MEDIENSPIEGEL 3.8.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Zaffaraya: Aufsichtsanzeige von rechtsaussen
- Bleiberecht: Sans-Papiers & Widmer-Schlumpf im Disput
- Drogenkonsum: Liberalisierungsvorschlag wirbelt Staub auf
- Squat ZH: LuxusklinikbesetzerInnen "merkwürdig"
- Big Brother: Überwachungsgelüste; Privatisierung
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REITSCHULE
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Do 05.08.10
19.00 Uhr - Vorplatz - Aktion lebendiger Vorplatz
"Ping-Pong-Turnier"
Mi 18.08.10
20.00 Uhr - Dachstock - Portugal. The Man (USA)
Fr 20.08.10
20.30 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6
Berner
TänzerInnen.
Sa 21.08.10
20.30 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6
Berner
TänzerInnen.
So 22.08.10
19.00 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6
Berner
TänzerInnen.
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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ZAFFARAYA
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bernaktuell.ch 2.8.10
Pressemitteilung vom 2. August 2010
Aufsichtsanzeige gegen illegale Bauten im Neufeld
(Zaffaraya-Gelände)
Der Bund der Steuerzahler des Kantons Bern (BDS) und die
Vereinigung
BernAktiv (BA) haben mit heutigem Datum beim Regierungsstatthalteramt
Bern-Mittelland eine Aufsichtsanzeige und einen Antrag auf
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes verlangt. BDS und BA
werden nötigenfalls sämtliche weiteren möglichen
Rechtsmittel ausschöpfen, da die politische Linke nicht gewillt
ist, den illegalen Zustand zu bereinigen und gleiches Recht für
Alle anzuwenden. Lieber schikaniert man in der Stadt Bern ganz
offensichtlich Steuerzahlende, Hausbesitzer und Gewerbetreibende.
>> Aufsichtsanzeige
http://www.bernaktuell.ch/ausgaben/100802%20aufsichtsanzeige.pdf
BernAktuell
Postfach 8631
3001 Bern
079 302 10 09 www.bernaktuell.ch
Mail: info@bernaktuell.ch
Bern, 2. August 2010
Aufsichtsanzeige gegen illegale Bauten im Neufeld
(Zaffaraya-Gelände)
Sehr geehrter Herr Regierungsstatthalter Lerch
Formelles/Rechtliches:
Mit aufsichtsrechtlicher Anzeige können der
zuständigen
Stelle Tatsachen angezeigt werden, die ein Einschreiten gegen eine
Behörde als erforderlich erscheinen lassen (Art. 101 Abs. 1 VRPG).
Eine aufsichtsrechtliche Untersuchung ist gemäss Art. 88 des
Gemeindegesetzes des Kantons Bern vom 16. März 1998 (BSG 170.11)
zu eröffnen, wenn a) der Verdacht besteht, dass die
ordnungsgemässe Verwaltung durch rechtswidriges Handeln der
Gemeindeorgane oder auf andere Weise ernsthaft gestört oder
gefährdet wird und b) die Gemeinde die Angelegenheit nicht
gemäss Art. 86 selber ordnet. Im nachstehenden Fall sind diese
Voraussetzungen klar erfüllt.
Der Bund der Steuerzahler des Kantons Bern als unabhängige,
gemeinnützige und parteipolitisch neutrale Schutzvereinigung der
Steuerzahlenden sowie die Vereinigung BernAktiv stellen fest, dass
Dutzende von Wohnwagen und weitere Bauten auf einem eingezäunten
Gelände bei der Autobahnausfahrt Neufeld installiert wurden. Die
Frist von 3 Monaten für Fahrnisbauten ist klar abgelaufen.
Fahrnisbauten über 3 Monate sind klar illegal und müssen
entfernt werden. Das Bauinspektorat hat auf einen entsprechenden
Hinweis, wonach das geltende Baurecht durch- und umzusetzen sei, nicht
reagiert und der Gemeinderat der Stadt Bern hat sich mehrfach
öffentlich dahingehend geäussert, dass er den rechtswidrigen
Zustand tolerieren will.
Sachverhalt:
Die sogenannte Siedlung Zaffaraya befindet sich auf
Nationalstrassenterrain, in der Verkehrsfläche, inmitten des
rollenden Verkehrs und gefährdet damit die Sicherheit. Die
Erschliessung (Abwasser usw.) ist absolut ungenügend und dem
Umweltschutz wird folglich in keiner Art und Weise Rechnung getragen.
Nachdem es sich um einen neuen Standort handelt kann klar nicht
von
einem Besitzstand ausgegangen werden. Das Bauvorhaben wurde ohne
Baubewilligung ausgeführt, es liegt keine rechtskräftige
Umzonung vor, es wurde keine Baubewilligung erteilt und hätte
angesichts der Zone auch nicht erteilt werden dürfen.
Die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ist daher
zwingend erforderlich. Nach bundesgerichtlicher Rechtssprechung ist die
Einhaltung des geltenden Rechts vorrangig. Es gilt zudem, die
präjudizielle Wirkung von nachträglichen
Bewilligungsentscheiden, das Prinzip der Rechtsgleichheit und den
Grundsatz der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet zu
berücksichtigen. Es besteht - nicht zuletzt aufgrund einer klaren
Ablehnung einer Hüttendorfzone durch das Volk - keinerlei
öffentliches Interesse an einer zonenwidrigen Nutzung.
Antrag:
Der Bund der Steuerzahler des Kantons Bern und die Vereinigung
BernAktiv leiten daher eine Aufsichtsanzeige ein, erwarten eine
Wiederherstellungsverfügung und eine Durchsetzung des geltenden
Baurechtes sowie in der Folge eine Entfernung der sich auf dem
eingezäunten Gelände bei der Autobahnausfahrt Neufeld
befindlichen Bauten und Anlagen.
In diesem Sinne danken wir ihnen für Ihr
diesbezügliches
Engagement.
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BLEIBERECHT
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Basler Zeitung 3.8.10
Sans-Papiers bei Widmer-Schlumpf
Gespräch nach 1.-August-Feier
Aktivisten
Eine Delegation von fünf der 150 in Eiken versammelten
Sans-Papiers konnte in den späten Abendstunden des 1. August mit
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sprechen und Antworten auf
lange gestellte Fragen einfordern. Wie Tom Cassee vom
Bleiberecht-Kollektiv sagte, sei im einstündigen Gespräch
auch die Forderung nach kollektiver Regularisierung der Sans-Papiers
zur Sprache gekommen. "Papierlose, die seit Jahren in der Schweiz sind,
sollten die Aufenthaltsbewilligung bekommen", sagte Cassee.
Widmer-Schlumpf hingegen antwortete, die Schweiz habe
für
die berechtigten Fälle eine Härtefallregelung und wende diese
auch an. Man sei jedoch nicht bereit, einfach alle, die hier bleiben
wollten, auch aufzunehmen. Sie nehme für die Eidgenossenschaft in
Anspruch, dass sie fair und humanitär auch mit schwierigen
Fällen umgehe. ffl > Seite 20
--
Spätabends gabs Antworten
Eiken. Eveline Widmer-Schlumpf nahm sich Zeit für die
Papierlosen
Franziska Laur
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sprach in Eiken
nach der
1.-August-Feier mit rund 150 Papierlosen über deren rechtliche
Situation. Diese waren auf dem Festplatz erschienen und skandierten
Parolen.
"Herausgekommen ist faktisch nicht viel, doch immerhin
haben wir
erreicht, dass Frau Widmer-Schlumpf einmal jemandem in die Augen
schaut, der so leben muss wie die Sans-Papiers", sagt Tom Cassee vom
Bleiberecht-Kollektiv Schweiz. Die Bundesrätin hatte sich das Fest
wohl etwas beschaulicher vorgestellt, als sie gemeinsam mit ihrem Mann
auf dem Festplatz in Eiken erschienen war, um die 1.-August-Ansprache
zu halten. Sie erlebte aber stürmische Stunden, weil sich eine
Delegation von Sans-Papiers aus allen Teilen der Schweiz auf den Weg
zum Festplatz gemacht hatte, um zu demonstrieren (BaZ von gestern).
Argus, die Sondereinheit der Aargauer Polizei, stoppte die
150
Papierlosen zwar am Bahnhof Eiken und kesselte sie ein. Nach
Rücksprache mit Widmer-Schlumpf nahm man ihnen die Megafone und
das Versprechen ab, die Feier auf dem Festplatz nicht zu stören.
Dann werde die Bundesrätin mit ihnen sprechen.
Dieses Versprechen hielt sie zu später Stunde dann
auch -
allerdings unter Ausschluss der Presse und der Öffentlichkeit.
Fast eine Stunde lang hörte sie sich die Sorgen und Nöte der
Sans-Papiers an. Das Gespräch sei ruhig und sachlich verlaufen,
sagt Cassee. Ziel sei gewesen, die Bundesrätin nochmals auf die
Situation von Papierlosen und abgewiesenen Asylsuchenden in der Schweiz
aufmerksam zu machen. Man habe die Bundesrätin direkt mit der
Forderung nach einer kollektiven Regularisierung und dem Recht auf
Arbeit für alle konfrontiert. Doch dies habe sie entschieden
abgelehnt.
Die Stimmung unter den Papierlosen sei nach dem
Gespräch
ambivalent gewesen. Einerseits sei es gut gewesen, "die Forderungen an
höchster Stelle deponieren zu können", sagt Cassee. "Wir
bezweifeln aber, dass die Bundesrätin ihre unmenschliche Haltung
gegenüber den weit über 100 000 Sans-Papiers ändert."
Die 150 Aktivisten hatten Ende Juni in Bern bereits die
kleine
Schanze besetzt. Damals habe man Widmer-Schlumpf einen Brief mit
Forderungen gesandt und spontan beschlossen, in Eiken Antworten
einzufordern. Enttäuscht sei man allerdings gewesen, keine eigene
Rede halten zu dürfen. "Am Tag, an dem die Freiheit und Demokratie
in der Schweiz gefeiert werden, sollten doch auch Sans-Papiers ihre
Stimme erheben dürfen."
Gut reagiert.
Immerhin haben die Eiker Behörden, die Bundesrätin wie
auch
die Polizei durchaus kulant auf die Einlage der Aktivisten reagiert.
Die Sondereinheit Argus markierte zwar ständig Präsenz, die
Polizisten blieben jedoch gelassen, als die Demonstranten zeitweise
Parolen skandierten oder kleine Rempeleien aufflammten. Und
Gemeindeschreiber Marcel Weiss organisierte souverän inmitten des
Chaos einen Interviewtermin mit der Bundesrätin für die
Presse, bevor er den ranghohen Gast zum Gespräch mit den
Sans-Papiers ins nahe gelegene Schulhaus lotste.
---
Aargauer Zeitung 3.8.10
Sans-Papiers: Störend ja, vernichtend nein
Kundgebung hat der Eiker 1.-August-Feier mit
Bundesrätin
nicht geschadet, ist der Gemeindeammann überzeugt
Susanne Hörth
Der Besuch von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf
hat in
Eiken am Sonntagabend nicht nur ein grosses Dorfpublikum an die
1.-August-Feier gelockt. Um auf ihre für sie unbefriedigende
Situation aufmerksam zu machen, fanden sich ebenfalls an die 120
Sans-Papiers mit Transparenten auf dem Platz ein (siehe auch AZ von 2.
August). Er sei vom Büro der Bundesrätin am Donnerstag darauf
vorbereitet worden, dass es möglicherweise zu einem solchen
Aufmarsch kommen könnte, beantwortet Gemeindeammann Georges Collin
eine entsprechende Frage. Die Sicherheitsleute aus Bern waren im
Internet auf entsprechende Informationen gestossen. Im
Organisationskomitee für die Eiker Bundesfeier sei dieser
mögliche Auftritt nicht besprochen worden, erklärt Collin.
