufzuerlegen. Zudem fehlt nach unserer Auffassung eine ausreichende
gesetzliche Grundlage, Mindererträge aus ITC, also Kompensationen
für den Stromtransit, wegen priorisierter Grenzkapazitäten
den Inhabern von Langfristverträgen anzulasten.
Kommen wir zum jungen Unternehmen Alpiq. Wo schlummert nach der
Fusion von Atel und EOS das grösste Synergiepotenzial?
Anders als bei anderen Zusammenführungen sind bei uns die
Überschneidungen bisheriger Geschäftstätigkeiten nicht
das Hauptthema. Im Vordergrund steht das Wertsteigerungspotenzial, das
sich aus der Ergänzung der Geschäftsfelder der beiden
bisherigen Firmen ergibt. Wir sind in der Schweiz geografisch breit
abgestützt und verbinden neu die Westschweiz, Nordwestschweiz und
das Tessin unter einem gemeinsamen Dach. Dank der erweiterten und breit
gefächerten Produktion mit Band- und viel Spitzenenergie sind wir
flexibler und unabhängiger. Es eröffnen sich uns dadurch auch
im Handel und Verkauf europaweit neue Perspektiven. Dank der Fusion
können wir auch unsere starke Position im Bereich Energieeffizienz
und Energieservice weiter festigen und ausbauen.
Kann Alpiq im Stromhandel schwache Ergebnisse der Produktion
abfedern?
Die aktuellen Handelsergebnisse erfüllen die Vorgaben. Der
Stromhandelsmarkt ist derzeit ziemlich volatil. Dies bringt Chancen im
sogenannten Proprietary Trading, mahnt aber auch zur Vorsicht. Das
Asset Trading dient der Optimierung des Kraftwerkparks. Im Vordergrund
steht das Vermarkten der eigenen Energie und die
Produktionsflexibilität.
Wie stark beeinflussen schwächere Strompreise das Ergebnis?
Die fixen Kosten sind vom Srompreis unabhängig und damit
führen tiefere Absatzpreise zu Margenschwund.
Und zu einem schwächeren Aktienkurs.
Auch die Finanzkrise, die generellen wirtschaftlichen Aussichten
- insbesondere die Erwartungen in Bezug auf die Energienachfrage - und
die schwachen Energiepreise haben ihre Spuren im Aktienkurs
hinterlassen. Dazu kommen Unsicherheiten bezüglich weiterer
Subventionen für erneuerbare Energien und psychologische Elemente.
Schliesslich hat die italienische A2A ihre Alpiq-Beteiligung verkauft,
was den Aktienkurs ebenfalls belastet hat. Wir sind überzeugt,
dass die heutige Bewertung an der Börse Alpiqs Wert und die
hervorragenden Zukunftsperspektiven bei weitem nicht reflektiert.
Aber Finanzchef Kurt Baumgartner erwartet für das
Geschäftsjahr 2010 nochmals eine Umsatzeinbusse ...
Die allgemeine Konjunktur und die Energiewirtschaft im Besonderen
entwickeln sich gemäss unseren Erwartungen. Die einmaligen
Effekte, die unser Ergebnis 2009 beeinflusst haben, sind in unserer
Vorschau für 2010 berücksichtigt. Am 20. August publizieren
wir die Halbjahreszahlen.
Sie möchten eine Milliarde Franken in den Ausbau
erneuerbarer Energien investieren - einen Fünftel davon in der
Schweiz. Einsprachen von Tourismus- und Umweltverbänden lassen
diese Pläne sehr ehrgeizig erscheinen.
In der Schweiz investieren wir in Kleinwasserkraftwerke und
Windturbinen. Im Inland verfolgen wir rund 100 Projekte und halten an
unserem Ziel fest, möglichst viele dieser Projekte zu realisieren.
Der politische Wille ist, mehr erneuerbare Energie zu erzeugen. Dazu
wollen wir einen massgeblichen Beitrag leisten. Schliesslich braucht
die Schweiz einen sinnvollen Energiemix. Tatsächlich ist der
Widerstand der Natur- und Umweltverbände beträchtlich. Und
auch die Behörden erschweren die Vorhaben mit aufwendigen
Bewilligungsprozessen. Auf Bundesebene will man die Projekte zwar
beschleunigen, aber auf Gemeinde- und Kantonsebene wird man oft wieder
gebremst.
Müssen Sie dieses Jahr nochmals im Kapitalmarkt aktiv werden?
