MEDIENSPIEGEL 12.7.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Velokurier@Reitschule
- Stadttauben wieder weggezogen
- Rauchverbot: 1 Jahr und 30 Vergehen
- Narrenkraut. Rappaz ins Inselspital verlegt
- Drogen: Ritalinboom in der CH
- SIP vs Nightlife ZH
- Villa Rosenau: Bald Räumung?
- Revolte Basel: Shoppingmeile immer noch unter Schock
- Knast-Tod VD: 5 Cops verwarnt
- Bundeskriminaltango: 100'000 Franken bei BuKripo weg
- Big Brother: Aufsichtsfrage; Datenschutzfront; Thür-Inti;
SP BE
will Klarheit; Rolle Bundesrat; Privatisierung
- Juso LU will Pnos verbieten
- Anti-Atom: Schulung für Mühleberg-Super-GAU; Endlager
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REITSCHULE
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Fr 16.07.10
20.00 Uhr - Vorplatz - Albino und Madcap (D) ab 22.00 -
Polit-Rap
Do 22.07.10
22.00 Uhr - SLP - CIVET (USA) Rock'n'Roll, Support:
Snakebone (CH) -
Punkrock
Mi 28.07.10
22.00 Uhr - Vorplatz - SLP-Offene Bühne
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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VELOKURIER@REITSCHULE
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Bund 12.7.10
Urbaner OL mit minimalem Bike
Ein Sport aus der Velokurierszene findet in Bern
Verbreitung: An
sogenannten Alleycats messen sich Fixie-Liebhaber im Orientierungslauf
auf Rädern.
Felicie Notter
Was zum Teufel macht der bärtige Typ mit den vielen
Bierflaschen im Gummiboot mitten auf der Aare, mögen sich die
Badenden am Samstagnachmittag bei der Felsenau gefragt haben. Die
Antwort kommt unvermittelt: Eiligst radelt eine Schar Velofahrer an,
wirft die Gefährte hin, rennt an den Strand. Sie lachen, als sie
das Gummiboot sehen - ihre Aufgabe ist klar: Unter den Augen der
verwunderten Badenden springen sie mitsamt der Kleider ins kühle
Nass, schwimmen zum Gummiboot, und der Bärtige reicht eine Flasche
Bier zur Belohnung. Geschafft ist Posten eins des Alleycat.
Gestählte Waden in der Stadt
Ein Alleycat ist eine Art Schnitzeljagd im urbanen Raum,
die aus
der Velokurierszene stammt. Alleycats werden etwa im Rahmenprogramm von
Velokurier-Meisterschaften durchgeführt, an denen die Kuriere
abgesperrte Parcours abfahren und fiktive Aufträge erledigen. Im
Gegensatz dazu finden die Alleycats auf offener Strasse statt. Nicht zu
verwechseln sind sie mit Mountainbike-Orienteering ("Bike-OL"), in dem
die Könizerin Christine Schaffner soeben eine WM-Medaille geholt
hat (siehe auch Seite 15).
In der Velokurierszene wurzelt auch der Trend der
sogenannten
Fixies - Lust- und Identifikationsobjekt der meist männlichen
Fahrer. Das sind Starrgangvelos ("fixed gear"), die nur einen Gang
haben und keinen Freilauf - eine sportliche Angelegenheit, welche die
Waden stählt: Tretpause gibt es keine. Durch die
1:1-Übersetzung wird mit den Pedalen nicht nur gebremst, sondern
auch rückwärtsgefahren. Die minimal ausgestatteten,
äusserst wendigen Fahrräder wurden in den letzten Jahren
zunehmend populärer - auch im topografisch wenig geeigneten Bern.
Die meisten der Teilnehmenden am Samstag haben ein solches Fixie, aber
es sind auch "Gümeler" mit von der Partie - diejenigen mit Rennrad.
Pete - man kennt sich nur mit Vornamen - hat das Alleycat
diesmal
mitorganisiert. Es geht los, nachdem er die Karten mit den Anweisungen
ausgeteilt hat, das Manifest, auf dem die verschiedenen Checkpoints
eingezeichnet sind. Am Start sind sechzehn Leute, schätzungsweise
zwischen zwanzig und dreissig Jahren, darunter zwei Frauen. Manche sind
sportlich gekleidet, andere fahren in Röhrchenjeans.
Man spornt sich gegenseitig an
"Es ist eine Herausforderung, sich jedes Mal ein Thema als
roten
Faden des Alleycat auszudenken", sagt Pete. So mussten sich bei einem
"Pink Alleycat" die Teilnehmer an jedem Posten einen Fingernagel
lackieren. Oder konnten im "Gamble Alleycat" beim Blackjackspielen
wertvolle Minuten dazugewinnen oder verlieren.
Diesmal ist es ein "Brewery Alleycat", bei dem an weiteren
Stationen in Brunnen oder Schachteln versteckte Bierflaschen gefunden
und eingepackt werden müssen. Nach dieser ersten, erfrischenden
Station teilen sich die Wege: Die Route ist frei wählbar und
führt die Orientierungsfahrer nach Reichenbach, zum Gurten, zum
Bärengraben und in die Matte, das spätere Ziel - vorerst gibt
es hier aber erst einmal nur einen neuen Plan, der auch noch nach Worb
führt.
Die Ersten - einer der beiden ist professioneller
Restaurant-Kurier - fahren eineinhalb Stunden nach dem Start ins Ziel
in der Matte ein, die Letzten brauchen zweieinhalb Stunden. Die Bilanz:
ein ausgerissenes Pedal-Körbchen, eine blutende Schramme am
Schienbein, ein geplatzter Reifen - und doch nur zufriedene Gesichter.
"Es geht schon um die sportliche Leistung", sagt Pete. "Das Erlebnis,
in der Gruppe zu fahren, ist aber fast genauso wichtig. Wir üben
zusammen Tricks und spornen einander gegenseitig an. Wir leben das
Fixiefahren, es ist fast eine Lebensphilosophie." Vernetzt sind die
Fahrer über einen Blog, der die öffentlichen Alleycats wie
auch das regelmässig stattfindende Bikepolo ankündigt.
Bei der Preisverleihung werden die Ersten, die beste Frau
und die
Letzten ausgezeichnet - diesmal nicht wie andere Male mit gesponsorten
Veloteilen, sondern mit Fleisch fürs gemeinsame Bräteln.
Später gehts weiter in die Reitschule, wo ein Velofilmabend
stattfindet. Das zusammengesammelte Bier ist bis dahin noch nicht
ausgetrunken.
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STADTTAUBEN
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bernerzeitung.ch 12.7.10
Wo sind die "Stadttauben" hingezogen?
js
Im Juni hatten sich die "Stadttauben" mit mehreren
Wohnwagen am
Niederriedweg bei Matzenried niedergelassen. Nun hat die alternative
Wohngruppe das Grundstück wie gefordert geräumt.
Die Stadtbauten Bern hatten die Stadttauben am 29. Juni
aufgefordert das besetzte Grundstück bis am Montag, 12. Juli um 8
Uhr zu räumen.
Wie ein Augenschein vor Ort zeigte, sei das Ultimatum von
den
Besetzern eingehalten worden, teilen die Stadtbauten Bern mit. Wohin
die Stadttauben weitergezogen sind, ist zurzeit nicht bekannt.
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Bund-Dossiers:
http://www.derbund.ch/bern/Stadttauben-sind-weggezogen-Wohin/inhalt-2/stadttauben/s.html
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RAUCHVERBOT
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Bund 12.7.10
Das Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen ist seit einem Jahr in
Kraft
Die Polizei hat etwas über 30 Vergehen von Wirten
geahndet
Jeder achte Betrieb hat ein Fumoir eingerichtet. Das
Rauchverbot
ist akzeptiert.
Die Einführung des Rauchverbots scheint reibungslos
über die Bühne gegangen zu sein. In der Stadt Bern kam es zu
einer Handvoll Anzeigen gegen Wirte und Gäste. Im übrigen
Kantonsgebiet registrierte die Polizei 32 Vergehen von Wirten, 2 von
Gästen sowie 2 von Personen, die in anderen öffentlich
zugänglichen Räumen rauchten, wie bei der Kantonspolizei zu
erfahren war.
Vor der Einführung des Verbots schätzten
Fachleute,
dass fünf bis zehn Prozent der Gastbetriebe ein Fumoir einrichten
werden. Nun steht fest, dass es mehr sind. Aufgrund der Zahlen aus Bern
und dem Emmental ergibt sich ein Anteil von gut zwölf Prozent. In
Bern haben laut Marc Heeb, Leiter Gewerbepolizei, bisher 72 von gut 600
Betrieben ein Fumoir eingerichtet. Gleich ist das Verhältnis im
Emmental (75 von rund 600). Gemäss Markus Grossenbacher,
Regierungsstatthalter im Emmental, ist die Einführung des Gesetzes
und die Bewilligung von Fumoirs "bisher gut gelaufen". Die Stimmung
unter den Wirten reiche von "nicht begeistert" bis "zufrieden". Die
Aufregung habe sich gelegt.
Ob wegen des Rauchverbots bereits Stellen verloren gingen,
wie
dies Gastrobern, der Verband der Wirte, Ende letzten Jahres
befürchtete, ist unklar. Möglicherweise würden sie im
Herbst Umsatzerhebungen durchführen, um genau diese Frage zu
klären, heisst es beim Verband. Generell lasse sich Folgendes
sagen: Während Speiserestaurants kaum etwas spürten, seien es
vor allem Kleinbetriebe wie Bars, Pubs oder die klassische
Quartierbeiz, die Umsatzeinbussen hinzunehmen hätten (siehe
Artikel oben). Vorgesehen sei, beim Kanton "auszuloten", ob sich einige
Punkte in der Verordnung nicht etwas "branchenfreundlicher"
ausgestalten liessen.
Von "offensichtlich positiven Effekten" spricht dagegen
EVP-Grossrat Ruedi Löffel. Er hatte entscheidenden Anteil daran,
dass im Kanton Bern vor Jahresfrist ein Rauchverbot eingeführt
wurde. Seine Bilanz sei "durchwegs positiv". Dies zeigten ihm
zahlreiche Rückmeldungen. Gerade für Menschen mit
Atemwegsproblemen habe das Verbot einen grossen Einfluss auf ihr
Wohlbefinden. Der Kanton Bern sei dem Ziel, dass Nichtrauchen im
öffentlichen Raum zur Normalität wird, einen grossen Schritt
nähergekommen, hält er fest.
Wirte versus Lungenliga
Unumstritten ist das Rauchverbot nach wie vor nicht: Die
Interessengemeinschaft Freie Schweizer Wirte um den Oberaargauer
SVP-Mann David Herzig sammelt Unterschriften für eine
eidgenössische Initiative. Kernforderung: Jeder Wirt soll selber
entscheiden dürfen, ob in seinem Betrieb geraucht wird oder nicht.
"Wir sind mit der Sammlung recht gut auf Kurs", sagt Herzig. Die
Sammelfrist läuft in einem Jahr ab.
Umgekehrt gibt es Bestrebungen, das Verbot auf Bundesebene
zu
verschärfen: Die Lungenliga hat ihre Initiative bereits
eingereicht. Rauchen soll in Fumoirs zwar möglich bleiben,
allerdings dürften diese, anders als heute im Kanton Bern, nicht
bedient werden. (db)
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Knackpunkt Fumoir
Das Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen ist am 1. Juli
2009 in
Kraft getreten. Seither gilt im Kanton Bern in öffentlich
zugänglichen Räumen wie Einkaufszentren,
Verwaltungsgebäuden, Kinos, Schulen und in Restaurants ein
Rauchverbot. Das Gesetz war weitgehend unumstritten - bis auf die
Ausgestaltung von Fumoirs (Raucherstüblis) in Restaurants. Der
Regierungsrat wählte hier - zum Missfallen von Gastrobern, dem
Arbeitgeberverband der Wirte - eine harte Linie: Die Grösse wurde
relativ (maximal ein Drittel der Betriebsfläche) und absolut (60
Quadratmeter) limitiert. Bedienung in Fumoirs ist erlaubt; sie
dürfen jedoch keine Ausschankvorrichtungen enthalten (damit sich
das Personal nicht dauerhaft im Fumoir aufhalten muss). Zudem ist der
Zutritt nur Personen erlaubt, die älter als 18 Jahre sind.
Gastrobern ging wegen einiger dieser Punkte bis vor Bundesgericht, hat
aber verloren. Ärgerlich für manche Wirte ist, dass das im
Mai in Kraft getretene nationale Gesetz zum Schutz vor dem
Passivrauchen liberaler ist als das kantonale. So dürfen zum
Beispiel spezielle Raucherbeizen geführt werden. Zulässig
sind auch Ausschankvorrichtungen in Fumoirs. Allerdings: Der Bund
erlaubt es den Kantonen ausdrücklich, strengere Bestimmungen zu
erlassen. (db)
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NARRENKRAUT
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sf.tv 12.7.10
Bernard Rappaz ins Inselspital nach Bern verlegt
pd/from
Seit mehr als 100 Tage verweigert der streitbare Hanfbauer
aus
dem Wallis, Bernard Rappaz, nun die Nahrungsaufnahme. Deshalb hat
Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten nach Rücksprache mit
den Verantwortlichen des Departements sowie medizinischen und
juristischen Fachpersonen die Verlegung Rappaz' ins Berner Inselspital
angeordnet.
Die Verlegung ins Inselspital hat zum Ziel, den
Strafgefangenen
in einer neuen Umgebung und unter neuer Betreuung zu überzeugen,
die Nahrungsaufnahme wieder aufzunehmen. Dabei wird das Ärzte- und
Pflegeteam Bernard Rappaz erneut über die Folgen dieses
Hungerstreiks für seine Gesundheit sensibilisieren.
Der Hungerstreik von Bernard Rappaz bringt zwei
grundlegende
Prinzipien der Rechtsordnung in Konflikt: Das Recht auf
persönliche Freiheit eines jeden Menschen - und somit eines jeden
Strafgefangenen -, und die Pflicht des Staates, das Leben der
Strafgefangenen zu schützen.
Ärzte stimmen Zwangsernährung zu
Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände
eines
langen Hungerstreiks, ist das Departement für Sicherheit,
Sozialwesen und Integration (DSSI) der Überzeugung, dass die
Pflicht des Staates, dem Tod von Bernard Rappaz vorzubeugen, der
persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzuziehen ist.
Nachdem unterschiedliche Lösungen auf therapeutischer
Ebene
gesucht wurden, hat das DSSI die grundsätzliche Zustimmung der
Ärzte des Inselspitals erhalten, dass notfalls lebensrettende
Sofortmassnahmen zum Schutz des Lebens von Bernard Rappaz getroffen
werden.
Schweres Vergehen
Rappaz war im November 2008 wegen schweren Verstosses gegen das
Betäubungsmittelgesetz zu fünf Jahren und acht Monaten
Gefängnis verurteilt worden.
Im März 2010 trat er seine Strafe an. Aus
medizinischen
Gründen infolge seines Hungerstreiks war die Strafe im Mai
vorübergehend ausgesetzt worden.
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Aargauer Zeitung 12.7.10
Das eigene Leben als Druckmittel
Seit rund 60 Tagen ist Biobauer Rappaz im Hungerstreik.
Darf der
Staat ihn sterben lassen?
Die Walliser Behörden befinden sich in einem Dilemma.
Sollen
sie Bernard Rappaz zwangsernähren oder sterben lassen? Experten
sind geteilter Meinung.
Martin Rupf
Der 57-jährige Biobauer Bernard Rappaz spielt mit den
Walliser Behörden wieder Katz und Maus. Seit März dieses
Jahres sitzt er eine knapp sechsjährige Haftstrafe wegen Verstoss
gegen das Betäubungsmittelgesetz ab. Zurzeit liegt er -
geschwächt von rund 60 Tagen Hungerstreik - im Unispital Genf.
Der Biobauer hält die Walliser Justizbehörden
schon
seit 1996 auf Trab, als er in grossem Stil Hanf anzubauen begann. 2001
stellte die Polizei auf seinem Hof 50 Tonnen Hanf sicher, wofür er
16 Monate Gefängnis erhielt. Im August 2008 verurteilte ihn das
Walliser Kantonsgericht zu knapp 6 Jahren Gefängnis. Das
Bundesgericht bestätigte dieses Urteil. Rappaz verlangte eine
Revision seines Prozesses. Um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen,
hatte er sich in Hungerstreik begeben. Zwischendurch gar mit Erfolg: Im
Mai gewährte die Walliser Justizdirektorin Esther
Waeber-Kalbermatten dem Biobauern wegen des Hungerstreik einen
Haftunterbruch. Kaum war Bernard Rappaz aber frei, hielt er die
Behörden zum Narren.