Von der Kantonspolizei sei er im Vorfeld laufend über den Stand
der Dinge informiert geworden, so der Eiker Gemeindeammann. Das grosse
Polizeiaufgebot an der insgesamt friedlich verlaufenden Kundgebung hat
mit dazu geführt, dass für die Sicherheit aller gesorgt war.
"Da ich vorinformiert war, hat mich der Aufmarsch der
Sans-Papiers nicht so sehr überrascht", erklärt Collin am
Morgen danach dieser Zeitung. Natürlich sei es störend, aber
keinesfalls vernichtend für das Fest gewesen. Im Gegenteil, von
den Festteilnehmern aus dem Dorf habe er viele positive
Rückmeldungen erhalten. Eine schöne Feier mit einer guten
Stimmung sei es gewesen, so das Feedback der Besucher.
Die passende Plattform?
Darauf angesprochen, ob ein Fest wie jenes in Eiken die
richtige
Plattform für politische, an die Landes- regierung gerichtete
Forderungen sei, meint Collin: "Rein von der demokratischen Sicht her
kann niemanden der Auftritt an öffentlichen Festen verwehrt
werden." Er ist persönlich aber der Meinung, dass sich die
Gruppierung mit ihrem Aufmarsch in Eiken mehr geschadet als genutzt hat.
Ein grosses Lob spricht der Eiker Gemeindeammann
Bundesrätin
Widmer-Schlumpf aus. Sie habe mit ruhigen Worten die Sans-Papiers
gebeten, das Eiker Fest nicht zu stören, Respekt gegenüber
den Organisatoren und den Festbesuchern zu zeigen. Im Namen der
Jubiläumsjahrorganisatoren "OK11" und dem Gemeinderat dankt
Georges Collin der Bevölkerung: "Wir durften zusammen an einer in
jeder Beziehung einmaligen Feier teilnehmen. Der Besuch von Frau
Bundesrätin Widmer-Schlumpf hat einen grossen Eindruck
hinterlassen. Danken möchten wir auch, dass sich die Festbesucher
von der Gruppierung Sans-Papiers nicht haben aus der Ruhe bringen
lassen." Ein grosses Dankeschön gelte aber vor allem auch den
Sicherheitsdiensten und der Kantonspolizei: "Wir hatten die Gewissheit,
dass die Sicherheit zu jeder Zeit gewährleistet war."
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Indymedia 2.8.10
Sans papiers am 1. August in Eiken
AutorIn : Karakök Autonome: http://www.karakok.org
Gedanken zum Thema sowie ein Erlebnisbericht von der gestrigen
Aktion
in Eiken anlässlich der 1. August-Rede von Eveline
Widmer-Schlumpf.
Am gestrigen 1. August sind die Bleiberecht-Kollektive nach
Eiken
gereist, um Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf mit der
politischen Situation der geschätzten 200‘000 Sans papiers in der
Schweiz zu konfrontieren. Wir (Karakök Autonome) haben die Aktion
aktiv unterstützt und möchten nachfolgend darüber
berichten, zuvor aber einige wichtige Gedanken und Hintergründe
ansprechen:
Bereits auf der Kleinen Schanze in Bern (Besetzung vom 26. Juni
bis 2.
Juli, siehe auch http://karakok.wordpress.com/2010/06/29/kleine-schanze-in-bern-weiterhin-besetzt/
und http://karakok.wordpress.com/2010/07/01/kraftvolle-demo-widmer-schlumpf-druckt-sich-vor-der-verantwortung-gegenuber-den-sans-papiers/)
hatte man mehrmals das Gespräch mit Widmer-Schlumpf gesucht,
welches sie jeweils ausgeschlagen hatte. Selbst als die Sans papiers
bis vor das Bundeshaus marschierten und einen Brief an Widmer-Schlumpf
vorlasen, war diese nicht dazu bereit, sich die Anliegen der
AktivistInnen anzuhören. Auf den Brief mit konkreten Forderungen
hat sie bis heute nicht geantwortet.
Tatsache ist: Hunderttausende von Menschen leben unter
prekären
Bedingungen hier in der Schweiz. Sie sind gezwungen zur Schwarzarbeit,
ohne jegliche sozialen Rechte und zu Hungerlöhnen, sie haben
keinerlei medizinische Versorgung, ihre Kinder können nicht zur
Schule, sie sind gezwungen, sich ständig zu verstecken, aus Angst,
in eine polizeiliche Kontrolle zu geraten. Sie dürfen nicht
auffallen, sind offiziell nicht existent, sitzen nicht im Knast und
leben trotzdem hinter Gittern. Die hiesige Wirtschaft nutzt ihre
Situation schamlos aus, indem sie sie zu Löhnen und Bedingungen
arbeiten lässt, die kein anderer Mensch akzeptieren würde. Im
Gegenzug dazu erhalten Sans papiers nichts, im Gegenteil: trotz
fehlender Papiere müssen sie AHV-Beiträge bezahlen - sind
aber nicht berechtigt, die einbezahlten Beiträge später in
Form einer Rente zu beziehen. Dass sie keine Papiere besitzen, ist der
einzige kümmerliche Grund, weshalb sie vom Staat als Kriminelle
erachtet und entsprechend behandelt werden. Diese Position ist
erschreckend ignorant angesichts der Tatsache, dass sowohl politisch
als auch ökonomisch motivierte Migration in erster Linie dadurch
bedingt wird, dass hochkapitalistische Länder anderen Ländern
die Existenzgrundlagen nehmen.
Das Ackerland etlicher Länder in Afrika, Südamerika
oder
Asien wird von westlichen Konzernen in Anspruch genommen (ganz zu
schweigen von den elenden Arbeitsbedingungen der für diese
Konzerne arbeitenden Menschen, von Hungerlöhnen, Kinderarbeit,
gesundheitsschädigendem Arbeitsmaterial und Übergriffen) und
die daraus gewonnenen Produkte exportiert. Die Bevölkerung ist
nicht berechtigt, das Land, in dem es lebt, dazu zu nutzen, Nahrung
für sich selbst anzubauen. Ein Beispiel ist die Kaffeeproduktion
in mehreren Ländern, welche für den europäischen und
US-amerikanischen Markt hergestellt wird und das Ackerland
zerstört sowie jegliche anderweitige Nutzung verunmöglicht.
Rohstoffe weniger industrialisierter Länder* sind von
Grosskonzernen unter wesentlicher Beteiligung der Regierungen
industrialisierter Länder aufgekauft. Selbst die einzigen
Wasserquellen etlicher bevölkerter Gebiete sind privatisiert
(Nestlé) und werden in kapitalistisch führende Länder
transportiert.
Politische Konflikte werden nicht nur von Regierungen
industrialisierter Länder gefördert, sondern oftmals erst
provoziert und damit ein immenser Markt angekurbelt: der Waffenexport.
Die Schweizer Regierung ist mitten dabei und scheut nicht davor
zurück, exportierte Waffen als "humanitäre Hilfe" zu
deklarieren.
Dies sind nur einige wenige Beispiele, welche die erschreckende
Ungerechtigkeit, die unglaubliche Ignoranz und die masslose Ausbeutung
von Millionen von Menschen repräsentieren.
Migration findet immer unter diesem Hintergrund statt. Dies zu
thematisieren, hat nichts mit "Gutmenschen" zu tun, sondern schlicht
und einfach mit Gerechtigkeit. Es kann und darf nicht angehen, dass
Regierungen industrialisierter Länder Millionen von Menschen ihre
Existenzgrundlage nehmen und diese so zur Migration zwingen -
anschliessend jedoch MigrantInnen zu Sündenböcken deklariert
werden und Rassismus geschürt wird. Dies ist nichts anderes als
eine bodenlose, scheinheilige Heuchelei. Die Zirkulation von Menschen
wird verteufelt, während der Kapitalismus erst auf der Zirkulation
von Kapital, Gütern und Besitztümern aufgebaut ist.
Als AnarchistInnen sehen wir daher das ursächliche Problem
nicht
damit gelöst, dass Sans papiers regularisiert werden, wenn dies
auch ein unbedingt notwendiger Schritt ist, um den prekären
Lebensbedingungen etlicher Menschen Einhalt zu gebieten. Es ist
unabdingbar, diesen Menschen jetzt (!) sofort (!) ein Leben in
Würde zu gewähren, denn dies ist ihr unantastbares
Menschenrecht. Allerdings ist es wichtig, tiefer zu blicken und dort
anzufangen, wo die Ausbeutung beginnt, die ungleiche
Güterverteilung, der Anspruch auf Privateigentum anstatt kollektiv
genutzter Lebensräume. Dort, wo Grenzen zwischen Lebensräumen
gezogen werden und künstliche Einheiten wie Staaten kreiert
werden. Erst wenn wir diese überwinden, kann ein kollektiv
organisiertes, gerechtes Leben für alle entstehen.
Nichtsdestotrotz sind die Lebensbedingungen, welche
Hunderttausende von
Sans papiers tagtäglich erleiden müssen, unter keinen
Umständen akzeptierbar. Daher sind wir gestern mit den
Bleiberecht-Kollektiven nach Eiken (AG) gereist, wo Eveline
Widmer-Schlumpf eingeladen war, eine 1. August -Rede zu halten. Das
Ziel der Sans papiers-AktivistInnen war es nicht, das Fest der dort
lebenden Menschen zu stören, sondern die Bundesrätin mit der
Realität zu konfrontieren und sie an ihre ausstehende Antwort zu
erinnern. Die 1. August-Feier ist ein öffentlicher Anlass, an dem
jede und jeder teilnehmen kann und darf. Dieses Recht steht uns ebenso
zu, wie der Bevölkerung von Eiken. Ohne die Rede von
Widmer-Schlumpf zu verhindern, wollten wir unserer eigenen Position
Ausdruck verleihen und selber eine Rede halten. Das Recht, seine
Meinung zu äussern, steht uns ebenso zu, wie jedem in Eiken
wohnhaften Menschen oder irgendeinem anderen Menschen. Nicht zu
vergessen, dass das Motto des diesjährigen 1. August-Festes "Eiken
für alle" lautete. Dies nahmen wir wörtlich.
Unsere Motivation sowie unser Vorhaben wurden offen
kommuniziert.
Dennoch war das Polizeiaufgebot von Anfang an immens. Der Zug, in dem
wir uns befanden, wurde gar von einer Polizeieskorte begleitet. Am
Bahnhof Eiken ausgestiegen, wurden wir just von der Polizei
eingekesselt und am Weitergehen gehindert. Anschliessend unterbreitete
uns die Polizei diverse groteske Vorschläge des weiteren
Vorgehens. So wollte die Polizei z.B. sämtliche Ausweise aller
Anwesenden einsehen und deren Fotokopien anfertigen - und das
wohlwissend, dass die AktivistInnen doch gerade eben aus dem Grund
anwesend waren, gar keinen Ausweis zu besitzen. Der Vorschlag wurde
daher vehement und einstimmig abgelehnt. Nach mehreren Diskussionen
konnten wir schliesslich durchsetzen, am Fest teilzunehmen, ohne unsere
Identitäten darlegen zu müssen. Ausserdem wurde eine
Delegation von fünf AktivistInnen bestimmt, welche die Gelegenheit
erhalten sollte, nach der Festrede mit Eveline Widmer-Schlumpf zu
sprechen. Im Gegenzug akzeptierten wir, keine Megaphone ans Fest
mitzunehmen und das Fest nicht zu vereiteln (was ohnehin nie unsere
Absicht gewesen war).
So zog eine Gruppe von 150 Personen singend und mit
Transparenten
ausgerüstet ("Bleiberecht für alle") zum Festgelände.
Ohne das Festprogramm zu verhindern, nutzten wir die Möglichkeit,
Präsenz zu markieren und einen Sitzstreik durchzuführen.