Nein, für dieses Jahr brauchen wir kein frisches Kapital.
Die bestehenden Projekte laufen, und ansonsten haben wir keine weiteren
grossen Investitionen vor uns. Die Kreditlimite über 500 Millionen
Franken ist zurzeit nicht beansprucht und erhöht unsere
Flexibilität bei der Mittelbeschaffung. Zudem unterstützt
dieser Spielraum unsere Anstrengungen, die Verbindlichkeiten des
Konzerns sukzessive in der Holding zu konzentrieren. In den
nächsten zwölf Monaten haben wir nur wenige Fälligkeiten.
Die Versorgungssicherheit erfordert den Bau neuer Atomkraftwerke.
Wie nehmen Sie Einfluss auf die politische Debatte?
Ich bin stolz, in der Schweiz mit direkter Demokratie zu leben.
Wir wollen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger orientieren
und für energiepolitische Zusammenhänge sensibilisieren.
Zentral ist für mich die Botschaft, dass jede Stromproduktionsart
ihre Vor- und Nachteile hat und dass man mit einem ausgewogenen Mix am
besten fährt. Die Stromproduktion ist wie das Leben: Es gibt keine
Patentrezepte und keine eindimensionalen Lösungen. Nicht Ideologie
ist gefragt, sondern Vernunft und gesunder Menschenverstand. Davon hat
es im Schweizer Volk genug. Wir können nicht einfach von heute auf
morgen auf Kernenergie verzichten, es müssten zu grosse
Strom-Mengen ersetzt werden.
Woher kommt das nötige Uran?
Alpiq selbst kauft kein Uran. Wir sind zu 40 Prozent am KKW
Gösgen ...
... also dem Kernkraftwerk Gösgen ...
... und zu einem knappen Drittel am KKW Leibstadt beteiligt. Seit
einigen Jahren verwendet das KKW Gösgen fast ausschliesslich
Brennelemente aus wieder aufbereitetem Uran. Es bezieht seine
Brennelemente von Areva in Erlangen und deren russischen
Unterlieferanten. Ein Teil des Materials stammt aus militärischen
Beständen Russlands, vorwiegend aus U-Boot- und Schiffsreaktoren.
So leistet das KKW Gösgen einen Beitrag zur Schonung der
Ressourcen und zum Abtragen der Hinterlassenschaft des Kalten Krieges.
Kann man alte Brennelemente wiederverwenden?
In einem Brennzyklus holt man nur ungefähr fünf Prozent
der Energie heraus. Danach kann man das Brennelement "entgiften" und
"rezyklieren". Das geschieht bei Areva im französischen La Hague.
Auch die Firma MSZ im russischen Elektrostal spielt eine wichtige Rolle
und beliefert weltweit rund 40 KKW. Die Sicherheit der Prozesse ist gut
belegt und wird von Areva und von ENSI, dem Eidgenössischen
Nuklearsicherheitsinspekorat, überwacht. Aber die
Verfügbarkeit des "rezyklierten" Materials nimmt ab. Zwar
benötigt das KKW Gösgen für die nächsten sieben
Jahre kein neues Uran, aber danach wird vermehrt auf Natururan
zurückgegriffen. Um die Produktionskosten stabil zu halten, wird
aber nicht am Spotmarkt, sondern über langfristige
Lieferverträge eingekauft.
Wie wichtig sind Gaskombikraftwerke?
Im Geschäftsbereich West sind Alpiqs thermische Kraftwerke
in der grossen Mehrheit Gaskombikraftwerke. Die Technologie
Gaskombikraftwerk ist bereits aufgrund des Brennstoffes Erdgas
vergleichsweise CO2-arm. Alpiqs Kraftwerke setzen auf fortschrittliche
Technologie mit besonders hohem Wirkungsgrad und dementsprechend
niedrigen CO2-Emissionen. Einige Kraftwerke liefern dank
Wärme-Kraft-Kopplung Dampf an Industriebetriebe und erhöhen
so den Wirkungsgrad drastisch. Die Effizienz einer sogenannten CCGT,
einer Combined-Cycle-Gas-Turbine, ist viel höher.
Alpiq betreibt im Ausland auch Kohlekraftwerke. Was unternehmen
Sie, um die CO2-Emission dieser Anlagen zu minimieren?
