MEDIENSPIEGEL 15.7.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (SLP)
- Burgdorf: Behörden schliessen "Royal Aces Bar"
- Sempach: Mittelalterfest vs Rechtsextreme
- JSVP verklagt Hans Stutz
- Knasttod VD: Skander Vogt vs Justiz VD
- Ausschaffungen: Superpuma-Sonderflug; BfM in Nigeria; Aufschub
für TschetschenInnen; Protokoll Ausschaffungstod
- Randstand LU: Mister Schweiz disst Gassenküche
- Nachtleben SG: Bändigungsversuche
- Nachtleben CH: 24h-Stunden-Betrieb konfliktreich
- bblackboxx Basel
- Stadtentwicklung: Treffen in der Roten Fabrik
- Big Brother: Einsichtsgesuche; Traditionen; Datenbanken
- Big Brother Sport: Videokameras statt Cops in LU
- Linksaussen 1957-1985
- Kokain: Wasserproben-Einsichten
- Zwischengeschlecht: Ethikrat; Sport
- Anti-Atom: Bvger will Mühlebergakten; Hitzewellen; GLP vs
Aves
----------------------
REITSCHULE
----------------------
Fr 16.07.10
20.00 Uhr - Vorplatz - Albino und Madcap (D) ab 22.00 -
Polit-Rap
Do 22.07.10
22.00 Uhr - SLP - CIVET (USA) Rock'n'Roll, Support:
Snakebone (CH) -
Punkrock
Mi 28.07.10
22.00 Uhr - Vorplatz - SLP-Offene Bühne
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
---
Bund 15.7.10
Civet
Vorsicht, bissiger Punk
Sie haben den Viervierteltakt im Blut, die Wut im Bauch
und etwas
Schalk im Nacken: Civet, die vier tätowierten
Drive-in-Kellnerinnen aus Los Angeles, haben sich schon vor einigen
Jahren zum Quartett formiert, um ihren musikalischen Helden
Motörhead oder Rancid nachzueifern. Benannt haben sie sich nach
einem katzenähnlichen Nager, der Angreifer mit einem übel
riechenden Duft vertreibt. Also Vorsicht. (reg)
Sous Le Pont Reitschule Do, 22. Juli, 22 Uhr.
-------------
ANTIFA
-------------
Bund 15.7.10
Behörden schliessen umstrittene Bar
Burgdorf - Erst am 11. Mai hatte die Royal Aces Tattoo Bar
an der
Rütschelengasse in Burgdorf die Bewilligung erhalten. Gestern
haben die Behörden dem Lokal die Bewilligung bereits wieder
entzogen und die Bar geschlossen. Die Bar war als Treffpunkt der
rechtsextremen Szene bekannt. Die Antifa hatte am 22. Juni einen
Anschlag auf die Bar ausgeübt: Dabei wurden Fenster eingeschlagen
und wurde ein Farbkübel ins Lokal geworfen. Regierungsstatthalter,
Polizei und Stadtbehörden stufen die Situation als riskant ein und
rechnen mit weiteren Anschlägen. "Der Barbetrieb ist unter diesen
Voraussetzungen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche
Ordnung, Ruhe und Sicherheit", heisst es in einer Mitteilung. "Das
Gefahrenpotenzial ist zu gross", sagte Regierungsstatthalter Markus
Grossenbacher. Im Internet seien von Rechts- und Linksradikalen
gegenseitig Drohungen ausgestossen worden. "Wir sind erleichtert, wenn
rechtzeitig reagiert wird. Wir stehen hinter dem Entscheid des
Regierungsstatthalters", sagte Burgdorfs Stadtpräsidentin
Elisabeth Zäch (SP). Nach dessen Einschätzung könne sich
die Situation hochschaukeln und "sehr explosiv" werden. (wal)
---
neo1.ch 14.7.10
http://www.neo1.ch/home/article/2/royal-aces-b.html?no_cache=1&cHash=888dcc74aa
Royal Aces Bar in Burgdorf behördlich geschlossen
Die Bar gilt als Treff von Rechtsextremen und wurde von
Linksextremen
angegriffen. Aus Furcht vor weiteren Auseinandersetzungen wurde die Bar
nun geschlossen.
Die Royal Aces Tattoo Bar an der Rütschelengasse in
Burgdorf war
seit dem 11. Mai geöffnet, kurz darauf erhob die Antifa
Vorwürfe, wonach sie ein Treffpunkt Rechtsextremer sei. Ende Juni
wurde auf die Bar ein Anschlag verübt (siehe Bild).
http://www.neo1.ch/uploads/pics/royal_aces.jpg
Bild: bernerzeitung.ch
Regierungsstatthalter Markus Grossenbacher hat nun auf Antrag
der Stadt
Burgdorf und zusammen mit der Polizei eine Lagebeurteilung vorgenommen.
Die Lage sei riskant und mit weiteren Anschlägen sei zu rechnen,
heisst der Schluss. Per Mittwoch 14. Juli wurde der Bar nun die
Betriebsbewilligung entzogen. Der Betreiberin steht der Rechtsweg offen.
---
http://www.facebook.com/profile.php?id=100000860992687&v=wall
http://www.royalaces.ch
---
Indymedia 8.7.10
Medienmitteilung: Antifaschistische Flugblatt-Verteilaktion
AutorIn : **
Sehr geehrte Medienschaffende
Aktivistinnen und Aktivisten haben heute Abend in Burgdorf
Tausende von
Flugblättern (siehe Anhang) gegen das Nazi-Lokal "Royal Aces
Tattoo-Bar" verteilt. Darin fordern wir die Bewohnerinnen und Bewohner
von Burgdorf auf, sich gegen den rechtsextremen Treffpunkt an der
Rütschelengasse 27 zu wehren.
Es ist stossend, dass Neonazis in der Emmestadt eine
öffentliche
Bar betreiben können. Wir lassen nicht locker, bis der Treff
Geschichte ist!
Kein m2 den Nazis - die "Royal Aces Tattoo-Bar" dichtmachen!
Mit freundlichen Grüssen
Antifa Bern, Antifa Oberland, Augenauf Bern, Bündnis Alle
gegen
Rechts, DAB, RJG, Repro
Flugblatt: http://ch.indymedia.org/media/2010/07//76767.pdf
---
linksunten.indymedia.org 30.6.10
"Royal Aces Tattoo-Bar" neu mit Hakenkreuz-Tätowierer
http://linksunten.indymedia.org/de/node/22204
------------------
SEMPACH
------------------
NZZ 15.7.10
Die Eidgenossen haben ausgedient
Mittelalterfest als Dialog-Anlass soll Rechtsextreme von
Sempacher Feier abhalten
Das Wort Schlacht fällt weg, ebenso der
farbenprächtige
Zug der Krieger zum Denkmal: Die Sempacher Gedenkfeier 2011 wird zum
Dialog-Anlass. Ziel der Neuorientierung ist es, die Rechtsextremen
abzuhalten.
Martin Merki, Luzern
Blau-weisse Hellebardiere in den Luzerner Farben, am
Helmband ein
Büschel Eichenblätter als Siegeszeichen, rote
Lanzenträger und gelb-schwarze Bauernkrieger mit
Rauschebärten: Ein Element der Sempacher Schlachtjahrzeit war seit
Jahrzehnten der Zug von historisch eingepackten Kriegern vom
"Städtli" Sempach zum Winkelried-Denkmal oben auf der Anhöhe
an einem Samstag Ende Juni. Bis zu 250 Männer einer historischen
Zunft und wenige Frauen - als Marketenderinnen verkleidet - machten
jeweils bei dem Living-History-Projekt mit, bei dem nur noch wenig an
einen Gedenkanlass für die Schlacht von 1386 zwischen Eidgenossen
und Habsburgern gemahnte. Doch mit dem Zug der Krieger in Strumpfhosen
und den kratzigen Filzgewändern ist es 2011 vorbei.
Paradigmenwechsel
Stattdessen wird der folkloristische Umzug zu einem
Mittelalterfest mit Mittelaltermarkt in Sempach ausgebaut, vielleicht
sogar mit einer Bühne auf dem Sempachersee. Die martialischen
Krieger dürfen zwar bleiben, aber ihre Hellebarden verschwinden
zwischen Händlern, Gauklern und Handwerkern. Zudem sollen zum
Anlass neue Elemente hinzukommen mit dem Ziel, den Kanton Luzern, seine
Regionen und seine Bevölkerung in einem Dialog
zusammenzuführen. Das Ziel sei ein Paradigmenwechsel: Neu stehen
gemäss Regierungsrat das Gedenken an die Ursprünge des
Territorialstaates Luzern und das Nachdenken über Gegenwart und
Zukunft im Zentrum. Statt Mythen sollen neue historische Erkenntnisse
fruchtbar gemacht werden. Wie genau dies geschehen soll, ist offen. Es
gibt ein Grobkonzept, das die Luzerner Regierung verabschiedet hat und
das bis Ende Jahr weiter entwickelt und in die Details verfeinert
werden soll. Die Jugend soll eine wichtige Rolle spielen, auch die
Stadt Sempach und die bisherigen Akteure, heisst es. Der
ökumenische Gottesdienst mit anschliessendem Umtrunk und der
sportliche Anlass (Sempacher Lauf) bleiben erhalten.
"Gedenkfeier light"
Grund für die Neuorientierung ist, dass in den
letzten
Jahren Rechtsextreme mitmarschierten und nach der offiziellen Feier
einen eigenen Kranz niederlegten. Für staatspolitische Reden oder
die Darbietungen von Schulkindern schienen sie sich ebenso wenig zu
interessieren wie die Linksextremen, denen ein Dorn im Auge ist, dass
die Polizei die "Rechten" nicht stärker in die Schranken weist.
Vor einem Jahr konnte nur ein massives Polizeiaufgebot für Ruhe
zwischen Rechts- und Linksextremisten sorgen. Die Luzerner Regierung
beschloss für 2010 eine "Gedenkfeier light" in der Stadtkirche
ohne Umzug und eine Denkpause.
---
NLZ 15.7.10
Sempach
Grosses Fest soll Extreme abhalten
Von Harry Tresch
Mit einem grossen Fest will der Kanton den Fokus der
Schlachtfeier anders legen. Extreme Gruppierungen sollen so das
Interesse an Demonstrationen verlieren.
Die Gedenkfeier für die Schlacht bei Sempach wird zu
einem
Mittelalter-Spektakel: Das zumindest lässt das erste Grobkonzept
für die Schlachtjahrzeit 2011, das vom Regierungsrat genehmigt und
gestern den Medien vorgestellt wurde, vermuten. Traditionelle Elemente
sollen weitergeführt werden, jedoch in anderer Form.
• Der ökumenische Gottesdienst mit anschliessendem
Umtrunk
und auch der Sempacherlauf sollen ihren Platz behalten.
• Neu wird jedoch der Festumzug in ein Mittelalterfest
umgestaltet.
• Das Morgenbrot und das Städtlifest sollen in die
Feier
integriert werden.
• Geprüft werden zudem eine Seebühne und ein
Mittelaltermarkt.
• Ein weiterer Fokus liegt auf der Musik. In Sempach soll
sich
Luzern musikalisch präsentieren können.
Diskussionsplattform Sempach
Eine Projektgruppe unter der Leitung von Staatsschreiber
Markus
Hodel wird bis Ende Jahr ein Detailkonzept erarbeiten. "Das neue Fest
soll auf die Restschweiz ausstrahlen und Luzern als traditionsreichen,
auf die Zukunft ausgerichteten Kanton darstellen. Das Fest soll zum
Nachdenken über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des
Kantons Luzern anregen", sagte Hodel gestern. Die Gedenkfeier
könne so zu einer Diskussionsplattform werden, wo speziell auch
die Jungen sich einbringen können. So ist etwa eine Kinder- und
Jugendlandsgemeinde angedacht.
Im kommenden Jahr ist die 625-Jahr-Feier. "Wir hoffen,
dass wir
möglichst viel von unseren Ideen umsetzen können", sagte
Hodel. Wie viel das Fest kosten wird, ist unklar. Dies soll ebenfalls
im Rahmen des Detailkonzepts geklärt werden. Die Kosten soll aber
nicht nur der Kanton tragen. Die Neuorientierung der Schlachtjahrzeit
wurde nötig, weil immer wieder Grossaufmärsche von
Rechtsextremen die Feier störten. Im vergangenen Jahr gipfelte die
politische Instrumentalisierung: Linksorientierte demonstrierten gegen
Rechtsextreme. Ein Grossaufgebot der Polizei war nötig. Politiker
jedweder Couleur waren sich einig: Dies ist einer Gedenkfeier
unwürdig.
Nun stellt sich die Frage: Was sieht das Konzept vor,
solche
Szenen künftig zu verhindern? Kann eine grössere Feier mit
mehr Medienpräsenz nicht genau zum Gegenteil führen? Markus
Hodel: "Mit der Übungsanlage eines grossen Festes mit
verschiedenen Programmpunkten ist der Anlass politisch weniger
aufgeladen. Wir glauben, das Risiko so stark zu minimieren." Auch Franz
Schwegler, Sempacher Stadtpräsident und Mitglied der
Projektgruppe, ist derselben Meinung: "Die Verzettelung und die
verschiedenen Inhalte machen die Feier für extreme Exponenten
weniger interessant." Ein Sicherheitskonzept gibt es derzeit noch
nicht. Dafür sei es noch zu früh, sagte der Luzerner
Polizeikommandant Beat Hensler. "Zuerst muss das Fest stehen, dann
können wir Sicherheitsfragen klären."
Auch redimensioniert möglich
Die Grösse des Festes stösst nicht überall
auf
Wohlwollen. Stadtpräsident Schwegler hat zumindest gewisse
Vorbehalte. "Es darf nicht ausufern", sagte er gestern. "Die
Bevölkerung - insbesondere die vielen Vereine - muss die Lasten
tragen." Im Oktober will der Sempacher Stadtrat die Bevölkerung
informieren. Wehren sich die Sempacher gegen das jetzige Konzept,
könne er sich auch eine redimensionierte Schlachtjahrfeier
vorstellen.
harry.tresch@neue-lz.ch
--
Kommentar
Rütli-Effekt
Harry Tresch
Der Kanton Luzern gestaltet die Schlachtjahrzeit in
Sempach neu.
Der Grund dafür ist einschlägig bekannt: Der Anlass wurde von
radikalen Gruppierungen für ihre Zwecke instrumentalisiert. Die
Kosten für den Sicherheitsaufwand stiegen ins
Unverhältnismässige.
Eine Reorganisation des "Sempachers" ist dringend
nötig, und
die Anstrengungen sind lobenswert. Extremen Bewegungen darf keine
Plattform geboten werden. Das Fest soll darum grösser,
vielfältiger und somit sicherer werden.
Diese Strategie der Projektgruppe wirft Fragen auf:
Schafft der
Kanton mit einer grösseren Feier nicht auch eine grössere
Plattform? Bringt ein Fest mit schweizweiter Ausstrahlung nicht noch
mehr mediale Präsenz, die Radikale auszunützen wissen?
Erinnerungen an die Rütli-Feier werden wach. Diese
war ein
überschaubares, friedliches Fest, bis Rechtsextreme und daraufhin
die Medien auftauchten. Danach explodierten die Kosten, lief das Fest
aus dem Ruder. Es bleibt zu hoffen, dass der Rütli-Effekt nicht
auch in Sempach eintritt.
harry.tresch@neue-lz.ch
--
Luzerner Zeitung Forum
Sempach: Ein Zentrum Rechtsextremer
"Pnos droht Linksextremen", Ausgabe vom 9. Juli
Bereits seit dem Überfall auf das Festival für
Völkerfreundschaft in Hochdorf Ende 1995 und dem Angriff auf die
bewilligte "Kundgebung gegen Rechts" in Willisau 2004 ist das
Gewaltpotenzial der Rechtsextremisten, auch der Pnos, im Kanton Luzern
bekannt. Immer wieder kommen Menschen bei Angriffen Rechtsextremer zu
Schaden. Gerade Sempach ist immer wieder ein Brennpunkt rechtsextremer
Aktivitäten. Die rechtsextreme Gruppierung Morgenstern ist in
Sempach zu Hause, und 2008 führte die Pnos ihren Parteitag in
Sempach durch. Dabei durfte der Rechtsextremist und Antisemit Richard
Melisch auftreten. So weit die Gründe, wieso sich SP und Juso
gegen die Schlachtfeier Sempach in der bisherigen Form ausgesprochen
haben. Denn diese Schlachtfeier wurde in den letzten Jahren zur
grössten (Rekrutierungs-)Veranstaltung von Rechtsextremen in der
Schweiz und Sempach zu einem Zentrum Schweizer Neonazis.
Die nun ausgesprochenen Drohungen und Ankündigungen
von
Gewalt seitens der Pnos und Michael Vonäschs zeigen: Bei den rund
200 Personen, die jeweils an der unbewilligten Kranzniederlegung
teilnehmen, handelt es sich um gewalttätige Extremisten. Wer die
Positionen der Pnos liest, sieht, dass sie die Demokratie und den
Rechtsstaat Schweiz ablehnen. Diese Leute schrecken offensichtlich
nicht davor zurück, für ihre Ziele Gewalt anzuwenden.
Erschreckend ist, dass sogar Parlamentarier und andere Vertreter
bürgerlicher Parteien die Rechtsextremisten immer noch als
Patrioten verharmlosen.
Bei einem nächsten Angriff Rechtsextremer auf
Personen,
Anlässe oder Einrichtungen wird nach den jüngsten Drohungen
niemand mehr sagen können, man hätte es nicht kommen sehen.
Daher wird es Zeit, dass der Bekämpfung des Rechtsextremismus eine
höhere Priorität eingeräumt wird. Gemeinden wie Malters
hatten in der Vergangenheit Probleme mit Rechtsextremismus und konnten
diese lösen. Broschüren zum Thema, auf die Arbeit von
Gemeinden gegen Rechtsextremismus zugeschnitten, werden von der
Fachstelle für Rassismusbekämpfung herausgegeben. Der Kanton
muss selber tätig werden und Gemeinden wie Sempach aktiv
unterstützen. Für gewalttätige Extremisten darf es in
diesem Kanton keinen Platz mehr haben.
Daniel Gähwiler, Vizepräsident SP Kanton Luzern, Luzern
---
20 Minuten 15.7.10
Sempach: Volksfest soll Schlachtfeier ablösen
SEMPACH. Die Gedenkfeier von Sempach wird umgekrempelt: Auf den
traditionellen Umzug wird gänzlich verzichtet. Die Reaktionen
darauf fallen unterschiedlich aus.
Das Grobkonzept für die Sempacher Schlachtfeier 2011
enthält eine bunte Sammlung verschiedenster Ideen. Vorgesehen sind
eine Messe, Jazz-, Klassik- und Jodelkonzerte auf einer Seebühne,
Foren für politische Diskussionen und ein Mittelaltermarkt. "Wir
hoffen auf ein gut durchmischtes Publikum", sagt Harry Sivec, Sprecher
der Projektgruppe, die die 625. Sempacher Schlachtfeier organisieren
wird. Auf einen Umzug in historischen Gewändern wird verzichtet.
"Es soll nicht mehr die Schlacht im Fokus stehen, sondern der Alltag in
dieser Zeit", begründet Sivec den Entscheid.
Eine Idee, die bei David Roth, Vorstandsmitglied der Juso
Luzern,
gut ankommt. "Wir sind froh, dass der Kanton eingesehen hat, dass es so
nicht weitergehen kann. Es ist richtig, künftig auf die
kriegerische Atmosphäre zu verzichten", sagt Roth. Anders sieht
das Anian Liebrand, Präsident der JSVP Luzern. Es gelte unbedingt
zu verhindern, dass die Feier einen "Chilbi-Charakter" bekomme. "Wir
werden allenfalls eine zeitlich versetzte Feier als Ergänzung
organisieren", so Liebrand. Bei der Pnos gibt man sich
zurückhaltend. "Dass auf einen Umzug verzichtet wird, hatten wir
erwartet. Der Kanton wurde wegen unserer Präsenz unter Druck
gesetzt, obwohl es nie zu Gewalttätigkeiten kam", sagt
Mediensprecher Dominic Lüthard.
Lena Berger
---
Blick am Abend 14.7.10
Ritter statt Neonazis
SEMPACH
Nun ist klar, wie die Feier künftig aussehen soll.
Sogar
eine Seebühne ist möglich.
michael.graber@ringier.ch
Musik, Mittelalterfest und Diskussionen: So soll die
Sempacher
Schlachtjahrzeit ab nächstem Jahr aussehen. Im Vordergrund soll
der Kanton Luzern, seine Geschichte und Vielfalt stehen. Durch dieses
Konzept soll verhindert werden, dass es an der Feier, wie in den
letzten Jahren, zum Aufmarsch von Extremisten kommt. "Das jetzt
angedachte Konzept macht es für Rechtsund Linksradikale
unattraktiv", sagt Markus Hodel, Staatsschreiber von Luzern. Dadurch,
dass die Feier deutlich grösser wird, sollen Auftritte der
Radikalen untergehen.