Die Rede von Widmer-Schlumpf war ziemlich belanglos - sie
begnügte
sich damit, den Schweizer Staat zu preisen, was angesichts des Rahmens
der Rede (Nationalfeiertag) zwar sicher nicht verwunderlich ist,
allerdings hätte sie auf die Sans papiers-Thematik durchaus
eingehen können und hätte somit Kommunikationsbereitschaft
zur Auseinandersetzung mit einem hochaktuellen Thema bewiesen. Erstaunt
hat uns dies allerdings nicht, es war nichts anderes zu erwarten
gemäss ihrer politischen Ausrichtung. Stattdessen richtete sie
gleich zu Beginn der Rede eine Drohung an die anwesenden Sans papiers
und warnte sie davor, die Rede zu stören. Weder sie, noch der
Festveranstalter nannten das Bleiberichts-Kollektiv beim Namen, sondern
blieben bei "diese Gruppierung, die anwesend ist". Dafür war die
Eikener Bevölkerung umso neugieriger, wer denn hinter dieser
schrecklichen "Gruppierung" stecken möge, so dass wir reichlich
Flyer verteilen konnten. Die interessanten Kontakte mit der Eikener
Bevölkerung genossen wir sehr.
Das Polizeiaufgebot war auch während des Festes gewaltig.
Unmengen
von KantonspolizistInnen, Sicherheitsleuten und Zivis waren
omnipräsent und schienen sichtlich angespannt. Unsere Ausweise zu
zeigen, hatten wir zwar nicht akzeptiert, allerdings umging die Polizei
diese Abmachung, indem sie alle Anwesenden ausgiebig filmte und
fotografierte.
Nach der Festrede von Widmer-Schlumpf fand ein Gespräch mit
der
fünfköpfigen Bleiberecht-Delegation statt. Über deren
Inhalte werden wir in Bälde an dieser Stelle informieren.
Bleiberecht überall und für alle! Reissen wir alle
Grenzen
und Mauern ein!
Lebensräume und Lebensgrundlagen gehören allen und
dürfen kein Privateigentum darstellen, weder von Staatsgewalten,
noch von Einzelpersonen oder Konzernen!
Karakök Autonome tr/ch
*Wir vermeiden bewusst die Bezeichnungen "arm" oder
"Entwicklungsland",
da Armut und Entwicklung subjektive und diskriminierende Begriffe sind.
Das kapitalistische Selbstverständnis geht davon aus, dass "arm"
ist, wer weniger besitzt, als es der kapitalistische Markt vorschreibt.
Unter dieser Auffassung kann selbst jemand als arm gelten, der nicht
besitzt, was wir gar nicht zum Leben benötigen (Handy, Internet,
etc.). Angesichts der herausragend hohen Suizidrate in der Schweiz
könnte man aber durchaus damit argumentieren, die Menschen in der
Schweiz seien psychisch oder sozial verarmt. Ebenso könnte man
argumentieren, dass Entwicklung nicht bedeutet, sich mittels
Technologie möglichst von unserem Lebensraum, der Natur,
abzugrenzen, sondern sich in und mit ihr zu entwickeln. Auch suggeriert
das Wort "Entwicklungsländer", dass das kapitalistische System
erstrebenswert und vollkommen sei und alle anderen Länder erst auf
dem Weg dahin seien, dieses Ziel zu erreichen - Ein Ziel, bestehend aus
Ausbeutung, Umweltzerstörung, Erschöpfung sämtlicher
Ressourcen, vorgeschriebenem Alltag, Gier, ungerechter
Güterverteilung, menschlicher Isolation und Doppelmoral. Diese
Beispiele nur als Veranschaulichung der Vereinnahmung dieser Begriffe
vom herrschenden politischen System.
(Origininalartikel: http://karakok.wordpress.com/2010/08/02/sans-papiers-am-1-august-in-eiken-%e2%80%93-gedanken-zum-thema-sowie-ein-erlebnisbericht/)
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DROGEN
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BZ 3.8.10
Drogenpolitik
Die Rechte ist empört
Ein neuer Vorschlag von Experten, den Drogenkonsum zu
legalisieren, stösst bei der SVP auf erbitterten Widerstand.
In einem gemeinsamen Papier sprechen sich drei
Expertenkommissionen des Bundes gemeinsam für eine Legalisierung
des Drogenkonsums aus. Das sorgt für geharnischte Reaktionen
seitens der SVP und des Schweizerischen Polizeibeamtenverbandes. Statt
die Verordnung zum revidierten Betäubungsmittelgesetz vorzulegen,
lasse das zuständige Bundesamt für Gesundheit durch seine
Experten wieder für eine Drogen-legalisierung weibeln, kritisiert
Andrea Geissbühler, Co-Präsidentin des Verbandes
Drogenabstinenz Schweiz. Für die Berner SVP-Nationalrätin und
Polizistin steht der Leitfaden der Experten im krassen Widerspruch zum
Volkswillen und zum revidierten Betäubungsmittelgesetz. "Der Staat
wird so zum Drogenhändler", kritisiert sie. Auch der
Polizeibeamtenverband bezeichnete den Vorschlag gestern als
"völligen Unsinn". Offen für die Vorschläge zeigt sich
bezüglich Cannabis Nationalrätin Christa Markwalder (FDP):
"Substanzen wie Heroin sollten hingegen nicht einfach zugänglich
sein."
gh
Seite 3
--
Drogenpolitik
Bund sorgt für rauchende Köpfe
Das Schweizervolk entschied sich 2008 für ein
restriktiveres
Betäubungsmittelgesetz. Trotzdem lässt das Bundesamt für
Gesundheit Experten über eine liberale Drogenpolitik nachdenken.
Dies ärgert SVP-Politiker.
Ein Gruppe von Fachleuten im Auftrag des Bundesamtes
für
Gesundheit (BAG) rüttelt am heutigen Verbot von harten Drogen
(siehe Text unten). Doch während der Bund über die
Legalisierung von Drogen wie Heroin, Kokain oder Hanf diskutiert,
sollte er eigentlich eine restriktivere Verordnung zum revidierten
Betäubungsmittelgesetz (BetmG) erarbeiten. Denn die Schweizer
Bevölkerung hat 2008 das revidierte BetmG angenommen. Demnach soll
das Ziel der Drogenpolitik die Förderung von Abstinenz sein. Die
4-Säulen-Strategie (Prävention, Therapie,
Überlebenshilfe und Repression) wird im Dauerrecht verankert,
ebenso die Verschreibung von Heroin an Schwerstsüchtige.
"Das ist völlig absurd"
"Der Bundesrat setzt die Verordnungen voraussichtlich in
der
ersten Hälfte 2011 in Kraft", versucht Mona Neidhart,
Mediensprecherin des BAG, zu beschwichtigen.
Die verwirrende Drogenpolitik des Bundes stösst
zahlreichen
Politikern sauer auf. Die Co-Präsidentin des Verbandes
Drogenabstinenz Schweiz, Andrea Geissbühler, ist erzürnt.
Für die Berner SVP-Nationalrätin und Polizistin steht der
Leitfaden der Experten im krassen Widerspruch zum Volkswillen und zum
revidierten Betäubungsmittelgesetz. "Der Staat wird so zum
Drogenhändler". Es sei völlig absurd, denn 2008 wurde nicht
nur das BetmG revidiert, sondern auch die Cannabis-Initiative vom Volk
deutlich abgelehnt. Mit der von der Expertengruppe angefachten
Diskussion wolle man hinter dem Rücken von Schweizer Bürgern
harte Drogen legalisieren, enerviert sich Geissbühler. Die
Nationalrätin ist insbesondere um die Jugend besorgt, denn
Drogenhändler würden bei einer Legalisierung nicht einfach
verschwinden. "Sie werden Jugendlichen vermehrt Drogen andrehen", sagt
Geissbühler. Auch Roland Borer, Nationalrat (SVP, SO) und Mitglied
der Gesundheitskommission (SGK), ist verärgert. Auf Anfrage gibt
er sich pointiert: "Ich denke, die sogenannten Experten wollen, dass
ihnen die Süchtigen nicht ausgehen." Eine Legalisierung würde
die Jugendlichen gefährden, es gäbe mehr Sozialfälle,
und daher werde er mit allen Mitteln gegen eine liberale Drogenpolitik
kämpfen. Kein Verständnis hat Borer, dass das BAG im Gegenzug
bei der Verordnung zum BetmG derart "schlampt". Noch weiter geht sein
Parteikollege, Nationalrat Toni Bortoluzzi (ZH). Er schlägt vor,
dass die Verantwortlichen im BAG entlassen werden.
Kein neues Thema
Weniger besorgt ist dagegen FDP-Ständerätin
Christine
Egerszegi (AG): "Die Bevölkerung hat bei Themen über Drogen
immer den Mittelweg gewählt." Damit seien die vier Säulen
Prävention, Therapie, Überlebenshilfe und Repression gemeint.
"Ich gehe nicht davon aus, dass Schweizer Bürger diesen Weg
verlassen werden", sagt sie. Dies sieht Ruth Humbel ähnlich. Die
Aargauer CVP-Nationalrätin betont: "Die Diskussion über die
Legalisierung von Drogen ist nicht neu." Es gebe seit Jahren in der
Politik ein Spannungsfeld in diesem Thema. Humbel ist der Meinung, dass
die Experten isoliert dastehen würden. "Im Ausland sind die
meisten Experten anderer Meinung." Zudem würde eine Legalisierung
nicht bedeuten, dass Produkte weniger konsumiert werden. Humbel
erklärt: "Das sieht man beispielsweise beim exzessiven
Alkoholkonsum von Jugendlichen."
Eine liberale Meinung hat Christa Markwalder. Die
FDP-Nationalrätin sagt, Hanf könne so aus der
Illegalität geholt und Schwarzmärkte könnten eliminiert
werden. Bei harten Drogen ist Markwalder jedoch vorsichtiger.
"Substanzen wie Heroin sollten nicht einfach zugänglich sein."
Guy Huracek
--
Experten wollen alle Drogen liberalisieren
Drei vom Bund beauftragte Expertenkommissionen schlagen
die
Entkriminalisierung sämtlicher Drogen vor.
Die vorgeschlagene Massnahme ist Teil des neuen
Grundlagenpapiers
"Herausforderung Sucht", welches zurzeit vom Bundesamt für
Gesundheit (BAG) geprüft wird. "Drogenkonsum soll nicht mehr mit
dem Strafrecht verfolgt werden", fordert François van der Linde,
Präsident der Eidg. Kommission für Drogenfragen (EKDF).
Heroinabhängige sollen demnach genauso wenig für ihre Sucht
bestraft werden wie Alkoholiker oder Tablettensüchtige,
bestätigte der Mediziner gestern einen Bericht der Zeitungen
"Tages-Anzeiger" und "Bund".
Die Forderung ist bekannt - seit 1989 plädiert die
EKDF
dafür -, neu hingegen ist, dass sich alle drei Eidg.
Suchtkommissionen in einem Grundlagenpapier für die
Entkriminalisierung starkmachen. Die EKDF hat mit den Eidg.
Kommissionen für Alkoholfragen und Tabakprävention das
Leitbild "Herausforderung Sucht" erarbeitet. Auftraggeberin ist das BAG.
"Nachdenken"
"Der Bericht ist ein grundsätzliches Nachdenken
über
Drogen und Süchte", sagt Mitautor van der Linde. Die Gesellschaft
müsse wegkommen vom Gedanken, dass es böse und gute
Süchte gebe. Denn die vermeintlich harmlosen Drogen wie Alkohol
richteten insgesamt einen viel grösseren Schaden an als etwa
Heroin. Die grosse Herausforderung liege heute im problembehafteten
Konsum von legal erhältlichen Substanzen, schreiben die Experten
im neuen Leitbild. Dazu zählen sie Koffein, Alkohol, Nikotin oder
Medikamente wie Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel. Nicht zuletzt
nähmen viele Menschen solche Mittel, um in Stresssituationen zu
bestehen. Um die vielfältigen Suchtprobleme besser in den Griff zu
bekommen, schlagen die Autoren des Leitbildes zehn Leitsätze vor.
