MEDIENSPIEGEL 20.8.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, Tojo)
- Reitschule bietet mehr: Chaos-BernAktuell; Müslüm erobert Westschweiz
- (St)Reitschule: Kreuzpuppen-Kunstobjekt polarisiert
- Nachtleben: Stadtrat will Konzept
- Agassizhorn: Keine Umbenennung
- Private Sicherheitsfirmen in den Gemeinden
- Big Brother BE: Knast-Videoüberwachung
- Big Brother Computer: Amtlicher Überwachungswahn
- Big Brother Kantone: Schnüffeln für den Bund
- Big Brother Google: Fotosession in TG
- Big Brother Facebook: GPS included
- Ausschaffungen: Kein Herzfehler bei Ausschaffungstoten?; Nothilfe TG
- Anti-WEF BS: Shopping-Meile vs Demo
- Buch zu Judentum BS 1930er-1950er
- P.M. und "Neustart Schweiz"
- PNOS: Raus aus dem Rheintal
- Drogenliberalisierungsdiskussion
- Zwischengeschlecht gegen GenitalverstümmlerInnen
- Anti-Atom: AKW Leibstadt; JFDP gegen BE-Atomausstieg; AKW-Schäden-Haftung

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REITSCHULE
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Fr 20.08.10
20.30 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6 Berner TänzerInnen.

Sa 21.08.10
13.00 Uhr - Grosse Halle   - oder Lorrainebad: Säbeli Bum II integratives Festival von Freaks für Stars. (Bei Schlechtwetter in der Grossen Halle)
20.30 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6 Berner TänzerInnen.

So 22.08.10
19.00 Uhr - Tojo - Bern Retour - 6 Choreographien von 6 Berner TänzerInnen.

Do 26.08.10  
20.00 Uhr - Rössli - Solifest für die kirchliche Gassenarbeit Bern. Lesung von Matto Kämpf, Konzerte von The Frozen Pony & The Hot Skirts, Reverend Beat-Man, u.v.a.
21.30 Uhr - Hofkino - "Allein machen sie dich ein!" Filmzyklus über die Zürcher Häuserbewegung Teil 7 & 8

Fr 27.08.10
20.30 Uhr - Kino - Tatort Reitschule: "Die Falle" - der letzte Ehrlicher!
23.00 Uhr - Dachstock - C'est Berne. Your local Techno-Heroes!

Sa 28.08.10
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session: London Elektricity & MC Wrec (UK/Hospital), Flowrian & LaMeduza, Lockee, TS Zodiac, MC Matt

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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20 Minuten 20.8.10

Beat-Man & Co in der Reitschule

 BERN. Der Berner Musiker Reverend Beat Zeller alias Beat-Man aus dem Breitenrain rockt am Freitag, 27. August, im Rössli der Reitschule. Am Solifest für die Gassenarbeit sorgen nebst Reverend Beat-Man und Mario Capitanio unter anderem auch die Opium Boys und DJ Vasek Tommy für Stimmung. Dazu gibts eine Lesung von Autor Matto Kämpf. Eingeladen zum Event wurde über Facebook. Die Fete in der Reitschule beginnt um 20 Uhr.

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BZ 20.8.10

Theater Tojo

 In die Welt hinaus - nach Bern zurück

 Das zeitgenössische Tanzprojekt "Bern Retour" wurde von sechs jungen Tänzerinnen und Tänzern ins Leben gerufen, die alle in Bern aufgewachsen sind. Später liessen sie sich im Ausland zu Berufstänzern ausbilden. Nun kommen alle sechs in Bern zusammen und bringen mit, was sie an Ihren Ausbildungsorten gesammelt haben. Für "Bern Retour" werden sechs neue Stücke choreographiert und zu einer abendfüllenden Performance zusammengefügt. Mit: Gianna Grünig, Laura Stierli, Vera Stierli, Cedric Huss, Manuel Wahlen, Michael Wälti.
 pd

 Heute und morgen, je 20.30 Uhr, Sonntag, 19 Uhr, Tojo Theater, Reitschule, Neubrückstrasse 8, Bern.

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Bund 19.8.10

Fulminanter Karrierestart

 Er mag wunderlich verfremdete Synthesizer-Flächen und tiefe Sub-Bässe, der 23-jährige Produzent Marcos Ortega, der unter dem Namen Lorn unlängst einen beachtlichen Avant-Hip-Hop-Erstling zur Welt gebracht hat. Unterschlupf hat dieser im Label-Nest des Laptop-Meisters Flying Lotus gefunden und vertrieben wird das Ganze von der renommiertesten Fachstelle für zukunftsweisende Elektronikmusik, der Firma Ninja Tune. (ane)

Reitschule Rössli Freitag, 20 Aug, 22 Uhr.

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Bund 19.8.10

Bühne "Bern Retour"

 Ein choreografisches Klassentreffen

 Sie studierten in London, Paris oder Amsterdam. Und kehren nun für das Stück "Bern Retour" in ihre alte Heimat zurück.

 Ihre ersten Tanzschritte machten Gianna Grünig, Laura Stierli, Vera Stierli, Cedric Huss, Manuel Wahlen und Michael Wälti in Münsingen und Bern, waren Ballett-Elevinnen oder übten sich in Modern Dance. Und irgendwann war für alle sechs klar, dass sie den Tanz fürs Leben wollten - es verschlug sie an Tanzschulen in Paris, London oder Amsterdam; und doch versiegte der Kontakt zwischen den jungen Berner Tänzerinnen und Tänzern nie ganz. "Wir haben uns in den Ferien immer mindestens einmal zum Kaffee getroffen", sagt Michael Wälti. "Oder sonst haben wir uns über Facebook, Skype oder Telefon ausgetauscht. Und uns manchmal auch gegenseitig unser Leid geklagt."