Auch eine Seebühne ist angedacht, auf der Konzerte
und
Aufführungen stattfinden. Diese würde auch länger als
die eigentliche Schlachtfeier stehen bleiben.
Noch ist das Konzept nicht definitiv. Mahnende Worte gab
es vom
Sempacher Stadtpräsidenten Franz Schwegler: "Man soll das Fuder
einfach nicht überladen", sagte dieser.
------------
JSVP
------------
20 Minuten 15.7.10
JSVP-Klage gegen grünen Grossrat
LUZERN. Dem Grossstadtrat Hans Stutz (Grüne) flattert
demnächst dicke Post ins Haus: Anian Liebrand, Präsident der
Jungen SVP, hat gestern eine Verleumdungsklage gegen den Luzerner
Journalisten eingereicht. Grund: Stutz hat in seinem Internet-Blog
"Meldungen zu Rechtsextremismus und Rassismus in der Schweiz"
geschrieben, es sei "gut so!", dass Liebrand bei der Armee nicht
befördert worden war. Die Beförderung war diesem verweigert
worden, weil gegen ihn ein Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen die
Rassismus-Strafnorm lief. Das Verfahren gegen Liebrand wurde im
November 2009 eingestellt. "Stutz hat mit seinem Bericht meinem Ansehen
geschadet", findet Liebrand. Stutz liess verlauten, er sehe der Anzeige
mit Gelassenheit entgegen."Wenn Liebrand sich politisch exponiert, muss
er sich auch Kritik gefallen lassen", so Stutz. BER
---------------------------
KNASTTOD VD
---------------------------
WOZ 15.7.10
Skander Vogt - Der Bericht zum Fall erschüttert die Justiz
der
Waadt.
"Wie Roboter"
In der Nacht vom 10. auf den 11. März starb ein
Häftling im Waadtländer Gefängnis Bochuz an einer
Rauchvergiftung. Der 30-jährige Skander Vogt hatte seine Matratze
in Brand gesteckt. Das Personal kam ihm nicht zu Hilfe. Während
neunzig Minuten liess es ihn in seiner Zelle mit dem Tod ringen (vgl.
WOZ Nr. 19/10). Zum Skandal ist nun ein mehr als hundert Seiten starker
Untersuchungsbericht erschienen: Darin zeigt der mit der Untersuchung
betraute ehemalige Bundesgerichtspräsident Claude Rouiller auf,
wie ein Jugendlicher von Justiz und Strafvollzug zum sogenannt
"gefährlichen" Insassen eines Hochsicherheitstrakts gemacht wurde.
Skander Vogt, nach dem Tod der Mutter vom Vater im Stich
gelassen
und von Verwandten und in Institutionen erzogen, wurde im Alter von
neunzehn Jahren wegen kleinerer Delikte zu zwanzig Monaten Haft
verurteilt. Durch ein psychiatrisches Gutachten wurde er ein Jahr
später als potenziell gewalttätig eingestuft und seine Strafe
durch eine Verwahrung ersetzt. Statt eine Schulbildung nachholen oder
einen Beruf erlernen zu können, sass Vogt auf unbestimmte Zeit im
Gefängnis fest.
Fragile Persönlichkeit
Alle Versuche, aus der Verwahrung freizukommen, bewirkten
das
Gegenteil. Die Zuständigen verstanden sie nicht als Ausdruck der
Verzweiflung, sondern als Bestätigung von Renitenz und
Gefährlichkeit. Doch Skander Vogt war "weder geisteskrank noch ein
gefährlicher Krimineller", stellt Claude Rouiller heute fest. Vogt
habe zwar eine "fragile Persönlichkeit" gehabt, die sich aber
positiv hätte entwickeln können, wenn Justiz und Strafvollzug
auf Deeskalation gesetzt hätten. Doch sie haben Vogts Gesuche um
ein neues psychiatrisches Gutachten während zehn Jahren abgelehnt
und seine Verwahrung wegen Bagatellzwischenfällen immer wieder
verlängert.
So sinnlos wie Vogts Verwahrung war auch sein Tod: Er
starb
gemäss Rouiller als Opfer einer Sicherheitsvorschrift. Als
gefährlich eingestufte Häftlinge dürfen nur von
Mitgliedern einer Spezialeinheit aus der Zelle geholt werden. Als diese
anrückte, war es zu spät. Die Wärter, die Skander Vogt
zu Hilfe eilen sollten, hätten sich "wie Roboter hinter der
Direktive verschanzt", aus Angst, entlassen zu werden. Selbst das
medizinische Hilfspersonal habe sich der Vorschrift "blind
unterworfen", schreibt Rouiller.
Den Strafvollzug humanisieren
Rouillers Rapport erschüttert die Waadtländer
Justiz.
Justizdirektor Philippe Leuba verspricht Reformen. Die Leiterin des
Strafvollzugs, Catherine Martin, die er ursprünglich mit der
Untersuchung des Todesfalls beauftragen wollte, hat er entlassen. Doch
nicht nur die Waadtländer Justiz- und Strafvollzugsbehörden
haben versagt. Rouiller lässt durchblicken, dass sowohl das
Hochsicherheitsregime wie auch die Verwahrungspraxis überdacht
werden müssen. "Humanisiert", schreibt Rouiller.
Skander Vogts Schicksal ist nur verständlich vor dem
Hintergrund der herrschenden Sicherheitshysterie, die auch für die
Annahme der Volksinitiative für eine "lebenslange Verwahrung"
gefährlicher Täter im Jahr 2004 verantwortlich ist. In der
linken Genfer Tageszeitung "Le Courrier" äussert sich die
ehemalige Nationalrätin Anne- Catherine Menétrey zum Fall
Vogt: Das neue Strafrecht, dessen Revision unter Bundesrat Blocher
beendet wurde, bestrafe Verwahrte nicht nur für die Taten, die sie
begangen haben. Sondern auch für die Taten, von denen man annimmt,
dass sie sie womöglich begehen könnten.
Helen Brügger , Genf
---
L'Hebdo 15.7.10
Affaire Skander Vogt
LES MESURES, ENFIN
PAR FLORENCE PERRET ET TASHA RUMLEY
LES FAITS
Les dysfonctionnements carcéraux relevés
dans le
rapport de l'ancien juge fédéral Claude Rouiller, quatre
mois après la mort du détenu Skander Vogt dans une
cellule enfumée de Bochuz, sont tels qu'ils ont eu raison de la
cheffe du service pénitentiaire vaudois. Catherine Martin quitte
ses fonctions "d'un commun accord" avec le conseiller d'Etat Philippe
Leuba. Une "mise en garde formelle" a été faite aux cinq
gendarmes qui ont tenu des propos injurieux durant l'agonie du
détenu.
LES COMMENTAIRES
"Belle revanche d'outre-tombe pour Skander Vogt,
écrit
Fati Mansour dans Le Temps. (...) Le rapport Rouiller confirme que
cette mort est bien plus qu'un tragique fait divers. Au niveau
cantonal, l'éviction logique de la cheffe du service
pénitentiaire doit désormais s'accompagner d'une
sérieuse réforme." Jérome Cachin, dans La
Liberté, trouve "étonnant que seule la cheffe du Service
pénitentiaire fasse les frais du désastre". "Qu'en
est-il, par exemple, de l'avenir du directeur de la prison de Bochuz?
Sous la pression de l'opinion publique, Philippe Leuba a trop lentement
percé l'abcès carcéral vaudois qu'il connaît
si bien." Daniel Audétat de 24 heures, estime, lui, que le
ministre "a parcouru du chemin" et que l'on peut "compter" sur lui
"pour tirer les leçons de l'affaire Skander". "Il a
commencé sur le plan administratif. Reste à trouver les
moyens financiers dont la prison a besoin pour accomplir ses missions
avec la dignité indispensable." Et Dominique Botti du Matin
Dimanche de conclure: la mort de Skander Vogt "se lit ainsi comme
l'aboutissement d'un énorme gâchis humain".
À SUIVRE
Un rapport accablant, des premières sanctions, en
attendant une large réflexion sur les solutions à
apporter à ces dysfonctionnements.?
---
Lausanne Cité 15.7.10
EDITORIAL
Indigne d'un Etat de droit
Philippe Kottelat
Le moins qu'on puisse dire, c'est qu'on ne pensait pas
qu'une
telle chose pouvait se produire sous nos latitudes, au sein d'un pays
qui pousse l'art de la démocratie à l'extrême et
s'enorgueillit d'être parmi les Nations les plus respectueuses
des droits de l'Homme.... Et pourtant: le récent rapport du juge
Rouiller sur les circonstances du décès de Skander Vogt,
à Bochuz en mars dernier, jette une lumière cruelle sur
des procédés et des procédures qui ne semblaient
pas être de mise chez nous, en Suisse, et plus
particulièrement dans ce bon Pays de Vaud.
Car que ressort-il grossièrement
résumé des
propos du juge Rouiller? Que des gardiens ont manqué de bon sens
et ont, notamment, omis d'appeler les pompiers comme le stipule les
directives d'urgence. Que le personnel médical est resté
les bras croisés. Que des policiers ont tenu des propos
incompatibles avec leur fonction. Et, plus généralement,
qu'il y a eu un vaste dysfonctionnement au terme duquel un homme,
oublié au fond d'une cellule au terme d'un parcours indigne d'un
Etat de droit, est mort pour rien.
Première mesure prise par les autorités:
l'éviction de la cheffe du service pénitentiaire vaudois,
Catherine Martin. Au terme de l'enquête pénale en cours,
d'autres têtes pourraient tomber. Reste pour l'heure comme un
sentiment de malaise dans l'attente d'une véritable
réflexion du monde politique sur la nécessaire refonte du
service carcéral vaudois, au-delà de toute
récupération idéologique, afin d'éviter
qu'un tel drame ne se reproduise.
----------------------------
AUSSCHAFFUNG
----------------------------
Bund 15.7.10
Von Bern-Belp im Super-Puma ausgeschafft
Um einen Palästinenser nach Mailand auszuweisen,
griff das
Bundesamt zum Militärhelikopter. Mit dabei waren Berner Polizisten.
Matthias Raaflaub
Vergangene Woche ist vom Flughafen Bern-Belp ein
Asylbewerber
nach Italien zwangsausgeschafft worden. Das Aussergewöhnliche:
Für den Transport nach Mailand sorgte ein Super-Puma der Schweizer
Armee. Begleitet wurde der Asylbewerber von Berner Kantonspolizisten.
Das Bundesamt für Migration (BFM) bestätigte einen
entsprechenden Bericht von Schweizer Radio DRS.
Der Mann, ein Palästinenser mit Jahrgang 1991, war
über
Italien in die Schweiz gelangt. Seit Einführung des
Dublin-Abkommens im Dezember 2008 entscheidet dasjenige Land über
einen Asylantrag, wo ein Asylbewerber zuerst ankommt. Deshalb forderten
die Schweizer Behörden den Mann auf, nach Italien auszureisen.
Trotz mehrmaligen Aufforderungen tat er dies nicht. Am 5. Juli dann
fand der Helikopterflug statt. Es war laut Michael Glauser,
Mediensprecher des Bundesamts für Migration, ein Ausschaffungsfall
auf "Stufe 4". Das heisst: Der Mann wurde unter Zwang, in Begleitung
eines Arztes und eines Polizisten übergeführt, da er sich
gegen die Ausschaffung gewehrt hatte. "Der Mann war besonders renitent
und hatte bereits hohe Kosten verursacht", sagte Glauser.
Nicht der erste Super-Puma
Weshalb aber schickten die Schweizer Behörden den
Mann per
Militärhelikopter nach Mailand? Das Dublin-Abkommen sieht für
Ausschaffungen den Luftweg vor. Normalerweise kommen gecharterte
Flugzeuge zum Einsatz. Die Flüge schreibt der Bund
öffentlich-rechtlich aus. Der Super-Puma sei mit 5500 Franken die
günstigste Variante gewesen, sagte Michael Glauser. Jürg
Nussbaum, Chef Kommunikation der Luftwaffe, erklärte schriftlich:
"Es war nicht der erste Ausschaffungsflug mit dem Super-Puma."
Die Zuständigkeiten im Ausschaffungsprozedere sind
kompliziert. Grundsätzlich vollziehen die Kantone die
Asylentscheide des Bundes. Die Eidgenossenschaft unterstütze die
Kantone jedoch eng dabei, heisst es beim BFM. Dennoch hatte der
Migrationsdienst des Kantons Bern mit der Ausschaffung nichts zu tun.
"Ab Bern-Belp fliegen nicht nur Ausschaffungsfälle aus dem Kanton
Bern", sagte Abteilungsvorsteher Florian Düblin auf Anfrage.
Offenbar war die Ausschaffung noch in weiterer Hinsicht
aussergewöhnlich. Obwohl der Flug ab Belp und in Begleitung von
Berner Kantonspolizisten startete, war der Palästinenser im Kanton
Zürich registriert. Die Zürcher Kantonspolizisten waren laut
Glauser "ausgelastet". Bei den Berner Kollegen fand man Ersatz. "Wir
arbeiten bei Ausschaffungen im Auftrag des Bundes", hiess es bei der
Medienstelle der Kantonspolizei Bern. Für weitere Auskünfte
verwies sie auf das BFM.
Behörden hatten es eilig
Erklären lässt sich die spezielle Konstellation
der
Ausschaffung damit, dass es die Behörden offenbar eilig hatten,
den jungen Mann aus dem Land zu schaffen. Die Aufnahme in Italien war
gemäss den Bedingungen des Dublin-Abkommens nur binnen sechs
Monaten garantiert. Hätte das BFM den Mann den italienischen
Behörden innerhalb dieses Zeitraums nicht übergeben,
wäre die Schweiz für das Asylverfahren verantwortlich
geworden. Diese Grenze nahte im Fall des Palästinensers. Und "mit
hoher Wahrscheinlichkeit" hätte der junge Mann beim Asylverfahren
in der Schweiz nicht kooperiert und wiederum viel gekostet, sagte
Glauser.
Dass sogenannte Dublin-Fälle mit Zwang ausgeschafft
werden
müssen, sei übrigens äusserst selten. Meistens
kooperierten die Migranten mit den Behörden. "Sie wissen, dass ihr
Asylverfahren im Erstaufnahmeland erst noch bevorsteht", sagte Glauser.
---
Südostschweiz 15.7.10
"Bin zuversichtlich, dass wir bald wieder fliegen können"
Alard du Bois-Reymond, Chef des Bundesamts für
Migration,
hat sich in Nigeria für den Tod eines Ausschaffungshäftlings
erklären müssen (siehe Kasten). Gestern ist er von der
heiklen Mission zurückgekehrt, die er als Erfolg bezeichnet.
Mit Alard du Bois-Reymond sprach Simon Fischer
Herr du Bois-Reymond, Sie haben den Behörden in
Nigeria
erklärt, wie es am 17. März zum tragischen Tod eines
nigerianischen Ausschaffungshäftlings kommen konnte. Auf welcher
Ebene haben die Treffen stattgefunden?
Alard du Bois-Reymond: Das wichtigste Treffen war jenes
mit dem
Staatssekretär des Aussenministeriums. Es gab aber noch weitere
Gespräche, etwa mit Vertretern der Migrationsbehörden und der
nigerianischen Diaspora.
Wie haben die Nigerianer auf Ihre Erklärungen
reagiert?
Zu Beginn war die Atmosphäre emotional sehr
aufgeladen und
angespannt. Es war wichtig, als Verantwortlicher des Bundesamts
für Migration selber vor Ort zu sein, denn der Todesfall ist in
Nigeria ein grosses Thema. Ich konnte einerseits mein Bedauern
über den tragischen Zwischenfall zum Ausdruck bringen. Wichtig war
auch, die vorhandenen Informationen transparent weiterzugeben und zu
erklären, welche Massnahmen die Schweiz nun getroffen hat, damit
solche Vorfälle künftig möglichst vermieden werden
können. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten haben wir
deshalb doch noch zu einem sehr konstruktiven Dialog gefunden, was ein
Erfolg ist.
Ab wann können die Sonderflüge nach Nigeria wieder
aufgenommen werden?
Ein genaues Datum kann ich noch nicht nennen. Es wäre
auch
nicht sehr anständig gewesen, in dieser emotional aufgeladenen
Situation auf eine sofortige Wiederaufnahme der Flüge zu
drängen. Aufgrund des Verlaufs der Gespräche bin ich aber
sehr zuversichtlich, dass wir bald wieder fliegen können.
Neu wird bei jedem Ausschaffungsflug ein medizinisches
Begleit-Team dabei sein. Hätte der Tod des Nigerianers verhindert
werden können, wenn diese Massnahme schon früher getroffen
worden wäre?
Mit Gewissheit werden wir das wohl nie wissen. Wichtig
ist, dass
wir erkannt haben, dass es bei den Abläufen noch Löcher gibt,
die wir jetzt stopfen wollen.
Wie hoch werden die Mehrkosten sein, die durch die
zusätzliche medizinische Betreuung bei Zwangsausschaffungen
anfallen?
Einen genauen Betrag kann ich nicht nennen, ganz billig
wird das
aber nicht. Allerdings muss dies im Verhältnis zu jenen Kosten
gesehen werden, die ein Asylsuchender in der Schweiz verursacht. Unter
diesem Gesichtspunkt sind die Mehrkosten klein. Man kann also von einem
sehr guten Kosten-Nutzen-Verhältnis sprechen.
Ab nächstem Jahr sollen auch unabhängige
Beobachter
Zugang zu den Sonderflügen haben. Aus welchen Bereichen
könnten diese kommen?
Diese Neuregelung ist Teil einer
Schengen-Weiterentwicklung,
welche die Schweiz sowieso übernehmen würde. Als Beobachter
kommen etwa Vertreter von Nichtregierungsorganisationen in Frage, mit
denen wir bereits in Kontakt sind. Ich hoffe, dass wir diese Massnahme
im Verlauf des ersten Halbjahres 2011 werden umsetzen können.
Haben die Nigerianer weitere Forderungen gestellt, die Sie
nicht
erfüllen konnten?
Sie hatten die Vorstellung, dass wir eine Quote von
jährlich
500 bis 1000 Arbeitsbewilligungen für Nigerianer einführen
könnten. Da habe ich ihnen erklären müssen, dass dies
aufgrund der politischen Gegebenheiten in der Schweiz völlig
unrealistisch ist.
--
Bessere Zusammenarbeit geplant
Bern. - Neben dem Fall des 29-jährigen Nigerianers,
der am
17. März während seiner Ausschaffung auf dem Flughafen
Zürich starb, ist beim Besuch der Delegation des Bundesamtes
für Migration (BfM) in Nigeria auch eine Migrationspartnerschaft
der Schweiz mit dem westafrikanischen Staat thematisiert worden. Das
BfM spricht von einem Vorreiterprojekt. Im Oktober wird eine Delegation
aus Nigeria in der Schweiz erwartet.
Die geplante Partnerschaft soll weiter gehen als das
bereits
bestehende Rückübernahmeabkommen. So soll etwa die
Integration von Nigerianern in der Schweiz verbessert werden. In
Nigeria wiederum wollen die beiden Länder vermehrt dazu beitragen,
dass Vertriebene nicht zu Flüchtlingen werden. Dabei sollen
Auswanderungswillige laut dem BfM besser informiert werden, damit sie
ihr Land nicht mit falschen Erwartungen verlassen. (sf)
---
St. Galler Tagblatt 15.7.10
Ausschaffung: Gespräche in Nigeria
Wann die Sonderflüge für Zwangsausschaffungen
nach
Nigeria wieder aufgenommen werden, ist weiterhin offen. Eine Schweizer
Delegation hat deswegen Gespräche geführt in Nigeria.
bern. Die Schweiz und Nigeria stünden in engem
Kontakt, um
den Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Flüge zu bestimmen,
so das Bundesamt für Migration (BFM). Alle Sonderflüge
für Ausschaffungen waren nach dem Tod eines nigerianischen
Ausschaffungshäftlings im März gestoppt worden.
Sehr emotional aufgenommen
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass der 29jährige
Mann
an einer unbekannten, schweren und zu Lebzeiten praktisch nicht
diagnostizierbaren Herzkrankheit gelitten hatte, wurden die Flüge
im Juni wieder aufgenommen - ausser nach Nigeria.
Eine von BFM-Direktor Alard du Bois-Reymond geleitete
Delegation
des BFM kehrte gestern aus Nigeria zurück. Du Bois-Reymond habe
dabei sein Bedauern über den tragischen Vorfall zum Ausdruck
gebracht. Das Bundesamt für Migration hat inzwischen auf den
Todesfall reagiert. Ab sofort bietet es für jeden Sonderflug einen
Arzt auf. Ausserdem stellen die Kantone die Übermittlung
medizinischer Daten sicher. Ab 2011 sollen auch unabhängige
Beobachter Zugang zu den Flügen haben.
Bald Vertreter Nigerias an Bord?
Den nigerianischen Gesprächspartnern bot du
Bois-Reymond
weiter an, dass künftig Vertreter der nigerianischen
Migrationsbehörden mitfliegen können. Dieser Vorschlag sei in
Nigeria gut aufgenommen worden, sagte er. Er werde nun in Partnerschaft
mit den kantonalen Behörden vertieft. Einen Termin für die
Wiederaufnahme der Flüge nannte du Bois-Reymond nicht. Amnesty
International (AI) dagegen will, dass unabhängige Beobachter ab
sofort an Zwangsausschaffungen auf dem Luftweg teilnehmen können.
