MEDIENSPIEGEL 22.7.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Randstand Bern: Alkitreff reduziert
- Antirep Fribourg: Tipps für Vorgeladene
- Big Brother Video: Überwachung Thun
- Big Brother: Bundesrats-Wächter; zuviele Infosammlungen; Schnüffel-ZH
- Big Brother Web: Provider-Kosten; Google
- Bleiberecht: Härtefälle ZH; Ausschaffung BE
- Pnos LU: Einstellung Verfahren
- Pnos BS/BL: Verurteilung
- Anti-Atom: Missbildungsdebatte

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REITSCHULE
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Do 22.07.10
22.00 Uhr - SLP - CIVET (USA) Rock'n'Roll, Support: Snakebone (CH) - Punkrock

Mi 28.07.10
22.00 Uhr - Vorplatz - SLP-Offene Bühne

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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RANDSTAND BIEL
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BZ 22.7.10

Biel

 Reduzierter Betrieb im Alkitreff

 Neue Probleme im Alkitreff: Zwei Aufsichtspersonen sind kurzfristig ausgestiegen. Übrig geblieben ist nur Jim Klossner.

 Neue Probleme im Alkitreff: Zwei von drei Aufsichtspersonen sind kurzfristig ausgestiegen. Übrig geblieben ist nur Jim Klossner, und der ist überfordert. An der gestrigen Sitzung versuchte Klossner David Gilbert, dem Leiter des Bieler Sozialamts, Ueli Weber von der Fachstelle Arbeitsintegration und Olivier Jost von der Gad-Stiftung klarzumachen, dass es nicht rentiere, den Treff für "zwei, drei Personen" den ganzen Tag bis spätabends offen zu halten. Zudem sei er ja jetzt alleine als Verantwortlicher, und verletzt sei er eigentlich auch noch. Die Leute vom Sozialamt liessen zum Ausdruck kommen, dass sie den Treff lieber geöffnet halten möchten. Erst nach längerem Hin und Her einigte man sich auf einen vorübergehend reduzierten Betrieb mit Öffnungszeiten von 16 bis 22 Uhr.
 bj/bt

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ANTIREP KNAST-DEMO FRIBOURG
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Indymedia 21.7.10

Vorladungen nach Demo in Fribourg vom 12.06.10

AutorIn : Antirep Bern         

In den letzten Tagen sind bei verschiedenen Personen Vorladungen der Kriminapolizei des Kantons Freiburg eingetroffen. In diesen wurden die Angeschriebenen aufgefordert sich zwecks erkennungsdienstlicher Behandlung auf dem Polizeiposten am Place -Notre-Dame einzufinden.
    
Da sich die Polizei bei diesen Vorladungen auf die Strafprozessordnung stützt sind sie grundsätzlich verpflichtend. Bei Nichterscheinen hat die Polizei das Recht die Betroffenen Vorzuführen oder zu büssen.

Was ist also zu tun?

Ob der Vorladung Folge geleistet wird oder nicht, ist grundsätzlich die persönliche Entscheidung jedes / jeder Betroffenen selbst. In die Entscheidung ist aber miteinzubeziehen, dass es im Falle der Nichtbefolgung möglich ist vorgeführt und evtl. auch gebüsst zu werden.


Rechtliche Grundlage(n)

Berechtigung zur Anordnung:
Grundsätzlich ist die Polizei berechtigt bei Personen, die eines Vergehens oder Verbrechens beschuldigt oder verdächtigt werden, die erkennungsdienstliche Behandlung anzuordnen. Es besteht jedoch die Möglichkeit sich erkennungsdienstlicher Massnahmen zu widersetzen. Hierbei ist zwischen Fotos / Fingerabdrücken und DNA-Entnahme zu unterscheiden.

Fotos und Fingerabdrücke:
Nach Art. 33 II Kantonspolizei-Gesetz des Kantons Freiburg wird der Entscheid von einem Polizeioffizier getroffen, wenn sich eine Person diesen Massnahmen widersetzt.

DNA-Entnahme:
Nach Art. 7 II DNA- Profilgesetz ist bei Einspruch gegen die Entnahme von DNA, der Entscheid von einem Untersuchungsrichter / einer Untersuchungsrichterin zu bestätigen. Die Polizei ist verpflichtet, Betroffene über dieses Recht aufzuklären.

Verhalten grundsätzlich:
Die Befugnis erkennungsdienstliche Massnahmen anzuordnen, beschränkt sich aber immer auf die Fälle, in denen der Verdacht besteht, dass ein Vergehen oder ein Verbrechen begangen wurde. Einfache Übertretungen genügen nicht.

Verbrechen:
Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als 3 Jahren bedroht sind (Art. 10 II StGB).

Vergehen:
Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bedroht sind (Art. 10 III StGB).

Übertretungen:
Taten, die mit Busse bedroht sind (Art. 103 StGB).


Wer sich entscheidet hinzugehen sollte folgendes beachten:

Fragt unbedingt, was genau euch vorgeworfen wird! Die blosse Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration ist eine einfache Übertretung, welche die Anordnung erkennungsdienstlicher Massnhamen nicht einfach so rechtfertigt. Bei Landfriedensbruch z.B. handelt es sich jedoch um ein Vergehen. Grundsätzlich sollte also, wenn bloss eine Übertretung vorgeworfen wird, die erkennungsdienstliche Behandlung verweigert werden. In diesem Fall läuft mensch jedoch Gefahr, dass die Anschuldigung "angepasst" und entsprechend verschärft wird, damit eine erkennungsdienstliche Behandlung gerechtfertigt werden kann. Selbst wenn dies geschehen sollte, wisst ihr jedoch wenigstens was euch vorgeworfen wird.

Verhalten bei Fotos und Fingerabdrücken:
Die Vorladungen der Kantonspolizei sind mit der Abkürzung Insp. für Inspektor unterschrieben. Wie bereits gesagt, ist gem. Art. 33 II des PolG bei Widersetzen der Entscheid von einem Polizeioffizier zu treffen. Es macht deshalb auf jeden Fall Sinn auf einen Entscheid eines Polizeioffizieres zu beharren (am besten in schriftlicher Form, wobei es möglich ist, dass sie dies verweigern - in diesem Fall unbedingt den Namen merken). Unklar ist uns zur Zeit jedoch welchen polizeinternen Rang ein/e Polizist_in haben muss, damit er/sie diese Kompetenz hat (falls jemensch dazu Informationen hat, bitte uns zukommen lassen - am besten mit Quelle).

Verhalten bei DNA- Entnahme:
Soll DNA entnommen werden, ist auf alle Fälle Einspruch einzulegen und so ein Entscheid des Untersuchtungsrichters / der Untersuchungsrichterin zu erzwingen (falls sich mensch danach immer noch weigert kann die Polizei jedoch Gewalt anwenden).

Aussageverweigerung:
Sollen neben der erkennungsdienstlichen Behandlung auch noch weitere Einvernahmen durchgeführt werden, empfehlen wir strikte Aussageverweigerung! Sollte es tatsächlich zu einer Anklageerhebung oder so kommen, bleibt genügend Zeit falls nötig Aussagen vor dem Untersuchungsrichter / der Untersuchungsrichterin zu machen. Rede nicht mit der Polizei! Auch die "harmlosesten" Aussagen, können dich oder andere in Schwierigkeiten bringen! Dies gilt auch für den Fall, dass bereits bei der Verhaftung Aussagen gemacht wurden.

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BIG BROTHER VIDEO
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20 Minuten 22.7.10

Kameras sollen für Ruhe sorgen

 THUN. Die Stadt Thun macht vorwärts bei der Umsetzung des im März vorgestellten Sicherheitspakets: Nachdem sie bereits die Polizeipräsenz an den Wochenenden erhöht hat, soll Ende September die Videoüberwachung folgen. Geplant ist diese in der Unteren Hauptgasse bei der Kraftstoffbar, in der Oberen Hauptgasse im Bereich Borsalino/Saint Trop, beim Coop Kyburg, vor der Abdankungshalle Schorenfriedhof und beim Spielplatz im Stauffergässchen. Die Kosten pro Standort liegen bei 25 000 Franken.

 Das Gesuch wird demnächst beim Kanton eingereicht. In Bern ist der Entscheid des Stadtrats betreffend Videoüberwachung des Fanwalks beim Stade de Suisse (20 Minuten berichtete) noch offen. fw

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BIG BROTHER
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NZZ 22.7.10

Ein wachsames Auge auf den Bundesrat

 Claude Janiak untersucht Affären

 nyf. ⋅ Der Baselbieter Ständerat Claude Janiak wacht als Präsident der ständerätlichen Geschäftsprüfungskommission (GPK) über die bundesrätliche Arbeit und kontrolliert als Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) die Nachrichtendienste und den Staatsschutz. Immer dann, wenn im Bundesrat eine Affäre ruchbar wird, liegt es an Janiaks Kommission, den Sachverhalt zu klären. Kürzlich enthüllte die GPDel den Skandal um die Fichen des früheren Inlandgeheimdienstes, der zu viele Daten ohne Staatsschutzrelevanz gesammelt hatte. Rainer J. Schweizer, Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, fordert nun eine Teilrevision des Staatsschutzgesetzes.

