MEDIENSPIEGEL 13.7.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Stadttauben im Untergrund
- Bleiberechts-Camp: FDP-Eicher will Geld sehen
- Nachtleben: Waldpartys BE; 24-Stunden-Stadt ZH
- Pnos: Drohbriefe gegen Linke; Reitschule an Kranzklau schuld
- Narrenkraut: Guerilla-Gärtner LU; Rappaz im Inselspital
- Police CH: 170 Neue
- Big Brother: Gegen Privatisierung
- Anti-Atom: Leuthard pro AKW; Gossau senkt Atomstromanteil

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REITSCHULE
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Fr 16.07.10
20.00 Uhr - Vorplatz - Albino und Madcap (D) ab 22.00 - Polit-Rap

Do 22.07.10
22.00 Uhr - SLP - CIVET (USA) Rock'n'Roll, Support: Snakebone (CH) - Punkrock

Mi 28.07.10
22.00 Uhr - Vorplatz - SLP-Offene Bühne

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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STADTTAUBEN
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Bund 13.7.10

"Stadttauben" wieder untergetaucht

 Einmal mehr haben sich die "Stadttauben" an ein Ultimatum gehalten und ihren Standort in Matzenried geräumt, wie die Stadtbauten Bern (Stabe) gestern mitteilten. Nachdem die alternative mobile Wohngruppe erst vorletzte Woche auf dem Grundstück aufgetaucht war, wurde sie am 29. Juni von den Stabe aufgefordert, das besetzte Gelände bis gestern Morgen um acht Uhr zu verlassen.

 Wohin die "Stadttauben" weitergezogen sind, ist bisher nicht bekannt. An das von der Stadt eingeführte Rotationssystem im Dreimonatsrhythmus wollen sich die "Stadttauben" nicht halten. Lieber suchen sie sich ihre Standorte selber aus. Vonseiten der Stadt Bern sei man nicht bereit, weiter zu verhandeln, sagt Roland Meyer, Generalsekretär der Direktion für Finanzen, Personal und Informatik. "Es werden keine Ausnahmen vom Rotationsprinzip geduldet." (reh)

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20 Minuten 13.7.10

Stadttauben verschwunden

 BERN. Die Stadttauben, die seit Ende Juni ein Grundstück im Westen der Stadt Bern mit ihren Wohnwagen besetzt hielten, sind dem Ultimatum der Stadtbauten gefolgt. Diese hatten verlangt, dass sie das Grundstück in Matzenried bis Montag früh räumen würden. "Ich war gestern vor Ort und habe ein leeres und aufgeräumtes Gelände vorgefunden", so Alexander Schaller von den Stadtbauten. Wo sich die Stadttauben jetzt aufhalten, ist unklar.

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BLEIBERECHT
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20 Minuten 13.7.10

Kleine Schanze: Teure Besetzung

 BERN. Die gut einwöchige Besetzung der Kleinen Schanze durch eine Gruppe von Sans- Papiers (20 Minuten berichtete) war teuer: Neben Ertragsausfällen im Park-Café Kleine Schanze entstanden auch hohe Kosten für die Instandstellung des Rasens. Stadtrat Bernhard Eicher (FDP) fordert nun den Gemeinderat auf, das Bleiberecht-Kollektiv - dieses hatte die Besetzung organisiert - für die Übernahme der Kosten in die Pflicht zu nehmen. Die Instandstellungskosten des Geländes würden sonst auf die Steuerzahler abgewälzt. Gemäss der FDP hat der Gemeinderat in diesem Fall versagt und war unfähig, das geltende Recht durchzusetzen.

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http://www.fdp-stadtbern.ch/platform/content/element/179708/DringlicheMotion_KonsequenzenBesetzung_Juli10.pdf

Dringliche Motion Fraktion FDP (Bernhard Eicher)
Konsequenzen aus der Besetzung der Kleinen Schanze

Von Samstag 26. Juni bis Freitag 02. Juli hielt eine Gruppe von Aktivisten die kleine Schanze besetzt. Laut eigenen Angaben wurde das Ganze von einer Organisation Namens "Bleiberecht- Kollektiv" (http://www.bleiberecht.ch) organisiert. Die Fraktion FDP hält einmal mehr fest, dass sie solche Besetzungen für illegal hält und vom Gemeinderat erwartet, dass er dem geltenden Recht entsprechend Achtung verschafft.

Wie die gut einwöchige Besetzung aber zeigte, war der Gemeinderat weder fähig noch willens, das geltende Recht durchzusetzen. Dies ist umso stossender, als dass bei steuerzahlenden Gewerblern geltende Vorschriften jeweils minutiös durchgesetzt werden (z. B. Anlieferungszeiten in der Innenstadt, "Entrümpelung" der Innenstadt, Vorschriften zur Aussenbestuhlung, Pflicht zur Benutzung von Mehrweggeschirr auf öffentlichem Grund). Bedenkt man, dass durch die Besetzung und die Passivität der Gemeindebehörden einigen Gewerbetreibenden zusätzlich Ertragsausfälle entstanden sind, kann man sich ihren Unmut bestens vorstellen. Aber nicht nur das Gewerbe, sondern auch die Steuerzahlenden werden durch die Aktivisten belastet: Der Stadt entstanden - trotz gegenteiligen Bekundungen durch die Besetzer - erhebliche Kosten zur Instandstellung des Rasens auf der kleinen Schanze (laut Medienberichten bis zu CHF 20'000.00).

Da der Gemeinderat in der Auseinandersetzung mit illegalen Besetzergruppen einmal mehr versagt hat, sollte er sich wenigstens im Nachhinein um einen korrekten Umgang mit den Steuerzahlenden und dem Gewerbe bemühen. Entsprechend wird er beauftragt:

1. Die entstandenen Instandstellungskosten für die kleine Schanze, allfällige Räumungskosten sowie alle weiteren Aufwendungen (z. B. Zeitaufwand für Verhandlungen) bei den Organisatoren, also dem Bleiberecht-Kollektiv, einzufordern.
2. Dem umliegenden Gewerbe, insbesondere dem Park-Café Kleine Schanze, die durch die illegale Besetzung entstandenen Ertragsausfälle zu entschädigen.

Bernhard Eicher, 19.08.2010

Begründung der Dringlichkeit:
Einmal mehr profilierte sich Bern als Stadt der Ungleichheit. Einmal mehr brüskierte der Gemeinderat sowohl Steuerzahlende als auch Gewerbetreibende. Entsprechend ist eine rasche Korrektur vorzunehmen.

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NACHTLEBEN
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Bund 13.7.10

Laute Partys im Wald stören das Wild

 Grillen, spazieren oder Partys feiern: Im Sommer zieht es die Menschen zur Erholung in die stadtnahen Wälder. Man habe nichts gegen die Mehrnutzung des Waldes, sagt Michel von Fischer, zuständiger Förster für die Stadtwälder der Burgergemeinde der Stadt Bern. Erstaunlicherweise halte sich auch der Abfall in Grenzen. Schlimmer dagegen sind laut von Fischer die Lärmemissionen von illegalen Partys - und diese gibt es immer öfter. Das Wild sei durch die Musik gestresst und verursache Schäden an Bäumen und Pflanzen. (reh) — Seite 19

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Wilde Partynächte in den Wäldern machen die Rehe aggressiv

 Feste mit lauter Musik, Grillabende mit viel Abfall oder Biker setzen den Wäldern um die Stadt Bern zu.

 Rahel Bucher

 An einem Sonntagmorgen in einer Waldlichtung nahe der Stadt Bern. Elektronische Musik dröhnt aus den Lautsprechern, das Brummen des Generators wird längst übertönt. Die letzten Nachtvögel tanzen zum Sonnenaufgang oder liegen schlafend unter einem Baum. Die ersten Morgenmenschen joggen an der Lichtung vorbei oder führen ihren Hund spazieren. Man betrachtet sich verwundert, versucht das gegenseitige Kopfschütteln zu deuten oder winkt sich belustigt zu. Unterschiedlicher könnten die Bedürfnisse nicht sein. Trotzdem zieht es die Menschen - besonders im Sommer, wenn es in der Sonne kaum auszuhalten ist - in die schattigen Wälder rund um Bern.