Anstelle von nigerianischen Behördenvertretern brauche es
Vertreter von Schweizer Behörden und NGO. (sda)
---
Le Temps 15.7.10
"Annoncer maintenant la reprise des vols spéciaux vers le
Nigeria aurait été indécent"
Propos recueillis par Valérie de Graffenried
Alard du Bois-Reymond vient de passer deux jours au
Nigeria dans
un contexte difficile. Sa double mission consistait à expliquer
les causes du décès d'un Nigérian lors de son
rapatriement forcé en mars dernier à Zurich et à
faire avancer les négociations pour conclure un "partenariat
migratoire". Le directeur de l'Office fédéral des
migrations commente son délicat mandat
Il vient de passer deux jours au Nigeria dans un contexte
difficile. Sa double mission consistait à expliquer les causes
du décès d'un Nigérian, survenu en mars dernier
à Zurich, lors de son rapatriement forcé, et à
faire avancer les négociations pour conclure un "partenariat
migratoire". Le directeur de l'Office fédéral des
migrations commente son délicat mandat.
Le Temps: Revenez-vous de votre voyage satisfait?
Alard du Bois-Reymond: Oui, très. Le climat
était
empreint d'émotion en raison de la mort tragique du
Nigérian à l'aéroport de Zurich, mais nous avons
pu mener des débats constructifs. Le fait que je me sois
déplacé à Abuja en reconnaissant la gravité
de l'incident et qu'il fallait prendre des mesures urgentes a
contribué à détendre l'atmosphère.
- Vous avez exprimé des "regrets" à propos
du mort,
dont la famille a été indemnisée à hauteur
de 50 000 francs. Vous êtes-vous aussi excusé pour vos
propos concernant les Nigérians criminels qui abusent de l'asile?
- Cet élément a à peine
été
évoqué. Il en a brièvement été
question au deuxième jour de notre visite. Mais pas lors de la
rencontre avec le secrétaire d'Etat aux Affaires
étrangères, Martin Uhomoibhi. L'affaire avait
déjà été réglée avec lui
à Genève fin avril, lorsqu'il m'a demandé des
explications. Le dramatique incident de ce printemps a bien davantage
marqué les discussions.
- Justement: les vols spéciaux ont repris le mois
dernier,
sauf vers le Nigeria. Où se situe le blocage?
- Il n'y en a pas. Après analyse de la situation,
des
mesures urgentes ont été prises pour éviter de
nouveaux drames: désormais, une équipe médicale
participera aux rapatriements forcés et des observateurs
indépendants pourront embarquer sur des vols de ce type
dès 2011. Mais il aurait été indécent de se
déplacer au Nigeria pour exprimer nos regrets à propos du
drame et annoncer aussitôt la reprise de ces vols vers le pays.
L'émotion est encore trop forte. J'ai par contre
suggéré que des représentants des autorités
nigérianes participent à l'avenir à ces vols. Je
suis confiant: ils devraient reprendre rapidement.
- Le "partenariat migratoire" avec le Nigeria n'a toujours
pas
été scellé: quels sont les derniers obstacles
à sa signature?
- Depuis quelques semaines, le dossier avance en fait
rapidement.
Micheline Calmy-Rey avait lancé les négociations en avril
2009, lors d'une visite au Nigeria. Ce sont ensuite les
Nigérians qui ont pris une année avant de nous faire des
contre-propositions. Ils n'avaient pas bien compris ce que nous
voulions. En octobre, une délégation nigériane
viendra en Suisse. J'espère que le partenariat sera
scellé à ce moment-là.
- Les Nigérians revendiquent-ils toujours un quota
d'immigration légale ("employment quota allocation")?
- Non. Nous leur avons expliqué que ce
n'était pas
possible, que cela ne faisait pas partie de notre réalité
politique. Ils ont compris. Nous essayons plutôt de trouver des
"niches" dans le domaine de la formation. Une idée serait par
exemple d'accorder des permis de travail temporaires à une
trentaine d'employés nigérians d'entreprises suisses,
pour qu'ils puissent bénéficier d'une formation
supplémentaire en Suisse.
- En quoi ce partenariat diffère-t-il de l'accord
de
réadmission conclu en 2003?
- Il est plus large. Son but est à la fois de
lutter
contre les problèmes liés à la migration
irrégulière et de favoriser les effets
bénéfiques des migrations. Nous voulons par exemple aider
la diaspora nigériane, qui souffre de préjugés,
à mieux s'intégrer. Une autre piste serait d'assister les
Nigérians victimes dans leur pays de déplacements
internes. En les aidant, nous pouvons éviter qu'ils deviennent
des migrants internationaux. Tout le monde a à y gagner.
---
NZZ 15.7.10
Bundesverwaltungsgericht
Aufschub für Familie aus Tschetschenien
Rekursrecht im Dublin-Verfahren
C. W. ⋅ Das Bundesamt für Migration (BfM) muss sich
nochmals
mit den Asylgesuchen einer Familie aus Tschetschenien befassen. Diese
hatte schon in Frankreich - erfolglos - um Asyl ersucht und war deshalb
dorthin zurückgeschickt worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat
jene Wegweisungsverfügung nun aber aufgehoben, da bei sofortigem
Vollzug kein effektiver Rechtsschutz bestand.
Das Gericht hatte bereits im Februar grundsätzlich
entschieden, dass auch im Dublin-Verfahren - bei der Rückweisung
in den zuständigen europäischen Aufnahmestaat - die
Möglichkeit bestehen müsse, noch in der Schweiz eine
Beschwerde einzulegen. Das jetzt publizierte Urteil ist vor allem von
Interesse, weil auf die Betroffenen schon öffentlich aufmerksam
gemacht worden ist. In der Gemeinde, wo die Tschetschenen seit dem
Frühjahr 2009 (mit dem kurzen Unterbruch durch die Ausschaffung
nach Frankreich) provisorisch leben, erhalten sie Unterstützung.
Das Verfahren geht nun in eine neue Runde. Es bleibt
strittig, ob
bei Anwendung des Dublin-Rechts die Gefahr der Rückschiebung in
eine Verfolgungssituation besteht. Von Frankreich müssten die
Tschetschenen offenbar nach Polen zurück, wo sie auf ihrer
längeren Reise ebenfalls registriert worden waren. Die Schweiz
kann auch das ganze Asylverfahren selber durchführen.
Urteil E-6237/2009 vom 6. 7. 2010.
---
NLZ 15.7.10
Bundesverwaltungsgericht
Tschetschenen dürfen bleiben
Urs-Peter Inderbitzinund Daniel Schriber
Die tschetschenische Familie aus Greppen darf weiterhin in
der
Schweiz bleiben. Ihre Zukunft bleibt aber ungewiss.
Im September 2009 wurde die sechsköpfige
tschetschenische
Familie Bersaev von Greppen aus nach Frankreich abgeschoben. Drei Tage
später kehrte sie illegal in die Schweiz zurück - nur um
umgehend erneut abgeschoben zu werden.
Dagegen erhob die Familie Einsprache beim
Bundesverwaltungsgericht. Dieses entschied nun zu Gunsten der Familie
und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Migrationsbehörden.
Schwere Verfahrensverletzung
Das Bundesverwaltungsgericht hat die
Wegweisungsverfügung
des Bundesamtes für Migration (BFM) gegen die Familie Bersaev
aufgehoben. Das Gericht wirft den Migrationsbehörde vor, gegen das
Gebot des effektiven Rechtsschutzes und damit gegen die
Bundesverfassung und auch gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention verstossen zu haben. Sie hätte die
Familie nicht wegweisen dürfen, bevor eine zweite Instanz
über das Schicksal der Familie entschieden hat. Gegenüber
unserer Zeitung wollte sich gestern niemand vom Bundesamt für
Migration zu dem Urteil äussern. Der Fall würde nun zuerst
von den zuständigen Juristen geprüft, so ein Sprecher des BFM.
"Ein Etappensieg"
Nun also erhält die Familie eine Gnadenfrist. Das
Bundesamt
muss erneut über das Asylgesuch der Familie befinden. Bis dieses
Verfahren abgeschlossen ist, darf die Familie in der Schweiz bleiben.
In ihrem Kampf gegen die Behörden wurde die betroffene Familie
auch von Bürgern aus ihrem Wohnort Greppen unterstützt. Ein
Sprecher dieser Gruppe, der nicht namentlich genannt werden wollte,
zeigte sich gestern glücklich über den Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts. Das Urteil beweise, dass die Familie zu
Recht kämpfe. "Es handelt sich jedoch bloss um einen Etappensieg",
so der Sprecher. Fest steht, dass die Geschichte der Familie Bersaev
mit dem aktuellen Urteil in eine neue Runde geht.
Angefangen hatte alles im Februar 2009. Nachdem die
tschetschenische Familie 16 Monate lang durch verschiedene Länder
gezogen war, landete sie schliesslich in Greppen. Dort galten sie
innert kürzester Zeit als gut integriert, zwei der sechs Kinder
besuchten bereits die Schule in Greppen.
Dennoch trat das Bundesamt für Migration nicht auf
das
Asylgesuch der Familie ein. Die Begründung: Die Familie ersuchte
zuvor bereits in Frankreich Asyl. Das Bundesamt ordnete daraufhin unter
Verweis auf das Dublin-Abkommen die Wegweisung nach Frankreich an.
Dieses Abkommen besagt, dass in der Regel nur der Staat, in dem der
Asylbewerber nachweislich zuerst eingereist ist, ein Asylverfahren
durchführt. Fakt ist jedoch: Die Schweiz kann der
Flüchtlingsfamilie - beispielsweise aus humanitären
Gründen - Asyl gewähren; das Dublin-Abkommen steht dem nicht
entgegen.
kanton@neue-lz.ch
---
WoZ 15.7.10
Ausschaffungen
Das Protokoll
Diese Woche weilte Alard du Bois-Reymond in der
nigerianischen
Hauptstadt Abuja. Der Direktor des Bundesamtes für Migration (BFM)
informierte dort die Behörden über den Tod des
29-jährigen Joseph Ndukaku Chiakwa, der im März während
einer Zwangsausschaffung auf dem Flughafen Zürich gestorben ist.
Nach dem Todesfall hatte die Schweiz sämtliche
Ausschaffungsflüge ausgesetzt. Nigeria erklärte, dass es
künftig nur noch Flüchtlinge zurücknehme, die eine
Freiwilligkeitserklärung unterschrieben hätten.
In die übrigen Länder wurden die
Ausschaffungsflüge Anfang Juli wieder aufgenommen. Neu ist stets
auch ein medizinisches Begleitteam dabei, was unter ÄrztInnen
allerdings umstritten ist. Bei seinem Besuch in Nigeria hat du
Bois-Reymond angeboten, dass auch VertreterInnen der dortigen
Migrationsbehörden mit an Bord sein können. Eine
Wiederaufnahme der Ausschaffungsflüge hat er allerdings noch nicht
erreicht.
Was in der Nacht vom 17. März am Flughafen
Zürich
passiert ist, erhellt WOZ-Redaktor Carlos Hanimann. Aus
Gesprächsprotokollen der Menschenrechtsgruppe Augenauf mit anderen
zur Ausschaffung vorgesehenen Flüchtlingen und Interviews mit den
Behörden ist eine packende und erschütternde Rekonstruktion
der Schweizer Ausschaffungspraxis entstanden. ks
--
Protokoll einer Ausschaffung
Tod bei Ausschaffung-Was geschah in der Nacht des 17. März
am
Flughafen Zürich, als ein 29-jähriger Flüchtling starb?
Eine Rekonstruktion anhand von Augenzeugenberichten und Interviews.
Im Grenzgebiet des Rechts
Von Carlos Hanimann
Joseph Ndukaku Chiakwa war geschwächt. Seit über
einem
Monat befand sich der 29-jährige Flüchtling aus Nigeria im
Hungerstreik, weil die Behörden ihm das Aufenthaltsrecht in der
Schweiz verweigert und ihn in Ausschaffungshaft gesetzt hatten. Bereits
zuvor hatte er während längerer Zeit in unregelmässigen
Abständen abgelehnt, etwas zu essen.
Als er am Nachmittag des 17. März im
Flughafengefängnis
II in Kloten aus seiner Zelle im zweiten Stock gerufen wurde, wusste er
nicht, was folgen würde: dass er in wenigen Augenblicken von einem
Polizeikommando überwältigt, gefesselt und in eine Zelle
gesteckt, dass er und fünfzehn andere Ausschaffungshäftlinge
in eine Halle beim Werkhof des Flughafens Zürich gebracht, dort
anschliessend an Händen, Armen, Hüfte, Oberschenkeln und
Füssen gefesselt würden, um schliesslich nach Lagos, Nigeria,
ausgeschafft zu werden.
Der Charter der Airline Hello stand bereit. Ein Teil der
Abgeschobenen befand sich schon an Bord. Kurz vor Mitternacht
hätte die Maschine nach Lagos abheben sollen.
Aber so weit kam es nicht. Joseph Ndukaku Chiakwa starb
noch auf
dem Gelände des Flughafens - wann genau und wie ist Gegenstand
laufender Untersuchungen. Die Oberstaatsanwaltschaft Zürich teilte
vor zwei Wochen mit, dass Chiakwa, der in der Schweiz auch unter dem
Namen Alex Khamma bekannt war, an einem Herzfehler gelitten habe. Sein
Tod stehe zudem in Verbindung mit dem Hungerstreik und dem
ausserordentlichen Stress, dem er wegen der Ausschaffung ausgesetzt war.
Warum starb Joseph Ndukaku Chiakwa in jener Nacht? War es
ein
unglücklicher Zufall? Oder belegt sein Tod, dass dieses System der
Zwangsausschaffungen grausam, falsch konzipiert und am Ende
tödlich ist?
Die WOZ hat versucht, mit verschiedenen Personen und
Behörden zu sprechen, die in diesen Fall involviert sind: mit dem
Bundesamt für Migration (BFM) und ihrem Direktor Alard du
Bois-Reymond, der an jenem Flug teilnehmen wollte; mit der
Kantonspolizei Zürich, die auf dem Flughafen gelände die
Verantwortung trägt; mit Hans-Rudolf Gerber, dem Direktor des
Flughafengefängnisses II; mit der Staatsanwaltschaft Zürich,
die den Fall untersucht; mit dem Regierungsrat Hans Hollenstein, der
die politische Verantwortung für die Ausschaffungen am Flughafen
Zürich trägt; mit Roger Schneeberger, dem Präsidenten
der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und
-direktoren (KKJPD), die mit dem BFM einen gemeinsamen
Massnahmenkatalog für Zwangsausschaffungen erstellt hat; mit der
Menschenrechtsgruppe Augenauf; und mit den Flüchtlingen, die am
17. März gemeinsam mit Chiakwa hätten ausgeschafft werden
sollen.
Nur Augenauf und Urs von Arb, Chef der Abteilung
Rückkehr
beim BFM, wollten ausführlich sprechen. Die anderen zogen es vor,
zu schweigen, verwiesen gegenseitig aufeinander oder auf schriftliche
Richtlinien. Ausserdem liegt die Antwort des Zürcher
Regierungsrates zu einer Interpellation zu Zwangsausschaffungen vor.
Auch die Flüchtlinge, soweit sie überhaupt noch
auffindbar waren, mochten mit der Presse nicht mehr über den
Todesfall sprechen. Und doch lässt sich teilweise rekonstruieren,
was in jener Nacht geschehen ist - nicht lückenlos, nicht im
Detail. Aber die Menschenrechtsgruppe Augenauf hat nach dem Todesfall
mit einem halben Dutzend Asylsuchenden, die in jener Nacht ebenfalls
hätten ausgeschafft werden sollen, Interviews geführt.
Eine Montage aller vorliegenden Aussagen zeichnet ein
ziemlich
genaues Bild, wie die Schweiz mit unerwünschten Flüchtlingen
umgeht.
Antwort des Zürcher Regierungsrats auf eine
Interpellation
zum Todesfall: Bei den rückzuführenden Personen handelt es
sich nicht um Flüchtlinge, sondern um Personen, deren Asylgesuch
abgelehnt worden ist, oder andere sich illegal in der Schweiz
aufhaltende Personen, die das Land verlassen müssen.
Urs von Arb, Bundesamt für Migration (BFM): Die Leute
werden
ja gefragt, ob sie freiwillig ausreisen. Die kantonale Beratungsstelle
führt ein Ausreisegespräch. Wir geben lieber jemandem Hilfe,
als ihn zur Rückkehr zu zwingen. Das ist billiger, vor allem auch
nachhaltiger. Es ist eine Win-win-Situation.
Aber es gibt leider Leute, die nicht freiwillig gehen
wollen.
Also sagen wir: Hör zu, wir buchen dir einen Flug. Aber die Person
weigert sich noch immer. Sie lässt sich nicht von der Polizei auf
ein Flugzeug begleiten. Dann sagt die Polizei: So geht das nicht. Die
Person muss auf Level 4 ausgeschafft werden.
Mediensprecher der Kantons polizei Zürich: Leider
können wir keine Auskunft erteilen. Sie werden das verstehen...
Die Staatsanwaltschaft untersucht diesen Fall. Wir möchten auch
nicht, dass ein Polizist aus Zürich zu diesem Fall Stellung nimmt.
Dann entstünde der Eindruck, dass es sich um einen Zürcher
Fall handelt. Das ist aber nicht so. Die Polizisten kommen ja aus der
ganzen Schweiz, wie die Auszuschaffenden auch. Fragen Sie beim
Bundesamt für Migration nach. Die haben die Oberaufsicht.
Urs von Arb, BFM: Als Chef der Abteilung Rückkehr bin
ich
sowohl für die freiwillige Rückkehr wie auch für die
Zwangsausschaffungen zuständig. Die Sonderflüge, also
Ausschaffungen auf Level 4, sind ein spezieller Teil dieser Arbeit. Wir
organisieren den Flug, koordinieren die Rückkehr mit den Kantonen,
ernennen die Teamleader der Polizei, kontaktieren die Botschafter im
Herkunftsland und beantragen die Landebewilligung.
Zürcher Regierungsrat: Der zwangsweise
Rückführungsvollzug wird in drei verschiedenen Levels
durchgeführt. Level 1: Die sich illegal in der Schweiz aufhaltende
Person, welche die Schweiz nicht freiwillig verlässt, wird durch
die Polizei bis zum Flugzeug begleitet. Die Rückreise erfolgt ohne
Fesselung und ohne polizeiliche Begleitung. Level 2: Nur wenn sich die
rückzuführende Person derart widersetzt, dass eine solche
Rückführung nicht möglich ist, wird sie gefesselt und
von zwei Polizisten begleitet mit einem gewöhnlichen Linienflug
zurückgeführt. Level 4: Wenn die rückzuführende
Person so renitent ist, dass auch diese Form der Rückführung
nicht möglich ist, wird sie in einem Sonderflug mit einer
verstärkten Fesselung zurückgeführt.
Urs von Arb, BFM: Früher gab es auch
Level-3-Ausschaffungen.
Heute sind sie sehr selten. Die Massnahmen sind dieselben wie bei Level
4, allerdings finden sie auf Linienflügen statt. Das Problem dabei
sind renitente Rückzuführende. Sie schreien, spucken oder
beissen gar. Das ist für alle Beteiligten unangenehm - auf einem
Linienflug mit zahlenden Gästen besonders.
Walter Angst, Augenauf: Bis jemand auf Level 4
ausgeschafft
werden kann, muss in der Regel ein Versuch vorausgegangen sein, den
Auszuschaffenden auf einem tieferen Level auszuschaffen. Aber oft
reicht es, dass der Auszuschaffende gefragt wird, ob er einen Flug
gebucht hat. Wenn nicht, dann gilt sofort Level 4.
Urs von Arb, BFM: Es ist nicht so, dass ein
Auszuschaffender nur
einmal sagt: Ich gehe nicht, und - zack! - Ausschaffungshaft, Level 4.
So läuft das einfach nicht. Das wäre auch nicht in unserem
Interesse.
Aus dem Protokoll des Gesprächs von Augenauf mit U.:
Er
wurde zum Flughafen gebracht und sollte unbegleitet mit einem
Linienflug nach Nigeria reisen (Level 1). Er sollte ein Papier
unterschreiben, welches bestätigt, dass er seine Sachen
zurückbekommen habe. Er wollte dieses Papier nicht unterschreiben.
Darauf wurde der Ausschaffungsversuch abgebrochen und er wieder
zurück ins Flughafengefängnis gebracht.
Urs von Arb, BFM: Der Bund zahlt den Kantonen 140 Franken
pro
Gefängnistag. Das macht im Monat 4200 Franken. Im Schnitt kostet
die Rückführung pro Person 8000 bis 10 000 Franken, darin
eingerechnet sind die Kosten für die Polizei. Vergleichen Sie das
mal mit den Gefängniskosten: Nach zwei, drei Monaten kommt uns ein
Sonderflug bereits billiger.