Juristen und Ärzte in der Zwickmühle
So erstaunt es denn auch nicht, dass Waeber-Kalbermatten
ein
zweites Gesuch um Haftunterbruch ablehnte, worauf Rappaz den
Hungerstreik fortsetzte. Das Walliser Kantonsgericht lehnte vergangene
Woche zudem den Rekurs Rapazz' gegen diesen Entscheid der
Justizdirektorin ab. Nun will sein Anwalt vor Bundesgericht gehen.
Die Behörden stecken im Fall Rappaz einem gewaltigen
Dilemma. Lassen sie ihn verhungern, machen sie sich allenfalls der
Tötung wegen Unterlassung schuldig. Ordnen sie eine
Zwangsernährung an, könnte Rappaz die Behörden wegen
Körperverletzung verklagen. Auch die Ärzte stecken in der
Zwickmühle. Müssen sie den Willen Rappaz', nicht behandelt
werden zu wollen, berücksichtigen?
"Der Entscheid zum Hungerstreik muss medizinisch
respektiert
werden - auch im Falle eines beträchtlichen Gesundheitsrisikos."
So steht es in den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der
Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Mit anderen Worten: Die Ärzte
greifen nicht ein, sondern respektieren den Willen des Häftlings.
Dies selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass der
Betroffene urteilsfähig ist, wiederholt über die Risiken
aufgeklärt wurde und ihm täglich Nahrung angeboten wird. Der
Wille ist selbst dann zu respektieren, wenn der Patient in ein Koma
fällt, vorausgesetzt, er hat ausdrückliche Anordnungen
für den Fall eines Bewusstseinsverlustes hinterlegt.
Keine einheitliche Regelung
Juristisch gestaltet sich die Frage komplizierter, da es
in der
Schweiz keine einheitliche Regelung gibt. Der Zürcher
Strafrechtsprofessor Christian Schwarzenegger tendiert eher dazu, eine
Zwangsernährung anzuordnen, wie er in der Sendung "Schweiz
aktuell" des Schweizer Fernsehens sagte. Grund: Rappaz habe klar
geäussert, dass er leben wolle und er darauf vertraue, dass ihn
die Behörden nicht sterben lassen würden. Somit sei Rappaz
vom ursprünglichen Willen, zu sterben, abgewichen. Zudem habe der
Staat eine Garantenstellung inne, die ihn dazu verpflichte, Rappaz am
Leben zu erhalten.
Diese Einschätzung teilt die Zürcher
Strafrechtsprofessorin Brigitte Tag nicht: "Die unklare Rechtslage
führt dazu, dass man zwar unterschiedlicher Ansicht sein kann. Ich
tendiere aber eher dazu, Rappaz' Willen zu berücksichtigen." Es
träfe zwar zu, dass die Behörden eine Garantenstellung
hätten. Doch daraus könne nicht zwingend eine Pflicht
abgeleitet werden. "Wenn Rappaz ausdrücklich festhält, nicht
behandelt werden zu wollen, dann ist das zu respektieren." Brigitte Tag
gibt zu bedenken, dass Rappaz nicht zum ersten Mal zum Hungerstreik
greife, um die Behörden zu nötigen. "Ich habe
Verständnis, dass sich der Staat mit solchen Mitteln nicht
erpressen lassen will." Wenn Rappaz sage, er wolle eigentlich leben,
sei das mit Vorsicht zu geniessen. "Er möchte unter der Bedingung
leben, wieder frei zu sein." Doch diese Bedingung könnten die
Behörden nicht erfüllen. Tag: "Von einem absoluten
Lebenswillen kann deshalb nicht die Rede sein."
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La Liberté 12.7.10
Bernard Rappaz se contenterait d'une promesse pour interrompre
son
jeûne
Détention - Chaque jour qui passe fait monter la
pression
autour du chanvrier valaisan, dont la grève de la faim est
entrée dans une phase très critique.
Eric Felley
Boris Ryser, l'ami fidèle de Bernard Rappaz, lui a
rendu
visite hier dans l'après-midi, après un mois, et l'a
trouvé dans un état alarmant: "Il m'a fallu une bonne
minute pour reconnaître son nouveau visage. Mais il est encore
bien dans son combat. Il tiendra encore cette semaine, mais pas plus.
C'est la semaine de tous les combats pour lui et pour nous."
Selon Boris Ryser, le chanvrier pourrait casser son
jeûne:
"S'il avait une promesse, par l'intermédiaire de son avocat, que
les autorités valaisannes réfléchiront à un
aménagement dans l'exécution de sa peine, il
recommencerait à manger. Simplement une promesse, pas besoin
d'une concrétisation immédiate." Les amis de Bernard
Rappaz gardent dans cette optique le contact avec la conseillère
d'Etat Esther Waeber-Kalbermatten, qui a rencontré le
détenu au début juillet à la section
carcérale des Hôpitaux universitaires genevois (HUG).
Il a perdu 30 kilos
Depuis plus de 100 jours, hormis une courte pause, le
chanvrier
valaisan a cessé de s'alimenter pour protester contre la peine
de 5 ans et 8 mois qu'il doit purger. Il a perdu quelque 30 kilos. La
perspective de sa mort se rapproche dangereusement et la pression monte
de toute part. Une nouvelle manifestation est prévue mercredi 14
juillet devant les HUG.
Du côté des autorités, la
fermeté
prévaut. La conseillère d'Etat ne veut plus lui donner
crédit d'une nouvelle interruption de peine. Le Tribunal
cantonal valaisan lui a refusé vendredi une nouvelle mise en
liberté, décision qui fait déjà l'objet
d'un recours d'urgence au Tribunal fédéral. Enfin le
Grand Conseil valaisan, saisi d'une grâce, ne se réunit
qu'au mois de septembre, où il pourrait discuter du cas en
plénum.
De son côté, Bernard Rappaz, 57 ans, s'il
donne des
signes alarmants sur le plan physique, garde toute sa tête pour
confirmer qu'il ira jusqu'au bout dans sa lutte. La trajectoire de sa
vie est entièrement marquée par une escalade dont les
événements d'aujourd'hui en sont le paroxysme. Fils
unique, "enfant gâté" disent les gens de Saxon où
il est né, il n'a cessé d'affronter l'autorité.
Les paradoxes sont suffisamment nombreux dans sa vie pour que le
personnage peine à trouver l'adhésion dans l'opinion
valaisanne. Objecteur de conscience au moment de faire l'armée,
fondateur du Mouvement d'action non violent dans les années 70,
il ne manquait pas de participer au dynamitage d'un pylône
électrique ou de braquer en plein jour et cagoulé,
l'agence de la Banque cantonale du Valais dans son village.
Puis ce furent les années du chanvre, des tisanes,
des
coussins thérapeutiques, des litières pour chat, des
huiles essentielles, mais surtout du commerce pour la consommation
récréative et psychotrope. Ce fut le temps aussi des
grèves de la faim à répétition lors de
chaque séjour en prison préventive. Au début des
années 2000, la politique suisse semblait sur la voie de la
dépénalisation. Malheureusement pour lui, avec la
montée de l'UDC, le tour de vis à droite faisait capoter
l'initiative en 2008. Bernard Rappaz y avait cru un peu tôt.
De Gandhi à Farinet
Cela dit, le chanvrier valaisan est doté d'une
personnalité complexe et égocentrique bien au-delà
de la normale. Durant ces dernières années, la mythomanie
n'a cessé d'accroître son emprise sur lui. Les figures
historiques de Gandhi, du dalaï-lama et du bandit valaisan Farinet
se sont imposées. D'abord par des références
anecdotiques, voilées, puis de plus en plus par un jeu
d'égal à égal. Tout y est. La répression,
le combat, la cause, le jeûne, la persécution et
l'injustice ont dirigé son esprit dans un cercle de
pensées dont il peut difficilement sortir aujourd'hui.
Certains de ses amis proches craignent que
l'autorité
décide cette semaine une expertise psychiatrique, pour justifier
qu'il soit nourri de force. Ces derniers temps pourtant, il n'a pas
manifesté de signes de faiblesse intellectuelle, c'est en tout
cas l'avis de Boris Ryser: "Je suis en contact avec lui pour les
affaires de la ferme, en ce moment les récoltes. Il est
parfaitement au courant de ce qu'il faut faire et tout à fait
lucide." Autour de lui, c'est toujours le dilemme: respecter sa
volonté exprimée maintes fois sur sa détermination
d'aller jusqu'à la mort, ou le sauver malgré lui par
devoir d'assistance. L'Etat, dont c'est finalement la
responsabilité, n'a plus vraiment de marge de manœuvre pour se
déjuger.
Bernard Rappaz, il l'a répété, n'a
pas envie
de mourir. Ses proches, plongés de plus en plus dans la
tristesse, n'ont pas envie qu'il meurt non plus. Il n'a pas
caché ici ou là, sous la confidence, qu'il recommencerait
à manger. Un secret espoir qui fait vivre ses amis. Mais
d'autres ne cachent pas qu'il a toujours fait ce qu'il a voulu. Et
qu'il pourrait bien tout autant se laisser aller jusqu'au bout.
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DROGEN
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Sonntag 11.7.10
Ritalin-Boom: Burkhalter muss sich erklären
Gesundheitskommission will von Bundesrat jetzt Fakten zur
Verschreibungspraxis
von Nadja Pastega
Die europäische Arzneimittelbehörde hat die
Zulassung
von Ritalin eingeschränkt: Die Behandlung darf nur noch unter
Aufsicht eines Spezialisten durchgeführt werden. Für
Erwachsene und Senioren ist Ritalin nicht zugelassen.
Der Verkauf von Ritalin und anderen Methylphenidaten ist
in der
Schweiz erneut um 10 Prozent gestiegen - vor allem bei Erwachsenen
nimmt der Konsum massiv zu, und sogar Senioren werden damit behandelt.
In 189 Fällen führten Methylphenidate zu Zwischenfällen
- bis hin zu Hospitalisationen ("Sonntag" vom 4. Juli). Jetzt werden
nationale Politiker aktiv: Sie verlangen Auskunft von
Gesundheitsminister Didier Burkhalter.
"Wir werden Bundesrat Burkhalter in die Kommission
einladen und
ihn fragen, wie er die Verschreibungspraxis einschätzt", sagt der
Zürcher SVP-Nationalrat Jürg Stahl, Mitglied der
nationalrätlichen Gesundheitskommission. "Geklärt werden muss
vor allem die Abgabe von Ritalin an Erwachsene", so Stahl. Falls
Burkhalter nicht von sich aus aktiv werden wolle, werde geprüft,
ob man Swissmedic zu Gesprächen einlade oder ob es "eine
parlamentarische Intervention" brauche. "Wir werden das Thema an
unserer nächsten Kommissionssitzung von Anfang September
diskutieren."
Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die
boomenden
Psychopillen, mit denen Hyperaktivität (ADHS) behandelt wird, im
Visier: "Die Gesundheitsbehörden müssen die Entwicklung der
Ritalin-Verschreibung im Auge behalten", sagt Mona Neidhart vom BAG.
Die Europäische Arzneimittelagentur hat bereits
reagiert -
alarmiert von Berichten über erhöhte Gesundheitsrisiken wie
Herzrhythmusstörungen, Schlaganfälle, Wachstumsstörungen
und Psychosen. Die Behörde hat die Zulassung von Methylphenidaten
bei ADHS eingeschränkt. Es gelten diese Richtlinien:
"Die Behandlung muss unter Aufsicht eines Spezialisten
für
Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen erfolgen."
"Methylphenidat ist nicht zugelassen für die
Behandlung von
Erwachsenen mit ADHS. Sicherheit und Wirksamkeit sind in dieser
Altersgruppe nicht nachgewiesen worden."
"Methylphenidat darf nicht bei älteren Patienten
angewendet
werden."
Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel hat die
Zulassung von Methylphenidat bereits eingeschränkt: Spezialisten
müssen eine Ritalin-Behandlung überwachen. Swissmedic war auf
Anfrage nicht in der Lage, zu klären, ob die Schweiz die
europäischen Richtlinien ebenfalls umgesetzt hat. Klar ist:
Ritalin wird hierzulande auch an Erwachsene und Senioren abgegeben -
obwohl es keine Langzeitstudien gibt.
"In der Schweiz gilt Therapiefreiheit, jeder Arzt darf
Ritalin
verschreiben", sagt CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. Das müsse
sich ändern, fordert die Gesundheitspolitikerin: "Die Schweiz muss
die internationalen Standards umsetzen. Nur Spezialärzte sollen
Ritalin verschreiben dürfen." Kommentar Seite 13
--
Meinung
Ritalin: Stoppt die Ärzte!
von Nadja Pastega
Die Nachricht: Obwohl Langzeitstudien fehlen, boomt der
Ritalin-Konsum. Die europäische Arzneimittelbehörde hat die
Zulassung des Wirkstoffs eingeschränkt: Die Behandlung muss von
einem Spezialisten überwacht werden. In der Schweiz dagegen
herrscht Therapiefreiheit.Der Kommentar: Präparate wie Ritalin
können bei ADHS helfen, sich im Leben zurechtzufinden. Doch
angesichts der jährlich steigenden Zahl von
Ritalin-Verschreibungen stellt sich die Frage: Kann es sein, dass immer
mehr Schweizer hyperaktiv sind? Oder herrscht bei der
Verschreibungspraxis schlicht Wildwuchs?
Klar ist: Ritalin und Co. sind keine harmlosen
Medikamente.
Bekannt geworden sind "unerwünschte Nebenwirkungen" wie
Herzrhythmusstörungen, Schlaganfälle und Psychosen. Die
europäische Arzneimittelbehörde hat reagiert und
verfügt, dass die ADHS-Behandlung unter Aufsicht eines
Spezialisten erfolgen muss. In der Schweiz dagegen herrscht
"Therapiefreiheit": Jeder Arzt darf Ritalin verschreiben.
Das kann nicht sein. Das Risiko von Fehlbehandlungen ist
zu
gross. Umso mehr, als die ADHS-Diagnose laut Ärzten komplex ist.
Es braucht neue Behandlungsstandards - mit der Garantie, dass auch in
der Schweiz nur Spezialärzte eine Ritalin-Behandlung anordnen
dürfen. Mit der Überweisung vom Hausarzt zum Spezialisten ist
auch sichergestellt, dass eine Zweitmeinung vorliegt. Vorschrift muss
zudem sein, dass die Medikamente bei Langzeitbehandlungen periodisch
abgesetzt werden, um zu überprüfen, ob die Behandlung
fortgesetzt werden muss.
Aber auch die Kompetenzenregelung zwischen Swissmedic und
dem
Bundesamt für Gesundheit muss geklärt werden: Beim boomenden
Konsum von Psychopillen geht es nicht nur um die medizinische Zulassung
von Medikamenten - tangiert sind auch gesundheitspolitische Fragen. Es
muss klar sein, wie die Verantwortlichkeiten der beiden
Gesundheitsbehörden geregelt sind. Darüber hinaus ist das
Konstrukt Swissmedic grundsätzlich zu überprüfen. Denn
selbst wenn der Bund die Zulassung von Ritalin einschränken will -
gegenüber dem "unabhängigen" Heilmittelinstitut Swissmedic
hat er keinerlei Weisungsbefugnis. So lange wird Ritalin weiter ein
Mode-Medikament sein.
nadja.pastega@sonntagonline.ch
--
Illegale Ritalin-Importe
Bisher nicht bekannte Zahlen von Swissmedic zeigen:
Ritalin wird
illegal über die Grenze in die Schweiz eingeführt. "2008
wurden 8 Sendungen von Ritalin oder Imitationen mit dem Wirkstoff
Methylphenidat blockiert, 2009 waren es 16 Sendungen", sagt Ruth
Mosimann von Swissmedic. Im ersten Halbjahr 2010 wurden 7
Ritalin-Pakete beschlagnahmt. "Es handelt sich meist um Sendungen mit
70 bis 200 Tabletten, die für den Eigengebrauch von Privatpersonen
bestimmt sind", so Mosimann. Die illegalen Ritalin-Importe stammten
meist aus Pakistan. Es seien aber auch Sendungen aus Bangladesch, den
USA, Sri Lanka, Panama und Grossbritannien abgefangen worden. Laut dem
Zürcher Monitoringbericht "Sucht und Drogen 2010" ist der
Ritalin-Missbrauch gestiegen. (PAS)
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SOZIALPOLIZEI ZH
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Tagesanzeiger 12.7.10
"Das 24-Stunden-Zürich ist eine Tatsache"
Alkohol, Gewalt, Naivität: Die Wochenenden stellen
die Sip
Züri vor grosse Herausforderungen. Unterwegs in einer zeit- und
schrankenlosen Stadt.