Alpiq hält einen Minderheitsanteil von 20 Prozent an einem
Steinkohlekraftwerk im süditalienischen Brindisi. Aktuell
läuft dort eine Studie zu einem Repowering für die
Umrüstung auf die neueste, CO2-arme Verbrennungstechnologie.
Ausserdem betreibt dieses Kraftwerk eine Solarstromanlage mit mehr als
9000 Solarmodulen. In Tschechien haben wir an den Standorten Kladno und
Zlin mit heimischer Kohle befeuerte Kraftwerke. Ein Grund ist die
langfristige Verfügbarkeit dieser lokalen
Primärenergiequelle. Dank modernster Technik und optimalem Betrieb
erreichen wir einen hohen Wirkungsgrad. Die optimale
Brennstoffausnutzung führt zu minimaler spezifischer CO2-Emission.
Zudem wurden in Kladno und in Zlin in den vergangenen Jahren Umbauten
durchgeführt. Diese ermöglichen, dass heute zehn Prozent der
Bruttofeuerungsleistung durch Biomasse substituiert wird. Da die
Verbrennung von Biomasse CO2-neutral ist, kommt dies einer
entsprechenden Reduktion der CO2-Emission gleich. Seit Tschechiens
EU-Beitritt gelten relativ strenge Umweltgesetze. Folglich hat sich
dort die Luftqualität verbessert.
Nicht so die Zahlungsmoral: Der Bankrott einer tschechischen
Genossenschaft hat Alpiq einen Ausfall von 40 Millionen Franken
beschert.
Die Bilanzsumme der Alpiq beträgt 20 Milliarden Franken,
insofern können wir den Ausfall verkraften. Aber es ist enorm viel
Geld, und es tut natürlich weh. Darum haben wir das Credit Risk
Management deutlich verschärft und darüber hinaus die
Verkaufsteams angewiesen, grössere Kunden enger und zeitnah zu
begleiten. Zudem ist die Berichterstattung intensiviert worden. Heute
werden die Debitoren strenger überprüft.
BKW, Repower und Alpiq planen grosse Wasserkraft-Projekte,
wodurch ein Engpass im Netz entstehen wird ...
Das ist seit längerem ein Thema. Das Bundesamt für
Energie hat dafür eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese hat einen
Vorschlag zum Ausbau des strategischen Netzes vorgelegt. In Sachen
Strom ist die Schweiz die Drehscheibe Europas. Wenn der Flaschenhals
genau in der Drehscheibe entsteht, ist die europäische
Netzstabilität in Gefahr. Die Stromautobahnen müssen
ausgebaut werden, damit wir die neuen Wasserkraftprojekte auch
einsetzen und die gesamteuropäisch immer höheren Mengen an
kaum planbaren erneuerbaren Energien absorbieren können.
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Zur Person
Giovanni Leonardi Der CEO der Alpiq Holding wurde am 29.
September 1960 in Faido (TI) geboren. Der sportbegeisterte Tessiner ist
diplomierter Elektroingenieur und arbeitete von 1984 bis 1988 in der
Entwicklung der Laboratories RCA in Zürich und von 1989 bis 1991
im Verkauf bei Celio Engineering in Ambri. Für die Alpiq-Gruppe
arbeitet Leonardi seit 1991. Bis 1993 war er Leiter
Fernübertragungs-/Fernsteuerungssysteme und Büroinformatik
bei Aare-Tessin in Bodio. Zwischen 1994 und 1997 war er Direktor der
SARR in Lugano und in gleicher Funktion von 1998 bis 2004 der Atel
Installationstechnik in Zürich. Leonardi ist
Verwaltungsratspräsident der Società Elettrica
Sopracenerina in Locarno und VR-Mitglied bei Romande Energie. Leonardi
ist verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter. Seine Hobbys sind
Skifahren, Bergwandern und Reisen.
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Basler Zeitung 25.6.10
Einst ein Endlager, heute ein Fass ohne Boden
Jahrtausende hätte das deutsche Atommülllager Asse
halten sollen - nach gut 30 Jahren ist es ein Sanierungsfall
Benedikt Vogel, Remlingen
Die langfristige Lagerung von Atommüll ist technisch
machbar, versichern Anhänger der Nuklearenergie. Das Endlager Asse
im Bundesland Niedersachsen hat allerdings einen Makel: Es hätte,
so Experten, nie in Betrieb genommen werden dürfen.
