MEDIENSPIEGEL 29.7.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- (St)Reitschule: Leserbrief
- Polit-Sorgen: Drohungen gegen PolitikerInnen
- Neonazis Burgdorf: RAT-Bar wieder offen
- Randstand Solothurn: Sicherheitszirkel
- Randstand Aarau: Unerwünschte im Kasinopark
- Ausschaffungen: Fribourg muss Häftling freilassen
- Big Brother Internet: Lauschangriffe; Amtschimmel@Facebook

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REITSCHULE
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So 01.08.19
09.00 Uhr - Grosse Halle  - Flohmarkt und Brunch im SousLePont
19.00 Uhr - Vorplatz - Aktion lebendiger Vorplatz "Ping-Pong-Turnier"

Mi 18.08.10
20.00 Uhr - Dachstock - Portugal. The Man (USA)

Fr 20.08.10
20.30 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6 Berner TänzerInnen.

Sa 21.08.10
20.30 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6 Berner TänzerInnen.

So 22.08.10
19.00 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6 Berner TänzerInnen.

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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(ST)REITSCHULE
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Bund 29.7.10

Leserbriefe

 Reitschule Die Reitschule ist das Experiment einer anderen Gesellschaftsform, "Bund" vom 27. Juli

 Randständige sollen wegbleiben

 Naiv, wie ich war, habe ich einmal einen Leserbrief geschrieben, der die Reitschule zu einem Mahnmal für eine humane Schweiz stilisierte. Der rüde und repressive Umgang mit Junkies sowie Dealern auf dem Vorplatz und die Schliessung der Cafeteria haben mir die Augen geöffnet. Die Reitschule funktioniert nicht anders als die restliche Schweiz auch: Im Namen der Volks- und Basisdemokratie dürfen Menschen an den Rand der Gesellschaft gestossen werden. Wenn Betreiber(innen) der Reitschule in einem "Bund"-Interview sagen, dass die Reitschule mit einer Insel vergleichbar wäre, an deren Brandung sich Menschen aufhalten, die ein soziales Problem darstellen, so frage ich mich, weshalb die Mehrheit der Reitschulbetreiber die Randständigen von ihrer Insel weghaben wollen? Die Reitschule ist im Laufe der Jahre zu einem Abbild einer mittelalterlichen Insel geworden, deren Bewohner(innen) und nonkonforme Menschen den Meeresfluten draussen in der Gesellschaft überlassen werden.

 Johannes Lortz Bern

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POLIT-SORGEN
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Bund 29.7.10

Beschimpfungen und Drohungen gegen Berner Politiker

 Das Leben als Lokalpolitiker hat seine dunklen Seiten: Es gibt Parlamentarier in Bern, für die anonyme Anrufe und Zuschriften mit beleidigendem Inhalt zur alltäglichen Normalität gehören. Betroffen sind freilich vor allem Figuren, die in der Öffentlichkeit polarisieren. Der SVP-Exponent Erich Hess erhält schon fast regelmässig Morddrohungen - er wurde aber auch schon tätlich angegriffen. Der streitbare Freisinnige Philippe Müller hat noch nie eine Attacke gegen seine Person erlebt - dafür aber einen Anschlag auf sein Auto. Beschimpfungen und Drohungen werden aber auch gegen Figuren aus anderen politischen Lagern gerichtet: Der linksgrüne Stadtrat Hasim Sancar (GB) hat nach eigenen Angaben einen Fall von "massiver Bedrohung" erlebt - nähere Angaben will er dazu nicht machen. Als Politiker mit Migrationshintergrund muss Sancar manchmal auch fremdenfeindliche Beleidigungen hören oder lesen. (jäg) - Seite 19

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Auch wenn die Morddrohung zum Alltag wird - man gewöhnt sich nur schlecht daran

 Die dunkle Seite eines Politikerlebens: Es gibt bernische Politiker, die regelmässig beschimpft, bedroht und gar attackiert werden.

 Simon Jäggi

 Vor einem Jahr wurde Erich Hess jede Nacht geweckt. Zwischen ein und fünf Uhr klingelte sein Handy - und ab Band erklang immer dieselbe Stimme: "Wenn wir dich sehen, machen wir dich fertig." Es ist nicht die erste Morddrohung gegen den streitbaren SVP-Politiker. Für ihn gehört es fast zum Alltag, beschimpft, bedroht und angepöbelt zu werden. Es blieb aber nicht nur bei unappetitlichen Briefen und bösen Anrufen. Hess ist tätlich angegriffen worden. Im vorletzten Winter habe ihn eine Gruppe junger Männer vor der Broncos-Loge in Bern abgepasst. Als er mit seiner Freundin das Lokal verlassen habe, sei er von einer Gruppe eingekreist und angegangen worden. Erst seien es fünf Personen gewesen, dann seien etwa zehn hinzugekommen. Da er sein Auto in der Nähe geparkt habe, hätten er und die Freundin sich davonmachen können. Die Gruppe habe auf das Auto eingeschlagen und gespuckt - Schaden sei nicht entstanden. Später habe er erfahren, dass es sich dabei um die berüchtigte 031-Gang gehandelt habe. Anzeige habe er nicht erstattet, sein Umfeld habe ihm aber dazu geraten, dies beim nächsten Mal zu tun.

