MEDIENSPIEGEL 30.6.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Wohnnot: 0,45% Leerstand
- Casablanca gegen alle
- Bleiberecht: Camp; Schicksale
- RaBe-Info 30.6.10
- Radical Queer: Diskussionen nach Judith Butlers CSD-Rede
- Kulturfabrik Lyss: Wiedereröffnung
- Drogen: Ritalin + Alkohol top
- Neuer Fichen-Skandal: 200'000 registriert
- Neonazis 1985
- Anti-Atom: Gegen Gösgen

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REITSCHULE
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Mi 30.06.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
20.00 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des WM-Taumels: Vortrag zur Geschichte der Apartheid
20.30 Uhr - Tojo - "Die Dällebach-Macher" Das Musical zum Musical von/mit: Pascal Nater, Michael Glatthard

Do 01.07.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
20.30 Uhr - Tojo - "Die Dällebach-Macher" Das Musical zum Musical von/mit: Pascal Nater, Michael Glatthard
20.30 Uhr - Kino - Südafrika jenseits des WM-Taumels: Amandla! A Revolution in Four Part Harmony, Südafrika 2002

Fr 02.07.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof

Sa 03.07.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
22.30 Uhr - Innenhof - Eugene Chadbourne (USA) - solo: "Soccer-Punch: Dr. Chadbournes Take on Football"

So 04.07.10
9.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im SousLePont
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
19.00 Uhr - Tojo - "Die Dällebach-Macher" Das Musical zum Musical von/mit: Pascal Nater, Michael Glatthard

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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WOHNNOT
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bern.ch 30.6.10

Rückgang der Leerwohnungsziffer von 0,60 % auf 0,45 %

Die Leerwohnungszählung der Stadt Bern ergab am Stichtag 1. Juni 2010 in der Bundesstadt eine Leerwohnungsziffer von 0,45 %. Gegenüber dem Vorjahr ist eine Abnahme um 24,4 % auf 335 Leerwohnungen zu verzeichnen. Die Zählung der leer stehenden Arbeitsräume ergab, dass 182 Geschäftslokale mit einer Gesamtfläche von 46 218 m2 leer stehen. Gegenüber dem Vorjahr sank die verfügbare Fläche um 11,5 %. Dies zeigen die neuesten Zählungen der leer stehenden Wohnungen und leer stehenden Arbeitsräume durch die Statistikdienste der Stadt Bern.

Medienmitteilung: Rückgang der Leerwohnungsziffer (PDF 21 KB)
http://www.bern.ch/mediencenter/aktuell_ptk_sta/2010/06/leerwohn/26bestand_leerwohnungen.pdf

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CASABLANCA
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BZ 30.6.10

Verein Casablanca

 Sprayer sind jung und männlich

 Bern, Biel, Thun, Köniz und Ostermundigen führen die Rangliste der verspraytesten Orte an. "Casablanca" kämpft in Bern dagegen an.

 Der typische Sprayer ist männlich und jünger als 25 Jahre. Keine Rolle spielt die soziale Schicht, aus der er stammt: "Es gibt auch Sprayer aus Akademikerfamilien", sagte Rudolf Studer von der Kantonspolizei Bern gestern an der Mitgliederversammlung des Vereins Casablanca. Dieser bekämpft in Bern seit sechs Jahren Schmierereien an Hausfassaden. Knapp 720 000 Franken kostete die Reinigung von versprayten Liegenschaften im letzten Jahr. Den grössten Teil dieser Kosten trägt die Gebäudeversicherung (GVB), wenn die Hauseigentümer und Casablanca-Mitglieder ihre Liegenschaften gegen Vandalenschäden versichert haben.

 Was unternimmt die Polizei gegen Sprayereien? Darüber gab der Präventionsverantwortliche Auskunft. Von 2004 bis 2009 wurden im Kanton Bern 15 440 Delikte verzeichnet. Über 20 Millionen Franken betrug der Schaden an den Liegenschaften. 1600 Fälle - rund 10 Prozent - hätten aufgeklärt werden können, sagte Rudolf Studer. Dass es nicht mehr sind, führt er einerseits auf den Personalmangel bei der Polizei zurück, andererseits seien auch die Bürger gefordert. Sie müssten vermehrt "hin- statt wegschauen".

 Bern führt im Kanton die Rangliste der verspraytesten Städte vor Biel, Thun, Köniz und Ostermundigen an. Diese Statistik wird aber dadurch beeinflusst, dass alle diese Orte spezielle Aktionen gegen Sprayereien durchführen. Dadurch sei die Zahl der Meldungen und Anzeigen gestiegen, sagte Casablanca-Präsident Martin Bühler.
 mm

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BLEIBERECHT
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Aargauer Zeitung 30.6.10

"Das ist menschenunwürdig"

 In Bern kämpfen Sans-Papiers und abgewiesene Asylbewerber für ein Bleiberecht

 Manche von ihnen leben schon seit Jahren in der Schweiz - und das illegal. Was sind das für Menschen und wieso bleiben sie in der Schweiz? Ein Besuch auf der Kleinen Schanze in Bern.
 
Martin Rupf

 9 Uhr morgens auf der Kleinen Schanze in Bern. Das Zeltdorf erwacht langsam. Die Szenerie erinnert eher an ein Pfadilager denn an eine politische Kundgebung. Im Anschluss an eine Demonstration gegen die schweizerische Asylpolitik am Samstag bauten rund 100 Sans-Papiers und Sympathisanten hier, unweit des Bundeshauses, ein Zeltdorf auf. Ihre Forderung: Eine kollektive Aufenthaltsbewilligung für Ausländer, die illegal in der Schweiz leben. Bis Freitag dürfen sie hier campieren. Dies unter der Voraussetzung, dass die Aktion friedlich verläuft und die öffentliche Ordnung respektiert wird.

 Das ist augenscheinlich der Fall. Das Camp macht einen ordentlichen Eindruck, Lärm ist keiner zu hören und Lagerteilnehmer sind gerade dabei, das Wenige an Ab- fall zu entsorgen. Die Suche nach einem Verantwortlichen gestaltet sich schwierig. "Ein Organisationskomitee gibt es bei uns nicht", sagt der Sprecher des Camps Sadou Bah lachend. Gar nicht zum Lachen ist ihm, wenn er auf seine Geschichte zu sprechen kommt. 2002 sei er aus dem westafrikanischen Guinea in die Schweiz geflüchtet. Bei einer Rückkehr müsse er um sein Leben fürchten. Wieso genau, wird nicht ganz klar.

 Der Dorfchef drohte mit dem Tod

 Bah zeigt sich mit dem bisher Erreichten zufrieden. "Mit unserem Camp konnten wir viele Leute auf unsere missliche Lage aufmerksam machen." Die Reaktionen der Menschen seien denn auch durchwegs positiv, sagt Bah. Angst, die Polizei könne ihn verhaften, habe er keine. Seit er in der Schweiz sei, habe er sich noch nie versteckt.

