MEDIENSPIEGEL 3.7.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo)
- (St)Reitschule: Philippe Müller und der Flomi
- RaBe-Info 2.7.10
- Drogenszene: Vorplatz drogenfrei dank Uniformen?
- Bleiberecht: Camp aufgelöst, der Kampf geht weiter
- Asyl: Behörden reissen tschetschenische Familie
auseinander
- Police BE: Prügel-Polizisten freigesprochen
- Big Brother Sport: Schonfrist für YB/SCB
- Big Brother: Däniken geht; Fichenwahn
- Rauschknast LU
- Anti-Atom: Tiefenlager-Feldbegehungen; Dulliken gegen KKN
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REITSCHULE
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Sa 03.07.10
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
22.30 Uhr - Innenhof - Eugene Chadbourne (USA) - solo:
"Soccer-Punch:
Dr. Chadbournes Take on Football"
So 04.07.10
9.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im
SousLePont
11.30 Uhr - SousLePont - WM-Beiz im Hof
19.00 Uhr - Tojo - "Die Dällebach-Macher" Das
Musical zum Musical
von/mit: Pascal Nater, Michael Glatthard
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Bund 2.7.10
Wie Dällebach Kari zum Superstar getrimmt wird
"Kari isch Kult / klipp u klar / Kari isch Kult / yes we
can /
jede Bärner Giel / isch Kari-Fän." Wie die Thuner Seespiele
zu dieser griffigen Formel gefunden haben, führen der Musiker
Pascal Nater und der Schauspieler Michael Glatthard zwei Wochen vor der
Premiere im Tojo der Berner Reitschule mit "Die Dällebach-Macher",
dem "Musical zum Musical", vor. Standen am Anfang ein Drehbuch von
Katja Früh, Songs von Tinu Heiniger und Jürg Halter und
Kompositionen von Moritz Schneider, so ist für die endgültige
Fassung eine Berliner Creative Agency verantwortlich: Mit
broadwaytauglichen Klangwolken und Texten - unter anderem von Wolfgang
Hofer, der für Udo Jürgens schreibt - haben Creative
Developer Christian Struppeck und Regisseur Andreas Gergen den Berner
Coiffeurmeister zum massentauglichen Superstar getrimmt. Der Berner
Blueser Pascal Dussex übersetzte die hochdeutschen Songs ins
Berndeutsche, und Heiniger bernerte Dussex' Versionen noch stärker
ein. Ein Vorgehen, das Heiniger sehr anschaulich anhand des Berner
Marsches illustriert.
Im O-Ton werden sowohl Heinigers Erfahrungen als auch
Struppecks
Überlegungen und deren Resultat eingespielt und von Nater und
Glatthard zusammen mit eigenen Nummern zu einer Revue legiert, die
ebenso erhellend wie vergnüglich ist. Denn die beiden Absolventen
der Berner Hochschule der Künste sind nicht der Versuchung
erlegen, den "wahren" Kari sichtbar machen zu wollen, und demonstrieren
auch das eigene Scheitern mit einem Song im Stil von Mani Matter. Zum
scharfsinnigen Lehrstück über die Mechanismen des Showbiz
wird die Aufführung - und der Anpassungsfähigkeit. Findet
doch Tinu Heiniger, von dem die Berliner nur zwei Songs akzeptiert
haben, zuletzt so schöne und versöhnliche Worte zum Thuner
Musical, wie sie sonst nur in Hollywoodfilmen und Broadway-Produktionen
zu hören sind. (bnb)
Weitere Aufführungen 4. Juli, 19 Uhr, 5. Juli, 20.30
Uhr im
Tojo der Reitschule.
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BZ 2.7.10
"Dällebach Kari" im Tojo-Theater
Vom Selbstmörder zum Star
Das Musical zum Musical: "Die Dällebach-Macher" im
Tojo-Theater mokiert sich über den Umgang mit einem Berner Mythos.
Insbesondere die Thuner Seespiele, die heuer ein Dällebach-Musical
aufführen, bekommen ihr Fett ab.
Das Plakat zum Stück sorgte im Vorfeld für
Neugierde.
"Skandal: Dällebach-Musical in deutschen Händen", las man
darauf. Was es damit auf sich hat, erfährt man schliesslich im
Stück. Unter der Regie von Olivier Bachmann schlüpften die
Schauspieler Pascal Nater und Michael Glatthard in diverse Rollen und
entlarvten dabei die Vereinnahmung der Berner Legende durch die Thuner
Seespiele.
Nachgeahmter Pathos
Das viel bemühte Klischee der kleinen Kreativen, die
sich
gegen die grossen Kommerziellen auflehnen, könnte schnell
langweilig werden - doch Nater und Glatthard veräppeln auch jene,
die sich scheinbar gegen den Kommerz stellen. Mehrheitlich ist das
ziemlich lustig. Als Pappfiguren in einem bösen Spiel stehen etwa
die Beteiligten auf der Bühne: Die deutschen Rambos (Christian
Struppeck, Andreas Gergen), die man in Thun engagiert hat, um den Stoff
im anglo-amerikanischen Stil aufzubereiten. Oder Katja Früh, die
Autorin des Thuner Musicals, deren Vater Kurt Früh den
Dällebach Kari verfilmte. Weinerlich ruft sie nach ihrem
verstorbenen "Bappe", der ihr durch einen Nebel von Trockeneis zusingt,
sie solle Vertrauen haben. Eine von vielen Szenen, in denen das Genre
Musical verulkt wird: Die Schauspieler ahmen mehrmals den Pathos, den
man aus solchen Produktionen kennt, nach.
Nater wie Glatthard begeistern durch rasche Rollenwechsel
und
Musikalität. Für ein paar Sekunden gibt Glatthard Kutti MC,
sodass ihn alle gleich erkennen, oder schlüpft schnell in die
Rolle des ein Toupet tragenden Liedermachers Wolfgang Hofer. Das
absurde Vorgehen der Musicalmacher in Thun wird Schritt für
Schritt blossgestellt. Man hat eine deutsche "Kreativ-Agentur" geholt
und deutsche Liedermacher - doch damit alles schön authentisch
wird, müssen die Lieder "eingebernert" werden. Darum wird
ebenfalls auf den Liedermacher Tinu Heiniger verwiesen. Er, der in den
Siebzigerjahren mit "Unterhaltungsbrunz" den seichten Kommerz am
Fernsehen beklagte, verkauft sich heute selbst an die
Unterhaltungsindustrie, indem er für das Dällebach-Musical
deutsche Lieder "einbernert".
Bitterböser Spass
Dann schlüpfen die Schauspieler in die Rolle der
deutschen
Macher, denen kein trauriges Ende vorschwebt. Selbst bei einer so
tragischen Figur wie dem Dällebach Kari, der sich bekanntlich 1931
von einer Brücke stürzte, gibt es Lösungen: Der
Selbstmord wird bagatellisiert, Kari wird zum Stern am Himmel, ein Held
- so wie auch das Musical auf der Seebühne in Thun enden wird.
"Mir si froh, heimer än Endlösig gfunde", singen die
Schauspieler, die nun selbst in die Rolle von Musicaldarstellern
schlüpfen. Ein bitterböser Spass, den sie da treiben.
Allerdings werden etwas viel Insiderinformation verarbeitet, und an
manchen Stellen kommt das Stück zu langfädig daher.
Helen Lagger
Nächste Vorstellungen: So, 4. 7., und Mo, 5. 7., im
Tojo-Theater, Reitschule Bern.
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(ST)REITSCHULE
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BZ 2.7.10
Reitschule
Kritik am Flohmarkt
In einer dringlichen Interpellation kritisiert
FDP-Stadtrat
Philippe Müller den Flohmarkt, der einmal im Monat vor der
Reitschule stattfindet. Müller bemängelt verstellte Trottoirs
sowie die Preisanschreibepflicht, die nicht befolgt werde.
Auf Anfrage erklärte die Gewerbepolizei, sie
kontrolliere
den Flohmarkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Beschwerden zu den
Zuständen vor Ort seien an die Kantonspolizei zu richten.
Laut Giorgio Andreoli vom Reitschule-Kollektiv Grosse
Halle, das
den "Flohmi" organisiert, sei das Trottoirproblem erkannt. Zusammen mit
der Stadt sei man daran, es zu lösen. Ausserdem mache die
"Flohmi"-Crew jedes Mal alle Standbetreiber auf die geltenden
Richtlinien aufmerksam.
pd/hae
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20 Minuten 2.7.10
"Wildwest" am Reitschule-Märit?
BERN. Stadtrat Philippe Müller (FDP) hat ein neues
Haar in
der "Berner Suppe" gefunden: Er stört sich am Märit auf dem
Reitschule-Vorplatz, der jeden ersten Sonntag des Monats stattfindet.
Dort würden Regeln überhaupt nicht eingehalten; unter anderem
werde regelmässig auf der Neubrückstrasse parkiert und
für Fussgänger gebe es kaum mehr Platz auf dem Trottoir. Nun
fordert er den Gemeinderat auf zu handeln.
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RABE-INFO 2.7.10
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Fr. 2. Juli 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_2._Juli_2010.mp3
- Am Donnerstag geht's bei der Gassenarbeit Bern zu und her wie
im
Bienenhaus
http://www.gassenarbeit-bern.ch/
- Das Sans-Papier Camp verlässt die kleine Schanze
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DROGENSZENE
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bernerzeitung.ch 1.7.10
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Was-es-braucht-damit-in-Bern-keine-offene-Drogenszene-entsteht/story/15378994
Was es braucht, damit in Bern keine offene Drogenszene entsteht
Von Tanja Kammermann. Aktualisiert um 16:55 Uhr
Wer in diesen Tagen über den Vorplatz der Reitschule geht,
sieht
weder Drogensüchtige noch herumliegende Spritzen. Die Polizei und
andere Organisationen sind jedoch täglich daran, die Bildung einer
neuen offenen Szene zu verhindern.
Dass sich auch dieses Jahr unter der Eisenbahnbrücke keine
sichtbare Szene der Drogensüchtigen gebildet hat, ist kein Zufall
sondern harte Arbeit. Die Polizei greift seit letztem Jahr rigoros bei
den Drogensüchtigen durch. "Wir müssen dauernd am Ball
bleiben, sonst bildet sich die offene Szene gleich wieder", sagte Heinz
Pfeuti von der Kantonspolizei gegenüber bernerzeitung.ch.
Hie und da sehe man kleine Ansammlungen von Drogenkonsumenten,
unter
anderem im Gebiet Bollwerk, diese Gruppen seien jedoch klein und bilden
sich nur für kurze Zeit.
Zusammen mit der Securitas, der Stadt Bern, dem Bundesamt
für
Gesundheit und der Organisation Pinto wurde ein Bündel von
Massnahmen ergriffen, um die Drogensüchtigen von der Reitschule
fern zu halten. Neben repressiven Massnahmen wurden unter anderem die
Öffnungszeiten der Drogenabgabestelle verlängert und bei
Pinto wurde das Personal aufgestockt und die Arbeitszeiten ausgedehnt.
Pinto arbeitet in Doppelschichten
"Die Situation der Drogensüchtigen in Bern hat sich
für alle
unglaublich verbessert", sagt Silvio Flückiger, Leiter der
Organisation Pinto. Um dieses Ziel zu erreichen hat das Angebot des
Jugendamtes kürzlich 80 Prozent aufgestockt und die Mitarbeiter
sind nun vielfach bis morgens um drei Uhr und am Wochenende mit
Doppelschichten unterwegs, erklärt Flückiger.
Da seine Leute rein kommunikativ arbeiten, sei die Situation
früher auf dem Vorplatz mit hunderten von Süchtigen sehr
schwierig gewesen. "Jede kleine Szene wird heute mit der gleichen
Intensität behandelt, wie eine grosse", sagt Flückiger. Wenn
eine Gruppe Süchtiger sich niederlassen wolle, stehen die
Mitarbeiter von Pinto schon mal stundenlang zu sechst da und schicken
die Junkies weg.
Anwohner lernen Umgang mit Junkies
Wo die Junkies jetzt ihren Stoff konsumieren, weiss nicht einmal
die
Polizei: "Wir vermuten, dass vermehrt in Privatwohnungen konsumiert
wird", so Pfeuti. In anderen Jahren verlagerte sich die Szene einfach
in die Quartiere, zum Leidwesen der jeweiligen Anwohner. Dieses Jahr
gab es bei der Polizei aber kaum Reklamationen von dieser Seite.
Pinto beispielsweise schult Anwohner, damit diese lernen,
richtig mit
Junkies umzugehen. "Wenn man Süchtigen jeden Tag sagt, dass man
hier wohnt und dass das, was sie tun, stört, haben sie nicht mehr
die nötige Ruhe und gehen", erklärt Flückiger. So
geschehen im Gebiet um das Bierhübeli. Auch mit baulichen
Massnahmen lasse sich viel erreichen, sagt Flückiger. So werden
dunkle Ecken gut ausgeleuchtet und Licht mit blauen Folien versehen.
Die Massnahmen bei Pinto seien kostenneutral, da die Ressourcen der
Organisation verlagert wurden. Auch die Einsätze der Polizei
hätten keine grossen Kosten nach sich gezogen, erklärt
Flückiger weiter und zieht eine positive Bilanz des
Massnahmenpakets. (Bernerzeitung.ch/Newsnetz)
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BLEIBERECHT
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Bund 3.7.10
Sans-Papiers räumen Kleine Schanze
Die Sans-Papiers und ihre Unterstützer, die die
Kleine
Schanze seit einer Woche besetzt hielten, haben ihr Camp gestern Morgen
wie mit der Stadt vereinbart geräumt - obwohl sie bisher von
politischer Seite keine Antwort auf ihre Forderungen erhalten haben.
Drei Iraner, die sich im Hungerstreik befinden, weigerten sich, den
Platz zu verlassen - sie wurden schliesslich von der Polizei
weggeführt. (tik) — Seiten 3 und 25
--
Aktivisten verlassen die Kleine Schanze - ohne Resultate
Bis auf drei Hungerstreikende zogen die Sans-Papiers
gestern
fristgerecht ab.
Timo Kollbrunner
Keine Bierdose, nicht einmal ein Papierschnipsel liegt am
späten Freitagmorgen auf der Kleinen Schanze. Einige junge Frauen
und Männer suchen den Rasen nach Zigarettenstummeln ab und
entsorgen diese gewissenhaft. Nur die hellen, rechteckigen
Rasenflächen weisen darauf hin, dass hier noch in der Nacht zuvor
Zelte standen. Sans-Papiers und Unterstützende hatten diese am
vergangenen Samstag aufgestellt. Eine Woche lang nahmen sie darauf den
zentrumsnahen Platz in Beschlag, um unter dem Namen "Bleiberecht" auf
die Lage von Menschen aufmerksam zu machen, die ohne legalen Status in
der Schweiz leben. Ein erstes Ultimatum zum Abzug hatten sie am Montag
verstreichen lassen, darauf erhielten sie ein zweites - bis gestern
Morgen mussten sie weg sein. Per Vollversammlung entschieden sie
schliesslich, die Zelte abzubrechen.
Zumindest vorderhand bleibt von dem einwöchigen
Protestcamp
wenig Konkretes übrig. Sadou Bah, einer der Sprecher der
Aktivisten, sagt zwar, es sei ein grosser Erfolg, wie viele Leute man
während der Woche habe mobilisieren können. Auf der anderen
Seite sei er jedoch "enttäuscht, dass wir vom Justiz- und
Polizeidepartement keine Antwort auf unsere Forderungen erhalten
haben". Das zeige, dass die Bewegung weiter wachsen müsse, bis sie
von der nationalen Politik ernst genommen werde. In einer
Medienmitteilung künden die Aktivisten an, die Sans-Papiers
würden "nach Bern zurückkehren", falls das Departement von
Widmer-Schlumpf nicht "sehr bald konkrete Schritte in Richtung einer
kollektiven Regularisierung unternimmt". "Wir werden unseren Stil der
konfrontativen Aktionen weiterverfolgen", sagt auch Michael Schmitz,
einer der Aktivisten. Denn sie seien überzeugt: "Nur durch
massiven Druck von der Basis lässt sich etwas bewegen."
Drei Iraner wehren sich
Dass die Besetzung der Kleinen Schanze schliesslich doch
noch
durch ein Aufgebot der Polizei beendet werden muss, liegt an drei
Männern aus dem Iran, die sich im Hungerstreik befinden. Sie haben
sich entschlossen, die Plattform für ihren persönlichen
Protest zu nutzen und trotz Ultimatum auf der Kleinen Schanze zu
verharren. In zahllosen Gesprächen gelang es niemandem, sie von
ihrem Anliegen abzubringen. "Ein positiver Asylentscheid", sagt einer
der Dreien auf die Frage, was ihn dazu bewegen würde, wieder
Nahrung zu sich zu nehmen. Mit ihrem Verhalten bringen die drei Iraner
die Organisatoren des Protestcamps in eine unbequeme Lage. Sie, die
sich entschlossen hatten, der Aufforderung der Stadt zu folgen und
abzuziehen, wollen die drei Männer keinesfalls einfach ihrem
Schicksal überlassen. Umso nervöser werden alle Beteiligten,
als es auf zwei Uhr zugeht - jene Uhrzeit, auf die der bernische
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) die Räumung angekündigt
hatte. Um Punkt zwei Uhr begeben sich zwei Polizisten zum einzigen
Zelt, das noch auf der Wiese steht. "Wir haben eine Anzeige wegen
Hausfriedensbruchs erhalten", informiert einer der Beamten und gibt den
drei Männern noch 15 weitere Minuten Zeit, um den Ort zu
verlassen. Sie gehen nicht. Schliesslich wird einer von ihnen von etwa
zehn Polizisten unter Gegenwehr zu einem Einsatzfahrzeug geschleift,
begleitet von Protestrufen einiger Solidarischer. Einer der Hungernden
geht freiwillig mit einer Sanitäterin mit, der Dritte, der bereits
seit einem Monat nicht mehr gegessen hat und in den Tagen zuvor zweimal
medizinischer Behandlung zugeführt werden musste, wird auf einer
Bahre abtransportiert. Das Bleiberecht-Kollektiv Zürich bezeichnet
den Polizeieinsatz in einer Medienmitteilung als "grotesk
unverhältnismässig". Reto Nause spricht dagegen auf Anfrage
von einem "sehr guten Polizeieinsatz". Grundsätzlich sei er "froh,
dass die Aktion nun zu Ende ist". Die "deeskalative Strategie" der
Stadt habe sich bewährt. "Ich würde es wohl wieder gleich
machen", bilanziert Nause. Es solle sich allerdings keine Gruppe darauf
verlassen, dass sich die Stadt bei einer erneuten Besetzung gleich
verhalten werde, warnt er. "Das müssten wir jeweils im Einzelfall
anschauen."
Siehe auch Leitartikel auf Seite 3
--
Leitartikel
Der unklare und diskriminierende Status der Sans-Papiers zwingt
uns
dazu, mit Widersprüchen zu leben.
Unwürdiger Zustand der Unredlichkeit
Walter Däpp
Sie sind da und doch nicht da. Sie dürfen nicht
arbeiten,
werden als illegale Arbeitskräfte aber gebraucht, zum Teil auch
missbraucht: jene über 100 000 Ausländerinnen und
Ausländer, die es offiziell gar nicht oder nur auf dem Papier gibt
- die Sans-Papiers.
Es sind vor allem ehemalige Saisonniers, die zum Teil
schon seit
Jahrzehnten "papierlos" in der Schweiz leben. Es sind ihre Kinder. Es
sind aussereuropäische Arbeitsimmigranten, meist Frauen, die ohne
Bewilligung hier arbeiten. Es sind abgewiesene Asylsuchende, die
"untertauchen", weil ihnen die behördlich verordnete
"selbstständige Ausreise", oft nach Jahren der Ungewissheit,
unzumutbar oder gefahrvoll erscheint. Oder weil die alte Heimat
für sie keine Heimat mehr ist.
Protest im Befehlston
Und nun kommt ein Kollektiv namens "Bleiberecht" nach
Bern,
besetzt die Kleine Schanze, verlangt im Befehlston ein Gespräch
mit Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und fordert eine
"kollektive Regularisierung für Menschen, die seit langem in der
Schweiz leben" - für Menschen, die "unsichtbar und unter
unwürdigen Bedingungen in Haushalten, Restaurants, Fabriken und
Landwirtschaftsbetrieben arbeiten", im Sexgewerbe ausgebeutet oder als
abgewiesene Asylsuchende "in Notunterkünfte eingepfercht werden".
Es gibt Gründe, sich über die Illegalität
des
temporären Protestzeltlagers und über den ultimativen Ton
dieses Kollektivs aufzuhalten. Es gibt auch Argumente gegen eine
pauschale Amnestie für Sans-Papiers, denn: Jedes Asylverfahren
würde ausgehebelt, wenn abgewiesene Asylbewerber als Sans-Papiers
sogleich von einer kollektiven Regularisierung profitierten.
Berechtigtes Anliegen
Doch das grundsätzliche Anliegen, das hier
vorgebracht wird,
ist nicht zu ignorieren - weder von oben noch von unten, weder von
links noch von rechts. Denn es gibt sie, die Sans-Papiers. In sehr
grosser Zahl. Und die Politik ist nach wie vor weit davon entfernt, den
Umgang mit ihnen so zu regeln, dass er gesetzeskonform und auch
menschengerecht ist. Es gibt zwar pragmatische Ansätze. So hat der
Bund vor einigen Jahren fast zweitausend von den Kantonen gemeldete
Sans-Papiers-Härtefälle legalisiert - bis auch diese Praxis
wieder verschärft wurde. So will eine knappe Mehrheit des
Nationalrats den Kindern von Sans-Papiers zubilligen, eine Lehre zu
machen - allen Widersprüchen zum Trotz. So rechnet man da und dort
für Sans-Papiers, die ja gar nicht arbeiten dürften, die AHV
ab. Das ist zwar ebenfalls widersprüchlich und deshalb
kritisierbar - wobei dann nicht nur die schwarzarbeitenden
Ausländer zu kritisieren wären, sondern auch jene, die sie
schwarz beschäftigen.
Zugespitzte Situation
Bislang ergebnislos geblieben ist beispielsweise auch der
Vorstoss der Genfer Behörden, die seit fünf Jahren vom Bund
eine "einmalige und einheitliche Regularisierung der illegal anwesenden
Hausangestellten" fordern. Und erfolglos blieb auch eine "Arbeitsgruppe
Sans-Papiers" der Eidgenössischen Ausländerkommission. Sie
gab Ende 2007 auf - und stellte ernüchtert fest, die Situation
für Sans-Papiers habe sich "aufgrund der gesetzlichen
Verschärfungen und wegen der zunehmend restriktiven Praxis des
Bundesamts für Migration und des Bundesgerichts" zugespitzt. Und
sie werde sich mit dem (2008 eingeführten) Schwarzarbeitsgesetz
"weiter verschärfen".
Die Sans-Papiers-Problematik ist also nach wie vor
ungelöst
- wie schon im Herbst 2001, als Papierlose und ihre Sympathisanten mit
Kirchenbesetzungen das Gleiche verlangt hatten wie jetzt das
"Bleiberecht"-Kollektiv: eine Amnestie für alle Sans-Papiers.
Auch die Berner Marienkirche wurde damals besetzt, was mit
einem
Transparent am Kirchturm ("Kein Mensch ist illegal") weit herum
sichtbar wurde. Die Besetzer zügelten später in die
Pauluskirche - wo der Schriftsteller Adolf Muschg ihnen Rückhalt
gab. "Mit der einen Hand kassieren wir ihre Dienstleistungen ab, in der
anderen Hand halten wir den Knüppel", sagte Muschg - und
kritisierte den Umgang der Schweiz mit den Sans-Papiers als "Zustand
der Unredlichkeit".
Daran, an diesem unwürdigen Zustand der
Unredlichkeit, hat
sich seither nichts geändert.
---
BZ 3.7.10
Kleine Schanze
Die Besetzer zogen ab
Die Sans-Papiers und Sympathisanten, die eine Woche die
Kleine
Schanze besetzt hielten, haben gestern ihr Camp freiwillig
geräumt. Drei Iraner im Hungerstreik setzten ihre Aktion
unabhängig davon fort. Sie wurden von der Polizei abgeführt
und ins Spital gebracht. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause bedauerte
den Polizeieinsatz. Die meisten Aktivisten hätten sich
nämlich an die Abmachungen gehalten. Die Organisatoren sehen das
Camp als erste Etappe einer schweizweiten Mobilisierung. Nun warte man
auf eine Reaktion von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf.
hae
Seite 23
--
Kleine Schanze
Sans-Papiers-Camp ist geräumt
Die Bleiberecht-Kollektive haben gestern Vormittag ihr
Camp auf
der Kleinen Schanze zum vereinbarten Zeitpunkt geräumt. Drei
Iraner im Hungerstreik setzten ihre Aktion aber fort. Sie wurden von
der Polizei abgeführt.
Gestern Morgen um 9.30 Uhr auf der Kleinen Schanze: Die
Zeltstadt
ist fast ganz weggeräumt, auf dem Asphalt stapelt sich
Gepäck, Schlafsäcke und Matratzen. Auf dem Rasen haben die
Zelte zwar Abdrücke hinterlassen, ansonsten wurde auf dem ganzen
Gelände "gefötzelet", kaum ein Zigarettenstummel, der liegen
blieb.