 Umgebung leidet fast noch mehr

 Die nähere Umgebung leide fast mehr als er, sagt Hess. Wenn ihm jemand auf der Strasse "Schlämperlig" nachrufe, merke er es oft gar nicht mehr. Schutzmassnahmen trifft er kaum: Wer seine Mobilnummer sucht, findet sie auf seiner Webseite. Anrufe nimmt er grundsätzlich jederzeit entgegen. Meist versuche, er ruhig zu bleiben und mit den Leuten zu diskutieren, auch wenn es nichts fruchte. Auf sachliche Kritik gehe er ein, doch Beschimpfungen oder unberechtigte Vorwürfe lasse er abprallen, sagt Hess, der zurzeit noch Stadtrat ist, aber ab Herbst in den Grossen Rat wechselt. Als die Unterschriftensammlung für die Reitschul-Initiative lief, die im September zur Urne kommt, sei es besonders extrem geworden, erzählt Hess. Oft seien ihm auf Unterschriftenbögen wüste Beschimpfungen zugeschickt worden. In den letzten Monaten habe sich das glücklicherweise etwas gelegt.

 Autoscheibe eingeschlagen

 Keinen Angriff auf seine Person, aber auf sein Auto hat Philippe Müller (FDP) erlebt. Als Stadtrat war er gleich bei zwei heissen Themen Hauptakteur: in den Debatten um die Sozialhilfe und die Aufstockung der Polizei. Letzthin habe jemand die Scheibe seines MG-Cabrios eingeschlagen. Zwar habe er Anzeige eingereicht; er mache sich aber keine Illusionen, dass der Täter gefasst werde. Briefe und E-Mails mit Beschimpfungen bekommt Müller ebenfalls. Die unappetitlichen Zuschriften verteilten sich thematisch etwa gleich auf die Sozialhilfe- und die Polizeidebatte.

 Die Beleidigungen prallten nicht immer an ihm ab, sagt der polarisierende Freisinnige, der inzwischen auch im Grossrat politisiert: "Auf der einen Seite kommen solche Sachen auf einem solch tiefen Niveau daher, dass man sie nicht ernst nehmen muss." Andererseits sei er kein Computer. Wenn ihm jemand namentlich einen Brief oder eine Mail schicke, reagiere er auch - auch wenn der Tonfall scharf sei. "Gerade bei der Sozialhilfe-Debatte habe ich Briefe von Leuten erhalten, die das Gefühl hatten, ich wollte den armen Leuten noch das Letzte nehmen." Da sei er froh, wenn er sich erklären könne. Manchmal entstehe aus einem Dialog, der gehässig beginne, eine sachliche Diskussion. Daher sei es ihm auch lieber, wenn er auf der Strasse angesprochen werde. "Dann kann man reagieren."

 Fremdenfeindliche Zuschriften

 Die Beschimpfungen richten sich aber nicht nur gegen bürgerliche Politiker. Ein bis zwei Mal im Jahr erhalte er Zuschriften mit massiven Beleidigungen, sagt Hasim Sancar (GB). In einem konkreten Fall hat der linksgrüne Politiker gar eine massive Bedrohung erfahren müssen, zu der er aber nicht näher Auskunft geben möchte. Fremdenfeindliche Gründe spielten bei den Angriffe gegen seine Person manchmal auch eine Rolle. Die Beschimpfungen erklärt sich Sancar mit seinem Engagement in Grundrechts- und Migrationsfragen. Spurlos gingen solche Attacken nicht an ihm vorbei. "Manchmal macht man sich schon seine Gedanken, in welcher Gesellschaft man eigentlich lebt."

 Sport führt zu bösen Briefen

 Früher sei es schlimmer gewesen, findet der Linksalternative Luzius Theiler fest (GPB). "Die Leute sind wohl nicht toleranter, aber resistenter geworden." Inzwischen erhalte er kaum noch Drohbriefe. Generell bekomme er relativ wenig Reaktionen auf seine Politik. In den 1990er-Jahren habe er einmal eine Morddrohung erhalten, als er ein Referendum gegen eine neue Tartanbahn lanciert habe. "Sport ist ein sehr sensibles Thema", weiss Theiler seither.

 Diese Beobachtung bestätigt eine andere Reizfigur: Grossrat Res Hofmann, der in der SP am linken Rand politisiert. Die einzige Morddrohung habe im Zusammenhang mit den Plänen für ein neues Wankdorf-Stadion gestanden, gegen das er bei der ersten Auflage Beschwerde führte. Hofmann nimmt aber wahr, dass der Ton in den letzten Jahren ruppiger geworden ist - auch bei kritischen Zuschriften -, eine Entwicklung, für die er rechtsbürgerliche Politiker verantwortlich macht: "Sie haben zum Eindruck beigetragen, dass man an den Politikern die Schuhe abputzen kann."

 Am meisten mit beleidigenden Zuschriften abgeputzt wird Aline Trede (GB), die junge Stadträtin und Vizepräsidentin der nationalen Grünen, wenn sie einen Auftritt in der TV-"Arena" hinter sich hat. Bei einer Frau zielten die Beleidigungen oft aufs Äussere, sagt sie: "Jemand hat zum Beispiel geschrieben, dass ich mit so einer Brille sowieso nichts zu sagen habe."