 Schweiz, Seite 11

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Der oberste Wächter über den Bundesrat

 Als GPK- und GPDel-Präsident kontrolliert Ständerat Claude Janiak die Exekutive und untersucht Unregelmässigkeiten und Skandale

 Bei Affären im Bundesrat wird rasch der Ruf nach parlamentarischer Aufsicht und Aufarbeitung laut. Jüngst enthüllte auch Claude Janiaks GPDel medienwirksam einen "Fichenskandal".

 Niklaus Nuspliger

 Was ist ein Skandal? Die Frage geht an den Baselbieter SP-Ständerat Claude Janiak. Janiak sitzt im Garten seines Hauses in Binningen an der Basler Stadtgrenze und überlegt. Seit seiner Wahl ins Parlament 1999 prägt er die parlamentarische Oberaufsicht über Exekutive und Verwaltung mit und wacht über Recht- und Zweckmässigkeit der bundesrätlichen Arbeit: Janiak präsidiert die ständerätliche Geschäftsprüfungskommission (GPK) und die mit der Kontrolle von Nachrichtendiensten und Staatsschutz betraute Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), die aus je drei GPK-Mitgliedern beider Räte besteht. "Werden systematisch und offensichtlich Gesetze verletzt oder Fehler vertuscht, dann hat das den Charakter eines Skandals", so Janiaks Antwort. "Aber man neigt heute dazu, aus allem eine Staatsaffäre zu machen."

 Medienwirksame Enthüllung

 Die Skandalisierung der Politik rückt die Oberaufsicht vermehrt in den öffentlichen Fokus. "Parlamentarier schreien jeden Sonntag nach der GPK", klagt Janiak. Doch auch die Geschäftsprüfer haben mehr Geltungsdrang und Durchsetzungskraft als vor einigen Jahren, als die Fraktionen vorab Neulinge in die GPK entsandten. Nun sind erfahrenere Kräfte dabei, die sich die Untersuchung der "UBS-Affäre" nicht durch eine parlamentarische Untersuchungskommission aus der Hand nehmen liessen.

 Vor drei Wochen war es die GPDel, die unter Janiaks Leitung medienwirksam eine Affäre enthüllte: Der frühere Inlandgeheimdienst DAP (Dienst für Analyse und Prävention) hat zu viele irrelevante Daten gesammelt und diese nicht periodisch überprüft. Ein Skandal, Herr Janiak? "Ja. Erstens, weil das Gesetz missachtet und Kontrollen vorgetäuscht wurden, und zweitens, weil die Datenflut die Wirksamkeit des Staatsschutzes in Frage stellt." Im DAP habe trotz gesetzlichen Schranken "ein Geist des Schnüffelns" geherrscht, auch wenn anders als 1989 nicht gezielt linke Bürger bespitzelt worden seien.

 Den Vorwurf, die GPDel habe den Sachverhalt mit Parallelen zum damaligen Fichenskandal aufgebauscht, weist Janiak zurück. "Ich bin persönlich stark für das Thema sensibilisiert", räumt er zwar ein. Doch die Kritik an der mangelhaften Aufsicht von alt Bundesrat Christoph Blocher sei nicht parteipolitisch gefärbt. Wie zum Beweis lobt Janiak SVP-Bundesrat Ueli Maurer: "Die Inspektion der VBS-Aufsicht hat die Erstellung unseres Berichts erst ermöglicht." Doch warum benannte die GPDel, die als Folge des "Fichenskandals" geschaffen wurde, die Probleme mit dem seit 1994 betriebenen Staatsschutz-Informationssystem (ISIS) nicht früher? "Wir begleiten nicht alle Geschäfte direkt, sondern üben die Oberaufsicht über die verwaltungsinterne Aufsicht aus." Zudem sei der GPDel stets versichert worden, der Datenberg werde bald abgetragen.

 Für Schlagzeilen und Zwist im Bundesrat sorgt auch die "Libyen-Affäre" um die unter Führung des Aussendepartements (EDA) geplante militärische Geiselbefreiung. Die GPDel weiss, was vorgefallen ist - sie hat Abklärungen für die zuständige GPK-Subkommission getroffen, deren Untersuchung Janiak nicht vorgreifen will. Seine Kritik an Bundespräsidentin Doris Leuthard relativiert er: Nicht der von ihr gebrauchte Begriff "Einsatzbefehl" sei problematisch, sondern dass sich der Bundesrat zu Operativem geäussert habe. Angesprochen auf Verfehlungen des EDA, unterstreicht Janiak die Bedeutung der massgebenden Verordnung: "Wenn ein Vertreter der Nachrichtendienste in Tripolis weilt, muss der Gesamtbundesrat nicht informiert werden. Wenn aber eine Operation ernsthaft in Erwägung gezogen wird, schon." Ist dieser Rechtsbruch ein Skandal? "Der Skandal ist, dass der Bund nicht fähig ist, solche Vorkommnisse geheim zu halten."

 Für die GPDel ist Diskretion Pflicht: Dafür kann ihr der Bundesrat keine Geheimhaltungsinteressen entgegenhalten, sie kann Zeugen vorladen und hat Einblick in sämtliche Akten. Technische Sicherungen, nichtöffentliche Sitzungsdaten und die Aufbewahrung der nur als Unikate vorhandenen Protokolle in einem Safe sorgen für Vertraulichkeit.

 In der Regel entscheidet die GPDel, was sie untersuchen will. Da der Gegenstand ihrer Inspektionen geheim ist, entzieht sie sich jeglicher Kontrolle. Staatspolitisch ist die Übertragung parlamentarischer Aufgaben an Delegationen insofern heikel. Janiak hat daher als Präsident eine offensivere Informationspolitik eingeleitet. Für die Kommunikation ist er meistens alleine zuständig, was Janiak zusätzliches Gewicht verleiht.

 Parteipolitik im Hintergrund

 Die Gefahr der politischen Instrumentalisierung der Oberaufsicht, wie bei der GPK-Untersuchung im Fall Roschacher - Blocher, sieht Janiak für die GPDel nicht: Die aus Vertretern der Bundesratsparteien und der Grünen bestehende Delegation beschliesst ihre Berichte einvernehmlich. "Anders als in einer Legislativkommission ist die Parteipolitik im Hintergrund", sagt Janiak, "sonst verlören wir unsere Glaubwürdigkeit."

 Dass ein Rollenwechsel vom obersten Wächter über die Exekutive hin zum Bundesrat reizvoll wäre, streitet der pragmatische Konsenspolitiker Janiak nicht ab. Die Aufarbeitung eines Fichenskandals war schon für Moritz Leuenberger Sprungbrett in den Bundesrat, und die SP schliesst für seine Nachfolge Männer nicht aus. Doch der 61-Jährige hält sich zurück: Das Bundesratsamt sei aufreibend, es dränge sich nun eine jüngere Kandidatur auf. "Wenn immer möglich", schiebt Janiak lächelnd nach.

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Unnötige und fragwürdige Datenbearbeitungen

 Das Staatsschutzgesetz muss überprüft und partiell revidiert werden. Von Rainer J. Schweizer

Rainer Schweizer

 Es werden in der Schweiz zu viele Informationen ohne Staatsschutzrelevanz gesammelt, und die Qualität der Daten bleibt zu oft ungeprüft.

 Der schweizerische Staatsschutz hat sich in den spannungsreichen dreissiger Jahren entwickelt und wurde 1950 durch ein Paket von Strafbestimmungen abgesichert. Die Tätigkeit des Inlandnachrichtendienstes fand aber erst 1997 durch das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) eine klare gesetzliche Regelung. Charakteristisch am Staats- oder Verfassungsschutz ist, dass er bestimmte Gefährdungen präventiv im Voraus erfassen will, auch wenn noch nicht einmal ein Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt.

 Erhebliche Mängel

 Das BWIS von 1997 hat sich bewusst auf bestimmte strafrechtlich verpönte Aktivitäten ausgerichtet, auf Terrorismus, verbotenen Nachrichtendienst, gewalttätigen Extremismus, verbotene Proliferation von Waffen und riskante Technologien. Angefügt wurden der über den Staatsschutz hinausreichende Kampf gegen organisierte Kriminalität sowie - völlig unpassend - vor der Euro 08 die Datenbearbeitung zum Hooliganismus, die eine Sache der Ordnungspolizei ist. Als Letztes wurde 2009 der verantwortliche Dienst für Analyse und Prävention (DAP) aus dem Bundesamt für Polizei (EJPD) ins Generalsekretariat des VBS übergeführt und mit dem auf die Sicherheit nach aussen gerichteten Strategischen Nachrichtendienst zusammengelegt. Der Staatsschutzdienst hat in der Vergangenheit sicherlich einige anerkennenswerte Leistungen vollbracht, etwa in der Abwehr des Rechtsextremismus oder in der Pflege der Beziehungen zu ausländischen Nachrichtendiensten. Schon seit Jahren aber haben die Kontrollorgane, welche das BWIS eingerichtet hat, namentlich der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) und das frühere Datenschutzgericht, dessen Aufgaben seit 2007 das Bundesverwaltungsgericht wahrnimmt, erhebliche Mängel beim DAP festgestellt, z. B. die weitere Verwendung von durch Gerichte zur Vernichtung bestimmten Akten oder das Unterlassen der gesetzlich geforderten nachträglichen Information der betroffenen Personen.