 Keine Rückkehr für immer

 Vor zwei Jahren hätten sie noch darüber gewitzelt, einmal eine gemeinsame Produktion zu machen. "Nun ist es zustande gekommen - das ist fast ein kleines Wunder", sagt Wälti. "Bern Retour" ist ein Abend mit sechs Kurzchoreografien. "Jeder von uns hatte den Auftrag, eine unabhängige Choreografie zu machen, die auf seinen Erfahrungen in der Ausbildung basiert", so Wälti. Und so dürfte der Abend einen Einblick bieten, welche physischen und choreografischen Formungen die jungen Tänzerinnen und Tänzer an ihren jeweiligen Schulen mitbekommen haben. Es sind Soli und Ensemble-Stücke, die entweder die Unterschiede in den Bewegungssprachen betonen - oder sie zu einem gemeinsamen Dialekt fügen. Gibt es da keine Reibungen? "Nein", meint Wälti, "wir kennen uns ja schon so lange und haben viel Respekt vor den unterschiedlichen Wegen, die jeder eingeschlagen hat."

 Und was bringt die Zukunft? Wird sich das Ensemble von "Bern Retour" wieder auf die alte Heimat besinnen? Zwar werde es vielleicht wieder die eine oder andere Kooperation dieses Kollektivs geben, meint Wälti. "Aber dass jemand seine Basis wieder nach Bern verlegen wird, glaube ich nicht. Im Ausland gibt es viel mehr künstlerischen Input." (reg)

 Tojo-Theater Reitschule Freitag, 20., und Samstag, 21. August, 20.30 Uhr. Sonntag, 22. August, 19 Uhr.

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BZ 19.8.10

TANZ*LOKAL

 "Am liebsten würde ich nur noch tanzen", sagte vor vier Jahren der Germanistikstudent Michael Wälti im Ausgang zu seinem Kollegen. Aus dem Wunsch wurde Realität: Nach Abbruch seines Studiums besuchte der damals 20-Jährige etliche Kurse in Berner Tanzschulen und wurde schliesslich beim Modern Theater Dance Department an der Kunsthochschule Amsterdam aufgenommen.

 Es war ein ungewöhnlich später Start in die Tanzkarriere, und eigentlich auch ein zufälliger. Mit sechzehn wurde Wälti in einen Lindy-Hop-Kurs für Paare   geschleppt, von einem Mädchen, wie er sagt. "Am Anfang hatte ich zwei linke Füsse." Fasziniert war er trotzdem, und die Begründer der Berner Lindy-Hop-Szene Johnny Lloyd und Becky Walters wurden zu wegweisenden Figuren. Im Studium merkte Wälti bald, dass die Uni der falsche Ort für ihn war. "Ich kann einfach nicht sitzen", begründet der heute 24-Jährige seinen Studienabbruch.

 Bewegung hingegen ist das Richtige für ihn. Tänzerisch ist er zeitgenössisch orientiert, die verschiedenen Gastdozenten seiner Schule beeinflussten ihn massgeblich. So etwa Leine & Roebanea, die ihm den abstrakten Tanz näherbrachten. Ein weiteres, sehr wichtiges Vorbild ist für ihn die Choreografin Susana Amarante Duarte. Ihre Arbeit mit Bildern - sie geht bis an die Grenze zum Mimen - faszinierte den Berner sofort.

 Im Zentrum des Tanzens steht für Wälti die Körperpräsenz. Obwohl er sehr perfektionistisch sein könne, sei sein Ziel nicht die technische Virtuosität. Es ist vielmehr das Rohe und Ungeschliffene, das ihn interessiert, das Zusammenspiel von Körpersprache und Vorstellungskraft. "Wie bringe ich einen Körper in einen Zustand, der auch das Publikum bewegt?", ist seine zentrale Frage. Sein Stück "Wash my eyes, kiss my feet" für das Tanzprojekt Bern Retour ist die erste Gruppenchoreografie, die Wälti selbst konzipiert hat und leitet. Beim Proben ging er auch selber instinktiv vor und entwickelte das Stück im Austausch mit den Tanzenden weiter. Ein intensiver Prozess, der ihn in den letzten fünf Wochen komplett absorbiert hat: "Manchmal habe ich das Gefühl, ich sei von einem Stück schwanger."

 Lange trägt er sein "Baby" nicht mehr mit sich herum. Am Wochenende ist Premiere im Tojo Theater in der Reitschule. "Wash my eyes, kiss my feet" ist eine der insgesamt sechs Kurzchoreografien von Berner Tänzerinnen und Tänzern, die ihre Ausbildung alle im Ausland absolvieren.

 Martina Kammermann

 Bern Retour: 20./21. 8. um 20.30 Uhr, am 22. 8. um 19 Uhr im Tojo Theater.

 Reservation:   bernretour@gmail.com

 Die Serie "Kultur*Lokal" stellt junge Künstler, Musiker, Tänzer und Theaterschaffende aus der Region vor.