 "Mit unserer Präsenz wollen wir auf unsere missliche Lage aufmerksam machen." Viele Sans-Papiers dürften nicht arbeiten, obwohl sie seit Jahren mit nur knapp 10 Franken Nothilfe pro Tag auskommen müssten, sagt Bah. "Zudem wer- den viele von uns in kleine, dunkle Notzentren gepfercht. Das ist menschenunwürdig."

 Es ist nicht einfach, mit Campteilnehmern ins Gespräch zu kommen. Viele haben Angst, sich we-gen ihres illegalen Aufenthalts zu sehr zu exponieren. Doch es gibt Ausnahmen: so etwa den 22-jährigen Dounga Tanga aus Burkina Faso. Vor sieben Monaten sei er über Ghana und Italien in die Schweiz gelangt. Er habe fliehen müssen, weil ihm der Dorfchef mit dem Tod gedroht habe. "Es musste so schnell gehen, dass ich keine Zeit mehr hatte, meine Identitätspapiere mitzunehmen", blickt Tanga zurück.

 15 Jahre vorläufig aufgenommen

 In einer schattigen Ecke haben sich ein paar Iraner versammelt. Davood Schojaei (35) ist 2003 aus politischen und religiösen Gründen in die Schweiz geflüchtet. Seit drei Jahren ist er illegal hier, weil sein Rekurs gegen den negativen Asylentscheid abgelehnt wurde. Eine Rückkehr nach Iran kommt für ihn nicht infrage. Dort drohe ihm die Todesstrafe.

 "Hier in der Schweiz behandelt man uns wie Tiere. Wir leben auf engstem Raum ohne Fenster, dürfen nicht arbeiten und werden manchmal mitten in der Nacht von Polizisten geweckt und kontrolliert", beklagt sich Schojaei. Wenn sich das nicht bald bessere, überlege er sich, in Hungerstreik zu treten. "Wir sind keine illegalen Menschen. Es ist die Schweiz, die uns zu Illegalen macht."

 Doch nicht nur Sans-Papiers kämpfen für bessere Bedingungen. Tadros Afendi (42) aus dem Sudan lebt seit 15 Jahren als vorläufig Aufgenommener in der Schweiz. Als solcher kriege er fast keine Arbeit. "Das macht es schwieriger, mich in der Schweiz zu integrieren - und das seit 15 Jahren!"

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Bund 30.6.10

Kein Asyl, keine Perspektiven: Auch José und Emilia sind Sans-Papiers

 Am Berner Protest sind sie nicht beteiligt. Aber ihr Fall zeigt, was es heissen kann, Sans-Papiers zu sein.

 Walter Däpp

 Sie lernten sich erst in der Schweiz kennen - in jenem friedlichen Land, in das sie, unabhängig voneinander, 2002 geflüchtet waren. Traumatisiert vom Bürgerkrieg in Angola. Nun stehen sie ohne Asyl da, ohne Recht auf Arbeit, ohne Papiere und ohne Perspektiven - illegal, wie man sagt. Sie hätten "nichts mehr zu verlieren", sagen José Pinto Ngunji (29) und Emilia Ines Inacio (35). Deshalb seien sie bereit, ihre Geschichte zu erzählen. Es ist eine traurige Geschichte.

 Er sei noch ein Bub gewesen, berichtet José, als sein Vater "plötzlich verschwunden" sei. Während des Bürgerkrieges in Angola habe man ihn entführt, seither sei er verschollen. Nach Kriegsende 2002 sei auch er, als Sympathisant der Rebellen, von einer Spezialeinheit der Regierung verhört, gefoltert und mit dem Tod bedroht worden. So habe man ihn beispielsweise "in einen Sack gesteckt und brutal verprügelt - von Soldaten, die blind handelten, wie Maschinen". Mit Gottes Hilfe habe er aber flüchten können. So sei er auf Umwegen, über Portugal, in die Schweiz gekommen: "Ich hatte keine Ahnung, wusste nur, dass die Schweiz ein Land irgendwo in Europa ist. Ich kam zufällig hierher."

 "Ich habe Schreckliches erlebt"

 Fast zur gleichen Zeit kam auch Emilia als Flüchtling in die Schweiz. Ihr Vater war im Bürgerkrieg umgekommen - "im Gefängnis, als ich vier Jahre alt war". Als Vierzehnjährige wurde sie gezwungen, Militärdienst zu leisten. Dort sei sie zur Krankenschwester ausgebildet worden, habe aber auch schreckliche Brutalität erlebt. So sei sie mehrmals vergewaltigt worden, habe als Folge davon ein Kind zur Welt gebracht. Mit sechs Jahren sei es gestorben. "Ich habe Schreckliches erlebt", sagt sie, "habe zusehen müssen, wie man auch andere Frauen vergewaltigte und massakrierte. Ich fürchtete um mein Leben, wollte weg. Irgendwohin."

 2002, nach Kriegsende, sei ihre Flucht geglückt, weil Nonnen und das Rote Kreuz ihr dabei geholfen hätten. "Dafür danke ich Gott", sagt sie. Emilia und José danken Gott auch dafür, dass er ihre Wege hier, in der Schweiz, zusammengeführt hat. Als gläubige Christen und Angehörige der Adventisten ist es für sie selbstverständlich, Gott stets zu lobpreisen. In ihrem kleinen Zimmer des Asylzentrums, zwischen Koffern und Kartonschachteln, lesen sie sich oft gegenseitig aus der Bibel vor.

 "Probleme, Probleme, Probleme"

 Ihre Demut und ihr Gottvertrauen kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Leben für Emilia und José auch in der Schweiz trostlos ist. "Ja", sagt José, "wir haben in unserer Heimat, in Angola, stets gelitten. Und wir leiden auch heute noch." Vor allem Emilia ist dem Druck kaum noch gewachsen. Sie hat in der Schweiz zwei Fehlgeburten erlitten, leidet psychisch und physisch darunter. Sie hat chronische Bauchschmerzen, ist wegen schwerer Depressionen wiederholt in einer Psychiatrieklinik hospitalisiert gewesen. Und sie benötigt Medikamente. "Probleme, Probleme, Probleme", sagt sie, "das ist unser Schicksal. Ohne Schlaftabletten kann ich nicht mehr schlafen. Und liege trotzdem jede Nacht stundenlang wach im Bett."

 Beide, Emilia und José, fürchten sich davor, nach Angola abgeschoben zu werden. Ihre Asylgesuche sind abgelehnt worden, doch eine Rückkehr kommt für sie nicht infrage: "Das wäre unser Tod." Sie möchten aber leben: "Wir sind nun Sans-Papiers. Aber wir möchten legal hier sein dürfen. Hier arbeiten. Hier heiraten. Hier eine Familie haben."