Von Stefan Häne (Text) und Reto Oeschger (Bild)
Zürich - Draussen fällt der Regen in
Sturzbächen,
drinnen fliesst er in Strömen - der Alkohol. Samstagabend, 21 Uhr.
Der Hauptbahnhof hat sich ins grösste Jugendhaus der Schweiz
verwandelt. Die Stimmung ist aufgeputscht, ein Mix aus pubertierendem
Übermut, der leicht ins Aggressive umschlägt.
Ein Bub, keine 16, hat eben eine halb leere Flasche im
Kübel
entsorgt. Nicht ganz freiwillig. Alex und Brigitte haben ihm
erklärt, er sei zu jung, um Alkohol trinken zu dürfen. Die
beiden arbeiten für die Sip Züri, einen Betrieb des
städtischen Sozialdepartements. Vier Zweierpatrouillen sind in
dieser Nacht unterwegs. Zu tun gibt es zuhauf: Zehntausende
Ausgangshungrige tummeln sich an einem Samstagabend in Zürich.
Anders als die Polizisten tragen die Sip-Leute weder
Pistolen,
noch können sie Personen verhaften. Doch auch sie haben eine
Waffe: das Wort. "Basis unserer Arbeit ist das offene Gespräch",
sagt Sip-Betriebsleiter Christian Fischer. Die Sip vermittelt bei
Konflikten im öffentlichen Raum. Dabei versucht sie, das
gegenseitige Verständnis zu fördern und gemeinsam
Lösungen zu erarbeiten. Zwang übt sie keinen aus. Der Bub
konnte eben selber entscheiden, wie sein Abend weiterverläuft: ob
er kooperiert und sein Verhalten ändert oder sich mit der Flasche
davonstiehlt und damit riskiert, dass die Sip-Leute die Polizei
zuziehen.
Auf trinkende Jungspunde im HB trifft die Patrouille nun
am
Laufmeter. Am Ausgang zum Bahnhofquai steht ein junger Mann an die
Mauer gelehnt, besoffen. Die Sip-Leute fragen ihn, ob er Hilfe
benötigt. Was er davon mitkriegt, ist nicht klar. Jedenfalls kann
er sich selber auf den Beinen halten; lallend torkelt er weiter. Die
Sip-Leute lassen ihn ziehen. Im Extremfall landen solche Jugendliche in
der zentralen Ausnüchterungsstelle der Stadtpolizei. Sie wurde im
März eröffnet und befindet sich in der Regionalwache City.
Bis Ende Mai hat es zwei bis drei solcher Fälle pro Wochenendnacht
gegeben. Seither ist es in Fischers Wahrnehmung ruhiger geworden.
Weshalb, kann er sich nicht erklären.
"Immer zügelloser"
Eine verlässliche Aussage kann er jedoch zum
langfristigen
Trend machen: "Es wird immer zügelloser Alkohol konsumiert."
Sorgen bereitet Fischer auch, dass sich das Phänomen zeitlich
auswächst: "Das 24-Stunden-Zürich ist Tatsache." Die
Trinkgelage dauern die ganze Nacht, weshalb die Sip seit drei Jahren am
Wochenende rund um die Uhr unterwegs ist. Die Sip-Mitarbeiter
müssen ein gutes Gespür für die jungen Menschen haben.
Gefragt sei vor allem "die Fähigkeit zum Erstkontakt", sagt
Fischer. Wie wichtig dies ist, zeigt sich beim Landesmuseum. Neben dem
Eingang sitzen einige junge Frauen. Vor ihnen steht ein Kraftprotz, der
sie verbal belästigt. Das riecht nach Ärger. Sip-Patrouilleur
Benj geht auf ihn zu, findet aber keinen Draht zu ihm. Für einen
Augenblick droht der Jugendliche auszuflippen. Er fühlt sich
provoziert. Mehr Erfolg hat Maurizio. Er verwickelt ihn geschickt in
ein Gespräch. Der junge Mann ist 18, kommt aus dem Kosovo und hat
jüngst Bescheid erhalten, dass er wieder ausreisen muss. Er ist
aufgebracht. Benjs Sip-Kollege Mauro versucht, ihn zu beruhigen. Er
macht ihm klar, dass sein Verhalten die Mädchen in Angst versetzt.
Der Kosovare zieht ab. Nächste Station: Bahnhof Hardbrücke,
wo die S-Bahn im Fünfminutentakt Hunderte von jungen Menschen
ausspuckt. Die Gegend beim Escher-Wyss-Platz gehört wie der HB und
das obere Seebecken zu den Brennpunkten der Ausgangsszene. Neu
dazugekommen sind letztes Jahr der Wipkingerpark sowie das Niederdorf,
wo sich rivalisierende Jugendgruppen teilweise wüste Streite
geliefert haben. Im Bauch des Bahnhofs steht eine junge Frau im
Minirock. Sie trinkt aus einer rosaroten Wodkaflasche, die fast schon
leer ist. Dennoch sagt sie: "Ich habe fast nichts getrunken. Und der
Grossteil des Getränks ist Grapefruit." Ihr Kollege ergänzt:
"Wir haben alles unter Kontrolle. Eaaaaaaaaasy!"
"Wir sind keine Puritaner"
Solche Verharmlosungen sind gang und gäbe. Die
Flasche kann
die junge Frau gleichwohl behalten. Sie ist älter als 18."Wir sind
keine Puritaner, wir sind suchtakzeptierend." Die Sip greife nur ein,
wenn jemand zu jung sei oder es "völlig ausartet". Ist Letzteres
der Fall, ziehen sich die Sip-Leute zurück. "Wir fassen nie
jemanden an", sagt Benj.
Limmatplatz. Hier stellt sich ein besonderes Problem: die
Nähe zum Strassenstrich am Sihlquai. Die Sip-Patrouilleure Benj
und Maurizio sprechen vier junge Frauen an, die hinter dem X-tra direkt
an der Schwelle zur Sexmeile mit ihren dunklen Hinterhöfen sitzen.
Benj erklärt ihnen, es bestehe die Gefahr, dass Freier sie mit
Prostituierten verwechseln würden. Die jungen Frauen sind bass
erstaunt. Und folgen dem Rat, sich auf die Vorderseite des X-tra zu
begeben. Auch weiter vorne, beim Planet 5 am Sihlquai, drohen sich
Prostitution mit Jugendkultur zu vermischen. "Wir achten streng darauf,
dass dies nicht passiert", sagt Benj.
Kein Geld für teure Klubs
Im Klingenpark neben der Zürcher Hochschule der
Künste
trifft die Patrouille auf mehrere trinkende Jugendliche. Aufgeschreckt
durch die Uniformen des Sip-Duos, sagt einer in gebrochenem Deutsch:
"Ich bin clean. Ich habe keinen Eintrag im Strafgesetzbuch, Mann!"
Viele Jugendliche reagieren im ersten Augenblick irritiert auf die
Sip-Leute. Zuerst glauben sie, Polizisten vor sich stehen zu haben.
"Dann klären wir sie auf, was wir tun. Und schon ist die
Atmosphäre in der Regel entspannter", sagt Maurizio. Neben dem
Park, beim Club Flamingo, hat sich eine riesige Traube aus
Partygängern gebildet. "Für den Club haben wir kein Geld.
Hier zu trinken ist billiger", sagt einer der Jugendlichen. Dass er zu
viel intus habe und regelmässig überborde, streitet er wie
alle anderen ab: Heute, sagt er mit Nachdruck, sei die grosse Ausnahme.
Er habe eben die Lehrabschlussprüfung bestanden. "Das ist doch ein
Grund zum Feiern, nicht?" Vor den Toren der Finanzdirektion,
gegenüber dem Landesmuseum, liegt ein junger Mann. Auch er:
betrunken. Er ist Italiener, seit zwei Monaten in der Schweiz, auf der
Suche nach Arbeit. Maurizio gibt ihm die Sip-Broschüre, die
Adressen von Beratungsstellen enthält. "Morgen werden wir
kontrollieren, ob er wieder da ist." In der Regel kommt es nur zu
einmaligen Kontakten. Das ist anders als bei Sozialarbeitern, die die
Entwicklung ihrer Klientel mitverfolgen können. Maurizio spricht
von einer Sisyphusarbeit. Und ergänzt: "Sie macht aber Sinn."
Wirkung der Arbeit nicht belegt
Doch wirkt sie auch? Sip-Chef Fischer hofft auf die
Einsicht der
Jugendlichen nach einem Gespräch mit der Sip: Er spricht von
"Selbstreflexion", welche die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass die
Jugendlichen ihr "störendes Verhalten nicht wiederholen".
Illusionen über die Wirkung macht sich Fischer aber nicht. Die
Probe aufs Exempel liefern die Jugendlichen: Keiner der Befragten sagt,
er trinke wegen der Sip besonnener. Einer ruft unter dem Jubel der
Kollegen: "Ich lasse mir nichts vorschreiben!"
--
Das ist Sip
Sip Züri ist dem städtischen Sozialdepartement
angegliedert. Sip steht für Sicherheit, Intervention,
Prävention. Die Mitarbeiter schlichten Konflikte in
öffentlichen Anlagen und intervenieren in Parks und auf
Plätzen bei Störungen und Belästigungen. 50 Angestellte
zählt das Team. 10 neue sind in den letzten drei Jahren
dazugekommen - eine Reaktion auf das 24-Stunden-Zürich. Viele von
ihnen sind Quereinsteiger aus dem Sozial-, Gesundheits- und
Sicherheitsbereich. Hundert Prozent arbeitet ausser Chef Christian
Fischer niemand. "Aus Eigenschutz", wie Sip-Miarbeiter Benj sagt. Ein
Einsatz dauert gut zehn Stunden. "Danach ist man geschafft." Dass die
Belastung hoch ist, bestätigt Maurizio, der seit 2000 dabei ist:
"Es braucht viel innere Ruhe. Sonst brennt man schnell aus." (sth)
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VILLA ROSENAU
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Basellandschaftliche Zeitung 12.7.10
Der Bund will Villa Rosenau "verkaufen"
Basel könnte das Land um die Villa Rosenau kaufen.
Das
würde die Ausgangslage für eine Räumung ändern
Für wenige Millionen Franken soll der Kanton
über das
Areal, auf dem die Villa Rosenau steht, wieder verfügen
können. Baudirektor Wessels sieht Handlungsbedarf - aber erst
"langfristig".
Yen Duong
Die ehemalige Basler Baudirektorin Barbara Schneider
erinnert
sich wohl ungern an diesen aussergewöhnlichen Tag: Am 2. September
2004 nahmen rund 70 Personen das Haus an der Neudorfstrasse 93 in
Beschlag. Sechs Jahre später ist das Gebäude in der Nähe
der Kehrichtverbrennungsanlage im St. Johann immer noch besetzt - bis
zu zwölf Linksautonome leben dort. Mehrere Ankündigungen des
Basler Bau- und Verkehrsdepartements (BVD) in den letzten Jahren, das
Gebäude, das beim Bau der Nordtangente als Bauleitungsbaracke
diente, werde bald geräumt und abgerissen, verpufften. Und der
Name "Villa Rosenau" geniesst inzwischen in Basel Kultstatus.
Wie lange dies der Fall bleibt, ist fraglich. Das Haus
gehört zwar dem Kanton, das Land aber zu 65 Prozent dem Bundesamt
für Strassen (Astra) - noch. Es erwarb die insgesamt 4300
Quadratmeter grosse Parzelle anno 1993 im Zuge des Baus der
Nordtangente von Basel-Stadt. Und jetzt will das Astra das Land in der
Industrie- und Gewerbezone dem Kanton wieder verkaufen.
Kaufpreis noch unklar
Roger Reinauer, Leiter des Tiefbauamts im BVD,
bestätigt
Informationen der bz: "Wir haben ein Schreiben vom Astra erhalten. Wir
werden aufgefordert, dem Bund den Anteil von 65 Prozent
zurückzuerstatten - dies, weil die Nordtangente inzwischen fertig
erstellt ist und die Parzelle für den Betrieb der Nationalstrasse
nicht mehr benötigt wird." Der Kaufpreis sei noch unklar, er
befinde sich aber voraussichtlich in einer "einstelligen, kleineren
Millionenhöhe". Wahrscheinlich sei, dass der Kanton den Boden
zurückkaufen wird. "Das steht aber noch nicht fest. Die
Abklärungen laufen", meint Reinauer.
Würde der Kanton der Forderung des Bundes nachkommen,
könnte sich die Ausgangslage für eine Räumung der Villa
ändern. Bisher stand die Regierung politisch nicht unter grossem
Druck, etwas gegen die Hausbesetzer zu tun und das Land für
gewerbliche Nutzung freizugeben. Ihre Hände waren schliesslich
gebunden, da sie ohnehin nicht ganz über die Parzelle
verfügte.
Wessels hat es nicht eilig
Der Basler Baudirektor Hans-Peter Wessels räumt ein:
"Bis
jetzt gehörte die Parzelle dem Bund - wir konnten nicht handeln.
Falls der Boden wieder komplett im Besitz des Kantons ist, dann haben
wir eine andere Situation und müssen uns überlegen, was wir
machen."
Während bei den Linken unumstritten ist, dass die
Villa
Rosenau erhalten bleiben soll, steht für den Basler
SVP-Präsidenten Sebastian Frehner das Gegenteil fest: "Der
illegale Zustand muss beseitigt werden. Umso mehr, wenn das Land wieder
dem Kanton gehören würde." Die Regierung hätte aber
ohnehin längstens reagieren müssen. Die CVP, die LDP, die
Grünliberalen und die FDP haben - auf Anfrage bei den
Parteipräsidenten - keine Mühe mit dem Ist-Zustand. CVP-Chef
Markus Lehmann meint: "In der Stadt sollen alle mögliche
Wohnformen Platz haben. Ich erwarte aber, dass die Besetzer weggehen,
sobald klar ist, wie das Land neu genutzt wird. Das muss dann von den
Hausbesetzern akzeptiert werden."
Bis klar ist, was mit dem Areal geschieht, dauert es
voraussichtlich noch eine Weile. SP-Regierungsrat Wessels hat es nicht
eilig: "Ich sehe keine Notwendigkeit, dort kurzfristig etwas zu
ändern - von mir aus können wir die Villa Rosenau stehen
lassen." Langfristig sei eine gewerbliche Nutzung absehbar. "In 50
Jahren wird das Gebäude sicher nicht mehr dort sein."
--
Viel Wirbel um Villa Rosenau
Die Hausbesetzer leben gratis in der Villa Rosenau. Sie
zahlen
lediglich für das Wasser, Strom und die Nutzung des
Grundstückes. Wie viel, ist aber unklar. Zuletzt geriet das
ehemalige Sozialwohnungsgebäude in die Schlagzeilen, als
Linksautonome an einem Konzert den Basler Stadtentwickler Thomas
Kessler angriffen (die bz berichtete). Die Hausbesetzer stehen zudem im
Verdacht, für die beiden Saubannerzüge im Mai in der
Innenstadt verantwortlich zu sein. Die ehemalige Baudirektorin Barbara
Schneider meinte im Juni 2008 auf eine Interpellation von
SP-Grossrätin Ruth Widmer, dass die Villa Rosenau "nur vorerst
nicht abgerissen werde". Sobald sich eine Neunutzung des "wertvollen
Areals" abzeichne, müsse die Villa verlassen werden, sagte die alt
SP-Regierungsrätin damals.