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 Werner Luginbühl Die notorischen Fälle eines Justizdirektors

 Auch Exekutivpolitiker sind nicht vor Beschimpfungen und Drohungen gefeit - im Gegenteil: Sie geraten manchmal kraft ihres Amtes ins Visier gewisser Personen. Das hat der frühere Regierungsrat und heutige Ständerat Werner Luginbühl (BDP) erlebt. "Als Justizdirektor hat man seine notorischen Querschläger - ich habe dazu schon fast ein Dossier von meinem Vorgänger geerbt", erzählt Luginbühl. Zwei, drei Mal habe er auch Polizeischutz bekommen. In einem besonders schwerwiegenden Fall habe jemand sogar seine Familie bedroht - sodass auch für sie Polizeischutz nötig war. "Diese Situation hat mir ziemlich Angst gemacht - die Familie ist wahrscheinlich die Achillesferse eines Politikers." Zum Glück sei die Sache glimpflich verlaufen. In seiner derzeitigen Funktion als Ständerat ist Luginbühl nochmals zur Zielscheibe geworden. Und zwar nach der Abspaltung der BDP von der SVP - als Luginbühl bei manchen alten Parteikollegen als Verräter galt und etliche beleidigende Briefe und Anrufe erhielt. Das sei eine völlig andere Situation gewesen: Zwar seien die Bedrohungen gegen ihn als Regierungsrat massiver gewesen, persönlich hätten ihn die Anfeindungen alter Weggefährten aber mehr getroffen, findet Luginbühl. Inzwischen hätten sich die Wogen aber etwas geglättet, beleidigende Zuschriften erhalte er kaum noch. (jäg)

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NEONAZIS BURGDORF
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Bund 29.7.10

Rechtsextreme Szene-Bar in Burgdorf vorläufig wieder offen

 Die Betreiberin der Royal Aces Tattoo Bar hat gegen den Entscheid des Regierungsstatthalters Beschwerde erhoben.

 Simona Benovici

 Noch vor zwei Wochen schätzte Regierungsstatthalter Markus Grossenbacher die Situation rund um die Royal Aces Tattoo Bar an der Rütschelengasse als "sehr explosiv" ein. Die linksextreme Antifa hatte auf den bekannten Treffpunkt der rechtsextremen Szene einen Anschlag verübt, die beiden extremen Gruppierungen stiessen gegenseitige Drohungen aus. Vor diesem Hintergrund sei der Barbetrieb eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit, argumentierte Grossenbacher und entzog dem Lokal die Bewilligung. An seiner Einschätzung hat sich seither nichts geändert - wohl aber am Barbetrieb. Dieser wurde nämlich wieder aufgenommen. Das Regierungsstatthalteramt Emmental bestätigte gestern einen entsprechenden Bericht der "Berner Zeitung", wonach die Barbetreiberin bei der Volkswirtschaftsdirektion gegen den Schliessungsentscheid Beschwerde erhoben hat.

 Stadt hofft auf Schliessung

 Dass die Bar, nun da sie wieder offen hat, am 1. August ein Anziehungs- oder Ausgangspunkt für rechtsextreme Aufmärsche werden könnte, glaubt Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch (SP) nicht. "Klar sind Befürchtungen da. Aber wir wollen nicht schwarzmalen." Die Polizei sei so gut aufgestellt, dass sie allfällige Ausschreitungen eindämmen könne. Die Stadtbehörden hatten den Schliessungsentscheid indes offen begrüsst. "Wir stehen nach wie vor hinter dem Entscheid des Regierungsstatthalters", sagt Zäch. Das Lokal liege direkt an der viel befahrenen Strasse ins Emmental. Käme es zu tätlichen Auseinandersetzungen, könnten allenfalls auch unbeteiligte Menschen zu Schaden kommen. "Das wäre eine ganz schlimme Geschichte." Obwohl Regierungsstatthalter und Stadtbehörden an ihren ursprünglichen Einschätzungen festhalten, müssen sie den Barbetrieb vorerst dulden - zumindest bis zum definitiven Entscheid der Volkswirtschaftsdirektion.

 In der Zwischenzeit appelliert Zäch an die Vernunft der Beteiligten. "Ich hoffe, dass die Angehörigen der rechtsextremen Szene nicht provozieren und dass sie sich auch dessen bewusst sind, was sie mit ihrem Auftritt auslösen können." Derselbe Appell gelte aber auch für die extreme Linke: "In unserer Demokratie argumentieren wir nicht mit Gewalt." Sei man mit politischem Gedankengut nicht einverstanden, müsse diesem mit einem Argumentarium begegnet werden. Bis zum 30. Juli hat die Stadt nun Zeit, bei der Volkswirtschaftsdirektion ihre Sicht darzulegen. Zäch hofft, dass die Angelegenheit letztlich zu einem guten Ende kommt. "Der Regierungsstatthalter ist der eigentliche Fachmann des Kantons vor Ort. Ich denke, seine Stimme wird entsprechend gewichtet werden."