Dazu gehören auch neue Ideen zur Prävention. Weiter sollen
die Hersteller und Verkäufer von Produkten mit Suchtpotenzial in
die Pflicht genommen werden.
Konkrete Massnahmen liegen noch keine vor, wie
François
van der Linde erklärte. Das BAG habe eine Anhörung zum
Leitbild eingeleitet; gefragt sei auch die Meinung der Politik- und
Wirtschaftsvertreter. Die Fachwelt habe bereits sehr positiv auf die
Vorschläge reagiert. Eine Überarbeitung der Schweizer
Suchtpolitik ist gemäss den Experten nötig: Bei den legal
erhältlichen Drogen habe die Schweiz einen "suchtpolitischen
Nachholbedarf", schreiben sie.
"Völliger Unsinn"
Falls sich die Ideen des neuen Leitbildes durchsetzten,
sei die
Schweiz wieder vorne mit dabei, zeigte sich van der Linde
überzeugt: "Die Zusammenarbeit aller Suchtkommissionen ist
europaweite Pionierarbeit."
Noch keinen Kommentar zu den Vorschlägen wollte das
BAG
abgeben: "Wir haben den Bericht entgegengenommen", bestätigte
BAG-Sprecherin Mona Neidhart auf Anfrage. Als erstes werde das Papier
nun intern ausgewertet.
Der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB)
hält
nichts von der Entkriminalisierung aller Drogen. Der Vorschlag sei
"völliger Unsinn", betonte gestern VSPB-Präsident Heinz
Buttauer
sda
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Südostschweiz 3.8.10
Diskussion über straffreien Drogenkonsum neu entfacht
Ein im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit
erarbeiteter
Bericht, der die Straffreiheit für jeglichen Drogenkonsum
vorschlägt, sorgt für gehörig Wirbel. Die Reaktionen
reichen von verhaltener Ablehnung bis zu heller Empörung.
Von Simon Fischer
Bern. - "Herausforderung Sucht" heisst ein neues
Grundlagenpapier, das im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit
(BAG) von einer Expertengruppe ausgearbeitet worden ist. Dies haben der
Zürcher "Tages-Anzeiger" und der Berner "Bund" gestern publik
gemacht. In dem Papier werden zehn Leitsätze formuliert, die einen
Beitrag leisten sollen "zu ei- ner kohärenten Politik in Bezug auf
problembehafteten Konsum aller psychoaktiven Substanzen", wie es
heisst. Denn vermeintlich harmlose Drogen wie Alkohol, Tabak oder auch
pathologisches Glücksspiel richteten insgesamt für die
Gesellschaft den weit grösseren Schaden an als harte Drogen wie
Heroin und Kokain.
In dem Leitbild wird deshalb gefordert, dass der Konsum -
nicht
aber der illegale Handel - sämtlicher Drogen künftig
straffrei bleiben soll. "Drogenkonsum soll nicht mehr mit dem
Strafrecht verfolgt werden", erklärt der Zürcher
Präventivmediziner François van der Linde, als
Präsident der Eidgenössischen Kommission für
Drogenfragen einer der Co-Autoren des Papiers. Ein
Heroinabhängiger solle genauso wenig für seine Sucht bestraft
werden wie ein Alkoholiker oder ein Medikamentenabhängiger.
"Völliger Unsinn"
Die Forderung nach Straffreiheit für
Drogenkonsumenten birgt
viel politischen Zündstoff, wie die Reaktionen auf das neue
Leitbild zeigen. Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter etwa sieht
darin die Zwängereien gewisser Kreise, von einer bewährten
Drogenpolitik abzurücken. "Das ist völliger Unsinn",
lässt sich Verbandspräsident Heinz Buttauer in einem
Communiqué zitieren. "Wie wollen wir unsere Jugendlichen noch
schützen, wenn die Polizei keine Möglichkeit mehr zum
Eingreifen hat?", so seine rhetorische Frage.
Noch deutlicher wird der Zürcher SVP-Nationalrat Toni
Bortoluzzi: "Ich finde es eine Sauerei, dass das BAG Ressourcen
einsetzt, um etwas zu propagieren, das vom Stimmvolk vor wenigen
Monaten abgelehnt worden ist", erklärt er mit Blick auf das
wuchtige Nein zur Hanf-Initiative. Es sei die falsche Strategie,
Drogenkonsumenten mit Samthandschuhen anzufassen, erklärt
Bortoluzzi.
Auch der Zürcher FDP-Ständerat Felix Gutzwiller
hat
gegenüber der Stossrichtung der BAG-Experten Vorbehalte. Die
Grundidee sei zwar nicht neu, erklärt er. "Für die konkrete
Schweizer Drogenpolitik bietet das Papier aber keine Alternative." Es
sei im Moment weder nötig noch richtig, einen Kurswechsel zu
vollziehen, sagt Gutzwiller. Und auch bei der Schweizerischen
Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme ist die Skepsis
gross. Den Konsumenten dürfe kein Freipass für ihren
Drogenmissbrauch ausgestellt werden, sagt Sprecherin Monique Helfer.
"Wollen Diskussion lancieren"
Angesprochen auf die teils harsche Kritik erklärt
Co-Autor
van der Linde, Sinn und Zweck des Papiers seien wohl missverstanden
worden. "Es geht uns nicht darum, kurzfristig die ganze Drogenpolitik
über den Haufen zu werfen", sagt er. Das Ziel sei vielmehr, einen
Überblick zu bieten, was in den nächsten zehn Jahren
geschehen müsse, um eine ganzheitlichere Politik betreiben zu
können. "Wir wollen deshalb bereits heute eine Diskussion dazu
lancieren."
BAG-Sprecherin Mona Neidhart betont, das Papier
transportiere
nicht die Meinung des Bundesamts, sondern sei von diesem lediglich in
Auftrag gegeben worden. "Wir betrachten es als Denkanstoss",
erklärt sie. Einen Marschplan für das weitere Vorgehen des
BAG gebe es noch nicht. "Wir werden das Leitbild eingehend analysieren
und dann entscheiden, ob und wie die Ideen weiterverfolgt werden."
---
20 Minuten 3.8.10
"Es gibt keine gute und böse Sucht"
BERN. Drei vom Bund beauftragte Experten-gruppen fordern
die
Entkriminalisierung sämtlicher Drogen. François van der
Linde* nimmt Stellung.
Wieso herrscht in der Suchtpolitik Nachholbedarf?
François van der Linde: Wir müssen wegkommen
von der
Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen. Es gibt keine
gute und böse Sucht. Viel eher sollte man sich am Schadenpotenzial
von psychoaktiven Substanzen orientieren. Dabei fällt auf, dass
gesellschaftlich akzeptierte Drogen wie Alkohol und Tabak deutlich
höhere wirtschaftliche und soziale Schäden verursachen als
illegale Drogen.
Wird gerade gegenüber der Jugend nicht ein falsches
Signal
ausgesendet, wenn man den Drogenkonsum legalisiert?
Es kommt stark darauf an, wie man die Botschaft
kommuniziert. Wir
sagen ja nicht: Nehmt Drogen! Die Bestrafung des Konsums ist nicht
glaubwürdig, wenn gleichzeitig legale Substanzen mit
vergleichbaren Wirkungen toleriert werden. Für die
Jugendprävention bringt unser Ansatz Vorteile: Wie soll man
glaubhaft über Substanzen aufklären, wenn der Konsum verboten
ist?
Der Konsum ist die eine Seite. Was ist mit dem Verkauf von
Drogen?
Dieser müsste stark reglementiert werden, einige
Substanzen
blieben weiterhin verboten. Bei einer kontrollierten Abgabe von
gewissen Stoffen hat der Staat viel mehr Einflussmöglichkeiten.
Wie schätzen Sie die politischen Chancen Ihres
Anliegens ein?
Wir sind nicht naiv, unsere Vorschläge sind derzeit
nicht
mehrheitsfähig. Dies war aber auch nicht unsere Absicht. Wir
wollen eine grundsätzliche Diskussion zum Suchtverhalten unserer
Gesellschaft anregen. Dafür muss man auch mal Tabus brechen.
*François van der Linde ist Präsident der
Kommission
für Drogenfragen.
Interview: Antonio Fumagalli
--
Politischer Widerstand
BERN. Bürgerliche Parteien und der Verband der
Polizei-Beamten reagieren mit Kopfschütteln auf die Anregungen der
Expertenkommissionen: "Das Konsumverbot ist für viele Menschen ein
entscheidender Grund, die Finger von Drogen zu lassen", sagte etwa
SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler gegenüber dem
"Tages-Anzeiger". Das Grundlagenpapier wird zurzeit vom Bundesamt
für Gesundheit geprüft.
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Tagesanzeiger 3.8.10
François van der Linde Für den Drogenexperten ist
der Sucht
mit Strafe und Moral nicht beizukommen.
Oft wurde er gescholten, stets bleibt er gelassen
Von Jean-Martin Büttner
Er lacht. Er habe die Reaktionen mit Interesse zur
Kenntnis
genommen, sagt er und klingt dabei ebenso höflich wie ironisch.
François van der Linde meint die Reaktionen auf den erneuten
Vor- schlag der drei Bundeskommissionen im Suchtbereich, den Konsum
aller Drogen zu entkriminalisieren (TA vom Montag). Die politischen
Kommentare von rechts bis weit rechts folgten wie der Kater auf den
Rausch. Empörung bestimmte den Ton, Verantwortungslosigkeit
lautete der Vorwurf. "Wer am lautesten lärmt", sagt der
Kritisierte, "wird am besten gehört." Was er bedauert: dass die
Reaktionen sich auf die Frage der Entkriminalisierung beschränken.
Dennoch reagiert der 69-Jährige gelassen auf die
Kritik;
überrascht ist er nicht. Das hat damit zu tun, dass der
Präventionsmediziner seit 28 Jahren den Bundesrat aus der
Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen heraus
berät, auch wenn sie früher anders hiess. Dabei hat er in
dieser langen Zeit seine Haltung nicht geändert, unabhängig
davon, wie populär sie gerade war. "Politisch ist unsere Forderung
derzeit nicht opportun", räumt er ein. Das Parlament verweigerte
schon dem Cannabis die Entkriminalisierung, und das Stimmvolk zog nach.
Daran werde sich vorerst nichts ändern, glaubt er, auch nicht
durch den neuen Bericht.
Van der Linde sieht trotzdem keinen Anlass, seine Meinung
zu
revidieren; dazu müssten erst neue Fakten her. Als
Präventivmediziner habe er gelernt, Suchtmittel nach ihrer
Gefährlichkeit einzuteilen und nicht nach ihrer Lega- lität.
Drogensucht habe nichts mit Moral oder Strafrecht zu tun, sie
müsse medizinisch und psychologisch an- gegangen werden. "Es geht
nicht um Werturteile, sondern um das Risikopotenzial." So betrachtet
sei Alkohol gefährlicher als Cannabis, und es seien auch sehr viel
mehr Menschen ab- hängig vom Tabak als vom Heroin.
Klar ist für den Arzt aber auch: "Je grösser das
Suchtrisiko einer Substanz, desto stärker muss ihr Zugang
reguliert werden." Regulierung etwa über den Preis, die
zulässige Menge, die Abgabe- zeiten und eine Ausweispflicht. Dass
er den Konsum entkriminalisieren möch- te, hat für ihn einen
entscheidenden Grund: Nur so lasse sich wirksam Prä- vention
betreiben. Das beste Beispiel bleibt für ihn die kontrollierte
Heroin- abgabe, die den Kontakt zu Schwerstsüchtigen stark
erleichtert habe. Dass diese möglich wurde, führt er auf die
unerträgliche Situation der offenen Drogenszenen zurück,
allen voran im Zürcher Platzspitz und beim Letten.