Augenauf-Protokoll zu O.: Am Mittwoch, 17. März, wird
O. von
der Stockwerk-Chefin des Flughafengefängnisses aus der Zelle
geholt. Sie sagt, sie wolle ihn ins Büro im Parterre bringen. Dort
angekommen, klopft sie an das Durchgangstor, das zu einem Korridor mit
den angrenzenden Büros und Einzelzellen (Bunkern) führt, und
tritt einige Schritte zurück. O. wird von mehreren uniformierten
Polizisten gepackt, und seine Arme werden in Sekundenschnelle hinter
dem Rücken gefesselt.
Augenauf-Protokoll zu J.: Um 15 Uhr kommt ein Aufseher in
die
Zelle, der J. sagt, er solle runterkommen. Die Polizei wolle mit ihm
reden. Als er den Raum betritt, wo normalerweise die Interviews mit der
Polizei stattfinden, wird er von fünf bis sechs schwarz
gekleideten, sehr grossen und kräftigen Polizisten
überfallen, die ihm brutal die Arme hinter den Rücken drehen,
Handschellen anlegen und einen Boxhelm aufsetzen. Dann wird J. in den
Bunker gebracht.
Walter Angst, Augenauf: Diese Bunker liegen im unteren
Stock.
Dorthin kommt sonst nur, wer gegen die Hausordnung verstossen hat. Es
folgt ein äusserst demütigendes Prozedere. Die Häftlinge
werden ausgezogen, und Beamte kontrollieren alle
Körperöffnungen. Sie suchen nach Nadeln, Rasierklingen, et
cetera ...
Urs von Arb, BFM: Natürlich kann man die
Verhältnismässigkeit immer diskutieren. Der Blickwinkel
desjenigen, der sich wehrt, ist ein anderer als desjenigen, der die
Massnahmen durchsetzen muss. Das liegt in der Natur der Sache.
Augenauf-Protokoll zu O.: Die Überwältigung
geschieht
im Korridor, wo es seines Wissens keine Kameras gibt. Anschliessend
wird O. in den Bunker gebracht, Fesseln und Helm werden entfernt. Er
muss sich nackt ausziehen, wird durchsucht und erhält dann
Gefängniskleider. Er sagt den Polizisten, er wolle keine
Schrammen. Antwort: Dann musst du kooperieren.
Zwischen zirka 16 und 20 Uhr bleibt er in diesem Bunker,
ohne
Fesseln oder Helm. Er ist allein.
Augenauf-Protokoll zu J.: Um zirka 16.30 Uhr erhält
J. etwas
zu essen. Niemand erklärt ihm, warum er im Bunker ist.
Walter Angst, Augenauf: Die Beamten wollen sicherstellen,
dass
die Häftlinge keine Gegenstände "schmuggeln" können. Im
Jargon heisst das dann: Sie sind "sauber für den Transport".
Augenauf-Protokoll zu K.: Er wird nach dem Mittagessen
gerufen.
Die Polizei wolle ihn sehen. K. geht mit dem Aufseher in den 1. Stock.
Kaum öffnet sich die Tür, wird er von mehreren Polizisten in
den Raum gezogen und mit der Brust an die Wand gedrückt. In der
Zelle muss er sich nackt ausziehen. Danach wird er in eine zweite Zelle
gebracht. Hier muss er einen Gefängnistrainer anziehen. Essen wird
ihm angeboten. Er wird an Händen und Füssen gefesselt. Nun
wird er in einen Bus gebracht und fährt alleine mit mehreren
Beamten zu einem Gebäude auf dem Flughafen.
Augenauf-Protokoll zu U.: Um zirka 18 Uhr kommen der
Stockchef
des Gefängnisses und vier Polizisten in den Bunker. U. wird
aufgefordert mitzukommen. In einem Bus fährt er mit sechs
Polizisten zum Flughafen.
Augenauf-Protokoll zu J.: J. versucht zu schlafen. Rund
ein bis
zwei Stunden später kommen mehrere Polizisten. Sie stürzen
sich auf ihn ("ils sont sautés au-dessus de moi") und bringen
ihn, ungefesselt!, in einem kleinen Bus zum Flughafen.
Augenauf-Protokoll zu O.: Um 20 Uhr kommen zirka zwanzig
Polizisten und die Vizedirektorin des Flughafengefängnisses in
seine Zelle [in den Bunker]. Er muss die "Deportationskleider"
anziehen. Alle Auszuschaffenden erhalten dieselbe Kleidung, ein T-Shirt
sowie Jeans mit einem speziellen Gürtel, an den die gefesselten
Arme gebunden werden können. Der Helm wird O. wieder
übergestülpt. So wird er von den Polizisten begleitet auf das
Flughafengelände gebracht.
Augenauf-Protokoll zu K.: Die definitive Fesselung findet
in
einer Halle beim Werkhof statt. Vorne befindet sich ein Eingangsbereich
und hinten durch Stoff (Vorhänge) abgetrennte Kabinen. Die Fesseln
liegen sorgfältig vorbereitet auf einem Tisch. K. hört
Schreie ("shouting and crying"). Erst hier wird klar, dass die Polizei
versucht, ihn auszuschaffen.
Augenauf-Protokoll zu O: Er wird auf einen Stuhl gesetzt
und
folgendermassen gefesselt: an den Knöcheln, an den Unterschenkeln,
oberhalb der Knie, unterhalb der Hüfte, mit einer speziellen
Seilvorrichtung um die Schultern. Er kann sich nicht mehr bewegen.
Urs von Arb, BFM: Es geht nicht um Demütigung oder
Einschüchterung. Die Polizei ist vorsichtig. Sie sieht zu, dass
sie die Fesseln immer schnell lösen kann. Bei einem Sonderflug
nach Lagos im November 2009 wurden die Fesseln gelöst. Und prompt
wurde das erbarmungslos ausgenützt. Wäre das nicht geschehen,
wenn die Häftlinge stärker gefesselt worden wären?
Tatsache ist: Die Häftlinge konnten sich damals befreien. Es kam
zu einem Tumult.
Walter Angst, Augenauf: Die Auszuschaffenden sprechen
davon, dass
sie zusammengeschnürt werden wie ein Paket.
Urs von Arb, BFM: Ich habe eine Zeichnung von Augenauf
gesehen,
die darstellt, wie die Leute gefesselt werden. Das sind Impressionen
von Leuten, die das so gesehen haben. Aber ich kann das nicht
kommentieren.
Zürcher Regierungsrat: Nur Rückzuführende,
die
nicht gewillt sind, auf eigenen Füssen zu gehen, werden bei
grosser Renitenz auf einem sogenannten Flugzeugrollstuhl zum Flugzeug
transportiert. Um ein Herunterfallen zu vermeiden, werden die
dafür vorgesehenen Sitzgurte angelegt.
Augenauf-Protokoll zu K.: Mit einem breiten Band um die
Brust
wird er hinten auf einen Rollstuhl fixiert.
Augenauf-Protokoll zu O.: Nach der Fesselung trifft er auf
die
anderen Auszuschaffenden, die auf die gleiche Weise gekleidet und
gefesselt sind. Auf ihren Helmen steht eine Nummer.
Augenauf-Protokoll zu J.: Der Boxhelm, der J.
übergezogen
wurde, war so eng, dass er starke Kopfschmerzen bekam. Er sagt, er habe
sich die ganze Zeit sehr ruhig verhalten und sich nicht gewehrt. In der
Halle habe es etwa vierzig bis fünfzig Polizisten gehabt, die
ständig hin und her rannten. Manche der gefesselten Leute
hätten geschrien und geweint. In diesem Raum blieb er etwa vier
bis fünf Stunden. Einmal sei er mit einem Sandwich gefüttert
worden.
Urs von Arb, BFM: Natürlich sind die
Level-4-Ausschaffungen
heftig. Ich habe das selber auch schon beobachtet. Das sind Eingriffe
in die Freiheit eines Menschen. Man tut das nicht leichtfertig. Wenn
man zusieht, wie die Leute gefesselt werden und einen Helm
übergezogen bekommen, dann hinterlässt das einen starken
Eindruck - vor allem das erste Mal, auch bei mir.
Augenauf-Protokoll zu U.: Wenn U. aufs Klo muss, kann er
in
Begleitung eines Polizisten, welcher ihn an einem Seil hält,
hinschlurfen.
Zürcher Regierungsrat: Für einen Toilettengang
werden
den Rückzuführenden die Fesselungen soweit nötig
entfernt bzw. gelockert.
Augenauf-Protokoll zu U.: Die Kabelbinder zu den Beinen
werden
durchgeschnitten. Der Polizist öffnet den Reissverschluss der Hose
und holt U.s Penis raus.
Walter Angst, Augenauf: Das ist eine unglaubliche
Demütigung. Die Polizei demonstriert ihre brutale Übermacht.
Die Häftlinge werden so sehr eingeschüchtert, dass sie alle
ruhig sind. Die Polizei sagt natürlich nicht, dass es um eine
Machtdemonstration geht. Für sie geht es um die Sicherheit.
Urs von Arb, BFM: Ich weiss nicht, was im Einzelfall
passiert
ist. Ich kann das nicht kommentieren. Aber selbst wenn das geschehen
wäre, es ist sicher nicht Standard.
Was danach geschah, ist nicht ganz klar. Laut Aussagen der
Flüchtlinge ereignete sich in der Nacht von Mittwoch auf
Donnerstag Folgendes: Die Nummern der sechzehn Auszuschaffenden wurden
aufgerufen. Die Polizei brachte einen nach dem anderen auf das
Rollfeld, wo die Chartermaschine wartete. Einige Flüchtlinge
wurden auf einem Rollstuhl gefesselt von Polizisten in das Flugzeug
getragen, andere an der Seilvorrichtung an ihrem Oberkörper die
Treppen hochgehievt. Im Flugzeug setzten sich jeweils zwei oder drei
Polizisten neben und hinter die Flüchtlinge und banden sie an der
Rückenlehne fest.
Der Abflug verzögerte sich. Einem Flüchtling,
der um
23.45 Uhr ins Flugzeug getragen wurde, sagte die Polizei, der Flug sei
annulliert worden, sie wüssten aber nicht, warum. Daraufhin wurden
die Flüchtlinge wieder ins Flughafengefängnis gefahren. Es
hiess, der Flug gehe vielleicht am nächsten Tag.
Augenauf-Protokoll zu C.: C. kann sich an keinerlei
Details
erinnern. Ihm fehlen die Worte. Er möchte nicht mehr darüber
reden. Er sagt, niemand habe sie darüber informiert, was passiert
sei. Erst am Fernsehen habe er dann gesehen, dass ein Mann gestorben
sei.
Augenauf-Protokoll zu O.: Um zirka 1 Uhr morgens kommt die
Vizedirektorin des Flughafengefängnisses und sagt, es habe
Probleme gegeben.
Augenauf-Protokoll zu K.: Den Rest der Nacht schlafen sie
gemeinsam in einer grossen Zelle. Erst am nächsten Tag werden sie
dann auf die Stockwerke verteilt.
Augenauf-Protokoll zu O: Am Morgen kommen
Gefängnisdirektor
und Vizedirektorin und sagen, der Flug sei gestoppt. Am Fernsehen sieht
O. später, was passiert ist.
Augenauf-Protokoll zu C.: Der Direktor kam erst auf
schriftliches
Verlangen der Gefangenen zu ihnen, um sie zu informieren.
Augenauf-Protokoll zu O.: Am Freitag, 19. März, kommt
der
Direktor, als sie auf dem Spazierhof sind, und informiert über den
Todesfall. Er inszeniert eine Schweigeminute und sagt, der Tod sei
nicht im Gefängnis, sondern auf dem Weg, das heisst unter der
Verantwortung der Polizei, eingetreten.
Pressesprecher, Direktion Flug hafen ge fängnis
Zürich:
Da zu diesem Vorfall ein Verfahren läuft, können wir leider
keine Auskunft erteilen.
Urs von Arb, BFM: Nach dem 17. März war ich
natürlich
bestürzt. Ich war nicht vor Ort. Ich wollte wissen, was passiert
war. War es ein Herzfehler? Ein Fehler der Polizei? Das darf nicht
passieren, aber es geschieht trotzdem - nicht nur in der Schweiz. Der
Tod wird derzeit untersucht, die strafrechtliche Verantwortung
abgeklärt. Ich kann mich dazu nicht äussern. Nur so viel: Ein
Arzt war da. Aber er konnte, soviel ich weiss, nichts machen. Die Rega
kam sehr schnell. Aber mehr kann ich wirklich nicht sagen. Die
Untersuchungen laufen.
Rolf Zopfi, Augenauf: Um das geltende Recht durchzusetzen,
wer in
der Schweiz bleiben darf und wer nicht, haben die Behörden Tote in
Kauf genommen. Und sie tun es noch immer. Die Ausschaffungsflüge
wurden ja bereits wieder aufgenommen.
Urs von Arb, BFM: In einem Rechtsstaat muss sich das Recht
durchsetzen können. Sonst ist das fatal. Wenn wir sagen: Okay, du
hast dich zweimal gewehrt, du kannst hier bleiben - da könnten wir
ja gleich sagen: Wer dreimal die Steuern nicht zahlt, muss sie gar nie
bezahlen... Dann kapitulieren wir. Und das geht nicht.
Klar, wir befinden uns an den Grenzen des Rechtsstaats. Es
ist
wichtig, dass in diesem Grenzgebiet auch die Zwangsmassnahmen unter der
Wahrung der Menschenwürde vollzogen werden. Wir machen unsere
Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen. Aber wie geht man mit diesen
Leuten um? Welche anderen Massnahmen gibt es denn? Wenn wir das nicht
so machen, wie dann?
Rolf Zopfi, Augenauf: Wir werden bestimmt keine Tipps
geben, wie
die Polizei die Ausschaffungen zu vollziehen hat! Wir stellen einfach
fest: Es ist eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung, die gegen
die Antifolterkonvention verstösst - und eventuell gar zu Toten
führt.
Urs von Arb, BFM: Die Leute wurden zuvor aufgefordert, in
das
Flugzeug zu steigen. Aber das hat nicht funktioniert. Sie haben das
Gesetz missachtet. Sie sind ihrer Pflicht, die Schweiz zu verlassen,
nicht nachgekommen.
Wenn sie freiwillig gegangen wären, wäre es nie
so weit
gekommen.
--
Protokoll einer Ausschaffung Protokoll einer Ausschaffung
Quellen
Folgende Quellen liegen dieser Montage zugrunde:
≥ Interview mit Urs von Arb, Bundesamt für Migration
≥ Interview mit Walter Angst, Menschenrechtsgruppe Augenauf
≥ Interview mit Rolf Zopfi, Menschenrechtsgruppe Augenauf
≥ Protokolle der Gespräche von Augenauf mit den
Flüchtlingen O., K., J., U. und C. (Namen der Redaktion bekannt)
≥ Antwort des Zürcher Regierungsrats vom 19. Mai auf
eine
Interpellation zu Zwangsausschaffungen von Markus Bischoff und Matthias
Kestenholz
≥ Telefonat mit einem Pressesprecher der Zürcher
Kantonspolizei
≥ E-Mail mit der Direktion des Flughafengefängnisses
----------------------------
RANDSTAND LU
-----------------------------
NLZ 15.7.10
Jan Bühlmann
Mister Schweiz brüskiert die Gassenküche
Andreas Bättig
In einem Interview äussert sich der schönste
Schweizer
despektierlich über die Gassenküche Luzern - und entschuldigt
sich jetzt.
Wo trifft man den Mister Schweiz abends garantiert nicht?
In
einem Interview mit dem "Migrosmagazin" antwortet der Buchrainer Jan
Bühlmann auf diese Frage: "In der Luzerner Gassenküche beim
Servieren." Ziemlich daneben fand das Pius Strassmann aus Luzern und
gründete kurz darauf im Internet die Facebook-Gruppe "Jan
Bühlmann zu Besuch in der Gassenküche Luzern".
Dort heisst es: "Es steht dem amtierenden Mister Schweiz
schlecht
an, sich auf diese Art und Weise lustig zu machen über eine Gruppe
von Menschen, die weder Zeit noch die existenziellen Möglichkeiten
hat, sich um Schönheitswettbewerbe zu kümmern." Strassmann
stellt auf Anfrage unserer Zeitung klar: "Ich habe absolut nichts gegen
Herrn Bühlmann. Die Antwort war einfach unbedarft." Strassmann
würde sich freuen, wenn Bühlmann die Gassenküche
besuchen würde.
"Das war nicht meine Absicht"
Laut Jan Bühlmann kam es folgendermassen zur Antwort
im
"Migrosmagazin": "Meine ursprüngliche Antwort war offenbar nicht
genug speziell." Da es dem "Migrosmagazin" um etwas Einmaliges ging,
habe er sich zu einer solch falschen Aussage verleiten lassen. "Im
Nachhinein bereue ich meine Unüberlegtheit, denn wirklich so
empfinden tue ich nicht", sagt Bühlmann. In jenem Moment habe er
über die Wirkung seiner Aussage nicht nachgedacht. "Es war
absehbar, dass meine Aussage beleidigend wirkte. Das tut mir leid, denn
das war nicht meine Absicht."
Für Fridolin Wyss, Leiter der Gassenarbeit Luzern,
kann man
die Aussage von Jan Bühlmann auf zwei Arten verstehen. "Vielleicht
wollte er damit sagen, dass er das schlicht nicht kann." Oder aber er
habe eine Abwehrhaltung gegenüber der Institution und
randständigen Menschen, was in den Augen von Wyss sehr schade
wäre. Für Wyss ist das aber nicht überraschend: "Viele
Leute hätten Mühe, sich in der Gassenküche aufzuhalten
oder gar zu bedienen." Völlig zu Unrecht, wie er findet. "Die
Leute sind einfach verunsichert, weil sie die randständigen
Menschen nicht kennen."
Tatsächlich ist Jan Bühlmann schon einmal in der
Gassenküche gewesen. Für ihn wäre es gut möglich,
dort zu servieren, wie er klarstellt: "Ich habe kein Problem mit
Randständigen und würde deshalb diese Aufgabe als
Bereicherung ansehen."
Mittagessen für 5 Franken
Fridolin Wyss hat schon erlebt, dass Besucher, sobald sie
mit den
suchtbetroffenen Menschen in Kontakt getreten sind, eine
Überraschung erleben und merken, dass gar nichts dabei ist, in der
Gassenküche zu sein. Deshalb lädt Wyss den schönsten
Schweizer auch ein. "Er ist bei uns für ein Mittagessen herzlich
willkommen. Gerne würde ich mit ihm dort essen, und sicher
würde es ein Gespräch mit unseren GasseChuchi-Gästen
geben", sagt Wyss. Pro Tag sind rund 100 bis 150 Personen in der
Gassenküche, ein Mittagessen kostet 5 Franken.
andreas.baettig@neue-lz.ch
--
Video-Überwachung
Gemeinden entscheiden
Über den Einsatz von Überwachungskameras im
öffentlichen Raum können die Gemeinden in eigener Regie
entscheiden - wenn sie die entsprechenden Reglemente ausgearbeitet
haben. Datenschützerische Mindeststandards müssen eingehalten
werden.
Eine einheitliche kantonale Regelung gibt es in Luzern
noch
nicht. Es ist jedoch eine Gesetzesvorlage zur Frage der
Videoüberwachung auf öffentlichem Grund im Kantonsrat
hängig. Sagt das Parlament zu einer solchen Ja, dürften
künftig nicht nur kommunale, sondern auch kantonale Behörden
Überwachungskameras im öffentlichen Raum einsetzen.
----------------------------
NACHTLEBEN SG
-----------------------------
St. Galler Tagblatt 15.7.10
Wo Jugendliche Party feiern
Reto Voneschen
Das St. Galler Stadtzentrum ist heute Ausgehmeile für
Jugendliche aus der ganzen Ostschweiz. Die mobile Jugendarbeit
beobachtet diese Szene und versucht, beruhigend auf sie einzuwirken.
Wem gehört der öffentliche Raum der Stadt St.
Gallen?
Unter diesem Titel beleuchtet das Sommerprogramm der SP-Stadtpartei
Aspekte des Lebens in der Innenstadt. Am Dienstag ging's auf einem
Spaziergang um das Ausgehverhalten der Jugendlichen und die Aufgabe der
mobilen Jugendarbeit im Zentrum.
Treffpunkt für die ganze Region
Jugendliche im Ausgang. Das Thema wird - bei Medien und
Innenstadt-Bewohnern - immer aktuell, wenn die warme Jahreszeit naht.
Dann finden sich an schönen Wochenenden Hunderte Jugendlicher aus
der weiteren Region an informellen Treffpunkten im öffentlichen
Raum ein, hängen, diskutieren, flirten, streiten und konsumieren -
natürlich - Alkohol und Cannabis. Lärm in den Nachtstunden
und die Abfalllawine, die am Morgen danach sichtbar wird, sorgen immer
wieder für rote Köpfe. Diskutiert wird in dem Zusammenhang
allerdings meist nur über Jugendliche. Obwohl - natürlich -
auch ältere Semester aus der ganzen Region im Wochenendausgang im
Zentrum über die Stränge hauen.