 Wild leidet unter Lärmemission

 Man habe nichts dagegen, dass der Wald im Sommer viel genutzt werde, sagt Michel von Fischer, zuständiger Förster für die Stadtwälder der Burgergemeinde Bern. "Wenn die Leute ein paar Bier trinken und bis spät in die Nacht Lieder singen, ist das kein Problem", findet er. Problematisch werde es erst, wenn Stromgeneratoren aufgestellt und laute Musik abgespielt werde. Solche illegalen Partys würden in letzter Zeit zunehmen. "Mittlerweile gibt es schon fast an jedem schönen Sommerwochenende eine Party im stadtnahen Wald", sagt er.

 Besonders für das Wild sind diese Lärmemissionen sehr belastend. Durch den Stress würden die Rehe aggressiv und verursachten Schlag- und Verbissschäden an Bäumen und Pflanzen, erklärt der Förster. Das heisst, dass sie mit dem Geweih Bäume beschädigen und Knospen von jungen Pflanzen essen. Auch Leute, die in der Nähe des Waldes wohnen, fühlen sich durch den Lärm belästigt und melden die Störung bei der Polizei. In der Sommerzeit gibt es immer mehrere Telefonate und Anzeigen wegen illegaler Partys, bestätigt die Kantonspolizei Bern. Von einer Zunahme könne man aber nicht reden.

 Die illegalen Partymacher riskieren im schlimmsten Fall eine Anzeige oder werden gebüsst, falls sie mit den Autos in Fahrverbote hineinfahren, um zum Beispiel das technische Material zu transportieren. Grundsätzlich müssen Waldpartys mit lauter Musik durch das Amt für Wald des Kantons Bern und den Waldbesitzer bewilligt werden, wie von Fischer sagt. Man habe schon öfters Bewilligungen vergeben. Doch wegen der Zunahme illegaler Feste sei man strenger geworden. Trotz Illegalität und Lärmemission gibt es aus Sicht des Försters auch etwas Positives zu sagen. "Nach den Partys ist immer tipptopp aufgeräumt."

 "Jeder Besucher ist Gast im Wald"

 Ganz im Gegensatz zu anderen Plätzen, die nach einem schönen Wochenende ein eher chaotisches Bild abgeben. Deshalb werden die offiziellen Grillstellen von der Stadt regelmässig und bedarfsgerecht kontrolliert und aufgeräumt, wie Patric Schädeli, zuständig für Betreib und Unterhalt beim Tiefbauamt der Stadt Bern, sagt. Trotzdem stellt von Fischer fest, dass rund 90 Prozent aller Besucher ihren Abfall mitnehmen. Auch Sportler und insbesondere Biker müssen Rücksicht auf den Wald nehmen. Diese würden oft lieber neben den bezeichneten Wegen fahren, stellt von Fischer fest. Dass sei ein zunehmendes Problem, zumal die Fahrradfahrer schlecht ansprechbar seien. Sie seien schon an einem vorbeigeflitzt, ehe man überhaupt zu Wort komme.

 Bei ihren Waldbesuchen sind sich viele Leute gar nicht bewusst, dass der Wald kein öffentlicher Raum ist. Denn jeder Flecken davon gehöre jemandem - oft Gemeinden oder Privatleuten - die das Stück Wald der Öffentlichkeit zur Verfügung stellten, sagt Gerold Knauer, Bereichsleiter Planung beim Amt für Wald des Kantons Bern. Zwar sind die Eigentümer laut Artikel 699 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches verpflichtet, "das Betreten von Wald und Weide in ortsüblichem Umfange jedermann zu gestatten". Trotzdem sagt Knauer: "Jeder Besucher ist ein Gast im Wald."

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 Waldbrandgefahr in Bern

 Durch den Niederschlagsmangel steigt in einigen Gebieten des Kantons Bern die Waldbrandgefahr kontinuierlich an. Besonders betroffen sind das Seeland und der Jurasüdfuss, wo im ersten Halbjahr 2010 weniger Regen gefallen ist als andernorts. In den anderen Gebieten des Kantons - auch in der Stadt Bern - ist von einer mittleren Waldbrandgefahr auszugehen. Das Amt für Wald empfiehlt, sorgfältig mit Feuer umzugehen:

 Grillfeuer nur in Feuerstellen entfachen.

 Feuer beobachten und Funkenwurf sofort löschen. Kein Feuer bei starkem Wind.

 Keine brennenden Zündhölzer und Raucherwaren wegwerfen.

 Bricht trotzdem Feuer aus, muss sofort die Feuerwehr alarmiert werden. (reh)

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Tagesanzeiger 13.7.10

Polizeistunde wieder einführen?

 Für den Strafrechtler Martin Killias wäre die Wiedereinführung der Polizeistunde in der Stadt Zürich eine taugliche Massnahme, um die Jugendkriminalität einzudämmen. "Wir haben starke Indizien dafür, dass die Jugendgewalt massiv zurückgehen würde, wenn die Jugendlichen nicht mehr bis in alle Nacht hinein im Ausgang wären", sagt Killias im Interview mit dem "Tages-Anzeiger". Der Zürcher Uni-Professor schliesst aus seiner jüngsten Untersuchung, dass das grosse Ausgeh-Angebot in der "24-Stunden-Stadt" Zürich dazu führt, dass die Eltern das Freizeitverhalten ihrer Kinder nicht mehr kontrollieren können. Deshalb plädiert Killias dafür, dass die Politik bei den "Strukturen" eingreift. Das sei einfacher, als das Verhalten der Menschen zu ändern. "Die Ausgeh-Gesellschaft ist nicht in Stein gemeisselt", sagt Killias. "Es ist am Staat, zu entscheiden, ob er das will oder nicht."

 Die Stadt Zürich überlegt sich momentan, wie sie die Folgen des neuen Ausgehverhaltens mit polizeilichen und anderen Massnahmen in den Griff bekommen könnte. Bereits angepasst wurden die Einsatzzeiten von Polizei und Interventionsgruppen. (TA) - Seite 17

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Die 24-Stunden-Stadt

 "Die Polizeistunde wäre eine taugliche Lösung"

 Das neue Freizeitverhalten führt zu einer Zunahme der Gewaltdelikte, sagt der Strafrechtler Martin Killias. Sein Rezept: den Ausgang der Jungen beschränken.

 Mit Martin Killias sprach Helene Arnet

 Herr Killias, wie wirkt sich der 24-Stunden-Betrieb in der Stadt Zürich auf die Anzahl der Gewalt-delikte aus?

 Gewaltdelikte haben, auch seitens jugendlicher Täter, seit 1995 stark zugenommen. Wir können in einer kürzlich veröffentlichten Studie aufzeigen, dass das sehr viel mit der Veränderung des Freizeitverhaltens zu tun hat. Und das stimmt mich vorsichtig optimistisch.

 Optimistisch? Wie das?

 Es ist viel einfacher, die Umstände und äusseren Strukturen zu verändern als die Menschen. Zurzeit setzt die offizielle Politik auf Anti-Gewalt-Training an Schulen und ähnliche auf die Persönlichkeit der Menschen wirkende Methoden, von denen aber niemand so genau weiss, ob und wie sie sich auswirken. Da wäre es doch viel einfacher, beispielsweise die Polizeistunde wieder einzuführen

 Das ist nicht Ihr Ernst.

 Ich sage nicht, dass ich das will. Als Forscher zeige ich aber auf, welche Massnahmen sich wie auswirken. Und wir haben starke Indizien dafür, dass die Jugendgewalt massiv zurückgehen würde, wenn die Jugendlichen nicht mehr bis in alle Nacht hinein im Ausgang wären. Wenn der Staat also gewillt ist, die Jugendgewalt abzubauen, wären die Polizeistunde oder Zeitlimiten für Kinder taugliche Massnahmen.

 Tauglich vielleicht. Aber doch auch völlig weltfremd. Politisch hat das keine Chance.