Asse, das ist der Name eines Hügelzugs - und es ist der Name
eines ehemaligen Salzbergwerks unter diesem Hügel, 20 Kilometer
südlich von Braunschweig. Hier hat die Bundesrepublik von 1967 bis
1978 schwach- und mittelaktiven Abfall eingelagert. Filter, Schrott,
Schlämme, Schutzkleidungen, alles radioaktiv kontaminiert. Der
Müll stammte aus Atomkraftwerken, aber auch aus
Forschungseinrichtungen der Industrie und der Medizin.
UNSICHER
Das Endlager Asse hätte Tausende, ja Hunderttausende Jahre halten
sollen. Nach gut 30 Jahren aber ist die Deponie ein akuter
Sanierungsfall. Salzhaltiges Wasser dringt in den vermeintlich sicheren
Salzstock. Die Verantwortlichen sind alarmiert. Käme das Wasser
mit dem radioaktiven Abfall in Kontakt und würde nachher an die
Oberfläche gespült, könnte im schlimmsten Fall das
Grundwasser verseucht werden.
Hinzu kommt, dass Gebirgsdruck die Stabilität der
Lagerstätte bedroht. In den letzten 50 Jahren hat sich der Fels
stellenweise um bis zu sechs Meter verschoben. Nach aktuellem
Kenntnisstand ist die Standsicherheit der Deponie nur noch für
zehn Jahre gewährleistet. Danach droht der Einsturz.
SORGLOS WEGGEKIPPT
Am diesem Tag ist eine Gruppe von Journalisten 725 Meter tief in die
Grube gefahren. Gut 30 Grad warm ist es hier unten. Die Wände
schmecken salzig. Ein Gewölbegang führt zu Kammer 7, einer
der 13 Kammern, in denen radioaktiver Müll lagert. Die Decke,
pures Kochsalz, strahlt hell im Licht einer Halogenlampe. Die
Lüftungsanlage donnert dumpf.
"Hier liegen die Fässer", sagt Grubenführerin Annette
Parlitz. Der Kegel ihres Handscheinwerfers fällt durch ein
Absperrgitter. In den frühen 70er-Jahren haben Radlader die
Atommüllfässer ohne besondere Vorkehrungen in die Kammer
gekippt, dann wurde eine Schicht Salz darübergeschoben. 8500
Fässer lagern in dem 30 mal 40 Meter grossen und 15 Meter hohen
Raum. Ein Teil der Behälter wurde damals, vermutet man heute,
beschädigt. Erhöhte Radioaktivitätswerte wurden bisher
allerdings nicht gemessen.
FALSCH DEKLARIERT
126 000 Fässer und Gebinde liegen in der Asse. Ende Jahr laufen
Untersuchungen an, die zeigen sollen, welche Gefahr von ihnen ausgeht.
Die Kammern, in der Regel mit Beton verschlossen, sollen zu diesem
Zweck angebohrt werden. Kameras werden den Zustand der Fässer
erkunden, Sonden Gase und Radioaktivität messen. Später
werden die Kammern geöffnet und der Zustand der Fässer und
Gebinde genauer untersucht.
Welche Gefahren in der Asse schlummern, ist ungewiss. Zwar wurde
der Inhalt jedes Fasses auf einer Karteikarte verzeichnet. Die
Dokumentation entspricht aber nicht den heutigen Standards. Bei
Inhaltsanalysen von 25 Probefässern waren die Angaben bei jedem
zweiten Fass fehlerhaft.
VERTRAUENSOFFENSIVE
"Die Fässer hätten hier nie eingelagert werden dürfen",
sagt Wolfram König. König ist Präsident des Bundesamts
für Strahlenschutz (BfS), welches das Endlager Asse Anfang 2009
vom vorigen Betreiber übernommen hat und seither unter den
strengen Auflagen einer kerntechnischen Anlage führt. König -
Grünen-Mitglied, Ingenieur und 1999 von der rot-grünen
Regierung Schröder an die Spitze der Behörde gehievt - steht
im Infopavillon neben der Schachtanlage, welcher der
Öffentlichkeit mit Animationen die Probleme des Endlagers vor
Augen führt.
König will mit "offensiver" Kommunikation verlorenes
Vertrauen zurückgewinnen. Auch durch Einbindung der kritischen
Bürgerinitiativen vor Ort. Durch Info-Schriften. Durch die
Veröffentlichung von radiologischen Werten im Internet. Die
Anwohner des Endlagers fühlen sich nämlich von den ehemaligen
Betreibern der Asse getäuscht, belogen. Diese hatten über
Jahrzehnte behauptet, das Lager sei sicher. Hatten über Jahre
verschwiegen, dass von aussen Salzlauge in die Lagerstätte
eindringt und diese gefährdet.