 "Wir möchten heiraten"

 Sie hätten längst heiraten wollen, doch wegen fehlender oder mangelhafter Papiere sei das bisher nicht möglich gewesen. Zweimal sei ihr Heiratsgesuch abgelehnt worden. Und seit sie illegal in der Schweiz sind, sei alles noch aussichtsloser. Doch immerhin: Hier in der Schweiz müssten sie nicht um ihr Leben fürchten. Hier könnten sie sich frei äussern, was in Angola nie möglich wäre. Und hier erhielten sie "zum Überleben" immerhin je 56 Franken pro Woche. Das sei zwar nicht viel, "besser als nichts".

 Doch es sei nicht an ihnen, sich zu beklagen. Sie wünschten sich nur, wieder arbeiten und ihren Lebensunterhalt selber verdienen zu können.

 "Wir sind bereit, uns anzupassen"

 Die Schweizer Behörden verunmöglichten dies aber: "Sie wollen uns nach Angola abschieben. Nach acht Jahren. Das tut weh. Und das ist nicht möglich." Vor allem auch deshalb nicht, weil sie nicht da seien, um von der Schweiz zu profitieren und um reich zu werden: "Wir wollen nur normal leben, sind bereit, uns anzupassen, streng nach dem Gesetz zu leben. Doch wenn wir sehen, dass manche kriminellen Ausländer bleiben können, schmerzt uns das."

 Nach ihrer Flucht in die Schweiz 2002 lebten sie in mehreren Asylzentren und dann mehrere Jahre in einer Wohnung in Langnau i. E. Sie arbeiteten in einer Reinigungsfirma - bis sie nach dem negativen Asylentscheid erneut in ein Durchgangszentrum und schliesslich in die sogenannte Sachabgabe zurückversetzt wurden. Sie haben sich stets angepasst, sind nie negativ aufgefallen. Im Gegenteil. Ihr Betreuer im Durchgangszentrum Büren an der Aare bezeichnet sie als "sehr kooperativ, angepasst und hilfsbereit". Nach so vielen Jahren seien sie, auch dank ihren beachtlichen Deutschkenntnissen, gut integriert. "In ihrem Fall", meint er, "müsste doch unbedingt die Härtefallregelung zur Anwendung kommen."

 Der Brand im Asylzentrum Lyss

 Emilia und José haben noch ein weiteres traumatisches Erlebnis zu verkraften. Sie waren im Februar 2010 vom Brand im Asyl- und Sachabgabezentrum in Kappelen bei Lyss betroffen, der 26 Verletzte forderte. Emilia kommt ins Stottern, wenn sie davon erzählt. "Das Feuer! Die Schreie! Menschen, die aus den Fenstern sprangen! Die Verletzten! Die Verzweiflung!" Das sei fürchterlich gewesen, sagt sie, habe sie an die Kriegszeit in Angola erinnert. "Ja", sagt José, "es war wie im Krieg."

 Die Erinnerungen an den Krieg

 Diese Erinnerungen an den Krieg haben Emilia und José erneut aufgewühlt. Sie beginnen wieder, von ihrer verlorenen Jugend zu berichten. Von Willkür, Folter und Gewalt in Angola. Und von "der Leere" in ihrem jetzigen Leben. Sie versuchen zwar, die Hoffnung nicht zu verlieren und preisen "Gottes Hand über uns". Ihre geglückte Flucht aus Angola bezeichnen sie als "Wunder". Und als "Gnade Gottes".

 Deshalb seien sie, trotz allem, nun zufrieden: "Wir sind hier in einem sicheren Land - das allein ist für uns schon Reichtum. Wir haben auch Wasser, das wir trinken können. Wir haben ein Bett, in dem wir schlafen können. Ein Zimmer, in dem wir uns aufhalten können. Und pro Woche erhalten Emilia und ich Nothilfe. Das sind gute Gründe, um Gott dankbar zu sein."

 "Wer nicht mehr hofft, stirbt"

 Die Verbitterung darüber, dass sie hier "kein normales Leben wie alle andern" führen dürfen, kann José allerdings nicht ganz verbergen, wenn er sagt: "Gott ist mit uns. Eines Tages wird er uns erhören, uns in Frieden leben lassen. Vielleicht nicht jetzt, aber in unserem nächsten Leben. Wer nicht mehr hofft, stirbt." Emilia nickt - und lächelt: "Ja. Gott ist da. Er macht uns stark. Er wird uns aus dem Tunnel führen. Er gibt uns Geduld. Und die Hoffnung, dass alles gut wird. Wir warten."

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RADIO RABE
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Mi. 30. Juni 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_30._Juni_2010.mp3
- Prävention auf dem Strassenstrich: Projekte der Aidshilfe und der kirchlichen Gassenarbeit Bern
http://www.don-juan.ch/
- Zukunft der Zeitzeugen: Erinnerungen an die Verbrechen im zweiten Weltkrieg wach halten
http://zukunftderzeitzeugen.blogsport.de/
- Zirkus Upsala: soziales Projekt aus Russland zu Gast in der Schweiz
http://www.upsala-zirk.org/

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RADICAL QUEER
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Radio Z (Nürnberg) 29.6.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20100629-eklatbeics-34832.mp3

Eklat bei CSD-Parade in Berlin: Judith Butler lehnt Zivilcourage-Preis ab - jetzt brodelt es ...

Beim Christopher Street Day in Berlin sollte die bekannte Philosophin und Queer-Theoretikerin Judith Butler den Zivilcourage-Preis erhalten. Doch daraus wurde nichts - überraschend lehnte Butler die Annahme des Preises ab. In ihrer Rede kritisierte Butler unter anderem die unkritische Haltung des CSD gegenüber Krieg und Rassismus. Jetzt brodeln in Berlin die Auseinandersetzungen.

ANMOD
Die international renommierte Philosophin und Gender- und Queer-Theoretikerin Judith Butler hat einen Eklat ausgelöst. Beim Christopher Street Day am 19. Juni in Berlin sollte ihr der Zivilcourage-Preis des CSD verliehen werden. Überraschend lehnte Butler die Annahme ab. In ihrer Rede auf der Hauptbühne des CSD am Brandenburger Tor kritisierte Butler, dass das Engagement gegen Homophobie nicht vom Engagement gegen Krieg und Rassismus zu trennen sei. Nach diesem für die CSD-Organisatoren überraschenden Auftritt wurde die Veranstaltung fortgesetzt. Seitdem jedoch liefern sich die unterschiedlichen Organisation von Schwulen, Lesben, Trans und Queer mit und ohne Migrationshintergrund in Berlin heftige Auseinandersetzungen.
Michaela Baetz von Radio Z Nürnberg sprach mit Robert Kastl, dem Geschäftsführer des CSD Berlin und mit Tüllin Duman von der Organisation gladt - gays and lesbians aus der Türkei.