 Diese Ausgeh-Gesellschaft ist nicht in Stein gemeisselt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass der 24-Stunden-Betrieb der Kernstädte heruntergefahren wird. Oder der Alkoholverkauf ab Mitternacht verboten ist. Es ist am Staat, zu entscheiden, ob er das will oder nicht. Wenn er Ja zur 24-Stunden-Stadt sagt, muss er auch akzeptieren, dass es zu mehr Gewaltdelikten kommt. Im Übrigen ist es die Freizeitindustrie, die von der ganzen Entwicklung massiv profitiert.

 Delegieren Sie damit nicht die Verantwortung der Eltern an den Staat? Es ist doch an den Eltern und nicht am Staat, ihren Kindern zu sagen, wann sie ins Bett müssen.

 Das ist leichter gesagt als getan. Unsere Untersuchung zeigt, dass gerade wegen des viel grösseren Angebots die Eltern das Freizeitverhalten ihrer Kinder immer weniger kontrollieren können. Wir können zeigen, dass in den letzten rund 15 Jahren der Anteil jener Jugendlichen, die sich um die von den Eltern vorgegebene Heimkehrzeit weitgehend scheren, massiv zugenommen hat. Auch sagen heute doppelt so viele Jugendliche wie früher den Eltern nicht mehr, mit wem sie ausgehen. Der oft pauschale Vorwurf, die Eltern würden ihre Erziehungsaufgabe nicht wahrnehmen, ist daher verfehlt. Es wird ihnen angesichts des grossen Angebots sehr schwer gemacht, sich durchzusetzen.

 Martin Killias

 Ein Spezialgebiet des Professors für Strafrecht an der Uni Zürich ist die Untersuchung von Jugendkriminalität.

 Martin Killias et al.: Prävention ohne Trendanalyse? Mythen und Trends zur Jugendkriminalität in der Schweiz, Zweites Zürcher Präventionsforum 2010.

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Die 24-Stunden-Stadt

 "Der HB ist das grösste Jugendhaus der Schweiz"

 Die 24-Stunden-Stadt ist gut fürs Freizeitgewerbe. Die Probleme müssen andere lösen.

 Von Helene Arnet (Text) und Reto Oeschger (Bilder)

 Zürich - Zehntausende sind an Samstagabenden in Zürich im Ausgang. Viele von ihnen suchen nicht in Theatern oder Konzerten Zerstreuung, sondern hängen draussen herum. Die ganze Nacht und sehr feucht, aber nicht immer fröhlich (TA von gestern). "In den letzten zehn Jahren hat sich das Freizeitverhalten vor allem der Jugendlichen rasant verändert", sagt Michael Herzig, Leiter des Bereichs Sucht und Drogen beim Stadtzürcher Sozialdepartement. Dies hänge massgebend mit dem gut ausgebauten und zahlbaren öffentlichen Verkehr zusammen.

 Heute gehen in Zürich viel mehr Jugendliche als früher in den Ausgang, sie kommen oft erst gegen 22 Uhr und bleiben bis in alle Herrgottsfrüh. "Am Wochenende ist der Hauptbahnhof das grösste Jugendhaus der Schweiz", sagt Herzig. Das Einzugsgebiet erstrecke sich bis in den süddeutschen Raum. Hotspots sind der Hauptbahnhof, der See und die Gegend um den Escher-Wyss-Platz.

 Flexiblere Einsätze der Polizei

 Die Interventionsgruppe Sip Züri wurde vor zwei Jahren um 10 Stellen auf 30 aufgestockt, und sie hat ihre Einsatzpläne grundlegend umgestaltet. Während die Sip-Leute früher hauptsächlich zwischen Mittag und Mitternacht unterwegs waren, sind sie jetzt am Wochenende rund um die Uhr im Einsatz. Die zusätzliche Belastung hat laut Herzig im Team zu heftigen Diskussionen geführt.

 Auch die Stadtpolizei ist von der 24-Stunden-Stadt gefordert - und musste sich im Februar harsche Vorwürfe gefallen lassen, weil sie bei den Ausschreitungen, in die eine Reclaim-the-Street-Aktion ausartete, nicht rechtzeitig genügend Leute vor Ort hatte. Laut Stapo-Sprecher Marco Cortesi wirkt sich das veränderte Freizeitverhalten stark auf die Einsatzzeiten der Stadtpolizisten aus. "Unsere Leute müssen extrem flexibel sein." Zumal neben dem 24-Stunden-Betrieb immer mehr Grossanlässe und Sportveranstaltungen zu bewältigen seien und auch die Grundversorgung gewährleistet sein müsse. Cortesi betont: "Mit dem bestehenden Bestand sind regelmässige zusätzliche Einsätze an Wochenenden und in der Nacht kaum machbar." Die Strategie, wie mit dieser Ausgehgesellschaft umzugehen ist, sei aber Sache der Stadtentwicklung.

 Eine eigentliche Taskforce "24-Stunden-Stadt" hat der Stadtrat noch nicht geschaffen, doch stellt der Rund-um-die-Uhr-Betrieb die Stadt vor Zielkonflikte.

 So bewirbt Zürich Tourismus die Ausgehmeile Zürich gezielt. Die Clubs der Stadt sind gut besucht, doch gleichzeitig breitet sich auch die "Hängerszene" aus. Denn viele Jugendliche können sich den Aufenthalt in den Clubs nicht leisten. Darum decken sie sich bei Grossverteilern mit Alkohol ein und halten sich draussen auf der Strasse auf. Was die Quartiere mit Lärm und Dreck stark belastet. Zudem bilden sich auch in den Aussenquartieren immer mehr lokale kleine "Hotspots", weil Stadtzürcher die von Auswärtigen überschwemmten Partyszenen meiden. Sip musste deshalb die Einsatzorte ausbauen. Dadurch gerät die Stadt selbst in eine Zwickmühle: Wie viel Festfreude ist zumutbar? Laut Herzig herrscht zurzeit eine restriktive Praxis. "Die Toleranz richtet sich nach den schwächsten Nerven." Das bedeute, dass ein genervter Nachbar selbst ein offiziell bewilligtes Fest kippen kann.

 Vorschlag: Alkoholpreise senken

 Noch ein Spannungsfeld hat sich in den letzten Jahren aufgetan: die Frage nach den Alkoholpreisen. Während für die Suchtprävention der Preis für alkoholische Getränke kaum hoch genug sein kann, wäre es laut Herzig für die Stadt besser, wenn Drinks an einer Bar oder in einem Club nicht wesentlich teurer wären als im Supermarkt oder im Tankstellenshop: Im Umfeld der Partyszene gäbe es weniger "Preloading" und Beschaffungskriminalität. Ähnlich wie die Heroinabgabe die Beschaffungskriminalität von Drogenabhängigen reduziert habe.

 Laut Herzig ist die Kleinkriminalität in Umfeld des Nachtlebens klar angestiegen. Typisch dafür sei die Raubserie im Klingenpark beim Museum für Gestaltung: Jugendliche haben Jugendliche überfallen, um sich das Eintrittsgeld für die Clubs zu beschaffen. Wenn zugeschlagen wird, wird härter zugeschlagen. Ein Phänomen, das auch Strafrechtsprofessor Martin Killias beobachtet (siehe Interview rechts). Er stellt das Phänomen in einen Zusammenhang mit Videofilmen und Computerspielen, in denen unzählige Male vorgeführt werde, wie man Opfer möglichst effizient "wegklatscht". Die Sip-Mitarbeitenden stellen zudem fest, dass viele Jugendliche in Kampfsportarten geübt sind. Diese schulen zwar die Selbstdisziplin, bei den schwarzen Schafen aber führen sie auch dazu, dass sie härter zuschlagen.