Die Aktivisten der Bleiberecht-Kollektive, die seit
letztem
Samstag die Kleine Schanze besetzten, haben Wort gehalten. In
Verhandlungen mit dem städtischen Polizeidirektor Reto Nause (CVP)
hatten sie zugesagt, ihr Camp bis Freitagmittag zu räumen. Nun
stehen sie da, bereit für die Abreise. Laufend ziehen Sans-Papiers
und Solidarisierende gruppenweise ab.
Drei Iraner im Hungerstreik
Ein Zelt steht noch: Drei Männer im Hungerstreik, der
eine
seit genau einem Monat, beharren darauf, ihren Protest an Ort und
Stelle weiterzuführen. Derjenige der drei Iraner, der Deutsch
spricht, ruft laut: "Wir haben keine Wahl. Was kann uns Schlimmeres
passieren als unser jetziges Leben?" Sie verlangen, dass
Bundesrätin Widmer-Schlumpf sich ihrem Problem annimmt.
Die Stimmung auf dem Gelände ist gedrückt.
Richtig mag
es niemand sagen, aber viele haben Mühe mit der
Hungerstreikaktion. Zu reden gibt einerseits die Protestform an sich,
andererseits könnte sie gefährden, was während der Woche
erreicht wurde: Aufmerksamkeit für die Forderung nach einer
kollektiven Regularisierung, Anerkennung für den friedlichen
Protest und die Dialogbereitschaft. Darauf wollen die
Bleiberecht-Kollektive aufbauen und in weiteren Aktionen
weiterkämpfen.
Ruth-Gaby Vermot, langjährige SP-Nationalrätin
und
Präsidentin der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl-
und Ausländerrecht, hat während der Besetzung immer wieder
auf der Kleinen Schanze vorbeigeschaut. Nachdem die Bemühungen der
Aktivisten um ein Kirchenasyl für die drei Iraner erfolglos waren,
zieht Vermot mit der gleichen Absicht los Richtung
Dreifaltigkeitskirche. Nach einer halben Stunde kommt sie zurück,
verärgert und ratlos - es sei nichts zu machen. Auf Anfrage
begründet der Präsident des zuständigen
Kirchgemeinderats, Christian Kissling, sein Ablehnen mit dem
medizinischen Risiko bei Hungerstreikenden: "Diese Verantwortung
können wir nicht übernehmen."
Auf Bahre weggerollt
Um 11 Uhr schlendern zwei Polizisten über die Kleine
Schanze. "Ein sogenanntes Voraus-Detachement", sagt ein Aktivist. Gut
eine Stunde später kommt Polizeidirektor Nause und wird von Medien
und Aktivisten umringt. Ruth-Gaby Vermot zieht sich mit ihm zur
Privatbesprechung zurück und kommt zurück mit dem Bescheid:
"Um 14 Uhr wird geräumt."
Um 14 Uhr kommen zwei Polizisten, machen eine Anzeige
wegen
Hausfriedensbruch geltend und sagen: "Wenn sie den Standort in einer
Viertelstunde nicht verlassen, räumen wir." Nach Ablauf der Frist
rufen sie Verstärkung sowie die Sanitätspolizei. Diese macht
erste Gesundheitsuntersuchungen, um 15.15 Uhr wird der Wortführer
der drei Iraner von acht Polizisten weggetragen. Der zweite und ein
Sympathisant lassen sich ohne Gegenwehr abführen. Der Mann, der
seit einem Monat im Hungerstreik ist, wird auf einer Bahre weggerollt.
In einer Mitteilung schreibt die Polizei, die drei Personen im
Hungerstreik seien von der Sanitätspolizei ins Spital gebracht
worden.
Polizeidirektor Nause bezeichnete den Polizeieinsatz als
verhältnismässig. Er hielt anerkennend fest, dass das Gros
der Leute friedlich abgezogen sei und ein sauberes Gelände
hinterlassen habe. Aber "den Nachmittag hätte es nicht gebraucht",
sagte er. Die Bleiberecht-Kollektive verurteilten den Polizeieinsatz in
einer Erklärung als unverhältnismässig.
Christoph Hämmann
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Basler Zeitung 3.7.10
Pfadilager für Unerwünschte
Das Protestcamp der Sans-Papiers in Bern wurde gestern
abgebaut,
der Kampf für ein Bleiberecht geht weiter
Barbara Spycher, Bern
Bleiberecht für alle: Das forderten rund 200
Sans-Papiers
und Schweizer Aktivisten während eines einwöchigen nationalen
Camps. Eine Forderung, der in Bundesbern ein eisiger Wind
entgegenbläst.
Schlafsäcke, Iso-Matten, Gitarren, Kisten mit
Kochutensilien
liegen auf dem Boden und erinnern an ein Pfadilager, das zu Ende geht.
Doch Transparente mit Worten wie "Bleiberecht für alle" machen
schnell klar: Es ist ein politisches Protestcamp. Nach einer
Anti-Rassismus-Demo vor einer Woche hatten rund 200 Sans-Papiers und
Aktivisten die Kleine Schanze in Bern besetzt, einen zentralen Platz
gleich neben dem Bundeshaus. Ihre Forderung: Die kollektive
Regularisierung aller Menschen, die ohne Aufenthaltsbewilligung in der
Schweiz leben.
Keine Perspektive
Darauf hofft auch Mimi, eine 30-jährige Kamerunerin. Sie
wartet
auf einer Bank, bis das Camp ganz abgebrochen wird, und sie
zurückgeht in ihr Leben, dem neben Geld vor allem eines fehlt:
eine Perspektive. "Blockiert", nennt sie es. Vor sechs Jahren kam sie
mit einem Schweizer in die Schweiz, um der Armut zu entfliehen. Aus der
Liebe wurde nichts, und sie sah keinen anderen Weg, als ein Asylgesuch
zu stellen. Das wurde längst abgelehnt. Nun lebt sie von 9.50
Franken Nothilfe pro Tag, lernt Lesen und Schreiben, arbeitet als
Freiwillige bei Caritas. Doch sie möchte richtig arbeiten, noch
lieber eine Ausbildung machen - das geht aber nicht ohne
Aufenthaltsbewilligung. "Wir werden behandelt, als gäbe es uns
nicht. Doch wir sind auch Menschen."
"Du hast ständig Angst, von der Polizei angehalten
und
verhaftet zu werden, kannst nicht schlafen, hast keine
Möglichkeit, etwas zu ändern", mischt sich eine Bekannte von
Mimi ein. Auch sie steht seit der Scheidung von ihrem Schweizer Ehemann
ohne Aufenthaltspapiere da.
In der Schweiz leben schätzungsweise über
100 000
Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung. Viele sind abgewiesene
Asylbewerber, etliche arbeiten schwarz, heiraten ist ihnen ebenfalls
untersagt, ihre Kinder dürfen zwar zur Schule, aber keine Lehre
machen. Letzeres möchte der Nationalrat aber ändern.
Spielraum der Kantone
Eine Woche lang hatten Betroffene und Schweizer Aktivisten des
Kollektivs "Bleiberecht" nun die Chance, an zentraler Lage neben dem
Bundeshaus auf die "unmenschliche" Situation von Sans-Papiers
aufmerksam zu machen. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) musste
Kritik von SVP und FDP einstecken, weil er das "illegale" Zeltcamp eine
Woche lang zuliess. Doch die Aktivisten verhielten sich friedlich,
debattierten, politisierten, kochten und musizierten, und räumten
gestern Vormittag wie abgemacht den Platz. Einzig drei abgewiesene
Asylbewerber, die sich wegen ihrer aussichtslosen persönlichen
Situation im Hungerstreik befinden, blieben in einem Zelt sitzen. Sie
wurden am Nachmittag von der Polizei zur Abklärung ins Spital
gebracht respektive verhaftet, mit einem "entwürdigenden und
grotesk unverhältnismässigen" Polizeieinsatz, wie das
Bleiberecht-Kollektiv kritisiert.
Vergeblich hatte auch Alt-Nationalrätin Ruth-Gaby
Vermot
(SP/BE) versucht, eine Alternative für die Hungerstreikenden zu
finden. Vermot, die sich aus dem Nationalrat, aber nicht vom
politischen Engagement verabschiedet hat, lobt die jungen Aktivistinnen
und Aktivisten, welche den Protest politisch geschickt und friedlich
gemanagt hatten. "Diese Woche muss Folgen haben." Ihre konkrete
Forderung: Die Kantone müssten die Härtefallregelungen
grosszügiger auslegen. In diesem Bereich hätten sie einen
Handlungsspielraum, um Menschen, die schon lange in der Schweiz leben,
eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Doch Vermot weiss auch: "Seit
Jahrzehnten fordere ich das Gleiche. Und in der Ausländerpolitik
weht der Wind eher aus der entgegengesetzten Richtung."
Spanien und Italien
Die 20- bis 30-jährigen Bleiberechtsaktivisten hingegen
haben Mut
getankt in dieser Woche. Die erste schweizweite Aktion habe den
Zusammenhalt der Bewegung gestärkt, sagen Zürcher, Berner und
Welsche unisono. Von Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf erhielten
sie bisher allerdings keine Antwort auf ihren offenen Brief mit der
Hauptforderung nach einer kollektiven Regularisierung. Dass diese
Forderung in der Schweizer Politik derzeit chancenlos ist, dürfte
auch den Aktivisten klar sein. Doch sie verweisen auf Länder wie
Spanien oder Italien, die es vorgemacht haben. "Der Kampf geht weiter",
verspricht auch ein Transparent, das noch zwischen den Bäumen im
Park hängt.
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Telebärn 2.7.10
Sans-Papier-Camp beendet
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/sanspapiercamp-beendet/c=84713&s=966234
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bleiberecht.ch 2.7.10
Aktion beendet - Der Kampf geht weiter!
Verhaftungen nach Ende der Bleiberecht-Aktion:
Entwürdigendes
Vorgehen der Polizei
Der Kampf für eine kollektive Regularisierung und ein
menschenwürdiges Leben für Flüchtlinge geht weiter.
Nach einer Woche Besetzung haben die Sans-Papiers,
Flüchtlinge und
Unter-stützende wie mit der Stadt vereinbart ihre Zelte
abgebrochen. Die Stimmung an der letzten Vollver-sammlung am
Donners-tagabend war kämpferisch.
Die Beteiligten sehen die Aktion als erste Etappe einer
kraftvollen
Bewegung für eine andere Migrationspolitik in der Schweiz.
Flüchtlinge und Unterstützende aus allen Teilen der Schweiz
hatten Gelegenheit, Erfahrungen auszutauschen, sich zu vernetzen und
aus der Isolation auszutreten. Es war "eine grosse Chance auf der
Kleinen Schanze", wie Mohammed Moradi, ein Flüchtling aus
Afghanistan, an der Pressekonferenz von gestern es formulierte.
Bei Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf haben wir klare
Forderungen deponiert. Dennoch hat sie sich dem Gespräch mit uns
verweigert und unsere Anliegen offensichtlich nicht ernstgenommen.
Falls ihr Departement nicht sehr bald konkrete Schritte in Richtung
einer kollektiven Regularisierung unternimmt, werden die Sans-Papiers
nach Bern zurückkehren.
Nach dem Ende des Protestcamps auf der kleinen Schanze haben
drei
Hungerstreikende und ein weiterer Flüchtling unabhängig von
den Bleiberecht-Kollektiven ihren Protest im Park fortgesetzt. Trotz
intensiver Bemühungen der Unterstützenden konnte für sie
kein Kirchenasyl organisiert werden. Die Polizei schritt schliesslich
zur Räumung. Zwei der Protestierenden wurden verhaftet, zwei ins
Spital überführt.
Das Vorgehen der Polizei bei der Verhaftung des Wortführers
der
Protestierenden war entwürdigend. Zehn Polizisten trugen ihn mit
Handgriff an Händen und Füssen über den ganzen Platz,
anstatt mit dem Auto zum Zelt der Flüchtlinge heranzufahren. Zudem
war der Einsatz grotesk unverhältnismässig. Vier
Protestierende und etwa dreissig Unterstützende, die friedlich die
Vorgänge beobachteten, vermittelten und sporadisch Parolen
skandierten, befanden sich zum Zeitpunkt der Räumung auf dem
Platz. Nur der Einsatzleiter der Polizei weiss, warum zur Kontrolle
dieser "Menschenmassen" elf Kastenwagen notwendig waren.
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police.be.ch 2.7.10
Stadt Bern: Kurzer Polizeieinsatz nach Besetzung
2. Juli 2010
pkb. Im Nachgang zur Besetzung der Kleinen Schanze in Bern ist
es am
Freitagnachmittag zu einem kurzen Polizeieinsatz gekommen. Eine Person
wurde vorübergehend festgenommen, drei Personen zur Kontrolle ins
Spital gebracht.
Die Schweizer Bleiberecht-Kollektive hatten im Anschluss an die
Solidaritätskundgebung gegen Ausgrenzung und Rassismus am
vergangenen Samstagnachmittag auf der Kleinen Schanze ein Protestcamp
eingerichtet. Der Stadtberner Gemeinderat beauftragte daraufhin die
Berner Kantonspolizei, den Räumungsantrag der Stadtbauten zu
vollziehen, falls die Besetzung nicht bis am Freitagmorgen, 2. Juli
2010, beendet ist.
Bis am Mittag verliessen die meisten Aktivistinnen und
Aktivisten das
Gelände. Zurück blieben aber einige Personen. Die Polizei
nahm danach mehrmals mit ihnen Kontakt auf. Kurz nach 1500 Uhr wurden
drei Personen angehalten und aus medizinischen Gründen durch die
Sanitätspolizei ins Spital geführt. Eine weitere Person wurde
vorübergehend festgenommen und in eine Polizeiwache gebracht.
Zurzeit werden die Personalien der angehaltenen Personen
überprüft. Sie werden wegen Verletzung der Parkordnung
verzeigt.
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Bund 2.7.10
Sans-Papiers-Camp
Keine Furcht vor Zwangsräumung
Weil das öffentliche Interesse am Sans-Papiers-Camp
etwas
nachgelassen hatte, suchten die Aktivisten "bewusst" nach Papierlosen.
Und sie kamen.
Mireille Guggenbühler
Die Sans-Papiers-Aktivisten auf der Kleinen Schanze sind
sich
uneinig: Ein Teil der rund 150-köpfigen Gruppe möchte heute
die Zelte abbrechen. Das entsprechende Ultimatum des Berner
Gemeinderats läuft heute Freitag aus. Andere Aktivisten wollen es
auf eine Konfrontation mit den Behörden ankommen lassen: Zu
verlieren hätten sie sowieso nichts mehr, heisst es. Definitiv
entschieden für die eine oder andere Variante haben sich die
Aktivisten noch nicht. Am Abend sagte Julia Bader vom Aktionskomitee
aber auf Anfrage, man werde "sicher abziehen": "Wir hätten bei
einer Konfrontation keine Chance."
Möglich ist, dass sich die Männer und Frauen
eine neue
Bleibe suchen. Am ehesten käme wohl eine Kirche infrage. Darin
hatten sie sich schon einmal eingerichtet: Im Herbst 2001 besetzten
Sans-Papiers und ihre Sympathisanten die Marienkirche in Bern und
machten so auf ihre Anliegen aufmerksam.
Kräftig mobilisiert
So oder so hat das Kollektiv namens Bleiberecht das Camp
definitiv als Plattform entdeckt. Noch in der Wochenmitte flaute das
Interesse Betroffener am Camp plötzlich etwas ab, wie Julia Bader
sagt. Danach wurde aber kräftig mobilisiert. "Wir sind bewusst auf
die Suche nach Sans-Papiers gegangen", sagt Bader. Die Aktivisten
fuhren in die Notunterkunftszentren und machten die Bewohner auf ihr
Camp in der Bundesstadt aufmerksam. Ob die Aktivisten die Sans-Papiers
dazu gedrängt haben, noch ins Camp zu kommen, oder ob die
Sans-Papiers selber zum Schluss gekommen sind, das Camp vor Ablauf des
Ultimatums noch dazu zu nutzen, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen,
ist unklar.
Männer im Hungerstreik
Und so finden sich im Camp nun neu ein Mann aus dem Iran,
der in
der Schweiz in Basel zu Hause ist, und ein Mann aus Aserbaidschan. Die
beiden Männer befinden sich im Hungerstreik. Der Iraner isst seit
29 Tagen nichts mehr, der Aserbaidschaner seit 10 Tagen. Beide
Männer stellten in der Schweiz ein Asylgesuch, welches abgelehnt
wurde. Und beide legten gegen den Entscheid Rekurs ein. "Sie sehen im
Camp eine Möglichkeit, sich etwas Publizität für ihre
Anliegen zu verschaffen", sagt Bader. Und die lauten: Beide wollen
nicht zurück in ihr Heimatland, aus Angst, erneut verfolgt zu
werden, weil sie, wie sie sagen, Regimekritiker sind.
Da der Gesundheitszustand des Iraners nicht gut ist und er
Bewusstseinsstörungen entwickelt hat, haben ihn die Aktivisten
bereits zwei Mal in ein Spital gebracht. Infusionen lehnte er dort aber
ab. Der Gesundheitszustand des Aserbaidschaners indes ist stabil. Wie
und ob sich das Komitee nach Abbruch des Camps weiter um die beiden
kümmern wird, konnte Bader (noch) nicht sagen.
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Bund 2.7.10
Berner Stadtrat lobt Nause für Toleranz
Besetzung der Kleinen Schanze ist aber umstritten.
Bernhard Ott
Erich Hess (SVP) nahm in Sachen Sans-Papiers-Camp auf der
Kleinen
Schanze kein Blatt vor den Mund: "Es geht so nicht weiter in der Stadt
Bern. Dem Recht muss Geltung verschafft werden", sagte er gestern vor
dem Stadtrat. Die Besetzer auf der Kleinen Schanze seien illegal dort.
Der Gemeinderat hätte umgehend durchgreifen und das Gelände
räumen müssen. Hess hatte aus aktuellem Anlass eine Debatte
über die Besetzung der Kleinen Schanze durch Sans-Papiers
verlangt. Mit 31 zu 27 Stimmen hiess der Rat den Antrag gut. Er wurde
auch vom Grünen Bündnis und der äussersten Linken
unterstützt.
"Pubertierende Jugendliche"
Auf Sympathien stiess Hess' Ansinnen bei Bernhard Eicher
(FDP).
Der FDP-Vizefraktionschef sprach von einem "Sommertheater
pubertierender Jugendlicher", das in der Stadt Bern alle Jahre wieder
mal stattfinde. "Das jeweilige Anliegen ist sekundär. Es geht bei
den Demonstrationen und Besetzungen um die Herausforderung des Staates
und um den Spass." Mit dem Verstreichen des ersten
Räumungsultimatums am Montag habe sich der Gemeinderat
unglaubwürdig gemacht. "Als Gewerbler hat man sofort die Polizei
auf dem Hals, wenn man etwas im öffentlichen Raum organisiert."
Für Besetzer linker Couleur habe die Stadtregierung aber offenbar
mehr Verständnis, sagte Eicher.
Robert Meyer (SD) sprach den Sans-Papiers gar das
Kundgebungsrecht ab. Wer illegal im Land anwesend sei, dürfe auch
nicht demonstrieren. Jimy Hofer (parteilos) stiess sich daran, "dass in
dieser Stadt die Spielregeln nicht eingehalten werden". Er frage sich,
wer den Strom und die nächtliche Beleuchtung für das Camp
zahle. Béatrice Wertli (CVP) betonte, dass die Aktion auch ein
Ende haben müsse. "Wir erwarten, dass die Vereinbarung zur
Räumung am Freitag eingehalten wird."
"Wer hier ist, der ist von hier"
Das Grüne Bündnis (GB) hatte naturgemäss
andere
Motive als die SVP, der aktuellen Debatte zuzustimmen. Co-Fraktionschef
Hasim Sancar wies auf die prekäre Lage der Sans-Papiers hin. "Die
Politik muss endlich eine kollektive Lösung für die
Sans-Papiers anbieten." Die Kleine Schanze sei nach wie vor
zugänglich für alle. "Es ist sogar erwünscht, dass die
Leute sich dort informieren." Sancar erinnerte die "Rambos der
bürgerlichen Fraktionen" daran, dass auch kommerzielle Anbieter
wie die City Beach oder Orange Cinema öffentliche Räume
beanspruchten. In diesem Falle werde aber nicht protestiert, sagte
Sancar. Tanja Walliser (Juso) beschrieb die Behandlung der Sans-Papiers
durch die Schweizer Behörden in drastischer Sprache. Sans-Papiers
würden bei ihrer Ausschaffung gefesselt und geknebelt, nachdem sie
unter "sklavenähnlichen Bedingungen" hätten arbeiten
müssen. Rolf Zbinden (PDA) gab seinen Erwartungen an die Schweizer
Behörden in zugespitzter Form Ausdruck: "Wer hier ist, der ist
auch von hier."
Nause will heute hart bleiben
GFL/EVP-Fraktionschef Peter Künzler lobte den Mut von
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP), die Besetzung zuzulassen. Er rief
die Besetzer aber auch dazu auf, die Aktion wieder "würdig" zu
beenden. "So würde das Vertrauen des Gemeinderates auch mit
Vertrauen beantwortet." Unverhofftes Lob erhielt Nause für sein
deeskalatives Vorgehen auch von SP, GB und sogar von ganz linker Seite.
"Die Junge Alternative dankt dem Gemeinderat für sein
vernünftiges Verhalten", sagte Rahel Ruch (JA).
Gemeinderat Reto Nause (CVP) wies auf die Gratwanderung
zwischen
Gewährenlassen und Durchgreifen hin, auf der sich der Gemeinderat
befinde. "Ja, die Besetzung ist illegal." Aber es sei auch so, dass der
Gemeinderat den regulären Zustand wiederherstellen werde. Wie er
das mache, sei allein seine Sache. Es seien die Besetzer selber
gewesen, die ihm am Montag das Angebot gemacht hätten, das Camp
bis am Freitag, 10 Uhr, zu räumen, sagte Nause. Er habe dem Wunsch
entsprochen, auch wenn dies für ihn "an der Grenze des Machbaren"
gewesen sei. Da die Aktion aber friedlich sei und es kaum
Lärmklagen gebe, habe er das Camp toleriert. "Morgen ist aber
fertig." Die Kleine Schanze sei am Wochenende von anderen Veranstaltern
gebucht, sagte Nause.
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BZ 2.7.10
Lob für Nauses Taktik
Seit Samstag besetzen Bleiberechtkollektive die Kleine
Schanze.
Gestern befasste sich der Stadtrat mit den Sans-Papiers.
Das Stadtberner Parlament lobte gestern die Vereinbarung,
die
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) mit den Aktivisten auf der Kleinen
Schanze getroffen hat. Danach müssen diese heute den Platz
Räumen. Die Aktivisten jedoch wollen ihre Aktion "in irgendeiner
Form" weiterführen.
Als Folge der Protestaktion tauchte die Frage auf, warum
Sans-Papiers sich bei der AHV anmelden können. "Die Anwendung des
AHV-Gesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen hängt nicht
vom Aufenthaltsstatus einer Person ab", erklärt Andreas
Leuenberger von der kantonalen Ausgleichskasse.
mm/ue
Seite 7 + 23
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Stadtrat
Viel Lob für Nauses Lösung
Sicherheitsdirektor Reto Nause erhielt vom Parlament viel
Lob
für die Vereinbarung, die er mit den Aktivisten auf der Schanze
ausgehandelt hatte. Nun müssten diese heute friedlich aus dem Park
abziehen, fordert der Stadtrat.
"Es kann nicht sein, dass in der Stadt Bern solche
Zustände
geduldet werden", befand Erich Hess (SVP) und beantragte gestern eine
Diskussion zur Besetzung der Kleinen Schanze. Hess wirft dem
Gemeinderat und insbesondere Sicherheitsdirektor Reto Nause "massives
Versagen" vor. Dieser hätte "für Recht und Ordnung" sorgen
sollen und die Schanze sofort von der Polizei räumen lassen
müssen.
Mehr Lob als Kritik
Diese Kritik teilte aber die Mehrheit der
Stadtratsmitglieder
nicht. Im Gegenteil: Nause erhielt viel Lob für seine "mutige
Haltung" (Peter Künzler, GFL), seine "deeskalierende Strategie"
(Claude Grosjean, GLP) und seinen "pragmatischen Kurs" (Barbara Streit,
EVP).
Ausser von der ganz rechten Seite war völlig
unbestritten,
dass die Aktivisten ein berechtigtes Anliegen verträten. Sie
täten dies zudem auf gute Art. "Ihr Camp ist kein krimineller Akt
und nicht störend", sagte Hasim Sancar (GB). Künzler (GFL)
hatte sich vor Ort ein Bild gemacht: "Die Demonstranten halten das
Gelände sauber, sind nicht aggressiv und fallen im Gegensatz zu
manch kommerziellem Event nicht negativ auf."