Der SP-Spaziergang mit Mitarbeitern des Jugendsekretariats
führte am Dienstagabend zu informellen Treffpunkten Jugendlicher
in der Innenstadt - ins rote Bleicheli, ins Bahnhof-, Graben- und
Mangenpärklein. Die vier Orte haben Gemeinsamkeiten, jeder hat
aber auch seine Eigenheiten. Diese stellte Hans Ueli Salzmann, Chef der
mobilen Jugendarbeit, vor (siehe unten).
Gesprächspartner für Junge
Es gibt in der Stadt kaum jemanden, der das
Ausgehverhalten
Jugendlicher so gut kennt, wie Salzmann. Schon im fünften Sommer
besucht sein Team in Zweiergruppen in warmen Nächten informelle
Treffs, von denen es in der Innenstadt etliche gibt. Die Jugendarbeiter
beobachten das Ausgehverhalten, suchen das Gespräch und helfen in
Notlagen. Im Dialog versuchen sie auch, Verständnis für
Anwohneranliegen zu wecken, positiv Einfluss auf das Verhalten der
Jungen zu nehmen, heikle Situationen zu entschärfen. Nicht ihre
Aufgabe ist es, Vorschriften durchzusetzen. Dafür ist die
Stadtpolizei da, die seit einigen Jahren an Wochenenden in der
Innenstadt verstärkt patrouilliert.
--
Noch eine "Tankstelle"
Junge treffen sich im Ausgang nicht in Restaurants und
Bars, sie
bevorzugen den öffentlichen Raum. Informelle Treffs bilden sich
oft in der Nähe von Läden, die bis in die Nacht hinein
Alkohol verkaufen. Beispiele sind der "Avec" am Hauptbahnhof oder der
Tankstellenshop am Unteren Graben 24. Neu soll es so einen Laden auch
an der Kornhausstrasse geben. Wie auf einer SP-Führung am
Dienstagabend bekanntwurde, ist ein Baugesuch für einen
Pronto-Shop von Coop an der Kornhausstrasse gegenüber der
Kantonalbank hängig. (vre)
--
Raiffeisen is watching you
Der Rote Platz im Bleicheli gehört zu zwei Dritteln
der
Stadt, zu einem Drittel den benachbarten Grundeigentümern, in
erster Linie der Raiffeisen-Gruppe. Dass sie hier ihre
Bürohäuser hat, wirkt sich auf die jugendliche Partyszene
überraschend aus: Hier verkehren vor allem ganz Junge und
Jüngere. Darunter sind gemäss Beobachtung der
städtischen Jugendarbeiter viele Gruppen junger Frauen. Sie
fühlten sich hier - anders als auf anderen Plätzen der Stadt
- offenbar auch in der Nacht vor Belästigungen sicher. Die Szene
auf dem Roten Platz gilt im Vergleich zu anderen informellen Treffs im
Zentrum als eher ruhig. Dass das so ist, dürfte zu einem
schönen Teil den Sicherheitsmassnahmen der Bank zu verdanken sein.
So werden die Raiffeisen-Gebäude videoüberwacht, und in
"heiklen" Nächten ist die Securitas ständig präsent.
Wo Szenen sich mischen
Das Bahnhofpärklein ist für Jugendliche, die im
Stadtzentrum in den Ausgang gehen, im wahrsten Sinne des Wortes ein
zentraler Ort. Dies trotz des verstaubten Designs Typ "Farbige
Blumenrabatte mit Kleinkunstwerk". Wer hier sitzt, weiss immer, welche
Personen und Gruppen im Ausgang sind: Alle, die vom Bahnhofplatz in die
Altstadt wollen, müssen hier vorbei. Und das zweite Plus für
die Nachtschwärmer: Die "Tankstelle" liegt mit dem "Avec"
gegenüber. Für die mobile Jugendarbeit nicht unbedenklich
ist, dass sich hier am frühen Abend Jugendliche und
Randständige mischen, was zu "Risikobekanntschaften" führen
könne, wie es am Dienstag auf dem SP-Spaziergang hiess. Der Ort
lädt zu Pöbeleien ein - aufgrund der Anordnung der
Sitzbänke und weil jeder weiss, dass er hier jeden, mit dem er
eine offene Rechnung hat, treffen kann.
Etappenziel für Betrunkene
Keine guten Noten bezüglich Gestaltung bekommt das
Grabenpärklein an der Poststrasse von den Jugendarbeitern. Was
tagsüber eine lauschig grüne Oase in der Sommerhitze ist,
wird in der Nacht dank viel Grünzeug und miserabler Beleuchtung zu
einer dunklen, unübersichtlichen Ecke. Das Plätzchen sei
nächtens bei Erwachsenen wie Jugendlichen unbeliebt, sagen die
Jugendarbeiter. Viele machen einen grossen Bogen darum herum. Am
frühen Abend ist die Grünfläche mit dem Fassbrunnen von
Roman Signer eine Nische für Liebespaare, die ungestört sein
wollen. Später in der Nacht stranden hier oft Betrunkene aller
Altersgruppen, die es nicht mehr in einem Zug von der Altstadt zum
Hauptbahnhof schaffen. Immerhin: Die Baudirektion hat versprochen, dass
die Beleuchtung mit der Aufwertung der Poststrasse besser wird.
Party zwischen Kirche und Shop
Der Klassiker unter den informellen Treffs für
Jugendliche
im Wochenendausgang: Das Pärklein war eine der ersten
Freiflächen im Zentrum, die von jugendlichen Nachtschwärmern
zur Partyzone umfunktioniert wurde. Das löste damals den Vorstoss
"Sodom und Gomorrha zu St. Mangen" eines FDP-Stadtparlamentariers aus.
So ganz falsch ist der theologisch angehauchte Titel nicht:
Südlich der Grünfläche liegen Kirche und
Kirchgemeindezentrum St. Mangen. Auf der Nordseite ist der dicht
befahrene Untere Graben mit dem bekanntesten Tankstellenshop der Stadt,
dem "UG 24". Rund um den Park gibt es viele Anwohner. Wer auf der Mauer
an der Westseite sitzt, "kontrolliert" die von jungem Partyvolk
begangene Strasse zwischen Marktplatz und Tankstellenshop, was
gemäss den Fachleuten des Jugendsekretariats Konfliktpotenzial
hat. (vre)
-----------------------------
NACHTLEBEN CH
-----------------------------
swissinfo 15.7.10
"Mehr Gewalt durch 24-Stunden-Betrieb"
Gejohle, Vandalismus und Schlägereien biertrinkender
Jugendlicher auf der Strasse - das ist am Wochenende in den
Städten Courant normal. Der 24-Stunden-Betrieb führe zu einer
Zunahme der Gewaltdelikte, sagt Strafrechtsprofessor Martin Killias.
Tatsache ist: Heute gehen viel mehr Jugendliche als
früher
in den Ausgang. Und ihr Ausgehverhalten hat sich verändert: Sie
verabreden sich oft erst spät, bleiben bis zum Morgengrauen - und
trinken zum Teil sehr viel Alkohol. "Wir haben starke Indizien
dafür, dass die Jugendgewalt massiv zurückgehen würde,
wenn die Jugendlichen nicht mehr bis in alle Nacht hinein im Ausgang
wären", sagt Martin Killias im Tages-Anzeiger. "Wenn der Staat
also gewillt ist, die Jugendgewalt abzubauen, wären die
Polizeistunde oder Zeitlimiten für Kinder taugliche Massnahmen."
"Mehr Gewalt durch Angebot"
Für Killias ist die Ausgeh-Gesellschaft "nicht in
Stein
gemeisselt". Er könne sich durchaus vorstellen, dass der
24-Stunden-Betrieb der Kernstädte heruntergefahren würde.
Oder der Alkoholverkauf ab Mitternacht verboten wäre. Der oft
pauschale Vorwurf, die Eltern würden ihre Erziehungsaufgabe nicht
wahrnehmen und die Kinder nicht früh genug ins Bett schicken,
hält Killias für verfehlt. Angesichts des grossen
Freizeitangebotes am Abend und in der Nacht werde es ihnen sehr schwer
gemacht, sich durchzusetzen. Der Anteil jener Jugendlicher, die sich
nicht an die Zeitvorgaben der Eltern hielten, habe in den letzten 15
Jahren massiv zugenommen. Zudem sagten Jugendliche ihren Eltern auch
häufig nicht mehr, mit wem sie ausgingen.
"Verantwortung wird abgeschoben"
Was hält man in Zürich von diesen
Vorschlägen?
"Ich glaube nicht, dass ein solcher Ansatz im Moment politisch den
Hauch einer Chance hätte", sagt Reto Casanova, Sprecher des
Polizeidepartements der Stadt Zürich gegenüber
swissinfo.ch.Natürlich könne man die Frage aufwerfen,
inwiefern die Städte Verantwortung übernehmen sollten. Man
könne auch darüber diskutieren, ob etwa nachts die
Verkehrs-Dienstleistungen abzubauen wären. "Doch es ist etwas
einfach zu sagen, die Städte müssten Verantwortung
übernehmen. Auf diese Weise wird die Verantwortung abgeschoben,
damit ist niemandem gedient", sagt Casanova. "Im Grunde genommen
müsste jeder Bürger selber überlegen, was er tun kann."
Casanova sieht drastischere Massnahmen nicht als Lösung zur
Eindämmung der Jugendgewalt: "Die Polizei kann im Grunde genommen
nur Symptome behandeln, an den Ursachen kann sie nichts ändern."
"Konflikte programmiert"
Der gleichen Meinung ist Alexander Tschäppät,
Stadtpräsident von Bern, wo man im Gegensatz zu Zürich eine
Sperrstunde kennt: "Nicht die Städte, sondern die ganze
Gesellschaft trägt Verantwortung." Bei den nächtlichen
Alkohol-Exzessen gehe es um ein gesellschaftliches Phänomen, eine
Erscheinung einer wohlstandsgeprägten Gesellschaft. In Bern habe
man zwar eine Sperrstunde, trotzdem gebe es Probleme. Der
Jugendalkoholismus und die Parties zu später Stunde nähmen
zu. Infolge des Rauchverbots hielten sich die Leute zudem vermehrt auf
den Strassen auf, wodurch zusätzlicher Lärm entstehe. "Damit
sind Konflikte programmiert."
Preiszerfall beim Alkohol
Klar müsse sich jede Stadt überlegen, wie viel
Nachtleben sie bieten wolle, doch sei das Angebot einer Stadt nicht
attraktiv genug, würden die Leute einfach weiterziehen. Laut
Tschäppät braucht es in den Städten nicht nur eine
bessere und öffentlich sichtbare Polizei, sondern sind auch
drakonische Strafen für Lokale, die sich nicht an die Auflagen
halten, unerlässlich."Die Städte können
Schliessungszeiten verschärfen, Polizeikontrollen verstärken,
an neuralgischen Stellen Videoüberwachung einführen - doch im
Grunde genommen ist das alles Symptombekämpfung", so
Tschäppät. Die Städte könnten unmöglich alles
kontrollieren. So gingen in Bern die Jugendlichen häufig Alkohol
einkaufen und dann an den Ufern der Aare zum Feiern. In einem liberalen
Land wie der Schweiz könne und wolle man ja schliesslich kein
Trinkverbot in der Öffentlichkeit einführen. Als "Katastrophe
bezeichnet der Berner Stadtpräsident den Preiszerfall beim
Alkohol, den er für den zunehmenden Jugendalkoholismus mit als
Grund sieht. Heute könnten sich ein halbes Dutzend Jugendliche mit
ein paar Büchsen Redbull und einer Flasche Wodka zum Preis von
einem Kinobillet zudröhnen. "Würde der Alkohol wieder teurer
werden, würde auch weniger getrunken", ist Tschäppät
überzeugt.
Corinne Buchser, swissinfo.ch
------------------------
BBLACKBOXX
--------------------------
WoZ 15.7.10
bblackboxx aus Basel
Die Angst geteilt
Die ersten Tage der zweiten Aktionswoche der bblackboxx
(siehe
WOZ Nr. 24/10) waren überschattet von internen Differenzen und der
Abreise eines Teils der beteiligten Künstler. Dafür sind alte
Bekannte wieder aufgetaucht. So zeigt sich die Nachhaltigkeit einiger
Projekte, die in den vergangenen Jahren hier durchgeführt wurden,
etwa die des Picture Service 2008. In einem Asylheim in Allschwil ist
kürzlich während einer Razzia ein Mann zu Tode gekommen, als
er aus einem Fenster stürzte. Selbstmord oder Unfall, jedenfalls
erinnerte sich einer seiner Freunde an die Bilder, die hier gemacht
worden waren, und kam in der bblackboxx vorbei, um sie zu kopieren,
für sich und für die Familie des Toten.
Einer der Sans-Papiers im benachbarten
Ausschaffungsgefängnis hat einen Text verfasst, in dem er zu
ergründen sucht, welche Beweggründe die
Entscheidungsträger antreiben: "Es ist die Angst davor zu helfen,
auf der diese Verurteilung basiert. Vielleicht ist es auch nur die
Angst davor, etwas zu geben, ohne etwas zurückzubekommen, weil sie
die Armut fürchten." Das entbehrt bei aller Tragik nicht einer
gewissen Komik: Derjenige, welcher vor der Armut geflüchtet ist,
und diejenigen, die ihren Besitzstand wahren wollen, teilen dieselbe
Angst.
Mit etwas Glück begegnet man hier auch Anni Lanz,
einer seit
über zwanzig Jahren engagierten Menschenrechts aktivistin und
Initiantin des Basler Solinet (siehe WOZ Nr. 27/10). Nachdem sie mit
politischen Vorstössen immer wieder verloren hatte, beschloss sie,
"näher an die Sache ranzugehen", und berät seither Insassen
des Ausschaffungsgefängnisses in Rechtsfragen, oft ohne positives
Resultat. Auf die Frage, wie sie die ständige Frustration
aushalten konnte, antwortet sie lächelnd: "Die Gesetze sind immer
komplizierter geworden, deshalb musste ich dranbleiben. Wenn ich mal
Pause gemacht hätte, wäre ich rausgefallen." Seit etwa
fünf Jahren besucht sie regelmässig Insass Innen und erteilt
ihnen Deutschunterricht. Sie wird von einer Gruppe älterer Frauen
und einem Jesuiten sekundiert. Nein, nichtchristliche Männer haben
wir unter den unbezahlten Freiwilligen bisher keine getroffen. Suzanne
Zahnd
Die bblackboxx ist bis 12. September geöffnet.
Nächste
Aktionswoche: 2. bis 8. August. Öffnungszeiten und Anfahrtswege
unter http://www.bblackboxx.ch
-------------------------------------
STADTENTWICKLUNG
-------------------------------------
WoZ 15.7.10
Stadtentwicklung-Die Stadt wird zur Ware, warnen
Stadtforscherinnen und
Aktivisten. An einem Treffen in Zürich zeigten sie erste Resultate
eines Städtevergleichs und suchten nach den Trends, die heute die
Entwicklung der meisten Städte bestimmen.
Jedem Land sein Dubai-City
Von Daniel Stern
So viele Plakate. 35 Städte aus der ganzen Welt
werden auf
jeweils mehreren Postern porträtiert. Die Stellwände ziehen
sich durch verschiedene Räume der Roten Fabrik. Im Zürcher
Kulturzentrum hat Ende Juni der 20. Kongress des International Network
for Urban Research and Action (Inura) stattgefunden. Dem Netzwerk
gehören Leute aus Wissenschaft und Verwaltung ebenso an wie
AktivistInnen aus städtischen Umwelt- und Basisgruppen. Ihnen
gemeinsam ist eine kritische Haltung gegenüber aktuellen Trends
der Stadtentwicklung, die sich weltweit manifestieren. Im Fokus stehen
etwa grosse Stadterneuerungsprojekte, Entwicklungen an der Peripherie,
Verkehr, Wohnungsbau, Partizipation und soziale Bewegungen. Seit 2008
arbeiten die verschiedenen Inura-Gruppen an einem Städtevergleich:
Was sind die Trends im "New Metropolitan Mainstream"? Ende Juni haben
rund achtzig Wissenschaftlerinnen und Aktivisten erste Resultate ihrer
Studien in Zürich vorgestellt und mit einer interessierten
Öffentlichkeit diskutiert.
Die Plakate in der Roten Fabrik sind einheitlich
gestaltet. Sie
basieren auf Informationen und Daten, welche die Inura-Mitglieder aus
ihren Städten zusammengetragen und in Google -Stadtpläne
eingespeist haben. Und sie erzählen Geschichten: Geschichten von
Prestigeprojekten, die die Stadt konkurrenzfähiger machen sollen;
Geschichten von QuartierbewohnerInnen, die vertrieben worden sind, weil
sie nicht ins Bild und in die Verwertungs logik passen; Geschichten
aber auch vom Widerstand gegen eine Stadtplanung von oben. Plakate
über explodierende Megastädte wie Mexiko-Stadt und Kairo mit
jeweils rund zwanzig Millionen EinwohnerInnen finden sich neben solchen
von Bern oder der US-Stadt Green Bay, die kaum 100 000 EinwohnerInnen
zählt.
Trend 1: Interurbane Konkurrenz
Die Stadt Zürich zeigt sich während der
Konferenz von
ihrer besten Seite. In der Roten Fabrik herrscht eine entspann te
Atmosphäre. Die Sonne scheint, der angrenzende See lädt zum
Bade. Auch Stadtpräsidentin Corine Mauch hält eine Rede - sie
gleicht einem Werbespot für Zürich: Die Stadt sei erfolgreich
und wachse, von "Urbanität und Diversität" geprägt, "ein
Schmelztiegel diverser Lebensstile". Auch Zürich könne sich
allerdings "vor der internationalen Konkurrenz nicht abschotten",
betont Mauch.
"Konkurrenzfähigkeit" ist ein Begriff, der im Verlauf
der
Diskussionen und in der Ausstellung immer wieder auftaucht. Städte
stehen in Konkurrenz zu anderen Städten - eine Ansicht, die
kommunale Behörden weltweit zu beherrschen scheint. Die eigene
Stadt muss deshalb aus der Masse der andern Städte herausragen.
Sogenannte "Flaggschiff"-Projekte - ein neues Stadion, ein
Wolkenkratzer, ein Kongresszentrum - sollen dazu beitragen, über
die Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen zu werden. Man hofft auf den
"Bilbao-Effekt". Der baskischen Stadt gelang mit dem 1997
fertiggestellten Guggenheim-Museum ein tiefgreifender Imagewandel. Das
spektakuläre Bauwerk des Stararchitekten Frank Gehry machte die
Industriestadt zu einer Tourismusdestination mit jährlich einer
Million BesucherInnen.
"Die Stadt ist nicht mehr nur der Ort, wo Waren gehandelt
werden,
sie ist selber zur Ware geworden", fasst Inura-Mitgründer und
ETH-Professor Chris tian Schmid den Trend zusammen. Dabei werden sowohl
die Megastädte des Südens wie auch eher durchschnittliche
Städte im Norden von diesem Trend erfasst. In einem
Inura-Arbeitspapier heisst es: "Jede Stadt hat heute ihre
Sehenswürdigkeiten, Festivals und Events, trendige Quartiere und
standardmetropolitane Architektur. Paradoxerweise führt dies
jedoch wieder zur Uniformierung und zu einem Verlust von Qualität."
Trend 2: Die Stadt "aufwerten"
Zum Warencharakter der Stadt gehört auch das
Bestreben
vieler Stadtbehörden, das Stadtleben "aufzuwerten". Aus Slums oder
Arbeiterquartieren entstehen Zonen für den Mittelstand und die
Oberschicht. Immer mehr breiten sich auch sogenannte "gated
communities" aus: mit Mauern und Zäunen abgeschlossene und
bewachte Quartiere, in denen sich privilegierte Bevölkerungsteile
abschotten. Solch soziale Umschichtungs- und Segregationsprozesse
laufen teils angestossen durch staatliche Investitionen, teils mit
privaten Geldern ab. Sie können brachial durchgesetzt werden, wie
kürzlich die polizeiliche Räumung von Slums im
südafrikanischen Bundesstaat Kwazulu-Natal. Sie folgen aber auch
subtileren Entwicklungen wie etwa der sogenannten Gentrifizierung:
Billige Mieten ziehen Pioniere der Umgestaltung - Studentinnen und
Künstler - an. Diese machen ein Quartier zum In-Treffpunkt und
attraktiv für weitere, auch kaufkräftigere
NeuzuzügerInnen. Als Folge steigen die Mieten, und SpekulantInnen
entwickeln Bauprojekte, die das Quartier verändern.
In der Plakatausstellung finden sich zahlreiche Beispiele
von
Stadtteilen, die sich gentrifizieren. Allerdings ist das schwer
messbar, weil vergleichbare Daten fehlen - Schmid spricht von
"qualitativer Einschätzung". Wie unterschiedlich solche
Einschätzungen sein können, zeigt das Beispiel St.
Petersburg: Zu dieser Stadt haben zwei Gruppen unabhängig
voneinander Informationen zusammengetragen. Während die eine
grosse Gebiete als "vernachlässigt" eingezeichnet hat, sieht die
andere Gruppe am selben Ort erste Anzeichen eines Wandlungsprozesses.