ALLES AUSGRABEN
Lange Zeit hat kaum jemand auf die kritischen Bürger gehört.
Auch die Medien ignorierten den Widerstand gegen das Endlager Asse
lange Zeit. Erst in den Jahren 2006/2007 wurde die marode Deponie zum
landesweiten Thema. Auch dank Sigmar Gabriel - damals deutscher
Umweltminister, heute SPD-Chef -, der in der Gegend des Endlagers
seinen Wahlkreis hat.
Unterdessen hat das Bundesamt für Strahlenschutz drei
Möglichkeiten geprüft, um die Deponie in einen dauerhaft
sicheren Zustand zu bringen: Umbettung der Abfälle in eine tiefer
liegende Schicht des Salzstocks. Verfüllung der verbliebenen
Hohlräume mit Beton. Oder Bergung der 126 000 Fässer und
Transport in eine sichere Lagerstätte.
Das Bundesamt für Strahlenschutz plädierte am Ende
für den dritten Weg. Nur so könne der Nachweis der
Langzeitsicherheit gelingen, wie ihn die heutigen Gesetze für ein
Endlager verlangen. Werden die Fässer geborgen, würden sie in
die nahe gelegene Schachtanlage Konrad gebracht, wo gegenwärtig
ein Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle entsteht.
ZEITDRUCK
Die Sanierung der Deponie steht unter Zeitdruck. Allein für die
Planung der Rückholung veranschlagen Juristen unter den Vorzeichen
des Atomrechts zehn Jahre. Die Rückholung selber würde
abermals elf Jahre in Anspruch nehmen. Um die Anwendung von
Dringlichkeitsrecht zu vermeiden, hofft BfS-Präsident König
durch weitere Untersuchungen den Nachweis erbringen zu können,
dass das Bergwerk auch über das Jahr 2020 hinaus stabil ist. Damit
wäre zumindest Zeit für die nötige Sanierung gewonnen.
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Deutsche AKW-Betreiber sollen Sanierung mitfinanzieren
Regierung Merkel möchte Einnahmen aus der neuen
Brennelementesteuer auch für die Räumung der Deponie Asse
verwenden
Benedikt Vogel, Berlin
Eine Sanierung des Atomendlagers Asse wird Milliarden
verschlingen. Die deutsche Regierung möchte dafür die
AKW-Betreiber zur Kasse bitten. Doch diese winden sich. Eine rechtliche
Verpflichtung besteht nicht.
Die Umweltsünden sind sehr verschieden, doch die Fragen nach
der Verantwortung sind dieselben: In Deutschland waren es die Betreiber
von Atomkraftwerken, welche einen grossen Teil der Abfälle in die
heute marode Atommülldeponie Asse verfrachtet haben. In der Region
Basel stammt ein wesentlicher Teil des gefährlichen Abfalls in den
Deponien, die heute aufwendig saniert werden müssen, von der
chemischen Industrie.
RUNDER TISCH
Wer trägt die Verantwortung? Wer die Kosten? Diese Fragen spalten
heute die Geister, in Deutschland ebenso wie in der Schweiz. Die
Stimmberechtigten des Kantons Baselland haben am vorletzten Sonntag
zwei grüne Initiativen bachab geschickt, die die gesamten Kosten
für die Sanierung drei Muttenzer Deponien der chemischen Industrie
- nach vagen Schätzungen 750 Millionen bis 1,5 Milliarden Franken
- aufbürden wollten. Jetzt werden die Kosten für die
Sanierungen - soweit sie denn realisiert werden - am Runden Tisch
verteilt.
Anders bei der Sanierung der Deponie Le Letten im
elsässischen Hagenthal-le-Bas. Die Kosten von 20 Millionen Euro
(gegen 30 Millionen Franken) zahlt die chemische Industrie. Sie
übernimmt auch die schon abgeschlossene Teilsanierung der Deponie
Hirschacker im deutschen Grenzach und die kürzlich in Angriff
genommene Sanierung der Sondermülldeponie im jurassischen Bonfol.
Je umfassender die Projekte, desto heftiger der Streit ums Geld.