 Nun hat die Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte eine umfassende Übersicht über die Fehler und Auswüchse der präventivpolizeilichen Datenbearbeitungen durch den früheren DAP vorgelegt. Offensichtlich wurden zu viele Informationen ohne Staatsschutzrelevanz gesammelt, namentlich über Drittpersonen, dann wurde die Qualität der Daten oft gar nicht geprüft und die Rechtmässigkeit der Bearbeitung kaum diskutiert. Entsprechend hat das VBS jetzt angeordnet, dass ab sofort nur auf die gesetzlichen Ziele beschränkte Informationstätigkeiten durchgeführt werden dürfen.

 Doch offensichtlich gibt es konzeptionelle und strukturelle Probleme. Das Konzept sowie wichtige Einzelregulierungen des BWIS müssen überprüft und mindestens teilweise revidiert werden. Dabei ist auch das vom EJPD geplante (allerdings verfassungsrechtlich nicht fundierte) Polizeiaufgabengesetz des Bundes mit einzubeziehen. Im Rahmen der jüngsten Neuorganisation der Nachrichtendienste hat der Bund für den Auslandsnachrichtendienst wesentliche Rechtserneuerungen vorgenommen. Dasselbe muss jetzt beim "internen" Staatsschutz geschehen.

 Die Reformpunkte

 Die hauptsächlichen Reformpunkte sind folgende: Erstens: Die bisherigen Kontrollen durch den EDÖB, das Bundesverwaltungsgericht und die Geschäftsprüfungsdelegation blieben punktuell und waren kaum effektiv. Das lag schon an den Kontrollmodalitäten, wonach die Kontrolleure keinen eigenen Zugriff auf die Datenbanken hatten, sondern nur in verschlossenen Räumen die ihnen ausgedruckten Daten einsehen konnten. Was es heute braucht, ist eine fachkundige, unabhängige Kontrollinstanz, die eine Stellung und Befugnisse hat wie die Finanzkontrolle beim öffentlichen Haushalt. Von der Sachkompetenz wäre der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte dazu prädestiniert; seine Prüfkompetenzen und seine personellen Mittel reichen aber heute nicht aus.

 Zweitens: Die Rechtsstellung der betroffenen Personen ist gleich null. Sie hatten zuerst gar kein Recht und jetzt nur nach dem Ermessen des EDÖB ein Recht auf Auskunft über allfällig über sie gespeicherte Daten, und ihr Beschwerderecht vor dem Bundesverwaltungsgericht ist wirkungslos, weil sie auch mit einer Beschwerde die Daten nicht korrigieren oder löschen lassen können. Eine nachträgliche Information über die Speicherung nach Wegfall der Gefährdung findet praktisch nicht statt. Es ist heute unbestritten, dass dies weder den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention genügt noch der Qualität der Datenbearbeitung dient. Entsprechend hat man beim Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme von 2008 wieder auf die allgemeine Regel des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Auskunft mit Möglichkeiten der fallweisen Einschränkung zurückgegriffen.

 Drittens: Bei der Schaffung des BWIS wurde bewusst eine strikte Trennwand zwischen dem Staatsschutzorgan des Bundes und den übrigen Polizeiorganen des Bundes und der Kantone gezogen. Der Staatsschutz sollte sogar ein eigenes Bundesamt bilden. Die präventiv auf Vermutungen hin erhobenen Daten über mögliche Gefahren und deren vermutete Urheber entsprechen in ihrer Massgeblichkeit und Richtigkeit nie den Anforderungen an die Datenbearbeitung der Polizei oder von Personalämtern. Und sie werden nicht systematisch durch Staatsanwaltschaft und Gericht überprüft. Diese informationelle Gewaltenteilung wurde leider aufgehoben, und seit 2008 haben die Bundeskriminalpolizei und kantonale Stellen sogar einen Online-Zugriff auf die Staatsschutzdaten. Die Frage ist, ob der Staatsschutz nicht ausschliesslich in der Verantwortung des Spezialdienstes des Bundes bleiben sollte.

 Der entscheidende Punkt der Überprüfung ist aber viertens, dass man die Frage stellt und beurteilt, für welche Delikte es diese Art der geheimen Informationsbeschaffung und -auswertung heute (noch) braucht. Seit 1997 wurden bei einer ganzen Reihe von Delikten schon die Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt, z. B. bei der Finanzierung des Terrorismus oder beim verbotenen Umgang mit Kernenergie, mit radioaktiven Stoffen sowie ionisierenden Strahlen. Damit kann schon die Kriminalpolizei von Bund und Kantonen die Bedrohungsabwehr verbessern. Zudem hat die ordentliche Polizei heute einen viel dichteren und besseren grenzüberschreitenden Informationsaustausch, namentlich dank Europol und Schengen.

 Ziele und Mittel

 Gerade für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität, die fast immer mit dem Terrorismus zusammenhängt, sind die Methoden des Staatsschutzes nur begrenzt adäquat und braucht umgekehrt die Kriminalpolizei auch geheime Datenbeschaffungsmittel. Die Frage lautet somit heute: Worauf sollen sich die präventiven, geheimen Beobachtungen des Staatsschutzes heute richten, und welche Methoden und Mittel sind für solche Beobachtungen sinnvoll und nötig? Das geltende Bundesgesetz hat, was man 1997 nicht erwartet hatte, zu viel unnötige und rechtens fragwürdige Datenbearbeitungen produzieren lassen, als dass es so noch weitergeführt werden könnte.

 Rainer J. Schweizer ist em. Professor für öffentliches Recht einschliesslich Europarecht und Völkerrecht an der Universität St. Gallen. Er führte unter anderem die Administrativuntersuchung zu den Beziehungen des Nachrichtendienstes mit Südafrika.

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Tagesanzeiger 22.7.10

So hilft die Zürcher Stadtpolizei dem Bund beim Schnüffeln

 Eine siebenköpfige Gruppe ist der verlängerte Arm des Staatsschutzes in Zürich. Jetzt gibt der grüne Polizeivorsteher Daniel Leupi Einblick in deren Arbeit - und sagt, warum ein Parteikollege fichiert wurde.

 Von Patrick Kühnis

 Zürich - Es war am 2. April 2005, als in Zürich ein paar Dutzend Demonstranten gegen die israelische Palästina-Politik protestierten. Sie zogen durch die Innenstadt zur Bäckeranlage, wo Pfarrer Ernst Sieber und Nationalrat Daniel Vischer als Redner auftraten. Die bewilligte Kundgebung ging friedlich über die Bühne. Die breite Öffentlichkeit nahm kaum Notiz davon. Denn am gleichen Tag starb Papst Johannes Paul II.

 Für den Zürcher Gemeinderat Balthasar Glättli (Grüne) hatte der fast vergessene Anlass gleichwohl ein Nachspiel. Er erfuhr Jahre später, dass er deswegen ins Visier des Staatsschutzes geraten war: Als Gesuchsteller der Palästina-Demonstration wurde er in der Isis-Datenbank fichiert. Der Inlandgeheimdienst hat dort die Daten von gut 200 000 Personen gesammelt, obwohl sie zu einem guten Teil gar nicht sicherheitsrelevant sind - was die parlamentarische Aufsicht nach einer Untersuchung als illegale Schnüffelei taxiert hat (TA vom 1. Juli).

 Nicht Glättli auf dem Radar

 Warum er überhaupt fichiert wurde und wie sein Zürcher Demogesuch zum Geheimdienst gelangte, wusste Glättli lange Zeit nicht. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte eröffnete ihm zwar 2008, dass er wegen der Demo registriert ist, bei der "an verschiedenen Orten Plakate mit dem Aufruf, am 1. Mai 2005 in Zürich auf die Strasse zu gehen, angebracht wurden". Volle Akteneinsicht bekam er aber nie. Und sein Eintrag soll inzwischen gelöscht sein.

 Licht ins Dunkel bringt jetzt ausgerechnet ein Parteikollege Glättlis, der neue grüne Zürcher Polizeivorsteher Daniel Leupi. Glättli sei gar nicht in der Datenbank gelandet, weil er um die Bewilligung für eine politische Kundgebung ersuchte, sagt er. "Fichiert wurde er, weil an der Demonstration eine Organisation teilnahm, die auf der Beobachtungsliste des Bundes stand."