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REITSCHULE BIETET MEHR
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bernaktuell.ch 20.8.10

Bern Aktuell Nr. 168
Schluss mit der Chaos-Kultur. Stimmen Sie am 26.9.2010 JA zum Verkauf der Reithalle Bern
http://www.bernaktuell.ch/images/168.jpg

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L'Hebdo 19.8.10

PROJECTEURS

 Le combat de Müslüm

 Personnage parodique, ce secondo qui parle le Schwyzerdütsch avec un accent turc s'en prend au président des jeunes UDC Erich Hess dans un clip vidéo.

 Youtube. "Erich Hess-essess. Tellement de stress-essess. Pour toi, c'est toujours de la faute des autres. Pourquoi es-tu si agressif?" Affublé d'un costume fuchsia, d'une fausse moustache et d'un monosourcil, le bonhomme se trémousse sur un air de pop moyen-orientale. Il s'agit de Müslüm, un personnage autoparodique créé par Semih Yavsaner, un animateur de la radio bernoise RaBe.

 Sorte de Borat helvétique, ce secondo s'exprimant dans un suisse allemand teinté d'accent turc se moque du président des Jeunes UDC. Il lui reproche d'avoir lancé une initiative à Berne réclamant la fermeture du centre alternatif de la Reithalle, accusé d'être "un repaire de terroristes et d'extrémistes de gauche". Les Bernois se prononceront sur ce texte le 26 septembre. L'association des contribuables, présidée par le député UDC Thomas Fuchs, a aussitôt menacé de déposer plainte contre les TV et radios qui diffuseraient la chanson, arguant que la loi interdit la publicité politique juste avant une votation. En attendant, la vidéo a déjà été vue plus de 127 000 fois sur YouTube et a atteint la 9e place du hit-parade international d'iTunes. JZ

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(ST)REITSCHULE
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Bund 20.8.10

Die nackte Puppe am Kreuz provoziert

 Seit einem Monat ist auf dem Dach der Reitschule eine Puppe ans Kreuz genagelt - ein provozierendes Objekt zu einem heiklen Zeitpunkt.

 Christian Brönnimann

 Der Anblick ist zumindest ungewohnt: Eine weisse Gipspuppe - ein nackter Frauenkörper - ist mit ausgestreckten Armen an ein Kreuz geschlagen. Der Kopf der Puppe ist feurig rot, um die Hüfte ist ein grosser, schwarzer Dildo gebunden. Über der Puppe ist nicht I.N.R.I (Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum) zu lesen, sondern A.C.I.D, eine der umgangssprachlichen Bezeichnung für die bewusstseinsverändernde Droge LSD. Installiert wurde die Puppe vor gut einem Monat auf dem Dach der Reitschule. Sie diente als Dekor für das grosse Antistadt-Fest auf dem Vorplatz vom 17. Juli.

 In kirchlichen Kreisen ist das Sujet des eigenwilligen Kunstobjekts mehr als ungewohnt: "Die Puppe ist geschmacklos und plump. Und sie kann die religiösen Gefühle Einzelner verletzen", sagt Thomas Gehrig, Sprecher der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Für Karl Graf, Dekanatsleiter der Römisch-katholischen Kirche im Kanton Bern, ist die Grenze des Darstellbaren im öffentlichen Raum überschritten. "Der unsorgfältige Umgang mit einem christlichen Ursymbol ist verletzend", sagt er. Gleichzeitig müsse man aber beachten, wo sich die Puppe befinde. Sie sei wohl als Stück alternativer Kultur zu verstehen und in der Kunst sei viel erlaubt. Schliesslich ermöglichten Kunstwerke auch immer wieder einen neuen Blick auf die Religion. "Es ist aber ein grosser Unterschied, ob ein solches Objekt in einer Galerie oder an gut sichtbarer Stelle unter freiem Himmel zu sehen ist. Letzteres ist problematisch."

 "Denkanstoss, nicht Provokation"

 Erschaffen wurde die Puppe von einer 27-jährigen Frau aus dem Umfeld der Antistadt-Organisatoren. "Das Objekt soll keine Provokation, sondern ein Denkanstoss sein", sagt Fabienne Hafner. "Auf den ersten Blick weiss man nicht, was man von der Puppe halten soll, das regt an." Dass ihr Werk religiöse Gefühle verletze, könne sie verstehen, sagt Hafner. Beabsichtigt sei es nicht. Die Interpretation der Puppe am Kreuz sei offen. Sie könne zum Beispiel als Anspielung auf die patriarchalen Strukturen in Religion und Gesellschaft verstanden werden. "Die Puppe thematisiert die Frage, ob Gott überhaupt ein Geschlecht hat", erklärt Hafner. Der Hinweis auf die Droge LSD deute unter anderem an, dass eine subjektive Wahrnehmung möglicherweise nie absolut sei, und stelle infrage, dass die Dinge wirklich so seien, wie wir sie erkennen.

 Dass die Reitschule so kurz vor der Abstimmung über ihren Verkauf eine Plattform für das eigenwillige Kunstobjekt bietet, betrachten die Reitschülerinnen und -schüler nicht als Problem. Die Mediengruppe schreibt auf Anfrage: "Die Reitschule war schon immer ein Ort für gesellschaftskritische Kunstobjekte. Und das soll auch so bleiben." Dass sich die Reitschule zum jetzigen Zeitpunkt damit ins eigene Fleisch schneidet, glaubt die Mediengruppe nicht: "Da für gewisse Kreise schon nur die schiere Existenz der Reitschule und deren Betreiberinnen und Gäste eine Provokation zu sein scheint, erübrigt sich diese Frage." Dennoch sei geplant, die ans Kreuz geschlagene Puppe nach über einem Monat noch "in diesen Tagen" vom Dach zu entfernen. Laut einer Insiderin gefällt das Objekt auch innerhalb des Reitschule-Kollektivs längst nicht allen.