FDP ebenfalls kritisch
Die Kritik der SVP unterstützten die Freisinnigen:
"Einmal
mehr toleriert der Gemeinderat eine illegale Aktion. Er hat seine
Glaubwürdigkeit verspielt", fand Bernhard Eicher. Und der
parteilose Jimy Hofer stellte fest, "dass illegale Aktionen immer von
der gleichen Seite begangen und von der gleichen Seite toleriert
werden".
Gemeinderat Reto Nause versicherte erneut, dass die Stadt
"den
regulären Zustand auf der Schanze wieder herstellen wird" und es
keine weiteren Fristen mehr gebe. Wer Ruhe und Ordnung wolle,
müsse aber eine friedliche Lösung unterstützen. Nun sei
es an den Aktivisten, zu beweisen, dass sie das Vertrauen verdient
hätten, das ihnen die Stadt entgegengebracht habe.
Mirjam Messerli
--
"Wir machen weiter"
Die Besetzer der Kleinen Schanze beharren auf ihren
Forderungen.
In welcher Form ihre Aktion weiter geht, liessen sie offen.
Seit letztem Samstag besetzen Bleiberecht-Kollektive aus
der
ganzen Schweiz in einer gemeinsamen Aktion die Kleine Schanze gleich
neben dem Bundeshaus. Sie verlangen eine kollektive Regularisierung der
über 100 000 Sans-Papiers und abgewiesenen Flüchtlinge in der
Schweiz. Dies sei keine utopische Forderung, sondern in vielen
Ländern realisiert worden. Die Aktivisten fordern von
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf eine Stellungnahme, die
bislang verweigert worden sei.
"Wir wollen die Aktion nicht abbrechen, sondern
führen sie
in irgendeiner Form weiter", hiess es an der gestrigen Medienkonferenz
auf der Kleinen Schanze. Wo und wie dies geschehen soll, liessen die
Bleiberecht-Kollektive offen.
Am Montag hatten die Besetzer mit dem städtischen
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) vereinbart, das Camp bis heute um
10 Uhr aufzulösen.
hae
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Le Temps 2.7.10
Les sans-papiers de la Kleine Schanze lèvent le camp
L'ultimatum expirait à 10h00. Les sans-papiers et
leurs
sympathisants installés depuis une semaine tout près du
Palais fédéral réclament une régularisation
collective
ATS
Les sans-papiers et leurs sympathisants qui occupaient
depuis une
semaine une partie d'un parc voisin du Palais fédéral
à Berne ont commencé vendredi matin à
démonter leur camp de protestation. L'ultimatum qui leur avait
été fixé arrivait à échéance
à 10h00.
Les militants tirent un bilan positif de leur action. Ce
camp de
la Kleine Schanze, près du Palais fédéral, est la
première étape d'une mobilisation à
l'échelle nationale, selon la porte-parole et activiste du
mouvement "Bleiberecht" (droit de rester), Sarah Schilliger. D'autres
actions sont prévues cet été.
Les activistes veulent désormais attendre la
réaction de la conseillère fédérale Eveline
Widmer-Schlumpf, a ajouté Mme Schilliger. Ils ont transmis une
lettre à la ministre de la justice, dans laquelle ils demandent
de meilleures conditions de vie pour les sans-papiers en Suisse.
Dans la foulée d'une manifestation, entre 200 et
300
requérants d'asile et activistes campaient depuis le week-end
dernier sur la "Kleine Schanze", selon la porte-parole. Celle-ci
considère comme un succès la coordination quasi nationale
du mouvement "Bleiberecht".
--
Sans-papiers: un dialogue de sourds dans la Kleine Schanze
Le collectif "Droit de rester" regrette le manque de
considération d'Eveline Widmer-Schlumpf. Les services de la
ministre contestent ces critiques. Mais qui sont les campeurs?
Valentine Zubler, Berne
L'événement n'est pas courant en Suisse.
Depuis une
manifestation ayant eu lieu samedi dernier à Berne, qui aurait
réuni selon ses organisateurs plusieurs milliers de personnes,
quelque 150 sans-papiers et leurs sympathisants occupent le jardin de
la Kleine Schanze, au cœur de la ville, pour réclamer une
régularisation collective. Les manifestants quitteront-ils leur
campement avant 10h ce matin, comme le prévoit un accord
passé avec le directeur de la sécurité de la
capitale, le PDC Reto Nause? Si tel est le cas, les occupants seront
restés une petite semaine dans le parc jouxtant le
Département fédéral des finances. S'ils ne partent
pas, la police bernoise a déjà prévenu qu'elle
interviendrait.
Quoi qu'il en soit, les collectifs "Droit de rester",
venus de
Fribourg, Berne, Zurich et Lausanne, tirent un bilan mitigé.
"Cette manifestation a permis de consolider notre action au niveau
national, confie Linda Gubler, du collectif lausannois. Mais nous
n'avons rien obtenu de la part des autorités. Eveline
Widmer-Schlumpf a refusé de nous recevoir parce qu'elle sera en
vacances. C'est inacceptable!"
Mais qui sont ces sans-papiers qui participent à
cette
action de protestation? Sur les 150 personnes présentes selon
Linda Gubler - un chiffre confirmé par la police -, "une
moitié est constituée de personnes solidaires du
mouvement, et l'autre de sans-papiers. La grande majorité de ces
derniers sont des requérants d'asile déboutés,
principalement originaires d'Afrique, à savoir du Nigeria, de
RDC, de Guinée, d'Erythrée et de Somalie, mais
également venus d'Iran, de Syrie ou du Maghreb. Beaucoup sont
là depuis plusieurs années, et se sont vu refuser
d'être considérés comme des cas de rigueur.
Certains sont arrivés plus récemment en Suisse", explique
la sympathisante.
Effectivement, on constate qu'une majorité des
personnes
présentes sont des hommes, à l'instar de Traouré
(prénom fictif), 28 ans, originaire de Côte
d'Ivoire et vivant depuis huit ans en Suisse. Le jeune
homme, qui travaillait comme mécanicien dans un garage
après son arrivée, a perdu toute autorisation de
travailler lors de l'entrée en vigueur de la nouvelle loi sur
l'asile. "J'ai demandé à être
considéré comme un cas de rigueur. Ma requête a
été rejetée, au motif que je ne suis pas assez
intégré. Aujourd'hui, je vis avec l'aide d'urgence, soit
9 francs par jour, et je suis hébergé chez
des amis."
La majorité des personnes présentes à
la
Kleine Schanze ont donc vu leur dossier être examiné par
l'Office fédéral des migrations (ODM). En revanche, on y
rencontre peu de clandestins qui n'ont jamais eu de contacts avec les
autorités, mais qui travaillent sans permis depuis des
années en Suisse.
Eveline Widmer-Schlumpf a-t-elle purement et simplement
refusé de recevoir les sans-papiers et leurs sympathisants? Les
services de la ministre de la Justice et de la police réfutent
ces critiques. "C'est incorrect, répond Brigitte
Hauser-Süess, porte-parole du DFJP. Ces personnes ont
demandé lundi, par téléphone, si elles pouvaient
rencontrer la conseillère fédérale. Mais nous
recevons de très nombreuses demandes. Rencontrer un membre du
gouvernement n'est pas un droit. Et les rendez-vous s'organisent au
moins deux semaines à l'avance. Par ailleurs, lorsque le
collectif s'est rendu devant le Département de justice et police
(ndlr: mercredi), je leur ai expliqué qu'Eveline Widmer-Schlumpf
était en rendez-vous à l'extérieur ce
jour-là, et que jeudi et vendredi elle participe à la
course d'école du Conseil fédéral. Enfin, la
semaine prochaine, elle n'est pas en vacances, mais elle a
déjà un programme chargé."
Si le collectif s'y était pris à l'avance,
la
ministre aurait-elle reçu les sans-papiers? "Je ne peux pas le
dire, mais Eveline Widmer-Schlumpf répondra à cette
lettre", ajoute encore Brigitte Hauser-Süess, avant de souligner
que le directeur de l'ODM, Alard Du Bois-Reymond, s'est, lui, rendu
mardi dernier à la Kleine Schanze pour discuter avec les
occupants du parc. "C'est donc faux de dire que personne ne veut les
rencontrer."
La demande des manifestants trouvera-t-elle une
réponse
positive? Sans se prononcer, Jonas Montani, porte-parole de l'ODM,
rappelle que "la Suisse n'a jamais procédé à une
régularisation collective de sans-papiers".
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work 2.7.10
Vuvuzelas tröten für die Sans-papiers
Rund 5000 Personen demonstrierten in Bern für einen
besseren
Schutz der Flüchtlinge und forderten ein Bleiberecht für
Sans-papiers
Mit Schlagworten wie Asyl- und Sozialmissbrauch vergiften
rechte
Politiker das politische Klima.
Unter dem Motto "Freiheit, Gleichheit, Würde -
für mich
und dich" haben über 100 Organisationen zur Kundgebung aufgerufen.
Darunter auch die Unia. Mit Trillerpfeifen und Vuvuzelas, Transparenten
und Hunderten von Fahnen machten am 26. Juni rund 5000 Personen bei
schönstem Wetter in der Berner Innenstadt auf ihre Anliegen
aufmerksam. Auf zahlreichen Transparenten forderten sie mehr Schutz
für Flüchtlinge, Rechte für Sans-papiers und die
Weiterführung des Sozialversicherungsabkommens mit Kosovo. Und
stellten sich gegen die Ausschaffungsinitiative der SVP.
"Die rechten Politiker behaupten, es gehe ihnen um
Missbrauch und
Kriminalität. In Wahrheit vergiften sie bewusst das
gesellschaftliche Klima in der Schweiz. Dagegen demonstrieren wir
heute", erklärte Hilmi Gashi, Co-Präsident von
Solidarités sans frontières und
Unia-Sektionssekretär im Berner Oberland. Die fremdenfeindliche
Politik der SVP führe dazu, dass immer mehr Asylsuchende
ausgegrenzt würden und unter dem Existenzminimum leben
müssten.
Sozialabbau überall
Die rechte Mehrheit in Bundesrat und Parlament bläst
zum
Grossangriff auf die soziale Sicherheit. Es fehle am Geld,
rechtfertigen bürgerliche Politiker ihren Angriff auf die Renten,
die Arbeitslosenversicherung und die AHV. "Wir wehren uns dagegen, dass
die Arbeitnehmenden und besonders auch die Migrantinnen und Migranten
die Kosten für die Krise bezahlen sollen", hielt die
Unia-Migrationssekretärin Cristina Anliker Mansour in ihrer Rede
klipp und klar fest. Sie forderte die Kundgebungsteilnehmenden auf:
"Stimmen wir am 26. September alle Nein zum Abbau bei der
Arbeitslosenversicherung. Nur wenn wir gemeinsam kämpfen,
können wir auch gewinnen." (jst)
---
Telebärn 1.7.10
Sans-Papiers-Streit spitzt sich zu
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/sanspapiersstreit-spitzt-sich-zu/c=84713&s=965861
---
bleiberecht.ch 1.7.10
http://www.bleiberecht.ch/2010/07/deutschkurs-auf-dem-bundesplatz/
Deutschkurs auf dem Bundesplatz!
Abgewiesene Asylsuchende und viele, deren Verfahren noch
hängig
ist, haben nur sehr schwer Zugang zu Deutschkursen. Um darauf
aufmerksam zu machen, fand heute ein Teach-In auf dem Bundesplatz
statt. Durchgeführt wurde es in Zusammenarbeit mit der Autonomen
Schule Zürich, einem selbstorganisierten Bildungsprojekt für
MigrantInnen aus dem Umfeld des Bleiberecht-Kollektivs.
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fdp-stadtbern.ch 28.6.10
"Brätli-Plausch" auf der Kleinen Schanze: Gemeinderat muss
durchgreifen
Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne scheint mit voller Kraft und
bald
beginnen die Sommer-ferien. Verständlich also, wenn es sich viele
Menschen mit Zelt, Radio und Bierdose gemüt-lich machen. Genau
dies tun seit Samstagnachmittag auch einige dutzend Personen aus dem
Kreis der "Bleiberecht-Kollektive" auf der Kleinen Schanze. Allerdings
illegal und mit einem angeblich politischen Ziel: Man wolle auf die
Situation der Sans-Papiers aufmerksam machen. Was die Aktion den
Sans-Papiers konkret bringt, war bis dato bezeichnenderweise nicht in
Erfahrung zu bringen. Dies spielt für die Aktivisten wohl aber
auch eine untergeord-nete Rolle: Hauptsache, es ist genügend
Wurst- und Biermasse vorhanden.
Die FDP Stadt Bern ist der Meinung, für Zelt- und
Brätliplausch stehen genügend legale Plätze zur
Verfügung. Die Kleine Schanze soll der gesamten Bevölkerung
zur Verfügung stehen. Wir erwarten deshalb vom Gemeinderat, dass
er geltendes Recht durchsetzt und die kleine Schanze wieder für
alle Menschen zugänglich macht - Notfalls mit einer polizeilichen
Räumung.
Zudem: Durch diese Aktion wird der Rechtsstaat verhöhnt.
Ganze
Gelände werden besetzt - und nicht passiert. Rechtsstaat ade.
Dabei sind es doch nicht zuletzt die "Entrechteten", "so-zial
Schwachen" etc (und gerade auch viele "Sans Papiers", die vorgeben, aus
"Unrechts-staaten" zu kommen!), die gerne den Schutz des Rechtsstaates
in Anspruch nehmen. Mit dieser Aktion sagen die Aktivisten letztlich an
dem Ast, auf dem sie sitzen. Der Rechtsstaat muss nun rasch das Recht
durchsetzen - Notfalls mit einer polizeilichen Räumung.
28.06.2010
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ASYL
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10vor10 2.7.10
Zerrissene Familie
Die tschetschenische Familie Asaev durchlebt eine schwere Zeit.
Die
Eltern sind in einer Psychiatrie in der Schweiz, die jüngeren
Kinder in einem Heim und der Älteste wurde nach Polen
ausgeschafft. Eine Reportage über den menschlichen Balanceakt des
Asylverfahrens.
http://videoportal.sf.tv/cvis/segment/thumbnail/c508bf4e-9238-45b0-a9dc-5ed0b1d957a1?width=173
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sf.tv 3.7.10
Behörden reissen tschetschenische Familie auseinander
sf/sda/bers/halp
Eine sechsköpfige Familie aus Tschetschenien, die via
Polen
in die Schweiz einreiste und auf deren Asylgesuch die Behörden
nicht eintraten, ist getrennt worden: Ein inzwischen volljähriger
Sohn musste nach Polen ausreisen, beide Eltern sind traumatisiert und
in der Psychiatrie. Es bleibt die Frage über die Betreuung der
drei minderjährigen Kinder, die alleine auf sich gestellt sind.
Den Fall publik gemacht haben die Menschenrechtsgruppe
Augenauf
und die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und
Ausländerrecht (SBAA).
Für Augenauf Bern sei es der erste Fall dieser Art,
sagte
Katja Boller von der Menschenrechtsgruppe.
Gemeinsames Asylgesuch gestellt
Bei der Einreise in die Schweiz im Herbst 2009 seien alle
Kinder
noch minderjährig gewesen, und die Familie habe ein gemeinsames
Asylgesuch gestellt. Die Familie hatte in Polen Asyl erhalten, sich
dort aber von Russen verfolgt gefühlt, sagte Boller dazu.
Michael Glauser, Sprecher des Bundesamtes für
Migration
(BFM), sagte, im Rahmen des Dublin-Verfahrens habe sich herausgestellt,
dass Polen für das Asylverfahren der Familie zuständig sei.
Die Schweizer Behörden seien deshalb auf ihr Asylgesuch nicht
eingetreten. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Wegweisung
überprüft und bestätigt.
Gewalt gegenüber dem Vater angewandt
Im April hätten der Vater und die drei jüngeren
Kinder
laut Augenauf Bern und SBAA vom Kanton Bern nach Polen
zurückgebracht werden sollen. Die psychisch kranke Mutter blieb in
einer Klinik im Kanton Bern. Der älteste Sohn - inzwischen
volljährig - wurde vorübergehend in Ausschaffungshaft
genommen.
Gemäss SBAA wurde am Flughafen Gewalt gegenüber
dem
Vater angewandt, als er Auskünfte über seine Frau und den
Sohn erhalten wollte und sich weigerte, aus dem Auto zu steigen. Er sei
seither auf den Rollstuhl angewiesen.
Ein Sprecher der Berner Kantonspolizei sagte dazu, die
Überstellung sei wegen nicht näher bekannten
Gesundheitsproblemen des Vaters abgebrochen worden.
Ältester Bruder in Polen
Der Vater befindet sich nach Angaben von Augenauf
inzwischen
ebenfalls in einer psychiatrischen Klinik. Anfang Woche wurde der
volljährige Sohn, der sich um die jüngeren Geschwister
gekümmert hatte, nach Krakau geschickt.
Die drei jüngeren Kinder wurden laut Boller
vorübergehend bei einer ihnen bekannten Privatperson
untergebracht. Laut dem Anwalt der Familie ist für den Vater beim
Bundesamt für Migration ein Wiedererwägungsgesuch
hängig, was dieses bestätigte.
--
Tribune de Genève 2.7.10
Malgré la polémique, sa détention est
prolongée
Antoine Grosjean
ASILE Requérant d'asile détenu depuis huit mois
à
Frambois, I. restera en prison.
Plusieurs avocatsse sont enfilés dans la
brèche,
mais pas tous avec le même succès. Hier, la Commission de
recours en matière d'asile (CRA) a refusé de
libérer I. , ressortissant de la République
démocratique du Congo (RDC), détenu à Frambois
depuis huit mois. Au contraire, elle a suivi l'Office cantonal de la
population (OCP), qui demandait de prolonger de deux mois la
détention administrative en vue de son renvoi dans son pays. Le
fait que d'autres requérants d'asile détenus à
Frambois aient été libérés, au motif que
les vols spéciaux sont suspendus depuis la mort d'un
Nigérian en mars (lire ci-contre), n'a pas pesé dans la
balance.
Arrivé à Genève en septembre 2009, I.
passe
d'abord deux mois en détention à l'aéroport, le
temps de la procédure d'asile. Celle-ci lui étant
refusée, il est transféré à Frambois en vue
de son renvoi. Prévu le 19 avril, le vol est
annulé à cause du nuage de cendres. Cela est donc remis
au 2 mai, mais I. s'oppose à son retour. L'OCP
envisage alors un renvoi manu militari, accompagné de policiers
mais sur un vol de ligne (l'étape avant les fameux vols
spéciaux). Puis cela aussi est annulé car le
requérant est finalement d'accord de partir de son plein
gré, mais pas avant le 7 juin. Sa femme aurait
arrangé dès cette date son accueil en RDC et son
transfert au Congo-Brazzaville, où il compte rester
jusqu'à la fin des élections en RDC, car il craint pour
sa vie. Mais l'OCP lui réserve un vol le 5 juin et
I. s'y oppose.
Conditions pas réunies?
Désormais, il refuse même d'être
renvoyé avant les élections en RDC, en 2011, car son
transfert de RDC au Congo-Brazzaville ne serait plus assuré.
Son retour par vol spécial est cependant
prévu pour
la deuxième quinzaine d'août, d'où la demande de
prolongation de la détention. Hier, devant une dizaine de
militants des droits de l'homme venus assister à l'audience, Me
Alice Niklewicz a demandé la libération de I. , invoquant
un récent arrêt du Tribunal fédéral selon
lequel si la probabilité du renvoi est incertaine, la
détention administrative doit être levée. "Or, la
situation est floue, estime Me Niklewicz. Il n'est pas certain que les
vols spéciaux puissent reprendre de sitôt.
"D'après la Ligue suisse des droits de l'homme, les
cantons ne sont pas encore prêts à remplir les nouvelles
conditions fixées par la Confédération
après la mort du Nigérian (ndlr: présence d'un
médecin sur les vols spéciaux et transmission du dossier
médical)". De son côté, l'OCP assure que de
nouveaux vols spéciaux sont prévus dès juillet,
qu'une place est réservée pour I. et que toutes les
conditions seront remplies d'ici là.
S'il part à cette date, I. aura passé en
tout un an
en prison. Les durées de détention administrative se sont
prolongées, atteignant jusqu'à 15 mois (le maximum
possible à Genève étant 18 mois), même si la
moyenne est de 38 jours à Frambois.
--
Expulsés libérés!
Interrompusaprès le décès d'un
Nigérian à l'aéroport de Zurich en mars, les
rapatriements forcés de migrants déboutés du droit
d'asile ont pris du retard. "Ils reprendront en juillet", nous explique
Marie Avet, porte-parole à l'Office fédéral des
migrations (ODM). Quand exactement? L'ODM n'articule pas de date. Mais
entre-temps, plusieurs avocats ont obtenu la libération de leurs
clients en détention administrative en invoquant le flou
artistique actuel. "Comme la date de renvoi n'est pas
précisée par les autorités, deux de mes clients
ont récemment retrouvé la liberté, se
félicite Me Michel Mitzicos-Giogios. Selon la jurisprudence du
Tribunal fédéral, on ne peut détenir quelqu'un
sans date officielle de renvoi. D'autres confrères à
Genève ont fait de même et ont obtenu des
libérations. "
Que deviendront ces personnes qui devaient initialement
être renvoyées? "Elles devront à nouveau être
identifiées, interpellées et détenues en vue de
leur expulsion. " Et l'avocat de conclure: "Je salue les
libérations prononcées par le Tribunal administratif. Une
décision qui respecte la loi et les droits de l'homme. "
---
augenauf.ch 2.7.10
Medienmitteilung von augenauf Bern vom 02. Juli 2010
Ausschaffung stürzt Familie ins Unglück
Am Morgen des 29. Juni 2010 wurde der 18-jährige
Tschetschene
Islam Asaev von der Kantonspolizei Bern von seinen Geschwistern
getrennt und im Rahmen des Dublin-Abkommens nach Polen
ausgeschafft. Angesichts der Hintergründe des Falles
zeichnet sich dieses Vorgehen durch eine ausserordentliche
Härte aus und hat fatale Auswirkungen für die
betroffene Person und ihre Familie.
Seit dem Nichteintretensentscheid des BFM im Januar 2010 muss
die
Mutter der sechsköpfigen Familie aus Tschetschenien, Tamara
Asaeva, in der Psychiatrie aufgrund akuter Suizidalität
stationär betreut werden. Trotzdem veranlasste der
Migrationsdienst des Kantons Bern im April 2010 die Ausschaffung
des Vaters Khuseyn Asaev und der drei minderjährigen Kinder.
Der Versuch endete für den Vater im Krankenhaus; er kann
seither nicht mehr gehen und befindet sich mittlerweile ebenfalls
in der psychiatrischen Klinik. Die vier Kinder des Ehepaars
blieben im Durchgangszentrum Enggistein wohnhaft, wo sich der
älteste Sohn Islam um seine Geschwister kümmerte. Aufgrund
der nicht angekündigten Ausschaffung von Islam Asaev bleiben
seine Geschwister nun unbetreut in der Schweiz zurück.
Für die gesundheitlich schwer angeschlagenen Eltern hatten
der Schock der unerwarteten Trennung und die Ungewissheit
über das weitere Schicksal ihres Sohnes massive
Auswirkungen. Die Mutter unternahm infolge der Ausschaffung einen
weiteren Suizidversuch und die psychische Verfassung des Vaters
verschlechterte sich erheblich.
Augenauf Bern ist schockiert über dieses Vorgehen und
stellt
fest, dass die Ausschaffungspraxis ungeachtet der Menschenrechte
und der Kinderrechtskonvention betrieben wird. Der
18-jährige Islam wurde von seiner Familie getrennt und ist
in Polen auf sich alleine gestellt. Zudem ist dieses Vorgehen mit
dem Risiko einer Weiterausschaffung nach Tschetschenien
verbunden, wo ihm aufgrund der politischen Aktivität seines
Vaters Haft und Folter drohen würden. Gleichzeitig wurden in
der Schweiz die drei minderjährigen Kinder ihres Bruders und
Betreuers beraubt und die Eltern einem Schock mit massiven
gesundheitlichen Folgen ausgesetzt.
Diese Schicksalsschläge wurden von den ausführenden
Behörden bewusst in Kauf genommen. Einmal mehr zeigt sich
deutlich, dass die schweizerische Ausschaffungspraxis ohne
Rücksicht auf persönliche Schicksale und mögliche
Folgen mit aller Härte durchgesetzt wird. Das
Auseinanderreissen dieser bereits schwer traumatisierten Familie
ist für augenauf Bern eindeutig menschenunwürdig und
verletzt elementare Grundrechte.
augenauf Bern
* Medienitteilung von augenauf (pdf )
http://www.augenauf.ch/pdf/Medienmitteilung_02.07.2010_web.pdf
* Fall-Dokumentation von augenauf (pdf )
http://www.augenauf.ch/pdf/Dokumentation_Familie_Asaev.pdf
* Fall-Dokumentation der Schweizerischen Beobachtungsstelle
für
Asyl- und Ausländerrecht (pdf )
http://www.augenauf.ch/pdf/Beobachtungsstelle_Case117-3.pdf
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POLICE BE
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BZ 2.7.10
Strafeinzelgericht Bern-laupen
"Polizei verprügelte mich"
Der Kläger sagt, er sei von Polizisten
verprügelt
worden. Der Staatsanwalt spricht von einem Unfall und fordert
Freispruch.