 Viele rechtsextreme Angebote

 Bereits 2009 geriet Burgdorf in die Schlagzeilen, als die rechtsextreme Partei national orientierter Schweizer (Pnos) ankündigte, gegen die Rassismusstrafnorm demonstrieren und durch das Stadtzentrum ziehen zu wollen. Dass die Szene eine Affinität zu Burgdorf hegt, streitet Zäch jedoch ab. "Auch in Burgdorf gibt es Leute, die dieser Szene angehören. Wir wollen das nicht unter den Tisch wischen." In Burgdorf habe man aber nicht mehr und nicht weniger mit der Szene zu kämpfen als in anderen Kleinstädten. Im Gegensatz zu Grossstädten erziele die Szene in kleinstädtischem Milieu mit relativ geringem Aufwand eine grössere Wirkung.

 Rechtsextremismusbeobachter Hans Stutz teilt die Einschätzungen Zächs nur teilweise. Auch wenn die Stadt Burgdorf nicht als eigentlicher Brennpunkt gelten könne, so gebe es abgesehen vom Berner Oberland keine Region in der Deutschschweiz, die so viele rechtsextreme Szenenangebote und Aktivitäten habe wie die Region Burgdorf-Oberemmental. Laut Stutz gibt es in grösseren Städten im Gegensatz zu Kleinstädten gar keine rechtsextreme Szene.

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RANDSTAND SOLOTHURN
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Grenchner Tagblatt 29.7.10

Die Sicherheit soll sichtbarer sein

 Hauptbahnhof Ein Gremium befasst sich mit der Problematik Drogenumschlag und Sicherheit

 Im Gefolge der "Ära" des Drogenumschlags am Hauptbahnhof hat sich letzten Herbst ein Sicherheitszirkel gebildet. Dessen Präsenz scheint - aus Sicht der Polizei - erste Früchte zu tragen, Passanten aber sind geteilter Ansicht.

 Andreas Kaufmann

 Und wieder wechselt im Schatten schummriger Beleuchtung eine Dosis ihren Besitzer. Wieder ein Säckli mit illegaler Substanz en passant "vertickt", während man als nichts ahnender Bürger just um die Ecke biegt. Soweit es die schmale Unterführung zulässt, rät es sich, die zwielichtigen Gestalten zu umgehen. Doch teilt man die Beobachtungen der Ordnungshüter, so ist man in Sachen sicherer Bahnhof auf dem besten Weg. So seien Dealer immer stärker mit polizeilicher Präsenz konfrontiert. Immer seltener seien Unsicherheit und Angst spürbar, die dort unbescholtene Passanten nach Mitternacht beschleichen.

 Die Uniform verpflichtet

 Ein Patrouillenfahrzeug vor Ort oder eine Überwachungskamera markiert diese Entwicklung. "Wir setzen mit verschiedenen Formen der Präsenz auf den Präventiveffekt", hebt Peter Heri, Fachverantwortlicher für lokale Sicherheit der Kantonspolizei, hervor: "So signalisieren wir, dass wir anwesend sind." Entsprechend seien seither auch Vorfälle im Zusammenhang mit Drogendelikten rückläufig. Zur Präsenz zählt auch die Videoüberwachung. Zwar sei die Kamera nicht für die permanente Observation gedacht: "Natürlich können wir die Aufnahmen nicht verwenden, nur weil jemand auf den Boden spuckt. Wir sind kein Überwachungsstaat nach Big Brother", betont Heri. Erst nach eintreffendem Ereignis mit entsprechendem Schweregrad werde eine Analyse des Straftatbestands mit Beizug der Staatsanwaltschaft vorgenommen. "Es ist auch nicht die Absicht, jemanden rund um die Uhr vor einen Monitor zu setzen, um Gesetzesüberschreitungen zu notieren", führt Heri weiter aus. Dennoch habe die Überwachungskamera allein durch ihre Anwesenheit bereits in ihrer Testphase zu mehr Sicherheit beigetragen - ohne, dass infolgedessen ein Ausrücken mit polizeilichen Einsatzkräften nötig gewesen wäre.

 Sicherheitszirkel des Bahnhofs

 Aus Sicht des so genannten Sicherheitszirkels des Hauptbahnhofs geht die Verunsicherung für Dealer mit der Sicherheit für Passanten einher. Dieses Gremium hat sich im vergangenen Herbst aus unterschiedlichen Interessenkreisen konstituiert, um der Frage nachzugehen, wie sich das objektive und subjektive Sicherheitsgefühl verstärken liesse. Heri selbst präsidiert diese Gruppe, die unter anderem aus Vertretern der SBB, RBS, BLS/RM, Aare Seeland mobil, SecuriTrans, Transportpolizei (ehemals Bahnpolizei), Kantons- und Stadtpolizei sowie dem ‹avec› besteht.

 "Über diesen Zirkel können wir auch Einsatzkräfte und Patrouillen vor Ort koordinieren, zusammen mit der Stadt- und der Transportpolizei", stellt Urs Eggenschwiler, Kapo-Mediensprecher, fest. Während die objektive Sicherheit nach Heris Aussage bereits ein zufriedenstellendes Ausmass angenommen hat, scheint der Effekt polizeilicher Sichtbarkeit nun auch auf das subjektive Empfinden von Sicherheit zu wirken.