 Die Sicht der Kunsthistorikerin

 "Aus heutiger, westlicher Sicht ist unbestritten, dass Kunst religiöse Symbole so thematisieren darf", sagt Eva Kernbauer, Kunsthistorikerin an der Universität Bern. Persönlich müsse aber jedermann selber entscheiden, wo die Grenze sei. Und was im öffentlichen Raum toleriert werde, sei eine politische Frage. Die Puppe am Kreuz spiele gekonnt "das kleine ABC der Provokation" durch, sagt Kernbauer - Religion, Drogen, Sexualität. Kunstwerke mit ähnlichen Darstellungen seien weitverbreitet. "Die Religion beansprucht selber sehr viel Platz in der Öffentlichkeit. Da erstaunt es nicht, dass sie zum Angriffsziel wird." Bekannt ist beispielsweise der Fall Kippenberger. Nach heftigen Protesten musste im Mai 2008 ein an ein Kreuz geschlagener Frosch des Künstlers Martin Kippenberger aus einer Ausstellung im Bozener Museion entfernt werden.

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NACHTLEBEN
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Bund 20.8.10

Stadtrat plädiert für ein Konzept zum Nachtleben in der Altstadt

 "Das Nachtleben in der Stadt Bern ist konzeptlos", sagte Manuel Widmer (GFL) gestern im Stadtrat. Der Gemeinderat überlasse es dem Regierungsstatthalter, über das wo und wie des Nachtlebens zu entscheiden. In einer Interpellation haben sich GFL, GLP, SVP, CVP und Jungfreisinn nach dem Verbleib eines Konzeptes fürs Berner Nachtleben erkundigt. Der Vorstoss war als Reaktion auf einen Entscheid des Statthalters lanciert worden, der einer Bar die Überzeit eingeschränkt hatte. Vor den Sommerferien haben die genannten Parteien zudem eine Motion eingereicht, mit welcher der Gemeinderat zur Ausarbeitung eines solchen Nachtleben-Konzepts verpflichtet werden soll.

 Claude Grosjean (GLP) sprach sich für eine Zurückhaltung bei den Auflagen aus, unter denen die Klubs in den Partymeilen der oberen Altstadt zu leiden hätten. Die Lärmklagen dort stammten in der Regel nicht von den wenigen Anwohnern, sondern von Konkurrenten. Die untere Altstadt hingegen müsse vermehrt geschützt werden, sagte Grosjean.

 "Wenn man eine belebte Altstadt will, muss man den Lärm halt in Kauf nehmen", sagte Bernhard Eicher (FDP). Dieser Konflikt werde nie ganz gelöst werden können. Die Antwort des Gemeinderates auf die Interpellation sei enttäuschend, da er es dabei bewenden lasse, seine Nichtzuständigkeit festzustellen, sagte Eicher. SP und GB/JA gingen mit den Interpellanten einig, dass die Regelung des Nachtlebens nicht dem Statthalter überlassen werden dürfe. Der Gemeinderat verzichtete auf eine Stellungnahme. (bob)

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BZ 20.8.10

Stadtrat

 Nachtleben ohne Konzept

 "Über das Nachtleben wird in Bern nur geredet, wenn man über Probleme spricht", sagte GFL-Stadtrat Manuel C. Widmer, alias DJ "Plattenleger MCW" gestern im Stadtrat. In der Hauptstadt, deren Nachtleben sich in den letzten zehn Jahren gewaltig entwickelt habe, fehle ein offizielles Konzept.

 Dieser Zustand sei unhaltbar, so Widmer. "Weder Anwohner noch Klubbetreiber haben Rechtssicherheit." Mit einem Konzept wüssten Neuzuzüger, wo am Wochenende die Post abgeht. "Und Klubbetreiber müssten sich nicht dauernd vor Lärmklagen fürchten." Weil Widmer mit der Gemeinderat-Antwort zu einer Interpellation unzufrieden war, stellte er eine Motion in Aussicht. "Darin verlangen wir ein verbindliches Konzept."
 tob

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bern.ch/stadtrat 19.8.10

3.  Interpellation Manuel C. Widmer (GFL), Claude Grosjean (GLP), Martin Schneider (parteilos), Simon Glauser (SVP), Henri-Charles Beuchat (CVP), Bernhard Eicher (JF): Schluss mit lustig? Wie stellt sich die Stadt dazu, dass das Regierungsstatthalteramt das Nachtleben in der Hauptstadt abzuwürgen versucht? (SUE: Nause) verschoben vom 1. Juli 2010  
09.000344
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/09.000344/gdbDownload

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RABE-INFO
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Fr. 20. August 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_20._August_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_20._August_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2020.%20August%202010
- 62 Jahre Nahostkonflikt: Christenrum als Mittel der Versöhnung zwischen Israeli und Palästinensern
- 50 Jahre Antibabypille: das Verhütungsmittel kommt in die Wechseljahre
- 2010: Das internationale Jahr der Jugend

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Do. 19. August 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_info_19._August_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_info_19._August_2010.mp3&song_title=RaBe-%20info%2019.%20August%202010
- Geschichte der eidgenössischen Volksabstimmungen- Unterschiede und Gemeinsamkeiten
- Erwachsene lernen Velofahren- erste Erfahrungen und Erfolge
- Phobie wegen Zahnarzt. oft belächeltes Problem mit gravierenden Folgen

Links:
http://www.swissvotes.ch/votes/
http://www.provelobern.ch
http://zahnarztangst.ch

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AGASSIZHORN
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BZ 20.8.10

Agassizhorn

 Der "Schandberg" bleibt

 Das Agassizhorn trage den Namen eines Rassisten und müsse umbenannt werden, forderten 2500 Personen. Ohne Erfolg.