ABMOD:
Der im Beitrag mehrfach erwähnte transgeniale CSD findet in Berlin am 26. Juni statt.

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KULTURFABRIK LYSS
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BZ 30.6.10

Lyss

 Dreitägiges Festival in der Kulturfabrik Kufa

 Nach über einem Jahr Pause und einem fast einjährigen Umbau wird die Kulturfabrik Lyss (Kufa) im September wiedereröffnet. Dies geschieht mit einem dreitägigen Festival vom 2. bis 4. September. Das vielfältige Programm steht bereits fest: The Mahones aus Kanada werden irischen Punkrock spielen. Zu hören sein wird auch Mundartrock aus Bern von der Beatboxerin Steff la Cheffe, die nicht nur Hip-Hop-Fans begeistert. "Männer am Meer" tauschen den Lyssbach gegen das Meer, und das Duo Wooden Travel wird aus dem Emmental nach Lyss reisen. DJ-Kunst aus Deutschland und andere DJ-Grössen sorgen in den Konzertpausen für Stimmung. Optisch umrahmt wird der Anlass von Tänzern der Lysser Tanzschule Secret Dance. Der Ticketverkauf ist bereits angelaufen.
 pd/lfc

 Vorverkauf ab sofort über Starticket.

http://www.kufa.ch

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DROGEN
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NZZ 30.6.10

Ritalin im Ausgang

 6. Zürcher Drogenbericht

 Kokain ist in der Stadt Zürich die beliebteste illegale Substanz. In der Partyszene auf dem Vormarsch ist aber auch das Medikament Ritalin. Das Hauptproblem bleibt jedoch der Alkohol.

 cn. ⋅ Soeben hat die Stadt Zürich den 6. "Monitoringbericht Drogen" veröffentlicht. Der Bericht dokumentiert zum einen die Behandlungs- und Auffangangebote für Suchtkranke. Zum andern zeigt er Entwicklungen im Drogenkonsum auf. So hat der Gebrauch illegaler Drogen in den vergangenen knapp 20 Jahren stark zugenommen. Eidgenössische Erhebungen haben ergeben, dass mutmasslich jede fünfte Person über 15 Jahren illegale Substanzen probiert hat. Das Hauptthema blieben aber auch 2009 der exzessive Alkoholkonsum und die damit verbundenen gewalttätigen Auswüchse.

 Bei den illegalen Drogen ist Kokain in Zürich die beliebteste Substanz. In allen Partyszenen ist der Kokainkonsum deutlich ausgeprägt und nimmt laut dem Bericht weiter zu. Rückläufig ist dagegen der Cannabishandel auf der Gasse, und auch in der Suchtberatung ist Cannabis kaum mehr ein Thema. Da die Klubs energisch gegen den Cannabiskonsum in ihren Räumen vorgehen, wird er hauptsächlich in privatem Umfeld konsumiert. Als Partydroge auf dem Vormarsch ist dagegen Ritalin, das zur Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts-Syndroms (ADHS) eingesetzt wird. Der Wirkstoff Methylphenidat gehört zu den Amphetamin-ähnlichen Substanzen und hat eine stimulierende Wirkung. Als Partydroge hat sich Ritalin vor allem in der Elektro- und Hip-Hop-Szene verbreitet, wo es meist geschnupft wird.

 Interessant sind die Erhebungen im Bereich Wohnen und Obdach. Wie aus dem "Monitoringbericht" hervorgeht, hat sich die Nachfrage nach Notschlafstellenplätzen im Jahr 2009 weiter erhöht. Mit 14 219 Übernachtungen erreichte das Angebot einen Wert, wie er letztmals im Jahr 2003 eruiert wurde. Im Jahr 2008 waren dagegen nur 10 529 Übernachtungen registriert worden. Weshalb die Zahl der Belegungen so signifikant zugenommen hat, können sich die Verfasser des Berichts nicht erklären. Auffallend sei die höhere Belegung in der für Frauen reservierten Etage. Die Zunahme, spekulieren die Autoren, könne aber auch mit der Schliessung einer Einrichtung für begleitetes Wohnen stehen.

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Tagesanzeiger 30.6.10

Zürcher haben kein Problem mehr mit Drogen

 Nur noch 7 Prozent der Bevölkerung betrachten die Drogenfrage als eines der dringendsten Probleme in der Stadt Zürich.

 Von Stefan Hohler

 Zürich - Zum sechsten Mal ist der städtische Bericht "Drogen und Sucht" erschienen. Auffallend daran ist: Die Stadtzürcher Bevölkerung nimmt die Drogenproblematik viel weniger stark wahr als noch vor wenigen Jahren. Im Jahr 2003 figurierten in der alle zwei Jahre stattfindenden Bevölkerungsbefragung Drogen noch an zweiter Stelle (siehe Grafik) - im Sorgenbarometer des letzten Jahres nur noch auf Platz 7.

 "Das hängt klar damit zusammen, dass wir keine offenen Szenen mehr haben", sagt Renate Monego, Direktorin der Gesundheitsdienste und Co-Autorin des 54-seitigen Berichts. Dies sei aber nur möglich, weil auch weiterhin einiges an Geld und Personal dafür eingesetzt werde. Im Jahr 2009 wurden im ganzen Gebiet des Kantons Zürich 43 Drogentote registriert - der tiefste Wert der letzten neun Jahre.

 Sorge bereitet den Drogenfachleuten der seit einigen Jahren zu beobachtende Trend, dass Jugendliche in der Freizeit vermehrt exzessiv Alkohol konsumieren. "Damit verbunden ist eine erhöhte Gewaltbereitschaft", sagt Monego. In der Partyszene sei eine Zunahme von leistungssteigernden Medikamenten festzustellen - wie beispielsweise Ritalin. Es sei aber noch nicht klar, ob es sich dabei um ein kurzfristiges Aufflackern oder eine neue Trenddroge handle. Monego: "Die Datenlage ist derzeit noch zu gering."

 Eine seit 1992 durchgeführte Repräsentativbefragung zeigt, dass es tendenziell immer weniger Rauchende gibt. Auch die Risikotrinker und Cannabiskonsumenten nehmen eher ab . Eine Zunahme ist dagegen beim Medikamentenmissbrauch zu verzeichnen.

 Run auf die Notschlafstellen

 Der Bericht zeigt auch auf, wie die Nachfrage nach Notschlafstellenplätzen sich weiter erhöht hat - auf rund 14 200 Übernachtungen im letzten Jahr. 2007 waren es erst 8400. Weniger aufgesucht wurden die Notschlafstellen von Drogensüchtigen. Vermehrt übernachten dort Menschen mit psychischen Problemen und Arbeitslose mit Schulden.