Das Gebäude beschäftigt derzeit SVP-Grossrat
Samuel
Wyss intensiv. Er will mit einer Interpellation Fragen rund um die
Villa Rosenau beantwortet haben. So etwa, was die Regierung über
die Besetzer der Villa wisse, wie er vorgehen müsse, damit er auch
ein "Gratishaus" von der Regierung gesponsert bekomme, und ob die
Hausbesetzer auch Steuern bezahlen würden. Eine Antwort der
Regierung gibt es voraussichtlich im September. (YDU)
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REVOLTE BASEL
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Basler Zeitung 12.7.10
Schock bei Geschäftsinhabern sitzt noch tief
Basel. Sieben Wochen sind seit dem Saubannerzug in der
Freien
Strasse vergangen - die Ermittlung läuft weiter
Mischa Hauswirth
Am 21. Mai hinterliessen Chaoten in Basels exklusiver
Shoppingmeile ein Bild der Verwüstung. Noch heute zeugen
behelfsmässig geflickte Fensterscheiben von der Zerstörung.
Von den Tätern fehlt nach wie vor jede Spur.
Innert fünf Minuten zertrümmerten vermummte
Chaoten mit
Zimmermannshämmern mehrere Schaufenster in der Freien Strasse.
Zudem schmierten sie antikapitalistische Parolen sowie
Kommunismussymbole an die Fassaden. Als der Mob flüchtete, gab es
kaum einen Laden, der nicht Opfer dieses Anschlags geworden war. Der
Schaden beläuft sich auf über eine halbe Million Franken.
Basel erlitt einen Schock und die Polizei kündigte
Sofortmassnahmen an (BaZ berichtete).
Seit jenem Freitagabend suchen die Ermittler nach den
Verursachern. In Verdacht stehen Linksautonome der Hausbesetzerszene,
welche die Village Sauvage neben der Bell AG in Beschlag genommen
haben. Von den Bewohnern der Village Sauvage wollte gegenüber der
BaZ niemand etwas zu den Vorwürfen sagen. Zu gross die Gefahr, in
etwas hineingezogen zu werden, bei dem es um Schadenersatzklagen in
Höhe von über einer halben Million Franken geht. In der Szene
kursieren Geschichten von beschlagnahmten Autos, von Verdächtigen,
die von der Polizei rund um die Uhr observiert worden seien, auch
hätte es mehrere Vorladungen gegeben, heisst es gerüchteweise.
Informationsbedarf
Die Ermittler versuchen, über die Sprayereien an die
Täter
heranzukommen. Gibt es erste Erfolge? Peter Gill, Mediensprecher der
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt: "Die Ermittlungen laufen nach wie vor.
Zum Stand geben wir keine Auskunft."
Der Saubannerzug zerstörte auch Schaufenster der
Bijouterie
Mezger. Inhaber Urs Mezger stört sich daran, dass er von den
Behörden keinerlei Informationen über den Ermittlungsstand
bekommt: "Das finde ich sehr schade."
Urs Welten, Präsident von Pro Innerstadt, kennt
weitere
Geschäftsinhaber, die so denken: "Man will wissen, ob die
Staatsanwaltschaft jemanden gefasst hat und ob es Verdächtige
gibt." Die Schäden und die Unsicherheit seien eine emotionale
Angelegenheit, so Urs Welten.
Die Strafverfolgungsbehörden können dem Wunsch
nur
begrenzt nachkommen. Gill: "Auf Anfrage erhalten Geschädigte im
Rahmen der Strafprozessordnung Auskunft, sofern dadurch die
Ermittlungen nicht gefährdet werden."
Polizeipräsenz
Nach dem Saubannerzug hatte die Polizei angekündigt, ihre
Präsenz zu verstärken. Ist davon etwas zu spüren? Einige
der von der BaZ befragten Geschäfte sagen Nein, einige Ja.
Jürg Welti, Mediensprecher von Herrenglobus: "Wir stellen fest,
dass vor allem am Abend mehr Patrouillen unterwegs sind." Laut Klaus
Mannhart, Mediensprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt, setzt die
Polizei bei der Überwachung auf sichtbare und unsichtbare
Präsenz. Definitiv vom Tisch ist die Frage, ob die Polizei auf dem
Barfi einen Polizeicontainer wie an der Herbstmesse aufstellen wird.
Das sei kein Thema mehr, sagt Mannhart.
Langes Prozedere
Für Urs Welten ist klar: Der Schock bei den
Geschäftsinhabern
sitzt nach wie vor tief. "Zur Ruhe wird die Freie Strasse wohl erst
kommen, wenn die letzten Spuren der Zerstörung verschwunden sind",
sagt Welten. Das dürfte der Fall sein, wenn die letzten
Schaufensterscheiben ausgewechselt worden sind.
Die Bijouterie Mezger hat in den vergangenen Tagen die
neuen
Schaufenster erhalten. Bei Visilab kommen die kaputten Schaufenster
diese Woche weg. Warum dauert das Prozedere so lange? Eric Marti,
Montageleiter bei Blaser Bauglas AG: "Alle diese Schaufenster sind
Sonderanfertigungen. Komplexe Gläser brauchen eine Weile, bis sie
hergestellt sind. Zudem ging es bei einigen Geschäften lange, bis
die Versicherungen der Kostendeckung zustimmten."
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KNAST-TOD VD
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Zürichsee-Zeitung 12.7.10
Strafanstalt Bochuz
Fünf Polizisten verwarnt
Fünf Polizeibeamte der Waadtländer
Kantonspolizei haben
eine Verwarnung erhalten. Sie hatten sich im Zusammenhang mit dem
Todesfall eines Häftlings in der Strafanstalt Bochuz am 11.
März dieses Jahres abschätzig geäussert. "Ich
begrüsse diesen Schritt", sagte Polizeidirektorin Jacqueline de
Quattro in einem Interview mit der Tageszeitung "24 heures" vom
Samstag. "Auch wenn gewisse verbale Ausrutscher durch Stress
erklärt werden können. Eine Entschuldigung ist das nicht."
Solche Aussagen von Polizisten seien nicht tolerierbar.
Statt den Häftling aus der Zelle zu holen, wo er an
Rauch
erstickte, hatten die Gefängniswärter beim Polizeinotruf 117
Verstärkung angefordert. Auf den Aufnahmen der Gespräche
zwischen Strafanstalt und Polizeiposten sind Gelächter und
abschätzige Bemerkungen über den Häftling zu hören.
Harsche Kritik am Haftregime
Westschweizer und französische Medien hatten die
Aufnahmen
nach dem tragischen Todesfall veröffentlicht. Der Tod des
Häftlings ist vom ehemaligen Bundesgerichtspräsidenten Claude
Rouiller untersucht worden. Sein letzte Woche publizierter Bericht
übte harsche Kritik am Haftregime in Bochuz. So haben mangelhafte
Ausbildung und eine bis ins Absurde getriebene Weisungshörigkeit
des Personals zum Tod des Häftlings in der Waadtländer
Strafanstalt geführt. Als erste politische Konsequenz aus dem Fall
muss die Waadtländer Vorsteherin des Strafvollzugs gehen. (sda)
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La Liberté 12.7.10
Mort à Bochuz
Policiers sanctionnés pour propos injurieux
Cinq policiers vaudois ont écopé d'une "mise
en
garde formelle" après les propos injurieux prononcés au
sujet de Skander Vogt, le détenu mort au pénitencier de
Bochuz le 11 mars dernier. Ces propos avaient été
publiés le 16 avril par "Le Matin" et, plus récemment, la
bande-son avait été diffusée par des médias
français.
"Le stress n'excuse pas de tels dérapages verbaux",
a
déclaré samedi dans "24 heures" la conseillère
d'Etat Jacqueline de Quattro. La responsable du Département
vaudois de la sécurité et de l'environnement a
souligné qu'elle "approuve sans réserve" la sanction
prononcée cette semaine par le commandant de la police. Les
agents ont un travail difficile, mais "ils ne peuvent attendre du
respect de la société que si eux-mêmes sont
respectueux en toutes circonstances".
Après la publicité donnée à
l'affaire
par les médias, un des policiers en cause, un adjudant, a
sombré dans une profonde dépression qui a
nécessité son hospitalisation. "Sa dépression
m'afflige fortement; c'est un homme droit, un très bon gendarme
qui a rendu d'éminents services à la
société et c'est pourquoi il prend tant sur ses
épaules", a relevé Jacqueline de Quattro.
AP
---
Le Matin Dimanche 11.7.10
"Enfin un peu de justice!"
Dominique Botti
Dominique Bottidominique. botti@edipresse. ch
En quatre mois, la version officielle sur la mort par
asphyxie du
détenu Skander Vogt à Bochuz (VD), est passée d'un
extrême à l'autre. Le 11 mars, quelques heures
après le décès, les autorités affirmaient
que les gardiens n'avaient rien à se reprocher. Jeudi dernier,
le rapport interne à l'Etat de Vaud, mené par l'ex-juge
fédéral Claude Rouiller, déclarait le contraire.
Le personnel aurait pu sauver la vie de ce prisonnier,
décédé à l'âge de 30 ans après
avoir mis le feu au matelas de sa cellule du quartier de haute
sécurité.
Le rapport va même plus loin. Partant de ce drame,
l'ex-juge dresse un constat accablant du système
pénitentiaire qui a broyé la vie de ce jeune homme.
Condamné à 20 mois de prison, Skander Vogt a subi un
régime d'internement à durée illimitée.
Parce qu'il était dangereux et instable psychologiquement, selon
la version officielle. Le prisonnier est ainsi entré à
Bochuz en 2000, à l'âge de 20 ans. Il en est ressorti mort
dix ans plus tard.
Le rapport de l'ex-juge souligne que ce détenu
n'avait pas
été condamné pour des délits d'une
extrême gravité. Il n'était pas un malade mental.
Il n'était pas dangereux et n'aurait jamais dû rester
aussi longtemps dans un pénitencier. Mais plutôt dans une
institution adaptée à son cas.
Ces conclusions sont une bouffée d'oxygène
pour
Senda Vogt, 34 ans. La sœur du défunt se bat depuis dix ans pour
sauver son frère du pénitencier. Elle a tout autant
combattu la version officielle sur son décès.
• Comment réagissez-vous?
C'est un petit miracle qui s'est produit. Pour une fois,
quelqu'un d'honnête se prononce sur le cas de mon frère.
C'est la première fois qu'on lui donne la parole et qu'on
l'écoute. Il a fallu sa mort pour lui donner raison. C'est
terrible, mais cela me rassure quand même sur l'état de la
justice dans mon pays, la Suisse. Je remercie l'ex-juge Claude Rouiller
pour son travail, qui confirme ce que mon frère a toujours
défendu. Je trouve dommage qu'il n'ait pas pu prendre en charge
plus tôt le dossier de mon frère. Il serait
peut-être toujours en vie aujourd'hui
• Votre frère n'aurait-il jamais dû aller
derrière les barreaux?
Mon frère a été condamné
à 20
mois, à l'âge de 18 ans. Il a payé en prison. Mais
il n'en est jamais sorti. C'est cela qui est inadmissible. Il n'aurait
pas dû prendre "perpète". Il n'a jamais compris les
raisons de son internement à durée illimitée.
Comme moi, d'ailleurs.
• Les conclusions de ce rapport sont-elles une
délivrance?
Justice, enfin! Mon frère n'aurait jamais fait de
mal
à personne. Il aurait été le premier à se
jeter dans une cellule en feu pour sauver une vie. Je le
répète: mon frère n'a jamais été fou
et dangereux. Ou plutôt oui: il était dangereux pour le
service pénitentiaire. S'il était sorti. Il aurait
dénoncé ses conditions carcérales inhumaines.
• Vous semblez dire que cette affaire est un énorme
gâchis?
Ils ont détruit la vie de mon frère.
Dès
l'âge de 18 ans, les autorités ne lui ont jamais
donné une deuxième chance pour vivre une vie normale
après la prison, comme tout adolescent. Il était comme
tout le monde, d'ailleurs. Avant la prison, nous avons vécu des
moments formidables ensemble. Il aimait le rap. Il jouait au baby-foot.
Il aimait la piscine, les chevaux. Il avait des amis. Il aimait
rigoler. Il était plein de vie.
C'est un énorme gâchis pour moi et mon mari
aussi.
Qu'allons-nous faire maintenant, sans lui? Cela fait dix ans que nous
souffrons. Et aujourd'hui, il a disparu. Mais il reste présent
dans mon cœur, au quotidien. Il me manque. Il est toute ma vie. Il est
mon bébé.
• Suite à la publication de ce rapport, le
conseiller
d'Etat en charge des prisons, Philippe Leuba, a déjà pris
une mesure: il a démissionné la cheffe du Service
pénitentiaire, Catherine Martin. Cela vous rassure-t-il?
J'étais tellement émue, lorsque mon avocat
m'a dit
qu'elle avait été virée. Catherine Martin ne nous
a jamais pris au sérieux. Elle ne nous a jamais donné
d'explications sensées sur cet internement injuste. Elle ne
voulait rien savoir. Elle disait: "Votre frère ne joue pas le
jeu. " Je ne savais pas que la prison est un jeu. . .
Il y a d'autres responsables qui doivent payer. Je veux un
grand
procès(ndlr: une enquête pénale est en cours). Je
ne lâcherai pas le morceau, vous savez. Les gardiens et leur chef
présents sur place lors de son décès doivent
être jugés. Le directeur de Bochuz aussi.
• Le directeur Sébastien Aeby? Pourquoi?
Parce qu'il est le responsable de Bochuz. C'est lui,
d'ailleurs,
qui nous a annoncé la mort de mon frère par
téléphone. Il nous a dit: "Il s'est suicidé. " A
nouveau, il a essayé de le faire passer pour un malade, il a
essayé d'étouffer l'affaire. Mais cette fois, le mensonge
était trop gros.
• Les déclarations du conseiller l'Etat Philippe
Leuba,
faites le lendemain du décès, vous ont aussi
blessée?
Et comment! Il a prétendu que mon frère
était le détenu le plus dangereux et que les gardiens
avaient respecté la procédure lors du drame. Or, le
rapport dit le contraire. Je n'ai pas encore digéré ces
déclarations. Mais bon, un jour j'irai le rencontrer pour en
parler. Philippe Leuba est un politicien qui bouge dans le sens du
vent. Maintenant, il retourne sa veste. Il ne peut pas faire autrement
devant l'évidence.
• Vous semblez ressentir une profonde injustice.
Allez-vous
demander des dommages et intérêts?
Pourquoi pas, si l'argent récolté permet de
créer une fondation en faveur des détenus qui,
aujourd'hui, vivent la même situation carcérale que mon
frère. Mais bon, l'argent en soi ne m'intéresse pas.
J'aurai dépensé des millions de francs si cela avait pu
le sauver. Tout l'argent du monde ne rendra pas mon frère
à la vie. Sa vie n'a pas de prix. Y
--
Commentaire
Une vie jetée aux oubliettes
Dominique Botti
Le parcours carcéral de Skander Vogt ressemble
à
une autre époque. Celle où les seigneurs jetaient les
petits délinquants aux oubliettes. Skander Vogt a
été condamné en 2000. Pour des délits
certes peu recommandables, mais pas d'une extrême gravité.
Plutôt que de purger ses 20 mois ferme et ensuite tenter de
refaire sa vie, il a été interné pour une
durée indéterminée dans des conditions de
détention extrêmes (isolement cellulaire, quartier de
haute sécurité). Sans perspective de sortie. Parce qu'il
était malade et donc dangereux pour la société,
selon les autorités. Il s'est battu contre ces raisons. En vain.
Le rapport de l'ex-juge Claude Rouiller, sorti cette semaine, lui donne
entièrement raison pour la première fois. A en croire ce
document, la justice et la prison n'ont pas tout fait pour
réintégrer ce détenu dans la
société. Il a payé, parce que c'était une
grande gueule et qu'il n'a jamais accepté son internement. Sa
mort se lit ainsi comme l'aboutissement d'un énorme gâchis
humain.
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BUNDESKRIMINALTANGO
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Sonntagszeitung 11.7.10
Anzeige gegen Bundespolizei wegen Diebstahl
Es fehlen 100000 Franken - die Bundesanwaltschaft
klärt
Verdacht ab
Von Catherine Boss
Bern Die Bundesanwaltschaft klärt eine
Diebstahlsanzeige ab
mit schweren Vorwürfen gegen die Bundeskriminalpolizei. Ein
Zürcher Geschäftsmann hat im Lausanner Büro der
Bundesanwaltschaft am 22. Juni Anzeige erstattet. Vorwurf: Nach einer
Hausdurchsuchung in seinem Büro an der Zürcher Goldküste
fehlten 100000 Euro in grossen Noten.