 "Das Agassizhorn (3953 m ü. M.) ist ein Berg in den Berner Alpen in der Verlängerung des Nordwestgrats des Finsteraarhorns", lehrt das Lexikon. Und: Es ist nach dem berühmten Schweizer Forscher Louis Agassiz (1807-1873) benannt. Dass Agassiz jedoch nicht nur ein bedeutender Glaziologe, sondern auch ein bedeutender Rassist und Vordenker der Apartheid war, liest man nur in wenigen Nachschlagewerken. Doch Historiker Hans Fässler weiss:   "Er hat eine rassistische Rangfolge der Menschheit entwickelt und sogar die Frage aufgeworfen, ob Schwarze überhaupt Teil der Menschheit seien." Darum lancierte Fässler 2007 eine Petition zur Umbenennung des Alpengipfels in Rentyhorn - nach dem kongolesischen Sklaven Renty, den Agassiz als "Beweis der Minderwertigkeit der schwarzen Rasse" fotografieren liess. 2500 Leute unterschrieben das Bittschreiben, in der Hoffnung, dass der "Schandberg" von der Schweizer Karte verschwinden möge. Tut er aber nicht. "Die drei Gemeinden, die sich das Agassizhorn teilen (Grindelwald BE, Guttannen BE und Fieschtal VS), haben unsere Bitte einstimmig abgelehnt", sagte Fässler gestern auf Anfrage. Der Name habe schon 167 Jahre Bestand, und so solle es auch bleiben. "Ein Umtaufen würde hohe Kosten verursachen (Anpassung Landeskarten) und zu einer allgemeinen Verunsicherung in der bekannten Namensgebung (Hüttenbücher) verursachen", beschied man Fässler aus dem Oberland. Zuletzt, so heisst es zynisch, fordere noch jemand die Neubenennung des Mönchs, weil der die Jungfrau lüstern anstarre.
 pas

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Rundmail 19.8.10

Committee "De-mounting Louis Agassiz"
Hans Fässler
Cunzstrasse 31
9016 St.Gallen
Switzerland
Phone +41 (0)71 288 39 52
Campaign documents under:  http://www.louverture.ch/AGASSIZ.html


Communiqué des Komitees "Démonter Louis Agassiz"

UMBENENNUNG DES AGASSIZHORNS DURCH STANDORTGEMEINDEN
ABGELEHNT. AGASSIZ-AUSSTELLUNG GEPLANT.

Mit Schreiben von Ende Juli 2010 haben die drei Gemeinden, welche sich das Agassizhorn teilen (Grindelwald BE, Guttannen BE, Fieschertal VS), die Petition zur Umbenennung des 3953 Meter hohen Schweizer Alpengipfels in "Rentyhorn" abgelehnt. 2500 Menschen aus aller Welt hatten dies gefordert, weil Agassiz im 19. Jahrhundert einer der wichtigsten Wegbereiter des so genannt "wissenschaftlichen" Rassismus und ein Vordenker der Apartheid gewesen war und als solcher unter anderem den kongolesischen Sklaven Renty als "Beweis der Minderwertigkeit der schwarzen Rasse" fotografieren liess. Das Komitee "Démonter Louis Agassiz", welches die Umbenennung seit Mai 2007 gefordert hatte, ist über diesen Entscheid sehr enttäuscht und bedauert insbesondere, dass nicht einmal der Kompromissvorschlag, einen noch unbenannten Nachbargipfel des Agassizhorns "Rentyhorn" zu taufen, vor den Oberländer Gemeindebehörden Gnade fand.

Das Komitee "Démonter Louis Agassiz" akzeptiert diesen demokratisch gefällten Entscheid. Während dem so genannten "Runden Tisch" zwischen Vertretern des Komitees und den Berner Oberländer Gemeindebehörden im September letzten Jahres wurde von Grindelwaldner Seite die Idee vorgebracht, der Öffentlichkeit die "dunkle Seite" von Louis Agassiz durch eine Ausstellung im Heimatmuseum von Grindelwald näher zu bringen. Das Komitee möchte gerne auf diese Idee zurückkommen und beabsichtig, in den nächsten Monaten und Jahren auf eine solche Ausstellung hinzuarbeiten, die auch in Guttannen und Fieschertal gezeigt werden könnte.

Inzwischen ist der Rassismus von Louis Agassiz im übrigen definitiv zu einem internationalen Thema geworden. Die schweizerisch-haitianisch-finnische Künstlerin Sasha Huber hat ihr Kunstprojekt "Rentyhorn", für welches Sie den Gipfel mit einer Helikopteraktion symbolisch umgetauft hat, im Kunstmuseum von Helsinki ausstellen können und dafür das Buch "Rentyhorn Agassizhorn" (ISBN 978-951-53-3267-7) herausgegeben. In diesen Tagen zeigt sie an der Biennale von Sao Paolo ihr neustes fotographisches Werk "Agassiz: The Mixed Traces Series" sowie das Video "Louis Who?". Ausserdem erscheint in Zusammenarbeit mit der brasilianischen Historikerin Maria Helena P. T. Machado das Buch "(T)races of Louis Agassiz: Photography, Body and Science, Yesterday and Today" mit Texten in Englisch und Portugiesisch. Darin ist zum ersten Mal überhaupt eine Auswahl von 40 jener Bilder abgedruckt, welche Agassiz auf seiner Brasilienreise von 1865/66 anfertigen liess, um - wie schon mit den Daguerrotypien von South Carolina - die "Minderwertigkeit der schwarzen Rasse" und neu auch der ihm verhassten Rassenmischungen zu beweisen.