Die Story, die der 28-jährige Privatkläger
schildert,
tönt wie eine Szene aus einem brutalen Film. Er, halb Brasilianer,
halb Schweizer, sei in einer Januarnacht 2008 auf der Polizeiwache
Waisenhausplatz in einem Warteraum zurückgehalten worden. Seine
Bitte an die Beamten: ein Glas Wasser. Die Antwort: "Du kannst aus der
Toilette trinken", ehe er nach einer kurzen Wartezeit durch die Luke in
der Tür doch ein Glas mit lauwarmem Wasser erhielt. Aus Ärger
habe er die Flüssigkeit in Richtung des Polizisten
geschüttet. Daraufhin sei er von mehreren Polizisten aus der Zelle
gezerrt und im Gang verprügelt worden. Die Folgen:
Blutergüsse und ein gebrochener Arm.
"So etwas darf nicht passieren - egal, wie lang das
Vorstrafenregister meines Mandanten ist, egal, wie stark betrunken er
in dieser Nacht war", sagte der Anwalt des Privatklägers gestern
vor dem Strafeinzelgericht VIII Bern-Laupen. Die Polizisten seien zu
verurteilen wegen einfacher Körperverletzung, Tätlichkeit und
Amtsmissbrauchs.
Anders tönt die Geschichte aus Sicht der Polizisten:
In
besagter Nacht rücken sie an die Eigerstrasse aus. Ein
Hausbewohner hat sich wegen Lärmbelästigung beschwert und
erwähnt, sein Nachbar sei am Spinnen. Die Polizisten treffen auf
einen jungen Mann, der zuvor im Ausgang über hundert Franken
versoffen und dazu starke Medikamente geschluckt hat. Die Beamten
stellen fest, dass der Mann im Fahndungssystem wegen unbezahlter Bussen
ausgeschrieben ist und nehmen ihn mit auf die Wache. Im Warteraum
erhält er ein Glas Wasser und darf mit dem Handy die Mutter
anrufen, um zu fragen, ob sie seine Bussen begleichen könne. Sonst
droht ihm als Ersatzstrafe ein Aufenthalt im Gefängnis.
Ein Beamter verlangt das Handy laut eigenen Angaben
zurück.
Die Antwort: "Arschloch, hols dir zurück." Als der Beamte die
Türe öffnet, wird er angegriffen und fällt hin. Sein
Kollege eilt zu Hilfe. Beim Versuch, den Festgehaltenen zu beruhigen,
entsteht ein Gerangel, das zum Armbruch führt. Für den
Staatsanwalt "ein Unfall". Die Polizisten hätten ohne Vorsatz
gehandelt, weshalb der Armbruch keine Körperverletzung sei.
Welcher der Versionen Gerichtspräsidentin Christine Schär
glaubt? Ihr Urteil gibt sie heute Nachmittag bekannt.
tob
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Telebärn 1.7.10
Polizisten verprügeln Mann
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/polizisten-verprugeln-mann/c=84713&s=965864
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BIG BROTHER SPORT
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2.7.10
Sicherheitskosten
Schonfrist für YB und SCB
Der FC Basel bezahlt ab der Saison 2010/2011 massiv mehr
an die
Sicherheitskosten. Bern dagegen schont seine Klubs.
Die Basler bitten ihren Fussballklub zur Kasse. Zwar
bezahlt der
FCB bereits jetzt bedeutend mehr als die Berner Sportklubs an die
Sicherheitskosten. Ab der Saison 2010/2011 hat er sich jedoch bereit
erklärt, pauschal Fr. 1.80 pro Matchbesucher an die Sicherheit zu
zahlen. Zudem unterschrieben FCB, Basel-Stadt und Baselland eine
Vereinbarung, wonach vor jeder Saison ein Sicherheitskonzept
ausgearbeitet werden muss, Feuerwerkskörper verboten bleiben und
im Stadion nur noch Leichtbier mit weniger als drei Prozent Alkohol
verkauft wird. Die Vereinbarung folgt jener, auf die sich Kantone,
Fussballverband und Profiliga im April geeinigt hatten.
In Bern, das wie Basel gewaltbereite Fans kennt, will der
Gemeinderat von einer höheren Kostenbeteiligung noch immer nichts
wissen. "Unsere Vereinbarungen mit SCB und YB decken sich weitgehend
mit dem Mustervertrag", sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). So
gebe es auch in Bern - je nach Lageanalyse der Polizei - in gewissen
Stadionsektoren nur Leichtbier. Nauses Ziel ist es, das Polizeiaufgebot
an den Sportanlässen herunterzuschrauben. Dafür will er die
Lücke im Sicherheitszaun zwischen dem Stade de Suisse und dem
Bahnhof Wankdorf schliessen. Für die Kosten von 100 000 bis 200
000 Franken komme YB auf, so Nause. Auch setzt der Sicherheitsdirektor
darauf, dass sich die Fanarbeit Bern gegen Pyro bekennt. "Das wäre
eine Gegenleistung für die finanzielle Unterstützung der
Stadt."
Dass die Klubs mehr zahlen müssen, sieht Nause als
letzte
Möglichkeit: "Können wir das Polizeiaufgebot bis
Frühling 2011 nicht senken, dann müssen wir mit den Klubs
noch mal über ihre Kostenbeteiligung sprechen", sagt der
Sicherheitsdirektor.
Andrea Sommer
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BIG BROTHER
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Bund 3.7.10
Staatsschutz
Früherer Geheimdienstchef verlässt
Bundesanwaltschaft
Nach der Kritik der GPK des Nationalrats gibt Urs von
Daeniken
sein Amt bei der Bundesanwaltschaft ab. - Seite 9
--
Viele Fichierte haben keinen direkten Bezug zur Schweiz
Die meisten Fichierten sind Ausländer. Das war schon
beim
Skandal 1989 so.
Markus Brotschi
Von den 120 000 Personen, die Ende 2009 in der
Staatsschutzdatenbank Isis figurierten, waren 88 Prozent Ausländer
ohne Wohnsitz in der Schweiz. Nur 5 Prozent der Fichierten hatten einen
Schweizer Pass. Auch von den 83 000 Drittpersonen ohne "eigene
Staatsschutzrelevanz" ist der Grossteil Ausländer. Das dürfte
ein Grund sein, warum sich die Empörung über die
unkontrollierte Sammelwut in Grenzen hält. Anders war das beim
Fichenskandal 1989, der zur Staatsaffäre wurde: Damals waren 150
000 Schweizer registriert - viele wegen angeblicher linker
Staatsgefährdung. Zur Publizität der Affäre trug bei,
dass über fast alle Parlamentarier eine Fiche existierte.
Bedrohungen aus dem Ausland
Allerdings geht vergessen, dass auch 1989 zwei Drittel der
900
000 Einträge Ausländer betrafen. Doch warum richtet der
Inlandnachrichtendienst sein Augenmerk so stark auf Ausländer? Der
Staatsschutz gibt keine Auskunft. Aufschluss geben jedoch
Bedrohungsszenarien im Bericht zur inneren Sicherheit. Im Fokus stehen
- neben einem relativ kleinen Kreis inländischer Links- und
Rechtsextremer - Bedrohungen mit Auslandbezug: "islamistischer
Terrorismus", "organisierte Kriminalität", "politisch motivierter
Gewaltextremismus". Entscheidend sind zudem die Quellen. Weder der
Inlandnachrichtendienst noch kantonale Staatsschutzorgane dürfen
im Ausland Informationen beschaffen. Diese stammen vorwiegend von
ausländischen Diensten. Man mag sich fragen, wozu die Schweiz auf
Vorrat Namen von Ausländern sammelt. Ein Motiv: Wenn ein bereits
vermerkter Ausländer in der Schweiz auffällt, weiss der
Staatsschutz, bei welchem ausländischen Dienst weitere Infos zu
haben sind. Das Motiv der ausländischen Dienste ist ähnlich:
Wer möglichst viele Infos über eine Person gewinnen will,
streut den Namen möglichst breit. Damit steigt die Chance, von
anderen Ländern Daten zu erhalten. Klar ist, dass diese Art der
Datenbeschaffung viel Willkür beinhaltet und viele Personen
grundlos fichiert werden. Ein Beispiel für die Zufälligkeit
des Datensammelns sind die Fotopasskontrollen an der Grenze: Pässe
von Staatsangehörigen bestimmter Länder werden fotografiert,
und die Person wird registriert. Angesichts der stichprobenartigen
Grenzkontrollen dürfte der Zufall darüber entscheiden, ob
jemand erfasst wird. 53 000 Ausländer gelangten in den letzten
Jahren in die Datenbank. Wer mehr als zweimal erfasst wird, kommt zu
den staatsschutzrelevanten Personen. Im Bericht der
Geschäftsprüfungsdelegation wird das Beispiel eines
Ausländers nordafrikanischer Herkunft genannt, der in einem
Grenzkanton wohnte und im Nachbarland ein Geschäft führte.
Nach dreimaliger Fotopasskontrolle wurde er "staatsschutzrelevant".
--
Hanspeter Thür über die Fichenaffäre
"Die Aufsicht beim Staatsschutz muss verbessert werden"
Interview: Fabian Renz
Herr Thür, wie dramatisch ist das Ausmass der neuen
Fichenaffäre?
Das Ausmass ist ernst. Es beweist, dass die Aufsicht
verbessert
werden muss. Bei Instrumenten wie der Staatsschutz-Datenbank Isis
reichen punktuelle Prüfungen nicht mehr. Wir brauchen eine
permanente, systematische Qualitätskontrolle.
Wer entscheidet eigentlich, ob ein Betroffener über
seine
Isis-Einträge in Kenntnis gesetzt wird?
Der Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte. Wer
Auskunft will, muss uns gegenüber zwei Dinge genau begründen:
erstens, welche Anhaltspunkte er dafür hat, dass er wegen
Ausübung seiner demokratischen Rechte fichiert wurde. Und
zweitens, warum ihm ein erheblicher, nicht wiedergutzumachender Schaden
droht, falls er von einer allfälligen Fichierung nichts
erfährt.
Die Basler SP-Grossrätin Tanja Soland wurde über
ihre
Fichierung informiert, ihre Ratskollegin Sibel Arslan nicht. Warum im
einen Fall Ja und im anderen Nein?
Ohne Einwilligung der betreffenden Personen kann ich keine
Details bekannt geben. Es ist möglich, dass das Gesuch zu wenig
gut begründet war. Für einen positiven Entscheid reicht es
nicht, an einer Demo beteiligt gewesen zu sein. Ein erheblicher, nicht
wiedergutzumachender Schaden muss dargelegt werden. So will es das
Gesetz.
Rechnen Sie nun mit mehr Auskunftsgesuchen?
Ja, damit rechne ich. Erste Auswirkungen des neuen
GPDel-Berichts
spüren wir bereits.
---
BZ 3.7.10
Staatsschutz-Affäre
Von Daeniken gibt seinen Job ab
Nach der Kritik der GPK tritt Ex-Geheimdienstchef Urs von
Daeniken von seinem Amt in der Bundes-anwaltschaft zurück.
Der frühere Geheimdienstchef Urs von Daeniken wird
Opfer der
Staatsschutzaffäre. Nachdem die
Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK) gestern
kritisierte, dass von Daeniken heute für die Reorganisation der
Bundesanwaltschaft zuständig ist, gab dieser noch am gleichen
Abend das Amt ab.
Sie habe "mit Befremden" davon Kenntnis genommen, dass das
Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) von Daeniken mit der
Projektleitung betraut habe, teilte die GPK mit. Denn sie habe "wenig
Vertrauen" in ihn. Die GPK forderte das EJPD auf, den Entscheid zu
überprüfen. Sie verlangte zudem Auskunft über den Inhalt
des Mandats und das Honorar.
Das Misstrauen begründete die GPK mit den Resultaten
einer
Untersuchung der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel). Die
GPDel hatte am Mittwoch einen Bericht über gravierende Mängel
beim Staatsschutz veröffentlicht. Urs von Daeniken zählt sie
zu den Hauptverantwortlichen.
Zum einen hatte von Daeniken in seiner Funktion als Chef
des
Inlandnachrichtendienstes nicht dafür gesorgt, dass die
gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden: Der Nachrichtendienst
sammelte Daten, ohne sie zu überprüfen. Zum anderen wirft die
GPDel von Daeniken vor, dies vertuscht zu haben. Die GPK schreibt dazu
in ihrer Mitteilung, von Daeniken habe "gezielt" Abstriche bei der
Qualitätskontrolle veranlasst. "Die Vorwürfe wiegen schwer",
hält sie fest.
EJPD teilt Vorbehalte nicht
Am Abend reagierte das EJPD. Von Daeniken gebe bei der
Bundesanwaltschaft die Funktion des Projektleiters ab, teilte es mit.
Der 58-Jährige werde im Sinn einer Übergangsregelung durch
den Stellvertreter des Bundesanwalts ersetzt. Das EJPD teile die
Vorbehalte der GPK gegen von Daeniken zwar nicht. Es sei aber bereit,
zusammen mit der GPK für das Projekt bei der Bundesanwaltschaft
eine Lösung zu finden, die das Vertrauen der GPK geniesse. Im
Rahmen seiner Anstellung im EJPD habe von Daeniken seit Januar 2009
keine Aufgaben mehr im Zusammenhang mit sensiblen Daten oder
Informationssystemen, hält das EJP fest. Vielmehr erfülle er
in einzelnen Projekten organisatorische, administrative und
unterstützende Aufgaben. Dabei "gab und gibt es keine Probleme".
sda
--
Staatsschutz
Blocher: Fichen sind kein Problem
Alt-Bundesrat Christoph Blocher sieht in den Problemen mit
der
Staatsschutz-Datenbank keinen neuen Fichenskandal. Auf den Vorwurf, es
habe an Kontrollen bei der Registrierung gemangelt, ging er in einem
Interview auf Teleblocher nicht direkt ein. Er kritisierte, dass er als
damals zuständiger Bundesrat von der GPDel nicht angehört
worden sei.
sda
---
Tagsanzeiger 3.7.10
Fichenskandal Vor zwanzig Jahren gingen die Wogen hoch - heute
bleibt
es ruhig. Das verwundert nicht.
Sicherheit über alles
Von Hannes Nussbaumer
Die Schweiz, "1848 eine grosse Gründung des
Freisinns", sei
heute "ein verluderter Staat". Das Einzige, was ihn mit diesem Staat
noch verbinde, sei "ein Reisepass (den ich nicht mehr brauchen werde)".
So schrieb im Frühjahr 1991 der todkranke Max Frisch. Sein Zorn
wurzelte im Umstand, dass dieser Staat 900 000 Personen, vornehmlich
solche linker Gesinnung, fichiert hatte - auch ihn selbst: Frischs
Fiche enthielt über hundert Einträge.
Der Zorn stand exemplarisch für die damalige Stimmung
im
Land. Das Fichendepot, welches die zur Untersuchung des Justiz- und
Polizeidepartements formierte Parlamentarische Untersuchungskommission
entdeckt und im Herbst 1989 publik gemacht hatte, löste ein
politisches Erdbeben aus. Es kam zu Grossdemonstrationen; eine
Initiative zur Abschaffung der politischen Polizei wurde lanciert; die
Unterschriften kamen im Schnellzugstempo zusammen. Und die
Kulturschaffenden beschlossen, die für 1991 anberaumten Feiern zum
700-Jahr-Jubiläum der Schweiz zu boykottieren.
Freiheit gegen Überwachung
Zwanzig Jahre später kommt ein neuer Fichenskandal
ans
Tageslicht. Sein Umfang ist etwas bescheidener (es geht "nur" um 200
000 Fichen), doch die Umstände sind vergleichbar: Wieder wurden
auf Vorrat Personendaten zusammengetragen. Wieder fehlten die
gesetzlichen Grundlagen.
Doch dieses Mal: keine Demonstrationen und kein
Intellektuellenprotest. Nur sommerliche Ruhe. Kein Wunder: Die
späten 80er- und frühen 90er-Jahre waren Aufbruchsjahre. Der
Kalte Krieg war vorbei, die Angst vor dem bösen Feind aus dem
Osten verflogen; ein frischer Wind zog durchs Land, beflügelte das
progressive Lager und brachte den einst betonharten Schweizer
Bürgerblock ins Wanken. In dieser Umbruchszeit stand der
monumentale Überwachungseifer der Staatsschützer für das
Alte, Vergangene, Überholte. Der öffentliche Zorn
verdeutlichte vor diesem Hintergrund nicht nur die echte und
berechtigte Empörung über die illegale Schnüffelei. Er
war auch Ausdruck des neuen, freiheitlichen Zeitgeists - und damit
gleichzeitig eine Abrechnung mit den kalten Kriegern der Vergangenheit.
Von der Unbeschwertheit von damals ist zwanzig Jahre
später
nicht mehr viel übrig. Seit dem 11. September 2001 ist die
Terrorismusbekämpfung zu einem politischen Schlüsselthema
geworden. Dass viele Menschen verunsichert und verängstigt sind,
hat freilich nur am Rand mit Grossterrorismus im Al-Qaida-Format zu
tun. Vielmehr fürchtet sich die Öffentlichkeit ganz generell
vor Kriminellen, vor Taschendieben, Schlägertypen, Pädophilen
et cetera. Für zusätzliche Verunsicherung sorgt die ungewisse
wirtschaftliche Zukunft: Kommt die Erholung? Oder ein zweiter Absturz?
Und ist meine Stelle dann noch sicher?
Die Politik spiegelt das Sicherheitsbedürfnis: Ob
Verwahrungsinitiative, Unverjährbarkeitsinitiative, biometrischer
Pass, Videoüberwachung - egal, was unter dem Titel "mehr
Sicherheit" verkauft wird: Die Bevölkerung stimmt zu. Sogar dann,
wenn damit der Rechtsstaat geritzt wird. Dass die Verwahrungs- und die
Unverjährbarkeitsinitiative das Völkerrecht verletzten, hielt
die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer nicht davon ab, Ja zu
stimmen.
Entheiligter Rechtsstaat
Stand der Zeitgeist nach 1989 im Zeichen der Freiheit, so
steht
er jetzt im Zeichen der Sicherheit. Mit der Folge, dass die
Staatsschutz-Fichen dieses Mal perfekt zur politischen Stimmung passen.
Darum die ausbleibende Entrüstung. Dass auch die fehlende
gesetzliche Grundlage ohne grössere Resonanz bleibt, erstaunt nach
den Erfahrungen mit Unverjährbarkeits- und Verwahrungsinitiative
ebenfalls nicht. Früher war den Schweizern der Rechtsstaat heilig.
Diese Zeiten sind vorbei.
Deswegen die Staatsschützer zu beschuldigen,
wäre
jedoch unfair. Sie tun, was die Politik von ihnen verlangt. Und die
Politik tut, was wir von ihr verlangen: für so viel Sicherheit zu
sorgen, wie menschenmöglich ist. Würden wir lernen, mit etwas
mehr Unsicherheit zu leben, bekämen wir dafür etwas mehr
Freiheit. Es wäre ein lohnender Tausch.
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Le Temps 3.7.10
Fiches: les détails d'un fiasco
Des morts considérés comme dangereux pour la
sécurité de l'Etat, des organisateurs de manifestations
autorisées fichés, le rapport révèle une
foule d'informations accablantes
Denis Masmejan
Cinq personnes seulement, représentant 4,6
équivalents plein-temps. Toutes ces dernières
années, cette poignée de collaborateurs du service de
renseignement intérieur, très rapidement
dépassés par la tâche, auraient dû s'assurer
à eux seuls que les informations enregistrées dans les
fichiers de la protection de l'Etat respectaient le cadre légal
mis en place après l'affaire des fiches.
La mission s'est révélée impossible.
Le
rapport de l'organe parlementaire de surveillance des services secrets
rendu public mercredi se montre très sévère avec
Urs von Däniken. L'ancien chef du renseignement intérieur,
le Service d'analyse et de prévention (SAP), est accusé
de s'être déchargé de cette tâche essentielle
sur des collaborateurs subalternes, en effectifs insuffisants et peu
sensibilisés aux enjeux juridiques, éthiques et
politiques de leur travail.
Le rapport livre une foule de détails illustrant
les
dérives d'une bureaucratie incontrôlée. Les
informations saisies dans le fichier de la sécurité de
l'Etat ISIS de vaient faire l'objet d'un contrôle
ultérieur de conformité, mais ce contrôle, mal
organisé, est resté sporadique. Les vérifications
périodiques de la validité des données
imposées par la législation en vigueur, n'ont pu
être réalisées en temps voulu. Pour
régulariser la situation, le SAP est allé jusqu'à
faire inscrire des contrôles fictifs dans le système.
Le manque d'actualisation des informations
enregistrées
dans le fichier s'est fait cruellement sentir. Les parlementaires ont
pu identifier plus d'une dizaine de morts restés fichés
durant plusieurs années. Dans un cas, les limiers du
renseignement ne se sont pas contentés d'oublier le
défunt dans leurs fichiers: à deux reprises, post mortem,
son profil a été considéré comme sensible
du point de vue de la protection de l'Etat. Des éditeurs de
journaux ont également été fichés, non
parce qu'ils étaient considérés comme dangereux,
mais parce que certains articles parus dans leurs publications ont
été enregistrés par le SAP.
Dans une décision non publiée, le Tribunal
administratif fédéral a estimé cette pratique
contraire à la loi. Le rapport parvient à la même
conclusion et demande que l'on renonce à l'enregistrement de
"tiers" simplement parce qu'ils ont été à un titre
ou à un autre en relation avec des personnes fichées.
Cette pratique a conduit à des résultats aberrants. C'est
ainsi que le divisionnaire Peter Regli, l'ancien chef du renseignement
extérieur, s'est retrouvé fiché en raison de ses
contacts avec l'Afrique du Sud et de ses liens avec Jürg Jacomet,
personnage trouble qui avait présenté au militaire suisse
le Sud-Africain Wouter Basson, le "Docteur de la mort" chargé de
développer un programme de guerre bactériologique au
temps de l'apartheid.
D'autres individus ne représentant aucune menace
pour la
sécurité intérieure ont passé du statut de
tiers à celui de personne potentiellement dangereuse. Plus de
deux mentions comme tiers entraînent en effet une inscription au
fichier des personnes à risques. A plus de 60 ans,
la militante bâloise Anni Lanz, docteur honoris causa de
l'Université de la ville rhénane, a ainsi
été fichée pour son appartenance supposée
au Black Block. Le rapport note qu'aucune information en possession du
SAP ne lui permettait de tirer cette conclusion, au demeurant
invraisemblable, le Black Block étant formé en grande
majorité d'hommes âgés d'une vingtaine
d'années.
Les organisateurs de manifestations dûment
autorisées se sont parfois retrouvés fichés. Le
SAP enregistrait en outre toutes les personnes sur lesquelles des
services étrangers lui demandaient des renseignements,
même lorsqu'il n'en possédait aucun. Devant les
parlementaires, Urs von Däniken a soutenu qu'il fallait cesser de
considérer le fait d'être fiché comme "une tare" et
a défendu l'enregistrement de données "à
décharge".
--
Confiance retirée à Urs von Däniken
Urs von Däniken ne dirigera plus la
réorganisation du
Ministère public fédéral en vue de la prochaine
intégration des juges d'instruction fédéraux au
sein du parquet. Le Département fédéral de justice
et police s'est immédiatement plié vendredi aux
injonctions de la commission de gestion du Conseil national et a
retiré à l'ancien chef du renseignement la fonction qui
lui avait été confiée en avril, tout en prenant sa
défense. Quelques heures plus tôt, la commission avait
pris acte "avec stupeur" du fait que le département d'Eveline
Widmer-Schlumpf avait confié à Urs von Däniken la
supervision de la réorganisation du Ministère public et
prié la ministre de la Justice de revoir sa décision
compte tenu des graves reproches à son encontre figurant dans le
rapport rendu public cette semaine. Urs von Däniken avait dû
abandonner la tête du renseignement intérieur l'an dernier
déjà, au moment où son service a été
transféré du Département de justice et police
à celui de la Défense. Mais il était resté
au service du DFJP.
--
Editorial
A quand des services secrets intelligents?
Après l'affaire des fiches, en 1989, la protection
de
l'Etat devait être repensée
Par Denis Masmejan
Après l'affaire des fiches, en 1989, la protection
de
l'Etat devait être repensée. Les menaces devaient
être évaluées sur des bases nouvelles. On sait
aujourd'hui que cet exercice a échoué. Les
autorités fédérales n'ont pas su placer les
personnalités adéquates aux commandes de l'appareil
sécuritaire. Les ministres responsables, soit, pour la
période déterminante, Ruth Metzler puis Christoph
Blocher, ont fait preuve d'une absence d'esprit critique difficilement
compréhensible s'agissant du fonctionnement d'un service dont
les ratés pouvaient les exposer à de gros risques.