Am 22. Juli 2009 stürmten 13 Polizisten den
Firmensitz des
Mannes - während Stunden durchsuchten die Ermittler sein
Büro. Nach der Hausdurchsuchung verhafteten sie ihn. Er sass
während drei Monaten in Lausanne in Untersuchungshaft. Die
Bundesanwaltschaft wirft ihm Geldwäscherei und Unterstützung
einer kriminellen Organisation vor.
Nach seiner Freilassung im Oktober 2009 bemerkte er den
Diebstahl. Seine Geschäftspartner versicherten ihm, dass seit
seiner Verhaftung niemand sein Büro betreten habe. Sein Anwalt
riet ihm damals von einer Anzeige ab - als Angeschuldigter in einem
Verfahren der Bundesanwaltschaft habe er keine Chance. Der Anwalt
bestätigt dies gegenüber der SonntagsZeitung.
Pikant: Dieselben Bundeskriminalpolizisten durchsuchten
einen
Monat später - am 27. 8. 2009 - das Büro eines Kadermanns der
Bankfiliale von Crédit Agricole in Zürich. Auch ihn
verdächtigt die Bundesanwaltschaft im Rahmen desselben
Ermittlungsverfahrens der Geldwäscherei. Die Polizisten
führten den Mann nach der Durchsuchung ab. Er sass einen Monat in
Haft. Nach seiner Freilassung stellte er fest, dass in seinem Büro
zwei Luxusuhren im Wert von insgesamt 65000 Franken fehlten. Die Bank
hat den Vorfall angeblich intern mit viel Aufwand untersucht - ohne
Erfolg. Gegenüber der SonntagsZeitung will Crédit Agricole
keine Stellung nehmen.
Verdächtige Bundespolizisten ermitteln gegen sich
selbst
Da sich bankintern kein Dieb finden liess und die Uhren
weiterhin
verschollen bleiben, hat der Geschädigte Ende Juni 2010 gegen
unbekannt Anzeige erstattet. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons
Zürich bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft
Zürich-Sihl eine Strafuntersuchung führt.
Die Bundesanwaltschaft ist über beide Fälle
orientiert.
"Wir klären Zuständigkeiten ab", sagt BA-Sprecherin Jeannette
Balmer. Es sei zu prüfen, meint die Zürcher
Oberstaatsanwaltschaft auf Anfrage, ob bei Abtreten durch die
Bundesbehörden die beiden Fälle Parallelen aufwiesen und
deshalb in Zürich zusammengelegt zu untersuchen seien.
Zurzeit ermitteln die verdächtigten Beamten in
eigener
Sache. Ein Bundespolizist, der bei den Hausdurchsuchungen zugegen war,
hat bereits Auskunftspersonen zum Verschwinden der 100000 Franken
befragt. "Ungeheuerlich", meint dazu der Zürcher Anwalt Bruno
Steiner. Er hat Erfahrung mit Verfahren gegen Beamte. Die Polizisten
müssten sofort in den Ausstand treten: Es gehe nicht, dass sie
selbst untersuchten. "Das wird aber bei Anschuldigungen gegen
Bundespolizisten oder Bundesanwälte systematisch so gemacht,
deshalb werden solche Verfahren in fast aller Regel eingestellt", sagt
Steiner. Beschwerden dagegen sind nicht möglich.
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BIG BROTHER
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NZZ 12.7.10
Die neue Aufsicht der Bundesanwaltschaft vor ihrer Kür
Ausreichend Interessenten für das auf Anfang 2011 zu
schaffende Gremium
Im Bund wird eine neue siebenköpfige Instanz
geschaffen,
welche die Bundesanwaltschaft beaufsichtigen soll. Das Parlament wird
die Wahl für das prestigeträchtige Amt diesen Herbst
vornehmen. Der Bundesanwalt wird ein Jahr später gewählt.
fon. Bern ⋅ Die Bundesanwaltschaft bricht organisatorisch
zu
neuen Ufern auf. Auf Anfang 2011 wird sie aus dem Eidgenössischen
Justiz- und Polizeidepartement herausgelöst und verwaltet sich
künftig selber. So will es das neue
Strafbehördenorganisationsgesetz, das im Januar in Kraft tritt.
Kein bundesrätlicher Einfluss
Für die Bundesanwaltschaft bringt die Entlassung in
die
Unabhängigkeit grosse Umstellungen punkto Budget, Logistik oder
Personalrecht mit sich; die Arbeiten wurden bis vor kurzem vom
früheren Staatsschützer Urs von Daeniken geführt, der
wegen der jüngsten Fichen-Aufregung seiner Aufgabe enthoben worden
ist. Massgeblich beeinflusst wurde das neue
Strafbehördenorganisationsgesetz von der
Blocher-Roschacher-Affäre und der Aktenvernichtung im
Atomschmuggel-Fall Tinner. Diese Turbulenzen liessen im Parlament
Misstrauen gegenüber der Landesregierung aufkommen und
förderten die Überzeugung, dass man die Bundesanwaltschaft -
die heute fachlich dem Bundesstrafgericht und administrativ dem
Bundesrat untersteht - dem Einflussbereich der Exekutive völlig
entziehen müsse.
Wahl im Herbst
Aus diesem Grund werden der Bundesanwalt sowie seine
Stellvertreter laut Gesetz nicht mehr von der Exekutive, also dem
Bundesrat, sondern vom Parlament gewählt. Auch bei der Aufsicht
über die Bundesanwaltschaft mit ihren rund 130 Mitarbeitern hat
die Regierung nichts mehr zu sagen. Diese Aufgabe wird einem neu zu
schaffenden siebenköpfigen Gremium übertragen, dessen
Mitglieder ebenfalls vom Parlament zu wählen sind.
Während der Bundesanwalt und seine Stellvertreter
erst Ende
nächsten Jahres zur Wahl in der Vereinigten Bundesversammlung
antreten müssen (vgl. Kasten), soll die neue Aufsichtsinstanz
bereits Anfang 2011 eingesetzt werden. Ihre Aufgabe ist es, die
Bundesanwaltschaft, die als untersuchende und anklagende Behörde
mit weitreichenden Eingriffsrechten und einer grossen Machtfülle
ausgestattet ist, zu kontrollieren. Eine vom freisinnigen Tessiner
Ständerat Dick Marty präsidierte Subkommission der
Gerichtskommission ist daran, das Wahlgeschäft vorzubereiten; es
soll in der Herbstsession der eidgenössischen Räte über
die Bühne gehen.
Breite Zusammensetzung
Um Leute für das prestigeträchtige Amt zu
finden, hat
die Subkommission Fachorganisationen wie den Anwaltsverband oder die
Kriminalistische Gesellschaft sowie die Rechtsfakultäten
angeschrieben. Interessenten hat es laut Marty genug; derzeit werden
die Bewerbungen gesichtet. Die Aufsichtsbehörde, die für eine
Amtsdauer von vier Jahren gewählt wird und deren Personalkosten
pro Jahr auf schätzungsweise rund 400 000 Franken veranschlagt
werden, muss sich aus je einem Richter des Bundesgerichts und des
Bundesstrafgerichts, zwei Anwälten und drei weiteren Fachpersonen
zusammensetzen. Bei der Wahl der Kandidaten geht es nicht einfach nur
darum, die Bestgeeigneten zu finden. Vielmehr spielen zahlreiche andere
Kriterien ebenfalls eine Rolle.
Angemessene Vertretung aller
So wird erwartet, dass im neuen Gremium die Frauen
angemessen
vertreten sind, auch sollen Vertreter der verschiedenen Sprachregionen
Einsitz nehmen. Vor allem aber gilt es, die Ansprüche der Parteien
zu berücksichtigen, die gemäss ihrer Stärke in der neuen
Instanz vertreten sein wollen. Für Marty darf es aber nicht zu
viele Konzessionen geben: Hauptkriterium müsse die Kompetenz der
Bewerber sein. Sie müssten die Bundesanwaltschaft gut kennen und
zeitlich verfügbar sein.
--
Wahl mit parteipolitischer Note
fon. ⋅ Die Regelung, wonach der Bundesanwalt künftig
von der
Bundesversammlung (statt vom Bundesrat) gewählt werden soll, ist
im Parlament nicht nur auf Zustimmung gestossen. Kritische Stimmen
wandten ein, dass die Wahl durch das Parlament zu einer
Verpolitisierung des Amtes führen würde. Tatsächlich ist
absehbar, dass für die Besetzung dieser grundsätzlich
"unpolitischen" Stelle parteipolitische Motive eine ganz wesentliche
Rolle spielen werden und die Fraktionen versuchen werden, die Funktion
des Bundesanwalts in den Postenschacher beim Bund einzubeziehen.
Die Wahl des Bundesanwalts sowie seiner Stellvertreter
findet
erstmals in der Wintersession 2011 statt. Der jetzige Amtsinhaber Erwin
Beyeler, der seit bald drei Jahren der Bundesanwaltschaft vorsteht und
FDP-Mitglied ist, will im kommenden Jahr zur Wahl antreten, wie er
gegenüber den Medien erklärt hat. Ob er im Amt bestätigt
wird, ist allerdings offen. Im Parlament ist Beyeler nämlich nicht
unumstritten.
Die SVP hat ihn verschiedentlich harsch kritisiert, so
wegen des
Verfahrens gegen Privatbankier Oskar Holenweger, und auch bei der
Linken ist er, der frühere Chef der Bundeskriminalpolizei, nicht
unbedingt wohlgelitten. Insofern wäre es nicht erstaunlich, wenn
noch andere Bewerber ins Rennen geschickt würden.
---
Südostschweiz 12.7.10
Genug geficht: Jetzt wird direkte Auskunft gefordert
Der Nachrichtendienst NDB hat es bei der
Fichenprüfung nicht
so genau genommen. Deshalb wehren sich jetzt die Datenschützer im
Verbund.
Von Willi Meissner
Der Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation
(GPdel)
über die Fichensammlung des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB)
verunsichert viele Menschen in der Region. Von 200 000 Personen sollen
in den Datenbanken des Staatsschutzes geheime Datensätze
schlummern.
Wie viele Menschen aus dem Linthgebiet betroffen sind, ist
geheim. Auch vor der kantonalen Stelle für Datenschutz. Das wollen
die Datenschützer nun gemeinsam ändern.
Das gabs doch schon einmal ...
Die GPdel geht in ihrem Bericht davon aus, dass viele der
erhobenen Daten gelöscht werden müssen. Das, weil die
gespeicherten Informationen "nicht ausreichend relevant oder zu lange
gespeichert waren". Offensichtlich haben Staatsschützer also
Informationen gesammelt, die keine Gefährdung der inneren
Sicherheit nahelegen.
Das musste der Uzner Reallehrer Alex Tomaschett bereits in
den
70er- Jahren erfahren. Wegen eines Inserates wurde er fichiert und zur
Polizei bestellt. Berichte Seite 3
--
Wegen Zeitungsinserat auf den Polizeiposten
Der Uzner Reallehrer Alex Tomaschett wurde in den
70er-Jahren
fichiert. Weil er in den Ostblock reisen wollte, suchte er
vorgängig per Zeitungs- inserat Leute aus Rumänien und
Ungarn. Das gefiel den Staatsschützern gar nicht.
Von Stefan Breitenmoser
Uznach. - "Interrail lag Ende der 70er-Jahre bei vielen
jungen
Erwachsenen sehr im Trend", erklärt Alex Tomaschett. Auch er und
seine damalige Freundin und jetzige Frau Christine wollten Europa
erkunden. Allerdings interessierte sie das damals noch kommunistische
Osteuropa mehr als der Westen.
Von einem Kollegen bekamen sie den Tipp, vorgängig
mit
Leuten aus dieser Region Kontakt aufzunehmen, um sich auf die Reise
vorzubereiten und ein allfälliges Beziehungsnetz aufzubauen.
Vom Dorfpolizisten ausgefragt
Gesagt getan. Rund einen Monat vor der Reise schaltete
Tomaschett
ein Inserat im "Tages-Anzeiger" mit etwa folgendem Inhalt: "Schweizer,
der demnächst nach Ungarn und Rumänien reist, überbringt
Ihren Verwandten gerne Glückwünsche und Geschenke." Auf die
Anzeige meldete sich niemand. Die Tomaschetts zogen also ohne
nähere Kontakte los, um Osteuropa zu erkunden.
Doch als sie wieder zurück in der Schweiz waren,
meldete
sich doch noch jemand auf die Anzeige. Es war der damalige Dorfpolizist
von Ebnat-Kappel - Tomaschett arbeitete damals im Dorf als Lehrer -,
der ihn zu einem Gespräch auf den Polizeiposten vorlud.
Völlig verdutzt folgte Tomaschett der Aufforderung. "Auf dem
Polizeiposten fragte mich der Polizist dann aus, warum ich nach
Osteuropa gereist sei, was ich dort gemacht habe und noch vieles mehr",
so der Uzner Reallehrer. Folgen hatte dies für ihn aber keine. Als
dann Ende der 80er-Jahre der Fichenskandal ins Rollen kam, wurde
Tomaschett auf einmal stutzig. "Damals war ich auch politisch
interessierter, als noch zu der Zeit, als wir nach Osteuropa reisten."
Deshalb fragte er nach, ob eine Fiche über ihn existiere, und
verlangte, als dies bejaht wurde, Einsicht. "Es war ein unglaublich
mühsames Prozedere, an die Fiche zu kommen, ein Riesentheater. Ich
habe unzählige Briefe an die verschiedensten Ämter
geschrieben."
Schliesslich bekam er aber Einsicht. "Ich habe allerdings
nicht
alles gesehen. Gewisse Teile waren abgedeckt. Auch die fichierende
Person war nicht ersichtlich", erzählt Tomaschett. Klar war
allerdings, dass die Fiche einzig und allein wegen seiner Anzeige im
"Tages-Anzeiger" angelegt wurde. Bis heute hat sich Tomaschett
nämlich nichts zu Schulden kommen lassen.
Fürs "Falsche" interessiert
Den Gedanken an die missliche Episode erregt noch heute
sein
Gemüt. "Man muss sich das mal vorstellen. Da hockt jemand irgendwo
und sieht alle Anzeigen aller Zeitungen durch. Dann gibt dieser
'Schnüffler' seine 'Entdeckung' weiter, so dass schliesslich der
Dorfpolizist in Ebnat-Kappel jemanden vorladen muss. Das ist einfach
unglaublich. Über mich wurde eine Fiche erstellt, nur weil ich
mich für den Osten interessierte."
Dass dieser damals im wahrsten Sinne des Wortes ein rotes
Tuch
für die Schweiz gewesen sei, kann er noch nachvollziehen. "Aber
wie die selbsternannten Staatsschützer damals vorgegangen sind,
regt mich heute noch auf." Scheinbar hat sich auch bis heute nicht viel
geändert.
--
St. Galler Staatsschützer fichen nur für die Berner
Datenbank
Wenn Datenschutz zum Thema wird, ist meistens etwas falsch
gelaufen. Wegen der mangelnden Prüfung von Fichen erhöhen die
kantonalen Beauftragten für Datenschutz gemeinsam den Druck auf
Nachrichtendienst und Bund.
Von Willi Meissner
Wie viele Menschen aus dem Linthgebiet vom Staatsschutz
beobachtet werden, wissen nicht einmal die kantonalen
Datenschutzbeauftragten. Ein Dauerzustand soll das aber nicht bleiben.
Weil die Datenschützer in den Kantonen im Alleingang kein
Durchkommen erwarten, prüfen sie bereits seit 2009 im Rahmen der
Vereinigung Privatim - Mitglieder sind alle Fachstellen für
Datenschutz der Kantone - die Lage im Einsichtsrecht.