Weitere Informationen und Bildmaterial:
sasha@sashahuber.com
hafaessler@kst.ch
hmachado@usp.br

Telefonische Anfragen an: Hans Fässler 071 288 39 52

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PRIVAT-POLIZEI
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Bund 19.8.10

"Natürlich wäre es besser, wenn wir Polizisten hätten"

 Immer mehr Gemeinden im Kanton engagieren private Sicherheitsfirmen für Patrouillen.

 Matthias Raaflaub

 "Zerbrochene Bierflaschen auf dem Spielplatz", "Exkremente vor dem Kirchtor", "hirnlose Zerstörungswut". Viele Gemeinden im Kanton Bern schildern die Probleme, denen sie an Wochenenden begegnen, gleich. Vandalismus, Unreinlichkeiten, Saufgelage oder Nachtruhestörungen: Solche Schlagwörter sind - wegen einiger Jugendlicher - vielerorts Realität. Um dagegen etwas zu unternehmen, schicken Gemeinden an Wochenenden Patrouillen los. Doch häufig übernehmen diese Aufgaben nicht Kantonspolizisten, sondern private Sicherheitsdienste. Die Firma Securitas erfüllt solche Ordnungsdienste in 25 Berner Gemeinden. Die Broncos Security zählt 12 Gemeinden zu ihren Kunden. Die Tendenz ist stetig steigend, seitdem der Kanton den Gemeinden im Jahr 1998 die Verantwortung über die ortspolizeilichen Aufgaben überlassen hat.

 "Blättler verkennt die Situation"

 Stefan Blättler, Kommandant der Berner Kantonspolizei, sagte in einem "Bund"-Interview (Ausgabe vom 7. August), dass er die private Konkurrenz bei solchen Patrouillengängen nicht für besonders nützlich hält. Private seien sinnvoll, wo sie ein Objekt, eine Schule oder Ähnliches bewachen sollten, nicht aber für Patrouillengänge, sagte er. Private Sicherheitsdienste trügen "sicher nicht sehr viel zu einer besseren Sicherheit bei". Doch viele Gemeinden sehen angesichts der heutigen Herausforderungen kaum eine andere Möglichkeit. "Natürlich wäre es besser, wenn wir Polizisten hätten", sagt etwa der Ittiger Gemeinderat Bernhard Moser (SP), "aber es ist schlichtweg nicht möglich." Noch deutlicher drückt sich Andreas Walther (Forum), Gemeinderat von Laupen, aus: "Wenn Herr Blättler sagt, die Gemeinden sollten nicht auf Private zurückgreifen, verkennt er deren Situation."

 Das Fazit vieler Gemeinden ist klar: Ohne Private geht es nicht mehr. Die Einsatzstunden der Kantonspolizei, welche den Gemeinden zustehen, genügten für den Einsatz bei Vandalismus und Nachtruhestörungen nicht mehr. Man müsse neuralgische Punkte nicht nur ab und zu, sondern zu kritischen Zeiten dauerhaft überwachen, sagt Walther. Solche Aufgaben könne die Polizei aus Kapazitätsgründen schlicht nicht mehr übernehmen, sagt Walther.

 Keine polizeilichen Befugnisse

 Dabei verfügen private Sicherheitsdienste nicht über polizeiliche Befugnisse. Sie können beispielsweise niemanden zwingen, sich auszuweisen. Festhalten dürfen sie nur, wen sie auf frischer Tat ertappen. Wenn Broncos oder Securitas patrouillieren, müssen sie bei Delikten die Polizei verständigen.

 Allerdings habe man an einem Wochenende in seiner Gemeinde gerade nicht mit Verbrechern zu tun, sagt der Ittiger Gemeinderat Moser. Primär gehe es darum, Präsenz zu markieren und damit vorzubeugen. So begründet auch Lorenz Hess (BDP), Gemeindepräsident von Stettlen, die privaten Einsätze. Beide Gemeinden vertrauen schon mehrere Jahre auf solche Firmen. Manchmal hänge der Entscheid, ob man eine Patrouille losschicken wolle, einzig vom Wetter ab, sagt Hess. Da böten private Sicherheitsdienste grosse Flexibilität. "Wir können noch am Freitag anrufen, wenn wir für das Wochenende eine Patrouille wollen", sagt er.

 Kleineren ist die Polizei zu teuer

 Es gibt aber auch Gemeinden, welche ihre Patrouillendienste von der Kantonspolizei erledigen lassen. So hat die Stadt Thun etwa auf die diesjährigen warmen Monate eine zusätzliche Patrouille eingestellt. "Solche Abmachungen funktionieren gut", sagt Sicherheitsdirektor Peter Siegenthaler (SP). Allerdings kann Thun dies im Rahmen des Ressourcenvertrags mit der Kantonspolizei tun. Will eine kleinere Gemeinde über die Aufgabenbereiche der Polizei bestimmen, muss sie die Leistungen einkaufen. Laut eigenen Angaben hat die Kantonspolizei 24 solche Leistungsverträge geschlossen. Bei Patrouillengängen - so der Tenor aus den Gemeinden - seien Private aber deutlich billiger.