Auf den ausgestellten Postern werden auch "Projekte des
Widerstandes" identifiziert. In Zürich ist das - laut Plakat - die
Rote Fabrik. Tatsächlich hat sich die Zürcher Jugendbewegung
Anfang der achtziger Jahre die Rote Fabrik als alternatives
Kulturzentrum erkämpft. Heute ist sie ein etablierter
Kulturbetrieb, und es darf gefragt werden, ob solche Projekte nicht
selber wieder zur Gentrifizierung beitragen. Die erkämpften
Räume von damals sind heute Argumente für
Standortqualität: Wenn Stadtpräsidentin Mauch vom urbanen
Ambiente Zürichs schwärmt, dient ihr die Rote Fabrik als
Beleg dafür.
Trend 3: Die "Dubaiisierung"
Für besonders viel Diskussionsstoff sorgt am
Inura-Kongress
die Entwicklung der Städte in den Entwicklungsländern. "Dort
liegen die herausragenden Metropolen des 21. Jahrhunderts", ist etwa
die Urbanismusforscherin Ananya Roy von der University of California in
Berkeley überzeugt. "Für viele StadtplanerInnen des
Südens gelten Singapur, Schanghai und Dubai als Vorbilder", sagt
Christian Schmid. Das bestätigt auch Ezana Yoseph, Stadtforscher
aus Addis Abeba: "Es gibt eine Dubaiisierung von Addis Abeba: Die
Reichen in der Stadt wollen kopieren, was in Dubai gebaut wird." Die
äthiopische Hauptstadt zählt rund sechs Millionen
EinwohnerInnen. Achtzig Prozent von ihnen wohnen in Hütten. Jetzt
errichten chinesische Baufirmen Autobahnen und grosse Wohnblöcke.
Auch in Kairo, einer Stadt mit annähernd zwanzig
Millionen
Einwohner Innen, seien viele StädtebauerInnen speziell von Dubai
beeindruckt, sagt die Stadtforscherin Constanza la Mantia. Die Stadt
drohe zunehmend ihre Identität zu verlieren. "Der öffentliche
Raum verschwindet", sagt sie, "selbst für das Spazierengehen am
Nil muss man heute Eintritt bezahlen."
Für Ananya Roy sind die Städte des Südens
Zonen
für Experimente geworden. Sie erläutert das am Beispiel des
chinesischen Shenzhen, das sich zur Weltproduktionsstätte für
Computer und Handys entwickelt hat. "Hier ist die erste
Sonderwirtschaftszone Chinas entstanden", sagt sie, "und die wird nun
von vielen Ländern kopiert." Shenzhen zeige durch den Umgang mit
WanderarbeiterInnen und deren Entrechtung auch auf, wohin solche
Entwicklungen führen können, sagt sie mit Verweis auf die
Suizidwelle unter den Beschäftigten im Shenzhener Werk der Firma
Foxconn, die kürzlich bekannt geworden ist.
Roy macht auf einen weiteren Trend in vielen Städten
des
Südens aufmerksam, der im Inura-Städtevergleich noch keinen
Niederschlag gefunden hat: "Die urbanen Eliten entscheiden oft im
informellen Rahmen über Bauprojekte - auch gegen bestehende
Gesetze." Zudem spiele in Stadtentwicklungskonzepten oft der Populismus
eine Rolle. Als Beispiel nennt sie die Hisbollah-Partei in Beirut: Sie
trage zwar durchaus zum Aufbau eines vom Krieg zerstörten Gebietes
bei, beherrsche jedoch gleichzeitig den Prozess und hindere dadurch die
Bevölkerung daran, sich kollektiv am Wiederaufbau zu beteiligen.
Zwei Tage öffentliche Veranstaltun gen, ein Tag
Expeditionen
durch Zürich und drei Tage, an denen die Inura-Mitglieder in
Workshops weiterdiskutierten; nach dem Zürcher Kongress ziehen die
OrganisatorInnen, die gleichzeitig MitgründerInnen der Inura sind,
eine positive Bilanz: "Es war nicht, wie so oft, einfach nur ein
Vorstellen der eigenen Arbeit", sagt Christian Schmid. "Die Leute
arbeiteten hier wirklich am Thema weiter." Die Suche nach dem neuen
metropolitanen Mainstream hat weiteren Schwung bekommen. In einem
nächs ten Schritt werden die Plakate über arbeitet, sagt der
Sozialwissenschaftler Richard Wolff. Die einzelnen Stadtpläne
sollen mit weiteren Informationen auf eine Website gestellt und so
öffentlich zugänglich gemacht werden.
Wolff ist überzeugt, dass der Städtevergleich
den Blick
auf die eigene Stadt schärft. Ausserdem können Basisgruppen
so erkennen, dass sie mit ihren Anliegen nicht allein sind. "In vielen
Städten wird an ähnlichen Themen gearbeitet, werden
ähnliche Kämpfe geführt. Die Karten können gerade
für diese Gruppen Anstösse und Beispiele bieten."
--------------------------
BIG BROTHER
--------------------------
BZ 15.7.10
Fichen: Skandal oder Theater?
Eine Untersuchung zum Schweizer Staatsschutz zeigt zwanzig
Jahre
nach der Fichenaffäre diverse Missstände auf: Der
Nachrichtendienst hat erneut Daten von 200 000 Personen gesammelt und
dabei zum Teil gesetzliche Vorgaben nicht eingehalten. Es diskutieren:
Peter Regli, ehemaliger Chef des Nachrichtendienstes, und Alec von
Graffenried, Nationalrat Grüne. BZ-Newschef Stefan
Geissbühler leitet das Gespräch.
TeleBärn, heute ab 19.30 Uhr
---
WoZ 15.7.10
Fichenskandal 2.0 - So können Sie Einsicht fordern.
Bereits hundert Gesuche
Sie wurden an einer politischen Veranstaltung von der
Polizei
kontrolliert oder festgenommen? Sie haben ein Einbürgerungsgesuch
gestellt? Sie haben bei der Polizei um eine Demonstrationsbewilligung
ersucht? Sind Sie Mitglied eines kurdischen Vereins? Gut möglich,
dass Sie in der Datenbank ISIS des Inlandgeheimdienstes fichiert sind.
Stellen Sie ein Einsichtsgesuch.
Kurze Zusammenfassungen
"Wer ein Einsichtsgesuch einreicht, kann einen Beitrag
dazu
leisten, mehr Licht ins Dunkel der Geheimdienstkeller zu bringen", sagt
Viktor Györrfy, Anwalt und Präsident von grundrechte.ch.
Das Gesuch richten Sie an den eidgenössischen
Datenschutzbeauftragten Hanspeter Thür. Seit die
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) mit einem
Untersuchungsbericht den Fichenskandal 2.0 losgetreten hat, sind bei
ihm gut hundert Gesuche eingegangen. Erhält der Datenschützer
ein Gesuch, so gehen er oder seine MitarbeiterInnen beim
Inlandgeheimdienst vorbei. "Wir schauen uns allfällige
Einträge im ISIS genau an", so Thür. Da es (noch) kein
Einsichtsrecht gibt, erfahren die meisten Gesuchsteller Innen nicht, ob
er etwas gefunden hat oder nicht. Der Datenschützer kann lediglich
die Löschung oder Berichtigung der Einträge verlangen.
Es gibt im Staatsschutzgesetz aber auch eine
Ausnahmeklausel:
dass ausnahmsweise Einsicht gewährt werden kann, "wenn der
gesuchstellenden Person sonst ein erheblicher, nicht wieder
gutzumachender Schaden erwächst". Seit 2004 konnte Thür daher
rund sechzig GesuchstellerInnen mitteilen, ob sie fichiert waren oder
nicht. "Der Grossteil dieser Personen war nicht fichiert", sagt
Thür. Laut GPDel bestätigte er in mindestens sechs
Fällen, dass eine Fiche vorhanden ist. Diese Personen erhielten
auch eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes ihrer ISIS-Einträge.
Belege liefern
Hanspeter Thür: "Ich kann die Ausnahmebestimmung
nicht zum
Normalfall umfunktionieren." Entscheidend sei, dass GesuchstellerInnen
nachvollziehbar begründen, wieso sie glauben, fichiert worden zu
sein. "Wenn jemand dies etwa aufgrund einer Verhaftung annimmt, so
sollte er Belege liefern, etwa ein ausgehändigtes
Polizeiprotokoll." Der zweite entscheidende Punkt sei, gut zu
begründen, warum man durch eine Fichierung einen Schaden erleiden
könnte. "Wenn etwa ein Ausländer ein Einbürgerungsgesuch
gestellt hat und befürchtet, dass eine mögliche Fichierung
der Einbürgerung im Wege steht, dann könnte das ein Grund
sein."
Bei jedem Einsichtsgesuch erfährt der
Inlandgeheimdienst den
Namen der GesuchstellerIn: "Es gibt keine Anhaltspunkte dafür,
dass Leute fichiert worden wären, weil sie ein Einsichtsgesuch
gestellt haben", sagt Thür.
Dinu Gautier
Einsichtsgesuche sind zu richten an den
Eidgenössischen
Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, Feldeggweg 1, 3003
Bern. Eine Vorlage als Word-Datei ist unter http://www.grundrechte.ch zu
finden.
---
Tagesanzeiger 15.7.10
Fichen Eine gutschweizerische Tradition von Ernst Cincera bis
heute.
Schweizer Mentalität des Fichierens
Von Aviva Guttmann*
Die Geschäftsprüfungsdelegation hat
enthüllt, dass
der schweizerische Staatsschutz 200 000 Fichen erstellt hat. Bereits 21
Jahre zuvor hatte eine Parlamentarische Untersuchungskommission
aufgedeckt, dass vom Staatsschutz im Laufe des Kalten Krieges 900 000
Fichen verfasst wurden. Der Staatsschutz war allerdings nicht die
einzige Instanz, die damals fichierte. Am 24. November 1976 wurde das
Archiv des selbst ernannten "Subversiven-Jägers" Ernst Cincera und
seine Tätigkeit als privater Staatsschützer publik. In den
1960er-Jahren war ein weiterer privater Staatsschützer im Wallis
tätig: Marc-Edmond Chantre eröffnete sein persönliches
Anti-Subversions-Büro, fichierte linke Aktivisten und gab die
Informationen weiter an seine Bekannten in der Privatwirtschaft und an
gewisse Behörden.
Kann man bei dieser Häufung von Fichenaffären
von einer
Schweizer "Kultur" des Fichierens sprechen? Vergleicht man den heutigen
Fall mit Ernst Cinceras Datensammlung, sieht man, dass vieles noch so
ist wie damals.
Ende der 1960er-Jahre begann Ernst Cincera aus Angst vor
einem
kommunistischen revolutionären Krieg, sein eigenes Fichen-Archiv
aufzubauen. Mitte der 1970er-Jahre hatte er ein schweizweit
organisiertes Spitzelwesen, das ihn über Aktivitäten der
linken Szene unterrichtete. Dadurch erfasste Cincera über 10 000
Namen. Eine revolutionäre Gesinnung vermutete er beispielsweise
bei Mitgliedern der POCH und anderen linken Organisationen, bei linken
Parlamentariern, Künstlern, progressiven Christen, Schülern,
Studenten, Lehrern, unfolgsamen Rekruten,
Militärdienstverweigerern, Gewerkschaftern und unzähligen
Journalisten.
"Behauptet, nicht links zu sein"
Cincera witterte überall Gefahr und unterschied nicht
zwischen legitimen Protesten der demokratischen Meinungsäusserung
und Tätigkeiten, die diese Ordnung wirklich bedrohten. Cincera
hatte deshalb Mühe abzuschätzen, welche Informationen
relevant waren. Auf den Fichen hiess es etwa: "Bezieht Post direkt aus
Moskau." Oder: "Verbindungen mit UdSSR- und DDR-Botschaft". Und: "Macht
marxistischen Eindruck, behauptet aber von sich, nicht links zu sein."
Obwohl sein Archiv grösstenteils auf Vermutungen
beruhte,
herrschte eine beträchtliche Nachfrage nach Ernst Cinceras
Informationen. Zum Beispiel hatte er eine Anfrage der Personalabteilung
der Nestlé Alimenta über 13 linksgerichtete Personen. Wie
ein Gerichtsverfahren in einem anderen Fall später zeigte,
brauchte Nestlé diese Angaben damals, um Gegnern im
Babymilch-Prozess besser Paroli bieten zu können.
Ein wichtiges Anliegen war damals, die Unterwanderung von
Schulen
zu verhindern, weshalb Lehrer gerne mit Cincera zusammenarbeiteten. Als
1976 die Kollaboration zwischen dem Rektor H. E. der Sekundarschule in
Kehrsatz und Cincera bekannt wurde, klagten viele über die
Informationen, die herumgereicht wurden. Wegen Verletzung des
Amtsgeheimnisses wurde H. E. von einem Gericht für 14 Tage
Gefängnis auf Bewährung bestraft.
Private und Offizielle
Cinceras private Tätigkeiten waren den Methoden des
offiziellen Staatsschutzes verblüffend ähnlich. Die
Politische Polizei Zürich zum Beispiel unterhielt genauso wie
Cincera ein Spitzelwesen, bei dem sich die Informanten in
linksgerichtete Organisationen einschleusten. Sie konzentrierte sich
ebenfalls undifferenziert auf linke Aktivisten und erfassten auch
Material aus ungesicherten Quellen.
Die Geschäftsprüfungsdelegation kritisiert am
heutigen
Staatsschutz die gleichen Mängel. Nicht nur sammelte er
unnütze Daten, sondern übernahm auch fehlerhafte
Informationen. Noch immer besteht das Risiko, dass diese die Grundlage
von Entscheidungen bilden, die weitreichende Folgen für den
Fichierten haben können.
Der Staatsschutz hat als Reaktion auf die Kritik
"restriktive
Massnahmen" bei der Verarbeitung der Fichen angekündigt. Das ist
nicht sehr konkret und legt den Fokus auf das Falsche. Die Hauptursache
für die Fülle an Fichen liegt nicht allein in der
Datenverarbeitung, sondern in der Datengewinnung. Wie wir von Ernst
Cincera, aber auch vom offiziellen Staatsschutz zur Zeit des Kalten
Krieges wissen, hatten die Datensammler Mühe, die echten Gefahren
wirklich zu erkennen. Es fehlten ihnen klare Kriterien. Und dies
führte zum wahllosen Sammeln von allen möglichen Indizien,
egal, aus welcher Quelle.
Vielleicht liegt das Malaise allerdings auch an der
diffusen
Gefahrenlage, mit der ein kleines neutrales Land wie die Schweiz
konfrontiert ist. Jedenfalls zieht sich die Tendenz, alle
möglichen Daten zu sammeln und die Bevökerung zu
überfichieren, von Ernst Cinceras Archiv bis heute.
Man könnte von einer etwas ineffizienten, aber
gutschweizerischen Tradition reden.
* Aviva Guttmann studiert am Institut de Hautes Etudes
Internationales et du Développement in Genf und hat den
Nachrichtendienst von Ernst Cincera erforscht.
---
Die Zeit 15.7.10
"Man merkt, wo die Post abgeht"
Der Schweizer Staatsschutz hat wie wild Daten von scheinbar
verdächtigen Bürgern gesammelt. Professor David Gugerli sagt,
die Datenmassen gerieten bald völlig außer Kontrolle
Das Gespräch führte Ralph Pöhner
DIE ZEIT: Herr Gugerli, Sie erforschen die Geschichte der
Datenbanken und des gesellschaftlichen Umgangs mit Informationen. Nun
wurde bekannt, dass der Schweizer Staatsschutz erneut. massenhaft
Personendaten sammelte. Was ist der Unterschied zum "Fichenskandal" von
1989?
David Gugerli: Es gibt eine Menge Unterschiede. Da wäre
zunächst mal die Größenordnung: 1989 wurden fast eine
Million Bürger erfasst, jetzt geht es um 200 000.
Zweitens gibt es heute eine klare Regelung Wir wissen zumindest,
was
der Staatsschutz hätte tun sollen und was nicht. Drittens haben
wir es mit ganz anderen Bedrohungsszenarien zu tun als vor zwanzig
Jahren.
ZEIT: Vor 1989 waren dies der Ostblock und der
Kommunismus, heute
sind es eher Terrorismus und Radikalismus.
Gugerli: Ja. Damals gab es die Blöcke des Kalten
Krieges,
und für Staatsschützer war klar, wo die Guten und wo die
Bösen sind. Inzwischen erscheinen die wahrgenommenen Bedrohungen
vielfältiger: Terrorismus, Handel mit Pornografle, Organisiertes
Verbrechen, Waffenschmuggel, Geldwäscherei, Steuerflucht
ZEIT: ... letzte Woche meldete Nachrichtendienst-Chef Markus
Seiler, es
gebe mehr Spionage im Zusammenhang mit der Finanzkrise.
Gugerli: Wir haben es mit einer breiteren und diffuseren
Bedrohungslage zu tun. Da ist es fast erstaunlich, dass in den
Datenbanken nicht noch mehr Personen erfasst wurden.
ZEIT: Eine nebulöse Lage verlangt nach umfassenderen
Staatsschutz-Datenbanken?
Gugerli: Jedenfalls kommt die Größenordnung der 200
000
Überwachten damit in eine andere Perspektive. Es gibt noch einen
vierten Unterschied zu 1989: Die Sammeltätigkeit privater Dienste
und Firmen ist heute wesentlich umfangreicher und intensiver.
ZELT: Sie denken an all die Phänomene, wo wir selber
unsere
Spuren hinierlassen, von Facebook bis zur Cumulus-Karte?
Gugerli: Genau. Daran hat man sich gewöhnt.
Im Grunde zeigt der aktuelle Fichenskandal — wenn man das
überhaupt so nennen will — doch auch, wie sehr die staatliche
Regierungsweise an Bedeutung verloren hat.
ZEIT: Wie wirkt sich das konkret aus?
Gugerli: Ein Beispiel: Was ist relevant zur Beurteilung der
‚Zahlungsfähigkeit einer Person? Heute geht man dafür doch
nicht mehr aufs Betreibungsamt, sondern man beauftragt eine
Inkassofirma mit der Uberprüfung heikler Kunden.
ZEIT: Wir haben also inzwischen ein recht lockeres
Verhältnis zu unseren Daten.
Gugerli: Ja, die Datenbank prägt uns. Wir setzen
dieses
Instrument heute immer voraus, es ist überall präsent in der
alltäglichen Praxis.
ZEIT: Wie sehr spiegelt diese Lockerheit die zunehmend
gesicherte
Erfahrung mit der Demokratie? Als George Orwell in 1984 einen
Kontrollstaat ausmalte, hatte er den Stalinismus vor sich. Heute hat
man nicht mal mehr 1984 vor Augen.
Gugerli: Wir sind da vielleicht wirklich etwas sorglos
geworden.
Aber man merkt eben auch, dass die Post nicht dort abgeht, wo
staatliche Behörden in einem halbwegs vertrauenswürdigen
Rahmen handeln. Das Problem der Schweiz sind jedenfalls nicht wild
gewordene Geheimdienste, das Problem sind höchstens unfähige
oder überforderte Geheimdienste. Und wenn man schon Angst vor
solchen Daten-Instanzen hat, so wohl vor Google oder vor irgendwelchen
Kreditkartenunternehmen mit ihren Absuchmöglichkeiten. Häufig
werden die Uberwachungsängste auch weit weg projiziert. Dann
fühlt man sich lieber bedroht durch die Kontrolimöglichkeiten
irgendwelcher US-Dienste mit KürzeIn wie NSA, CIA und FBI.
ZEIT: Andererseits verleitet die Technik zwangsläufig
dazu,
Daten anzuhäufen. Denn durch Verknüpfung können
ständig neue Fragen gelöst werden: je mehr Daten, desto mehr
Antworten.
Gugerli: Das Muster zeigt sich im jüngsten Fall.
Zwischen
etwa 1995 und 2005 blieb es ruhig in diesem Bereich. Die
Bundesbehörden bauten die neue Staatsschutz-Datenbank Isis auf;
diese war hierarchisch strukturiert. Ab Ende 2004 wurde Isis in eine
relationale Datenbank namens Isis-NT überführt. Das hatte ein
paar fatale Konsequenzen. Erstens war die Uberführung
äußerst arbeitsintensiv; man musste alles Personal für
die Erfassung von Daten einsetzen, niemand kümmerte sich um deren
Qualität. Zweitens: Wenn man in einer relationalen Datenbank einen
Eintrag über eine Person löscht, bleiben die Bezüge
erhalten, die diese Person zwischen andern Personen gestiftet hat. Ist
also jemand in einer Datenbank intensiv vernetzt, bringen Sie seine
Spuren ohne großen Aufwand gar nicht mehr raus.
ZEIT: Wie kam es aber, dass der Nachrichtendienst DAP
wieder
irgendwelche BaslerGroßräte fichierte, nur weil sie
kurdischer Abstammung sind? Oder einen Zürcher Lokalpolitiker,
weil er eine bewilligte Demo mitorganisierte?