Datenschützer verlangen Einsicht
"Momentan ist es einfach zu undeutlich geregelt, was die
Datenschutzbeauftragten prüfen dürfen", sagt
Privatim-Präsident Bruno Baeriswyl. Ziel sei ein umfassendes
Einsichtsrecht für die kontrollierende Behöre sowie ein
direktes Auskunftsrecht für betroffene Personen. Jede Person soll
sich per Einsichtsgesuch informieren können, ob und welche Daten
über sie vom NDB bearbeitet werden. "Wir haben ein grosses
Interesse an der Klärung der Rechtsgrundlage", so Baeriswyl. Es
könne nicht sein, dass die unabhängigen Beauftragten für
Datenschutz eine Zustimmung zur Einsicht in die Daten vom NDB
benötigen, welchen sie eigentlich kontrollieren sollen. "Der zu
Kontrollierende bestimmt damit die Kontrolle", kritisiert Baeriswyl.
Aktuelles Auskunftsrecht nutzlos?
Gestützt wird die Geheimniskrämerei des NDB
durch das
Bundesrecht. Die Zeilen im Auskunftsrecht lesen sich wie eine
Arbeitsanweisung für denjenigen, der eigentlich den Datenschutz
sicherstellen soll. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes ist
verpflichtet, der gesuchstellenden Person "in einer stets
gleichlautenden Antwort" mitzuteilen, ob unrechtmässig
personenbezogene Daten bearbeitet werden. Wenn das zutrifft, wird dem
NDB eine Empfehlung zugestellt, "allfälllige Fehler in der
Datenbearbeitung" zu beheben. Der Gesuchsteller erfährt allerdings
fast nie, welche Daten über ihn gespeichert sind. Die
Datenschutzbeauftragten informieren nur, und auch das nicht immer, wenn
ein Gesuch von einem Betreffenden vorliegt. "Damit wir oder die
Betroffenen Einsicht in die Fichen erhalten, braucht es die Zustimmung
des NDB", so Baeriswyl.
Keine Datenbank in St. Gallen
"Die Datenherrschaft liegt aus unserer Sicht beim Bund",
sagt der
Jurist und Generalsekretär des kantonalen Sicherheits- und
Justizdepartements, Hans-Rudolf Arta. Im Gegensatz zu anderen Kantonen,
etwa Bern oder Genf, unterhalte der Kanton St. Gallen aber keine eigene
Datenbank mit kantonalen Informationen der Staatsschützer. Die
insgesamt drei beim Kanton angestellten Staatsschützer würden
zwar ihrem Auftrag für Bern nachkommen. "Die Ergebnisse liefern
sie direkt nach Bern", erklärt Baeriswyl.
Eine Speicherung und Sammlung in einer Datenbank des
Kantons
erfolge nicht. Das deshalb, weil der Staatsschutz eine Bundesaufgabe
sei. "Für St. Gallen ist es deshalb selbstverständlich, keine
eigene Datenbank zu unterhalten", so Arta. Keine Datenbank bedeute in
diesem Fall auch, dass die kantonalen Staatsschützer auch
selbstständig gewonnene Erkenntnisse ohne Bundesauftrag - etwa die
Beobachtung eines lokalen Treffens von Rechtsextremen - direkt nach
Bern senden. Beim Thema Datenschutz bestehe deshalb in St. Gallen kein
Handlungsbedarf.
---
Migros-Magazin 12.7.10
Datenschutz
"Man hat Leute fichiert, die ihre Rechte ausübten"
20 Jahre nach dem Fichenskandal kommt eine neue
Staatsschnüffelei ans Tageslicht: Von mehr als 200 000 Menschen
wurden Dossiers angelegt. Wer Einsicht in seine Fiche haben will, der
wendet sich an den Eidgenössischen Datenschützer, Hanspeter
Thür (60).
Hanspeter Thür, der Staatsschutz hat Daten von 200
000
Personen gesammelt. Wer wird fichiert?
Sehr viele Ausländer. Vor allem solche, die sich
einbürgern lassen wollen.
Warum gerade die?
Das müssen Sie die Verantwortlichen fragen.
Aufgepasst: Es
sind natürlich auch Schweizer darunter. Solche, die in einer
auffälligen politischen Weise aktiv sind oder waren.
Also wieder Linke wie 1990, als 900 000 fichiert wurden?
Grundsätzlich können nur Daten von Personen oder
Organisationen fichiert werden, die mit terroris- tischen,
nachrichtendienstlichen oder gewalttätigen extremistischen
Tätigkeiten in Verbindung stehen. Ich kenne nur die Fichen,
für die ein Einsichtsgesuch gestellt wurde. Ein Betroffener etwa
hat eine Bewilligung für eine Palästinademonstration
eingeholt.
Wie erhält man als Bürger Einblick in seine Akte?
Schriftlich beim Eidgenössischen Datenschutz- und
Öffentlichkeits-beauftragten in Bern. Dazu brauchen wir eine Pass-
oder ID-Kopie. Die Bearbeitung dauert in der Regel zwei bis drei Monate.
Ein Aufschrei wie anno 1990 blieb bisher aus. Weshalb?
Bisher gingen in den letzten Tagen einige Dutzend Anfragen
ein -
überdurchschnittlich viel. Die Medienreaktion war breit und
pointiert. Viele Schweizer aber sind bereits in den Ferien. Von der
Zahl her sind die Ereignisse natürlich auch nicht vergleichbar mit
1990. Dennoch ist der Vorfall ernst zu nehmen.
Was ist so schlimm an der Fichenaffäre?
Inakzeptabel ist, dass die Staatsschutzbehörden
diejenigen
Gesetze, die nach der letzten Fichenaffäre erlassen worden sind,
im grossen Stil missachtet haben.
Welche Gesetze?
Die Eintragungen wurden nicht in der vorgeschriebenen
Frist auf
deren Notwendigkeit und Richtigkeit hin überprüft. So wurde
eine Vielzahl von schlechten Informationen gesammelt, die niemandem
nützen und den Betroffenen Schaden zufügen können. Man
hat zudem Leute fichiert, die von ihren demokratischen Rechten Gebrauch
machten, indem sie zum Beispiel eine legale Demonstration organisierten.
Ist unser Staat bedroht?
Überhaupt nicht. Der Staatsschutz funktioniert mit
einer
gewissen Eigendynamik. Die Führung fällte falsche Entscheide.
Sie meinen den inzwischen abgesetzten Geheimdienstchef,
Urs von
Daeniken?
Die Frage ist mit der vorherigen Antwort bereits
beantwortet.
Haben wir heute ein grösseres Bedürfnis nach
Sicherheit?
Das wird zwar immer wieder behauptet, aber ich glaube das
nicht.
Fest steht, dass das Parlament die Vorlage zur Verschärfung des
Staatsschutzgesetzes auf Eis gelegt hat.
Welches ist der Auftrag des Staatsschutzes?
Der Staatsschutz muss relevante Ereignisse, welche die
innere und
äussere Sicherheit gefährden könnten, frühzeitig
erkennen und bekämpfen. Und dazu muss man natürlich auch
Leute be- obachten. Aber das erlaubt kein Schnüffeln im
Privatbereich, nur das Auswerten von öffentlich zugänglichen
Quellen. Niemand muss davon ausgehen, bei der Ausübung
demokratischer Rechte fichiert zu werden - ausser man nutzt diese als
Vorwand für terroristische oder nachrichtendienstliche
Tätigkeiten.
Öffentlich zugänglich und zugleich privat ist
Facebook,
wo sich Tausende Schweizer als gläserne Menschen zeigen.
Jeder ist frei, sich dort zu entblös-sen. Aber wenn
der
Staat hinter unserem Rücken gesetzwidrig handelt, ist das etwas
völlig anderes. Weil dies so ist, sind effiziente Kontrollen
derart wichtig.
Sind Sie auch bei Facebook?
Nein.
Interview Mathias Haehl
---
Langenthaler Tagblatt 12.7.10
Grosser Rat SP will Klarheit über bernische Fichen
Die "mindestens 1800 Datensätze", die seit der
letzten
Fichen-Affäre auch im Kanton Bern gesammelt wurden (vgl. Ausgabe
vom 7. Juli), werden bald im Grossen Rat zum Thema. Die SP zeigt sich
in einer Mitteilung konsterniert über die Fichierung unter der
Mitarbeit von Police Bern. Habe die Kapo beim unrechtmässigen
Datensammeln des nationalen Nachrichtendienstes mitgemacht, müsse
dies Konsequenzen haben, fordert Fraktionschefin Margreth Schär
(Lyss). (sat)
---
20 Minuten 12.7.10
Fichen: SP fordert eine Untersuchung
BERN. Der Fichenskandal schlägt im Kanton Bern hohe
Wellen:
Dass die Kantonspolizei Bern dem Inlandgeheimdienst Daten zur
Fichierung von 1800 Personen aus dem Kanton zugetragen hat, stösst
der SP sauer auf. Per Vorstoss fordert Fraktionspräsidentin
Margreth Schär Klarheit darüber, nach welchen Kriterien die
Kapo solche Daten gesammelt und weitergegeben hat. Insbesondere soll
geklärt werden, ob auch Angaben darunter waren, die über den
gesetzlichen Auftrag der Polizei gegenüber dem Geheimdienst
hinausgehen.
Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, müsse
der
Regierungsrat rasch handeln. "Wenn Police Bern als Wasserträger
des Schweizer Nachrichtendienstes bei unrechtmässigen
Datensammlungen mitgemacht hat, muss das Konsequenzen haben", so
Schär. Die SP-Frau will zudem wissen, ob der Kanton Bern
zusätzlich noch eine eigene Datenbank angelegt hat. NJ
---
20min.ch 11.7.10
Bern
Fichen: SP fordert eine Untersuchung
Der Fichenskandal schlägt im Kanton Bern hohe Wellen: Dass
die
Kantonspolizei Bern dem Inlandgeheimdienst Daten zur Fichierung von
1800 Personen aus dem Kanton zugetragen hat, stösst der SP sauer
auf.
Per Vorstoss fordert Fraktionspräsidentin Margreth
Schär
Klarheit darüber, nach welchen Kriterien die Kapo solche Daten
gesammelt und weitergegeben hat. Insbesondere soll geklärt werden,
ob auch Angaben darunter waren, die über den gesetzlichen Auftrag
der Polizei gegenüber dem Geheimdienst hinausgehen.
Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, müsse der
Regierungsrat rasch handeln. "Wenn Police Bern als Wasserträger
des Schweizer Nachrichtendienstes bei unrechtmässigen
Datensammlungen mitgemacht hat, muss das Konsequenzen haben", so
Schär. Die SP-Frau will zudem wissen, ob der Kanton Bern
zusätzlich noch eine eigene Datenbank angelegt hat.
(nj/20 Minuten)
---
sp-be.ch 11.7.10
Fichen-Affäre: Auch Bernerinnen und Berner haben ein Recht
auf
Datenschutz
Die SP des Kantons Bern ist konsterniert über die
unrechtmässige und widersinnige Fichierung, offenbar unter
Mitarbeit von Police Bern. In einer Interpellation fragt die
Präsidentin der SP-Fraktion, Margreth Schär, wie die Berner
Regierung die Rechte der Menschen im Kanton durchsetzen will.
Laut der Geschäftsprüfungsdelegation des
eidgenössischen
Parlaments sind auch 1800 Personen aus dem Kanton Bern betroffen.
Involviert sind zudem kantonale Dienststellen, denn Police Bern diente
als Zulieferer der Daten. Die SP des Kantons Bern verlangt von der
Berner Regierung die Durchsetzung des Datenschutzes. Es darf auch nicht
sein, dass wertvolle Arbeitszeit der Berner Polizei mit
unrechtmässigem und widersinnigem Sammeln von Daten
verbracht wird.
Die Interpellantin, Margreth Schär, meint dazu:
Wenn Police Bern als Wasserträger des Schweizer
Nachrichtendienstes bei unrechtmässigen Datensammlungen mitgemacht
hat, muss das Konsequenzen haben. Wir wollen auch wissen, ob sogar eine
eigene, kantonale Datensammlung angelegt wurde. Ich erwarte vom
Regierungsrat rasche und klare Antworten auf unsere Fragen.
--
http://www.sp-be.ch/fileadmin/user_upload/sp-be/sp-kanton-bern-de/pdf/20100709_Interpellation_Fichenskandal.pdf
Interpellation
Fichenskandal auch im Kanton Bern?
Wer hat die Übersicht über Datenerhebungen/Fichierung?
Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des
eidgenössischen Parlaments hat bei ihrer Untersuchung
herausgefunden, dass der Inlandgeheimdienst unrechtmässig Daten
gesammelt hat. Es wurden über Personen Fichen angelegt, obschon
die zugehörenden Daten keine staatsrechtliche Relevanz haben.
Davon betroffen sind gemäss GPDel auch 1800 Personen aus dem
Kanton Bern. Zulieferer der Daten aus dem Kanton Bern ist die Police
Bern.
In der Interpellation Arm 187/2008 fragte der SP-Grossrat, ob
bernische
GrossrätInnen fichiert wurden. In der Antwort hielt der
Regierungsrat fest, dass die Kantonspolizei Informationspflichten bzw.
-aufträge gegenüber dem Dienst für Analyse und
Prävention (DAP) zu erfüllen habe. Offenbar hat aber der DAP
die gesetzlichen Vorgaben bei der Datensammlung nicht eingehalten.
Deshalb stellen sich in Bezug auf die vom Regierungsrat erwähnten
Informationspflichten bzw. -aufträge folgende Fragen:
1. Wurden von der Berner Kantonspolizei Daten geliefert, die
über
den gesetzlichen Auftrag hinausgehen?
2. Wenn ja, nach welchen Kriterien wurden die Daten weiter
geleitet?
3. Wie wird die parlamentarische Kontrolle resp. die
Oberaufsicht
über die von der Police Bern erhobenen Daten sichergestellt?
4. Wie gewährleistet der Regierungsrat, dass vom DAP
angeforderte
Daten den gesetzlichen Vorgaben entsprechen?
5. Welche Möglichkeit hat der Regierungsrat, Personen aus
dem
Kanton Bern vor willkürlicher Fichierung zu schützen?
6. Welche Möglichkeiten sieht der Regierungsrat, sich
gegenüber den verantwortlichen eidgenössischen Dienststellen
für die Rechte der unrechtmässig fichierten Bernerinnen und
Berner einzusetzen?
7. Wer bezahlt die Datenerhebung für den Bund im Kanton
Bern?
Margreth Schär
Lyss, 8.Juli 2010
---
NZZ am Sonntag 11.7.10
Bundesrat wusste von Fichenproblem
Der Bundesrat wusste seit 2008 vom Daten-Wildwuchs beim
Staatsschutz. Kantone hatten auf das Problem hingewiesen.
Benjamin Tommer, Katharina Bracher
Der Bundesrat wurde bereits im Jahr 2008 von Kantonen
darüber informiert, dass der Inlandnachrichtendienst planlos
Personendaten erfasste. Dies zeigen Dokumente, die der "NZZ am Sonntag"
vorliegen. Namentlich die baselstädtische Regierung hatte 2007
festgestellt, dass ihre eigenen Beamten auf Geheiss des Bundes Fichen
anlegten, welche sie selbst nicht einsehen durfte. So sei keine
Aufsicht möglich, lautete die Kritik der Basler, die sie 2008 bei
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf deponierten. Der Bundesrat
schlug eine weitere Warnung in den Wind: In der Antwort auf eine
Interpellation der Basler SP-Ständerätin Anita Fetz hielt er
im November 2008 fest, es gebe keine Anhaltspunkte, dass der
Geheimdienst gesetzeswidrig handle.
Eine parlamentarische Kommission hat der überraschten
Öffentlichkeit vor knapp zwei Wochen dargelegt, wie der
Inlandnachrichtendienst bis in die Gegenwart praktisch ziellos Personen
erfasste. Zudem haben die Staatsschützer entgegen der gesetzlichen
Vorgabe gespeicherte Daten nicht periodisch überprüft. Der
zuständige Bundesrat Ueli Maurer gab sich über den neuen
Fichenskandal "erschrocken" und überrascht. Jetzt zeigt sich, dass
er bereits davon wissen musste.
Derweil ist bekanntgeworden, dass selbst elektronische
Daten, die
der Staatsschutz gelöscht hat, dem Bundesarchiv überlassen
werden. Dort bleiben sie für die nächsten 50 Jahre
unangetastet. Was aufbewahrt wird, bestimmt das Bundesarchiv selbst.
►Seite 9
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Kantone warnten vor Fichenproblem
Dokumente belegen, dass der Bundesrat bereits seit 2008 Bescheid
wusste
Er sei "erschrocken" über die Art, wie in der Schweiz
wieder
Staatsschutz-Daten gesammelt würden, sagte Bundesrat Maurer letzte
Woche. Dabei hatten die Kantone seit Jahren gewarnt.