Les précautions avaient été prises,
croyait-on, pour que le scandale des fiches ne se reproduise pas. Les
services concernés avaient été
réorganisés, et une loi encadre, depuis 1998, la
récolte d'informations par le renseignement intérieur,
longtemps laissée à la seule appréciation de
l'appareil policier. Cette loi, vient de révéler le
rapport d'enquête de l'organe parlementaire de contrôle des
services secrets, n'a pas été respectée. De
très nombreux renseignements sur des personnes et des
organisations ont été versés dans le fichier de la
protection de l'Etat sans vérification préalable ni
contrôle ultérieur. Des événements
dépourvus de pertinence ont entraîné une mention au
fichier.
Comme si rien n'avait fondamentalement changé
depuis le
scandale des fiches, c'est à nouveau l'incompétence des
organes chargés de la sécurité qui choque autant
que l'atteinte aux libertés individuelles. Dans l'intervalle, il
est vrai, quelques fiascos retentissants, telle l'affaire de la "taupe"
du Centre islamique de Genève, laissaient présager quel
amateurisme continuait à imprégner le renseignement
intérieur. Qui n'a pas réussi sa mue.
Cet échec en entraîne un autre. Car la
gabegie
traduit des faiblesses considérables dans le dispositif par
lequel la Suisse doit être en mesure de préserver sa
sécurité et de détecter les risques qui pourraient
la compromettre. Comme n'importe quel pays, elle a en effet besoin d'un
renseignement performant et orienté vers les vraies menaces. La
sécurité est donc, à côté des
personnes indûment fichées, l'autre victime de l'incurie
des services longtemps dirigés par Urs von Däniken.
Réorganisé à nouveau, désormais
rattaché au Département de la défense, le
renseignement saura-t-il enfin se montrer à la hauteur de sa
mission?
---
Blick 3.7.10
Fichenskandal
Maurer ist der Hoffnungsträger
Nach dem neuen Fichenskandal muss VBS-Chef Ueli Maurer
aufräumen. Mit dem seit gestern nicht mehr vom Bund
beschäftigten Urs von Daeniken ist erst einer der alten
Fichenfritzen weg.
Die Untersuchung der Geschäftsprüfungsdelegation
zieht
ein vernichtendes Fazit: Auch 20 Jahre nach der ersten
Fichenaffäre fichiert der Staatsschutz hemmungslos, blind und oft
illegal (BLICK berichtete). Bereits hat der Inlandnachrichtendienst DAP
wieder 200 000 Personen oft unüberprüft fichiert. "Seit der
Fichenaffäre hat kein Kulturwandel stattgefunden", bilanziert
GPDel-Präsident Claude Janiak. Wird jetzt endlich alles besser?
Die Chancen stehen schlecht. Zwar ist der DAP seit Anfang
Jahr im
neuen Nachrichtendienst des Bundes (NDB) aufgegangen. Aber ein Blick in
den Staatskalender zeigt, dass viele leitende DAP-Leute weiterhin am
Werk sind.
Besonders exponiert ist Jürg Bühler.
Er war erster Stellvertreter von DAP-Chef Urs von
Daeniken, heute
ist er Vizedirektor NDB. Bühler wollte Direktor werden, aber
VBS-Chef Ueli Maurer war seine Sammelwut nicht geheuer. Bühler
vertrat gegenüber der GPDel etwa die Ansicht, dass die Bearbeitung
von nicht relevanten und falschen Daten für die betroffene "Person
noch keine schwere Persönlichkeitsverletzung" darstelle, solange
die Bearbeitung intern sei und die Daten nicht gegen die Person
verwendet würden.
Weitere DAP-Spitzenleute, die sich im GPDel-Bericht keine
Lorbeeren holen, sind Philipp Kronig und Daniel Greiner. Sie sind
weiterhin für das Informationsmanagement zuständig.
Mindestens zwei weitere Leute, die beim DAP die schlampige
Arbeit
mitverantworten, sind auch beim NDB wieder tätig. Möglich
macht das Markus Seiler, Chef des neuen NDB und Ex-Generalsekretär
im Verteidigungsdepartement.
Weiterhin für den Bund am Werk, wenn auch nicht mehr
im
Bereich Fichen, ist Ex-DAP-Chef Urs von Daeniken selbst. Er leitet das
Projekt zur Ausgliederung der Bundesanwaltschaft aus der Verwaltung.
Gestern stellte die GPDel in einem ungewöhnlich deutlichen
Communiqué klar: Dieser Mann muss weg! Man habe "wenig
Vertrauen" in den skandalerprobten Schlapphut. Am Abend reagierte das
Justizdepartement: Von Daeniken ist ab sofort nicht mehr für den
Bund tätig.
Ebenfalls noch am Werk ist Jean-Luc Vez, Direktor des
Bundesamts
für Polizei (Fedpol). Der sammelwütige DAP war direkt in
seinem Verantwortungsbereich angesiedelt: Vez wusste alles, unternahm
aber nichts. Der Mann versteht es immer wieder, Affären durch
andere ausbaden zu lassen. Weg ist Christoph Blocher, der ebenfalls
nichts gegen die Schlamperei unternahm - was er allerdings gestern in
seinem Internet-TV ganz anders sah.
Mit Hinweis darauf, dass der GPDel-Bericht derzeit zur
Beantwortung beim Bundesrat liegt, wollte ein NDB-Sprecher die Frage
nach personellen oder anderen Konsequenzen nicht beantworten.
Sicher ist: SVP-Bundesrat Ueli Maurer, an dessen
Departement der
NDB angehängt ist und in den die GPDel grosse Hoffnung setzt, hat
noch viel zu tun. Sonst kommt die nächste Fichenaffäre so
sicher wie das Amen in der Kirche.
Henry Habegger
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10vor10 2.7.10
Urs von Daeniken tritt ab
Der Chef des Dienstes für Analyse und Prävention
kündete
seinen Rücktritt an. Von Daeniken war von der
Geschäftsprüfungsdelegation jüngst heftig kritisiert
worden, weil er bei der Anlegung von Fichen über Personen aus der
Schweiz seine Aufsichtspflicht verletzt haben soll.
http://videoportal.sf.tv/video?id=b04eda90-1d35-4e37-b0da-29c7c90b9960
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Tagesschau 2.7.10
Erste Konsequenzen aus Fichenskandal
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats
kritisiert,
dass der ehemalige Chef des Inland-Nachrichtendienstes, Urs von
Däniken, die Reorganisation der Bundesanwaltschaft betreut.
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf soll diese Besetzung
überprüfen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=67235fa4-7a02-4b0e-bb9e-aa2a39c70f58
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Bund 2.7.10
Es reicht ein Demo-Gesuch - oder ein "versuchter Tortenwurf"
Zehntausende von Personen hat der Geheimdienst fichiert.
Drei
Beispiele von Betroffenen.
Alain Zucker, Fabian Renz und Thomas Knellwolf
Wie gefährlich muss man sein, um einen Eintrag in der
Staatsschutzkartei Isis zu erhalten? Die Antwort ist so einfach wie
beunruhigend: in einigen Fällen gar nicht. Wie Ermittlungen der
parlamentarischen Geschäftsprüfungsdelegation zeigen, hat der
Geheimdienst über Jahre unkontrolliert Daten zu rund 200 000
Personen angehäuft - darunter sind viele Unbescholtene ("Bund" von
gestern). In den meisten Fällen erfahren die Betroffenen auch auf
Nachfrage nichts über das Vorhandensein der sie betreffenden Fiche
(Karteikarte). Denn ihre Ansprechperson, der Eidgenössische
Datenschutzbeauftragte, darf laut Gesetz nur ausnahmsweise - und nur
ungefähre - Auskunft geben: dann nämlich, wenn keine
Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit zu
befürchten ist und dem Fichierten ein "erheblicher, nicht wieder
gutzumachender Schaden" droht. Einige Fälle sind inzwischen
bekannt, bei denen von dieser Ausnahmebestimmung Gebrauch gemacht
wurde. Sie vermitteln einen Einblick in die Sammelprinzipien des
Geheimdienstes:
Tanja Soland: Das "Vergehen" der Basler SP-Grossrätin
Tanja
Soland bestand darin, dass sie sich im Vorfeld einer Demonstration von
2007 als Vermittlerin gegenüber der Polizei betätigte. Von
ihrer Fichierung im Isis erfuhr Soland im September 2008; Anlass zur
Nachfrage waren die Methoden des Basler Staatsschutz-Ablegers, die eine
Untersuchung des Kantonsparlaments entlarvt hatte. Solands Fiche, nach
den erwähnten Demo-Gesprächen mit der Polizei 2007 angelegt,
soll inzwischen zwar gelöscht sein. Für Soland bleiben aber
viele offene Fragen: Weshalb wurde ihre Tätigkeit als
gefährlich eingestuft? Wie und wann hat die Basler Polizei dem
Geheimdienst ihren Namen übermittelt? Und warum wurde von allen
Teilnehmern der erwähnten Vermittlungsgespräche gerade sie
fichiert und andere nicht?
Einige der Involvierten wissen freilich noch weniger als
Soland.
So wurde der Grossrätin Sibel Arslan, die ebenfalls an der
Vorbereitung der fraglichen Demonstration beteiligt war, bis heute nie
mitgeteilt, ob sie fichiert ist. Warum Arslan keine Auskunft erhielt,
Soland dagegen schon, war beim Datenschutzbeauftragten gestern nicht zu
erfahren.
Balthasar Glättli: Auch Glättli,
Generalsekretär
des Vereins Solidarité sans Frontières und grüner
Zürcher Gemeinderat, geriet durch seine politische Tätigkeit
ins Visier der Staatsschützer. Glättli erfuhr auf Anfrage,
dass er im Isis als Gesuchsteller für eine im Jahr 2005
durchgeführte Demonstration in Zürich verzeichnet war. Der
Anlass hatte mit Bewilligung der Behörden stattgefunden und war
friedlich verlaufen. Über genauere Informationen zu seiner
Fichierung verfügt Glättli nicht. Auch weshalb in seinem Fall
dem Auskunftsersuchen stattgegeben wurde, weiss er nicht. Er stellte
auch einen Antrag auf volle Akteneinsicht, der jedoch abschlägig
beantwortet wurde. Letztes Jahr erhielt der grüne Politiker dann
eine Meldung, wonach sein Isis-Eintrag gelöscht worden sei.
Dinu Gautier: Der 26-jährige Inlandredaktor der
"Wochenzeitung" hatte als vormaliger linker Politaktivist mehrere
Begegnungen mit der Polizei - die ihm prompt eine umfangreiche Kartei
beim Geheimdienst einbrachten. 2009 erhielt er vom Datenschützer
Auskunft darüber. Archiviert ist demnach eine ganze Reihe von
Aktionen Gautiers, die von den Bundesbeamten offenbar als
staatsbedrohlich eingestuft werden:
"Besetzung des Seco-Gebäudes in Bern": Gautier hatte
sich
als Globalisierungskritiker an der kurzen Besetzung vom 1. September
2003 mitbeteiligt.
"In Landquart durchgeführte Personenkontrolle im
Rahmen des
WEF 2004": Im Januar 2004 kesselte die Bündner Polizei WEF-Gegner
in Landquart ein. Auch Gautier war anwesend.
"Versuchter Tortenwurf gegen eine Magistratsperson": Nach
der
Wahl der Bundesräte Merz und Blocher kopierte Gautier
internationale Dada-Aktivisten: Am 3. Mai 2004 versuchte er,
Hans-Rudolf Merz mit einer Torte zu bewerfen.
"Ausschreitungen in Bern anlässlich einer
unbewilligten
Gegenveranstaltung": Am 6. Oktober 2007 artete in Bern eine
Anti-SVP-Demo zur gewalttätigen Kundgebung aus. Gautier wurde
damals als Kontaktperson zwischen den Demo-Organisatoren und der
Polizei zur Rechenschaft gezogen und gebüsst.
"Eindringen auf das Gelände der Schweden-Residenz":
Aus
Protest gegen die SVP-Plakate mit den schwarzen Schafen baten Gautier
und andere am 26. Oktober 2007 symbolisch in der schwedischen Botschaft
um Asyl. Laut Gautier gab es weder mit der Polizei noch mit dem
Botschaftspersonal irgendwelche Zusammenstösse. "Der Botschafter
hat uns eine Woche später sogar zum Tee eingeladen."
--
Keine Sofortmassnahmen Datensammeln geht weiter
Sofortmassnahmen trifft der Bundesrat nach der
Veröffentlichung des Berichts der
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) über Missstände
beim Schweizer Staatsschutz keine. Der Inlandnachrichtendienst kann
also vorerst weiterhin Daten über "staatsschutzrelevante" Personen
sammeln, ohne dass die ordnungsgemässe Überprüfung der
Daten sichergestellt ist. Bewegung in die Sache dürfte erst im
Herbst kommen. Dann soll die von Bundesrätin Eveline
Widmer-Schlumpf am Mittwoch erwähnte Revision der Verordnung
über den Nachrichtendienst in Kraft treten. Laut Widmer-Schlumpf
bringt die Revision unter anderem Verbesserungen bei den
Staatsschutzaktivitäten der Kantone. Zudem werde das
Auskunftsrecht geändert: Wer wissen wolle, ob der
Nachrichtendienst über ihn Daten sammle, habe künftig das
Recht, dies zu erfahren.
Zur linken Kritik an der unkontrollierten Datensammlung
des
Nachrichtendienstes kamen gestern auch bürgerliche Forderungen.
Aus den Skandalen der Vergangenheit sei nichts gelernt worden,
kritisierten CVP und FDP. Die CVP zeigte sich "über den
neuerlichen Fichenskandal mehr als irritiert". Der Bundesrat müsse
auf die Empfehlungen der GPDel rasch reagieren und die Verwaltung der
Daten verbessern. Der Bundesrat stellte seine Antwort zum GPDel-Bericht
für Oktober in Aussicht. (sda/br)
--
Fichenskandal II Er hat noch nicht das Ausmass des Skandals von
1989
erreicht. Doch das Missbrauchpotenzial ist heute grösser.
Gefahr aus dem Computer
Paul Günter*
1989 setzte das Parlament eine Untersuchungskommission
(PUK) ein,
um mögliche Verfehlungen der Vorsteherin des Justizdepartements,
Elisabeth Kopp, unter die Lupe zu nehmen. Im Rahmen dieser Untersuchung
beurteilte die PUK auch die Arbeit der Bundesanwaltschaft und der
Bundespolizei. Der Besuch bei der Bundespolizei war folgenschwer: Die
dortigen Entdeckungen veränderten alle weiteren Untersuchungen. Es
war zum einen die ungeheure Zahl von fast einer Million Fichen, die
schockierte, zum andern aber auch die Inhalte, welche über die
einzelnen Parlamentarier angelegt worden waren.
Identische Missstände
Die PUK-Mitglieder hatten während des langen Vortrags
des
Verantwortlichen bei der Bundespolizei nach ihren eigenen Fichen in den
Karteikästen gesucht. Ein böses Erwachen war die Folge. Es
fanden sich verleumderische Einträge, grosse Ungenauigkeiten,
schludrige Angaben. Noch am gleichen Tag fasste die PUK den Entscheid,
der Sache auf den Grund zu gehen.
In der Folge schwappte die Fichenaffäre auf die
Kantone
über und zeigte auch dort ein beängstigendes Bild. Allein im
Kanton Bern waren über 100 000 Personen fichiert.
Und heute? Es ist erschreckend, dass im aktuellen Bericht
der
Delegation der Geschäftsprüfungskommission fast identische
Missstände aufgelistet sind. Dies, obwohl nach der Arbeit der PUK
1989 eine Qualitätskontrolle der Eintragungen durch die
Behörden und eine verschärfte Kontrolle des ganzen Apparates
durch das Parlament eingerichtet wurden. Die
Geschäftsprüfungsdelegation erhielt mehr Kompetenzen, was ihr
annähernd den Status einer PUK verlieh. Nicht zuletzt diese
Kompetenzen ermöglichten es im aktuellen Fall, die Verfehlungen
aufzudecken.
Die verbesserte Qualitätskontrolle sollte Gewähr
bieten, dass Ficheneinträge berechtigt waren. Ex-Bundesrat
Christoph Blocher, einstiger Vorsteher des Justizdepartements, zog aber
die Leute, welche die Qualität der Eintragungen hätten
sicherstellen sollen, von ihrer eigentlichen Arbeit ab und beauftragte
sie mit der Übertragung der gesammelten Papierdaten ins
elektronische System. Der Rest der Mannschaft des Nachrichtendienstes
fichierte unkontrolliert weiter.
Computer, die mit falschen Daten gefüttert werden,
spucken
falsche Resultate aus. Ein Staatsschutz, der auf falschen Daten
basiert, gefährdet letztlich auch die Sicherheit des Landes.
Mehr Kontrolleure!
Auch wenn sich eine jüngere Generation an den
Austausch
persönlicher Daten mit der halben Welt gewöhnt hat, braucht
es für den Staatsschutz eine Vertrauensbasis in der
Bevölkerung. Niemand weiss, welche Halbwahrheiten in
ausländischen Geheimdienstarchiven landen. Die Schweiz, die ihre
Mitarbeitenden in alle Welt aussendet, kann sich einen schlampigen
Nachrichtendienst nicht leisten. Das ist zu gefährlich.
Das elektronische System ISIS-NT sollte so programmiert
werden,
dass überprüft werden kann, wer welche Daten abgerufen hat.
Dies fördert die Qualitätsüberwachung und erleichtert
die parlamentarische Kontrolle. Bei fehlerhaften Fichen können
allfällige Folgen für die Betroffenen erkannt und korrigiert
werden.
Gefordert werden muss eine personelle Aufstockung der
internen
Qualitätskontrolle. Die Delegation der
Geschäftsprüfungskommission braucht genügend Mittel, um
regelmässige Prüfungen vorzunehmen. Und das Parlament soll
Persönlichkeiten in die Geschäftsprüfungsdelegation
entsenden, die Biss haben und bei Missständen entschlossen
durchgreifen. In der jetzigen Zusammensetzung unter dem Präsidium
von Claude Janiak ist diese Forderung offensichtlich erfüllt.
Paul Günter, ehemaliger SP-Nationalrat des Kantons
Bern, war
Mitglied der PUK, die 1989 die Fichenaffäre untersuchte.
--
Urs von Daeniken
Nach zwei Fichenaffären sammelt er keine Daten mehr
Urs von Daeniken ist der Hauptakteur der jüngsten
Fichenaffäre. Er stand 27 Jahre im Sicherheitsdienst.
Markus Brotschi
Unter Urs von Daeniken hat der Inlandnachrichtendienst in
den
letzten Jahren Zehntausende von Personen registriert. Bei einem
Grossteil von ihnen wurde nicht überprüft, ob sie eine Gefahr
für die innere Sicherheit darstellten - obwohl diese
Überprüfung gesetzlich vorgeschrieben ist.
Schon beim Fichenskandal der 80er-Jahre war ein Grossteil
der
Daten von zweifelhaftem Wert. Auch damals spielte von Daeniken eine
wesentliche Rolle. 1989, als die umfangreiche Sammlung der
Bundespolizei (Bupo) aufflog, war er Stellvertreter von Bupo-Chef Peter
Huber. Dessen Mitarbeiter hatten während des Kalten Krieges 900
000 Karteikarten (Fichen) angelegt. Im Kampf gegen linke Umtriebe
wurden Bürgerinnen und Bürger bei politischen
Aktivitäten bespitzelt. Dabei gelangten auch lächerliche
Details aus dem Privatleben in die Karteien. Damals wie heute war der
grösste Teil der Registrierten Ausländer.
Trotz Fichenskandal befördert
Der Fichenskandal kostete Huber den Job. Von Daeniken
jedoch
rückte auf den Chefsessel nach. 2001 wurde die Bundespolizei in
den Dienst für Analyse und Prävention (DAP)
übergeführt. Diesen leitete der Fürsprecher aus
Solothurn bis Ende 2008. Für den grünen Nationalrat Daniel
Vischer (ZH) ist es unerklärlich, dass von Daeniken trotz
Fichenaffäre noch 20 Jahre im Amt bleiben konnte. Ein Grund
könnte sein, dass er in den 90er-Jahren mit dem DAP eine gewisse
Zurückhaltung pflegte. Beachtung fanden allenfalls die
jährlichen Extremismusberichte. Mit den Anschlägen vom 11.
September 2001 gewann der DAP wieder an Bedeutung. Von Daeniken
verlangte im Kampf gegen den Terrorismus mehr Mittel. Seine Forderung
nach präventiver Telefonüberwachung wurde aber vom Parlament
abgelehnt.
Auf Anfang 2009 wurde der Inlandnachrichtendienst ins
Verteidigungsdepartement transferiert, wo der Auslandnachrichtendienst
angesiedelt war. Diese Reorganisation nutzte Justizministerin
Widmer-Schlumpf dazu, von Daeniken nach 27 Jahren aus dem
Nachrichtendienst zu entfernen.
Zur aktuellen Kritik an seiner Arbeit äussert sich
von
Daeniken nicht. Daten sammelt der heute 59-Jährige aber keine
mehr. Widmer-Schlumpf beschäftigt ihn als Berater und
Projektverantwortlichen. Es handle sich um Projekte, "die nichts mehr
mit dem Festhalten von Daten zu tun haben", sagt Widmer-Schlumpf. Von
Daeniken begleitet etwa die Neuorganisation der Aufsicht über die
Bundesanwaltschaft, wozu er von seiner Biografie her gewisse
Erfahrungen mitbringt: Während seiner Zeit als Chef der
Bundespolizei war von Daeniken Stellvertreter des Bundesanwalts. Seit
Ende 2009 ist er zudem in der Berner Anwaltskanzlei Steinegger als
Rechtskonsulent aufgeführt.
Urs von Daeniken Der 59-Jährige leitete bis Ende 2008
den
Dienst für Analyse und Prävention beim Bund - ehemals
Bundespolizei.
--
Peter Regli zur neuesten Fichenaffäre
"Politiker wollen sich profilieren"
Der ehemalige Geheimdienstchef Peter Regli sieht im
laschen
Umgang des Staatsschutzes mit Personendaten keinen Skandal. "Wo
gearbeitet wird, passieren Fehler", hält er im Interview fest.
Peter Regli, die Geschäftsprüfungsdelegation des
Parlamentes deckt auf, dass der Staatsschutz Tausende Personendaten
ungeprüft im Netzwerk hat. Ein neuer Fichenskandal?
Peter Regli: Es stimmt mich nachdenklich, wenn die Schweiz
wieder
von einem Skandal spricht. Man traktiert die Staatsschützer mit
verbalen Stockhieben. Das ist zu einfach und zu billig. Niemand
erwähnt dabei die eigentliche Aufgabe unseres Staatsschutzes.
Die da wäre?
Staatsschutz ist Bürgerschutz. Staatsschützer
sind
Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die in Polizeikorps und
beim Nachrichtendienst des Bundes arbeiten. Sie haben die Aufgabe, als
Sensoren zu wirken, um zum Beispiel rechtzeitig terroristische
Anschläge oder Spionage, gewalttätigen Links- oder
Rechtsextremismus oder die organisierte Kriminalität in unserem
Land zu erkennen. Diese Staatsschützer, die eine Leistung
zugunsten der Bürgerinnen und Bürger erbringen, werden jetzt
unter dem Titel "Skandal" undifferenziert kritisiert.
Aber ist es nicht gravierend, wenn im Staatsschutz
fahrlässig mit Daten umgegangen wird?
Mir gefällt das Wort "gravierend" nicht. Wo
gearbeitet wird,
passieren Fehler. Der Staatsschutz ist eine sehr sensitive
Angelegenheit, weil er sofort politisch wird, wenn etwas nicht ganz
rund läuft.
Spielen Sie jetzt einen Skandal herunter, oder
übertreibt
die Geschäftsprüfungsdelegation in ihrem Bericht?
Ich stelle die aktuelle Situation fest. Die
Geschäftsprüfungsdelegation hat ihre Kontrollaufgabe korrekt
gemacht. Ihr Bericht bringt Fehler ans Tageslicht. Der Bericht ist
nicht an die Öffentlichkeit, sondern an den Bundesrat gerichtet,
der jetzt die nötigen Konsequenzen ziehen kann. Die Leute, die
sich beruflich engagiert mit der nationalen Sicherheit
auseinandersetzen, werden diesen Bericht als Chance betrachten, um ihre
tägliche Arbeit zu verbessern.
Stören Sie sich denn an der Art und Weise, wie die
Geschäftsprüfer ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit
präsentiert haben?
Man muss sich bewusst sein, dass das Papier von Politikern
erstellt wurde. Diese wollen sich auch profilieren. Mit einem
Untersuchungsbericht zu den Geheimdiensten kann man Bundesrat werden,
wie das Beispiel Moritz Leuenberger zeigt.
Ist der Bericht in Ihren Augen zu scharf formuliert?
Er ist sachlich und umfassend. Ich sehe in ihm durchaus
die
Chance, aus Fehlern zu lernen und für die sehr komplexe Zukunft
des Staatsschutzes noch bessere Voraussetzungen zu schaffen.
Die Bürger müssen dem oft intransparenten
Staatsschutz
voll vertrauen können. Mit dieser Fichenaffäre leidet das
Vertrauen.
Der Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation sagt
ja
genau, wo Fehler gemacht worden sind. Diese sind nicht nur auf Stufe
Staatsschutz passiert, sondern auch bei der politischen Führung
und bei der Kontrolle innerhalb des Justizdepartementes. Also ist es
falsch, wenn man jetzt nur den Staatsschutz an den Pranger stellt.