 Als Veranstalter trat damals eine Gruppe namens "Recht für alle" auf, ein Zusammenschluss von Palästinensern in der Schweiz. Ob die Staatsschützer diesen oder die autonomen Plakatkleber als Gefahr für die innere oder äussere Sicherheit eingestuft haben, kann die Stadt nicht sagen. Die Zürcher Polizei leiste nur die gesetzliche Amts- und Vollzugshilfe für den Bund. "Die Stadtpolizei bespitzelt keine gewählten Zürcher Parlamentarier", betont Leupi. Dass sie Glättlis Personendaten nach Bern geschickt habe, bezeichnet der Politiker rückblickend als "Grenzfall", der im "Ermessensspielraum der Polizeifachleute" lag. "Die Weitergabe würde heute wohl mit erhöhter Sensibilität geprüft."

 Das mache die Sache nicht besser, findet Glättli. "Im Gegenteil: Das Beispiel zeigt, dass im Schleppnetz der Fahnder zahllose Informationen landen, die für die Sicherheit des Landes gar nicht von Bedeutung sind." Er fordert die Stadt auf, ihre Staatsschutztätigkeit einzustellen, bis der neue Fichenskandal aufgearbeitet ist. Leupi dagegen sieht keinen Handlungsbedarf im eigenen Departement: "Ich gehe davon aus, dass der Bund die Probleme löst, indem er die Qualität künftig gesammelter Daten gewährleistet - inklusive deren Löschung nach der vorgeschriebenen Frist."

 Innerhalb der Stadtpolizei arbeiten sieben Leute für den Nachrichtendienst des Bundes. Sie überwachen gezielt Personen, Organisationen und Gebäude und sammeln Informationen über mögliche Extremisten oder Terroristen (siehe Kasten). Heikel ist laut Leupi vor allem der zweite Auftrag - "weil die Anforderungen des Bundes über die zu liefernden Daten offen formuliert sind".

 Stadt lieferte 20 Dossiers ab

 Die Stadtpolizei sei deshalb sehr zurückhaltend. So würden "in der Regel" ausser von Straftätern keine Personendaten mehr nach Bern geschickt. Im Jahr 2009 sollen es nur "rund 20 Meldungen" gewesen sein. Eine genaue Statistik gibt es allerdings auf Leupis Betreiben erst seit Anfang 2010. Auch führt die Stadt - im Gegensatz zu den Kantonen Genf oder Bern - keine eigenen Datenbanken.

 Umstritten ist, wer die Staatsschützer der Stadtpolizei beaufsichtigt. Leupis Departement sagt zwar, dass die Polizei dem Datenschutzbeauftragten Marcel Studer Auskunft über die Fachgruppe gewähre. In der Praxis aber weiss Studer genauso wenig darüber wie seine Kollegen in den Kantonen, die vom Bund endlich Akteneinsicht wollen. "Ich habe noch nie eine Fiche gesehen." Einblick in die Arbeit der Staatsschützer habe ihm das Polizeikommando erst kürzlich angeboten. "Wir müssen aber erst einmal abklären, was da überhaupt für Informationen gesammelt werden."

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 Staatsschützer der Stadtpolizei

 Die Krawalle sahen sie nicht kommen

 Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) kann auf einen gut dotierten Ableger zurückgreifen, wenn er Informationen aus Zürich braucht. Sieben Spezialisten umfasst die Fachgruppe "Extremismus/Personen- und Objektschutz" der Stadtpolizei, die Staatsschutzaufgaben erledigt. Für deren Bewältigung finanziert der Bund insgesamt 500 Stellenprozente. Daneben unterhält die Kantonspolizei Zürich einen eigenen "Dienst für ideologisch motivierte Delikte" mit sechs Leuten, deren Lohn ebenfalls grösstenteils der Bund bezahlt.

 Die sieben Staatsschützer der Stadtpolizei liefern die Daten mutmasslicher Links- oder Rechtsradikaler oder Terroristen nach Bern. Aktiv werden sie zudem, wenn es in der Stadt Personen und Liegenschaften zu schützen gilt - oder die Extremisten bereits zugeschlagen haben. So rapportieren sie, wenn (Farb-)Anschläge mit politischem Hintergrund verübt wurden. Und sie erstatten Meldung, wenn in Zürich eine unbewilligte oder gewalttätige Kundgebung stattgefunden hat. Der NDB interessiert sich für die Zahl der Demonstranten, den Inhalt der Kundgebung, Sachschäden und alle weiteren Erkenntnisse. Wer in Zürich einen politischen Anlass organisieren will, steht mit denselben Leuten in Kontakt: Die Fachgruppe ist innerhalb der Stapo auch für die Lagebeurteilung vor Kundgebungen und anderen Grossereignissen zuständig. Zudem ist sie die polizeiliche Ansprechpartnerin für alle diplomatischen Vertretungen in Zürich.

 Obwohl sie die Extremisten überwacht, wird die Fachgruppe Extremismus bisweilen überrumpelt. Die Ausschreitungen nach der "Reclaim the Streets"-Kundgebung im Februar etwa hat sie nicht vorhergesehen. "Mit den geltenden Bestimmungen des Staatsschutzes ist es der Polizei ohne konkreten Verdacht nur möglich, die öffentlich verfügbaren Informationen auszuwerten", sagte danach Polizeivorsteherin Esther Maurer (SP) in einem Interview. Das sei nach bestem Wissen und Gewissen gemacht worden. "Dabei ist man leider auf keine Hinweise auf eine gewalttätige Veranstaltung gestossen." (pak)

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BIG BROTHER WEB
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Oltner Tagblatt/Aargauer Zeitung 22.7.10

Bund bittet zur Kasse

Datenschutz Provider sollen selber zahlen

 Der Bund will die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs neu regeln. Künftig sollen die Provider den Datenverkehr selber überwachen und dafür bezahlen. Bislang kostete dies den Bund 9 Mio. Franken pro Jahr. Die Branche befürchtet Ertragseinbussen und kämpft gegen die Gesetzesrevision. (mil) Seite 11

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Internet-Anbieter laufen Sturm

 Bund will Kosten zur Überwachung des Datenverkehrs auf die Provider abwälzen

 Sven Millischer

 Nächsten Monat läuft die Vernehmlassungsfrist zur Gesetzesrevision aus, welche die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs regelt. Darin sieht der Bundesrat vor, dass künftig die Internet-Provider vollumfänglich für die Kosten zur Überwachung des Datenverkehrs aufkommen müssen. Diese belaufen sich in den letzten Jahren im Durchschnitt auf jährlich rund 9 Millionen Franken.

 Bislang müssen die Anbieter relevante Daten wie IP-Adressen bloss aufbewahren, und zwar sechs Monate lang. Im Verdachtsfall und auf Antrag der Strafverfolgungsbehörden hin schreitet das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) schliesslich ein und führt die eigentliche Echtzeit-Überwachung des Datenverkehrs durch. Und zwar, indem sie beim Internet-Provider eine Blackbox zur Datenaufzeichnung installiert. Künftig nun sollen die Anbieter diese Überwachung selber vornehmen. Damit stehen den Internet-Providern happige Investitionen ins Haus, die insbesondre kleinere Anbieter schmerzen.

 Alexis Caceda ist Geschäftsführer bei Netstream, einem KMU mit 40 Angestellten. Er rechnet mit zusätzlichen Kosten von mehreren hunderttausend Franken. "Alleine die Blackbox kostet uns 100000 Franken", sagt Caceda. Hinzu komme der Personalaufwand: "Da werden voraussichtlich zwei bis drei Angestellte mehrere Monate mit dem Aufbau einer solchen Schnittstelle beschäftigt sein."

 Und dies vor dem Hintergrund, dass die Blackbox die meiste Zeit wohl einfach ins Leere laufen würde. Das EJPD habe bei Netstream bisher noch nie eine solche Echtzeit-Überwachung angeordnet, sagt Caceda. "Eine eigene "Abhöranlage" im Haus macht deshalb für kleinere Anbieter schlicht keinen Sinn."

 Kampf gegen Gesetzesrevision

 Auch FDP-Nationalrat Ruedi Noser, der den Branchenverband ICT Switzerland präsidiert, ist gegen die Gesetzesrevision: "Wer die Überwachung anordnet, der soll auch dafür zahlen." Die Aufgabe der Internet-Provider sei es lediglich, die technischen Schnittstellen zur Verfügung zu stellen. Auch bemängelt Noser, dass nach wie vor die Spezifikationen fehlen würden, was die Provider künftig denn zu überwachen hätten: "Wir müssen hier klar eingrenzen, welche Verbindungsdaten zu speichern sind."

 Gleichzeitig sieht Branchenvertreter Noser die Verwaltung in einer fragwürdigen Doppelrolle: "Jene, welche die Spezifikationen zur Überwachung erlassen, ordnen diese gleichzeitig an." Der FDP-Nationalrat wird die Gesetzesrevision deshalb im Parlament bekämpfen. Gegen die Vorlage spricht sich auch Franz Grüter, Chef beim IT-Dienstleister green.ch, aus. Das Internet sei mit dem öffentlichen Raum vergleichbar, und der werde schliesslich auch vom Staat überwacht. Zugleich sieht er technische Hürden: Mit einem Datenvolumen, das jährlich um 40 Prozent wächst, sei die Auswertung enorm aufwändig und teuer.