 Die Kosten, die man für die Sicherheit ausgebe, seien verhältnismässig tief oder "nicht riesig", heisst es aus den angefragten Gemeinden. Dennoch geht etwa Laupen seit diesem Sommer einen Schritt weiter und setzt auch zivile Freiwillige ein, um Jugendliche auf der Strasse anzusprechen. "Wir fanden, dass die Gesellschaft nicht alle Verantwortung delegieren kann", sagt Walther. Allerdings müsse man wohl damit leben, dass die Sicherheitsmodelle der Gemeinden auch künftig private Sicherheitsdienste einbeziehen.

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BIG BROTHER KNAST BE
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BZ 19.8.10

Big Brother ist erst bei acht Gefängnissen bewilligt

 Die Kantonspolizei Bern hat bei acht Gefängnissen Videoüberwachung bewilligt. Zudem wollen vier Gemeinden Big Brother.

 Um öffentliche Gebäude zu schützen und den öffentlichen Raum zu überwachen, dürfen der Kanton Bern und seine Gemeinden seit dem 1. Juli 2009 Videokameras montieren. Das Polizeigesetz und die Videoverordnung wurden entsprechend revidiert. Bewilligungsbehörde ist die Kantonspolizei. Diese hat gestern im Internet eine Karte aufgeschaltet. Darauf sind die bewilligten Videoüberwachungsgeräte eingezeichnet. Es sind bis jetzt acht Standorte - allesamt Gefängnisse.

 Die acht Gefängnisse

 Staatlich bewilligt videoüberwacht werden die Anstalten Witzwil, Thorberg, Hindelbank sowie das Massnahmenzentrum St. Johannsen und die Regionalgefängnisse Bern, Biel, Burgdorf und Thun. Weitere Gesuche zur Überwachung von rund 30 öffentlichen Gebäuden sind laut Cédric Meyrat vom Rechtsdienst der Kantonspolizei in Bearbeitung.

 Sämtliche Geräte zur Videoüberwachung - auch die bereits vor dem 1. Juli 2009 bestehenden - müssen von der Kantonspolizei bewilligt werden. Um die öffentlichen Bauten zwischenzeitlich nicht schutzlos dastehen zu lassen, bleiben diese Kameras während der Bewilligungsphase in Betrieb.

 Dies im Gegensatz zu jenen der Gemeinden zur Überwachung des öffentlichen Raums: Diese mussten ausgeschaltet werden, bis das Okay der Kantonspolizei vorliegt.

 Vier Gemeinden wollen

 Umso erstaunlicher ist, dass bislang bei der Kantonspolizei erst vier Gesuche von Gemeinden eingegangen sind. Um welche vier Gemeinden es sich handelt, gibt die Kantonspolizei nicht bekannt.

 Drei Gesuche sind laut Meyrat noch in Bearbeitung. Beim vierten hat die Kantonspolizei ihre Zustimmung erteilt. Bevor die Kameras aber montiert respektive eingeschaltet werden dürfen, muss die betreffende Gemeinde noch eine sogenannte Einsatzverfügung erlassen. Diese muss publiziert werden und kann angefochten werden.

 Dominic Ramel

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BIG BROTHER COMPUTER
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Newsnetz 19.8.10

"Überwachungswahn der Beamten in Bern"

Nicolas Hehl, SDA

 Der Bundesrat möchte Ermittlern die Möglichkeit geben, Spionage-Software in private Computer einzuschleusen. Die "Trojaner-Vorlage" fällt in der Vernehmlassung allerdings durch.

 Mit einer Gesetzesrevision möchte der Bundesrat den Ermittlern die Möglichkeit geben, bei der Verbrechensbekämpfung Spionage-Software in private Computer einzuschleusen. Die Parteien sind skeptisch, die Internet-Gemeinde läuft Sturm.

 Die erst vor einem Jahr gegründete Piraten-Partei, die sich als Vertreterin der Digitalen Generation versteht, erwägt gar das Referendum gegen die umfassende Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF). Ein Entwurf befindet sich derzeit in der Vernehmlassung.

 Wohl brauche die Polizei Mittel zur Verbrechensbekämpfung, hielt Partei-Vizepräsident Pascal Gloor gegenüber der Nachrichtenagentur SDA fest. Man müsse aber aufpassen, dass man dabei nicht zu weit gehe: "Es sind viele kleine Schritte, die wir im Namen der Sicherheit akzeptieren. Und plötzlich haben wir einen Überwachungsstaat", sagte Gloor.

 Gehackte Computer

 Ähnlich tönt es bei Bloggern und Internet-Kommentatoren: Die Rede ist von "Aushöhlung der Bürgerrechte" und "Überwachungswahn der Beamten in Bern". Stein des Anstosses ist die Bestimmung, die den Ermittlungsbehörden das "Einführen von Informatikprogrammen in ein Datensystem" erlaubt.

 Mit solchen sogenannten Trojanern könnten etwa die Tastaturanschläge mitgelesen, die Festplatte gescannt oder das Computer-Mikrofon in eine Wanze verwandelt werden. In Deutschland hatte diese Art der Überwachung hohe Wellen geworfen, das Bundesverfassungsgericht hat deren systematische Anwendung schliesslich für verfassungswidrig erklärt.

 Mit ihren Bedenken ist die Internet-Gemeinde auch in der Schweiz nicht allein: Die SP kritisiert den "schwersten denkbaren Eingriff in die Privatsphäre", die Demokratischen Juristinnen und Juristen sowie der Verein Grundrechte.ch orten einen "Quantensprung der heimlichen Überwachung".