Das zeigt das Beispiel der Atommülldeponie im
niedersächsischen Asse. Dort steht das Sanierungskonzept noch
nicht fest. Auch für die Kosten gibt es erst Schätzungen.
Sollten die 126 000 Fässer tatsächlich aus dem Salzbergwerk
gehoben und anderswo endgelagert werden, drohen Aufwendungen zwischen
zwei und 3,7 Milliarden Euro (2,9 bis 5,4 Milliarden Franken).
Geborgen werden müssen in der Asse nicht nur die 50 000
Kubikmeter Atommüll, sondern noch einmal dieselbe Menge
Füllmaterial, das durch den Abfall möglicherweise radioaktiv
verseucht wurde. Zurzeit sind im Endlager 300 Personen
beschäftigt. Weitere 70 Leute kümmern sich im Bundesamt
für Strahlenschutz um die Verwaltung der maroden Deponie. Die
Kosten dürften am Ende in schwindelerregender Höhe liegen.
Gleichwohl werden sich die deutschen Energieversorger daran nach
jetzigem Stand mit keinem Euro beteiligen müssen. Die Asse war zum
Zeitpunkt ihres Betriebs nämlich offiziell eine
Forschungseinrichtung des Bundes. Sie nahm den strahlenden Abfall
über einen langen Zeitraum unentgeltlich entgegen. Erst in den
letzten Jahren wurde eine - vergleichsweise geringe - Gebühr
erhoben. Nie bestand eine rechtliche Grundlage, welche die Produzenten
des Abfalls - also insbesondere die Betreiber der deutschen
Atomkraftwerke - zu einer Beteiligung an den Sanierungskosten
verpflichtet hätte. Für diese muss damit einzig und allein
der Staat geradestehen.
ZANK UM STEUER
Doch möglicherweise ist in dieser Frage das letzte Wort noch nicht
gesprochen. Im Rahmen ihres vor Kurzem vorgestellten Pakets zur
Sanierung der Staatsfinanzen hat die christlich-liberale Regierung in
Berlin nämlich die Einführung einer Brennelementesteuer
angekündigt. Die Belastung des Kernbrennstoffs soll ab 2011
jährlich 2,3 Milliarden Euro in die Kassen des deutschen
Finanzministers spülen. Ein Teil der Einnahmen könnte zur
Deckung der Sanierungskosten der Deponie Asse herangezogen werden. Das
bestätigte Wolfram König, Präsident des deutschen
Bundesamts für Strahlenschutz, auf eine Frage der BaZ.
Noch sind die erhofften Milliardenbeträge aber nicht
verfügbar. Bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel meldeten
die Chefs der vier grossen deutschen Energieversorgungsunternehmen
vorgestern ihren Widerstand gegen die neue Brennelementesteuer an und
stellten gerichtliche Schritte gegen die geplante Abgabe in Aussicht.
GETEILTE VERANTWORTUNG
Wo Umweltsünden früherer Jahre behoben werden müssen, da
stehen Wirtschaftsunternehmen in der Pflicht - aber nicht nur sie. Dies
illustriert das Beispiel der Sondermülldeponie im aargauischen
Kölliken. Die Deponie war von 1978 bis 1985 von einem Konsortium
betrieben worden, in dem neben der Basler chemischen Industrie die
Kantone Aargau und Zürich sowie die Stadt Zürich vertreten
waren. Seit drei Jahren wird die Deponie, die das Grundwasser
gefährdet, rückgebaut; die Giftstoffe werden fachgerecht
entsorgt. Die Kosten - gegen 700 Millionen Franken - werden von den
vier Konsortialpartnern getragen. Die öffentliche Hand ist damit
an der Sanierung massgeblich beteiligt.
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Sondermülldeponie Kölliken (Kanton Aargau)
Sanierung: 2007-2015
Kosten: 700 Millionen Franken
Asse (Niedersachsen)
Sanierung: Termin offen Kosten: umgerechnet bis zu 5,4 Milliarden
Franken
Deponie Bonfol (Jura)
Sanierung: 2010-2014
Kosten: 350 Millionen Franken
Hirschacker (Grenzach)
Sanierung: 2007-2009
Kosten: umgerechnet rund 19 Millionen Franken
Deponie le Letten (Elsass)
Sanierung: ab 2010 Kosten: 30 Millionen Franken
Die Grösse der Fässer drückt das Verhältnis
der (geschätzten) Kosten zur Sanierung der Deponien aus. Grafik
BaZ/jw