 Beim EJPD beruft man sich derweil auf die "Editionspflicht". Dass also beispielsweise Banken auch nicht vom Staat dafür entschädigt würden, dass sie bei einer Strafuntersuchung Kontodaten aushändigen. Auch müssten Provider ein Interesse daran haben, "dass über sie keine Straftaten begangen werden". Ein Interesse, das die Anbieter möglicherweise teuer zu stehen kommt.

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sf.tv 22.7.10

Google wegen Datensammelwut auch in den USA unter Druck

 Für Google wird es in den USA jetzt ernst: Insgesamt 38 Bundesstaaten haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen den Internetkonzern und seine Daten-Sammelwut vorzugehen.

sda/buet

 Die Gruppe hat sich um den Generalstaatsanwalt von Connecticut, Richard Blumenthal, versammelt. Er warb seit Wochen um Mitstreiter. Unter den Staaten, die Blumenthal am Mittwoch vorstellte, befinden sich New York, Mississippi, Oregon, Washington, Kansas oder Montana.

 Generalstaatsanwalt will mehr Kooperation

 Die Koalition will herausfinden, inwieweit Google mit der Aufzeichnung von ungesicherten WLAN-Verbindungen gegen Gesetze verstossen hat. Auch wollen sie sicherstellen, dass sich Derartiges nicht wiederholt.

 Der Generalstaatsanwalt wiederholte seine bereits vor einem Monat erhobenen Vorwürfe. Ihm geht die Kooperationsbereitschaft von Google nicht weit genug. "Ihre Auskünfte werfen weiterhin mehr Fragen auf als sie Antworten geben."

 Weltweiter Druck

 Der Konzern hatte bei seinem Street-View-Projekt nicht nur Strassenzüge fotografiert. Die mit Kameras ausgestatteten Autos fingen auch Daten aus unverschlüsselten Funknetzwerken auf und speicherten sie. Darunter können auch Passwörter von Webseiten sein oder Kreditkartennummern.

 Google muss sich weltweit wegen der Datensammelei verantworten. Auch in der Schweiz wurde der eidgenössische Datenschützer aktiv wegen ungenügend geschützter Privatsphäre bei Street-View-Aufnahmen.

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Zürichsee-Zeitung 22.7.10

Google Viele stehen der Idee einer allzu vernetzten und vermessenen Welt skeptisch gegenüber

Datenschutz und Öffentlichkeit

 Google bewegt sich im diffizilen Spannungsfeld zwischen Transparenz, Vernetzung und Datenschutz. Die Öffentlichkeit beäugt diesen Hochseilakt mit - vielleicht übermässigem - Misstrauen.

 Simon Wüthrich

 Google ist erfolgreich, und das wird zum Problem - für Google. Denn der Erfolg weckt Argwohn. Besorgte Nutzer raunen von der Datenkrake, Journalisten wittern schlagzeilenträchtige Skandale, Kartellbehörden und Datenschützer bringen sich in Stellung. Und Google? Fühlt sich falsch verstanden. Denn das Unternehmen verfolgt doch ein durchaus ehrenhaftes Ziel: "die auf der Welt vorhandenen Informationen zu organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar zu machen".

 Ungute Gefühle löst aber nicht allein aus, dass Google Informationen über das Internet und die Welt katalogisiert sowie zum Such- und Surfverhalten seiner Nutzer speichert und auswertet. Irritation löst auch aus, wie das Unternehmen dabei vorgeht.

 Privatsphäre vergessen

 In unguter Erinnerung wird Google-Nutzern jener Tag bleiben, als das Unternehmen seinen Twitter-Konkurrenten Buzz aufschaltete: Als der neue Service aufgeschaltet wurde, verknüpfte Google die Buzz-Konten seiner Gmail-User automatisch und ohne Nachfrage mit den Gmail- und GTalk-Kontakten, mit denen sich diese am häufigsten ausgetauscht hatten. Das Pikante daran: Diese Buzz-Verbindungen waren in den Nutzerprofilen standardmässig öffentlich sichtbar. Jeder konnte sehen, welche User miteinander in mehr oder weniger regem Austausch gestanden hatten. Google hatte Transparenz und Vernetzung erhöhen wollen und darob vergessen, dass dies die Privatsphäre seiner Benutzer empfindlich treffen konnte. Das Unternehmen gestand Fehler ein, reagierte schnell - nach drei Tagen war die kritisierte Funktion deaktiviert.

 Die Street-View-Autos

 Dann wurde publik, dass Google mit seinen Street-View-Autos nicht nur Strassen fotografiert, sondern auch W-LAN-Hotspots gescannt hatte. Mittels dieser Daten können Mobiltelefone auch ohne GPS ihren ungefähren Standort ermitteln. So kann ein User in Google Maps beispielsweise seinen Standort ermitteln. Dieses Verfahren ist im Prinzip seit Jahren Industriestandard. Das Problem: Google speicherte bei diesen Aufzeichnungen versehentlich Datenschnipsel, die möglicherweise Teile von E-Mails und Passwörtern enthielten - was genau gespeichert wurde, wird derzeit abgeklärt. Nicht, dass die Daten für Google von Wert wären: Aus solchen Datenfragmenten können kaum relevante Erkenntnisse gewonnen werden. Doch die Meinungen waren schnell gemacht: "Datenschutz ist für Google ein Fremdwort", polterte etwa ein Sprecher des deutschen Verbraucherschutzministeriums. Das Unternehmen gestand Fehler ein, reagierte schnell (es kontaktierte Datenschutzbehörden und gab eine unabhängige Untersuchung der Abläufe in Auftrag) und gelobte, künftig umsichtiger zu agieren.

 Diese beiden Pannen machen nicht nur deutlich, dass Google sich bisweilen ungeschickt bewegt im Spannungsfeld zwischen Transparenz, Vernetzung und Datenschutz. Sie zeigen auch, dass Google wenig Erfolg hat, seine Bemühungen um den Schutz der Privatsphäre ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen. Drei wichtige Initiativen zum Schutz der Privatsphäre, "Google Dashboard", "Privacy Center" und "Data Liberation Front", werden in der Schweiz kaum gegoogelt (Quelle: "Google Insights for Search").

 Privatheit und Verantwortlichkeit

 Im Gespräch mit der "Zürichsee-Zeitung" betont Peter Fleischer, seit 2005 Googles Global Privacy Counsel, die Diskussion um datenschutzrechtliche Aspekte der Informationstechnologie stehe generell noch ganz am Anfang. Für Google bedeute dies, dass der Suchmaschinenbetreiber auch weiterhin viel Energie in die Entwicklung neuer Tools investiere, um Transparenz zu erhöhen und Usern mehr Kontrollmöglichkeiten über ihre Daten zu geben.

 Internetnutzer müssen derweil realisieren, dass der Schutz der Privatsphäre ohne eigenes Zutun nicht zu gewährleisten ist. Wer Videos, Bilder, Tweets, Facebook-Statusmeldungen, Blogposts und Kommentare veröffentlicht, gibt unter Umständen nicht nur Teile seiner eigenen Privatheit preis, sondern kompromittiert manchmal auch die Privatsphäre anderer.

 Unter diesen Bedingungen lohnt es, die Tools zu studieren, die Google und Konkurrenten bereithalten, um Daten zu verwalten und zu schützen - vielleicht wird in Zukunft häufiger nach "Data Liberation Front", "Google Privacy Center" und "Google Dashboard" gegoogelt.

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 Instrumente für mehr Transparenz

 • Das Privacy Center ist quasi Googles Aufklärungsplattform. Dort hat das Unternehmen eine Reihe leicht verständlicher Artikel und Kurzfilme eingestellt, welche technische Basics erklären sowie Googles Umgang mit Daten verständlich darlegen und Möglichkeiten erläutern, die bei Google vorhandenen Daten zu verwalten oder zu löschen. (google.de/privacy)

 • Das iGoogle Dashboard richtet sich an jene Surfer, die einen Account bei Google eröffnet haben. Im Dashboard sind alle Google-Dienste aufgeführt, die ein Nutzer verwendet. Auch ist ersichtlich, welche Daten als privat eingestuft und welche öffentlich zugänglich sind. Über Links im Dashboard gelangen User direkt zu den Privatsphäreeinstellungen der Anwendungen. Dort kann er Daten löschen oder Dienste deaktivieren. (google.com/dashboard)

 • Wer nicht möchte, dass Google seinem Browser zu Werbezwecken Interessenkategorien zuordnet, kann mit einem einfachen Mausklick in seinem Browser ein Opt-out-Cookie installieren. Wer angepasste Werbung schätzt, kann überprüfen, welche Interessenkategorien Google seinem Browser zugeordnet hat und gegebenenfalls manuell Korrekturen anbringen, um Werbeanzeigen zu beeinflussen. (google.com/ads/preferences)