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 ZVV-Nachtnetz 12 200 Personen pro Nacht

 Der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) führte im Dezember 2002 das Nachtnetz auf seinem Schienen- und Busnetz ein. Er reagierte damit auf die Liberalisierung des Gastgewerbegesetze, welches das Bedürfnis nach öffentlichen Verkehrsmitteln über Mitternacht hinaus stark erhöhte. Unterdessen gibt es neun Nacht-S-Bahn-Linien und 47 Nacht-Bus-Linien im ganzen ZVV-Gebiet. Die Nachfrage ist seit dem Start um mehr als 170 Prozent gestiegen. 2009 nutzten pro Nacht durchschnittlich 12 200 Fahrgäste das ZVV-Nachtnetz. Auf den Nacht-S-Bahnen fahren jeweils mindestens zwei Zugbegleiter mit, dazu kommen regelmässige Schwerpunktskontrollen und Patrouillen der Bahnpolizei. Zudem sind alle Nachtbusse und die meisten S-Bahnen videoüberwacht. (net)

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PNOS
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Blick am Abend 12.7.10

Drohbriefe gegen Linke

 SPRENGFALLEN

 Die Schlacht um die Schlachtfeier wird immer extremer geführt.

 michael.graber@ringier.ch

 Die Drohgebärden rund um die Schlachtfeier Sempach reissen nicht ab. Mindestens einer Person aus dem linken Kreis ist nun ein happiger Brief ins Haus geflattert. Man werde "zuschlagen", wo es "empfindlich wehtut", schreiben die anonymen Verfasser. Der Empfänger sei als einer der Verantwortlichen für die Probleme an der Schlachtfeier "identifiziert worden".

 Besonders perfid: Der Brief ist nicht an den Bedrohten direkt gerichtet, sondern wurde an die Eltern geschickt. Eine Masche, die nicht neu ist: Schon vor einem Jahr erhielten die Eltern eines anderen Aktivisten noch happigere Drohungen.

 "Wir sind mit dem Brief zur Polizei", sagt der bedrohte B. M., der anonym bleiben will. Er und seine Eltern haben jeweils Anzeige gegen den unbekannten Absender erstattet. "Er wird aus dem rechtsextremen Milieu stammen."

 Der Brief fällt darum besonders auf, weil sich erst letzte Woche die rechtsextreme PNOS mit einer öffentlichen Mitteilung zu Wort meldete. Darin kündete sie für die linke Szene Sippenhaftung an, diese werde in den "nächsten Monaten nichts zu lachen haben". Zudem kündete die PNOS an, Gegenstände mit Sprengfallen zu sichern. Dies, weil vor der Schlachtfeier das Winkelried-Denkmal verschmiert und ein Gedenkkranz gestohlen wurde. M. hat damit aber "rein gar nichts zu tun".

 Für Hans Stutz, Beobachter der rechtsextremen Szene in der Schweiz, sind solche Drohungen nicht neu: "Das zeugt von einer gewaltverherrlichenden Ideologie." Er kann aber auch etwas entwarnen: "Gezielte Anschläge von Neo-Nazis auf Personen sind sehr selten."

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pnos.ch 11.7.10

Erneute Kranzniederlegung in Sempach  (11.07.2010)

Am 09. Juli versammelten sich treue Nationalisten beim Winkelried-Denkmal, um erneut einen Kranz für die gefallenen Helden von Sempach niederzulegen. Der erste Kranz wurde bekanntlich von linken Faschisten feige gestohlen, dies wird jedoch ebenso feige von den pro linken Medien verschwiegen. Den Beweis liefern die Täter jedoch selber, so wurde auf einschlägigen Webseiten eine Foto des Kranzes vor der Reitschule Bern veröffentlicht.

 Zudem haben die Nationalisten beim Denkmal eine Hinweistafel mit Fotos angebracht, damit jeder Besucher auf diese Schandtaten aufmerksam wird. Weiter wurde am Freitag Strafanzeige wegen Diebstahl gegen Unbekannt eingereicht. Obwohl dies nichts bringen wird, muss sich der Justizapparat zwangsweise damit beschäftigen.

 Der Spruch in diesem Jahr auf dem Kranz:
O Schönstes Los von allen:
 Die Waffen in der Hand,
 Im heiligen Kampf zu fallen
 Fürs freie Vaterland!

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NARRENKRAUT
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Tagesanzeiger 13.7.10

Die kleine Geschichte In Luzern beglücken Hanfpflanzen am Strassenrand die Kiffer.

 Die Guerilla-Gärtnerei lebt!

Erwin Haas, Luzern

 Die Früchte der schweizerischen Politik reifen langsam. Wenn es um Cannabis geht, verdorren sogar ein ums andere Mal schon ihre Blüten - letztmals 2008, als das Schweizer Volk dem Hanf die Legalisierung als harmloses Genussmittel versagte. Schnell spriesst dafür das Pflänzchen Cannabis selber: Es braucht bei guter Pflege nicht einmal einen ganzen Sommer, um aus unscheinbaren Samen fette Blütendolden zu machen.

 Zwei junge Luzerner legten jetzt zur Wachstumsförderung des berauschenden Rauchguts einen Zacken zu: Sie haben im Schutz einer Juni-Nacht rund 50 Hanfsetzlinge in öffentliche Rabatten gepflanzt. Damit verleihen sie der Diskussion um Marihuana, das immer noch als schädliches Betäubungsmittel gilt, neuen Schwung. Gleichzeitig rufen sie in Erinnerung, dass die Bewegung der urbanen Guerilla-Gärtnerei lebt.

 Die Pflanzung in Luzern war offenbar nicht von langer Hand und auch nicht von einem grünen Daumen geplant, sondern ein Ausweg aus einer emotionalen Notlage. "Die Setzlinge waren übrig geblieben, und wir brachten es nicht übers Herz, sie auf den Kompost zu werfen", sagte ein 25-jähriger Luzerner gegenüber "20 Minuten". Da habe er sich an die Guerilla-Gärtner erinnert. Diese säen am Rand von Strassenzügen und asphaltierten Hinterhöfen in europäischen Städten heimlich Blumen, oder sie bauen auf Boulevard-Mittelstreifen Gemüse an. Eine feinsinnige politische Botschaft, denn damit protestieren sie gegen betoniertes Ödland und "die Monokulturen des Spiessbürgertums". Sie bringen Farbe ins Grau, und manchmal schaut sogar eine bescheidene urban-landwirtschaftliche Ernte heraus.

 Um ihr ideologisches Saatgut flächendeckend zu verbreiten, haben die Guerilla-Gärtner raffinierte Methoden wie die "Samenbomben" erfunden: Kügelchen aus Erde, Ton und Samen, die sie vom Velo aus unauffällig, aber zielsicher in Kreiselbrachen oder auf Bahndämme werfen. Sie kleistern Betonsäulen mit Buttersäure und Moossporen voll, um sie zu begrünen, werfen Biosaatgut in Versuchsfelder mit Gentechtrieben und pflanzen auch mal einen Dornbusch auf ein Golfgreen in der Hoffnung, dass er sich vermehre.

 Auch die Aktion in Luzern hat einen politischen Aspekt. Sie könnte für Gesprächsstoff sorgen, sagte der junge Mann, "auf die verkorkste und teilweise willkürliche Hanfpolitik aufmerksam machen" und vielleicht auch jemandem eine Freude bereiten, der ein Hanfpflänzchen nach Hause nehmen will - sofern die Luzerner Stadtlandpfleger, die dieses spezielle "Gras" wie Unkraut behandeln, nicht schon wieder alles ausgerissen haben.

 Die Luzerner Grünen haben ein Postulat eingereicht mit dem Anliegen, Cannabis in einem wissenschaftlich begleiteten und staatlich kontrollierten Pilotversuch für den Verkauf freizugeben. Das bringe besseren Jugendschutz, der Schwarzmarkt könne zurückgebunden und die Vermischung von harten und weichen Drogen verhindert werden, sagte der Mitunterzeichner Hans Stutz. Vorbild war der Zürcher Gemeinderat: Er hat im Juni dasselbe Postulat gegen den Willen der Bürgerlichen an den Stadtrat überwiesen. In Bern hatte der gleiche Vorstoss 2006 allerdings nicht überlebt, und auch in Luzern sind die Kräfteverhältnisse eher so, dass das Haschisch-Postulat zu verkümmern droht.