Gugerli: Man muss solche Betriebsunfälle in aller Form
verurteilen. Aber erklären kann man sie trotzdem. In einem
diffusen Bedrohungsszenario kann auch in den Köpfen der Leute vom
Staatsschutz allerlei zusammenkommen: Hooligans, Randalierer, Neonazis,
Nachdemo 1. Mai, PKK und so weiter. Das alles ist als Bedrohung unklar
abgegrenzt, und dann schreibt man halt zur Sicherheit etwas auf — die
entscheidenden Differenzen und die Ränder gehen verloren. Wenn
dann noch die Qualitätskontrolle ausfällt, bleibt auch einmal
ein Großrat in der Datenbank Das extremste Beispiel, das die
Geschäftsprüfungsdelegation ans Licht brachte, handelt ja von
einer Person, die noch nach ihrem Tod zweimal als staatsschutzrelevant
taxiert wurde. Wirklich eine intensive Karteileiche.
ZEIT: Es gibt ein weiteres Argument für die Sammlung
großer Datenmengen: Bei gewissen Methoden der Fahndung muss man
Muster bilden können — das erlaubt dann die sogenannte
Rasterfahndung.
Gugerli: Ein schwieriges Feld. Wenn man nur schon sieht,
welche
Mühe private Organisationen mit ihren Dateien haben, so ahnt man,
dass sich aus so vielen Daten nur schwer Sinn generieren liisst: Was
weiß man, wenn eine Person heute in Filiale A ein Joghurt und ein
Päckchen Gummibärchen kauft und sich zwei Wochen später
ein Taschenmesser und ein Feuerzeug in den Einkaufswagen legt? Was
haben Sie von dieser Information? Ist das ein Hinweis auf steigende
Gewaltbereitschaft? Und wenn Sie jetzt noch die Zahl der Artikel,
Einkäufe, Filialen und Kunden berücksichtigen, kriegen Sie
schnell eine überkomplexe Informationslage. Das können Sie
nicht auswerten.
ZEIT: In Deutschland wurden im Gefolge des 11. September 8,3
Millionen
Datensätze durchforstet. Am Ende konnten die Fahnder mit dem
Material ein einziges Ermittlungsverfahren einleiten, und auch das
wurde am Ende eingestellt. Eine sehr produktive Maschine ist die
Datenbank offenbar nicht.
Gugerli: Es ist schon so: Der Grenznutzen von Datenbanken
kann
mit ihrer Größe auch sinken.
Ein historisches Beispiel dafür sind die
Informationsmengen,
die das deutsche BKA unter seinem Chef Horst Herold aufrubauen begann.
Sie erlaubten Fahndungserfolge im Kampf gegen die RAF, aber letztlich
wurde in Wiesbaden auch ein unglaublich großer Apparat aus
Menschen und Maschinen aufgebaut. Und so konnte es passieren, dass der
Zettel mit dem Hinweis auf die Wohnung, in der sich der entführte
Arbeitgeberpräsident Schleyer befand, einfach verloren ging. Ganz
simpel. Da zeigt sich, dass Geheimdienste bei ihrer Arbeit wohl besser
mit der Pinzette vorgehen. Aber dies ist ja auch beruhigend.
ZEIT: Wo sind die Bedrohungen der Zukunft?
Gugerli: Cloud Computing, die Zusammenfassung von Datenmassen
übers Internet, könnte zu einem gesellschaftlichen Problem
werden. Da weiß niemand mehr so genau, wer was hat. Heute kann
man noch eine Parlamentskommission auf eine Amtsstelle hetzen. Aber wer
ist zuständig, wenn irgendwo in der sogenannten Cloud Daten
abhandenkommen oder ein Eigenleben führen? Welche Kommission
wollen Sie da vorbeischicken? Wen zur Rechenschaft ziehen? Darüber
will ich gar nicht nachdenken müssen.
ZEIT: Heißt das auch: Zum Problem werden weniger die
Datensammlungen, sondern eher die Lecks in den Datenbanken? Das trifft
sich mit dem neuen Phänomen, dass das Bankgeheimnis durch
Bankangestellte sabotiert wird, die ihre Kundendaten auf Disketten
verkaufen.
Gugerli: Bei Lecks und bei Rückständen
"gelöschter" Daten zeigt sich der Kontrollverlust.
Wir bekommen es mit wild gewordenen Daten zu tun. Keiner
weiß;
wer sie hat, wo sie herkommen, wie sie abgelegt wurden. Sie sind
einfach vorhanden. Daraus lassen sich schon Horrorszenarien ableiten.
Es klingt paradox, aber das politische Problem rechnergestützter
Datenbanken ist heute nicht die Überwachung der Bürger,
sondern der Verlust der Kontrolle über Daten.
Das Gespräch führte Ralph Pöhner
David Gugerli ist Professor für Technikgeschichte an
der ETH
Zürich. Er veröffentlichte unter anderem das Buch
"Suchmaschinen. Die Welt als Datenbank", Suhrkamp Verlag 2009
-------------------------------------
BIG BROTHER SPORT
-------------------------------------
NLZ 15.7.10
Sportarena Allmend
Weniger Polizisten dank Videokameras
Von Andreas Bättig
Was in Bern rund ums Stade de Suisse geplant ist, soll es
auch in
Luzern geben: Videoüberwachung für den Kampf gegen
Fussballchaoten. Die Gesuche fehlen aber noch.
Die Berner Polizei will Kameras rund um das Stade de
Suisse
aufstellen. "Das entspricht einem Bedürfnis der Polizei und hilft
mit, die Polizeiaufgebote bei den Matches zu begrenzen", sagt der
Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause in der "Berner Zeitung".
Auch in Luzern sind installierte Kameras zur
Überwachung der
Fussballspiele ein Thema: Bei der künftigen unterirdischen
S-Bahn-Haltestelle, wo viele Fussballfans ein- und aussteigen werden,
sind Kameras vorgesehen, wie die Zentralbahn-Planer auf Anfrage
bestätigen. Und Videoüberwachung steht auch in und um die
neue Swissporarena zur Disposition; diese wird im Juli 2011
eröffnet. "Wir werden im neuen Stadion und bei den Eingängen
Kameras aufstellen", sagt Mike Hauser, Sicherheitschef des FC Luzern.
Videoüberwachung im grösseren Stil ist neu: Im
Gersag-Stadion, wo der FCL bis zur Eröffnung der Swissporarena
spielt, werden nur mobile Kameras eingesetzt. Das war auch im alten
FCL-Stadion vorwiegend so.
Wie viele fest installierte Kameras im neuen Stadion
tatsächlich Bilder aufzeichnen werden, will Sicherheitschef Hauser
nicht sagen. Ebenso verschweigt er, welche Summe die Stadion Luzern AG,
bei welcher der FCL Minderheitsaktionär ist, in die
Kameraüberwachung investieren will.
Polizei ist für den Kameraeinsatz
Auch die Luzerner Polizei befürwortet den Einsatz von
Kameras im und um das Stadion. So sagt Beat Hensler, Kommandant der
Luzerner Polizei, auf Anfrage: "Aus unserer Sicht ist der
temporäre Einsatz von Kameras für die Überwachung von
Sportveranstaltungen wünschenswert. Denn Kameras helfen uns bei
der Überwachung vor, während und nach den Fussballspielen und
bei der Aufklärung von Straftaten."
Die Zuschauer werden laut Hensler auf genau bestimmten
Routen ins
Stadion geleitet. Für die Überwachung dieser
Zuschauerströme würden Kameras die Arbeit der Polizei
erleichtern, ist er überzeugt. Zudem könne die Polizei
allfällige Unruheherde frühzeitig erkennen und rasch mit
Polizeikräften intervenieren. Wenn Straftaten begangen werden,
würden Videos bei der Identifizierung der Täter und bei der
Beweissicherung helfen, so Hensler. Und: "Grundsätzlich ist eine
gute technische Ausstattung geeignet, Personal einzusparen."
Druck auf Vereine wächst
Der FCL hat guten Grund, sich noch gezielter um die
Sicherheit
der Zuschauer zu kümmern. Eben haben sich Kantone, Fussballverband
und Profiliga geeinigt, dass die Klubs härter gegen randalierende
Chaoten vorgehen und enger mit den Behörden zusammenarbeiten
müssen. Es gibt auch einen handfesten Kostenhintergrund, wie die
kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren errechnet haben: Bis zu 250
000 Franken kosten die Polizeieinsätze während eines
Hochrisikospiels (siehe Ausgabe vom Samstag).
Doch auch ohne diesen Druck hat der FCL alles Interesse,
Fussballchaoten das Handwerk zu legen. Denn dadurch lassen sich die
eigenen Auslagen fürs Polizeiaufgebot verringern. Heute investiert
der FCL gemäss Präsident Walter Stierli "weit über eine
Million Franken" in die Sicherheit. Die Verhandlungen über den
Beitrag an die öffentliche Hand - gewünscht sind vom Kanton
800 000 Franken - sind kurz vor Abschluss.
Mike Hauser nennt einen weiteren Grund für die
Erhöhung
der Sicherheit: "Es ist in unserem eigenen Interesse, dass wir vor
voller Tribüne spielen können und nicht die Hälfte der
Leute aus Angst vor randalierenden Fans wegbleibt."
Stadtbehörden warten ab
Alles, was die Installation von Kameras auf
öffentlichem
Grund rund ums Stadion betrifft, unterliegt laut FCL-Sicherheitschef
Mike Hauser der Entscheidungshoheit der Stadt Luzern. Am 1. Juni 2008
hat das städtische Stimmvolk Ja zum Videoreglement gesagt und
damit einer Überwachung des öffentlichen Raums mit Kameras
zugestimmt (siehe Kasten). Bei der Stadt Luzern wurde der Kameraeinsatz
rund ums Stadion allerdings noch nicht thematisiert. "Darüber
müsste der Stadtrat entscheiden", sagt Daniel Deicher, Stabschef
der Direktion Umwelt, Verkehr und Sicherheit. Weder der FCL noch die
Luzerner Polizei seien bisher aber mit diesem Anliegen an die Stadt
gelangt. Will heissen: FC Luzern und Polizei müssen ihre
Videopläne noch offiziell beim Stadtrat deponieren.
andreas.baettig@neue-lz.ch
-------------------------
LINKSAUSSEN
-------------------------
WoZ 15.7.10
Buch
Links aussen
"Woher hatte ich meine Unverfrorenheit gegenüber dem
System?
Woher hatte ich meine Frechheit gegenüber Autoritäten?" Diese
Fragen beantwortet der 1933 geborene Zürcher Publizist Franz Rueb
mit einem Rückblick auf seine rebellischen Jahre - ein
zeitgeschichtliches Dokument.
Den Anstoss zu Ruebs Erinnerungen gab das "Zehnkilopaket"
aus
Bern mit seinen Fichenakten von 1957 bis 1985, für ihn so etwas
wie ein "behördliches Tagebuch". Die Aufzeichnungen seiner
Beschatter führen durch die Episoden des rebellischen
Zeitgenossen, der in verschiedenen Rollen auftritt: unbotmässiger
Sanitätssoldat, neugieriger Ostermarschierer, fragender Kommunist
("Vorwärts"-Redaktor und Exponent der "Jungen Sektion" der PdA),
unbequemer Kantonsrat (der sich unter anderem für die Abschaffung
des Konkubinatsverbots einsetzt), militanter Achtundsechziger und
Antifaschist (der 1969 anlässlich einer Demonstration gegen das
griechische Obristenregime in Bern festgenommen wird).
Zwischen den Kapiteln über Ruebs politische
Tätigkeit im mer wie der Erinnerungsbilder aus sei ner har ten
Kindheits- und Jugend zeit - zu erst bei strengen katholi schen Nonnen
und dann sechs Jahre lang in der Hölle eines evangelischen Heims
für Schwererziehbare - grauenhaft. Dort bekam Rueb den
Übernamen "Rübezahl" und hielt nur dank Fussball und
Geschichtenerfinden durch.
1969 wurde Rueb aus der PdA ausgeschlossen. Der
"eingefleischte
Autodidakt" kam nach Westberlin, als Dramaturg an der Schaubühne.
Die DDR erliess gegen ihn ein Einreiseverbot. Seit Mitte der siebziger
Jahre lebt Franz Rueb wieder im Land seiner Beschatter. In seinen Erin
nerungen ist kein verbitterter Eiferer zu hören. Rueb schaut
gelassen zurück, kritisch und schalkhaft, sogar dankbar für
sein politisches Scheitern. Am interessantesten ist er dort, wo er
Begegnungen mit ZeitgenossInnen schildert - vom tyrannischen Heimleiter
aus der Kriegszeit über linke Ikonen wie Theo Pinkus und Konrad
Farner bis zum Kommunistenjäger Ernst Cincera.
Paul L. Walser
Franz Rueb: "Rübezahl spielte links aussen.
Erinnerungen
eines Politischen." Autobiografisches aus der edition 8. Zürich
2009. 309 Seiten. 35 Franken.
----------------
KOKAIN
----------------
Lausanne Cité 15.7.10
De la cocaïne dans les eaux suisses
Des chiffres inquiétants
Un projet pilote de l'Université de Berne montre
que les
eaux usées des centres urbains contiennent des quantités
surprenantes de cocaïne. Une étude qui permet par ailleurs
d'en estimer la consommation.
Nicole della Pietra, swissinfo.ch
La consommation de cocaïne prend de plus en plus
d'ampleur
en Suisse. Jusqu'ici, seules des estimations approximatives reposant
notamment sur les volumes de drogue saisis par les polices cantonales
ou des questionnaires anonymes, avaient pu être faites.
C'était avant la conduite d'un projet pilote mené durant
l'été 2009 par un étudiant en chimie de
l'Université de Berne. Christoph Mathieu a décidé
de consacrer sa thèse de diplôme à l'analyse des
eaux usées de plusieurs grands centres urbains du pays, soit
Zurich, Genève, Berne, Bâle et Lucerne.
"Les résultats de cette étude, qui devrait
être publiée avant la fin de cette année, prouvent
d'ores et déjà que la méthode de dépistage
épidémiologique fonctionne avec une grande
précision en matière de détection de
cocaïne", se réjouit le professeur Rudolf Brenneisen, du
département de pharmacologie de l'Université de Berne,
sous le contrôle duquel le travail de diplôme à
été réalisé.
Analyse pointue
Grâce à deux instruments de mesure - dont
l'un,
hautement sophistiqué, est situé dans le Laboratoire de
la protection des eaux et du sol du canton de Berne (LPES) - des
échantillons d'un demi-litre de liquide chacun ont
été prélevés pour analyser leur teneur en
cocaïne. Le travail a été réalisé en
collaboration avec les ingénieurs responsables des stations
d'épuration sélectionnées. "Nos instruments ont
fait l'objet d'un réglage (tuning) extrêmement pointu, qui
nous permet de déceler la substance à l'échelle
d'un milliardième de gramme par litre" (1 nano-gramme par
litre), explique le professeur Brenneisen. "Les échantillons
d'eaux usées ont d'abord dû faire l'objet de plusieurs
filtrages et procédures d'extraction avant de pouvoir être
analysés par notre équipement", précise le
spécialiste. D'autres pays (Espagne, Italie, Allemagne, Benelux,
etc.) ont déjà procédé à des
analyses similaires, mais l'étude menée par
l'Université de Berne est sans doute la plus pointue à ce
jour.
Cocaïne omniprésente
L'auteur de l'étude Christoph Mathieu s'est dit
lui-même étonné par les résultats et les
quantités de cocaïne présentes dans les
prélèvements. Un problème inattendu a d'ailleurs
compliqué sa tâche: la difficulté de trouver un
échantillon comparatif exempt de traces de cocaïne. Seules
les eaux d'une petite station d'épuration située
près du lac de Thoune étaient vierges de cette drogue.
Pour le reste, tous les échantillons prélevés dans
le cadre du projet pilote ont montré la présence de
cocaïne.
Pics de consommation
Les analyses conduites durant les douze mois qu'a
duré le
projet ont ainsi montré que 3% de la population bernoise
(140'000 habitants) âgée entre 16 et 64 ans, "sniffe" une
ligne (environ 0,1 gramme) de cocaïne par jour.
Conformément à sa réputation de "drogue
récréative", c'est durant les week-ends ou en marge de
grands événements - les festivals notamment - que la
consommation monte en flèche.Les quantités
détectées par les chercheurs de benzoylecgonine, le
principal métabolite de la cocaïne excrété
par l'urine ont atteint des sommets lors de la Street Parade de Zurich
en août dernier, avec trois microgrammes par litre d'eau
usée examinée.
La recherche continue
Pour le professeur Rudolf Brenneisen, pas question d'en
rester
là. Le chercheur et le Laboratoire de la protection des eaux et
du sol du canton de Berne s'attaquent à d'autres produits
toxiques pour élargir le spectre des analyses des eaux
usées en Suisse. Les scientifiques ont ainsi ouvert la chasse
à une vingtaine d'autres substances, dont la morphine et les
amphétamines qui, avec diverses substances hormonales
détectées par d'autres laboratoires universitaires,
inquiètent tout particulièrement le professeur Brenneisen.
La pointe de l'iceberg
Une fois filtrées, même par les stations
d'épuration les plus performantes du pays, les eaux sont
destinées à retourner dans la nappe phréatique ou
les plans d'eau. "A terme, elles seront à nouveau
consommées par les citoyens, notamment à travers la
chaîne alimentaire (poissons)", relève le professeur, qui
se défend de vouloir jouer les alarmistes. Autrement dit, les
traditionnelles analyses bactériologiques et des résidus
chimiques conduites par les laboratoires cantonaux ne dévoilent
peut-être que la pointe de l'iceberg quant à la
qualité des eaux helvétiques. La question se pose de
savoir si elles suffisent à la connaissance des secrets de l'eau
du robinet, que les Suisses consomment pourtant volontiers.
----------------------------------------
ZWISCHENGESCHLECHT
-----------------------------------------
zwischengeschlecht 15.7.10
Intersexuelle enttäuscht vom Ethikrat - "kein
Handlungsbedarf" bei
Genitalverstümmelung?!
zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!
P R E S S E M I T T E I L U N G
Tag für Tag wird in Deutschlands Kinderkliniken mindestens
ein
wehrloses Kleinkind irreversibel chirurgisch genitalverstümmelt.
Seit 14 Jahren gibt es als Reaktion auf die öffentlichen
Klagen
überlebender Erwachsener alle Jahre wieder ExpertInnenrunden,
Fachgespräche, Foren, Publikationen, Absichtserklärungen,
Versprechungen, Vertröstungen - während die Täter
unbehelligt weiterverstümmeln.
Zahllose genitalverstümmelte "Intersexuelle",
Hermaphroditen oder
Zwitter und ihre Organsiationen setzten grosse Hoffnungen auf den
Deutschen Ethikrat, als er nach Jahre langen Anfragen versprach, die
Anliegen der Überlebenden an seinem "Forum Bioethik" vom 23.6.2010
endlich aufzugreifen.
Diese Hoffnungen bewahrheiteten sich leider nicht: Nach einer
Plenarsitzung am Folgetag des Forums gab der Ethikrat bekannt, er habe
mit der Ermöglichung der Veranstaltung seine Schuldigkeit getan
und sehe aktuell keinen weiteren Handlungsbedarf - die
Genitalabschneider danken.
Die konkreten Taten der Verstümmler und deren Folgen mochte
der
Ethikrat auch nach der Veranstaltung nicht beim Namen nennen, ja noch
nicht einmal die Tatsache, dass es um chirurgische Eingriffe an
Genitalien von Kleinkindern geht.
Noch in der anschliessenden Pressmitteilung frönte der
Deutsche
Ethikrat der Tätersprache; statt dem zentralen Anliegen der
Überlebenden nach Beendigung der Verstümmelungen stellte er
weiterhin schwulenpolitische Forderungen dritter Interessegruppen ins
Zentrum.
Intersexuelle und ihre Interessegruppen verurteilten die
Untätigkeit des Deutschen Ethikrates einhellig und zeigten sich
enttäuscht vom tatenlosen Ausgang ihrer Bemühungen.
Intersexuelle Menschen e.V. hat dem Ethikrat gegenüber
schriftlich
sein "Bedauern darüber ausgedrückt, dass es den Vortragenenen
offenbar nicht gelungen ist, die Dringlichkeit der Belange deutlich zu
machen", wie der Verein auf seiner Homepage mitteilt.
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org hatte schon am
"Forum
Bioethik" in einem Diskussionsvotum kritisiert, der Deutsche Ethikrat
wie auch die ebenfalls am Forum vertretene "Arbeitsgruppe Ethik" der
Medizinerinteressengruppe "Netzwerk Intersexualität/DSD"
würden bei den Genitalverstümmelungen beide "nur zuschauen",
dies sei untragbar und "Ethik als Feigenblatt".
Der Ethikrat selbst nimmt's weiterhin gemächlich: Auch drei
Wochen
nach dem "Forum Bioethik" sind noch nicht einmal die Hälfte der
versprochenen Wortprotokolle zur Veranstaltung online.
Hintergrundinformationen: http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein
Verbot von
genitalen Zwangsoperationen an zwischengeschlechtlichen Menschen und
"Menschenrechte auch für Zwitter!".