 • Seit 2007 ist ein Ingenieurteam damit betraut, für Google Services Lösungen zu entwickeln, die den User in die Lage versetzen, seine Daten in ein offenes Format zu konvertieren, von Googles Servern herunterzuladen und permanent zu entfernen. Google-Texte können beispielsweise in Word-Dokumente, PDFs oder reine Textdateien konvertiert, heruntergeladen und in andern Programmen weiterverwendet werden. Google ist der erste grosse Softwarekonzern, der diesen Weg wählt. Die meisten Konkurrenten versuchen, Kunden an sich zu binden, indem sie deren Daten in Formaten speichern, die von Konkurrenzprodukten nicht verwertet werden können. (dataliberation.org) (smw)

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BLEIBERECHT
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Tagesanzeiger 22.7.10

Kritik an Beurteilung von Härtefällen

Schuler Edgar

 Zürich - Die Flüchtlings- und Sans-Papiers-Organisationen, die sich für die Einführung einer Härtefallkommission starkgemacht hatten, sind jetzt mit dem Ergebnis unzufrieden. Freiplatzaktion, Sans-Papiers-Anlaufstelle und Solidaritätsnetz Zürich schreiben in einer Mitteilung, die Härtefallpraxis im Kanton Zürich sei nach der Einführung der Kommission nicht lockerer geworden, sondern habe sich sogar weiter verschärft. Die Organisationen beziehen sich auf Zahlen des ersten halben Jahres, in dem die Härtefallkommission tätig ist und die seit Mai bekannt sind: 31 Härtefallgesuche kamen vor die Kommission, nur zwei wurden gutgeheissen. Die Härtefallkommission habe sich nicht für gut integrierte abgewiesene Asylsuchende eingesetzt, folgern die Organisationen. Damit entstehe der Verdacht, dass es sich bei dem Gremium "bloss um ein politisches Feigenblatt" handle. Kommissionspräsident Harry Kalt (FDP) hatte schon bei Bekanntwerden der Zahlen versichert, das neunköpfige Gremium sei nicht politisch gesteuert. (ese)

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Limmattaler Tagblatt 22.7.10

Erneut Kritik an Asyl-Härtefallpraxis

 Kanton Zürich lege Ermessensspielraum zu restriktiv aus

 Matthias Scharrer

 Nachdem kritisiert worden war, der Kanton Zürich handhabe Asyl-Härtefälle zu restriktiv, rief dieser vor einem Jahr eine Härtefall-Kommission ins Leben. Gestern gaben die Freiplatzaktion, das Solidaritätsnetz und die Sans-Papiers-Anlaufstelle per Communiqué Einblick in konkrete Fälle, um zu belegen, dass der Kanton seine Praxis noch verschärft habe.

 So habe die Härtefall-Kommission das Gesuch eines Kongolesen abgelehnt, der unter einer posttraumatischen Störung mit erhöhter Selbstmordgefahr litt. Der Mann lebe seit Jahren mit seiner aufenthaltsberechtigten Partnerin und deren Kind hier und sei "einwandfrei integriert."

 Die Vertreter der SansPapiers-Bewegung kritisieren generell, die Härtefall-Kommission übernehme die zu restriktiven Kriterien des Migrationsamts bezüglich Deutschkenntnissen, Teilnahme am Erwerbsleben und Leumund. Der vom Bund gegebene Entscheidungsspielraum, bei dem etwa auch der Gesundheitszustand eine Rolle spiele, werde nicht ausgeschöpft. Wer im Kanton Waadt als Härtefall gälte, würde in Zürich abgewiesen. Die Härtefall-Kommission erweise sich als "politisches Feigenblatt".

 Gesamtbild beurteilen

 "Wir wussten von Anfang an, dass wir es niemandem recht machen können", entgegnet Harry Kalt, Präsident der Härtefall-Kommission. "Wenn wir viele Gesuche gutheissen, kritisieren uns die Rechtsbürgerlichen. Sind es wenige, kritisieren uns die Linken." Kalt verweist darauf, dass die Kommission bis Ende Mai immerhin 5 von 31 Gesuchen zur Annahme empfahl. Und nicht immer gleicher Meinung wie das Migrationsamt sei. Neue Zahlen würden Ende Jahr veröffentlicht. In jedem Fall gehe es darum, ein Gesamtbild zu beurteilen. Dass die Kommission strikt von allen gleich gute Sprachkenntnisse verlange, treffe nicht zu. "Berufliche Integration ist massgebend", so Kalt.

 Auch Regierungsrat Hans Hollenstein (CVP) bekommt im Communiqué sein Fett ab. Er lehnte zwei der von der Härtefallkommission zur Annahme empfohlenen Gesuche ab. Darunter jenes einer 25-jährigen Kongolesin, "die als Minderjährige in die Schweiz reiste, sehr aktiv am Erwerbsleben teilnahm, sozial bestens vernetzt ist, sich sprachlich sehr gut ausdrücken kann und im Kongo über kein tragfähiges soziales Netz mehr verfügt."

 Hollenstein liess gestern ausrichten, er wolle nicht über einzelne Fälle reden. Beim kantonalen Migrationsamt war zu erfahren, von einer Verschärfung der Zürcher Härtefall-Praxis könne nicht die Rede sein. Vielmehr habe das Migrationsamt in der ersten Jahreshälfte 2010 beim Bund die Annahme von 22 Härtefallgesuchen beantragt.

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Telebärn 21.7.10

Tschetschenische Flüchtlingsfamilie zerrissen

Von Telebärn

Die tschetschenische Flüchtlingsfamilie Asaev kommt nicht zur Ruhe. Nachdem die vier Kinder in die Schweiz geflohen waren, wurde der älteste Bruder nach Polen ausgeschafft. Die verbleibenden Geschwister sind hilflos.
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Tschetschenische-Fluechtlingsfamilie-zerrissen/story/29992072
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/zerrissene-familie/c=84713&s=980798

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augenauf.ch 2.7.10

Ausschaffung stürzt Familie ins Unglück

Am Morgen des 29. Juni 2010 wurde der 18-jährige Tschetschene Islam Asaev von der Kantonspolizei Bern von seinen Geschwistern getrennt und im Rahmen des Dublin-Abkommens nach Polen ausgeschafft. Angesichts der Hintergründe des Falles zeichnet sich dieses Vorgehen durch eine ausserordentliche Härte aus und hat fatale Auswirkungen für die betroffene Person und ihre Familie...
http://www.augenauf.ch/index.php?option=com_content&task=view&id=111&Itemid=30

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PNOS LU
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NLZ 22.7.10

Schlachtjahrzeit

 Verfahren gegen Pnos eingestellt

 lm/io. Der Untersuchungsrichter hat das Verfahren gegen die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) am 16. Juli wegen Schreckung der Bevölkerung eingestellt. Dies bestätigt Simon Kopp, Informationsbeauftragter der Strafuntersuchungsbehörden auf Anfrage. Der Tatbestand der Schreckung sei nicht erfüllt.

 Mit Sprengfallen gedroht

 Die Pnos hatte per Medienmitteilung mit Sprengfallen und Vergeltungsaktionen gegen Linksaktivisten im Rahmen der Sempacher Schlachtfeier gedroht. Die Privatklägerschaft, in diesem Fall die Juso Luzern, kann innerhalb von 10 Tagen Rekurs einlegen. Ob die Partei dies tut, wird laut David Roth, Vorstandsmitglied der Juso, noch geprüft.

 Drohung an Adresse der Eltern

 Roth selbst und seine Eltern haben ausserdem eine weitere Anzeige gegen unbekannt wegen Drohung eingereicht. "An die Adresse meiner Eltern wurde ein anonymer Drohbrief geschickt", sagt er. Die Botschaft: "Wir werden zuschlagen, und es wird empfindlich wehtun."

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PNOS BS/BL
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Basler Zeitung 22.7.10

Rechtsextremer klar verurteilt

 Ex-Pnos-Basel-Präsident verstösst gegen Antirassismusgesetz

 Holocaustleugner

Das Basler Strafgericht hat gestern den 22-jährigen Philippe Eglin wegen der Verbreitung rassendiskriminierender Aussagen auf dem Internet zu einer unbedingten Geldstrafe von fast 11 000 Franken verurteilt. Der einstige Präsident der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) beider Basel hatte vor gut einem Jahr einen Artikel aufgeschaltet, in dem das Tagebuch der Anne Frank und der Holocaust in Abrede gestellt werden. Seither war diese Seite, trotz laufendem Strafprozess, stets abrufbar - bis gestern Nachmittag. Die Drohung der Gerichtspräsidentin Liselotte Henz, die Strafbehörden würden "nicht müde, weitere Verfahren einzuleiten", wenn Eglin den Artikel nicht lösche, hat offenbar gefruchtet. Weil der Provider der Seite in den USA ist, hatten die Behörden bisher keine Handhabe, den Text entfernen zu lassen - "eine Sperrung ist wegen des Freedom of Speech nicht möglich", sagte Henz.