 Geteilte Ansichten

 Nicht ganz so positiv beschreibt Ulrich Affolter die Situation am Hauptbahnhof: "Ich arbeite seit 20 Jahren hier und durchquere mehrmals täglich den Bahnhof. Wirklich besser ist es in den letzten Jahren aber nicht geworden." Zwar sei ihm noch nie was passiert, er habe auch keine Angst, dennoch: "Ich habe schon von einigen Frauen gehört, denen man hinterhergepfiffen hat und die kein gutes Gefühl haben, die Bahnhofsunterführung zu passieren." Dem pflichten zum Teil auch andere Passanten bei (siehe unten).

 Joachim Meier, Betreiber des "avec", hat demgegenüber eine positive Veränderung festgestellt: "Ich fühle mich sicherer als früher", so Meier. So sei die Anwesenheit von Sicherheitsdiensten für ihn spürbar: "Vor diesen verdrücken sich randständige Gruppierungen."

 Rechtslage bleibt wenig griffig

 Durch die Bestrebungen vor Ort hat sich einiges gewandelt, problematischer ist aber die rechtliche Handhabe bei Personen, die kleine Mengen dealen oder mit Drogenhandel verdächtigt werden. "Wir können sie nur 24 Stunden lang festhalten", so Eggenschwiler. Die Ermittlungen würden insbesondere dadurch erschwert, dass die Beschuldigten häufig versuchen, ihre Identität zu verschleiern. Sehr oft seien es auch Schwarzafrikaner im Asylverfahren, die beispielsweise im Durchgangszentrum Balmberg untergebracht sind.

 Ebenso wenig griffig scheinen Mittel zur Wegweisung der "Alkiszene": "Es sind im Gegensatz zum Amthausplatz meistens arbeitende Leute, die ihr Feierabendbier im ‹avec› kaufen. Das kann niemand verbieten." Lediglich über das neu geltende Litteringgesetz sei die Polizei in Einzelfällen handlungsfähig. So könne sie nun eingreifen, wenn jemand Abfall wegwirft.

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 Oft nur strafrechtliche Bagatellen

 24 Stunden - so lange kann die Polizei einen Verdächtigen in Untersuchungshaft behalten. "Wenn die Chance auf eine Haftanordnung bestehen bleibt, kann sie ihn der Staatsanwaltschaft zuführen", führt Oberstaatsanwalt Felix Bänziger aus. "Andernfalls muss sie ihn wieder auf freien Fuss lassen. So sieht es die Strafprozessordnung." Dazu nennt Bänziger drei notwendige Voraussetzungen für eine Haftanordnung: "Es muss ein konkreter Verdacht bestehen, ferner eine Flucht- oder Wiederholungsgefahr. Ausserdem muss der Freiheitsentzug verhältnismässig sein." Gerade die Verhältnismässigkeit werde oftmals zum Knackpunkt: "Zu einem sehr grossen Teil handelt es sich um Bagatellfälle mit ‹Chügelidealern›." So seien es oftmals Kleinstmengen zum Eigenbedarf, die kaum einen Freiheitsentzug rechtfertigen würden. Was Dealer mit ausländischen Wurzeln anbelangt, sei auch die Möglichkeit einer Ausschaffung kaum umsetzbar. "Es gibt keine Handhabe für einen strafrechtlichen Landesverweis."

 Hier kommt dafür die Abteilung Migration und Schweizer Ausweise des Amts für öffentliche Sicherheit ins Spiel, welche die Wegweisung auf Beurteilung des Bundesamts für Migration hin vollziehen kann. "Dies findet statt, wenn ein Asylgesuch rechtskräftig abgelehnt wird, oder wenn gar nicht darauf eingetreten wird", wie Abteilungsleiter Peter Hayoz informiert. Auch weniger drastische Massnahmen seien möglich: "Wenn Asylbewerber von der Polizei angehalten werden und konkrete Hinweise auf Drogenhandel bestehen, kann die kantonale Migrationsbehörde Ein- und Ausgrenzungen gegenüber den Asylsuchenden verfügen." Eine solche Ausgrenzung könne zum Beispiel das Stadtgebiet Solothurns umfassen, so Hayoz. (ak)

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 Umfrage zum Sicherheitsgefühl

 Hermann Anderegg Solothurn

 "Oft ist es vielleicht nicht mehr als ein Gefühl, dass jemand dem anderen in der Unterführung Drogen zusteckt. Was ich aber bereits festgestellt habe, wie sich die Polizei bei Verdächtigen an deren Fersen heftet. Ich persönlich habe kaum Angst, die Unterführung zu passieren. Gerade wenn man auf dem Velo sitzt, ist es nicht so schlimm. Meine Frau ist da schon vorsichtiger und beobachtet die Situation immer ganz genau. Ob sich die Situation am Hauptbahnhof gebessert hat, kann ich nur schwer beurteilen. Auf die Blaue-Post-Unterführung trifft es auf alle Fälle zu."

 Andreas Stocker Solothurn

 "Wir haben unsere Praxis für visuelle Wahrnehmung im Bahnhofsgebäude und betreuen Kundschaft gar über Schweizer Grenzen hinaus. Vor allem unseren Klientinnen werden hier oft Drogen angeboten. Oder dann laufen ihnen die Dealer nach. Auch als Mann fühlt man sich je nach Uhrzeit nicht mehr sicher. Die Polizei ist zwar präsent, aber ich habe es letzthin erlebt, dass bald jeder Gleiszugang von einem Dealer mit Handy belagert wurde. Dass uns angesichts dieser Zustände die SBB-Immobilien im Mietvertrag Kosten für ‹Bewachung› anrechnet, ist lachhaft."