 Die 50 Rabattengeschenklein kommen den Luzerner Kiffern deshalb als symbolisches Almosen gerade recht, zumal die Hanfanbau-Meldepflicht nur für Pflänzchen mit mehr als 0,3 Prozent des Wirkstoffs THC gilt. Diesen "Tatbestandsvorsatz" lässt sich der heimlich gepflanzte und der Selbstbedienung anheimgestellte Hanf bestimmt nicht unterjubeln.

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BZ 13.7.10

Hungerstreik

 Rappaz in der Insel

 Hanfbauer Bernard Rappaz ist auf Anordnung der Walliser Behörden gestern ins Inselspital Bern verlegt worden.

 Der seit mehr als 100 Tagen im Hungerstreik befindliche Hanfbauer Bernard Rappaz ist seit gestern im Berner Inselspital. Es sei Pflicht des Staates, dem Tod von Rappaz vorzubeugen, heisst es in einer Mitteilung von den Walliser Behörden.

 Getroffen wurde der Entscheid von der Walliser Justizdirektorin Esther Waeber-Kalbermatten in Absprache mit den Verantwortlichen des Departements sowie medizinischen und juristischen Fachpersonen. Die Verlegung eröffne die Möglichkeit, notfalls lebenserhaltende Massnahmen vorzunehmen, wird der Beschluss begründet.

 In neuer Umgebung

 Ziel der Verlegung vom Gefängnistrakt des Genfer Unispitals ins Inselspital ist es, den Strafgefangenen in einer neuen Umgebung und unter neuer Betreuung zu überzeugen, die Nahrungsaufnahme wieder aufzunehmen.

 Rappaz ist seit über 100 Tagen im Hungerstreik - mit Unterbruch von einer Haftaussetzung von zwei Wochen. Er protestiert gegen ein in seinen Augen als Exempel statuiertes Urteil der Walliser Justiz.

 Diese hatte Rappaz 2001 wegen Anbaus und Handels mit Hanf und weiteren Delikten zu fünf Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt.
 sda

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20 Minuten 12.7.10

Marihuana-Pflänzchen zieren Luzerner Beete

 LUZERN. Zwei Guerilla- Gärtner haben in der Stadt heimlich 50 Hanfpflanzen gesetzt. Konsequenzen drohen ihnen wohl keine.

 Die Stadtluzerner können möglicherweise im öffentlichen Raum bald Marihuana ernten. Zwei Guerilla-Gärtner haben vor rund einem Monat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion rund 50 Hanfpflanzen in der ganzen Stadt gesetzt. "Die Setzlinge waren übrig geblieben, und wir brachten es nicht übers Herz, sie auf den Kompost zu werfen", sagt der 25-jährige Luzerner Christian*. Da habe er sich an die Idee des Guerilla Gardening erinnert - diese Bewegung will mit dem heimlichen Aussäen von Pflanzen mehr Leben in die grauen Städte bringen. "Zudem wollen wir auch ein bisschen für Gesprächsstoff sorgen und auf die verkorkste und teilweise willkürliche Hanfpolitik aufmerksam machen", so Christian.

 Viele der Pflanzen wurden in öffentlichen Rabatten der Stadt ausgesetzt. "Wir behandeln sie wie Unkraut und reissen sie aus", sagte Mitarbeiter Martin Hofmann auf Anfrage. Es sei aber fraglich, ob die Pflänzchen überleben würden. Eine Anzeige sei in solchen Fällen wenig sinnvoll, da es fast unmöglich sei, die Täter zu finden. Laut Urs Wigger von der Luzerner Polizei ist das Anpflanzen von Marihuana grundsätzlich erlaubt, solange keine Ernteabsicht besteht. Christian: "Wir wollen nicht ernten. Aber vielleicht machen wir ja jemandem eine Freude, der ein Pflänzchen findet und es nach Hause nehmen will."  

Markus Fehlmann/Matthias Giordano  

* Name der Redaktion bekann

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POLICE CH
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Oltner Tagblatt 13.7.10

170 neue Polizistinnen und Polizisten für elf Kantone

 Hitzkirch Im bisher grössten Lehrgang an der Interkantonalen Polizeischule bestanden 9 von 179 Lernenden die Prüfung nicht

 Nach intensiver Ausbildung haben 170 Absolventinnen und Absolventen der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch (IPH) die Eidgenössische Berufsprüfung zum Polizist/Polizistin bestanden und konnten ihr Diplom entgegennehmen.

 "Sie dürfen stolz sein auf das Erreichte. Die Grundlagen für die Ausübung des Polizeiberufes haben Sie sich angeeignet. Nun kommt die Phase, wo Sie in den Beruf hineinwachsen müssen. Das steht Ihnen noch bevor", sagte Christoph Tanner, Direktor der IPH, zur Eröffnung des Lehrganges 2009-2 am vergangenen Donnerstag in der Aula der Kommende Hitzkirch.

 Die Interkantonale Polizeischule Hitzkirch ist das Aus- und Weiterbildungszentrum der elf Konkordatskantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Solothurn, Uri und Zug. Mit 179 Lernenden wurde der bisher grösste Lehrgang durchgeführt. Neun Teilnehmende bestanden die anspruchsvollen Prüfungen leider nicht.

 Lehrer und Schüler geehrt

 Die Durchschnittsnoten in den Prüfungsfächer betrugen 5,3 in Berufsethik/Menschenrechte, 4,8 in Psychologie, 4,9 in Community Policing und 4,7 in Polizei-Einsatz. Das ergab einen Gesamtnotendurchschnitt des ganzen Lehrgangs von 4,9. Danielle Simone von Salis von der Polizei Basel-Landschaft war mit der Durchschnittsnote von 5,6 die Lehrgangsbeste und erhielt anerkennende Worte für ihre Leistung und aus den Händen des Direktors ein Präsent. Geehrt wurden auch die "Teachers of the Year", die von ihren Klassen ernannt wurden. Es sind dies Marco Dössegger, André Widmer und Andreas Sonntag.

 Musikalische Begleitung

 Es war ein Novum. Die musikalische Umrahmung der gediegenen Feier wurde vom Lehrgangsabsolventen Simeon Knöpfli (Kriegstetten) von der Polizei Kanton Solothurn geboten. Mit eindrücklichen Vorträgen am Flügel vermochte er das Publikum zu begeistern und erhielt dafür eine stehende Ovation. "Seit 14 Jahren spiele ich Klavier. Ich bin weder in einem Orchester, noch in einer Formation. Meine Auftritte sind ganz privat. Und ich möchte mein Hobby nie zum Beruf machen", vermerkte der sympathische junge Polizist, der den Lehrgang mit Erfolg abgeschlossen hat.

 Auch die grosse Zahl Gäste war begeistert vom musikalischen Können. Mit dabei waren die Baselbieter Regierungsrätin Sabine Pegoraro, Präsidentin der Konkordatsbehörde, Beat Hensler, Kommandant der Luzerner Polizei und Präsident des Schulrates sowie die Regierungsräte Alois Bissig (Nidwalden), Hans-Jörg Käser (Bern) und Peter Reuteler (Schwyz).

 Medien und Polizei

 "Der Journalist ist nicht dein Freund, nicht dein Feind, aber dein Partner." Das war die Schlussfolgerung aus dem Referat von Simon Kopp, Informationsbeauftragter der Strafuntersuchungsbehörden des Kantons Luzern. Er legte dar, welche unterschiedlichen Aufgaben Journalist und Polizeibeamter haben und wie eine Zusammenarbeit harmonieren kann. Aus Sicht des Redaktors zeigte Jürg Gohl, Basellandschaftliche Zeitung, mit Beispielen von Polizeimeldungen auf, dass sich das Zusammenspiel - zum Glück - auf alltägliche Vorfälle beschränke; wohl selten gehe es um Mord und Totschlag. "Tatort"-Sendungen hätten mit der polizeilichen Wirklichkeit eben wenig zu tun.

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Basellandschaftliche Zeitung 13.7.10

Von der Nichtschwimmerin zur Vorzeige-Polizistin

 Die Baselbieter Juristin Danielle Simone von Salis hat als Zweitausbildung die Polizeischule in Hitzkirch mit Bestnoten absolviert

 Danielle von Salis aus Bubendorf hat nach ihrem abgeschlossenen Jus-Studium nun auch die Polizeischule beendet - und zwar im ersten Rang vor 180 weiteren Absolventinnen und Absolventen.