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20 Minuten 30.6.10

Ritalin als Partydroge "ist wie Koks light"

 ZÜRICH. Zum Feiern oder zum Lernen: Immer mehr Leute missbrauchen das Medikament Ritalin als Leistungsdroge. Einer davon ist Student Reto M.

 Wenn Reto M.* Prüfungsstress hat, wirft er eben mal ein Ritalin ein. "Ich bin dadurch voll konzentriert und wach", sagt der Wirtschaftsstudent. Auch auf Partys greift der 28-Jährige öfters zu "R", wie er es nennt. "Das ist wie Koks light - du fühlst dich wohl, bist nicht müde und kannst mehr Alkohol trinken." Dass er dafür nach der Party Mühe hat mit dem Einschlafen, stört ihn nicht. Ritalin ist eigentlich ein Medikament, das eine beruhigende Wirkung hat bei Menschen mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom ADHS. Ein Freund von Reto M. kriegt es deshalb ärztlich verschrieben. "Von ihm erhalte ich jeweils die Pillen", sagt Reto M., "sogar gratis." Der Freund hingegen, für den das Ritalin gedacht wäre, nehme es nur selten. Reto M. findet nicht, dass er süchtig nach "R" ist - er räumt aber ein: "Aufpassen muss ich schon, dass ich nach dem Studium nicht anfange, bei Stresssituationen im Job auch zu Ritalin zu greifen."

 Laut Roger Zahner von der Stadtzürcher Suchtpräventionsstelle weiss man von Patienten, die Ritalin verschrieben bekommen, zwar, dass es nicht süchtig macht: "Ob das aber auch bei Missbrauch etwa für Partys zutrifft, ist nicht erforscht." Ebenfalls wenig wisse man über die Langzeitfolgen. Wer mit Ritalin in einem Club erwischt wird, riskiert gemäss Judith Hödl, Sprecherin der Stadtpolizei Zürich, eine Verzeigung, "sofern man kein Rezept vorweisen kann".  

Roman Hodel

 *Name der Redaktion bekannt

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 Medikamente als Partyhelfer

 ZÜRICH. Diverse Medikamente - insbesondere Ritalin - sind als Leistungs- und Partydrogen auf dem Vormarsch. Das geht aus dem Monitoringbericht "Drogen und Sucht 2010" der Stadt Zürich hervor. "Leider existieren kaum Untersuchungen darüber, wie stark der Missbrauch effektiv ist", sagt Renate Monego, Co-Autorin des Berichts. "Weil aber viele sich der Folgen nicht bewusst sind, sollte die Präventionsarbeit die Leute vermehrt auch in den Clubs erreichen." Ein grosses Problem ist laut Monitoring zudem nach wie vor der exzessive Alkoholkonsum verbunden mit hoher Gewaltbereitschaft. "Das beschränkt sich aber auf eine kleine Gruppe junger Erwachsener", so Monego.

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stadt-zuerich.ch 29.6.10

Medienmitteilungen

Gesundheits- und Umweltdepartement
29. Juni 2010

Monitoring Drogen und Sucht 2010 der Stadt Zürich

Der städtische Monitoringbericht Drogen und Sucht ist soeben zum sechsten Mal in Folge erschienen. Er dokumentiert die Angebote, welche die Stadt Zürich und private Institutionen im Bereich des problematischen Umgangs mit Drogen und Sucht zur Verfügung stellen. In der Frage nach den drei grössten Problemen in der Stadt Zürich nannten nur noch 7 Prozent der 2009 befragten Bevölkerung das Drogenproblem. Trotzdem fanden nach wie vor 39 Prozent der Befragten, die Stadt Zürich tue zu wenig gegen den Drogenmissbrauch.

Die Massnahmen zur Umsetzung der städtischen Drogen- und Suchtpolitik zeigen ihre Wirkung. Die überdepartementalen Strukturen in der Umsetzung bieten nach wie vor Gewähr, dass eine offene Drogenszene nicht wieder entstehen kann. Im öffentlichen Raum ist die Drogenproblematik kaum mehr sichtbar. Doch dieser Zustand kann nur dank dem kontinuierlichen Einsatz aller Akteure in den vier Säulen der Drogen- und Suchtpolitik   Prävention, Repression, Schadenminderung und Therapie   aufrecht erhalten werden.
Im Bereich der illegalen Drogen zeichnen sich keine neuen wesentlichen Trends ab. Trotzdem verändern sich im kleineren Rahmen die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen.

Das attraktive Freizeit- und Ausgehangebot der Stadt Zürich hat auch seine problematische Seite. So stehen seit einigen Jahren vor allem Jugendliche und junge Erwachsene im Zusammenhang mit exzessivem Alkoholkonsum und der häufig damit verbundenen erhöhten Gewaltbereitschaft im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Auch der Monitoringbericht 2010 bezeichnet diese Aspekte als ein Entwicklungsfeld. Die Stadt Zürich und spezialisierte private Angebote haben auf den Gebieten der Prävention, der Intervention und Repression reagiert und Massnahmen eingeleitet. Die Situation muss aber weiter beobachtet und bereits getroffene Massnahmen auf deren Wirksamkeit und Nachhaltigkeit überprüft werden. Wie im Bereich der illegalen Drogen ist auch hier die interdisziplinäre und interprofessionelle Vernetzung einer der Erfolgsfaktoren, den es noch zu verbessern gilt.

Der Bericht stellt in der Partyszene einen zunehmenden Konsum von leistungssteigernden Medikamenten fest, so tauchte Ritalin vermehrt als Partydroge auf. Die Vermutung liegt nahe, dass sich vor allem Jugendliche und junge Erwachsene nicht bewusst sind, welche Folgen ein regelmässiger oder ein gemischter Konsum haben kann. Der Bericht empfiehlt daher, Grundlagen für eine Präventionsstrategie zu erarbeiten.

Der vorliegende Monitoringbericht gibt mit einem Kennzahlenteil, mit epidemiologischen Grundlagen und einer Trendstudie Auskunft über die Auslastung der vielfältigen Angebote und zeigt zudem Hintergründe, Analysen und Entwicklungsfelder auf.

Der Monitoringbericht entsteht im Auftrag der stadträtlichen Delegation für Drogen- und Suchtpolitik.

Monitoringbericht Drogen und Sucht 2010
http://www.stadt-zuerich.ch/content/dam/stzh/gud/Deutsch/Gesundheit/Gesundheitspolitik/Publikationen%20und%20Broschueren/Monitoringbericht_Drogen_und_Sucht_2010.pdf

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BIG BROTHER
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bernerzeitung.ch 30.6.10

Ein neuer Fichenskandal? 200'000 Schweizer wurden registriert

Der Nachrichtendienst hat jahrelang verbotenerweise Daten gesammelt. Heute bestehen bereits wieder Tausende von Personen-Fichen.