Freundliche Grüsse
n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe
Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe
Intersex.ch
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse@zwischengeschlecht.info
---
zwischengeschlecht.info 14.7.10
Caster Semeny rehabilitiert - und Santi Soundarajan???
zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!
P R E S S E M I T T E I L U N G
>>> Onlineversion mit Hintergrund-Links
http://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Caster-Semenya-rehabilitiert-und-Santhi-Soundarajan
Die indische Läuferin Santhi Soundarajan wartet immer noch
auf
Gerechtigkeit. Wie Caster Semenya war sie nach einem willkürlichen
und undurchsichtigen Gentest "auf Verdacht hin" ausgeschlossen und
weltweit diffamiert worden.
Im Gegensatz zu Caster wurde Santhi von ihrem eigenen
Athletikverband
und den eigenen Behörden von Anfang an schmählich im Stich
gelassen.
Der für das Debakel direkt verantwortliche Olympic Council
of Asia
(OCA) wie auch das Nationale Olympische Komitee Indiens (Indian Olympic
Association IOA) denunzierten Santhi nach bekanntem Muster in den
Medien als "Mann" und "Betrügerin". Weltweit wurde Santhi
öffentlich erniedrigt und verspottet und ihre
Persönlichkeits- und Menschenrechte von den Olympia-Verbänden
mit Füssen getreten, ohne dass jemand eine Stimme dagegen erhob.
IOC und IAAF: Willkür und Erpressung
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) lässt seine
Unterorganisationen dabei bis auf den heutigen Tag widerspruchslos
gewähren und stahl sich stets mit billigen Ausreden aus jeder
Verantwortung.
Auch künftig will das Internationale Olympische Komitee
(IOC) -
wie auch der für das Caster Semenya angetane Unrecht
verantwortliche Athletikweltverband (IAAF) - weibliche Athletinnen, die
sie als "Inters*xuelle" / Hermaphroditen / Zwitter verdächtigen,
in willkürlichen und intransparenten Verfahren nach Gutdünken
ausschliessen können. Beide Sportweltverbände lassen dazu
aktuell ihre Vorschriften entsprechend aufrüsten.
GenitalverstümmlerInnen als SchiedrichterInnen
Als "ExpertInnen" und VollzugsgehilfInnen engagierten IOC und
IAAF dazu
gemeinsam mit dem Weltfussballverband FIFA Anfang 2010 eine Handvoll
von "ÄrztInnen", die auch sonst "Inters*xualität" a.k.a.
"Disorders of S*x Development DSD" 'behandeln' und 'erforschen'.
Von den Betroffenen selbst werden diese MedizynerInnen seit
langem
weltweit als "GenitalverstümmlerInnen" und "VerbrecherInnen"
angeklagt. Auch unter JuristInnen, EthikerInnen, Frauen- und
Menschenrechtsorganisationen sind sie bekannt und alles andere als
unumstritten.
Wenig überraschend fordern die MedizynerInnen nun - ihrer
täglichen Praxis entsprechend - im Namen von IOC und IAAF
öffentlich obligatorische Genitaloperationen, Kastrationen und
Hormonzwangstherapien für "verdächtige" Athletinnen. Wer sich
nicht 'behandeln' lassen will, soll ausgeschlossen werden. Im Herbst
wollen IOC und IAAF ihre neuen "Regeln" offiziell absegnen, damit sie
auf 2011 in Kraft treten sollen.
Den Betroffenen selbst und ihren Organisationen verweigern IOC
und IAAF
das Gehör bis auf den heutigen Tag.
Die tragische Geschichte von Santhi Soundarajan
Caster Semenya darf morgen Donnerstag nach 11 Monaten Sperre zum
ersten
Mal wieder an einem bescheidenen Wettkampf teilnehmen.
Santhi Soundarajan wartet auch nach 4 Jahren immer noch darauf,
nur
schon ihre Medaille zurückzuerhalten.
Kein Anwaltsteam kam Santhi Soundrajan zu Hilfe, die indische
Regierung
setzte sich kein einziges Mal bei den selbstherrlichen Verantwortlichen
in den Sportverbänden für sie ein, und auch die indische
Öffentlichkeit versagte ihr die Unterstützung. Santhi verlor
ihre Arbeit, wollte nicht mehr leben und landete mit einer
Überdosis Veterinärmedizin im Spital. Einzig die
Lokalregierung von Tamil Nadu erbarmte sich ihrer und verschaffte ihr
eine Stelle als Trainerin mittelloser junger AthletInnen.
Santhi Soundarajan hatte sich wiederholt öffentlich mit
Caster
Semenya solidarisiert. Sie erhoffte sich von einer möglichen
Rehabilitierung von Caster Semenya, dass dadurch auch ihr eventuell
Gerechtigkeit widerfahren würde.
Bisher sieht es leider allerdings nicht danach aus. Aktuell ist
ein
einziger (englischer) Zeitungsartikel auf indianexpress.com online, der
nach Caster Semenyas Freigabe durch den Internationalen Athletikverband
IAAF Santhi Soundarajans ungerechtes Schicksal und ihr Recht auf ein
transparentes Revisionsverfahren prominent aufgriff.
Darin wiederholte Santhi Soundarajan ihre Klage, dass der
indische
Athletikverband AFI und die indische Regierung sich nie für sie
eingesetzt haben: "Ausser meiner Familie stand niemand auf und bot mir
Hilfe und Unterstützung."
AFI-Sekretär Lalit Bhanot bestätigt Santhis
Vorwürfe
indirekt, indem er von Santhi geforderte Anstrengungen zu einer
Revision kurzerhand abtut mit der Allerweltsausrede "das sind zwei
verschiedene Fälle" - obwohl er seinerzeit noch grossspurig
angekündigt hatte, bei einer Rehabilitierung Caster Semenyas
Santhis "Fall" noch einmal auf die Tagesordnung zu bringen ...
Justice for Santhi Soundarajan!
Auch Frauenorganisationen, welche seinerzeit die spanische
Hürdenläuferin María José
Martínez-Patiño unterstützt hatten, die unter
vergleichbar willkürlichen und undurchsichtigen Umständen
disqualifiziert und der Sensationspresse als "betrügerischer Mann"
zum Frass vorgeworfen worden war, mochten sich für Santhi
Soundarajan nicht in die Bresche stellen.
Nach wie vor stellt sich die unangenehme Frage, ob Santhis
Schicksal
wohl nicht ein ganz anderes gewesen wäre, hätte es sich bei
ihr um eine weisse Europäerin mit guten Verbindungen gehandelt,
statt um eine arme Tamilin ...
>>> Gerechtigkeit für Santhi Soundarajan!
Hintergrundinformationen: http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein
Verbot von
genitalen Zwangsoperationen an zwischengeschlechtlichen Menschen und
"Menschenrechte auch für Zwitter!".
Freundliche Grüsse
n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe
Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe
Inters*x.ch
Mitglied Inters*xuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse@zwischengeschlecht.info
----------------------
ANTI-ATOM
-----------------------
Bund 15.7.10
Bundesverwaltungsgericht verlangt Mühleberg-Akten
Das Bundesverwaltungsgericht hat verlangt, dass ihm das
Departement Leuenberger Sicherheitsakten über das AKW
Mühleberg aushändigt. Dies teilten Mühleberg-Gegner
gestern mit. Es handelt sich um jene Unterlagen, die das Departement
und die Atomaufsicht beim Entscheid über die unbefristete
Betriebsbewilligung für den Reaktor als Grundlage verwendet hatten.
Noch offen ist, ob die Mühleberg-Gegner nun Einsicht
in die
Sicherheitsakten erhalten. Sie hatten die Akteneinsicht im Rahmen ihrer
Beschwerde gegen die unbefristete Betriebsbewilligung gefordert. Der
Etappenerfolg der Mühleberg-Gegner könnte sich nicht nur auf
das Verfahren zum bestehenden Kraftwerk auswirken, sondern auch auf die
Bewilligung neuer AKW. (st) - Seite 17
--
Mühleberg-Gegner erzielen Etappenerfolg
Das Departement von Energieminister Moritz Leuenberger
muss dem
Bundesverwaltungsgericht Sicherheitsakten zum AKW Mühleberg
aushändigen. Der Entscheid könnte Folgen auch für die
Verfahren um neue AKW haben.
Simon Thönen
Es ist nur ein formaler Zwischenentscheid des
Bundesverwaltungsgerichts über Prozessakten, den die Gegner des
Atomkraftwerks Mühleberg gestern per Medienmitteilung bekannt
machten. Doch er könnte Folgen für das Rekursverfahren gegen
die unbefristete Betriebsbewilligung für Mühleberg haben -
und darüber hinaus für die Bewilligung von neuen AKW. Denn es
handelt sich um das erste Verfahren nach dem neuen Kernenergiegesetz.
Das Bundesverwaltungsgericht hat Ende Juni verfügt,
dass das
Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation (Uvek) dem Gericht Unterlagen zur Beurteilung der
Sicherheit des Kernkraftwerks Mühleberg aushändigen muss.
Konkret geht es laut Mitteilung des Komitees "Mühleberg
Ver-fahren" um nicht weniger als 56 Bundesordner mit Sicherheits- und
Risikoanalysen.
Uvek will Akten abliefern
Auf diese Unterlagen hatten sich die Atomaufsicht Ensi und
das
Uvek abgestützt, um die Sicherheit von Mühleberg zu
beurteilen, bevor das Uvek am 21. Dezember 2009 eine unbefristete
Betriebsbewilligung für den Reaktor erteilte. Das Uvek muss nun
auch begründen, welche dieser Akten allenfalls aus
Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht werden dürfen.
Von einem "bahnbrechenden Erfolg" sprechen die
Mühleberg-Gegner in ihrer Mitteilung. Zwar seien die
Sicherheitsakten mit dem Entscheid noch nicht öffentlich, aber sie
seien erstmals, so die Mitteilung, der "Geheimbruderschaft von
Atomkontrolleuren und Atombetreibern" entzogen. Nach dem für sie
positiven Zwischenentscheid erwarten die Mühleberg-Gegner, dass
sie diesen Herbst Einsicht in die Sicherheitsakten erhalten werden.
Das Uvek will die Aktenherausgabe nicht anfechten. "Wir
werden
der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts nachkommen und die
gewünschten Dokumente nachliefern", sagt der Sprecher des
Bundesamtes für Energie (BFE), Matthias Kägi, auf Anfrage.
Bisher sei man davon ausgegangen, dass diese Dokumente nicht Teil des
Verfahrens seien. "Wir nehmen die Entwicklung zur Kenntnis", sagt auf
Anfrage Antonio Sommavilla, Sprecher der Mühleberg-Betreiberin BKW
Energie AG.
Suche nach Sicherheitslücken
Sollten die Mühleberg-Gegner in der Folge
tatsächlich
Akteneinsicht erhalten, dann können sie ihre Beschwerde gegen die
unbefristete Betriebsbewilligung des Atomkraftwerks auf die
Sicherheitsunterlagen abstützen.
Die Betreiberin und die Bewilligungsbehörden seien,
so
mutmasst das Komitee "Mühleberg Ver-fahren", "von einem
Eilverfahren" ausgegangen und hätten nur mangelhafte
Sicherheitsunterlagen erstellt. So etwa bei der Erdbebensicherheit und
den Rissen im Kernmantel. Zu diesen Mutmassungen wollten gestern weder
die BKW noch das BFE Stellung nehmen.
Das Komitee "Mühleberg Ver-fahren" will laut
Präsident
Jürg Joss erreichen, dass unabhängige Institute die
Sicherheitsfragen prüfen. "Höchst wahrscheinlich werden wir
das Ökoinstitut Darmstadt mit einem Gutachten beauftragen." Die
Mühleberg-Gegner hatten die unbefristete Bewilligung im Februar
2010 gerichtlich angefochten. Sollten sie vor Gericht obsiegen, dann
müsste Mühleberg 2012 abgeschaltet werden (siehe Kasten
Mühleberg-Verfahren).
Folgen für neue AKW?
Die formalen Entscheide im Mühleberg-Verfahren
könnten
auch Folgen für die Bewilligung von neuen AKW haben. Dies
zumindest erwarten die Mühleberg-Gegner: "Jetzt wird sich auch
entscheiden, welche Akten in künftigen Verfahren zu
Atommülllagern und neuen AKW offen gelegt werden und wie
seriös Einspracheverfahren angegangen werden."
Anders sieht dies BFE-Sprecher Kägi: "Das sind
vollständig unabhängige Verfahren, die man nicht miteinander
vergleichen kann." Auch diese würden allerdings nach den Regeln
des neuen Kernenergiegesetzes ablaufen.
Das Gesetz sieht für neue Kernkraftwerke ein
zweistufiges
Verfahren vor (siehe Kasten Verfahren neue AKW). Gegenwärtig ist
nur die erste Phase im Gespräch: Die generellen
Rahmenbewilligungen, über die letztlich das Schweizer Volk
entscheiden wird.
Doch die Verfahren für die Bau- und
Betriebsbewilligungen
von konkreten Reaktoren würden erst danach beginnen - und
könnten vor Gericht angefochten werden. Ob die
Bewilligungsbehörden ihre Entscheidungsgrundlagen vor Gericht
offenlegen müssen, ist deshalb auch bei neuen Reaktoren relevant.
--
Aare-Temperatur
Mühleberg muss Betrieb wegen Hitze drosseln
Die Hitze wirkt sich auch auf die Stromproduktion aus. Die
Kernkraftwerke Mühleberg und Beznau mussten ihre Leistungen wegen
der bereits hohen Aare-Temperatur leicht drosseln. Mit der Massnahme
soll erreicht werden, dass sich der Fluss nicht weiter erwärmt und
dass Fische und Natur nicht gefährdet werden.
BKW-Sprecher Antonio Sommavilla sagte im "Regionaljournal
Bern,
Freiburg, Wallis" von Radio DRS, die Leistung von Mühleberg sei
gestern um fünf bis zehn Prozent verringert worden.
Leistungseinbussen seien aber im Hochsommer nicht aussergewöhnlich
und hätten keinen Einfluss auf die Stromversorgung. (sda)
Mühleberg-Verfahren
Am 21. Dezember 2009 hat das Eidgenössische
Departement
für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) dem AKW
Mühleberg eine unbefristete Betriebsbewilligung erteilt. Zuvor war
sie bis Ende 2012 befristet gewesen.
Gegen die Aufhebung der Befristung haben 108 Anwohner im
Februar
2010 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. In einer
Zwischenverfügung hat das Gericht nun entschieden, dass das Uvek
bis Ende August 56 Bundesordner mit Sicherheits- und Risikoanalysen zum
Reaktor beim Gericht hinterlegen muss. Auf diese Unterlagen hatten sich
die Behörden gestützt, um die Sicherheit zu beurteilen.
Später wird das Bundesverwaltungsgericht entscheiden,
ob und
in welchem Umfang es den Beschwerdeführern Einsicht in die
Sicherheitsakten gewährt. Ein Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts zur unbefristeten Betriebsbewilligung
für Mühleberg kann von Mühleberg-Gegnern, Behörden
und der Betreiberin bis vor Bundesgericht weitergezogen werden. (st)
Verfahren für neue AKW
Im Juni 2008 hatte die Alpiq ein Rahmenbewilligungsgesuch
für ein neues AKW in Gösgen eingereicht, im Dezember 2008
folgten Gesuche der Axpo und der BKW für neue Kernkraftwerke in
Beznau und Mühleberg. Die Stromkonzerne reichten ihre Gesuche im
Oktober 2009 erneut ein, nachdem sie diese auf Geheiss der
Behörden überarbeitet hatten.
Das Verfahren ist zweistufig: Über die generelle
Rahmenbewilligung entscheiden Bundesrat, Parlament und, falls ein
Referendum ergriffen wird, das Schweizervolk. Die Kantone und
Nachbarstaaten werden angehört. Das bernische Volk wird
voraussichtlich am 13. Februar 2011 einen konsultativen Entscheid
über Mühleberg II fällen.
Die eigentlichen Bau- und Betriebsbewilligungen für
die
konkreten Atomkraftwerke werden erst danach vom Fachdepartement Uvek
erteilt. Diese technischen und juristischen Entscheide können
Anwohner und der Standortkanton beim Bundesverwaltungsgericht und
danach beim Bundesgericht anfechten. (st)
---
BZ 15.7.10
AKW Mühleberg
Erfolg für die Gegner
Die Gegner des Atomkraftkraftwerks Mühleberg
können im
Kampf um Akteneinsicht einen ersten Erfolg verbuchen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Streit um die
unbefristete
Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg einen ersten
Entscheid gefällt: In einer Verfügung zwingt es das
eidgenössische Umweltdepartement Uvek, dem Gericht alle Akten
vorzulegen und zu begründen, weshalb diese bisher geheim gehalten
wurden. Für die AKW-Gegner ist dies ein erster Erfolg. Wie sie
selber relativieren, sind die Sicherheitsakten des AKW damit zwar noch
nicht öffentlich. Das Bundesverwaltungsgericht wird nun
entscheiden müssen, ob die in das Verfahren involvierten Parteien
- sprich: die AKW-Gegner - die Akten auch einsehen dürfen.
Das Uvek hat der BKW Energie AG im Dezember 2009 eine
unbefristete Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg
erteilt. Gegen diesen Entscheid haben die AKW-Gegner im Februar 2010
beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde eingereicht. Bereits im Juni
2008, während der öffentlichen Auflage des Gesuchs der BKW um
Aufhebung der Befristung der Betriebsbewilligung, hatten die AKW-Gegner
beim Bund Einsicht in die Sicherheitsberichte des AKW verlangt. Den
abschlägigen Bescheid fochten sie beim Bundesverwaltungsgericht
an. Sie argumentieren, dass sie Einsicht in die Dokumente
bräuchten, um ihre Einsprache begründen zu können.
Die BKW und das Uvek begründen ihre Weigerung, die
Akten
offenzulegen, unter anderem mit dem grossen Aufwand, der dafür
nötig sei.
drh
--
AKW Mühleberg
Hitze drosselt Produktion
Die grosse Hitze hatte gestern Mittwoch auch Auswirkungen
auf die
Stromproduktion einiger Schweizer Atomkraftwerke. Sowohl das AKW in
Mühleberg wie auch jenes in Beznau mussten ihre Leistungen wegen
der hohen Aaretemperatur leicht drosseln. Die Leistung in
Mühleberg sei um fünf bis zehn Prozent verringert worden,
sagte BKW-Sprecher Antonio Sommavilla gegenüber Schweizer Radio
DRS. Mit der Massnahme soll erreicht werden, dass sich die Aare nicht
noch weiter erwärmt und dass Fische und Natur nicht gefährdet
werden.
Leistungseinbussen in diesem Ausmass seien mitten im
Sommer
allerdings nichts Aussergewöhnliches und sie hätten zudem
keinerlei Einfluss auf die Stromversorgung, betonte der BKW-Sprecher.
sda
---
Aargauer Zeitung 15.7.10
Hitzewelle setzt AKW Beznau zu
Zu heiss: AKW hat Leistung gedrosselt
Das Atomkraftwerk Beznau im aargauischen Döttingen
hat am
Dienstag wegen der hohen Temperaturen leicht weniger Strom produzieren
können. Die Kühlwasserversorgung reichte nicht mehr aus, weil
die Aare wärmer als 22 Grad war. "Die Leistung musste am Dienstag
zwischen 16 und 22 Uhr um 0,3 Prozent reduziert werden", sagte Anahid
Rickmann, Mediensprecherin der Betreiberin Axpo, gestern. Auf die
Stromversorgung hatte dieser marginale Rückgang keine
Auswirkungen. Das AKW Beznau besitzt keinen Kühlturm, sondern wird
von der Aare gekühlt. (sda)
---
Thurgauer Zeitung 15.7.10
Grünliberale gegen neue AKWs
Romanshorn - Die Grünliberalen erachten es als
unverantwortbar, eine Technologie zu erhalten, die grosse Risiken
beinhaltet und hochradioaktive Abfälle hinterlässt, die die
Natur und unsere Nachkommen auf Jahrhunderte schädigen
können. Mit der Forderung, es müssen zwei neue Atomkraftwerke
in der Schweiz gebaut werden, hat die Thurgauer Regionalgruppe der
Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz (Aves), an
ihrer 1. GV aufgezeigt, dass sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt
habe, wie die Partei mitteilt. Sie setzen auch weiterhin auf eine
rückwärtsgewandte Technologie, die unter echten
Marktbedingungen ökonomisch gar nicht konkurrenzfähig
wäre.
Aves-Präsident Rolf Schweigert, Geschäftsleiter
der
Organisation Nuklearforum, spreche immer wieder von einer angeblichen
Stromlücke, die nur durch Atomkraft gedeckt werden könne.
Dies ist reine Spekulation, findet die GLP. Die McKinsey-Studie vom
April zeige: 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien im Jahr 2050
sei realistisch, nicht teurer und ebenso verlässlich wie die
heutige Versorgung. Die Grünliberale Partei Schweiz prüft ein
neues Konzept für eine ökologische Steuerreform. Eine
Energiesteuer soll die Mehrwertsteuer als Ertragsquelle des Bundes
ersetzen. (tz)