 Eglin machte bereits im November Schlagzeilen, als Novartis ihm seine Stelle als Logistikassistent wegen seiner öffentlichen rechtsextremistischen Auftritte kündigte.  spe  > Seite 25

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Holocaustleugner bleibt trotz Urteil uneinsichtig

 Philippe Eglin, der Ex-Pnos-Präsident beider Basel, wird zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt

Susanna Petrin

 Zu 90 Tagessätzen à 120 Franken (10 800 Franken), unbedingt verhängt, hat das Basler Strafgericht gestern den Rechtsextremen Philippe Eglin verurteilt - wegen Rassendiskriminierung. Diese Strafe übertrifft die Forderung der Staatsanwältin.

 Bubenhaft sieht Philippe Eglin aus. Kindliches Gesicht, linkischer Gang, schlanke Statur. Man mag kaum glauben, dass dieser 22-Jährige unter dem weissen Kurzarmhemd auf seinem Rücken das Wort "Eidgenosse" eintätowiert hat, wie ein Foto seines Facebook-Auftritts belegt.

 Doch dieser junge Mann ist ein umtriebiger, international vernetzter Rechtsextremer. Bis vor Kurzem war er Präsident der Pnos-Sektion Baselland und Basel-Stadt. Auf deren Webseite stellte er einen Text, der die Echtheit des Tagebuchs des jüdischen Mädchens Anne Frank sowie den Holocaust leugnet (die BaZ berichtete). Deshalb stand Eglin gestern Vormittag vor dem Basler Strafgericht; beschuldigt, gegen den Antirassismusartikel verstossen zu haben.

 Gibt Verantwortung zu

Im Gegensatz zur Voruntersuchung bejahte Eglin gestern die Frage, ob er den rassendiskriminierenden Artikel selbst verfasst habe. Genauer gesagt ist er aber derjenige, der ihn auf die Pnos-Webseite gestellt hat. Denn geschrieben hat Eglin den Text nicht selber, wie Staatsanwältin Eva Eichenberger klarstellte. Vielmehr stamme dieser von der Internetseite eines berüchtigten Revisionisten, der schon mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist.

 Das Verschulden des Angeklagten wiege schwer, betonte Eichenberger in ihrem Plädoyer. Eglin verleugne den Massenmord an Millionen von Menschen durch die Nationalsozialisten. Er verletze die Menschenwürde dieser Opfer und ihrer Angehörigen. Nicht zuletzt drehe er die Fakten um und stelle die Opfer als Lügner und damit als die Täter dar. Der Schlusssatz des Textes fasse seine Haltung zusammen: "Genauso wie andere Lügen über Deutschland in der Zeit von 1933-1945, ist auch das Tagebuch der Anne Frank eine geschichtliche Lüge."

 Als die Staatsanwältin vor dem Prozess auf die Pnos-Seite geschaut hatte, war der Text noch immer aufgeschaltet - wie schon seit über einem Jahr. Warum, wollte sie vom Angeklagten wissen. Dieser zuckte die Schultern. Es ändere ja doch nichts am Prozess, lautete seine Antwort.

 "Dem Angeklagten geht jede Einsicht ab", befand Gerichtspräsidentin Liselotte Henz. Auch deshalb ging sie in ihrem Urteil über den Antrag der Staatsanwältin hinaus: Statt zu 60 Tagessätzen à 120 Franken verurteilte sie ihn zu deren 90. Zudem verlängerte sie die Probezeit für sein früheres Delikt, eine Körperverletzung, um ein Jahr. Henz drohte mit weiteren Strafverfolgungen, sollte Eglin nicht dafür sorgen, dass der Text endlich von der Pnos-Seite entfernt werde.

Pnos löscht Artikel.

Diese Drohung hat offenbar Wirkung gezeitigt. Schon gestern Nachmittag war der gesetzeswidrige Artikel nicht mehr auf der Pnos-Seite abrufbar. Eine Tatsache, die auch Buddy Elias freuen dürfte. Der in Basel wohnhafte Cousin von Anne Frank hatte namens seines Anne-Frank-Fonds Anzeige erstattet. Nach dem Urteil zeigte Elias den Anwesenden ein Faksimile des Original-Tagebuchs sowie eine Erstausgabe von 1947. Und er sprach von seinen gemischten Gefühlen: Einerseits freue ihn die Verurteilung, andererseits werde diese Geldstrafe wohl aus der Pnos-Parteikasse berappt und ändere nichts an der Situation.

 "Das Gericht ist richtig vorgegangen", sagt Rechtsextremismus-Experte Samuel Althof auf Anfrage. "Mit programmatischen Rechtsextremen muss man eine klare Sprache reden." Eine Einsicht sei meist erst nach mehreren Verurteilungen möglich. Eglin verkündete gestern, das Urteil anfechten zu wollen.

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Basellandschaftliche Zeitung 22.7.10

"Schlag ins Gesicht der Opfer"

 Ex-Vorsitzender der Pnos Sektion Basel wegen Rassendiskriminierung verurteilt

 Ein Text auf der Homepage der Pnos Sektion Basel bezeichnet das Tagebuch von Anne Frank als "geschichtliche Lüge". Das ist Rassendiskriminierung, urteilt das Strafgericht.

 Regula Vogt-Kohler

 Schuldspruch wegen Rassendiskriminierung und eine unbedingte Geldstrafe von 10800 Franken - das ist das Urteil des Strafgerichts gegen Philippe Eglin, den 22-jährigen Ex-Präsidenten der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) Sektion Basel. Der Angeklagte habe den Tatbestand der Rassendiskriminierung gleich in mehreren Varianten erfüllt, hielt Gerichtspräsidentin Liselotte Henz fest. Sie sprach von einem "Schlag ins Gesicht der Opfer und deren Angehörigen".

 Philippe Eglin hatte im Juni 2009 den Text "Die Lügen um Anne Frank" auf der Internetseite der Pnos Sektion Basel publiziert. Darin bezeichnete er das Tagebuch des jüdischen Mädchens Anne Frank als eine geschichtliche Lüge. Er berief sich dabei auf einen 1980 im Magazin "Spiegel" erschienenen Artikel. Dieser bezog sich auf ein Gutachten des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA) und äusserte Zweifel an der Echtheit des Tagebuchs. In einer Presseerklärung hat das BKA 2006 festgestellt, dass die Ergebnisse seiner Untersuchungen keinerlei Zweifel an der Authentizität des Tagebuchs begründen würden.

 Von dieser ausführlichen Stellungnahme des BKA ist in der Publikation auf der Pnos-Webseite nicht die Rede. Eglin wies den Vorwurf der Rassendiskriminierung zurück: "Wenn man sich auf ein Medium bezieht, zitiert man und macht sich nicht strafbar."

 Wer das Tagebuch von Anne Frank als Lüge bezeichne, leugne den ganzen Holocaust, sagte Staatsanwältin Eva Eichenberger in ihrem Plädoyer. Wer die Opfer als Lügner hinstelle, mache sie zu Tätern, das sei eine Ungeheuerlichkeit. Mit solchen Behauptungen würden die Opfer aufs Neue ermordet. Zudem könnten mit solchen Äusserungen feindselige Haltungen geweckt und Vorurteile zementiert werden. Mit dem Strafmass von 90 Tagessätzen ging Gerichtspräsidentin Liselotte Henz über den Antrag der Staatsanwältin hinaus. Diese hatte 60 Tagessätze gefordert.

 Eglin kündigt Appellation an

 Wegen ungünstiger Prognose blieb dem 22-Jährigen der bedingte Vollzug verwehrt. Philippe Eglin hatte sich selbst verteidigt und die Appellation angekündigt. Er arbeitet als Logistikassistent, aber nicht mehr bei Novartis. Dort hatte er wegen seiner rechtsextremistischen Aktivitäten die Kündigung erhalten. Seinen heutigen Arbeitgeber nannte er nicht.

 Buddy Elias, der in Basel lebende Cousin von Anne Frank, zeigte nach der Urteilsverkündung ein Faksimile des ersten Bands des Tagebuchs, inklusive Tintenflecken und Tintenlappen. Er zeigte sich zufrieden mit dem Urteil des Strafgerichts, auch wenn er davon ausgeht, dass die Geldstrafe wohl aus der Pnos-Kasse bezahlt werden wird.

 Die Internet-Domain der Pnos könnte technisch gesehen gesperrt werden, aber das wäre nicht rechtmässig, sagte Gerichtspräsidentin Liselotte Henz. Eine partielle Sperrung sei nicht möglich. Sollte der Text nicht von der Internet-Seite entfernt werden, stellte sie ein neues Strafverfahren in Aussicht. Gestern war der Text noch abrufbar.

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 Im Nazi-Lager gestorben

 Anne Frank erhält zu ihrem 13. Geburtstag am 12. Juni 1942 ein Poesiealbum mit rot-weiss kariertem Einband und beginnt ein Tagebuch, das sie bis zum 1. August 1944 führt. Um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen, taucht die Familie von Anne Frank am 6. Juli 1942 im Hinterhaus an der Prinsengracht 263 in Amsterdam unter.