 Jürg Gohl

 "Alles andere als sie an erster Stelle wäre ja eine Überraschung gewesen", stellt einer ihrer Lehrer mit sichtlichem Stolz auf seine Musterschülerin fest. "Da spielte einfach wahnsinnig viel Glück mit", entgegnet sie ihm: Danielle Simone von Salis aus Bubendorf hat die einjährige Polizeischule in Hitzkirch mit einer Durchschnittsnote von 5,6 abgeschlossen und damit mit der höchsten dieses Abschlussjahres.

 178 weitere Absolventinnen und Absolventen aus insgesamt elf Kantonen hat sie hinter sich gelassen. Sie alle zollten ihr stehend Beifall, als die 29-jährige Baselbieterin vergangene Woche bei der Abschlussfeier auf die Bühne gebeten wurde. 5 Prozent der Absolventen bestanden die Prüfung nicht.

 Seine Zuversicht wusste ihr Lehrer allerdings überzeugend zu begründen: Danielle von Salis konnte bereits ein abgeschlossenes Jus-Studium vorweisen, als sie sich im Baselbiet um eine Stelle bei der Polizei bewarb und vor einem Jahr in die Polizeischule in Hitzkirch am Baldeggersee eintrat. Dort lassen insgesamt elf Kantone gemeinsam ihren Nachwuchs ausbilden. Dank ihrer universitären Ausbildung hatte sie es in den Kopf-Fächern etwas leichter als alle andern.

 Körper- statt Kopf-Job

 Diese Schule in Hitzfeld als Zweitausbildung zu absolvieren, das ist nichts Aussergewöhnliches. Dass darunter aber jemand mit einem abgeschlossenen Uni-Studium in der Tasche sitzt, lässt hingegen schon aufhorchen. Diese zusätzliche Ausbildung nach ihrem Studium hat sie nicht als bewussten Karriere-Schritt auf sich genommen, auch wenn sie nun fortwährend den Spruch zu hören bekommt, sie sei wohl bald die erste Baselbieter Polizeikommandantin. "Nein, da steckt bestimmt kein Karriere-Kalkül dahinter", entgegnet Danielle von Salis, die eigentlich Bündnerin ist, aber in Münchenstein aufwuchs, nun in Bubendorf lebt und einen unverkennbaren Unterbaselbieter Dialekt spricht.

 "Ich habe mich ganz einfach endlich getraut, das zu tun, was ich schon immer wollte", sagt sie. Lange hatte sie, die Juristin, den Wunsch gehegt, einen "körperlichen statt einen Kopf-Job" auszuüben. Nun hat sie ihn definitiv: Je vier Monate bei der Autobahnpolizei, bei der Kriminalpolizei und bei der Sicherheit stehen ihr nun bevor.

 Nur leicht fiel ihr dieser Wechsel nicht. Ohne das Schwimmbrevet etwa, bei dem in der Uniform getaucht werden muss, hätte sie gar nicht erst zu den Prüfungen antreten müssen. Das bedeutete für sie, die vor wenigen Jahren noch Nichtschwimmerin war, Nachhilfe und Sondertrainings. "Ich habe ein hartes Jahr hinter mir", bilanziert sie nüchtern, nicht nur wegen des Schwimmens, "aber ich war jeden Tag glücklich und zufrieden."

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 Frauen holen auf

 Erste Gratulantin war Sabine Pegoraro: Noch ehe Danielle von Salis an der Brevetierungsfeier die Bühne betrat, um die Ehrung für ihren Spitzenplatz über sich ergehen zu lassen, war sie von der Baselbieter Regierungsrätin und Polizeidirektorin beglückwünscht worden. Es war die fünfte gemeinsame Brevetierungs- feier der elf Konkordatskantone, zum dritten Mal ist der Lehrgangsbeste ein Baselbieter, oder genauer: eine Baselbieterin.

 Sabine Pegoraro möchte diese Bilanz nun nicht überbewerten. "Vielleicht zahlt sich aus, dass bei uns die Einstellungen Sache des Kommandanten sind", sagt sie. Weit wichtiger sei für sie, dass es bisher alle drei Mal Frauen waren, die diese ersten Ränge bekleideten. "Das signalisiert auch nach aussen, dass sich das Polizistenbild gewandelt hat und dies schon lange kein reiner Männerberuf mehr ist", sagt Pegoraro. Von den Frauen profitiere, so ist sie überzeugt, nicht nur der Teamgeist. Frauen erleichterten auch gewisse Einsätze, etwa bei häuslicher Gewalt. (jg)

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BIG BROTHER
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NLZ 13.7.10

Privatisierung der Geheimdienste

 Politiker haben viele Einwände

Von Barbara Inglin

 Mit seinem Vorschlag bringt Experte Albert Stahel Sicherheitspolitiker auf die Palme. Effizienz sei in dem Fall nicht alles, andere Prioritäten seien wichtiger.

 "Die Nachrichtendienste sollen privatisiert werden", fordert Albert Stahel, Leiter des Instituts für Strategische Studien in Wädenswil, in der neusten Ausgabe der "Zentralschweiz am Sonntag" - wohl auch auf dem Hintergrund der jüngsten Fichenaffäre. Stahel erhofft sich von einer Privatisierung eine geringere Fehlerquote, tiefere Kosten und eine Effizienzsteigerung.

 Sicherheitspolitiker und -experten sind darüber empört. Klare Worte findet Peter Regli, ehemaliger Direktor des Schweizer Nachrichtendienstes: "Auch ein emeritierter Professor darf das Undenkbare denken. Er sollte dies aber nur auf Gebieten tun, in welchen er kompetent ist." Weiter will sich Regli nicht dazu äussern.

 "Sehr heikle Angelegenheit"

 Pius Segmüller, Luzerner CVP-Nationalrat und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, kann der Idee zumindest teilweise etwas Positives abringen: "Es ist durchaus möglich, dass eine private Firma kostengünstiger und effizienter arbeitet", sagt er. "Allerdings würde der Staat durch eine Privatisierung ins Offside geführt, das ist eine sehr heikle Angelegenheit."

 Segmüller geht es um das staatliche Gewaltmonopol, das in einem Rechtsstaat Polizei und Armee vorbehalten ist. "Der Nachrichtendienst liefert wesentliche Voraussetzungen dafür, dass Polizei und Armee richtig arbeiten können. Deshalb muss auch der Nachrichtendienst in den Händen des Staates bleiben." Doch das ist nicht der einzige Kritikpunkt: "Ein staatlicher Dienst lässt sich besser kontrollieren. Bei einem privaten Anbieter weiss man am Ende nicht, wessen Interessen er verfolgt, ob er auch noch für andere Organisationen arbeitet." Deshalb ist für Segmüller klar: "Diese Idee ist ein Schlag ins Wasser und auf keinen Fall umsetzbar."

 Was für ihn allerdings denkbar ist: "Solange die Verantwortung beim Staat bleibt, können gewisse Informationen durchaus durch Private beschafft werden und von diesen eingekauft."

 Auch Mitglieder der Geschäftsprüfungsdelegation, dem Aufsichtsorgan über die Geheimdienste, sind skeptisch und verweisen auf die staatliche Hoheit in diesem Bereich. Der Nidwaldner CVP-Ständerat Paul Niederberger setzt ein Fragezeichen hinter die Kontrollierbarkeit. "Der Staat hätte weniger detailliert Einsicht in die Arbeit des Dienstes. Bei personellen Entscheiden wäre nicht mehr der Bundesrat, sondern ein Verwaltungsrat zuständig." Für ihn ist auch der teilweise Einkauf von Informationen von privaten Firmen kein Thema: "Dann stellen sich sofort Fragen der Zuständigkeit und der Koordination." Der Nachrichtendienst des Bundes sei heute auf dem richtigen Weg. "Das Parlament hat Mängel aufgedeckt. Nun versucht man, diese zu beheben."