Im Zuge des Terror-Abwehrkampfes wurden indes die Anstrengungen zur Informationsbeschaffung, die Kontrollen des Datenverkehrs und die Überwachung, etwa durch Kameras, wieder verstärkt.

Rund 20 Jahre nach der Fichenaffäre hat die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) einen Bericht zum Staatsschutzinformationssystem ISIS vorgelegt. Die Datenbank löste 1994 das Karteisystem ab, welches in den 1980er-Jahren zu einem Skandal führte.

Das neue Urteil der parlamentarischen Oberaufsicht ist brisant: Sie habe "Zweifel an der Richtigkeit und Relevanz der Daten" in der Datenbank, schreibt sie. Der ehemalige Dienst für Analyse und Prävention (DAP) habe den gesetzlichen Anforderungen an die Qualitätssicherung der Daten "in keiner Art und Weise entsprochen".

Keine Beurteilung während fünf Jahren

In der Datenbank sollten nur Personen registriert sein, die staatschutzrelevant sind. Unter anderem deshalb sieht das Gesetz eine periodische Beurteilung von Einträgen spätestens fünf Jahre nach der ersten Meldung vor. Die GPDel geht davon aus, dass diese zwischen Ende 2004 und Ende 2008 nicht durchgeführt wurden. Grund waren unter anderem technische Probleme.

Die Regeln bei der Erfassung hätten zudem dazu geführt, dass keine genaue Prüfung stattfand, ob eine Person wirklich in die Datenbank gehört, stellte die GPDel weiter fest. Auch seien systematisch falsche Daten eingetragen worden.

Die GPDel wirft dem DAP eine falsche Prioritätensetzung vor: Anstatt die Qualität der vorhandenen Daten zu prüfen, konzentrierte er sich auf die Erfassung neuer Daten.

Verdoppelung der Einträge

Das Resultat: Heute sind nach Angaben der GPDel 120'000 Personen in der Datenbank ISIS registriert - zudem ungefähr 80'000 sogenannte Drittpersonen. Letztere sind lediglich registriert, weil sie einer Verbindung zu einer registrierten Person oder zu einer Meldung in der Datenbank haben. Ende 2004 waren es 60'000 registrierte Personen.

Bis Ende 2009 war der DAP für die Datenbank zuständig. Er gehörte bis Ende 2008 zum Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), danach zum Verteidigungsdepartement (VBS). Seit Anfang 2010 ist der neue Nachrichtendienst des Bundes (NDB) zuständig. Mit ein Grund für die Untersuchung der GPDel war die Fichierung von Basler Grossräten im Jahre 2007. (bru/sda)

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Nie wieder, hatte man geschworen

Der Fichen-Skandal hat vor 20 Jahren die Schweiz aufgerüttelt. Politik und Öffentlichkeit waren sich einig: Der Staatsschutz sollte nie wieder unkontrolliert Daten über Hunderttausende Bürger sammeln können.

Während des Kalten Krieges hatten Bundespolizei und Bundesanwaltschaft zusammen mit kantonalen Polizeien rund 900'000 Beobachtungs-Akten (Fichen) über Personen und Organisationen vorwiegend aus dem linken Umfeld anlegen lassen. Dies obwohl dafür keine rechtlichen Grundlagen bestanden.

Leuenberger präsidierte PUK

Aufgedeckt wurde der Skandal durch die parlamentarische Untersuchungskommission PUK-EJPD, die vom heutigen Bundesrat Moritz Leuenberger präsidiert wurde. Sie war Anfang 1989 nach dem Abgang von Bundesrätin Elisabeth Kopp eingesetzt worden und sollte neben der Kopp-Affäre auch die Datensammlungs-Aktivitäten des Staatschutzes untersuchen.

Der Fichenskandal führte 1990 zur Einsetzung einer PUK EMD unter Ständerat Carlo Schmid. Diese deckte die geheime Armee P-26 und den geheimen Nachrichtendienst P-27 auf.

Schweiz gegen den Schnüffelstaat

Diese Skandale bewegten die schweizerische Öffentlichkeit stark. Kulturschaffende verkündeten einen Boykott der 700-Jahr-Feier von 1991. Eine Volksinitiative "S.o.S. - Schweiz gegen den Schnüffelstaat" zur Abschaffung der politischen Polizei wurde lanciert, 1998 aber klar verworfen.

Die Fichen-Affäre führte in den 1990er Jahren zu einer Trennung von Bundesanwaltschaft und Bundespolizei. Die Fichen wurden 1994 durch das Staatsschutz-Informationssystem ISIS abgelöst. Die Datensammlung wurde strengeren Regeln unterstellt.

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blick.ch 30.6.10

Neuer Fichen-Skandal

Geheimdienst sammelte Daten von 120'000 Personen!

Bern - Zustände wie in der DDR: Schweizer Agenten überwachen zahlreiche "subversive" Bürger - und das ohne das Wissen des Bundesrates.

Von Beat Kraushaar

Der Inlandgeheimdienst DAP hat jahrelang verbotenerweise Fichen angelegt. Der Bundesrat und die parlamentarische Aufsichtskommission wurden im Dunkeln gelassen. Heute präsentiert die parlamentarische Geschäftsprüfungs-Delegation (GPDel) die Ergebnisse ihrer Untersuchung über die neue Fichen-Sammelwut der Schlapphütte.

Der Bericht deckt dabei einen neuen Skandal auf. Blick.ch kennt bereits die wichtigsten Fakten:Die seinerzeit nach der Fichenaffäre in den 80er-Jahren geschaffenen gesetzlichen Vorgaben über die Datenaufbewahrung wurde in wesentlichen Punkten nicht befolgt.

Grosse Zweifel an Relevanz der Daten

Der ehemalige Dienst für Analyse und Prävention (DAP) habe den gesetzlichen Anforderungen an die Qualitätssicherung der Daten "in keiner Art und Weise entsprochen, kritisiert die GPDel. Sie habe "Zweifel an der Richtigkeit und Relevanz der Daten".

In der Datenbank sollen nur Personen landen, die wirklich staatsschutzrelevant sind. Damit das garantiert ist, sieht das Gesetz eine Neubeurteilung der Daten spätestens fünf Jahre nach dem ersten Eintrag vor. Doch mindestens in den Jahren von 2004 bis 2008 gab es keine solchen Neubeurteilungen. Noch gravierender: Es seien auch systematisch falsche Daten eingetragen worden.

200‘000 verzeichnete Personen

So blähte sich die neue Fichensammlung auf: Waren 2004 noch 60´000 Personen registriert, sind es heute bereits 120´000. Dazu kommen noch 80´000 so genannte Drittpersonen, die nur in der Datenbank gelandet sind, weil sie mit einer der suspekten Personen in Kontakt standen.