 Jessica Brügger Jegenstorf

 "Ich bin so zweimal pro Woche am Solothurner Hauptbahnhof und erlebe die Situation hier als unsicherer als anderswo wie beispielsweise in Bern oder Olten. Wenn die Polizei jedoch anwesend ist, fühlt man sich hingegen auf jeden Fall sicher. Ein direktes Erlebnis hatte ich lediglich mit einem Betrunkenen, der mich angesprochen hatte. Die offenbar angebrachten Sicherheitskameras sind mir nicht gross aufgefallen. Ich denke nicht, dass sie mein Gefühl der Sicherheit verstärken könnten. Denn, wer könnte mir im Notfall schon unverzüglich helfen - dank Kamera?"

 Samirah Finger Solothurn

 "Ich pendle seit sechs Jahren zwischen Solothurn und Basel und habe den Eindruck, dass der Drogenumschlag früher massiver war als heute. Und als ich an einem Abend an verdächtigen Leuten vorbei musste, habe ich mich einfach kurzerhand der Securitas angeschlossen und bin ihr hinterhergegangen. Was das Gefühl der Sicherheit sicher positiv beeinflusst, ist die Grösse und Belebtheit eines Bahnhofs. In Basel, wo es viel mehr Leute hat als in Solothurn, fühle ich mich entsprechend wohler. Da kommt es auch kaum vor, dass man irgendwo ganz allein steht."

 Franziska Giger Solothurn

 "Mich dünkt grundsätzlich, die Polizei sei oftmals präsent. Die Situation mit dem Drogenumschlag kann ich weniger beurteilen, mir ist ein solcher Handel noch nicht gross aufgefallen. Und auch Angst vor allfälligen Drogendealern habe ich nicht. In Situationen, in denen ich mich unsicher fühle, halte ich die Wertsachen einfach noch besser fest. Man liest ja über die Warnungen vor Taschendiebstahl. Aufgefallen ist mir persönlich aber, dass die Zahl der Bettler in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Auf alle Fälle werde ich nur noch selten um Münz angebettelt."

 AUFGEZEICHNET: AK

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RANDSTAND AARAU
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Aargauer Zeitung 29.7.10

Polizei im Kasinopark

 Aarau Sommerwetter lockt Randständige in den Park

 Wer zurzeit seine Mittagspause im Kasinopark verbringt, dem fallen die vielen Polizeikontrollen auf, die dort durchgeführt werden. Während der warmen Sommermonate frequentieren den Park viele Randständige, und oft werden auch Drogen verkauft.

 "Das Auftreten von Dealern hat sich in den letzten Wochen intensiviert", sagt Polizeisprecher Rudolf Woodtli, "aber Kantons- und Stadtpolizei sind oft vor Ort, damit sich keine etablierte Szene bilden kann." Der Polizei ist es ein Anliegen, dass die Präsenz von Dealern nicht die Familien tangiert, die mit ihren Kindern den nahe gelegenen Spielplatz besuchen wollen. "Allerdings ist diese Zunahme von Randständigen und Dealern im Park keine Ausnahme und war während der warmen Sommermonate in den letzten Jahren immer so", sagt Woodtli.

 Die Hauptursache für die vermehrten Polizeiaktivitäten im Kasinopark ist gemäss Woodtli das Fehlen des "Busses im Park". Dieser ist von September bis Mai an wechselnden Standorten in der Stadt in Betrieb und soll während der kalten Monate einen Zufluchtsort für die Randständigen bieten. Während seines 10-jährigen Bestehens wurde der Bus aber im Sommer nie angeboten. "Von Juni bis August ist es im Bus sehr heiss", sagt Jeannine Meier von den Sozialen Diensten der Stadt Aarau, die den Bus als Selbst- hilfeprojekt anbieten, "die Randständigen würden sich während dieser Zeit sowieso draussen im Park auf- halten."

 Der Bus im Park fehlt

 Jeannine Meier ist die Zunahme der Dealer im Stadtpark ebenfalls bekannt. Drogenverkauf könne im Park auch weniger gut kontrolliert werden als im Bus. "Im Moment gibt es allerdings während der Sommermonate kein Projekt, das sich der Randständigen annehmen würde", sagt Jeannine Meier. (HUG)

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AUSSCHAFFUNG(EN)
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Newsnetz 29.7.10

Freiburg muss Ausschaffungshäftling aus Nigeria freilassen

sda / mt

 Der Kanton Freiburg muss einen Ausschaffungshäftling aus Nigeria freilassen, weil er wegen des Stopps der Sonderflüge in das Land nicht ausgeschafft werden kann.

 Das Bundesgericht hat einen Rekurs des wegen Drogendelikten verurteilten Mannes gutgeheissen.