Die Prävention geht für den Arzt weit über
Aufklärung und Jugendschutz hinaus. Sie lasse sich nur dann mit
Autorität vertreten, wenn auch die Gesellschaft glaubwürdig
auf ihre eigenen Suchtprobleme reagiere. Das sei aber nicht der Fall,
solange die einen Drogen verboten und die an- deren beworben
würden - unabhängig davon, welche grösseren Schaden an-
richteten.
Selbstverständlich müsse sich die Gesellschaft
vor
Gefahren schützen. Der Schutz müsse aber der Gefahr
entsprechen.
Mit Drogen will der Drogenexperte selber nichts zu tun
haben.
Weiss er überhaupt, wie sich eine Sucht anfühlt? Er sei
früher ein massiver Raucher ge- wesen, bekennt er, und er kenne
das drängende Gefühl der Abhängigkeit ganz genau. Und
wie ist er davon los- gekommen? "Indem ich als Präventivmediziner
angefangen habe." Das eine habe einfach nicht zum anderen ge- passt. Er
lacht wieder.
---
Le Temps 3.8.10
Les experts persistent: il faut dépénaliser toutes
les
drogues
Sylvie Arsever
Deux ans après l'acceptation en votation populaire
d'une
loi qui maintient la pénalisation de la consommation et le rejet
d'une initiative visant à décriminaliser le cannabis, un
rapport élaboré par trois commissions
fédérales revient à la charge
Lorsqu'il a été publié en juin, le
rapport
est passé inaperçu. C'est le Tages-Anzeiger qui le met
sur le devant de la scène autour d'une proposition sulfureuse:
dépénaliser toutes les drogues. Ses chances politiques
sont égales à zéro, admet le quotidien zurichois
qui la trouve néanmoins intéressante.
Elle n'est en tout cas pas nouvelle. Cela fait plus de
vingt ans
que les spécialistes réunis dans la Commission
fédérale pour les problèmes liés aux
drogues (CFPD) recommandent de renoncer à punir la consommation
de produits quels qu'ils soient. Divisés au début, les
praticiens sont désormais quasiment unanimes à la
soutenir. Politiquement, c'est une autre histoire…
Alors, pourquoi y revenir maintenant, deux ans
après que
le peuple a confirmé la politique des quatre piliers,
répression de la consommation comprise, et énergiquement
rejeté une dépénalisation limitée au seul
cannabis?
"Cette proposition n'est qu'un aspect accessoire de notre
travail, explique François van der Linde, président de la
CFPD et coauteur du document en cause. L'idée principale
était de proposer un concept intégré de lutte
contre les dépendances, élaboré dans une
perspective de santé publique."
Intitulé "Défi addictions", le rapport a
été rédigé à la demande de l'OFSP
par des délégués des trois commissions
extraparlementaires spécialisées dans la
dépendance: CFPD, Commission fédérale pour les
problèmes liés à l'alcool et Commission
fédérale pour la prévention du tabagisme. "Le
mandat était de réfléchir à un concept de
lutte contre les dépendances qui comprenne, outre les drogues
illégales, le tabac et l'alcool, des comportements addictifs
comme la cyberdépendance et le jeu compulsif" explique Mona
Neidhart, porte-parole de l'OFSP.
Pour développer une "approche durable de la
politique des
addictions", les experts proposent de voir plus loin. Plus loin que la
dépendance - certains problèmes de drogue
précèdent la dépendance. Plus loin que les
substances psychoactives - héroïne et jeu excessif mettent
en jeu les mêmes mécanismes neurobiologiques. Plus loin
que la politique sanitaire: tous les acteurs doivent être
impliqués dans la lutte contre les dépendances.
Ils vont plus loin aussi sur le plan pénal,
remettant en
question l'interdiction de consommer certains produits. Et, c'est
à peine moins controversé, ouvrent la porte à une
réglementation plus poussée de produits que leur statut
légal a jusqu'ici protégés de l'intervention
étatique. La lutte contre l'alcoolisme, laissent-ils entendre,
ne devrait pas se limiter à la protection de la jeunesse. Et
d'autres produits, comme les tranquillisants et les médicaments
visant à améliorer les performances sportives ou
sexuelles devraient être placés dans le viseur de la
politique des addictions.
"Nous proposons de moduler la politique des drogues sur
les
problèmes de santé publique, explique François van
der Linde. Dans cette perspective, nous estimons qu'il faut substituer
à l'interdiction de certains produits une approche plus
intégrée, organisée autour du principe de
réglementation. La réglementation peut comprendre des
interdictions ponctuelles - comme la réglementation de l'alcool
a longtemps compris l'interdiction de l'absinthe - mais il s'agit d'un
concept plus souple, qu'on peut moduler en fonction de la
dangerosité d'un comportement ou d'un produit."
Pas un spécialiste ne le contredira. Mais tant la
possibilité d'un tour de vis en matière de drogues
légales que l'éventualité d'une
dépénalisation de la consommation des autres sont de
nature à soulever de puissantes vagues. Elles ont d'ailleurs
déjà commencé: à droite de
l'échiquier politique, on ne cache pas son scepticisme, et la
Fédération suisse des fonctionnaires de police
s'élève contre le principe d'une
dépénalisation.
Bref: après avoir commandité l'étude
et
l'avoir publiée avec une préface élogieuse de son
nouveau directeur, Pascal Strupler, l'OFSP en semble un peu
encombré: "Nous procéderons à un examen interne
pour nous déterminer au sujet de ces conclusions",
précise Mona Neidhart.
En soi, les experts n'ont pas dit grand-chose que l'OFSP
n'ait
pas étudié ou proposé lui-même dans le
passé. Mais, aujourd'hui, la politique a parlé, le peuple
voté. Et l'impression que les experts tentent de revenir sur ces
décisions peut faire mal. "Ce n'est absolument pas ce que nous
souhaitions, précise François van der Linde. En fait, ce
rapport n'est pas destiné aux politiques mais aux milieux
concernés." Et son premier effet pourrait être, à
moyen terme, une fusion des trois commissions
spécialisées dans les dépendances.
--
Dépénaliser, mais encore?
L'idée que la réglementation est un
instrument de
santé publique plus efficace que la création d'un
marché noir a déjà été
développée souvent
S. A.
Les experts ont réfléchi en termes
généraux et n'entrent pas dans le détail. Le
concept qu'ils développent a toutefois déjà connu
des élaborations plus précises. Il repose sur
l'idée que la réglementation constitue un moyen de
politique de santé plus efficace que la création de
marchés noirs où usagers et trafiquants sont
laissés seuls en face à face.
Dans ce modèle, la consommation de drogue
échappe
à toute sanction. La vente reste en revanche interdite en dehors
de canaux réglementés par l'Etat. Ces
réglementations varient en fonction de la dangerosité des
différentes drogues et peuvent protéger
particulièrement certaines catégories, par exemple les
jeunes. Le Conseil fédéral avait proposé un
modèle de ce genre pour le cannabis, modèle soutenu par
les Etats mais rejeté par le Conseil national. La consommation
de drogues est dépénalisée au Portugal et
partiellement aux Pays-Bas.
---
La Liberté 3.8.10
Une ouverture en faveur de la légalisation des drogues
dépénalisation ● La Suisse est prête
à
reconsidérer la question très sensible de la
légalisation des drogues. Hier, on apprenait que trois
commissions mandatées par la Confédération
proposent de dépénaliser la consommation de toute drogue,
y compris l'héroïne. Cette mesure fait partie d'une
approche durable de la politique des addictions en Suisse,
examinée par l'Office fédéral de la santé
publique. Souvent pionnière dans ce domaine, la ville de Zurich
songe, elle, à légaliser la vente de cannabis sous
contrôle de l'Etat. Le postulat accepté en juin par le
législatif municipal effraie la presse allemande, qui a
aussitôt crié à l'Etat-"dealer". > 3
--
Drogues
Un pas vers la dépénalisation
Alors que la Confédération
réfléchit
à légaliser la consommation de toute drogue, la ville de
Zurich doit examiner la possibilité de vendre du cannabis sous
contrôle.
Ariane Gigon, Zurich
La Suisse veut donner un coup de brosse à sa
politique en
matière de drogues. Hier, on apprenait que trois commissions
mandatées par la Confédération proposent de
dépénaliser la consommation de toute drogue (lire
ci-contre). Souvent pionnière dans ce domaine, la ville de
Zurich songe, elle, à légaliser la vente de cannabis,
sous contrôle.
Lorsque le législatif municipal de Zurich a
accepté
mi-juin, par 67 voix contre 49, un postulat pour l'examen de la vente
de cannabis sous contrôle de l'Etat, l'écho fut
énorme. La "Süddeutsche Zeitung" a aussitôt
crié à l'Etat-"dealer". Après le net rejet, en
novembre 2008, de l'initiative visant à légaliser le
cannabis sur le plan suisse, la décision zurichoise semblait
presque anachronique, d'autant plus que le postulat avait
été déposé par deux jeunes
écologistes en août 2006!
Essai scientifique
Les deux députés, dont l'un, Bastien Girod,
a
été, entretemps, élu au Conseil national,
entendaient sortir des "blocages de la politique suisse de la drogue".
Souhaitant que Zurich fasse une nouvelle fois œuvre de "pionnier", ils
proposaient la vente de cannabis sous forme d'essai scientifique. Une
vente contrôlée assurerait, selon eux, "une protection
efficace de la jeunesse", la remise "d'informations ciblées sur
le cannabis" et un contrôle de la qualité des produits. De
plus, ajoutaient-ils, la répression ne sert à rien,
criminalise des consommateurs occasionnels et coûte très
cher. Mieux vaut consacrer cet argent à la prévention,
selon eux.
Zurich se donne du temps
La ville de Zurich cependant, n'entend pas bousculer ses
habitudes. "Nous ne pouvons pas encore dire sous quelle forme ce projet
se fera et si même il se fera", explique Renate Monego,
directrice des Services municipaux de la santé. "Le postulat
demande qu'on analyse la possibilité de vendre du cannabis sous
contrôle, c'est tout, précise Katharina Ruëgg,
porte-parole du Département de la santé et de
l'environnement de la ville. L'exécutif a deux ans pour le
faire. Nous allons impliquer des experts de tous bords pour analyser la
situation."
Une chose semble sûre: Zurich ne veut pas se lancer
seul.
"Le postulat nous donne la possibilité de faire une analyse
précise de la situation, note Renate Monego. Nous ne voulons pas
nous lancer sans consulter d'autres instances. Nous avons pris contact
avec l'Office fédéral de la santé publique et
savons que d'autres villes sont intéressées, au moins
Berne et Bâle."
Sur le modèle de l'héroïne?
Une des pistes envisagées - mais de façon
encore
très vague - s'inspirerait de l'héroïne sous
contrôle médical. "La remise d'héroïne sous
contrôle médical obéit à des critères
très stricts, rappelle Katharina Rüegg. Même si ces
substances, héroïne et cannabis, sont de nature très
différente, la réponse à donner au postulat se
basera sûrement sur cette expérience." Les
héroïnomanes doivent notamment avoir déjà
essayé, sans succès, plusieurs thérapies. La
question du domicile des personnes bénéficiant de ces
"programmes" (il n'est pas question de vente dans des magasins...) sera
aussi un des points sensibles à discuter.