Der Bundesrat und die GPDel wurden nach Blick.ch-Informationen über Jahre vom Inland-Geheimdienst über seine stetig anwachsende Fichen-Sammlung im Dunkeln gelassen und nicht richtig informiert.

Die Spitze dieses Daten-Eisberges tauchte auf, als die Medien im Herbst 2008 über das Fichieren von Schweizer Politiker mit türkischer Abstammung in Basel berichteten.

Daten ins Ausland geschickt

Dabei wurde auch bekannt, dass der Inlandgeheimdienst Daten verbotenerweise an ausländische Geheimdienste weitergab und erneut wahllos linke Politiker, Journalisten und andere in ihren Augen subversive Personen fichierte.

Der hinter dem Daten-Skandal stehende Inland-Geheimdienst sorgt damit einmal mehr für Negativ-Schlagzeilen. Ihr langjähriger Chef Urs von Däniken verliess seinen Posten Ende 2008 unter ungeklärten Umständen. Steht dahinter die neue Fichenaffäre - die einige Monate bevor von Däniken intern kalt gestellt wurde, ihren Anfang nahm?

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Die Opfer der Fichen-Affäre

Ausländer, Demonstranten und Betrunkene

Bern - Stichproben zeigen, wer in den letzten Jahren so alles fichiert wurde. Die meisten stellten wohl keine ernsthafte Bedrohung dar.

Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) hat stichprobenartig Fälle untersucht und nennt in ihrem Bericht Beispiele für die unrechtmässige Speicherung von Daten.

Der Staatsschutz des Kantons Basel-Stadt verfasste einen Bericht über die Frau, weil ein benachbarter Nachrichtendienst die Schweiz um Auskunft über Personen gebeten hatte, mit der die Frau Kontakt hatte. Informationen über die Frau und ihren Ehemann wurden in der Folge in der Datenbank ISIS registriert. Der Nachrichtendienst verdächtigte die Frau der Zugehörigkeit zum "Schwarzen Block". Doch dieser Verdacht war laut der GPDel unbegründet. Nach Einschätzung der GPDel hätte bereits eine oberflächliche Prüfung aufzeigen müssen, dass sie keine Bedrohung für die innere Sicherheit darstellte.

Demo-Teilnehmer fichiert

Registriert werden offenbar auch Teilnehmende von Demonstrationen, denen nichts Gesetzeswidriges zur Last gelegt wird. Der Bericht nennt das Beispiel einer Frau, die sich für Entwicklungsländer engagiert und an Demonstrationen teilnahm.

Unter den Fällen ist auch jener eines in der Schweiz wohnhaften Mannes, der nur wegen seiner Staatsangehörigkeit registriert wurde. Der Bürger eines nordafrikanischen Staates wurde an einem Grenzübergang durch das Fahndungsprogramm "Fotopasskontrolle" erfasst und in ISIS registriert.

Später wurde der Mann eingebürgert; der Staatsschutz hatte keine Einwände dagegen. Trotzdem blieb der Mann registriert, und zwar nicht als Drittperson, sondern als Person mit eigener Staatschutzrelevanz, wie es im Bericht der GPDel heisst.

Fichen wegen Anfragen aus Ausland

Die GPDel hält fest, eine Vielzahl von Registrierungen sei allein aufgrund von Anfragen des Auslands vorgenommen worden. Die Registrierung sei auch dann erfolgt, wenn die ausländischen Dienste die Anfrage nicht mit weiteren Informationen zur Person begründet hätten.

Ausländer beschimpft

Registriert hat der Staatschutz zum Beispiel auch 16 Personen, die von einem Ostschweizer Kanton in einem Bericht über den örtlichen Rechtsextremismus genannt wurden.

Das Spektrum reichte laut GPDel von einer Anführerfigur in der Szene bis zu einer Person, die wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand angehalten wurde und dabei rechtsextremistische Lieder sang und über die Ausländer schimpfte. Alle Personen waren acht Jahre lang in der Datenbank ISIS registriert.

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NEONAZIS
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Tagblatt der Stadt Zürich 30.6.10

Gut zu wissen

Neonazis Ein Elektroingenieur bescherte der Stadt das düsterste Kuriosum ihrer politischen Geschichte.

 Zu lesen war an diesem Sommertag des Jahres 1985 das Porträt eines offenbar ziemlich neurotischen Mannes: "Er hat ein faltiges Gesicht. Seine Unterlippe zittert unaufhörlich. Das bräunliche Hemd ist bis ganz oben zugeknöpft. Er spricht leise, am liebsten schweigt er." So beschrieb die "Züri Woche" Ernst Meister, jenen Mann, der damals mit der Gründung einer Zürcher Nazi Partei für Schlagzeilen sorgte. Mit seiner Nationalsozialistischen Partei (NSP) wollte Meister ernsthaft die politische Landschaft der Stadt umkrempeln. Auf einem Flugblatt warb er für Mitglieder und strebte eine Kandidatur für die Gemeinderatswahlen an, um gegen die "Schädigung der Gemeinschaft durch Überfremdung und Umweltzerstörung" anzukämpfen.

 Der gebürtige Aargauer, der zurückgezogen in einem Zimmer in der Zähringerstrasse lebte, sah sich selbst als neuen "Führer". Die Massenmorde des Hitler-Regimes empfand er als "nicht so tragisch. Nazis müssen wieder ein besseres Image haben." Als einzigen Politiker bewunderte er ausgerechnet Richard Nixon, den US-Präsidenten, den die Watergate-Affäre 1974 das Amtgekostet hatte.

 Ernst Meisters Lebenslauf ist unspektakulär. Ursprünglich wollte er Gärtner werden, entschied sich dann aber für den Beruf des Elektroingenieurs. Später trat er der "Nationalen Aktion für Volk und Heimat" (NA) bei, der Vorläuferorganisation der Schweizer Demokraten. Im NA-Organ "Volk und Heimat" durfte Meister sein Gedankengut publizieren. Doch seine penetrante Leugnung des Holocaust wurde selbst den strammsten Nationalisten zu braun. 1983 warfen sie Meister aus der NA.

Jan Strobel

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ANTI-ATOM
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Basler Zeitung 30.6.10

Gegen ein neues AKW in Gösgen

 Der Regierungsrat beruft sich in seiner Stellungnahme auf den 20-Kilometer-Radius

 Muriel Gnehm

 Der Kanton Baselland wehrt sich gegen den Bau eines zweiten Atomkraftwerks im Raum Gösgen (SO), da es nur fünf Kilometer von der Kantonsgrenze entfernt zu stehen käme.