Andere tragen ebenfalls einen Teil der Verantwortung.
Fordern Sie Konsequenzen?
Es ist nicht an mir, irgendwelche Konsequenzen zu fordern.
Ich
habe Vertrauen in die Abläufe unseres demokratischen
Rechtsstaates. Der Staatsschutz muss sich selbstverständlich
innerhalb des Gesetzes bewegen. Es wird jetzt die Aufgabe des Direktors
des Nachrichtendienstes, Herrn Seiler, sein, die Pendenzen der letzten
sechs Jahre im Staatsschutz, die er geerbt hat, aufzuarbeiten und die
Mängel zu beheben. Hoffentlich gibt man ihm auch das dazu
benötigte Personal.
Sind die heutigen Strukturen zu schwach, um den
Herausforderungen
an den Staatsschutz gerecht zu werden?
Unser Staatsschutz ist mit sehr grossen Herausforderungen
konfrontiert, hat aber, leider, ungenügend Mittel, um diesen
effizient entgegenzutreten. Einerseits muss und will sich der
Rechtsstaat an die Gesetze halten. Andererseits kennen die Akteure im
Dunkeln keine Gesetze und keine Spielregeln. Unser Land ist
gegenüber solchen Akteuren verwundbar. Da ist es zentral, dass die
Staatsschützer in Ruhe, diskret und mit aufdatierten, griffigen
Gesetzen arbeiten können.
Interview: Michael Widmer
Peter Regli (65) ist ehemaliger Direktor des
Nachrichtendienstes
im Range eines Divisionärs, heute als Sicherheitsberater
tätig und wohnhaft im Raum Bern.
--
Reaktionen
Trotz Kritik ändert sich vorläufig nichts
Nach der Präsentation der neusten Fichenaffäre
durch
die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlamentes (GPDel) vom
Mittwoch blieb die grosse Empörung bei den Parteien aus. Einzig
die SP liess noch gleichentags verlauten: "Die dringend notwendigen
Lehren aus der Fichenaffäre der Achtzigerjahre wurden nicht
gezogen." Die Partei forderte, dass die Empfehlungen der GPDel nun
umgesetzt werden müssten. Die anderen Bundesratsparteien liessen
sich erst gestern zum Thema vernehmen. SVP-Generalsekretär Martin
Baltisser meinte auf Anfrage: "Die aufgedeckte Affäre hat nicht
die gleiche Brisanz wie die Fichenaffäre 20 Jahre zuvor. Politisch
gesehen sind diese neuesten Vorfälle kein Skandal." Für die
Verwaltung und den Staatsschutz hingegen seien sie gravierend, "ja
geradezu peinlich".
Zum Verdacht, die Politiker könnten sich mit solchen
Untersuchungsberichten vor allem auch selber profilieren wollen (siehe
Interview), hielt GPDel-Mitglied und Ständerat Paul Niederberger
(CVP, NW) auf Anfrage fest, dass der Bericht auf Fakten basiere. Es sei
wichtig, dass die Delegation die Vorgänge beim Namen nenne. CVP
und FDP forderten darum gestern ebenfalls, die von der GPDel
vorgeschlagenen Massnahmen müssten nun rasch umgesetzt werden.
Der Bundesrat indes will erst im Herbst konkret Stellung
beziehen. Bis dahin werden gemäss Justizdepartement keine
Sofortmassnahmen ergriffen.
mic
--
Einsicht
Auskunft ja, Details nein
Wer Auskunft über eine allfällige Fichierung
einholen
möchte, darf sich keine Hoffnung auf eine detaillierte
Klärung machen. Zwar kann ein Gesuch an den Datenschützer und
den Nachrichtendienst gestellt werden. Die Behörde darf aber nur
mitteilen, ob der Gesuchsteller rechtlich korrekt behandelt worden ist.
Das Auskunftsrecht soll verbessert werden. Eine Revision ist in Arbeit.
mic
---
BZ 2.7.10
Fichenaffäre
Regli mahnt Kritiker ab
Der ehemalige Geheimdienstchef Peter Regli will die
Aufdeckung
der neuesten Fichenaffäre nicht überbewerten.
Landauf, landab wird der lasche Umgang mit Personendaten
durch
den Schweizer Staatsschutz scharf kritisiert. Die
Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments hatte
öffentlich gemacht, dass der Inlandnachrichtendienst jahrelang die
gesetzlichen Vorgaben zur Registrierung von Personen nicht eingehalten
hatte. Zehntausende wurden erfasst; ob sie aber eine Gefahr für
die innere Sicherheit darstellen, prüfte der damalige Dienst
für Analyse und Prävention (DAP) kaum. Der ehemalige
Geheimdienstchef Peter Regli hat für harte Kritik am Staatsschutz
dennoch wenig Verständnis. "Es stimmt mich nachdenklich, wenn die
Schweiz von einem Skandal spricht", sagt er im Interview. "Wo
gearbeitet wird, passieren Fehler", hält er fest. Es gelte, daraus
zu lernen und den Staatsschutz auf die komplexer werdenden
Herausforderungen einzustellen.
mic
Seite 3
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20 Minuten 2.7.10
Geheimdienst: Keine Sperre
BERN. Der Inlandnachrichtendienst kann weiterhin Fichen
über
"staatsschutzrelevante" Personen anlegen. Sofortmassnahmen gibt es nach
der Veröffentlichung des Berichts der
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) über Missstände
beim Staatsschutz keine. Brigitte Hauser-Süess, Sprecherin von
Eveline Widmer-Schlumpf, verneinte die Frage, ob die Justizministerin
über Nacht eine Datensperre verhängt habe. "Der Bundesrat
wird den Bericht der GPDel nun zuerst analysieren", sagte
Hauser-Süess. Der Bundesrat hat bis Ende Oktober Zeit für
eine Antwort.
---
Swissinfo 2.7.10
"Eine Misstrauensmentalität gegenüber Fremden"
swissinfo
Der Schweizer Inlandgeheimdienst hat gegen das
Datenschutz-Gesetz
verstossen. Werner Carobbio, zentrale Figur in den Untersuchungen des
"Fichenskandals" in den 1990er-Jahren, ermahnt die Behörden und
fordert eine umfassende parlamentarische Debatte.
Der am Mittwoch von der
Geschäftsprüfungs-Delegation
des Schweizer Parlaments (GPDel) veröffentlichte Bericht war
brisant.Er zeigte, dass der Geheimdienst für über die
Hälfte der in einer Datenbank registrierten 200'000 Personen Daten
aller Art gesammelt hat, ohne sich Kontrollen unterziehen zu lassen und
ohne Einhaltung der im seit 1994 gültigen Staatsschutz-Gesetz
(ISIS) festgehaltenen Vorschriften.Das heisst, die Datensammlung ist
voll von irrelevanten, falschen oder unnötigen Informationen,
welche die Arbeit behindern könnten oder sogar zu
übertriebenen Aktionen führen oder im schlimmsten Fall die
Sicherheit des Staats gefährden könnten, unterstrich die
GPDel.Die Schweiz hatte bereits in den frühen1990er-Jahren eine
Fichen-Affäre, die nach den damaligen Untersuchungen der beiden
Parlamentarischen Untersuchungskommissionen (PUK) zu Umstrukturierungen
sowohl im Justiz-und Polizeidepartement (EJPD) wie auch im damaligen
Militär-Departement (heute VBS) führte. Es wurden ein
Kontroll-Organ und neue Gesetze eingeführt.Zwar hat die
Geschäftsprüfungs-Delegation nicht von einem "neuen
Fichenskandal" gesprochen, doch diverse Schweizer Medien machten genau
das. Erstaunt nahm die Bevölkerung von der Nachricht Kenntnis.Auch
Werner Carobbio, damals Vizepräsident der PUK, die das
Militärdepartement untersuchte, zeigte sich gegenüber
swissinfo.ch "relativ überrascht".Trotz all den neuen Leitplanken,
"eingesetzt zum Vermindern der Fichierung", habe man weitergemacht wie
vor dem Bekanntwerden des Fichenskandals, der damals "einen Schock in
der öffentlichen Meinung der Schweiz provoziert hatte".
Besorgniserregend und politisch schwerwiegend
Laut dem ehemaligen Tessiner Nationalrat ist die neuste
Entwicklung "beunruhigend, weil sie zeigt, dass die Schweizer
Nachrichtendienste nichts gelernt haben, keine Schlüsse aus dem
Skandal gezogen haben. Das ist schwerwiegend, weil es auch bedeutet,
dass die politischen Behörden praktisch nichts unternommen haben,
um die Aktivitäten dieser Dienste zu kontrollieren"."Die
gesetzlichen Vorlagen sind eindeutig. Die politischen Behörden
haben den Auftrag, diese durchzusetzen", unterstreicht der
Sozialdemokrat, der nicht mehr im Eidgenössischen Parlament sitzt,
sich politisch aber weiterhin auf kantonaler Ebene betätigt und
die nationale Politik immer noch aufmerksam verfolgt."Die
Hauptverantwortlichen sind die Behörden, die betroffenen
Departemente und deren damalige Bundesräte", die im Moment der
Fichierung im Amt gewesen seien, so Carobbio.
"Vertrauensselige Delegation"
Der Tessiner geht aber auch mit der
Geschäftsprüfungs-Delegation ins Gericht: Schliesslich habe
sie die Aufsicht über diese Tätigkeiten und müsse daher
eine gewisse Verantwortung übernehmen.Nach seiner Ansicht hat es
sich die GPDel zu leicht gemacht, "sie war zu vertrauensselig"
gegenüber den Geheimdiensten.Sie sei sich zu wenig bewusst
gewesen, dass dies "eine Arbeit ist, die mit höchster
Aufmerksamkeit, Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit gemacht werden
muss".In diesem Zusammenhang erinnert sich der ehemalige Nationalrat an
seine Erfahrungen in der PUK, die in ihren ersten Jahren die
Überwachung und Kontrolle der Arbeit der Geheimdienste
eingeführt hatte. Kontrollen, die die GPDel seither
regelmässig durchführt.In jener Zeit "gab es von Seiten der
Dienststellen, Behörden und betroffenen Abteilungen wirklich ein
Anliegen, die Delegation mit Informationen zu versorgen. Wir wurden
eingeladen, sie zu überprüfen", erinnert sich Werner
Carobbio. "Ich habe den Eindruck, im Lauf der Zeit ist dieses Anliegen
verblasst und hat einer regelrechten Verdächtigungs-Manie Platz
gemacht."
Jagd auf Ausländer
Die neuste "absurde" Fichierung sei in der Tat das
Resultat einer
"Haltung des Misstrauens gegenüber Ausländern, gegenüber
jenen, die sich entgegen dem Schweizer Klischee verhalten", kommentiert
Carobbio.Eine Mentalität, die bereits vor zwei Jahrzehnten
festgestellt worden sei, sich aber laut dem ex-Nationalrat
verstärkt hat. Bereits 1989 hätten die Fichen mehr
Ausländer als Schweizer betroffen. "Es handelte sich aber eher um
Ausländer, die in linksgerichteten Bewegungen aktiv
waren."Carobbio fragt, "in welchem Ausmass die Mentalität,
Ausländer zu kontrollieren, quasi zu einer Art Handbuch wurde" im
Justiz-und Polizeidepartement. Dieses befand sich, wie der Bericht
zeigt, zur Zeit der meisten Fichierungen unter der Leitung von
Ex-Bundesrat Christoph Blocher.
"Debatte nötig"
Carobbio hofft, dass der Bericht, "obgleich
verspätet, eine
Chance ist für eine echte politische Debatte darüber, was
erneut geschehen ist, und warum". Der Sozialdemokrat will nicht
ausschliessen, dass eventuell " eine PUK nötig sein wird, um
herauszufinden, ob noch mehr gemacht wurde, als lediglich Personen zu
fichieren".Die Landesregierung allerdings scheint nicht in Eile: Die
Sprecherin von Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf erklärte
am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, der Bundesrat
werde den Bericht der GPDel zuerst analysieren. Bis Ende Oktober werde
er, wie verlangt, darauf antworten. Ins Parlament kommen wird er damit
wohl nicht vor der Wintersession.
Von Daeniken gibt Amt ab
Der Fokus in der Staatsschutz-Affäre richtete sich am
Freitag auf den früheren Geheimdienstchef Urs von Daeniken. Die
Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) des Nationalrats
kritisierte, dass von Daeniken heute für die Reorganisation der
Bundesanwaltschaft zuständig ist.Sie habe "mit Befremden" davon
Kenntnis genommen, dass das EJPD von Daeniken mit der Projektleitung
betraut habe, schrieb die GPK in einer Mitteilung vom Freitag. Sie habe
"wenig Vertrauen" in ihn, hiess es. Die GPK forderte das EJPD auf, den
Entscheid zu überprüfen.Am Freitagabend reagierte das EJPD.
Von Daeniken gebe bei der Bundesanwaltschaft die Funktion des
Projektleiters ab, teilte es per Communiqué mit. Der
58-Jährige werde im Sinn einer Übergangsregelung durch den
Stellvertreter des Bundesanwalts ersetzt.Von Daeniken habe sich nach
einem Gespräch mit Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf von
sich aus zu diesem Schritt entschieden, präzisierte EJPD-Sprecher
Guido Balmer auf Anfrage der SDA.Das EJPD teile die Vorbehalte der GPK
gegen von Daeniken zwar nicht, schreibt das Departement weiter. Es sei
aber bereit, zusammen mit der GPK für das Projekt bei der
Bundesanwaltschaft eine Lösung zu finden, die das Vertrauen der
GPK geniesse. Das Schreiben der GPK und deren Fragen werde das EJPD
umfassend und fristgemäss bis zum 15. August 2010 beantworten.Im
Rahmen seiner Anstellung im EJPD habe von Daeniken seit dem 1. Januar
2009 keine Aufgaben mehr im Zusammenhang mit sensiblen Daten oder
Informationssystemen, hält das EJP fest. Vielmehr erfülle er
in einzelnen Projekten organisatorische, administrative und
unterstützende Aufgaben."Keine Probleme"Seit Ende April 2010 habe
von Daeniken den Bundesanwalt bei der Umsetzung des Projektes "BA 2011"
unterstützt. Die Verantwortung für das Projekt liege in den
Händen des Bundesanwalts. Von Daeniken habe ihm als Leiter der
Projektorganisation gedient, die aus Mitarbeitenden der BA und des EJPD
bestehe.Bei den Arbeiten, die von Daeniken im Rahmen seiner Anstellung
im Generalsekretariat EJPD seit 2009 erledigte, "gab und gibt es keine
Probleme", schreibt das EJPD. "Urs von Daeniken führt seine
Aufgaben auftragsgemäss aus."Er habe im EJPD eine bis Ende 2011
befristete Stelle innerhalb des Generalsekretariats inne. Dort wird von
Daeniken laut Balmer bis zum Ablauf dieser Frist nun andere Aufgaben
übernehmen.
"Keine Probleme"
Seit Ende April 2010 habe von Daeniken den Bundesanwalt
bei der
Umsetzung des Projektes "BA 2011" unterstützt. Die Verantwortung
für das Projekt liege in den Händen des Bundesanwalts. Von
Daeniken habe ihm als Leiter der Projektorganisation gedient, die aus
Mitarbeitenden der BA und des EJPD bestehe.Bei den Arbeiten, die von
Daeniken im Rahmen seiner Anstellung im Generalsekretariat EJPD seit
2009 erledigte, "gab und gibt es keine Probleme", schreibt das EJPD.
"Urs von Daeniken führt seine Aufgaben auftragsgemäss aus."Er
habe im EJPD eine bis Ende 2011 befristete Stelle innerhalb des
Generalsekretariats inne. Dort wird von Daeniken laut Balmer bis zum
Ablauf dieser Frist nun andere Aufgaben übernehmen. Sonia Fenazzi,
swissinfo.ch(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)
---
NZZ 2.7.10
Kantone ohne griffige Staatsschutz-Aufsicht
Hinweise auf Missstände existierten, doch Bern
zögerte
Am Anfang standen sechs türkischstämmige
Grossräte
aus Basel, die grundlos in den Blick des Staatsschutzes geraten waren.
Seither kämpft der Kanton hartnäckig um eine wirksame
Aufsicht. Bern liess sich Zeit - im Herbst soll es aber so weit sein.
Daniel Gerny, Basel
Auch wenn der Bericht der
Geschäftsprüfungsdelegation
(GPDel) über die neuen Missstände und fehlenden Kontrollen
für viele überraschend ins beginnende Sommerloch platzte,
kommen die Erkenntnisse aus Basler Sicht keineswegs aus heiterem
Himmel: "Die GPK hegt bezüglich dieser Vorgänge ernsthafte
Bedenken und befürchtet einen Rückfall in alte Muster
(Fichen-Affäre)", schrieb wörtlich die kantonale
Geschäftsprüfungskommission vor ziemlich genau zwei Jahren in
ihrem Bericht, der im Kanton sämtliche Alarmglocken läuten
liess und schliesslich den Auslöser für die gegenwärtige
Untersuchung auf Bundesebene bildete.
Staatsschutz in den Kantonen
Damals gelangten sechs türkischstämmige
Grossräte
ins Visier des Staatsschutzes, weil eine der Kommunistischen
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahestehende Zeitung über deren
Wahl ins Basler Parlament berichtet hatte. Die bei der Basler
Staatsanwaltschaft angesiedelte Fachgruppe 9 übermittelte diese
Information dem damaligen Dienst für Analyse und Prävention
(DAP), der die Daten in der Folge bearbeitete und in einem Fall in der
Datenbank ISIS registrierte. Die Affäre löste in Basel starke
Reaktionen in allen politischen Lagern aus und mündete in ein
zähes Ringen um die Kompetenz der Aufsicht über den
Staatsschutz, das bis heute nicht abgeschlossen ist.
Eine der Ursachen für die ungenügend
kontrollierte
Sammelwut, von der auch andere Personen aus Basel betroffen waren, sind
die Aktivitäten des Nachrichtendienstes in den Kantonen. Im
Auftrag des Bundes und gestützt auf das Bundesgesetz zur Wahrung
der inneren Sicherheit (BWIS), nehmen kantons- und gemeindeeigene
Organe Staatsschutzaufgaben wahr. So verfügt die Stadtpolizei
Zürich über Fachgruppen, die für den Bund beispielsweise
in den Bereichen "Personen- und Objektschutz" oder "Information"
tätig sind. Für ihre Leistungen werden die Kantone vom Bund
entschädigt - gemäss GPDel-Bericht mit insgesamt 8,4
Millionen Franken im Jahr 2009. Welche und wie viele Meldungen an die
Bundesbehörden gemacht werden, lässt sich indessen kaum
eruieren.
Anzahl Meldungen unbekannt
Irritation löste dieser Umstand nicht nur in Basel
aus, auch
wenn die Empfindlichkeit hier infolge der Tragweite des Falls am
grössten war. In Zürich steht beispielsweise der schon seit
mehreren Jahren bekannte Fall von Gemeinderat Balthasar Glättli
für die fragwürdige Arbeit der Staatsschutzorgane, der wegen
einer Eingabe eines Gesuchs für eine Demonstration registriert
wurde. Seit längerem bekannt ist auch, dass über die
Friedensaktivistin und Ehrendoktorin der Uni Basel, Anni Lanz,
Informationen registriert wurden, wobei laut GPDel-Bericht offenkundig
falsche Verdächtigungen einflossen. Weniger schwerwiegend
erscheint die Registrierung von Artikeln von zwei Journalisten der
"Wochenzeitung", die der Zürcher Anwalt und Präsident des
Vereins "Grundrechte.ch", Viktor Györffy, kurz nach dem Auffliegen
des Basler Falles bekanntmachte.
Unbekannt waren bis anhin aber Ausmass und Art der nach
Bern
gelieferten Meldungen. So musste der Zürcher Stadtrat im
vergangenen Jahr auf eine Frage aus dem Gemeinderat passen: "Eine
quantitative Statistik über die Mitteilungen an die
Bundesbehörden wird nicht geführt." Die GPDel hat mit ihrem
Bericht nicht nur zahlenmässig mehr Licht ins Dunkel gebracht,
sondern sie liefert auch Hinweise auf die Art der Aufträge aus der
DAP-Zentrale: Die Kantone wurden danach beispielsweise jährlich
angewiesen, Lageberichte zum WEF zu erstellen und Demonstrationsgesuche
zu melden. Auf diese Weise gelangten offenbar weitere Mitglieder des
Basler Grossen Rates ins Blickfeld des Staatsschutzes.
Keine Kontrolle für Kantone
Dabei zeigen sich an der Schaltstelle zwischen den
kantonalen und
den bundeseigenen Organen Lücken in der Kontrolle, die den
Präsidenten der GPDel, Claude Janiak (sp., Basel-Landschaft),
schon vor mehr als einem Jahr von einem "aufsichtsfreien Raum" sprechen
liessen (NZZ 3. 4. 09). Der Bund erachtet sich für die Aufsicht
über die kantonalen Einheiten zwar als zuständig und
beansprucht die Hoheit über die erhobenen Daten - doch er nimmt
seine Verantwortung nicht wahr. Die Kantone dagegen sind in ihren
Aufsichtsbefugnissen beschränkt und können ohne Zustimmung
des DAP keine Akteneinsicht nehmen - ein Missstand, der bis heute
andauert.
Obwohl sich Basel-Stadt seit über einem Jahr intensiv
um
wirksame Aufsichtsbefugnisse bemüht, hat der Kanton bis jetzt
nichts Definitives in der Hand. Der Bund lehnte im vergangenen Jahr
sowohl eine kantonseigene Aufsicht als auch eine innerhalb der
kantonalen Staatsschutzorgane angesiedelte Kontrollkommission ab, weil
er nicht 26 unterschiedliche Lösungen will. Dass es in der
Angelegenheit nicht schneller vorwärtsging, liegt aber auch an den
kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, die sich lange Zeit
desinteressiert zeigten und Basel nicht unterstützen. In den
meisten Kantonen sei die Sensibilität dafür nicht vorhanden
gewesen, erklärt dazu der Basler Sicherheitsdirektor Hanspeter
Gass (fdp.). Dazu passt, dass gewisse Kantone - gemäss
GPDel-Bericht beispielsweise Bern - gar keine regelmässige und
systematische Aufsicht über den kantonalen Staatsschutz kennen.
Bern vertröstet . . .
Im letzten April erst einigte sich die Konferenz der
kantonalen
Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) mit dem Verteidigungsdepartement
(VBS), in welchem der Nachrichtendienst des Bundes inzwischen
angesiedelt ist, auf eine Verbesserung der Kontrolle. Den kantonalen
Aufsichtsorganen wird zwar noch immer kein Einsichtsrecht ohne
Zustimmung zugestanden, vorgesehen ist aber, dass die kantonalen
Sicherheitsdirektoren auf Antrag eine Liste der
Staatsschutz-Aktivitäten im eigenen Kanton erhalten. Ob sich diese
Lösung bewährt, hängt laut Gass davon ab, wie kooperativ
sich der Bund zeigt. Einen Haken hat der Kompromiss aber schon heute:
Das VBS versprach laut Aussagen aus dem Basler Sicherheitsdepartement,
die entsprechende Verordnungsänderung bis 1. Juli in Kraft zu
setzen. Trotz Intervention aus Basel wurde das Geschäft dem
Bundesrat noch nicht vorgelegt. Bern vertröstet weiter - nun auf
den 1. Oktober.
---
Thurgauer Zeitung 2.7.10
46 Berichte aus dem Thurgau für den Staatsschutz
wid
Auch die Kantonspolizei liefert Meldungen für die
umstrittene Datenbank des Nachrichtendienstes. Dabei geht es unter
anderem um Aktivitäten Rechtsextremer.
Frauenfeld - Der jüngste Skandal um die
unkontrollierte
Registrierung von 200 000 Personen in der Datenbank der
eidgenössischen Staatsschützer betrifft am Rande auch die
Kantone. Auch kantonale Stellen nehmen im Auftrag des Bundes
staatsschützerische Aufgaben wahr und liefern dem
Nachrichtendienst Berichte, deren Angaben in die umstrittene
Isis-Datenbank fliessen. Laut einem Bericht der NZZ erhielten die
Kantone für diese Dienstleistungen letztes Jahr 8,9 Millionen
Franken vom Bund. Unbekannt ist demnach aber das gesamte Ausmass der
von den Kantonen nach Bern gelieferten Daten. Zahlen erhältlich
sind aber für den Thurgau. Die Kantonspolizei erstellte letztes
Jahr 46 Berichte für den Nachrichtendienst. Im Vorjahr waren es 53
und im Jahr 2007 wurden 43 Berichte nach Bern geliefert, wie die
Kantonspolizei Thurgau auf Anfrage mitteilt.
Dabei handelt es sich vorwiegend um Aufträge des
Nachrichtendienstes. In wenigen Fällen habe die Kantonspolizei
aber auch eigene Berichte erstellt, sagte Mediensprecher Christoph
Greminger. Das sei aber im Rahmen der vom Bund erstellten
Beobachtungsliste geschehen. Die Berichte beträfen vor allem
Veranstaltungen von Rechtsextremisten, bei denen unter anderem Daten zu
Personen und Fahrzeugen gesammelt würden.