 Der Nigerianer reiste im Juni 2008 illegal in die Schweiz ein. Auf sein Asylgesuch traten die Behörden nicht ein. Im Dezember 2008 wurde er im Zusammenhang mit einer Strafuntersuchung im Kanton Freiburg festgenommen, wie dem von der Zeitung "La Liberté" am Donnerstag publizierten Bundesgerichtsentscheid zu entnehmen ist.

 Wegen Drogendelikten verurteilt

 Am 21. Juli 2009 verurteilte das Gericht des Saanebezirks den Nigerianer wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 18 Monaten Freiheitsstrafe - neun hatte er abzusitzen. Einen Monat später erklärte der Mann, nicht nach Nigeria zurückkehren zu wollen.

 Am 10. September 2009 wurde er in Ausschaffungshaft genommen, vorerst für drei Monate. Das Freiburger Kantonsgericht verlängerte die Ausschaffungshaft im Dezember 2009 um sechs Monate. Eine erneute Verlängerung hiess das Kantonsgericht im vergangenen Juni gut. Dagegen legte der Nigerianer Beschwerde ein.

 Tod eines Nigerianers in Ausschaffungshaft

 Das Bundesamt für Migration (BFM) stoppte am 18. März 2010 sämtliche Ausschaffungs-Sonderflüge, am Tag nachdem ein nigerianischer Ausschaffungshäftling in Zürich gestorben war. Für die Wiederaufnahme der Flüge nach Nigeria gebe es keinen konkreten Termin, machte das Bundesgericht geltend.

 Es entschied deshalb, dass der Nigerianer auf freien Fuss gesetzt werden müsse. Der Kanton Freiburg muss ihm zudem 2000 Franken Parteikostenentschädigung bezahlen.

 Delegation aus Nigeria erwartet

 Wann die Flüge nach Nigeria wieder aufgenommen werden, konnte BFM-Sprecher Michael Glauser am Donnerstag nicht sagen. Im Oktober werde eine Delegation aus Nigeria für Verhandlungen in Bern erwartet. Im Juli war eine von Amtsdirektor Alard du Bois-Reymond geführte Delegation des BFM nach Nigeria gereist.

 Auf dem Flughafen Zürich starb am 17. März ein nigerianischer Ausschaffungshäftling. Gerichtsmedizinische Untersuchungen ergaben, dass der 29-Jährige an einer unbekannten, schweren und zu Lebzeiten praktisch nicht diagnostizierbaren Herzkrankheit gelitten hatte.

 Im Juli nahm das BFM die Sonderflüge für Zwangsausschaffungen wieder auf - ausser nach Nigeria. Seit dem Todesfall bietet das Bundesamt für jeden Flug und die Vorbereitungen dazu einen Arzt auf. Ab 2011 sollen auch unabhängige Beobachter Zugang zu den Flügen haben.

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BIG BROTHER INTERNET
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Weltwoche 29.7.10

Behörden

 Gesetzloser Lauschangriff

 Von Daniel Glaus

 Das Justizdepartement lässt eine neue Anlage zur Live-Überwachung der ganzen elektronischen Kommunikation installieren. Das Gesetz dafür ist erst in der Vernehmlassung.

 Im Keller des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) an der Fellerstrasse in Bern stehen meterbreite Schränke bereit für neue Rechner: Server und andere Computer für das Interception System Schweiz (ISS), die neue elektronische Abhöranlage des Bundes. Vor rund einem Monat hat das EJPD die dreissig Millionen Franken teure Anlage bestellt. Bis im nächsten Sommer soll sie von SMS und MMS über E-Mails bis zu Telefongesprächen via Internet alles mitschneiden können.

Polizisten sollen dann nach richterlicher Genehmigung per Mausklick eine Live-Überwachung neuster Technologien starten können.

 Allerdings: Obwohl der Bundesrat im Juni 2009 zunächst einen Kredit von 18,2 Millionen gesprochen hat, fehlt der neuen Anlage die gesetzliche Basis. Denn die Revision des Bundesgesetzes über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) ist noch bis am 18. August in der Vernehmlassung.

 Das EJPD bestätigt, dass sich das Projekt ISS "zurzeit in der Beschaffungsphase" befinde, über die genauen Kosten gebe es keine Auskunft. Die gesetzliche Basis sei mit dem geltenden BÜPF gegeben. Allerdings wird das ISS im Bericht zur Revision namentlich erwähnt. Dank ihm sei es künftig nicht mehr nötig, "Datenträger und Dokumente auf dem Postweg" zu übermitteln. Das ISS ist also Teil der Revision - lehnt es das Parlament ab, sitzt das EJPD auf Geräten, die es nicht benutzen darf.

 EJPD setzt Internetfirmen unter Druck

 Obwohl noch die Revision läuft, treibt auch der EJPD-Dienst Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (ÜPF) das ISS voran. Das ist ungesetzlich und schadet der Wirtschaft. Damit die neue Anlage überhaupt funktioniert, muss sie Zugriff auf Tausende Datenströme in Telefonleitungen, Glasfaserkabeln und TV-Verbindungen haben. Mit einem eingeschriebenen Brief hat der Dienst vorletzte Woche den 650 Internet-Dienstleistern mitgeteilt, sie müssten "bereits heute in der Lage sein", modernste Überwachungen durchzuführen. Also auch von E-Mail-Verkehr und Internettelefonie in Echtzeit. Das hat der Überwachungsdienst bisher nicht verlangt, weil er zur Auswertung solcher Daten gar nicht in der Lage war. Jetzt soll es plötzlich schnell gehen: Wer noch nicht über die Technologien verfüge, solle "unverzüglich Kontakt aufnehmen", heisst im Brief, der der Weltwoche vorliegt. In Kürze werde die Verbindung getestet.