 "Absolut keinen Nutzen"

 Auch Alex Kuprecht, Schwyzer SVP-Ständerat und ebenfalls Mitglied der Geschäftsprüfungsdelegation, sieht "absolut keinen Nutzen" in einer Privatisierung. "Es ist zwar durchaus möglich, dass Private günstiger und effizienter arbeiten würden", sagt er. "Die Frage ist aber, ob nicht die Qualität der Arbeit darunter leidet." Kuprecht sieht vor allem ein Problem bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten. "Es ist höchst fraglich, ob ausländische Nachrichtendienste mit einer privaten Firma zusammenarbeiten würden. Dies sind aber ausserordentlich wichtige Netzwerke für den Schweizer Nachrichtendienst."

 barbara.inglin@neue-lz.ch

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 Privatisierung

 Aus rechtlicher Sicht bedenklich

 "Eine Privatisierung der Nachrichtendienste kommt aus staatsrechtlicher Sicht nicht in Frage", sagt Rainer Schweizer, Professor für Öffentliches Recht an der Universität St. Gallen. "Albert Stahel bezieht sich in seinem Artikel ausschliesslich auf strategische Nachrichten, also Informationen über Gruppierungen oder Staaten. Hier können private Institute durchaus gute Arbeit leisten."

 Bei Fragen des Staatsschutzes liege der Fall aber anders. Dazu gehört etwa die Informationsbeschaffung im Bereich Gewaltextremismus oder Terrorismus. "Hier geht es darum, geplante Straftaten frühzeitig zu erkennen und eventuell ein Strafverfahren einzuleiten. Das ist Aufgabe des Staates und kann nicht privatisiert werden."

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Tribune de Genève 13.7.10

LA CHRONIQUE

 Le fichage, c'est la paresse du bureaucrate…

CLAUDE MONNIER

 Tout Etat a le droit, que dis-je le droit, le devoir, de se protéger contre les méchants fouineurs, espions, terroristes en puissance, qui veulent lui jouer des tours pendables, le faire dysfonctionner, mettre sa survie en péril, et fragiliser ainsi l'existence du peuple dont il porte la responsabilité.

 C'est pourquoi la plupart des Etats, pour tenter d'étouffer les méchants dans l'œuf, demandent à leurs services secrets de ficher toutes sortes de gens, nationaux ou étrangers, dont ils se disent qu'on ne sait jamais, un jour, ils pourraient devenir dangereux. En Suisse, le premier scandale du surfichage et surflicage de quelque 700 000   à 900 000 personnes pour accointances supposées avec le communisme a éclaté il y a tout juste vingt ans. Le pays en a été tellement secoué que l'on imaginait la pratique du fichage enterrée. Hélas, l'on découvre ces jours-ci que nos services secrets ont continué à produire des fiches, fondées sur des critères aussi discutables que l'étaient ceux de 1990.

 A propos des fichages, deux choses.

 La première, quant au principe lui-même: comment un Etat peut-il se méfier d'un aussi grand nombre de concitoyens, lesquels sont également ses mandants? Le fait que quelques individus trahissent la confiance qui fonde toute communauté nationale ne justifie en aucun cas de ficher préventivement des pans entiers de cette communauté. Imaginez ce que serait la vie d'un couple si, au nom du principe de précaution, chaque conjoint fichait l'autre, espionnait son portable, le faisait suivre… L'exemple tombe d'ailleurs à pic, puisque, dans la dernière version de notre fichage national, il suffisait apparemment qu'un individu se fasse naturaliser pour être aussitôt passé au crible. Mince de pot! La naturalisation n'est-elle point par définition une histoire d'amour entre le naturalisé et son nouveau pays? Sacré mauvais départ pour une histoire d'amour.

 Je suis convaincu qu'à un Etat omniméfiant, limite parano, il faut donc préférer un Etat alerte, prêt à réagir avec force lorsque quelques-uns des membres de la communauté nationale trahissent la confiance sur laquelle cette dernière est fondée. Et tant pis si cette trahison, parce qu'attaquée plus tardivement, a le temps de provoquer quelques dégâts: c'est là le prix que nous devons accepter de payer - de loin en loin - pour le privilège extraordinaire de vivre dans un pays où la confiance est au centre du contrat social.

 Seconde remarque, sur la technique du fichage: si tous les services de la terre adorent créer des fiches, c'est que, grâce à elles, les agents secrets, en arrivant au bureau le matin, savent au moins comment ils vont occuper leur journée: nom, prénom, lieu de naissance (important, ça!), âge, affiliation politique… Bref, remplir des blancs, c'est tout. D'un reposant! Imaginez, par opposition, les trésors de talent, d'imagination et de travail que les mêmes agents secrets seraient obligés de déployer s'ils voulaient (comme ils le devraient!) pénétrer les systèmes de pensée de ceux qui veulent du mal au pays, afin de se donner les moyens de prévenir leurs mauvaises actions. Les fiches, c'est la grande facilité, l'irrésistible tentation bureaucratique. Mais l'honneur d'un pays qui se prétend moderne est de préférer toujours l'intelligence à la bureaucratie plan-plan.

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ANTI-ATOM
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Tagesanzeiger 13.7.10

Übernimmt Leuthard das Departement Leuenberger?

 Leuthard soll den Bau von Atomkraftwerken vorantreiben

 Grüne und SP fürchten einen Wechsel in der Umweltpolitik - und falsche Signale ans Ausland, die eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene gefährdeten.

 Von David Schaffner, Bern

 In der Umweltpolitik könnte der Schweiz bald ein Richtungswechsel bevorstehen. Nach dem Rücktritt von Moritz Leuenberger bringen die bürgerlichen Parteien und der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse CVP-Bundesrätin Doris Leuthard als Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) ins Spiel. Leuthard selber kündigte in einem Interview mit der Zeitung "Sonntag" an, dass sich die Frage nach einem Wechsel nach vier, fünf Jahren in der Regierung tatsächlich stelle.

 CVP, FDP und SVP erhoffen sich von Leuthard neue und vor allem weniger grüne Akzente in der Umwelt- und Energiepolitik: "Wir müssen das Uvek aus den Händen der rot-grünen Ideologen befreien", sagt SVP-Nationalrat Adrian Amstutz. "Eine Umweltpolitik, die sich am Machbaren orientiert und nicht an Träumereien", fordert FDP-Nationalrat Werner Messmer.

 Nachtfahrverbot aufheben

 Im Mittelpunkt steht die Forderung nach dem Bau von zwei neuen Atomkraftwerken (AKW). Nach dem Rücktritt von AKW-Gegner Leuenberger hoffen die Bürgerlichen auf eine Bundesrätin, die sich im Abstimmungskampf exponiert und die kritische Bevölkerung für ein Ja an der Urne gewinnen kann. "An neuen AKW führt kein Weg vorbei", sagt CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger. Er sei zwar ebenfalls für die Förderung von erneuerbarer Energie. Eine ausgewogene Politik setze aber auf den verlässlichen Atomstrom. Ähnlich argumentiert Messmer: "Wir müssen wohl beide AKW ersetzen, sonst laufen wir in eine Energie-lücke hinein."

 Neue Impulse wünscht das bürgerliche Lager auch in der Verkehrspolitik, die künftig verstärkt die Strasse fördern soll: "Wir müssen Strasse und Schiene wieder gleichberechtigt behandeln", sagt Amstutz. "Mit der Vernachlässigung der Strasseninfrastruktur hat Leuenberger bewusst den Verkehrskollaps in Kauf genommen." Nichts weniger als einen Stopp der Verlagerung auf die Schiene fordert Economiesuisse.

 Etwas differenzierter argumentieren hier die Mitteparteien FDP und CVP. "Ein Stopp der Verlagerung ist unrealistisch", sagt Messmer. Und Lustenberger meint: "Ein Jahrhundertbauwerk wie die Neat muss man auslasten." Dies sei die Politik dem Stimmvolk schuldig. Messmer setzt sich dennoch für eine Förderung der Strassen ein: "Wir brauchen neue, intelligente Lösungen. Anstatt bei Engpässen die Lastwagen auf die Schiene zu zwingen, könnten wir das Nachtfahrverbot aufheben." Lastwagen würden dann vermehrt in der Nacht fahren und nicht mehr in den Stosszeiten, in denen es heute zu Staus kommt.