Le projet zurichois a aussi éveillé
l'intérêt - critique - de la Fondation Addiction Info
Suisse (anciennement "Ispa"). "Nous suivons le projet zurichois avec
intérêt, explique Monique Helfer, porte-parole. Mais la
vente sous contrôle pose le problème de la
légalité, en premier lieu, puisque ni la vente ni la
consommation ne sont autorisées en Suisse."
"Il y a certes de bons arguments pour un projet de vente
contrôlée, sous forme d'essai, ajoute-t-elle. Mais il ne
faudrait pas que le message soit, pour le public: "consommer du
cannabis, ce n'est pas si grave"... On sait que le cannabis peut
perturber le développement des mineurs." Monique Helfer revient
aussi sur la question de la poursuite pénale: "Nous sommes
favorables au remplacement de la sanction pénale par des amendes
d'ordre pour la consommation", explique-t-elle.
La cocaïne en augmentation
Selon l'Office fédéral de la statistique,
environ
500 000 personnes consomment régulièrement du cannabis en
Suisse. Le "Tages-Anzeiger" a calculé que cela
représentait 30 000 personnes pour la seule ville de Zurich. De
son côté, la Fondation Addiction Info Suisse (anciennement
"Ispa") indiquait dans son dernier rapport que l'usage de la plupart
des drogues était resté stable ces dernières
années en Suisse, mais que la consommation de cocaïne
augmentait. Celle du cannabis est en revanche en recul chez les jeunes
âgés de 15 à 24 ans. I
--
Bientôt le droit de consommer?
Trois commissions mandatées par la
Confédération proposent de dépénaliser la
consommation de toute drogue. Cette mesure fait partie d'une approche
durable de la politique des addictions en Suisse, appelée
"Défi addictions", examinée actuellement par l'Office
fédéral de la santé publique (OFSP). "La
consommation de drogue ne doit plus être poursuivie
pénalement", exige François van der Linde,
président de la Commission fédérale pour les
questions liées aux drogues (CFLD). Les héroïnomanes
ne devraient pas être plus punis pour leur addiction que les
alcooliques ou les personnes dépendant des médicaments, a
indiqué le médecin, confirmant un article du
"Tages-Anzeiger" et du "Bund".
Cette exigence n'est pas nouvelle, la CFLD s'engage pour
la
dépénalisation depuis 1989 déjà. Ce qui est
inédit en revanche, c'est que les trois commissions plaident en
sa faveur. La CFLD a élaboré le papier de position
"Défi addictions" avec la Commission fédérale pour
les problèmes liés à l'alcool (CFAL) et celle pour
la prévention du tabagisme (CFPT). L'OFSP est mandataire.
"Ce rapport est une réflexion de fond sur les
drogues et
les addictions", précise le coauteur François van der
Linde. La société doit cesser de considérer qu'il
y a de bonnes et de mauvaises dépendances: il est établi
que les drogues prétendument anodines comme l'alcool causent au
final des dégâts beaucoup plus importants que par exemple
l'héroïne.
Aujourd'hui, le grand défi est dans la consommation
problématique de substances achetées légalement,
écrivent les experts. Parmi celles-ci, ils comptent la
caféine, l'alcool, la nicotine et des médicaments comme
les somnifères, les calmants et les analgésiques.
Beaucoup de gens consomment ces substances pour surmonter des
situations de stress.
Afin de mieux maîtriser les multiples
problèmes de
dépendance, les auteurs proposent dix principes. Parmi ceux-ci
figurent de nouvelles propositions en matière de
prévention. Les fabricants et commerçants de produits
avec un potentiel de dépendance doivent également
être rappelés à leurs devoirs.
Pour l'heure, aucune mesure concrète n'a encore
été élaborée, souligne M. van der Linde.
L'OFSP a lancé une audition sur ces idées, l'avis des
milieux politiques et économiques étant également
demandé. ATS
---
24 Heures 3.8.10
Un rapport met alcool, jeu et héroïne sur pied
d'égalité
Laurent Aubert
ADDICTIONS - Pour des experts fédéraux, une
drogue
est une drogue, qu'elle soit légale ou illégale. Leur
approche relance le débat sur la dépénalisation du
cannabis ou de l'héroïne.
LAURENT AUBERT
"Nous sommes partis du constat que des politiques
différentes pour chaque produit aboutissent à des
réponses parfois incohérentes. Par exemple, la
distinction entre substances légales ou illégales ne
correspond pas forcément à leur dangerosité. "
Cheffe de projet pour la prévention des dépendances au
Service vaudois de la santé publique, Léonie Chinet
avance avec prudence.
Sans doute sait-elle que le rapport"Défi
addictions",signé d'un groupe de travail dont elle est membre et
rédigé sur mandat de la Confédération,
risque de faire des vagues. LeTages-Anzeigera déterré
hier ce document, passé inaperçu lors de sa publication,
fin mai. Selon le quotidien zurichois, ce rapport ne propose rien moins
que de dépénaliser toutes les drogues. Léonie
Chinet nuance: "Le groupe de travail n'a pas formulé de
recommandation visant à légaliser telle ou telle
substance. Il ne travaille pas à ce niveau. "
Le jeu et les médicaments dans le collimateur
Président de la Commission fédérale
pour les
questions liées aux drogues, François van der Linde, lui,
franchit le pas: "La consommation de drogue ne doit plus être
poursuivie pénalement", a-t-il déclaré à
l'ATS.
Dans leur rapport, les experts préconisent
d'adopter une
stratégie globale et de mettre les addictions sur pied
d'égalité. Ils se sont affranchis de notions telles que
la dépendance, le statut légal ou l'âge pour
formuler dix lignes directrices.
Ces dernières proposent tout d'abord
d'élargir le
champ de la lutte contre les toxicomanies en englobant les
médicaments, les produits dopants et les addictions sans
substance (jeu pathologique, par exemple).
Les lignes directrices recommandent aussi que les mesures
de
lutte soient adaptées aux dommages subis par l'individu, ses
proches et la société. C'est dans cette perspective que
les experts préconisent d'abandonner "la distinction simpliste
entre substances psychoactives légales et illégales et la
seule focalisation sur les dépendances".
"Je salue ce rapport, indique Jean-Charles Rielle,
médecin
actif dans la prévention du tabagisme et conseiller national
(PS/GE). Il ouvre de nouvelles pistes basées sur les
expérimentations réalisées en Suisse en
matière de drogue en y associant les politiques menées
dans les domaines de l'alcool et du tabac. "
Pour le Genevois, une telle approche permettra de mieux
lutter
contre la souffrance des consommateurs, contre les effets sur leur
santé et les problèmes sociaux découlant de leur
comportement.
"En tant que médecin, je suis totalement favorable
à une dépénalisation", ajoute Jean-Charles Rielle.
Il estime qu'il convient de parler de réglementation
plutôt que de légalisation, puisque l'Etat devra
définir des normes sur la disponibilité des produits,
leur qualité et la distribution, comme il le fait pour l'alcool
ou le tabac.
"Les mêmes experts"
De l'autre côté de l'échiquier
politique, le
ton diverge. "Je n'approuve pas cette remise en question de la
politique actuelle", affirme Guy Parmelin. "L'alcool n'est pas une
drogue", ajoute le conseiller national (UDC/VD) et viticulteur. Son
collègue libéral Claude Ruey se dit franchement
"agacé". "Le peuple a rejeté les initiatives Droleg
(ndlr: légalisation des drogues en 1998) et pour la
dépénalisation du cannabis (ndlr: en 2008), et
voilà que l'on revient là-dessus. "
Mais le Vaudois ne s'étonne guère: "On
retrouve
toujours les mêmes experts dans ces groupes de travail. " Selon
lui, "la dépénalisation ou la régulation ne marche
pas. L'Etat doit, sans acharnement policier, maintenir la pression pour
éviter l'installation d'un marché. "
Le rapport se trouve maintenant entre les mains de
l'Office
fédéral de la santé publique (OFSP). A lui de
décider quelles suites politiques lui donner. •
---
vspb.org 2.8.10
Luzern, 2. August 2010
"Drogen-Entkriminalisierung ist völliger Unsinn"
Wie verschiedene Tages-Zeitungen in ihren heutigen Ausgaben
melden,
schlägt eine Expertengruppe unter der Führung des Bundes die
Entkriminalisierung aller Drogen und damit den straffreien Konsum vor.
Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter VSPB hat kein
Verständnis für dieses Ansinnen und ortet darin die
Zwängerei gewisser Kreise, von einer bewährten Drogenpolitik
abzurücken. "Das ist ein völliger Unsinn", kommentiert
VSPB-Präsident Heinz Buttauer. Die Hauptproblematik sieht er im
Jugendschutz: "Wie wollen wir unsere Jugendlichen noch schützen,
wenn die Polizei keine Möglichkeit mehr zum Eingreifen hat?",
fragt Buttauer. Der Polizeibeamtenverband hat sich vor zwei Jahren mit
Überzeugung für die Revision des
Betäubungsmittelgesetzes ausgesprochen und weist darauf hin, dass
man es dank dem Vier-Säulen-Modell mit Prävention, Therapie,
Schadenminderung und Repression geschafft hat, die
Drogentodesfälle sowie die Beschaffungskriminalität erheblich
zu senken und von der offenen Drogenszene wegzukommen. "Im November
2008 hat sich das Volk deutlich gegen die Legalisierung von Drogen
ausgesprochen", erinnert Heinz Buttauer. "Das soll auch so bleiben, und
der Volkswille sollte ernst genommen werden." Im straffreien
Drogen-Konsum und -Handel sieht der Polizeibeamtenverband zudem eine
Gefahr für die Verkehrssicherheit und befürchtet negative
volkswirtschaftliche Auswirkungen, insbesondere eine grössere
Belastung für das jetzt schon angeschlagene Gesundheitswesen.
"Wenn mit einer staatlich kontrollierten Abgabe womöglich noch die
Krankenkassen belastet würden, hätte das ganze Volk darunter
zu leiden", gibt der VSPB-Präsident zu bedenken.
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bag.admin.ch 31.5.10
Herausforderung Sucht
Grundlagen eines zukunftsfähigen Politikansatzes für
die
Suchtpolitik in der Schweiz
Gesellschaftliche Beschleunigung, die uneingeschränkte
Verfügbarkeit verschiedenster Produkte, neue
Kommunikationsgewohnheiten: die gesellschaftlichen Realitäten
ändern sich und bilden neue Herausforderungen, auch für die
Suchtpolitik.
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt für Gesundheit
2008 eine
Steuergruppe - bestehend aus den Präsidien und Mitgliedern der
drei Eidgenössischen Kommissionen für Alkoholfragen, für
Drogenfragen und für Tabakprävention - beauftragt, ein
Leitbild für die künftigen suchtpolitischen Herausforderungen
zu verfassen.
Das Leitbild stellt mögliche Ansätze vor, wie auf
diese
wandelnden sozialen Realitäten und auf neue Suchtformen reagiert
werden kann und wie die bisherigen sektoriellen und
substanzorientierten Massnahmen in eine suchtpolitische
Gesamtperspektive integriert werden können.
Fachkontakt: herausforderungsucht@bag.admin.ch
--
Herausforderung Sucht - Langversion
http://www.bag.admin.ch/pdf_link.php?&download=BAG_Leitbild_A4_d_GzD_korr
Herausforderung Sucht - Kurzfassung
http://www.bag.admin.ch/shop/00010/00507/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCJdoF7f2ym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A--
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SQUAT ZH
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Tagesanzeiger 3.8.10
Hausbesetzer harren in der Klinik aus
Küsnacht - Die zehnköpfige Künstlergruppe,
die
seit vergangener Woche die ehemalige Privatklinik St. Raphael in
Küsnacht besetzt hält, gewährt der Polizei nach wie vor
keinen Zutritt zum Gebäude. Gemäss dem Küsnachter
Sicherheitsvorstand Arnold Reithaar (SVP) wartet die Gemeindepolizei
weiterhin ab, bis die Eigentümer über das weitere Vorgehen
entschieden haben.