 Der Baselbieter Regierungsrat will kein weiteres Kernkraftwerk im solothurnischen Gösgen. Dies hat er gestern im kantonalen Vernehmlassungsverfahren entschieden. Grund dafür ist die Lage des Kernkraftwerks im Niederamt, das rund fünf Kilometer (Luftlinie) von der Kantonsgrenze entfernt gebaut würde.

 Laut dem Verfassungsparagrafen 115 muss sich der Kanton gegen neue Atomanlagen "auf dem Kantonsgebiet oder in dessen Nachbarschaft" wehren. Regierungsrat Jörg Krähenbühl dazu: "Der Rechtsdienst des Regierungsrates hat definiert, dass sich die ‹Nachbarschaft› an der Gefahrenzone 2 orientiert. Diese entspricht einem Radius von 20 Kilometern." Innerhalb dieses Radius sollten keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden. "Daran müssen wir uns halten."

 Einsprache

Somit widerspricht auch die Anpassung des kantonalen solothurnischen Richtplans - ein erster Schritt zum Bau des Atomkraftwerks - den Interessen von Baselland: "Mit unserem Schreiben an das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn erheben wir Einsprache gegen die Anpassung", sagt Krähenbühl.

 Doch damit nicht genug: In ihrer Stellungnahme verspricht die Regierung auch, sich bei einem allfälligen Bewilligungsverfahren "mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln gegen das Vorhaben" einzusetzen. Krähenbühl: "Wir werden Einsprache gegen ein Baugesuch erheben."

 Warum wehrt sich die Baselbieter Regierung gegen das Atomkraftwerk im Niederamt, während sie auf eine Stellungnahme im Fall von Beznau verzichtet hat? "Das Kernkraftwerk in Beznau läge nicht innerhalb des Radius von 20 Kilometern, weshalb die Regierung sich gegen dessen Bau nicht wehrt", sagt Krähenbühl - und weist darauf hin, dass die Hoheit letztlich aber doch beim Bund liege: "Nach dem Bundesentscheid wird höchstwahrscheinlich das Referendum ergriffen und das Volk über den Bau eines neuen Kernkraftwerks abstimmen", mutmasst der Baudirektor.

 Eindeutig

Der Kanton Basel-Stadt hat bis anhin zum zweiten Atomkraftwerk in Gösgen keine Stellung genommen. Dem Regierungsratsbeschluss zu Beznau kann aber entnommen werden, dass er sich "aufgrund der verfassungsmässigen und gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich und eindeutig gegen den Bau neuer Kernkraftwerke stellt" - und dies, obwohl der Verfassungsartikel ähnlich lautet wie derjenige von Baselland, nur dass in Baselbiet die Nachbarschaft wesentlich enger gefasst wird.

 Das zweite Atomkraftwerk im Raum Gösgen soll einen Beitrag zur Schliessung der Stromlücke ab 2020 leisten.

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Basellandschaftliche Zeitung 30.6.10

Baselbiet macht Dampf gegen neues AKW
 
Regierung will geplanten AKW-Neubau im Niederamt mit Einsprachen verhindern

 Nach Basel-Stadt meldet sich nun auch das Baselbiet zu Wort. "Mit allen Mitteln" plant der Kanton, den Neubau eines Atomkraftwerkes im Niederamt zu bekämpfen.
 
Loris Vernarelli, Birgit Günter

 Lange hat der Kanton Baselland vornehm geschwiegen in der Diskussion um die vorgesehenen Neubauten der Atomkraftwerke in Gösgen (SO), Beznau (AG) und Mühleberg (BE) - während der Stadtkanton schon vor einigen Tagen hat verlauten lassen, dass man AKW-Bauten in der Nachbarschaft vehement bekämpfen werde.

 Jetzt zieht auch das Baselbiet nach: Der Baselbieter Regierungsrat "wehrt sich gegen ein neues Kernkraftwerk (KKW) im Raum Gösgen", und zwar "mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln", wie er in seiner gestrigen Vernehmlassungsantwort schreibt. Konkret heisst das, dass man "bei einem allfälligen Baugesuch Einsprache machen wird", erklärt Regierungsrat Jörg Krähenbühl.

 Interessen des Baselbiets tangiert

 Auslöser für diese Stellungnahme sind die Pläne des Stromkonzerns Alpiq, im Solothurner Niederamt in rund fünf Kilometern Distanz zum Kanton Baselland ein weiteres Atomkraftwerk - Gösgen II - zu bauen. "Die entsprechende Anpassung des kantonalen solothurnischen Richtplans tangiert jedoch die Interessen des Kantons Baselland", findet nun die Baselbieter Regierung und verweist auf den Verfassungsparagrafen 115, der dem Kanton vorschreibt, sich gegen AKW zur Wehr zu setzen.

 Im Unterschied zum Stadtkanton, der sich gegen Werke sowohl in Gösgen wie in Beznau ausspricht, beschränkt sich Baselland auf die Kritik an Gösgen. "Wir wehren uns gegen alle Neubauten im Umkreis von 20 Kilometern", verdeutlicht Regierungsrat Jörg Krähenbühl - und Beznau ist rund 25 Kilometer entfernt. Dabei beruft man sich auf eine Risikoeinschätzung des Bundes: Nach dieser bestehe für die Bevölkerung, die mehr als 20Kilometer von einem AKW entfernt wohnt, keine besondere Gefährdung. Besonders viel erhofft sich Krähenbühl jedoch nicht vom Baselbieter Widerstand: "Wir können nur sagen, dass wir das nicht wollen. Am Schluss entscheidet aber der Bundesrat."

 Wenig Begeisterung löst die Stellungnahme beim ehemaligen Basler SP-Nationalrat und Energiepolitiker Ruedi Rechsteiner aus. Der Kanton Baselland glaube weiterhin nicht an die erneuerbaren Energien, ist Rechsteiner überzeugt. Allgemein habe die Politik im Gegensatz zur Wirtschaft noch nicht begriffen, dass AKW in Europa keine Zukunft hätten.

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 Alte und neue AKW

 In der Schweiz sind derzeit fünf Kernkraftwerke am Netz: Beznau I und II, Mühleberg, Leibstadt sowie Gösgen. Diese sind verantwortlich für rund 40Prozent der Stromproduktion der Schweiz. Ab 2020 sollen die drei dienstältesten Kraftwerke (Beznau I und II, Mühleberg) stillgelegt werden. Im Juni 2008 hat der Stromkonzern Alpiq beim Bundesamt für Energie das Rahmenbewilligungsgesuch für ein neues Kernkraftwerk im solothurnischen Niederamt (Gösgen II) eingereicht. Ein halbes Jahr später haben Axpo und BKW ähnliche Gesuche für zwei neue AKW an den Standorten Beznau und Mühleberg eingereicht. Bis Ende März 2011 erwartet der Bund von allen Kantonen eine Stellungnahme zu den drei eingereichten Rahmenbewilligungsgesuchen. (lv)