Mehr Datenschutz
Die Kantonspolizei könne von sich aus keine Daten in
die
Isis-Datenbank eingeben, sagt Greminger. Die Meldungen werden demnach
auf Papier an den Nachrichtendienst geschickt. Zwei Angehörige der
Kantonspolizei haben aber Leserechte für die Datenbank. Abfragen
erfolgten zum Beispiel im Zusammenhang mit extremistischen Treffen,
sagt Greminger. Wenn ein Waffenerwerbsschein erteilt werden soll, ist
die Kantonspolizei zudem verpflichtet, eine Isis-Abfrage zu machen.
Auch das Departement für Justiz und Sicherheit ist
wegen der
jüngsten Kritik an der Isis-Datenbank hellhörig geworden. Im
Rahmen der Revision des kantonalen Polizeigesetzes werde auch dem
Datenschutz Rechnung getragen, sagt Generalsekretär Stephan
Felber. Darauf werde man nun verstärkt achten.
CHRISTOF WIDMER
---
NLZ 2.7.10
Peter Regli, ehemaliger Direktor des Nachrichtendienstes
"Ich bin als Bürger beruhigt"
Interview von Fabian Fellmann
Der Ex-Nachrichtendienstler Peter Regli verteidigt die
Staatsschützer. Er will ihnen noch mehr Möglichkeiten zur
Datensammlung geben.
Peter Regli, in den 80er-Jahren wurden über 700 000
Fichen
gesammelt, was in den 90er-Jahren einen Skandal auslöste. Sind Sie
überrascht, dass jetzt wieder 200 000 Personen registriert sind?
Peter Regli*: Ich bin als Bürger beruhigt, zu sehen,
dass
unser Rechtsstaat funktioniert. Die
Geschäftsprüfungsdelegation hat als Aufsichtsbehörde des
Nachrichtendienstes ihre Aufgabe wahrgenommen und die Datensammlung
untersucht. Es dauerte zwar sechs Jahre. Das Ergebnis ist ein Bericht
an den Bundesrat. Jetzt liegt es am Bundesrat, die gemachten
Empfehlungen zu prüfen. Sie sind eine Chance, damit die Arbeit des
Nachrichtendienstes noch effizienter gestaltet werden kann.
Aber der Rechtsstaat hat nicht funktioniert. Nach dem
Fichenskandal hätte man erwartet, dass die Staatsschützer von
sich aus die Gesetze einhalten und nicht wieder ermahnt werden
müssen.
Regli: Es ist nicht an mir, die Arbeit des Diensts
für
Analyse und Prävention zu kritisieren. Mir fällt jedoch auf,
dass wir in der Schweiz einen gewissen Masochismus betreiben. Jetzt
sucht man wieder vor allem Schuldige. Niemand spricht davon, dass wir
in Zeiten asymmetrischer Bedrohungslage, in dem die Gefahr von Akteuren
im Schatten und nicht nur von Staaten ausgeht, den Staatsschutz
brauchen.
Einen effizienten und effektiven Staatsschutz will eine
Mehrheit
der Schweizer. Aber genau dies hat er nicht erfüllt, indem er zu
viele Daten sammelte und nicht überprüfte, ob sie richtig
waren.
Regli: Das ist eine Frage der Führung des
Staatsschutzes,
auch durch politische Vorgesetzte und der Kontrollen im Departement.
Die Schuld, sofern eine vorhanden ist, liegt nicht nur bei den
Staatsschützern. Ich bin überzeugt: Der Staatsschutz bewegt
sich grundsätzlich im Rahmen des Gesetzes. Dort arbeiten
Bürgerinnen und Bürger, die sich ihrer Verantwortung bewusst
sind. Offenbar wurden Fehler gemacht. Jetzt geht es im Sinne des
Vorwärtsschauens darum, dass der neu etablierte, fusionierte
Nachrichtendienst des Bundes die Möglichkeit erhält, die
Altlasten zu korrigieren.
Heisst das, Sie fordern mehr Mittel für den
Staatsschutz?
Regli: Der Nachrichtendienst braucht meiner Ansicht nach
in
erster Linie die Revision des Bundesgesetzes zur Wahrung der inneren
Sicherheit (BWIS). Er soll vermehrt die Möglichkeit erhalten, auf
die heutigen asymmetrischen Bedrohungen agieren zu können.
Zweitens braucht er Vertrauen und Loyalität von der politisch
vorgesetzten Behörde. Nicht zuletzt benötigt er finanzielle
und personelle Aufstockungen.
Muss ich als Bürger Angst haben, dass ich
überwacht
werde?
Regli: Wenn Sie als Bürger ein reines Gewissen haben:
Nein.
Im Gegenteil: Der Staatsschutz schützt uns Bürger. Nur 3,5
Prozent der erfassten Personen sind Schweizer Bürger, die anderen
Ausländer. Allgemein ist festzuhalten, dass unsere nationale
Sicherheit primär von Akteuren aus dem Ausland bedroht wird.
Unbescholtene Bürger hätten nichts zu
befürchten.
Aber die Geschäftsprüfungsdelegation hat den Fall einer
Baslerin präsentiert, die registriert wurde, weil sie sich
für Ausländer einsetzte und an einer Demonstration teilnahm.
Bedeutet Staatsschutz, dass wir solche Fehler einfach hinnehmen
müssen?
Regli: Zu diesem Fall kann ich mich nicht äussern.
Die Forderung wird laut, dass Personen mit gelöschtem
Dossier volle Einsicht erhalten. Befürworten Sie das?
Regli: Dieses Bedürfnis ist seit längerer Zeit
bekannt.
Möglicherweise wird der Bundesrat im Rahmen seiner Stellungnahme
zum Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation darauf eingehen.
Das ist ein politischer Entscheid.
Hinweis: * Peter Regli (66) war von 1991 bis 1999 Chef des
Schweizer Nachrichtendienstes, des früheren Auslandgeheimdienstes.
Im Jahr 2000 ging Regli in den Ruhestand und arbeitet heute als Berater
für Sicherheitsfragen.
fabian.fellman@neue-lz.ch
--
Datensammlung
Aktivisten warnen vor Löschaktion
Der grüne Zürcher Stadtparlamentarier Balthasar
Glättli fand vor zwei Jahren heraus, dass er einer von rund 200
000 vom Staatsschutz registrierten Personen ist. Den Inhalt seiner
Fiche kennt er aber nicht. Via eidgenössischen Datenschützer
erhält man nur Auskunft darüber, ob eine Fiche besteht, nicht
aber, was darin steht. "Ich fordere, dass alle fichierten Personen
volle Einsicht in die Akten erhalten", sagt Glättli.
Bundesrat will aufrüsten
Aktivisten befürchten, dass der Staatsschutz nun
viele
Dossiers verschwinden lässt. Darum fordert der Verein
Grundrechte.ch die Bevölkerung auf, Auskunft zu verlangen. Denn
der Bundesrat lässt sich Zeit: Bis Oktober will er auf den Bericht
der Geschäftsprüfungsdelegation antworten. Sofortmassnahmen
würden nicht ergriffen, hiess es gestern aus dem Justiz- und
Polizeidepartement. Der Inlandnachrichtendienst kann Daten über
"staatsschutzrelevante" Personen weiterhin "blind" sammeln.
Klagen gegen die Staatsschützer würde er
begrüssen, sagte gestern der grüne Zürcher Nationalrat
Daniel Vischer. Dies müssten aber betroffene Fichierte tun.
Auch der frühere Justizminister Christoph Blocher
schwieg
trotz happiger Vorwürfe auch gestern.
Der Bundesrat will weiterhin dem Staatsschutz mehr
Kompetenzen
geben. Die Teilrevision des Bundesgesetzes über Massnahmen der
inneren Sicherheit soll im Herbst ins Parlament kommen.
Musterbrief: Der Musterbrief zur Abfrage von Fichen ist
auf
www.zisch.ch/bonus
---
Landbote 2.7.10
Betroffene fordern rasches Handeln
Elisabetta Antonelli
Der Bericht über die Daten, die der Schweizer
Staatsschutz
sammelte, löst bei Betroffenen Wut aus. Sie halten Kontrolle und
Einsichtsrecht für dringend nötig.
basel/zürich - 200 000 Personen sind heute in der
Datenbank
des Inlandnachrichtendienstes gespeichert. Darunter sind auch
unbescholtene Bürger - wie etwa die Basler Grossräte, deren
Einträge den Stein ins Rollen brachten. Einer von ihnen war
Mustafa Atici. Der Schweizer mit türkischen Wurzeln wurde 2004
für die SP in den Basler Grossrat gewählt. "Das Wahlresultat
wurde auch in ausländischen Zeitungen publiziert", erzählt
der heute 40-Jährige. "Weil auch eine prokurdische Zeitung
über meine Wahl berichtete und sie kommentierte, bekam ich einen
Eintrag."
Aticis Daten wurden sogar an ausländische
Geheimdienste
weitergegeben. Sein Eintrag in der Schweizer Datenbank wurde zwar
gelöscht, weil er widerrechtlich war. "Aber ich weiss nicht, was
im Ausland damit geschehen ist." Atici hat Angst, dass seine Fiche
immer noch negative Nachwirkungen hat. "Seit etwa zwei, drei Jahren
wird mein Pass am Flughafen Istanbul sehr genau kontrolliert. Für
mich ist das ein Signal, dass etwas nicht ganz stimmt."
Der Vorfall erschütterte sein Vertrauen in den
Rechtsstaat.
"Ich habe den Eindruck, dass man nach dem Fichenskandal in den
Achtzigerjahren nichts gelernt hat und unsorgfältig mit den Daten
umgeht." Der aktuelle Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation
bestätigt ihn. Atici ist zwar froh, dass die Geschichte ans
Tageslicht gekommen ist, doch er kritisiert den Staatsschutz heftig:
"Der Staatsschutz funktioniert wie eine Blackbox. Die Daten werden
willkürlich und unqualifiziert gesammelt", sagt er. "Dabei geht
vergessen, dass es um Menschen geht."
Ebenso in der Staatssicherheits-Datenbank vermerkt wurde
die
Basler SP-Grossrätin Tanja Soland. Die heute 34-jährige
Juristin setzte sich dafür ein, dass im Januar 2007 eine
Anti-WEF-Demo stattfinden konnte. "Ich führte Gespräche mit
der Polizei - auf deren Anfrage und Bitten." Daraufhin wurde Soland
beim Staatsschutz regis-triert. "Das würde ja heissen, dass ich
für den Staat speziell gefährlich bin, nur weil ich ein
Demonstrationsgesuch eingereicht habe", so Soland.
Genau wie Aticis Eintrag wurde auch derjenige von Soland
auf ihr
Nachhaken gelöscht - der Eintrag war nicht berechtigt, wie der
Brief des Bundesamtes bestätigte. "Doch was wäre gewesen,
wenn ich etwa als Bundesanwältin hätte arbeiten wollen? Eine
Sicherheitsprüfung hätte ich wohl nicht bestehen können."
Dass insgesamt 200 000 Personen in der Datenbank
registriert
sind, verärgert die Grossrätin. "Das übertrifft sogar
meine Befürchtungen. Es ist eine Katastrophe." Erschreckend findet
Soland, dass eine Behörde, welche die Leute schützen sollte,
sich nicht an das Gesetz hält. "Das löst in mir Angst aus."
Schliesslich werde jeder Bürger sanktioniert, der gegen das Gesetz
verstösst. Jetzt müsse sofort gehandelt werden. Kontrolle und
Einsichtsrecht seien dringend nötig.
Gleicher Meinung ist der Zürcher Gemeinderat
Balthasar
Glättli (Grüne). Der 38-Jährige fordert, dass "alle
fichierten Personen volle Einsicht in die Akten erhalten. Zumindest
müssen alle aus dem System gelöschten Personen bei der
Löschung vom Nachrichtendienst automatisch das vollständige
eigene Dossier erhalten." Er kritisiert insbesondere Bundesrätin
Eveline Widmer-Schlumpf, die bereits 2008 ein Einsichtsrecht
versprochen hat, "das diesen Namen verdient". Doch ist laut
Glättli das Gegenteil geschehen: "Stattdessen wurden die
Vorbereitungen für neue Schnüffelgesetze mit Telefon- und
Mail-Überwachung vorangetrieben."
Glättli wurde wie die Basler Grossrätin Tanja
Soland
registriert, weil er 2005 ein Gesuch für eine Demons- tration
eingereicht hatte. Sein Eintrag wurde ebenfalls auf Nachhaken
gelöscht, da er widerrechtlich war. Glättli gelangte sogar
ans Bundesverwaltungsgericht, um Einsicht in seine Akten zu erhalten.
Diese wurde ihm nicht zugestanden.
--
Ficheneinsicht: Gute Begründung nötig
Peter Fritsche
Grundsätzlich gibt es kein Recht auf Einsicht in die
Datenbank Isis, auf welcher der Inlandgeheimdienst seine Informationen
ablegt. Es gibt aber die Möglichkeit, an den Eidgenössischen
Datenschützer Hanspeter Thür (Feldeggweg 1, 3003 Bern) ein
Gesuch zu richten. Dieser prüft, ob der Gesuchsteller fichiert ist
oder nicht. In den meisten Fällen kommt danach lediglich ein
Standardbrief zurück mit der vagen Aussage, der Nachrichtendienst
sei korrekt mit Informationen über den Gesuchsteller umgegangen.
Oder: Es gebe Fehler und er - der Datenschützer - habe deshalb dem
Bundesrat empfohlen, den Fehler zu beheben. Lediglich in gut
begründeten Ausnahmefällen kann der Datenschützer
weitere Informationen über eine allfällige Fiche erteilen.
Die Organisation "grundrechte.ch" empfiehlt deshalb, im Gesuch genau
darzulegen, weshalb jemand davon ausgeht, fichiert zu sein. Auf der
entsprechenden Homepage gibt es auch einen Musterbrief an Thür.
(pfr)
--
Geheimdienst ertrinkt im eigenen Datenmeer
Peter Granwehr
Viele Wege führen in die Isis-Datei des
Nachrichtendiensts,
aber dort wieder herauszukommen, ist offenbar Glückssache. Die
Folge ist ein Datenberg, der daran zweifeln lässt, dass der
Nachrichtendienst seine Aufgabe überhaupt erfüllen kann.
BERN - Dienst für Analyse und Prävention (DAP)
hiess
der Geheimdienst, als er noch Teil des Justiz- und Polizeidepartements
(EJPD) war. Als Christoph Blocher dort sein Bundesratsamt antrat, waren
60 000 Personen in der DAP-Datei Isis registriert. Drei Jahre
später waren es fast 120 000, die als "staatsschutzrelevant"
eingestuft wurden: Personen also, über die angeblich konkrete
Hinweise bestanden, dass sie eine Gefährdung der inneren oder
äusseren Sicherheit darstellen. Dieses Niveau hat sich bis heute
gehalten. Hinzu kommen 80 000 "Drittpersonen", die einen - oft lockeren
- Bezug zu den "Relevanten" aufweisen. Auffallend ist, dass nur 4
Prozent der Isis-Einträge Schweizer Bürger betreffen und nur
11 Prozent Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Da stellt sich die
Frage, auf welchen Wegen Personen in die Isis-Datenbank gelangen. Zu
den Informanten gehören:
• Zollbehörden: Wer aus bestimmten Ländern,
deren Liste
geheim ist, in die Schweiz einreist, erhält über die
Fotopasskontrolle automatisch einen Isis-Eintrag - zunächst als
Drittperson. Bei der dritten Meldung rückt sie ohne
Überprüfung in die Kategorie der Staatsschutzrelevanten, also
der Verdächtigen, auf.
• Ausländische Dienste: "Eine Vielzahl von
Registrierungen
waren aufgrund von Anfragen des Auslands vorgenommen worden", heisst es
im Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel). Auch
dann, wenn es nur eine Anfrage war ohne weitere Angaben zur Person,
oder wenn Erkundigungen der DAP bei den Kantonen ausdrücklich
ergeben hatten, dass die betroffene Person unverdächtig war.
• Kantonspolizeien: Personenlisten, die von den Kantonen
im
Auftrag des DAP erstellt wurden über Vorgänge, Personen oder
Institutionen, wurden vollständig im Isis eingespiesen. "Gerade
dort, wo der meldende Kanton besonders umfassend und oft auch sehr
differenziert Auskünfte lieferte, führte diese
Erfassungspraxis des DAP dazu, dass auch Personen, die explizit als
harmlos oder nicht mehr aktiv bewertet wurden, einen Isis-Eintrag
erhielten", schreibt die GPDel. In verschiedenen Fällen seien
Gesuchsteller von bewilligten und friedlichen Kundgebungen als
Drittpersonen registriert worden, teilweise sogar als
Staatsschutzrelevante entgegen der vorliegenden Informationen.
• Andere Bundesstellen: Einbür- gerungs- oder
Asylgesuche
werden in der Isis-Datei erfasst, wenn der Gesuchssteller dort bereits
aus einem anderen Grund registriert ist - auch dann, wenn der DAP
feststellt, dass von ihm keine Gefahr für die innere Sicherheit
ausgehe. So stiess die GPDel auf einen Fall, dass eine Person "allein
aufgrund einer Anfrage einer anderen Bundesstelle" im Isis registriert
worden war. "Dem DAP lagen zur Person selber keine Informationen vor,
und er informierte die ersuchende Bundesstelle in diesem Sinn."
Diese Beispiele zeigen, wie rasch jemand Eingang in die
Datenbank
findet. Die Löschung eines Eintrags lässt dagegen meist auf
sich warten - zum einen, weil das Gesetz vorschreibt, dass die Daten
(nur) alle fünf Jahre auf ihre Richtigkeit und Relevanz
überprüft werden müssen, zum andern, weil laut GPDel in
mehr als der Hälfte der Fälle diese Überprüfung gar
nicht erfolgte. Selbst der Tod bietet keine "Austritts"-Garantie,
obwohl das Gesetz dies verlange, wie die GPDel festhält: "In den
vom DAP gemeldeten Fällen finden sich gegen ein Dutzend Beispiele,
wie der Tod einer Person im System pflichtgemäss vermerkt wurde
und die Person danach während mehrerer Jahre weiter registriert
blieb. In drei Fällen erfolgte die Löschung erst rund zehn
Jahre nach dem Tod. Einer dieser Fälle sticht dadurch
hervor, dass der Verstorbene nicht einfach in Isis vergessen wurde,
sondern dass zwei spätere Kontrollen die anhaltende
Staatsschutzrelevanz der Person bestätigten."
"Die falschen Leute am Werk"
Das Urteil der GPDel über den Staatsschutz fällt
denn
auch vernichtend aus, nicht allein wegen der wiederholt festgestellten
Missachtung der Gesetze. "Die gewaltige Datenmenge, die bereitgestellt
wurde, schafft nicht mehr Sicherheit - im Gegenteil: sie bindet
Ressourcen, die dazu verwendet werden müssten, die gesammelten
Daten auf ihre Staatsschutzrelevanz zu überprüfen", sagte
gestern GPDel-Präsident Claude Janiak, SP-Ständerat aus
Baselland. Zudem seien im DAP die falschen Leute eingesetzt worden:
Leute, die Daten zwar einspeisen konnten, aber nicht befähigt
waren, sie auf ihre Qualität zu überprüfen. "Ob eine
solche Datenmenge für den Nachrichtendienst bei der
Aufgabenerfüllung hilfreich ist, ist mehr als fraglich."
lPETER GRANWEHR
---
Südostschweiz 3.7.10
SVP hat Ärger wegen des Fichen-Berichts
Nachdem wegen des Fichen-Berichts auch Angriffe von
SVP-Vertretern auf alt Bundesrat Christoph Blocher erfolgt sind, treten
jetzt die Blocher-Getreuen auf den Plan.
Von Beat Rechsteiner
Bern. - Damit schafft sich SVP-Mann Alex Kuprecht keine
Freunde
in der Partei: Der Schwyzer Ständerat fährt
SVP-Übervater Christoph Blocher in aller Öffentlichkeit an
den Karren. Die Missstände im Inlandgeheimdienst (DAP) seien ein
Führungsproblem hinauf bis zum damals zuständigen Bundesrat
gewesen, urteilt Kuprecht in einem gestrigen Interview mit der "Neuen
Luzerner Zeitung". Blocher habe als Justizminister die Effizienz beim
Geheimdienst durch Personalabbau steigern wollen. Dadurch sei es aber
nur noch schlimmer geworden. Als Mitglied der
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) hat Kuprecht am
Fichen-Bericht, der am Mittwoch veröffentlicht wurde, selbst
mitgearbeitet.
Blocher selbst sagt nichts
Blocher mochte sich auch gestern nicht zu dieser Kritik
äussern. Dafür eilen ihm nun seine Getreuen zu Hilfe. Die
SVP-Vertreter in der GPDel seien "vollkommen untauglich", sagen
Parteikollegen hinter vorgehaltener Hand. Gemeint ist damit nebst
Kuprecht auch der Waadtländer Nationalrat Pierre-François
Veillon. Der Vorwurf: Die beiden hätten sich instrumentalisieren
lassen von linken Delegationsmitgliedern.
So steht etwa für Nationalrat Christoph Mörgeli
fest,
dass es SP-Ständerat Claude Janiak und der grünen
Nationalrätin Therese Frösch allein darum gegangen sei, mit
dem Bericht auf Christoph Blocher zu zielen. "Es handelt sich um eine
politische Abrechnung, wobei versucht wird, aus wenigen Fällen
einen Skandal zu konstruieren." Mörgeli nimmt Blocher in Schutz
und weist die Verantwortung dem ehemaligen DAP-Chef Urs von Daeniken
und der GPDel als Oberaufsicht zu.
"Absurde Vorwürfe"
Sowohl Janiak als auch Frösch wiesen die
Vorwürfe
gestern als absurd zurück. Blocher stehe in der politischen
Verantwortung, wenn der ihm unterstellte Dienst das Gesetz nicht
korrekt vollziehe, sagte Janiak. Man habe während der Amtszeit von
Blocher immer wieder Auskunft darüber verlangt, warum die
Datenmenge im Staatsschutzinformationssystem derart angewachsen sei.
Vom DAP und vom Justizminister sei man aber stets vertröstet
worden mit dem Hinweis auf Probleme bei der Datenübertragung vom
alten ins neue Computersystem.
--
Vorläufig kann das Sammeln weitergehen
Der Inlandnachrichtendienst kann Daten über
"staatsschutzrelevante" Personen weiterhin "blind" sammeln. Die Kritik
der GPDel bewirke keine provisorische Datensperre, verlautete gestern
aus dem Eidgenössischen Justiz und Polizeidepartement. Der
Bundesrat hat bis Ende Oktober Zeit, auf den Bericht zu antworten.
Auch das Parlament wird sich erst in der Herbstsession mit
dem
Thema befassen. Für diesen Zeitpunkt vorgesehen ist eine neue
Vorlage zum Bundesgesetz über Massnahmen der inneren Sicherheit
(BWIS). Der Bundesrat muss beim "grossen Lauschangriff" nochmals
über die Bücher, weil das Parlament in der ersten Beratung
seine Vorschläge zurückgewiesen hatte. (sda)
---
Le Matin 2.7.10
Sommes-nous tousfichés?
Sécurité - 200 000 individus "dangereux" sont
fichés à Berne, dont 22 000 qui habitent en Suisse. Mais
la moitié des fiches seraient datées, grotesques ou
fausses!
La Suisse vit-elle une seconde affaire des fiches? Ou les
révélations de mercredi sont-elles sans commune mesure
avec l'énorme scandale des années 80, lorsque l'on
découvrait que l'Etat suisse avait fiché 900 000
personnes? Une chose est sûre, le rapport de la
Délégation des commissions de gestion (DélCdG)
chargée de la surveillance des services de renseignement est une
bombe. Vingt ans après les fiches, "il n'y a pas eu de
changement de culture", a tranché mercredi le conseiller aux
Etats Claude Janiak (PS/BL), président de la DélCdG. Le
rapport fustige la gestion du système ISIS, qui fiche des
individus censés menacer la Suisse. Plus de la moitié des
données n'auraient pas été vérifiées
depuis des lustres. Les clés pour comprendre le problème:
C'EST QUOI,Isis?
Le système d'information relatif à la
protection de
l'Etat, ou ISIS, a été créé en 1994. C'est
une base de données informatique gérée par le
Service d'analyse et de prévention (SAP), qui dépend du
Département fédéral de la défense.
ÇA SERT À QUOI?
Contenant des informations sur des individus dangereux ou
suspectés de l'être, ISIS aide aux enquêtes
judiciaires fédérales. "Mais il est surtout conçu
comme un outil de prévention visant à protéger
l'Etat", souligne Isabelle Moret, conseillère nationale (PLR/VD)
et membre de la DélCdG. "Il y aura en octobre le sommet de la
francophonie, à Montreux. On peut imaginer qu'un rapport
tiré des données d'ISIS sera envoyé à la
police cantonale vaudoise: il contiendra par exemple les descriptions
de personnes qui pourraient vouloir nuire au sommet. "
ÇA RESSEMBLE À QUOI?