Benjamin Tommer
Die Schweizer Öffentlichkeit war überrascht und
erstaunt, als vor knapp zwei Wochen eine Parlamentariergruppe um Claude
Janiak eine Fichenaffäre 2010 bekanntmachte. Schliesslich hat das
Thema Staatsschutz in der Schweiz eine Geschichte: Schon 1989 hatte ein
Fichenskandal das Land politisch erschüttert - offenbar ohne
läuternde Wirkung: Laut der Delegation der
Geschäftsprüfungskommission werden in der Schweiz nach wie
vor planlos Daten in grossen Mengen gesammelt und archiviert. Auch der
zuständige Bundesrat Ueli Maurer gab sich vor den Medien
"erschrocken" und überrascht und gelobte vergangene Woche rasche
Besserung.
Zumindest im Fall des Bundesrates ist die
Überraschung aber
gespielt: Der "NZZ am Sonntag" liegen verschiedene Dokumente vor, die
belegen, dass dem Bundesrat die neuen Probleme um den Staatsschutz
spätestens 2008 bekannt waren. Eine Regierungsdelegation des
Kantons Basel-Stadt war im Dezember 2008 beim EJPD von Eveline
Widmer-Schlumpf vorstellig geworden. Thema: Wildwuchs beim Sammeln von
Staatsschutz-Daten.
Anlass zum Besuch gab 2007 ein in Basel kursierendes
Gerücht, wonach sechs Mitglieder des Grossen Rates vom
Staatsschutz beobachtet würden. Die Basler Regierung und die
Geschäftsprüfungskommission des Parlamentes wollten mehr
wissen, mussten aber rasch feststellen, dass sie die Fichen nicht
ansehen durften. Denn obwohl kantonale Angestellte fichierten, handelt
es sich bei deren Aufzeichnungen um geheime Bundesakten.
Spätestens in diesem Moment sei bei den Basler Behörden der
Verdacht aufgekommen, beim Sammeln von Staatsschutz-Daten gebe es einen
neuen Wildwuchs, sagt Roger Schneeberger, der Generalsekretär der
Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). Basel -
allein am kurzen Hebel - schaltete die KKJPD ein.
Bis Ende 2008 verhandelten Vertreter der Kantone mit
Eveline
Widmer-Schlumpf über eine griffigere kantonale Aufsicht beim
Sammeln von Daten. Ab 2009, die Verantwortung für den Staatsschutz
war unterdessen vom EJPD auf das VBS übergegangen, war Bundesrat
Ueli Maurer ihr Ansprechpartner. Ziel der Kantone war es, das
staatsschützerische Treiben ihrer eigenen Mitarbeiter selber
beaufsichtigen zu können. Basel-Stadt setzte sich kurzzeitig
über Vorgaben des Bundes hinweg, wie aus Protokollen der KKJPD
hervorgeht: Auf eigene Faust gestattete der Kanton kantonalen
Behörden ein gewisses Einsichtsrecht, geriet damit aber umgehend
mit Bundesrecht in Konflikt. Im Herbst 2009 setzten das VBS und die
KKJPD in einem Schlichtungsversuch eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein,
die einen Vorschlag machen sollte, wie die Verordnung über den
Nachrichtendienst des Bundes geändert werden kann. Das Papier
liegt seit März 2010 vor. Kernstück ist eine Liste, die der
Bund den Kantonen abgeben muss und die zeigt, welche
Beobachtungsaufträge der Bundesnachrichtendienst den kantonalen
Stellen erteilt hat. Gestützt auf die Liste, können die
Kantone kontrollieren, wie die kantonalen Datensammler ihre Arbeit
erledigen. Sie können anhand der Liste aber auch Einsicht in die
Fichen verlangen und dieses Begehren bis vor Bundesgericht tragen.
--
Einmal fichiert, immer fichiert
Wer einmal eine Schweizer Staatsschutzakte hat, bleibt ein
Leben
lang archiviert - und sogar darüber hinaus.
Katharina Bracher
Gelöschte Einträge aus der
Staatsschutz-Datenbank
(Isis) werden im Regelfall dem Bundesarchiv zur Archivierung
überlassen. "Der Nachrichtendienst muss uns gelöschte Daten
und solche, die er nicht mehr braucht, anbieten", sagt Guido Koller vom
Bundesarchiv. Dort bleiben sie unangetastet für die nächsten
fünfzig Jahre. Während dieser Schutzfrist können
Betroffene Einblick beantragen. Zugang haben allenfalls auch
Historiker, wenn sie ihr Forschungsvorhaben begründen können.
Den Entscheid über Anträge fällt das für den
Staatsschutz zuständige Departement. Für die
Staatsschutzakten bis zum Jahr 2004 ist das Justiz- und
Polizeidepartement (EJPD) zuständig. "Wer Einsicht in archivierte
Staatsschutzakten erhält, entscheidet das Generalsekretariat des
EJPD", so Koller. Die von der parlamentarischen Aufsicht kritisierten
Isis-Daten sind jedoch nur bis zum Jahr 2004 archiviert. Auf die
Einträge, welche seit 2004 vom Staatsschutz gelöscht wurden,
wartet das Bundesarchiv seit einigen Jahren. "Der Nachrichtendienst hat
zehn Jahre Zeit, um uns gelöschte oder nicht mehr gebrauchte Daten
zu übermitteln", sagt Koller. Diese Frist sei jedoch noch im
Papier-Zeitalter bestimmt worden. "In Zeiten des elektronischen
Datenverkehrs kann man eigentlich eine kürzere Frist erwarten."
Was archivierungswürdig ist, bestimmt das Bundesarchiv selbst.
Entscheidend ist dabei der Informationswert der Akten. Bei Daten des
Staatsschutzes ist dieser selbstredend hoch. Auch das von der
parlamentarischen Aufsicht scharf kritisierte Register mit
Drittpersonen wird laut Bundesarchiv aller Voraussicht nach archiviert.
Nach der fünfzigjährigen Schutzfrist werden die
Akten
veröffentlicht. Die Öffnung des Archivs für die 900 000
Fichen, welche 1989 für einen Skandal sorgten, erfolgt im Jahr
2040.
--
Meinungen
Showdown
Francesco Benini
Es sind wieder 200 000 Fichen angelegt worden in der
Schweiz.
Viele Leute sind darüber entsetzt. Ich auch. Bei einer
Einwohnerzahl von fast acht Millionen Menschen scheinen mir 200 000
Fichen eher wenig. Beim sogenannten Fichenskandal vor zwanzig Jahren
waren es 900 000 Karteikarten. Eine bedenkliche Trägheit hat den
Nachrichtendienst erfasst. Der Output der Spitzel-Division ist
eingebrochen.
Der Nachrichtendienst hatte vor zwanzig Jahren für
Aufsehen
gesorgt, als er von einer SP-Nationalrätin notierte: "Trinkt
abends gerne ein Bier." Die Öffentlichkeit war empört. Zu
Recht. Der Ficheneintrag zeugte von ausgeprägter Stümperei.
Was soll das heissen, "ein Bier"? Reden wir von ei- nem
Feldschlösschen oder einem Heineken? Ein helles Bier oder ein
dunkles Weizen? Machte der Nachrichtendienst Angaben über die
Stammwürze? Nein. Beschrieb er Antrunk, Mittelteil und Abgang?
Nein. Vermerkte er den Alkoholgehalt? Nicht einmal das. Mit solchen
Schnüfflern ist Hopfen und Malz verloren. Die Sicherheit des
Landes steht auf dem Spiel.
Der Nachrichtendienst braucht personelle Verstärkung.
Man
muss verhindern, dass die Schweiz von subversiven Elementen
unterwandert wird. Fachkräfte gibt es genug. In jedem Mietblock
überwacht mindestens ein inoffizieller Hauspolizist die
Mitbewohner. Die Schweiz ist das einzige Land auf der Welt, in dem ein
Strafverfahren zu gewärtigen hat, wer den Müllsack am
falschen Tag auf die Strasse stellt. Wer jemanden ermordet, handelt
unschön. Moralisch fragwürdig. Aber wer das Altpapier nicht
mit Schnüren gebunden, sondern in Tragsäcken vors Haus legt -
der begeht eine Todsünde. Hier sollte der Nachrichtendienst
ansetzen. Brächte er die wachsamen Geister in den Quartieren dazu,
Abfallentsorgungs- Delinquenten umgehend zu melden, könnte die
Fichensammlung bald wieder ein respektables Niveau erreichen.
---
Zentralschweiz am Sonntag 11.7.10
Experte Albert Stahel
Geheimdienst privatisieren
ff. Fehlerhafte Führung und Mangel an Effizienz: Auf
diese
Schwächen des Schweizer Geheimdiensts deutet die jüngste
Fichendiskussion in der Schweiz hin, findet Strategieexperte Albert
Stahel. Er macht eine brisante Empfehlung in der Diskussion über
die Zukunft der Geheimdienstkontrolle: Die Schweiz soll ihren
Nachrichtendienst privatisieren. Das Beispiel der USA zeige, dass
private Nachrichtendienste effizienter und risikoärmer arbeiteten
als staatliche, schreibt Stahel in einem exklusiven Gastbeitrag in der
"Zentralschweiz am Sonntag": Die Firma Stratfor etwa biete
ausgezeichnete Analysen an, während die staatliche CIA ihre
Erfolgsquote nicht zu heben vermocht hätte.
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Meinung
Privatisiert die Nachrichtendienste!
Albert Stahel* über die Arbeit der Geheimdienste in der
Schweiz
Die Aufgabe eines Nachrichtendienstes besteht im
Wesentlichen im
Sammeln und Auswerten von Informationen, die als Grundlage für die
aussen- und innenpolitische Lagebeurteilung und damit
Entscheidungsfindung einer Regierung zu dienen haben. Diese
Informationen stammen mehrheitlich aus allgemein zugänglichen,
aber auch aus geheimen Quellen. Eine weiterführende Unterscheidung
der Quellen ist jene des früheren CIA-Mitarbeiters Robert M.
Clark: Er hat die Kategorien Open Source Intelligence (Medien,
Expertenwissen usw.), Human Intelligence (Informanten, Spione),
Communications Intelligence (Abhören von elektronischen
Kommunikationsverbindungen), Imagery Intelligence (Spionagesatelliten)
und Specialized Technical Collection identifiziert.
Liegen die Informationenbeziehungsweise Nachrichten vor,
dann
müssen sie bezüglich Zuverlässigkeit ausgewertet und
analysiert und für die Entscheidungsträger mundgerecht
verarbeitet werden. Viele Nachrichtendienste, so auch der Strategische
Nachrichtendienst der Schweiz, sehen die politischen
Entscheidungsträger als die eigentlichen Auftraggeber der
Nachrichtenbeschaffung. Aufgrund deren Informationsbedürfnisse
soll ein Nachrichtendienst Informationen beschaffen. Diese Annahme muss
aber als falsch bezeichnet werden.
Würden Nachrichtendienstejeweils nur auf die
Bedürfnisse ihrer politischen Auftraggeber warten, dann
würden sie mit Sicherheit bei jeder eintretenden aussen- oder
innenpolitischen Krise mit ihren Beurteilungen zu spät kommen. Aus
diesem Grunde haben Nachrichtendienste präventiv zu agieren und
Krisen zu antizipieren. Dies bedeutet, dass ein Nachrichtendienst
Informationen über kriminelle Organisationen und Terroristen
laufend und damit rechtzeitig zu beschaffen hat.
Allerdings besteht die Gefahr, dass überflüssige
oder
unsinnige Informationen durch einen Nachrichtendienst wie den Schweizer
Inlandgeheimdienst DAP (Dienst für Analyse und Prävention)
auf Halde gesammelt werden - wie das mit der Fichenuntersuchung der
Geschäftsprüfungsdelegation zum Vorschein gekommen ist. Dies
ist ein Hinweis auf die fehlende Effizienz und fehlerhafte Führung
einer solchen Organisation. Hier würde sich eine
Nutzen-Kosten-Analyse der Führung, Organisation und Tätigkeit
des DAP aufdrängen.
Aber selbst wenn genügend oder gar zu viel
Informationen
beschafft werden, kann ein Nachrichtendienst versagen, wie die CIA bei
den Anschlägen vom 9. September 2001 in New York bewiesen hat.
Diese Katastrophe hat nicht nur den Beweis erbracht, dass die
Organisation der CIA und die Zusammenarbeit mit anderen
Nachrichtendiensten wie FBI und NSA (National Security Agency) nicht
funktionierte, sondern dass die CIA und ihre Führung nicht in der
Lage waren, aus früheren Fehlern zu lernen, die Aktionen der el
Kaida zu antizipieren und sich auf diesen neuen Gegner auszurichten.
Diese dreistufige Versagenskette ist viel gravierender als die
Beschaffung von Nachrichten und Fichen auf Halde durch den DAP.
Für das Vermeiden von fehlerhaften Analysen und
Beurteilungen, die zu Katastrophen wie jene vom 9. September 2001
führten, aber auch für das Einsparen der enormen Ausgaben
durch den Staat - die Aufrechterhaltung von Nachrichtendiensten ist
sehr teuer - und für die Effizienzsteigerung drängt sich eine
Lösung auf: die Privatisierung unserer Nachrichtendienste. Die
Erfahrungen der USA nach dem 11. September 2001 weisen darauf hin, dass
staatliche Nachrichtendienste wie die CIA nicht reformiert werden
können. Die CIA ist immer noch eine schwerfällige
Organisation, und ihre Erfolgsquote ist nicht besser geworden.
Dagegen hebt sich der private Nachrichtendienst Stratfor
unter
der Führung von George Friedman wohltuend von der CIA ab. Die im
Abonnement zugänglichen Lagebeurteilungen von Stratfor sind
ausgezeichnet und weisen eine geringe Fehlerquote auf. Abgesehen davon,
dass sowieso 95 Prozent der Informationen eines Nachrichtendienstes aus
offenen Quellen stammen und damit jedermann zugänglich sind,
könnte der Bund durch die Privatisierung seiner Nachrichtendienste
Kosten einsparen, politische Peinlichkeiten vermeiden und würde
über einen effizienteren Dienst verfügen.
Hinweis: * Albert Stahel (67) ist Leiter des Instituts
für
Strategische Studien in Wädenswil.
nachrichten@neue-lz.ch
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Sonntag 11.7.10
Fichen-Affäre: Sind sie registriert?
Jetzt schalten sich die sechs Mitgliederder
interparlamentarischen Gruppe der Eingebürgerten in die
Fichen-Affäre ein. Sie wollen wissen, was es mit der
Überprüfung von Einbürgerungsgesuchen durch den
Geheimdienst auf sich hat ("Sonntag" vom 11. Juli). "Dass Daten nach
Belieben gesammelt werden, geht nicht an", sagt der grüne
Nationalrat Geri Müller: "Man weiss nicht, was drinsteht." In
einem Brief der Gruppe an Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf und
an VBS-Vorsteher Ueli Maurer wird um ein Treffen gebeten, "um dieser
Sache auf den Grund zu gehen". Eine Antwort steht noch aus. Der
Nachrichtendienst des Bundes (NDB) behauptet, in der ISIS-Datenbank
würde nur nachgeschaut, ob die Einbürgerungswilligen
registriert seien. "Ist die betreffende Person nicht verzeichnet,
geschieht grundsätzlich nichts", sagt NDB-Sprecher Felix Endrich.
Ein Widerspruch zum Berichtder Geschäftsprüfungsdelegation
(GPDel), wo auf Seite 17 festgehalten wird: "Das Gesuch wird in jedem
Fall in der Verwaltungsdatenbank ISIS02 registriert." Sandro Brotz
bilder: keystone
- Ada Marra, SP, hat italienische Wurzeln.
- Olivier Français, FDP, ist gebürtiger Franzose.
- Antonio Hodgers, Grüne, stammt aus Argentinien.
- Ricardo Lumengo, SP, ist in Angola geboren.
- Jacques Neirynck, CVP, hat belgische Wurzeln.
- Geri Müller, Grüne. Vater: Deutscher, Mutter:
Französin und Schweizerin.