Das besetzte Gebäude gehört zu einem Teil der
Zürcher Klinik Pyramide, zu einem anderen Teil einer Gruppe von
Belegärzten. Da die meisten Verwaltungsräte der Klinik
Pyramide in den Ferien sind, wird laut Verwaltungsratspräsident
Beat Badertscher erst im Verlauf dieser Woche feststehen, wie die
Eigentümer auf die Hausbesetzung reagieren. "Letztlich geht es um
die Frage, ob wir diese tolerieren oder nicht", sagt er. Badertscher
weist die Behauptung der Hausbesetzer zurück, dass die
Verhandlungen zwischen ihnen und den Eigentümern der Klinik am
Laufen seien.
Zumindest mit den Nachbarn haben die Besetzer aber
Kontakt. In
den letzten Tagen hätten einige Neugierige vorbeigeschaut, sagt
ein Sprecher der Gruppe, die sich Collective Saint Raphael nennt. Das
Verhältnis zu den Anwohnern sei gut. Bei der Gemeinde sind bisher
keine Lärmklagen eingegangen. (miw)
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Zürichsee-Zeitung 3.8.10
Küsnacht Okkupanten stehen angeblich mit Klinik-Besitzern
in
Kontakt - diese dementieren
Besetzer "kommen in Frieden"
Die St.-Raphael-Besetzer werden von den
Klinik-Eigentümern
als "merkwürdig" bezeichnet. Direkten Kontakt gibt es weiterhin
nicht.
Anna Moser
Im verwilderten Garten der Klinik St. Raphael stehen zwei
Steinbänke, daneben blühen pinkfarbene Blumen, und die
Aussichtslage hoch über Küsnacht ist erhaben. Der perfekte
Ort für junge Hausbesetzer, um mussevolle Stunden zu verbringen -
würde es bloss nicht in Strömen regnen wie an diesem
Montagnachmittag. Doch ob sich das "Collective Saint Raphael" bei
Sonnenschein tatsächlich im Garten zeigen würde, ist
fraglich, denn die jungen Leute sind sehr auf Diskretion bedacht.
Zwar wirkt das Haus bereits ein wenig zugänglicher
als noch
am vergangenen Freitag: Die Rollläden sind heraufgelassen, einige
Fenster stehen offen. Das wars dann aber auch schon mit der Offenheit.
Die Kommunikation der Hausbesetzer gegen aussen beschränkt sich
auf ein Papier, das sie von innen an der gläsernen
Eingangstür befestigt haben. "Solange die Verhandlungen mit der
Eigentümerschaft nicht abgeschlossen sind, geben wir keine
Interviews", heisst es da. Und: "Wir kommen in Frieden und respektieren
unsere Nachbarn."
Noch keine Entscheide gefallen
Dumm nur, dass die "Verhandlungen mit der
Eigentümerschaft"
offenbar noch gar nicht begonnen haben. Das jedenfalls sagt Beat
Badertscher, Verwaltungsratspräsident der Klinik St. Raphael AG,
der das Areal gehört. Der Rechtsanwalt ist gestern aus den Ferien
zurückgekehrt und hat von der "merkwürdigen Gruppe", wie er
sagt, erst das Bekennerfax gesehen, das am Donnerstag an die
Küsnachter Gemeindepolizei gesandt wurde. Dass man miteinander in
Kontakt stehe, sei "Unsinn", sagt er.
Über das weitere Vorgehen hat sich der Verwaltungsrat
noch
nicht beraten können. Für Badertscher ist aber klar: "Ich
möchte die Sache in den nächsten Tagen regeln." Von der
Vorstellung einer Zwischennutzung der leerstehenden Klinik sei er
persönlich "nicht begeistert". Gemäss eigenen Angaben wollen
die Besetzer - eine zehnköpfige Gruppe von Kunststudenten - das
Gebäude als "Lebens- und Arbeitsraum" nutzen.
"Denke, dass die ruhig bleiben"
Die Klinik St. Raphael war 2001 von der Klinik Pyramide am
See in
Zürich und einer Gruppe Belegärzte mit der Absicht
übernommen worden, die alte Klinik durch einen Neubau zu ersetzen.
Dagegen wehrten sich Anwohner, was zu jahrelanger Verzögerung
führte. Im Januar 2009 entschied sich der Verwaltungsrat, das
Prestigeprojekt abzublasen, nachdem eine Kapitalerhöhung in der
Ärzteschaft nicht zustande gekommen war. Der Absicht, den Altbau
abzureissen, kam im September der Gemeinderat Küsnacht mit einer
Unterschutzstellung in die Quere. Dagegen ist ein Rekurs der
Eigentümer hängig.
Der Küsnachter Sicherheitsvorstand Arnold Reithaar
sagte
gestern, dass die Polizeipatrouillen bei der Klinik St. Raphael am
Wochenende keine Meldungen ergeben hätten. Der Stromausfall vom
Freitagabend habe nichts mit den Besetzern zu tun gehabt. "Ich denke
auch", sagt Reithaar, "dass die ruhig bleiben werden."
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BIG BROTHER
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St. Galler Tagblatt 3.8.10
Das Auge des Staates
Sommergespräche Die Schweiz überwacht ihre
Bürger
permanent, legt Fichen an, stellt Kameras auf - die Empörung
bleibt aus. Historiker Valentin Groebner sieht darin den hysterischen
Wunsch des Staates und seiner Bürger, den unsichtbaren Gegner
sichtbar zu machen.
Philippe Reichen
Valentin Groebner gehört zu den innovativsten
Geschichtsprofessoren der Schweiz. Sein Spezialgebiet ist die
Geschichte des Mittelalters und der Renaissance. Der gebürtige
Wiener aber ist ein durch und durch moderner Mensch. Sein Äusseres
verrät eine für einen Uni-Professor ungewohnte Lockerheit.
Zum Interview kommt er in Turnschuhen und im Polo-Shirt. Das Outfit
würde ins Fitnessstudio passen, Groebner aber nutzt die
Semesterferien an der Universität Luzern, um im Archiv zu forschen
und für sich sowie seine Studentinnen und Studenten neue,
aufregende Stoffe zusammenzutragen.
Herr Groebner, der Schweizer Inlandnachrichtendienst hat
zu rund
200 000 Personen Daten angehäuft. Journalisten schrieben Anfang
Juli von einem neuen Fichenskandal. Doch die Empörung im Land war
gering. Warum?
Valentin Groebner: Es scheint die Leute tatsächlich
nicht
sehr zu kümmern. Generell scheint für sie das Datensammeln
eher eine positive denn eine negative Wirkung zu haben. Zukünftige
Historiker müssen sich mit dem Fall befassen. Sie müssen
klären, wann die Trendwende einsetzte.
Was lässt sich schon heute feststellen?
Groebner: Hinter dem Fichieren steckt eine Art Vision: Der
Staat
erfasst die Bewegungen seiner Bürger, um mehr zu erfahren, als
jeder Bürger über sich selbst weiss. Dazu hat er heute die
technischen Möglichkeiten. Datenschützer weisen seit
längerem auf die bedrohlichen Effekte der Verknüpfung
elektronischer Daten hin. Ein Grundproblem früherer
Überwachungssysteme war, wie man gesammelte Daten wiederfinden und
zuordnen konnte.
Was hat geändert?
Groebner: Der sortierende Algorithmus hat das allsehende
Auge,
also den lauschenden Polizisten, abgelöst. Die wohltätige
Rechenmaschine ist zur beobachtenden Instanz geworden.
Aber den lauschenden Polizisten im Schnüffelstaat
gibt es
noch.
Groebner: Und die Denunzianten und verdeckten Ermittler
auch.
Aber plus Computer.
Der französische Philosoph Michel Foucault sah in der
staatlichen Überwachung einen klassischen Fall von
"Gouvernementalität". Die Macht zielt nicht mehr auf die
Disziplinierung des einzelnen, sondern auf die Verwaltung der Risiken
innerhalb der Gesamtbevölkerung ab.
Groebner: Foucault hatte damit sicher recht. Mich
interessiert
eher, was für Wünsche mit dem Überwacht-Werden verbunden
sind. Der christlichen Kultur ist die Vorstellung vom allsehenden Auge
Gottes eng vertraut, vom "grossen Buch", in dem die eigenen guten und
bösen Taten aufgeschrieben würden. Der Wunsch nach einer
grossen Instanz, die einen interessiert betrachtet: Stellen deshalb 400
Millionen Facebook-Nutzer freiwillig Allerpersönlichstes ins Netz?
Darum werden also auch Überwachungskameras toleriert.
Groebner: Solange man zur richtigen Gruppe gehört.
Wir
lernen doch an jedem Flughafen: Als wohlhabender Europäer mit
gültigem Pass korrekt identifiziert zu werden, erleichtert einem
das Leben. Sogar die Schweizer haben diesbezüglich eine
ungemütliche Erfahrung gemacht, als die deutschen
Grenzbehörden vor ein paar Jahren für zwei Wochen jedes
Schweizer Auto angehalten und kontrolliert haben. Es gab Staus und
wütende Proteste - eingefordert wurde das Privileg, als
Angehöriger einer Gruppe identifiziert und deswegen eben nicht
kontrolliert zu werden.
Aber braucht es für jegliche Form der
Überwachung nicht
eine Art Phantasma der Verschwörung?
Groebner: Das weiss ich nicht.
Warum sollte uns der Staat sonst überwachen?
Groebner: Ich würde zwischen der theoretischen
Rechtfertigung der Überwachung und der praktischen Polizeiarbeit
unterscheiden. Schon gründliche Grenzkontrollen sind aufwendig und
sehr kostspielig. Die Vorstellung einer vollständig
überwachten Gesellschaft im Inneren, in der alle registriert und
auf Dauer gespeichert wird, ist weder wünschenswert noch technisch
machbar. Da sind weiterhin Denunzianten und V-Leute viel effizienter.
Das Thema Identität und Überwachung, zu dem auch
der
Identitätsklau und die Hochstapelei gehören, beschäftigt
Valentin Groebner seit Jahren. Sein 2004 erschienenes Buch "Der Schein
der Person: Steckbrief, Ausweis und Kontrolle im Mittelalter" ist ein
wissenschaftliches und literarisches Meisterstück. Groebner
schildert präzis und unterhaltend, wie sich Obrigkeiten seit jeher
bemühen, den Menschen registrieren und zweifelsfrei identifizieren
zu können. Seine Forschungsarbeit scheint ihm die Angst vor der
permanenten Überwachung genommen zu haben. Manch aktuelle
Beobachtung belustigt ihn.
Der St. Galler Fichenexperte Niklaus Oberholzer stellt
fest:
Straftatbestände werden immer weiter ins Vorfeld der eigentlichen
Tat verschoben.
Groebner: Das ist richtig, aber vielleicht kein ganz neues
Phänomen. Ab dem Ende der 1960er-Jahre haben Deutschland, Italien,
aber auch Frankreich im Kampf gegen Terroristen Gesetze erlassen, bei
denen kein Straftatbestand erfüllt sein musste und die
Behörden trotzdem eingreifen konnten. Die Befürchtungen
dieser Jahre vor unsichtbaren Untergrundkämpfern muten uns heute
ziemlich hysterisch an - eine eigenartige Angstlust.
Dann gibt es das Phantasma der Verschwörung also doch.