 Das Vorgehen des EJPD ist problematisch:

 1 _ Es verlangt von Hunderten Internetfirmen, teure Anlagen zu installieren - und zwar auf Vorrat. Möglicherweise werden sie gar nie genutzt. Denn die meisten Überwachungen betreffen nur die vier grossen Provider.

 2 _ Dass sämtliche Internetanbieter eine solche stehende Abhörverbindung zum Bund aufbauen müssen, ist erst im Entwurf zum neuen Gesetz vorgeschlagen. Bisher mussten das nur konzessionspflichtige Firmen mit mehreren Zehntausend Kunden tun. Doch das EJPD wendet die neue Definition bereits heute an.

 3 _ Und das EJPD will die Überwachung von Internet- und E-Mail-Verkehr sowie der Internettelefonie an eine alte Anlage anbinden, die in einem Jahr durch das soeben bestellte ISS ersetzt werden soll. Die erneute Umprogrammierung wird wohl weitere Kosten in Millionenhöhe zur Folge haben.

 Etliche Schweizer Internet-Provider weigern sich, der EJPD-Anordnung Folge zu leisten. Nicht nur weil das Departement die laufende Gesetzesrevision vorwegnimmt und den demokratischen Prozess missachtet, sondern auch, weil es die Privatunternehmen wirtschaftlich stark belastet: Alleine die Installation der neuen Anlagen kostet mehrere Hunderttausend Franken. Und bei jeder Techno- logie, die eine Firma ihren Kunden künftig neu anbieten will, muss sie sogleich auch in neue teure - und möglicherweise unnütze - Überwachungsgeräte investieren. Für KMU ist das existenzbedrohend. Einige der kleineren Firmen sagen, sie würden die angedrohten Geldstrafen riskieren - das EJPD treibe sie ohnehin an den Rand des Ruins.

 Überwacher "praktisch taub und blind"

 Auch aus einem weiteren Grund protestieren viele Schweizer Internetfirmen gegen das Departement von Eveline Widmer-Schlumpf: Was das EJPD verlange, sei gar nicht umsetzbar, weil die technischen Anweisungen "völlig mangelhaft" seien. "Wir haben keine Ahnung, wie wir die Überwachungsdaten dem ÜPF übermitteln sollen", sagt ein Informatiker eines mittelgrossen Providers.

 Selbst wenn die Internetfirmen die Überwachungstechnologie trotz hoher Kosten und mangelhafter Richtlinien anschaffen wollten, komme ihnen das EJPD nicht entgegen. Denn, so der Informatiker: "Die sagen uns nicht einmal, welche Geräte wir anschaffen sollen." Das EJPD entgegnet, das sei "aus beschaffungsrechtlichen Gründen" nicht möglich.

 Den Aufbau einer mächtigen elektronischen Abhöranlage befürworten viele in der IT-Branche eigentlich. So haben Vertreter der Internet-Dienstleister im letzten Jahr dem EJPD geholfen, das ISS zu planen. Die meisten haben die Gespräche abgebrochen. "Was dort an technischen Richtlinien und Standards produziert wird, ist grösstenteils unbrauchbar", sagt einer, der mit dem EJPD verhandelte.

 Die Leistung des ÜPF-Dienstes bleibt auch mit dem neuen, millionenschweren und rechtlich zweifelhaften ISS bescheiden. Oder wie Insider sagen: "Praktisch taub und blind."

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20 Minuten 29.7.10

Stadt neu auf Facebook - um Veranstalter zu warnen

 LUZERN. Die Stadt Luzern geht neue Wege: Um an die Organisatoren von unbewilligten Demos und Veranstaltungen heranzukommen, hat sie gestern einen Facebook-Account eröffnet.

 Immer wieder wird auf Facebook zu unbewilligten Demonstrationen oder Events wie etwa Botellones aufgerufen. Jüngstes Beispiel ist ein Brunch am 1. August auf der Kapellbrücke in Luzern. Um mit den unbekannten Organisatoren in Kontakt zu kommen, griff die Dienststelle Stadtraum und Veranstaltungen gestern zu einem neuen Mittel: Sie eröffnete einen eigenen Facebook-Account und postete zwei Einträge an die Pinnwand. Darin heisst es etwa: "Dieses Happening und die Teilnahme daran wären illegal." Ausserdem wird auf die Website der Dienstabteilung hingewiesen, wo Bewilligungen eingeholt werden können. Bis gestern blieb die Kontaktaufnahme allerdings erfolglos. "Wir haben noch keine Rückmeldung bekommen", sagt Toni Schüpfer, Leiter Managementsupport.

 Dennoch: Die Dienststelle will in Zukunft bei Aufrufen für Veranstaltungen auf Facebook vermehrt intervenieren und präsent sein. "Wir wollen wissen, was los ist, und ob es allenfalls Interessen- oder Terminkollisionen gibt", so Schüpfer.  

Markus Fehlmann