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Meinung
Schizophrener Umgang mit der Privatsphäre
Gastbeitrag
Von Santosh Brivio*
Die Nachricht: Bundesrat Ueli Maurer teilt die Kritik der
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) an der Sammelwut des
Staatsschutzes und hat Sofortmassnahmen eingeleitet.
Der Kommentar: Die Frage, wie weit Staatsschutz gehen
darf, ist
gegenwärtig omnipräsent. Wieder einmal. Eines ist indes klar:
Es geht um weit mehr als um die Diskussion um Fichen und staatliche
Überwachung. Es geht um unser ambivalentes Verhältnis zum
Schutz der Privatsphäre.
Wollen wir einen Staat, der geheime Akten über uns
anlegt?
Natürlich nicht. Wissen ist Macht und gerade in der traditionell
subsidiär aufgebauten Schweiz herrscht einer mächtigen
Obrigkeit gegenüber tiefster Argwohn. Demokratie im
eidgenössischen Verständnis ist die Staatsform des
Misstrauens - und zwar des Misstrauens des Volks gegenüber dem
Behördenapparat und nicht umgekehrt. Der Schutz der
Privatsphäre ist eine der tragenden Säulen der nach liberalen
Grundsätzen konzipierten Schweiz.
Im gleichen Atemzug, wie wir uns über das Gebaren
staatsschützender Organe erzürnen, haben wir jedoch keine
Hemmung, intimste Details unseres Privatlebens Konzernen preiszugeben,
die aus ihrem laschen Umgang mit den sensiblen Daten keinen Hehl machen
und ausserhalb jeglicher politischer Kontrolle operieren. Fotos von der
feucht-fröhlichen Betriebsfeier? Am nächsten Morgen auf
Facebook. Was wir für den Sonntagsschmaus einkaufen? Die
Grossverteiler ahnen es - Cumulus und Supercard sei Dank. Frisch
verliebt? Sofort auf Twitter gepostet.
Es ist paradox: Wir sträuben uns gegen das staatliche
Sammeln privater Informationen und teilen diese doch mit kommerziellen
Firmen und der Öffentlichkeit. Man fragt sich, ob der Staatsschutz
die gewünschte Person nicht ebenso gut googeln könnte, um
legal und ohne politisches Brimborium zum gleichen Resultat zu gelangen.
Auch auf politischer Ebene wird mit dem Schutz der
Privatsphäre selektiv umgegangen. Wehren sich vornehmlich
Vertreter des linken Spektrums gegen willkürliches Fichieren, sind
es die gleichen Kreise, die keine Mühe damit bekunden, für
den automatischen Informationsaustausch einzustehen. Für sie
stellt das Fichieren eine unverhältnismässige Beschneidung
der Grundrechte dar, während das automatische Sammeln von
kleinsten Details der persönlichen finanziellen Situation sowie
deren Weitergabe absolut rechtens sein soll. Logische Stringenz sieht -
wie oft in der Politik - anders aus.
Gerne wird in diesem Zusammenhang mit der Gerechtigkeit
argumentiert. Es sei nicht gerecht, wenn die Mehrheit die Steuern
ordnungsgemäss bezahlt und eine Minderheit die Steuerpflicht
umgehen könne, nur weil dem Staat die entsprechenden Informationen
nicht vorlägen. Mit diesem Argument werden die Aufhebung der
Unschuldsvermutung und strafrechtlich fragwürdiges Ermitteln ohne
Anfangsverdacht gerechtfertigt.
Akzeptiert man dieses Argumentationsschema, so ist
konsequenterweise auch das Fichieren legitimiert. Denn ist es gerecht,
wenn sich die Mehrheit an Recht und Ordnung hält und eine
Minderheit ihre Bürger- und Gesellschaftspflichten umgehen kann,
nur weil dem Staat die entsprechenden Informationen nicht vorliegen?
Die Beispiele zeigen, dass der Vorstellung eines
gläsernen
Bürgers endlich eine Abfuhr zu erteilen ist. Glaube an das Volk
bedeutet immer auch das Eingestehen von Schlupflöchern und das
Wissen, dass einige diese Schlupflöcher ausnutzen werden. Es
beweist der Mehrheit aber auch immer wieder das in sie gesetzte
Vertrauen. Das Vertrauen in das Pflicht- und Ordnungsbewusstsein der
Bürger; das Vertrauen, dass diese den Schutz der Privatsphäre
nicht ausnutzen.
Aber auch der Einzelne sollte ein Bewusstsein für die
Privatheit entwickeln, sodass er den Schutz der Privatsphäre durch
den Staat auch zu schätzen weiss. Erst wenn der Bürger
spürt, dass dem Staat der Schutz der Persönlichkeit ein
echtes Anliegen ist, wird ein möglichst umfassendes Einhalten der
gesellschaftsvertraglichen Spielregeln gewährleistet. Etwas, das
mit Kontrollfanatismus - seien es nun Fichen oder automatischer
Informationsaustausch - nie erreicht werden kann.
* Santosh Brivio studierte Politikwissenschaft und
arbeitete
lange Zeit als freischaffender Journalist. Heute ist er als
wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einer Privatbank tätig.
Die externen Kolumnisten und Kommentatoren des "Sonntags"
äussern in ihren Beiträgen ihre persönliche Meinung.
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PNOS
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Zofinger Tagblatt 12.7.10
Juso will Pnos verbieten
Kanton Nach der Drohung sei das Fass voll
Die neusten Drohungen der Partei National Orientierter
Schweizer
von vergangenem Mittwoch zeigen, dass die rechtsradikale Pnos bereit
ist, ihr gefährliches Gedankengut auch mit Gewalt zu verbreiten.
Dies teilte die Juso des Kanton Luzerns gestern mit und forderte den
Kanton Luzern auf, die Pnos schweizweit zu verbieten. Die Pnos hat
angedroht, dass die "Linksaktivisten im Kanton Luzern in den
nächsten Monaten nichts zu lachen haben werden". Zudem will die
Pnos Sprengfallen anbringen, was nach den Worten der Juso das
Gewaltpotenzial aufzeige.
Gewaltpotenzial aufgezeigt
"Mit den aktuellen Drohungen zeigt die Pnos ihre wahre
Gestalt
und es wird einmal mehr klar, dass sie an öffentlichen
Anlässen jeweils ihr Sonntagsgesicht präsentiert", schreibt
die Juso weiter.
Mit dem verschmierten Denkmal auf dem Schlachtfeld in
Sempach und
den Vorkommnissen vom 3. Juli habe die Juso Kanton Luzern nichts zu
tun. Vielmehr verurteile sie alle Straftaten in diesem Zusammenhang.
Michael Vonäsch hingegen, der Präsident der Pnos Willisau,
sei schon verurteilt worden. Die Polizei hat nun wiederum eine
Untersuchung gegen ihn eingeleitet, Verdacht auf Drohung und
Erschreckung der Bevölkerung.
Er und die Pnos würden den Rechtsstaat nicht
akzeptieren,
teilt die Juso weiter mit. "Eine solche Partei ist einer Demokratie
unwürdig und muss verboten werden." Der Kanton Luzern sei speziell
gefordert, da die Pnos sich stark auf Sempach konzentriere und die
aktuellen Drohungen aus der Luzerner Pnos stammen würden. (pd/ln)
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NLZ 12.7.10
Juso fordert Verbot der Pnos
red. "Die Partei National Orientierter Schweizer ist einer
Demokratie unwürdig und muss verboten werden." Das fordert Priska
Lorenz, Präsidentin der Juso Kanton Luzern und
SP-Kantonsrätin. Lorenz bezieht sich auf die jüngsten
Drohungen der Pnos, Sektion Willisau, sie würden die
Linksaktivisten, die das Denkmal bei der Schlacht verschmiert hatten,
mit Sippenhaft bestrafen und Sprengfallen anbringen (wir berichteten).
Die Juso fordert nun den Kanton auf, alle nötigen Schritte
einzuleiten, um ein schweizweites Verbot zu erwirken.
"Gefährliches Gedankengut"
"Die Pnos ist eine rechtsradikale Partei, welche ein
gefährliches Gedankengut vertritt", so Lorenz. Mit den aktuellen
Drohungen zeige sie das Gewaltpotenzial. Die Luzerner Polizei
prüft derzeit, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird.
Pnos-Sektionspräsident Michael Vonäsch sagte gegenüber
unserer Zeitung, es sei ihm egal, wenn es zu einem Strafverfahren komme.
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20 Minuten 12.7.10
Juso Luzern wollen Pnos verbieten
LUZERN. Nach den Drohungen der rechtsextremen Partei Pnos
ist den
Jungsozialisten im Kanton Luzern der Kragen geplatzt. "Das Fass ist
übervoll", so Juso-Präsidentin Priska Lorenz. Sie fordert den
Kanton Luzern auf, die nötigen Schritte einzuleiten, um die Pnos
schweizweit zu verbieten. "Diese Partei zeigt immer wieder, dass sie
bereit ist, ihr gefährliches Gedankengut auch mit Gewalt zu
verbreiten", so Lorenz weiter. Die Pnos akzeptiere den Rechtsstaat
nicht und müsse verboten werden. Weil sich die Partei stark auf
Sempach konzentriere, sei speziell der Kanton Luzern gefordert.
Letzten Donnerstag liess die Pnos-Sektion Willisau
verlauten,
dass Linksaktivisten in den nächsten Monaten im Kanton Luzern
nichts zu lachen hätten. Grund für die Drohung war das
Verschmieren des Winkelried-Denk- mals in Sempach durch
Unbekannte. MGI
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ANTI-ATOM
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BZ 12.7.10
AKW Mühleberg
Schulung für Super-GAU
Der Kanton Bern zeigt den Sicherheitsverantwortlichen
grosser
Firmen, was bei einem Störfall im AKW Mühleberg zu tun
wäre.
"Trotz hoher Sicherheitskultur in den Kernkraftwerken
bleibt
immer ein kleines Restrisiko." Das schreibt das bernische Amt für
Bevölkerungsschutz, Sport und Militär in einem Brief an die
grossen Unternehmen im Kanton Bern. Mit diesem lädt der Kanton die
Sicherheitsverantwortlichen der Firmen mit mehr als 400 bis 500
Angestellten innerhalb der Zonen 1 und 2 des AKW Mühleberg zu
Informationsanlässen ein. Diese Zonen umfassen einen Kreis von bis
zu 20 Kilometern rund ums AKW.
"Periodisch" informieren
An den Informationsanlässen, die im Oktober in
Köniz
und Ostermundigen stattfinden, lernen die Teilnehmer, was nach einem
Zwischenfall im AKW zu tun wäre. Gemäss der
Alarmierungsverordnung des Bundes müssen die Kantone die
Bevölkerung und die Notfallorganisationen innerhalb der Zonen 1
und 2 "periodisch" über die Massnahmen bei einem Störfall und
das Verhalten bei Gefahr informieren. Der Bund hat dafür eine
Dokumentation mit Checklisten herausgegeben. Diese beschreiben das
Verhalten von zivilen Führungsorganen, Schulen, Spitälern,
Heimen und Betrieben bei einem Zwischenfall.
"Schlüsselpersonen"
Im vergangenen Jahr hat der Kanton damit begonnen, die
politischen Entscheidungsträger auszubilden. Jetzt sind die Firmen
an der Reihe. Diese Schulung leiste "einen wichtigen Beitrag zur
laufenden Verbesserung der Einsatzbereitschaft der Notfallorgane",
heisst es im Brief. Die Sicherheitsverantwortlichen grosser Betriebe
seien "Schlüsselpersonen und Multiplikatoren bei der Umsetzung von
Massnahmen". Denn bei einer Einwohnerzahl von rund 450 000 Personen in
den Zonen 1 und 2 seien die Möglichkeiten für individuelle
Unterstützungen sehr eingeschränkt, und in der Regel bleibe
dazu auch keine Zeit.
drh
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Sonntagszeitung 11.7.10
Atommüll-Lager: Kantone verlangen Bohrungen Untersuchungen
an vier
weiteren Standorten würden 100 Millionen Franken kosten - die
Nagra will nicht einlenken
Zürich Neue Runde im Streit um die Standortsuche
für
ein Atommüll-Lager. Die Kantone verlangen von der Nagra weitere
Bohrungen. Dies hat der Regierungsausschuss der Standortkantone an
seiner Sitzung am 29. Juni beschlossen. Das hätte Kosten in der
Höhe von 100 Millionen Franken und eine Verzögerung der
Lagersuche von bis zu sieben Jahren zur Folge.
Bloss der Wellenberg und Benken im Zürcher Weinland
seien
ausreichend untersucht - nun müssten Bohrungen an den vier
restlichen Standorten folgen, verlangen die Kantone.
Dies betrifft:
→ Jura-Südfuss (SO/AG)
→ Bözberg (AG)
→ Nördliche Lägern (ZH/AG)
→ Südranden (SH)
Die Kantonalen Geologen und die Regierungsräte sind
sich
einig, dass es jetzt weitere erdwissenschaftliche Abklärungen
braucht, um die sechs vorgeschlagenen Standorte vergleichen zu
können. Nur so seien die provisorischen Sicherheitsanalysen der
Standorte möglich, wie sie der Sachplan für die nächste
Etappe vorsehe. "Das ist die offizielle Doktrin des
Regierungsausschusses", sagt Walter Straumann (CVP), Regierungsrat des
Kantons Solothurn.
Auch Thomas Flüeler, Sekretär des Ausschusses
aller
Standortkantone bestätigt: Weil die Datenlage nicht an allen
Standorten ausreichend sei, seien "weitere erdwissenschaftliche
Abklärungen nötig". Flüeler arbeitet für das
Zürcher Umweltamt.
Bohrungen zwingend nötig - "alles andere ist
unseriös"
Geologen der Kommission für nukleare Sicherheit, die
den
Bundesrat berät sowie Wissenschaftler der Nagra teilen diese
Auffassung. Es brauche die Untersuchungen nicht erst in der Etappe 3,
wenn einzelne Standorte bereits ausgeschieden seien - wie dies die
Nagra plant. Ein Geologe, der nicht mit Namen genannt werden
möchte, sagt: "Erfahrungen im Tunnelbau zeigen: Der Untergrund
kann nur mit Bohrungen abgetastet werden, alles andere ist
unseriös."
Die Situation ist politisch heikel, das Image der Nagra in
der
Bevölkerung hängt von ihren nächsten Schritten ab.
Dennoch will Nagra-Chef Thomas Ernst nicht einlenken: "Es braucht jetzt
keinen Gleichstand der Datenlage in allen Gebieten." Die vorhandenen
Daten seien aussagekräftig genug, um die Standorte für eine
provisorische Sicherheitsanalysen vergleichen zu können. Im
September wird die Nagra einen Bericht vorlegen. "Dann können wir
diskutieren", sagt Ernst.
Laut Expertenschätzung dürfte jede Bohrung 20
bis 25
Millionen Franken kosten - die lokalen Bewilligungverfahren
könnten die Lagersuche um bis zu sieben Jahre verzögern.
Die Regierungsräte werden über ihren Beschluss
am 15.
August informieren.
Catherine Boss
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Sonntag 11.7.10
Alleingang in der Kritik
Tiefenlager: Nationalrat Miesch rüffelt Kanton
Schaffhausen
Christian Miesch ärgert sich über den Kanton
Schaffhausen. Mit einer eigenen Studie zu Auswirkungen von Lagern
für radioaktive Abfälle sei dieser vorgeprescht, kritisiert
der Baselbieter SVP-Nationalrat. In dem Ende April
veröffentlichten Papier werden mögliche wirtschaftliche
Schäden wegen radioaktiver Abfälle beziffert. Der Alleingang
missachte und torpediere die laufende Standortsuche. Miesch möchte
nun in seiner Interpellation vom Bundesrat wissen, wie er die
Schaffhauser Regierung wieder "auf den gemeinsamen Weg" führen
will.
Noch immer ist der Bund daran, zu prüfen, wo unsere
radioaktiven Abfälle dereinst gelagert werden sollen.
Ausgeschieden wurden sechs mögliche Standorte, darunter der
benachbarte Jurasüdfuss sowie der Bözberg. Für Aufregung
in der Region gesorgt hatte im vergangenen Jahr die Meldung, dass der
Zugang zu einem atomaren Endlager am Jurasüdfuss im Baselbiet zu
liegen kommen könnte. Das Szenario ist seit Ende 2009 aber wieder
vom Tisch. (db)