Groebner: Die Verbindungen zwischen Terroristen und
staatlichen
Geheimdiensten waren im Kalten Krieg intensiv und kompliziert; Staaten
bilden geheime Zellen, um andere geheime Zellen zu unterwandern und zu
instrumentalisieren: ein Schattenkrieg jenseits gerichtlicher
Kontrolle. Diese dunkle Seite der Staatsräson, Gegner ohne
Gerichtsverfahren unschädlich zu machen, hat in der
Populärkultur ja einen gut bekannten Namen: James Bond, der Agent
mit der "licence to kill". Immer dort, wo vierzig, fünfzig Jahre
später die Archive geöffnet werden, ob in den USA, in Italien
oder anderswo, stellen Historiker fest, wie eng staatliche
Geheimdienste mit jenen Bedrohungen aus dem Untergrund vernetzt waren,
gegen die der Staat vermeintlich qua Überwachung verteidigt werden
musste, als deren dunkle Spiegelbilder und Kollegen sozusagen.
Aller Überwachung zum Trotz: Den Hochstapler wird es
immer
geben.
Groebner: Genauso wie den Geheimagenten mit echten
falschen
Papieren. Identität ist nicht etwas, das man selbst "hat", sondern
das einem gegeben wird. Ich bin selbst nicht in der Lage zu sagen: Ich
bin Valentin Groebner. Ich brauche die Hilfe des österreichischen
Staats, um das zu beweisen. Der Staat verspricht mir, mich vor den
Massnahmen, die er gegen unerwünschte Individuen durchführen
kann, zu schützen - jedenfalls solange es ihm passt.
Wenn die Identität manipulierbar bleibt: Braucht es
die
Biometrie?
Groebner: Der biometrische Pass, wie er im Jahr 2005
eingeführt wurde, ist recht simpel: Das Gesicht wird in
Millimetern vermessen und in einfachen templates (Vorlagen)
gespeichert. Komplexere Datensätze würden ein zu grosses
"statistisches Rauschen" erzeugen. Denn: Wie bei jeder Technologie gibt
es auch bei der Biometrie eine Schwankungsbreite und die Gefahr, dass
sie als Technologie untauglich wird. Bei zu vielen Zweifelsfällen
bricht das System zusammen. Die Ökonomie der Kontrolle muss
stimmen. Was die Biometrie registriert, sind keine Körper, sondern
Signifikanten, stark vereinfachte äussere Zeichen: Denn was
wäre das für ein Ausweis, der den Menschen ultragenau
registriert, mit dem man aber in der Kontrolle immer steckenbleibt?
--
Valentin Groebner, österreichischer Staatsbürger,
ist, wie sein biometrischer Reisepass verrät, am 9.
Mai 1962
in Wien geboren worden. Er hat in Wien, Marburg und Hamburg Geschichte
studiert und an europäischen und amerikanischen Universitäten
unterrichtet. Seit 2004 ist er Professor für die Geschichte des
Mittelalters und der Renaissance an der Universität Luzern.
Valentin Groebner beschäftigt sich derzeit mit der Geschichte des
Körpers. Sein Nationalfondsprojekt trägt den Titel "Der
Körper als Ware". (phr)
---
NZZ 3.8.10
Drehtür in die Grauzone
Frühere Mitarbeiter aus Geheimdiensten wechseln immer
öfter in die Privatwirtschaft
Die Nachrichtendienste sind in den letzten Jahren stark
gewachsen. Noch grösser ist die Zahl der Firmen, die ähnliche
Dienstleistungen erbringen. Ohne einen Personalaustausch zwischen
öffentlichem und privatem Sektor wäre dies nicht möglich.
Stephan Blancke
In den USA ist es normal, dass Mitarbeiter staatlicher
Geheimdienste in den Privatsektor wechseln und dort für eine
Sicherheitsfirma tätig werden. Das neue Aufgabengebiet ist breit
gefächert und bietet den Geheimdienstlern mit ihren spezifischen
Kenntnissen zahlreiche Ansatzpunkte. Beispielsweise beraten sie
Unternehmen, die sich gegen Wirtschaftsspionage schützen oder in
politisch instabilen Regionen der Welt investieren wollen. Manche von
ihnen sammeln Informationen über die Mitarbeiter von
Konkurrenzfirmen oder über Investitionspläne chinesischer
Banken. Manche sitzen aber auch weiterhin ihren ehemaligen Kollegen
gegenüber, allerdings mit dem feinen, aber für Groll
sorgenden Unterschied, dass sie nun erheblich mehr verdienen, obwohl
sie eigentlich das tun, was sie auch schon früher taten.
Reger Informationsaustausch
Rekrutiert wird auch in die umgekehrte Richtung. Nachdem
einige
Zeit verstrichen ist und gewisse Regeln eingehalten worden sind - dazu
gehört in erster Linie ein anfängliches Verbot der
Kooperation mit den ehemaligen Kollegen -, kann es vorkommen, dass
diejenigen, die eben noch Consultant bei Kroll oder Kissinger
Associates waren, wieder an ihrem Schreibtisch bei der CIA oder dem
technischen Geheimdienst National Security Agency (NSA) sitzen. Das
nennt sich "revolving door" - eine derartige Drehtür gibt es
natürlich auch in anderen Industriezweigen, aber in diesem
speziellen Bereich ist sie besonders delikat. In den USA kann der
Wechsel zwischen dem staatlichen und dem privaten Bereich nämlich
öfter erfolgen, und er wird als besondere Qualifikation betrachtet.
Niemand glaubt daran, dass jene Kooperationssperre
eingehalten
wird. Der "kleine Dienstweg" scheint zu funktionieren: Benötigte
Informationen fliessen rasch und reibungslos, von Kollege zu
früherem Kollege, ohne lästige Auflagen und Kontrollen. Das
macht diese Konstruktion so flexibel und effizient, zugleich aber auch
schwer kontrollierbar. Denn es sind Privatfirmen, die Informationen
sammeln und diese mit staatlichen Geheimdiensten austauschen oder an
Privatfirmen aus dem Bereich Datenanalyse (data mining) verkaufen. Es
sind auch Privatfirmen wie CACI International, deren Mitarbeiter
ehemals beim Staat tätig waren, nun aber den "daily brief" der
Nachrichtendienste erstellen. Siebzig Prozent dieses täglichen
Informationsbulletins für den amerikanischen Präsidenten
stammen aus der Überwachung elektronischer Kommunikation.
Dafür ist die NSA zuständig; diese hat längst Teile
ihrer Arbeit an externe Firmen delegiert.
Kommerzielle Geheimdienste
In Deutschland herrscht immer wieder Erstaunen über
die
vergleichsweise bescheidenen Aktivitäten privater Firmen, die sich
wie Geheimdienste verhalten und es in gewisser Weise auch sind:
Privatwirtschaftlich geführt und mit zum Teil exzellenten
Verbindungen in den staatlichen Sektor, sammeln sie diskret offene und
weniger offene Informationen und bereiten diese für einen Abnehmer
auf. Mancherorts gibt man sich entsetzt über diese Grauzone,
sollte es aber besser wissen. Gewisse dienstrechtliche Vorschriften
verhindern es noch, dass zwischen deutschen Nachrichtendiensten und der
Privatwirtschaft sich die Drehtüren drehen. Nicht wenige
Pensionäre aus den Diensten sind jedoch bereits in der
Privatwirtschaft gelandet, einige von ihnen prominente ehemalige
Abteilungs- und Dienststellenleiter oder gar Präsidenten. Nur der
umgekehrte Weg scheint in Deutschland eine Ausnahme zu sein.
Wer aufmerksam in den vergangenen Jahren die Szene
privater
Ermittler, Detekteien, Auskunfteien und Informationsbroker beobachtet
hat, kann einen Trend erkennen: Zunehmend werden Leute angestellt, die
einst für einen staatlichen Nachrichtendienst gearbeitet haben. Im
Sektor Corporate Intelligence liegen die Verdienstmöglichkeiten
höher als in den staatlichen Organisationen. Ein ehemaliger
Geheimdienstler stellt es so dar: "In der Behörde habe ich schnell
meine letzte Besoldungsstufe erreicht, danach kommt Aktenabbau und ab
und an eine Dienstreise. Ich bin dann zu einem Unternehmen, zu
Diligence, gegangen und als Erstes für eine Woche nach Kolumbien
geflogen." Diese amerikanische Firma, gegründet von früheren
Geheimdienstlern, arbeitet weltweit und beschäftigt bevorzugt
Geheimdienstler.
Fehlende Kontrolle
Während staatliche Geheimdienste aufgrund
gesetzlicher
Vorschriften wenigstens manchmal Rede und Antwort stehen müssen,
tun dies die privaten in der Regel nicht. Der Grad der Abschottung und
Diskretion ist bei ihnen höher. Generell wiegeln
Sicherheitsunternehmen ab, wenn sie auf den Einsatz in der Grauzone
angesprochen werden.
Dabei gibt es einige gut dokumentierte Fälle. So
wurde der
Fall Manfred Schlickenrieder selbst im britischen Parlament diskutiert.
Schlickenrieder, ein ehemaliger deutscher Geheimdienstler, hatte bei
der britischen Firma Hakluyt angeheuert und fortan Greenpeace und die
Gesellschaft für bedrohte Völker infiltriert. Auftraggeber
war die Ölindustrie. Dort sorgte man sich um den guten Ruf und
fürchtete medienwirksame Aktionen von Umweltschützern. Vor
einiger Zeit wurde ferner Toby Kendall enttarnt, der die britischen
Gruppen Plane Stupid und Hands Off Iraqi Oil unterwandert und
ausgehorcht hatte, vermutlich im Auftrag eines privaten Unternehmens.
Attac unter Beobachtung
Auch in der Schweiz stiess ein derartiger Fall auf ein
grosses
Medienecho. So liess Nestlé in den Jahren 2003 bis 2005 eine
Attac-Gruppe im Waadtland überwachen. Nestlé hatte zu
diesem Zweck die schweizerische Sicherheitsfirma Securitas beauftragt,
in der wiederum Personen arbeiten, die entweder direkt aus den Diensten
kommen oder beste Verbindungen zu diesen haben. Eine Mitarbeiterin von
Securitas, die sich als Globalisierungskritikerin ausgab, infiltrierte
die Attac-Gruppe. Auch hier gab es Querverbindungen zwischen
staatlichem Sicherheitsapparat und privaten Firmen. Der mit der
Untersuchung der Affäre beauftragte frühere Kantonsrichter
François Jomini kam zu dem Schluss, dass die Waadtländer
Polizei während des Gipfeltreffens der G-8-Staaten in Evian im
Jahr 2003, als die Westschweizer Behörden mit grossen
Sicherheitsproblemen rechneten, die Überwachung von
Aktivistengruppen durch die Securitas kannte. Die Polizei habe
überdies die Ermittlungsergebnisse verwendet, nach dem G-8-Gipfel
allerdings keine Informationen mehr entgegengenommen.
Im Jahr 2009 wurde ein Strafverfahren gegen das
Sicherheitsunternehmen eingestellt. Der zuständige
Untersuchungsrichter entschied, es seien allenfalls
datenschutzrechtliche Bestimmungen verletzt worden. Diese seien aber
mittlerweile verjährt. Zivilrechtliche Schritte sind hingegen
davon nicht berührt. Attac bezeichnete den Beschluss als politisch
motiviert.
Von Zeit zu Zeit gibt es auch reumütige private
Geheimagenten. So hat ein ehemaliger Mitarbeiter von Beckett Brown
International (BBI), einem seit dem Jahr 2000 nicht mehr existierenden
privaten Dienst aus den USA, den Medien Dokumente zur Verfügung
gestellt, aus denen hervorgeht, wie raffiniert Greenpeace ausspioniert
wurde - offensichtlich ein beliebtes Ziel in der Branche. Von einem
milliardenschweren, börsennotierten Geschäft der privaten
Dienste wie in den USA kann in Deutschland und der Schweiz nicht die
Rede sein. Langsam fangen aber auch hier die Drehtüren an, sich zu
drehen.
Stephan Blancke ist Politikwissenschafter und Publizist
für
nachrichtendienstliche Fragen. Er lebt in Berlin.