 Anne Frank hofft, Journalistin oder Schriftstellerin zu werden. Sie beginnt im Mai 1944 eine neue Fassung des Tagebuchs, die sie nach dem Krieg unter dem Titel "Das Hinterhaus" veröffentlichen will. So weit kommt es aber nicht. Am 4. August 1944 wird die ganze Familie Frank verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Nur Vater Otto überlebt. Anne Frank stirbt 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Entkräftung und Typhus, nur wenige Wochen vor der Befreiung durch die Alliierten. Zwei Sekretärinnen der Firma des Vaters von Anne Frank finden das Tagebuch im Hinterhaus. 1947 erscheint die Erstausgabe in niederländischer Sprache. (rv)

http://www.annefrank.ch

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Bund 22.7.10

Ehrenrettung für Anne Frank

 Das Basler Strafgericht verurteilt einen ehemaligen Pnos-Vorsitzenden wegen Rassendiskriminierung - er hatte Anne Franks Tagebücher als "Lügengebilde" bezeichnet.

 Thomas Knellwolf, Basel

 Drinnen im Saal 1 des Basler Strafgerichts zeigt der Schauspieler Buddy Elias Pressevertretern und anderen Prozessbesuchern ein Faksimile der in unzählige Sprachen übersetzten Aufzeichnungen Anne Franks. Der 85-jährige Buddy Elias, der in der Nähe seiner Cousine in Frankfurt am Main aufwuchs, entkam der Ermordung, weil sein Familienzweig in die sichere Schweiz zog. Annes Eltern wollten sich in Amsterdam in Sicherheit bringen. Doch die Nationalsozialisten fielen bald in Holland ein.

 "Holocaust-Indoktrination"

 "Leider wird es immer Leute geben, welche primitive Lügen verbreiten", sagt Buddy Elias, während draussen einer auf dem heissen Pflaster Basels davoneilt, der die Nazis bewundert, in deren Konzentrationslager viele Verwandte Elias' starben: Philippe Eglin, ein 22-Jähriger, bedauert en passant noch, dass es in der Schweiz "keine Meinungsäusserungsfreiheit" gebe.

 Er hat eben von der Richterin erfahren, dass er nicht ungestraft behaupten darf, was wissenschaftlich widerlegt ist: dass das Tagebuch des jüdischen Mädchens auf einem "Lügengebilde" basiere und der "Holocaust-Indoktrination junger, unbedarfter Kinder" diene. Vor Gericht hat der Lagerist, vom Chemiemulti Novartis wegen seines Rassismus entlassen, gestern die Behauptung wiederholt, die Publikation beruhe auf Unwahrheiten.

 Aussage verweigert

 Die Basler Justiz machte mit dem jungen Mann im weissen Kurzarmhemd, das ein breites "Eidgenoss"-Tattoo verdeckt, kurzen Prozess. Dies auch, weil Eglin die Aussage in den meisten Punkten verweigerte. Nach knapp einer Stunde Verhandlung sprach das Gericht den Ex-Vorsitzenden der Basler Sektion der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos) der Rassendiskriminierung schuldig. Es schloss sich der Meinung der Anklägerin an, Eglin habe auf der Website seiner Partei "pseudowissenschaftliche Scheinargumente" verbreitet.

 Der gern gesehene Gastredner deutscher Neonazis muss eine Geldstrafe von mehr als 10 000 Franken plus rund 1000 Franken Verfahrenskosten zahlen. Das Urteil des Gerichts fiel mit 90 Tagessätzen à 120 Franken ein Stück härter aus als der Antrag der Staatsanwaltschaft auf 60 Tagessätze. Eglin als "Gründer einer rechtsextremen Gruppierung" und "Autor von Hetzartikeln" verdiene keine günstige Prognose, führte die Gerichtspräsidentin aus. Vielmehr habe er eine "beängstigende Weiterentwicklung" durchgemacht, seit er 2007 wegen einfacher Körperverletzung verurteilt worden war. Bereits im damaligen Verfahren nach einem Angriff hatte Eglin verkündet, er sei "dem Dritten Reich zugeneigt" und finde "die Grundidee des Nationalsozialismus gut".

 Eglin behauptete in der Verhandlung gestern, dass er den rassistischen Text auf der Pnos-Website selber verfasst habe. In Tat und Wahrheit handelt es sich in weiten Stellen um eine Kopie aus einem im Internet verbreiteten Machwerk internationaler Revisionisten und Holocaust-Leugner.

 Das Gericht hat nun verlangt, dass das Plagiat von der Pnos-Website entfernt wird. Eglin kündigte im Sauseschritt vor dem Gericht noch an, dass er sich das überlegen werde. Das Urteil werde er sicher anfechten. Gestern bei Redaktionsschluss waren die rassistischen Zeilen nicht gelöscht.

 Anne Franks Cousin Buddy Elias hofft, dass dies bald geschieht, zeigte sich aber wenig optimistisch, dass das "begrüssenswerte Urteil" die Holocaust-Leugner zum Schweigen bringen werde.

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20 Minuten 22.7.10

Strafgericht verurteilt den Ex-Vorsitzenden der Pnos

 BASEL. Der Ex-Vorsitzende der Pnos Basel wurde gestern vom Strafgericht verurteilt - wegen Rassendiskriminierung.

 Im Juni 2009 publizierte der Angeklagte Philippe Eglin einen Text unter dem Titel "Die Lügen um Anne Frank" auf der Homepage der Pnos-Sektion Basel. Wegen dieses Textes, bei dem sich Eglin nach eigenen Aussagen auf einen Artikel des "Stern" bezieht und sich darum auch als unschuldig ansieht, stand der 22-Jährige gestern vor Gericht.

 Dort verteidigte er sich selbst und beantwortete die meisten Fragen mit "dazu sage ich nichts". Auch auf seine Vorstrafe, eine leichte Körperverletzung von 2006, wollte er nicht eingehen. Damals schlug der bekennende Neonazi einen jungen Mann ohne Vorwarnung gegen den Kopf. Die Gerichtspräsidentin verlängerte die auferlegte Probezeit mit dem neuen Urteil denn auch um ein Jahr. Zudem wurde Eglin zu 90 Tagessätzen à 120 Franken verurteilt, da er den Tatbestand der Rassendiskriminierung gleich mehrfach erfüllt. Wird der Text nicht unverzüglich von der Website entfernt, folgt laut der Richterin eine weitere Strafverfolgung gegen Eglin. Nach der Verhandlung sagte dieser: "Ich werde das Urteil weiterziehen und überlege mir, ob ich den Text von der Page nehme."

 Zufrieden mit dem Urteil zeigte sich Buddy Elias, der Cousin von Anne Frank: "Es wurde ein Zeichen gesetzt. Trotzdem bin ich nicht optimistisch, dass so etwas je gebremst werden kann."

Denise Dollinger

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Schweiz Aktuell 21.7.10

Verurteilt

Das Basler Strafgericht hat heute den früheren Chef der PNOS-Sektion Basel wegen Rassendiskriminierung zu einer Geldstrafe von mehr als zehntausend Franken verurteilt. Er hatte das Tagebuch von Anne Frank als Lügengeschichte bezeichnet. Michael Keller hat den Prozess mitverfolgt.
http://videoportal.sf.tv/video?id=270dcda9-d095-4826-9643-3d2e587abb8b&referrer=http%3A%2F%2Fwww.sf.tv%2Fsendungen%2Fschweizaktuell%2Findex.php

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ANTI-ATOM
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NZZ 22.7.10

Fehlbildungsrate bei AKW nicht erhöht

 Ergebnisse einer deutschen Studie

 (afp) ⋅ Babys im Umkreis zweier deutscher Atomkraftwerke haben laut einer Studie kein erhöhtes Missbildungsrisiko als andere Kinder. Für die Untersuchung hatten Forscher der Universität Mainz Geburtenregister ausgewertet und mit den Daten anderer Regionen verglichen. Wie das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz am Mittwoch mitteilte, untersuchte die Studie, ob Missbildungen bei Kindern häufiger sind, die in einem Umkreis von zehn Kilometern um die Reaktoren wohnten. Es zeigten sich aber keine Unterschiede. Auch mit zunehmender Nähe zum AKW erhöhte sich das Missbildungsrisiko nicht. Es gab aber Hinweise darauf, dass Frauen mit strahlenexponierten Arbeitsplätzen in Spitälern oder Arztpraxen häufiger Kinder mit Fehlbildungen zur Welt bringen. Um einen kausalen Zusammenhang herzuleiten, sei die Zahl der erfassten Fehlbildungen aber zu gering, hiess es.

 Die atomkritische internationale Ärzteorganisation IPPNW kritisierte die Studie als wenig aussagekräftig. Die Beschränkung auf zwei Kernkraftwerkstandorte, der vergleichsweise geringe Umkreis und der nur 15 Monate lange Zeitraum lasse keine statistisch signifikanten Nachweise zu.