A une base de données permettant une recherche par
nom. La
"fiche" principale contient les données personnelles -
âge, nationalité, domicile, etc. - ainsi qu'un
résumé du cas. "Puis chaque fiche renvoie à des
documents scannés, explique Isabelle Moret. Ce peuvent
être des photos, des documents de police ou encore de services
internes ou étrangers. "
QUI EST FICHÉ?
ISIS contient quelque 200 000 noms. 11% concernent des
résidents en Suisse, soit 22 000 personnes. Et la base ne
contient "que" 7000 Suisses. Théoriquement, seules les personnes
fortement suspectées de menacer la sûreté
intérieure et extérieure peuvent y figurer. Il s'agit
surtout de quatre domaines: le terrorisme, l'extrémisme violent,
la violence dans les stades, et les commerces prohibés, comme
les armes.
OÙ EST LE PROBLÈME?
Problème N° 1, selon le rapport,
110 000
données sur les 200 000 n'ont fait l'objet d'aucune
vérification. Or la loi exige qu'un contrôle ait lieu cinq
ans au plus tard après la dernière inscription. En outre,
des dizaines de milliers de personnes ont été
fichées illégalement, "sans les contrôles d'usage.
" Le rapport révèle même que plutôt que de
vérifier ses informations, le SAP a été pris d'une
furie de saisie, accumulant les entrées. "Même des
personnes qui étaient explicitement désignées
comme inoffensives ont fait l'objet d'un enregistrement", note le
rapport. "Dans plusieurs cas, les personnes à l'origine d'une
manifestation autorisée et pacifique ont été
enregistrées". Bref, c'est la gabegie. Des données
précieuses sur des individus dangereux côtoient des
données datées, inutiles ou carrément fausses, au
détriment de la protection de la personnalité.
PUIS-JE AVOIR ACCÈS À MA FICHE?
Non. Il existe "un droit d'accès indirect aux
données", explique Jean-Philippe Walter, Préposé
fédéral suppléant à la protection des
données. Toute personne peut déposer une demande
auprès du Préposé fédéral à
la protection des données et à la transparence, à
Berne. "Nous répondrons par une lettre type un à trois
mois plus tard", note M. Walter. Une missive qui indique,
en gros, que le problème a été traité. En
clair, soit la fiche n'existe pas, soit elle a été
actualisée, ou encore détruite. Mais sauf exception,
impossible de le savoir. L'idée? "Si un terroriste veut savoir
ce que contient sa fiche, l'Etat ne va pas le renseigner", tranche
Isabelle Moret.
--
TROIS EXEMPLES DE FICHES ABSURDES
La mamie black block
En 1998, A. L. , une dame nord-africaine de Bâle,
sert de
porte-parole à des groupes marginaux. Elle n'a pas "la moindre
inclination criminelle", note la police. Mais elle est fichée
pour lien avec l'islam radical. En 2002, A. L. est cette fois
fichée altermondialiste et suspectée d'appartenir au
"Bloc noir". Même si la dame d'un certain âge n'a pas le
profil jeune et viril d'un casseur! "Un simple examen superficiel
aurait à lui seul dû montrer qu'A. L. n'était pas
une menace pour la sûreté intérieure de la Suisse",
note le rapport divulgué mercredi. Sa fiche ne sera
détruite qu'en 2009.
Dangereux voyageur
Dans la base de données ISIS, on trouve des gens
dont le
seul tort est de voyager. Les ressortissants "d'un certain nombre
d'Etats font l'objet d'un enregistrement lors de leur passage par
certains postes- frontière", note le rapport. En 2002, un
Nord-Africain est fiché. Une fiche sûrement assez maigre…
En 2003, l'homme vivant en Suisse et marié à une
Suissesse demande sa naturalisation. La base de données est
consultée et ne trouve rien à redire. Sa fiche restera
pourtant jusqu'en 2009 "comme personne revêtant en propre une
importance pour la protection de l'Etat".
Trafiquant atomique
Milieu des années 1990: un homme remet une
substance
radioactive à un partenaire commercial. Puis, pour des questions
d'argent, lui envoie une fausse lettre de menace signée d'un
groupe extrémiste. Il est repéré. La justice
enquête et découvre que la radioactivité est trop
faible pour atteindre la santé. (Pour une arme nucléaire
aussi. ) L'escroc, 70 ans, écope de la prison avec sursis. Mais
se retrouve fiché: "menace pour la sûreté de l'Etat
en rapport avec la prolifération nucléaire ou le
terrorisme. " Sa fiche ne sera effacée qu'en 2008. Soit dix ans
après sa mort.
--
INTERVIEW Jean-Michel Dolivo, avocat, député
au
Grand Conseil Vaudois (A Gauche toute!)
"Big Brother est arbitraire et amateur"
Vous qui aviez été fiché, que
ressentez-vous
aujourd'hui?
C'est choquant. Les atteintes aux libertés
individuelles
n'ont jamais cessé, l'Etat fouineur continue à ficher. Et
toujours pour des opinions ou engagements politiques. On surveille les
altermondialistes, les défenseurs des droits des migrants, des
droits humains. Ceux qui ont des positions critiques. La surveillance
dépasse largement les personnes présumées
dangereuses. Il n'y a ni 200 000 ni même 20 000 terroristes en
Suisse.
A l'époque, comment aviez-vous réagi?
J'étais scandalisé. Outre l'atteinte
à ma
personnalité, je réalisais que j'avais été
surveillé, suivi, filé, épié.
A quoi ressemblaient ces fameuses fiches?
Pour moi, à un dossier d'une soixantaine de pages,
avec
des photos. Un dossier qui débutait en 1968 quand, gymnasien, je
m'étais engagé pour un centre autonome à Bienne…
Puis il y avait des notes au jour le jour. Jean-Michel Dolivo participe
à une conférence, à une manif, distribue un tract.
Sa voiture est repérée à tel endroit. En plein
fantasme de l'invasion communiste, j'étais
présenté comme un dangereux activiste de gauche, un
ennemi de l'Etat. On nous criminalisait.
Concrètement, est-ce que ça vous a
attiré
des problèmes?
Pas à moi. Mais il y avait des effets concrets, par
exemple de nombreux licenciements ou non-engagements.
Pensez-vous être encore fiché aujourd'hui?
C'est possible, même si les cas
révélés maintenant semblent à la fois
graves et grotesques. Big Brother est arbitraire et amateur… Reste que
le Conseil fédéral doit réagir. Et ouvrir
l'accès aux fiches aux personnes concernées.
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20 Minuten 2.7.10
Basel soll keine Daten mehr an Staatsschutz geben
BASEL. In Basel-Stadt soll die Staatsschutztätigkeit
per
sofort sistiert werden. Das fordert die Basler SP nach der
Veröffentlichung des Berichts der
Geschäftsprüfungsdelegation über die Missstände
beim Schweizer Staatsschutz. Solange der Bund keine sichere
Qualitätskontrolle und Überprüfung der gesammelten Daten
sicherstellen könne, dürften keine Personendaten mehr nach
Bern übermittelt werden. Dies weiter zu tun, wäre
"unverantwortbar".
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Tagesschau 1.7.10
Neuster Fichenskandal ohne Folgen
Der Schweizer Inlandgeheimdienst hat Fichen von rund 200'000
Personen
angelegt. Trotz der Kritik, wird der Überwachung kein Riegel
geschoben.
http://videoportal.sf.tv/video?id=60c1790a-9972-4e1b-becd-88cbe637d0f5
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RAUSCHKNAST LU
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20 Minuten 2.7.10
SP-Politiker verlangt Ausnüchterungszellen
LUZERN. SP-Kantonsrat Lathan Suntharalingam sagt
Komatrinkern den
Kampf an: Sie sollen künftig statt ins Spital in
Ausnüchterungszellen gebracht werden.
Müssen sturzbetrunkene Festbrüder ins Spital
gebracht
werden, kommen dafür die Krankenkassen auf. "Zudem sind
Rückforderungen gegen Versicherte sehr schwierig", sagt Silvia
Schütz vom Krankenkassenverband Santésuisse. Dies
ärgert SP-Kantonsrat Lathan Suntharalingam, weil so die Kosten auf
die Allgemeinheit gewälzt würden. "Damit muss sofort Schluss
sein, wir müssen Grenzen ziehen", sagt er. Er hat deshalb gestern
eine Anfrage zu Handen der Regierung eingereicht. "Die Notaufnahme ist
die falsche Adresse für besoffene Jugendliche", so Suntharalingam.
Darum will er unter anderem wissen, ob die Regierung bereit ist, wie in
der Stadt Zürich Ausnüchterungszellen zu schaffen. Für
einen Kurzaufenthalt verrechnet Zürich pro Ausnüchterung 600
Franken; dauert der Aufenthalt länger als drei Stunden, werden
sogar 950 Franken fällig. Falls Jugendliche eingeliefert werden,
werden die Eltern kontaktiert. "Ein ähnliches System wäre
auch für den Kanton Luzern sinnvoll", findet Suntharalingam.
Daniela Gigor
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ANTI-ATOM
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Oltner Tagblatt 2.7.10
Tiefenlager Nagra startet mit Feldbegehungen
Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung
radioaktiver
Abfälle (Nagra) führt ab Juli Feldbegehungen in den
potenziellen Standortgebieten für geologische Tiefenlager für
radioaktive Abfälle durch. Das teilte das Bundesamt für
Energie (BFE) gestern Donnerstag mit. Diese Begehungen dienten der
Vorbereitung von Etappe 2 der Standortsuche, schreibt das BFE. Die
Nagra habe dabei die Aufgabe, konkrete Standorte für die
Oberflächenanlagen künftiger Tiefenlager vorzuschlagen. Diese
Vorschläge - mehrere pro Standortgebiet - seien keine
Vorentscheide: Sie würden den regionalen Partizipationsgremien in
den Standortregionen in der zweiten Hälfte 2011 zur Diskussion
vorgelegt. Mit den Feldbegehungen soll die Nagra die tatsächlichen
Gegebenheiten vor Ort klären und so bestimmte Anlagenstandorte
ausschliessen oder genauer ausarbeiten. Es würden dabei
Einzelheiten zu Topografie, Baugrund, Erschliessung, raumplanerischen
Gegebenheiten und Landschaftsbild eingesehen. "Die Feldbegehungen
erfolgen nach vorgängiger Information der kantonalen
Behörden, der Startteams der regionalen Partizipation und damit
der betroffenen Gemeindebehörden", kündigt das BFE an. Nach
Auskunft von Nagra-Kommunikationsleiter Heinz Sager sind die
Feldbegehungen im potenziellen Standortgebiet Jura-Südfuss (Raum
Aarau-Olten) für August oder September zu erwarten; die Daten
würden mit der "Plattform Jura-Südfuss", in der die
Gemeindebehörden vertreten sind, abgesprochen. - Voraussichtlich
Mitte 2011 wird der Bundesrat über die Aufnahme der
vorgeschlagenen Standortgebiete Bözberg, Jura-Südfuss,
Nördlich Lägeren, Südranden, Wellenberg und Zürcher
Weinland in den "Sachplan geologische Tiefenlager" entscheiden. Bereits
rund einen Monat nach diesem Entscheid des Bundesrats wird die Nagra
für jedes im Sachplan festgesetzte Standortgebiet konkrete
Standorte für den Bau der oberirdischen Bauten, der so genannten
Empfangsanlagen der künftigen Tiefenlager, vorschlagen
müssen. Dazu gehören Betriebs- und
Administrationsgebäude, die Verpackungsanlage, Nebengebäude,
das Portal des Zugangsstollens sowie Strassen- und
Schienenanschlüsse. Der Platzbedarf für die Empfangsanlagen
beträgt bis zu 8 Hektar. (bfe/otr)
--
Niederamt
"Gegen die Interessen der Gemeinde"
Dulliken Der Gemeinderat sprach sich gegen die
Richtplanänderung bezüglich eines neuen Kernkraftwerks aus
Der Dulliker Gemeinderat ist gegen eine
Richtplanänderung
bezüglich eines neuen Kernkraftwerks Niederamt (KKN). Er machte
diverse Einwände beim Kanton geltend.
Andreas Gervasoni
Anlässlich der letzten Gemeinderatssitzung befasste
sich der
Dulliker Gemeinderat vertieft mit der Anpassung des kantonalen
Richtplans im Hinblick auf ein zweites Kernkraftwerk im Niederamt. Der
Rat war der Auffassung, dass die beabsichtigte Richtplananpassung den
vitalen Interessen der Gemeinde Dulliken und des Niederamtes
zuwiderlaufe.
Diverse Einwände
Aus diesem Grunde beschloss der Rat einstimmig und ohne
Enthaltungen, die Gelegenheit wahrzunehmen und folgende Einwände
gegen die Richplananpassung beim Bau- und Justizdepartement des Kantons
Solothurn geltend zu machen:
· Die Standortfrage wurde nicht nach
raumplanerischen
Grundsätzen durch die zuständige Behörde beantwortet,
wie es das Raumplanungsgesetz des Bundes vorschreibt, sondern diese
wurde den Kraftwerksbetreibern und Elektrizitätsgesellschaften
überlassen. Es unterblieb also eine umfassende Planung,
insbesondere wurden auch keine anderen Standorte evaluiert.
· Das Projektareal liegt überwiegend in der
Landwirtschaftszone und ist mit einem Verlust von 21,4 Hektaren
wertvollen Wies- und Ackerlands verbunden. Die Interessenabwägung
zwischen Energieversorgung und Landesversorgung wurde ebenso
unterlassen, wie auch die Veränderungen der Auenlandschaft und des
Waldes mit seiner mannigfaltigen Bedeutung für Mensch, Tier und
Pflanzen nicht in Erwägung gezogen wurden.
· Die Zuweisung der heutigen Arbeits- und
Gewerbezonen in
eine Energiezone mit neuem Kernkraftwerk ist für die
Bevölkerung im Niederamt mit einer erheblichen Zunahme von
Immissionen verbunden, so ist der Betrieb des Hybridkühlturms
alles andere als geräuscharm. Ein typenähnlicher in
Nekarwestheim (D) ist selbst aus einer Entfernung von 800 Metern noch
mit 32 Dezibel hörbar. Auch in diesem Punkt wurde keine
Interessenabwägung vorgenommen.
· Die unbestreitbaren Auswirkungen auf den Verkehr
(Personen-, Schwerverkehr sowie Gefahrenguttransporte) sind nicht
weiter untersucht worden, insbesondere auch nicht der immense
Baustellenverkehr während der Bauzeit von immerhin fast zehn
Jahren.
· Die Ergebnisse der derzeit laufenden
sozio-ökonomischen Studie, welche die regionalwirtschaftlichen und
sozialen Auswirkungen des Projekts KKN aufzeigen soll, müssten
zwingend in die Richtplanänderung einfliessen können. Der
Gemeinderat von Dulliken kann deshalb nicht verstehen, weshalb die
Planauflage vor dem Abschluss dieser Studie vorgenommen wird, also
bevor die Interessenabwägung zum Bereich Bevölkerung,
Wirtschaft und Gesellschaft überhaupt vorgenommen werden kann.
· Die unlängst vom Kanton bewilligte
Ortsplanungsrevision legt das Schwergewicht der Entwicklung von
Dulliken als Wohngemeinde im Dreieck Olten-Aarau-Zofingen mit ruhigen
Wohnlagen und einer hervorragenden Anbindung an den öffentlichen
Verkehr fest. Der Dulliker Gemeinderat sieht diese Strategie durch das
Projekt KKN gefährdet und befürchtet eine weitere
Schmälerung der Wohnortattraktivität von Dulliken.
Die vollständige Eingabe kann auf der Homepage
www.dulliken.ch unter "News" eingesehen werden.
In Kürze
· Der Rat gab einen Kredit von 11 800 Franken
für den
Mobiliarersatz eines halben Schulzimmers frei. Zudem sprach er einen
Nachtrags-Rahmenkredit von 28 000 Franken für die Einrichtung des
neuen Vormundschaftssekretariats mit EDV-Arbeitsplatz und
Schränken für die Übernahme sämtlicher
Vormundschaftsakten aus den fünf Gemeinden der Sozialregion Oberes
Niederamt.
· Der Gemeinderat entsprach dem Gesuch der Firma
mm-toys
an der Niederämterstrasse 1 und erteilte ihr die
Ausnahmebewilligung, am 1. August von 9 bis 17 Uhr ihr Feuerwerk
verkaufen zu dürfen.
--
Der GEP wird aufgelegt
Der Gemeinderat liess sich von Stefan Henzmann vom
Ingenieurbüro Emch und Berger AG, Solothurn, den Generellen
Entwässerungsplan (GEP) im Detail erläutern und genehmigte
diesen einstimmig. Im Monat Juli erfolgt nun die öffentliche
Auflage während der ordentlichen Schalteröffnungszeiten in
der Gemeindeverwaltung. Zudem steht der zuständige GEP-Ingenieur
am Donnerstag, 8. Juli, von 18.30 Uhr bis 20 Uhr im Gemeindehaus Red
und Antwort. (ag)
---
Bund 2.7.10
Botschaften in die ferne Zukunft
Wie sagen wir unseren Nachfahren, wo sich ein
gefährliches
atomares Endlager befindet? Das Bundesamt für Energie
präsentiert und bewertet in einer Studie die möglichen
Methoden.
Guido Santner
Nach dem Test einer Atombombe im Jahr 1961 markierte das
amerikanische Militär die Stelle in der Wüste von New Mexico
mit einem kleinen Monument. Drei Tafeln warnten vor der
Radioaktivität: "Dieser Ort wird für die nächsten 24 000
Jahre gefährlich bleiben." Heute, 50 Jahre später, findet die
Warnung kaum mehr Beachtung. Hobbyschützen benutzen das Monument
als Zielscheibe, ein Souvenirjäger nahm eine der Tafeln mit.
Ähnlich wie die Militärs in der Wüste New
Mexicos
wird die Nagra als zuständige Organisation in der Schweiz das
Endlager für Atommüll markieren müssen (siehe Kasten).
Heute stellt das Bundesamt für Energie deshalb eine Studie vor,
worin der Geologe und Sozialwissenschaftler Marcos Buser die bisher
veröffentlichten Vorschläge bewertet. Damit geben die
Behörden erstmals eine mögliche Marschrichtung in der
Markierungsfrage vor.
Im Endlager werden zukünftig die abgebrannten
Brennelemente
aus den Schweizer Atomkraftwerken lagern. Tief unter der
Erdoberfläche strahlt der Abfall noch viele Generationen lang. Die
ersten tausend Jahre so stark, dass ihn niemand direkt anfassen sollte.
Und kommen die Brennelemente mit Grundwasser in Kontakt, verseuchen sie
dieses noch mehrere Zehntausend Jahre lang. Experten sind sich einig:
Unsere Nachkommen sollen zumindest die nächsten 10 000 Jahre davor
gewarnt werden, den Atommüll auszugraben. Doch wie schreibt man
"Gefahr" im Jahr 12 000?
Atompriester und Strahlenkatze
10 000 Jahre sind eine lange Zeitspanne. Zum Vergleich:
Geht man
dieselbe Zeit in unserer Geschichte zurück, haben die Menschen
noch nicht einmal geschrieben. Die ersten Jäger und Sammler wurden
damals als Bauern sesshaft. Die Pyramiden in Ägypten sind
lediglich 4500 Jahre alt. Und dass wir die Hieroglyphen entziffern
können, ist reiner Zufall. Napoleons Soldaten stiessen im Jahr
1799 bei der Besetzung des Nilraums auf den sogenannten Rosettastein,
worauf dreimal derselbe Text eingraviert ist: einmal in Hieroglyphen,
einmal in demotischen Zeichen, einer weiteren ägyptischen
Schriftsprache, und einmal in griechischen Zeichen.
Anfang der 1980er-Jahre befasste sich eine Gruppe von
Kernphysikern, Anthropologen und Verhaltensforschern im Auftrag der
US-Regierung erstmals mit der Frage, wie ein Endlager markiert werden
könnte. Auch europäische Wissenschaftler griffen die Frage
auf. Marcos Buser nimmt diese Vorschläge in seiner Studie auf.
Darunter sind simple Lösungen wie Monumente aus Stein oder einem
Wald aus Schildern in verschiedenen Sprachen. Aber auch einige
überraschende Vorschläge: Der Linguist Thomas Sebeok, damals
Professor an der Indiana University in Bloomington, USA, schlug eine
"Atompriesterschaft" vor. Die privilegierten Priester sollten über
dem Endlager in einem Kloster meditieren und die Botschaft von
Generation zu Generation weitergeben. Sebeok argumentierte, dass
Religionen wie das Christentum lange Zeit überdauern. Die
Schriften, auf die das Alte Testament zurückgreift, wurden vor
3000 Jahren geschrieben.
Françoise Bastide, eine Kommunikationsforscherin in
Paris,
schlug vor, eine Strahlenkatze zu züchten, deren Fell sich
verfärbt, wenn sie mit Radioaktivität in Kontakt kommt.
Mythen um die Strahlenkatze sollen dafür sorgen, dass die Menschen
in 10 000 Jahren richtig reagieren, wenn Radioaktivität aus dem
Endlager austreten sollte.
Oder doch nicht markieren?
Über die Jahre hinweg kamen immer mehr Forscher zum
Schluss,
dass das Lager besser gar nicht gekennzeichnet werden sollte. Denn eine
Tafel, die davor warne, hier zu graben, wecke erst recht die Neugierde,
argumentieren sie. So haben den Pharaonen alle Warnungen und
Flüche nichts genützt. Grabräuber plünderten die
Pyramiden. Die Mumie von Tutanchamun hingegen, die erst viel
später gefunden wurde, war im Tal der Könige in einer
Felswand versteckt.
Von der Idee, das Lager zu tarnen, hält Buser nichts:
"Unsere Nachkommen werden das Lager finden, sei es mit
Satellitenbildern oder anhand der Strukturen in der Vegetation." Er
kann zwar das Argument einiger Wissenschaftler nachvollziehen, dass
unsere Zivilisation verschwinden und eine neue Kultur entstehen
könnte. Trotzdem geht er davon aus, dass sich das Wissen der
Menschheit weiterentwickelt und neue Technologien genutzt werden.
"Sicher wird es Krisen geben, sogar schwere Krisen. Aber ich kann mir
nicht vorstellen, dass alles Wissen auf einmal von der Erdkugel
verschwindet", so Buser.
Billige Tonscherben
Das Endlager soll also markiert werden. Aber wie? In der
Nähe von Carlsbad im US-amerikanischen Bundesstaat New Mexico
entsteht ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive
Abfälle. 16 Granitblöcke mit einer Höhe von sieben
Metern sollen das Endlager markieren. Um den Bereich wird
zusätzlich ein zehn Meter hoher Erdwall errichtet. Ausserhalb
dieses Quadrats mit einer Seitenlänge von sechs Kilometern stehen
nochmals 32 Granitblöcke.
Buser ist skeptisch: "Granit ist als Baustoff zu wertvoll.
Die
Pyramiden in Ägypten waren mit weissem Kalkstein verziert, der
über die Jahre gestohlen und für andere Bauten verwendet
wurde." Die Markierung sollte aus wertlosem Material bestehen,
schlägt er vor. Es sollten auch keine grossen Monumente sein.
Diese würden bei einer Machtübernahme oft zerstört. "In
Cluny in Frankreich bauten die Benediktinermönche im Mittelalter
ein Kloster, dessen Kirche über Jahrhunderte die grösste war
in Europa. Napoleon liess die Kirche sprengen und nutzte die Steine
für das Gebäude seiner Pferdezucht", so Buser.
Busers Idee ist viel einfacher. Er würde ein Endlager
nicht
mit auffälligen Monumenten markieren, sondern mit Tausenden
kleinen Tonstücken: "Gebrannter Ton ist langlebig und wertlos.
Touristen lassen selbst 13 000 Jahre alte Tonscherben liegen, wenn sie
in der Wüste drauftreten."
--
Schweizer Endlager Nagra besichtigt potenzielle Standorte
Ab Juli wird die Nagra alle sechs potenziellen Standorte
für
ein radioaktives Endlager besichtigen, um abzuklären, wo die
nötigen Hochbauten sowie Anschlüsse auf Schiene und Strasse
erstellt werden, wie das Bundesamt für Energie (BFE) gestern
mitteilte. Für die oberirdischen Anlagen wird eine Fläche von
bis zu acht Hektaren benötigt.
Michael Aebersold, im BFE zuständig für den
Bereich
radioaktive Abfälle, fordert in den nächsten zehn Jahren eine
Entscheidung, wie der Ort markiert werden soll. "Das Endlager muss
nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in der Tiefe markiert
werden. Dies muss bei Beginn des Baus berücksichtigt werden", so
Aebersold. Er denkt dabei an unsere Nachfahren, die für
Geothermiekraftwerke oder Trinkwasser in die Tiefe bohren könnten.
Das Ziel sei aber auch, sich weltweit zu einigen, wie ein Endlager
markiert werden soll. Aebersold: "Als wir vor zehn Jahren vorschlugen,
die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle zu
berücksichtigen, stiessen wir international auf Widerstand. Heute
hat sich diese Ansicht durchgesetzt. Nun wollen wir bei der Markierung
der Endlager ebenfalls einen möglichen Weg vorzeigen." (klb)