 Weniger Rücksicht nehmen

 Einen weniger forschen Richtungswechsel fordern die Bürgerlichen in der Postpolitik, die ebenfalls im Uvek angesiedelt ist: Der Service public soll erhalten bleiben, aber nicht mit den heutigen Strukturen. "Wir brauchen gute neue Ideen", sagt Lustenberger. Und Verena Diener von den Grünliberalen meint: "Die SP hat etwas zu romantische Vorstellungen, wo es noch überall volle Poststellen braucht. Die CVP ist offener für innovative Lösungen."

 Trotzdem wünscht sich Diener wie die SP und die Grünen, dass Simonetta Sommaruga von der SP das Uvek übernimmt, falls sie im Dezember gewählt wird. Diener ist erzürnt über die Attacken auf die Verlagerungspolitik: "Sie senden falsche Signale ans Ausland aus. Die Schweiz ist darauf angewiesen, dass Deutschland und Italien ihre Schienenplanung den teuren Schweizer Tunnelstrukturen anpassen." Dies sei in den Nachbarländern umstritten. Je mehr nun Kritik aus der Schweiz komme, desto weniger würde im Ausland passieren.

 Bastien Girod von den Grünen sieht in einer Uvek-Vorsteherin Leuthard allerdings auch Vorteile: "Dann könnten wir künftig eine pointiertere Politik betreiben. Bei Leuenberger mussten wir uns zurückhalten, da wir wussten, dass er manchmal gerne mehr gemacht hätte."

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 Die Leiden Leuthards

 Regieren macht keine Freude

 Doris Leuthard leidet offenbar an ihrem Amt. "Es macht nicht immer gleich viel Freude. Im Moment ist es nicht einfach", sagte sie der Zeitung "Sonntag". Ob Leuthard an den Erneuerungswahlen im Dezember 2011 noch einmal antreten will, lässt sie offen. Das stösst auf Kritik. "Man ist nicht Bundesrätin, um Freude zu haben, sondern um die anstehenden Probleme zu lösen", kritisiert die Grüne Franziska Teuscher. "Es würde Leuthard nicht gut anstehen, wenn sie angesichts der Schwierigkeiten nun einfach nicht mehr antritt." FDP-Nationalrat Werner Messmer zeigt hingegen Verständnis: "In der Privatwirtschaft hätte sie viele Möglichkeiten und könnte dort die Dinge vielleicht stärker nach ihrem eigenen Willen gestalten." (dav)

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St. Galler Tagblatt 13.7.10

Atomstrom deutlich senken

 75 Prozent des Stromverbrauchs in Gossau werden mit Strom aus Kernkraftwerken gedeckt. Innert fünf Jahren soll der Anteil Atomstrom deutlich gesenkt werden. Die Gossauer Stadtwerke haben ein entsprechendes Projekt gestartet.

Rita Bolt

 Gossau. Den Strommix optimieren, heisst das mittelfristige Ziel der Gossauer Stadtwerke: Eine nicht ganz einfache Aufgabe, sagt die zuständige Stadträtin Gaby Krapf. Denn die Lösung müsse wirtschaftlich, mehrheitsfähig und bezahlbar sein. Die Stadtwerke haben ein entsprechendes Projekt gestartet - allerdings nicht ganz freiwillig, aber im Sinne der Stadtwerke und des Stadtrats. Der Stadtrat war es, der dem Parlament an der Junisitzung beantragte, das Postulat der Flig-Fraktion "Reduktion des Stromanteils aus Kernkraftwerken innert fünf Jahren" erheblich zu erklären. Es sagte Ja.

 Dass der Strommix verbessert werden soll, ist auch Bestandteil des Energiekonzepts Gossau, das derzeit erarbeitet wird und nach den Sommerferien präsentiert werden soll. In diesem Konzept setzen sich die Stadtwerke zum Ziel, den ausländischen Atomstrom von 28 Prozent auf null zu senken und den Anteil an erneuerbarem Strom zu erhöhen. Die mit dem Postulat gestellten Forderungen und das Ziel im Energiekonzeptes sind mehrheitlich deckungsgleich.

 Mehr erneuerbare Energie

 In Gossau wird der Stromverbrauch zu 75 Prozent aus Kernkraftwerken gedeckt. Knapp ein Drittel kommt aus Kernkraftwerken aus dem Ausland, "auf deren Sicherheit die Schweiz keinerlei Einfluss nehmen kann", heisst es im Postulat der Flig-Fraktion. Für die Stadt Gossau mache es Sinn, den überhöhten Anteil an Atomstrom zu reduzieren. "Auf keinen Fall darf Atomstrom durch Strom ersetzt werden, der aus fossilen Energieträgern produziert wird", sagt Alfred Zahner (Flig).

 Die Stadtwerke haben nach der Erheblichkeitserklärung des Flig-Postulats ein Projekt gestartet. Es wird von den Stadtwerken selber erarbeitet. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, welche geprüft würden, sagt Gaby Krapf. Beispielsweise den Zukauf von mehr erneuerbarer Energie. Eine zweite Variante wäre, vermehrt selber erneuerbare Energie zu produzieren. "Beispielsweise mit Biogas-Anlagen, Holzheizkraftwerken oder Photovoltaikanlagen", erklärt Gaby Krapf. Die städtischen Liegenschaften würden sukzessive mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet. Es habe noch einige Schulhäuser und Turnhallen, die sich eignen. Geplant ist als nächstes, auf dem Dach des neuen Feuerwehrdepots Solarmodule zu installieren. Zudem beschäftigen sich die Stadtwerke längerfristig mit der Gewinnung von Wärme aus Abwasser.

 Im vergangenen Jahr wurden in Gossau 165 Millionen Kilowattstunden Strom verbraucht. 21 Prozent oder 35 Millionen Kilowattstunden sind Strom aus Wasserkraft, 0,7 Prozent oder 1,1 Millionen Solarstrom. Der grösste Teil mit 77 Millionen Kilowattstunden oder 47 Prozent ist inländische Kernenergie, 28 Prozent oder 46 Millionen Kilowattstunden Strom kommen aus ausländischen Kernkraftwerken. Schliesslich stammen 3,3 Prozent oder 5,5 Millionen Kilowattstunden Strom aus Kehrichtverbrennungsanlagen.

 Mehr Wasserzertifikate

 Bei den Gossauer Stadtwerken kann bereits seit längerer Zeit Naturstrom gekauft werden: Sky und Azur (Kleinwasserkraft, Biomasse-Energie und Solarenergie) sowie Blue (Wasserkraft aus mittleren und grösseren Kraftwerken). Mit dem Kleinwasserkraftwerk Niederglatt produziert Gossau auch selber erneuerbaren Strom, um Spitzenzeiten abzudecken. "Wir werden uns auch überlegen, noch mehr Wasserzertifikate zu kaufen und damit den Anteil Strom aus Wasserkraftwerken zu erhöhen", sagt Gaby Krapf. Beat Lehmann, Leiter der Stadtwerke, wird diesbezüglich Gespräche mit den SAK und der Axpo aufnehmen.

 Terminplan steht

 Gaby Krapf rechnet damit, dass dem Gossauer Stadtrat im März 2011 ein erster Vorschlag mit umsetzbaren Massnahmen unterbreitet werden kann.

 Im Terminplan ist zudem vorgesehen, dass für das Gossauer Stadtparlament ungefähr in einem Jahr eine entsprechende Vorlage ausgearbeitet wird. Gemäss Postulat der Flig-Fraktion soll die Reduktion von vor allem Strom aus ausländischen Atomkraftwerken innert fünf Jahren vollzogen sein.

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 St. Gallen ohne Atomstrom?

 Die Stadt St. Gallen stimmt am 28. November über die SP-Initiative "Stadt ohne Atomstrom" ab. Das Begehren fordert einen schrittweisen Atom-Ausstieg ab 2017. Ein Gegenvorschlag setzt eine etwas moderatere Frist: Bis 2050 soll in St. Gallen keine Atomenergie mehr bezogen werden. (red.)