 Kritik kommt keineswegs nur von links. Auch bürgerliche Parteien sind skeptisch gegenüber der Computer-Überwachung: Der SVP etwa sind die Anforderungen für den Einsatz von Trojanern nicht hoch genug, wie sie in einer Stellungnahme schreibt. Die CVP meldet "gewisse Vorbehalte" an und die FDP befürchtet "schwerwiegende Folgen" für die infizierten Computer.

 Hohe Kosten

 Widerstand zeichnet sich quer durch alle politischen Lager und Interessenverbände gegen eine weitere Bestimmung ab: Konkret durchgeführt werden müssten die Überwachungsmassnahmen von Post-, Fernmelde- und Internetanbietern. Die Kosten für die Überwachung, die Datenspeicherung und die nötige Ausrüstung tragen sie selber.

 Das koste rasch Hunderttausende Franken, was für kleinere Provider untragbar sei, sagte Gloor von der Piratenpartei. Die Strafverfolgung sei eine staatliche Aufgabe, die Kosten dafür dürften darum nicht Privaten übertragen werden, kritisiert auch die SVP - für einmal im Chor mit den übrigen Parteien.

 Bundesrat muss über die Bücher

 Auch sonst lassen diese kaum ein gutes Haar an der Vorlage, auch wenn die Bürgerlichen zumindest mit der Stossrichtung der Revision einverstanden sind. Kritisiert werden unter anderem die Verdoppelung der Aufbewahrungsfrist von Daten auf 12 Monate, die Pflicht zur Identifizierung aller Internet-Benutzer oder der ungenügende Rechtsschutz.

 Mit der Revision wollte der Bundesrat die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs an die technische Entwicklung anpassen. Nun muss er wohl noch einmal über die Bücher. Sonst droht der Vorlage das gleiche Schicksal wie der unter dem Stichwort "grosser Lauschangriff" bekannt gewordenen Gesetzesrevision, die das Parlament im April 2009 an den Absender zurückschickte.

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St. Galler Tagblatt 19.8.10

Parteien sind gegen Einsatz von Spionage-Software

 Bern. - Der Staat soll unter die Hacker gehen: Mit einer Gesetzesrevi- sion möchte der Bundesrat Ermittlern die Möglichkeit geben, bei der Ver- brechensbekämpfung Spionage-Software in private Computer einzuschleusen. Die Parteien sind skeptisch, die Internet-Gemeinde läuft Sturm. Die erst vor einem Jahr gegründete Piraten-Partei, die sich als Vertreterin der "digitalen Generation" versteht, erwägt gar das Referendum gegen die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf). Wohl brauche die Polizei Mittel zur Verbrechensbekämpfung, hielt Partei-Vizepräsident Pascal Gloor fest. Man müsse aber aufpassen, dass man dabei nicht zu weit gehe: "Es sind viele kleine Schritte, die wir im Namen der Sicherheit akzeptieren. Und plötzlich haben wir einen Überwachungsstaat", sagte Gloor. Ähnlich tönt es bei Bloggern und Internet-Kommentatoren.

 Stein des Anstosses ist die Bestimmung, die Ermittlungsbehörden das "Einführen von Informatikprogrammen in ein Datensystem" erlaubt. Mit solchen so genannten Trojanern könnten etwa die Tastaturanschläge mitgelesen, die Festplatte gescannt oder das Computer-Mikrofon in eine Wanze verwandelt werden. In Deutschland hatte diese Art der Überwachung hohe Wellen geworfen, das Bundesverfassungsgericht hat deren Anwendung für verfassungswidrig erklärt.

 Mit ihren Bedenken ist die Internet-Gemeinde in der Schweiz nicht allein: Die SP kritisiert den "schwersten denkbaren Eingriff in die Privatsphäre", der Verein grundrechte.ch ortet einen "Quantensprung der heimlichen Überwachung". Kritik kommt keineswegs nur von links. Auch bürgerliche Parteien sind skeptisch gegenüber der Computer-Überwachung: Der SVP sind die Anforderungen für den Einsatz von Trojanern nicht hoch genug, wie sie in einer Stellungnahme schreibt. Auch die CVP meldet "gewisse Vorbehalte" an und die FDP befürchtet "schwerwiegende Folgen" für die infizierten Computer.

 Mit der Revision wollte der Bundesrat die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs an die Entwicklung anpassen. Nun muss er noch einmal über die Bücher. Sonst droht der Vorlage das gleiche Schicksal wie dem so genannten "grosser Lauschangriff", den das Parlament 2009 an den Absender zurückschickte. (sda)

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BIG BROTHER KANTONE
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WoZ 19.8.10

Fichenskandal (1) - Kantonale Polizeibehörden übernehmen Staatsschutzaufgaben im Auftrag des Bundes und bewahren die Daten danach auf. Nun regt sich dagegen der Widerstand der kantonalen Datenschutzbeauftragten.

 Die Dossiers der Kantone

 Von Jan Jirát

 Der nördlichste Kanton der Schweiz ist nicht unbedingt bekannt dafür, Vorreiterrollen zu übernehmen. In Sachen Staatsschutzkontrolle steht Schaffhausen aber an der Spitze einer Entwicklung, die spätestens seit dem Bekanntwerden des neuen Fichenskandals vor rund zwei Monaten eingesetzt hat. Der Schaffhauser Datenschützer Christoph Storrer hat diesen Februar eine "umfassende Kontrolle der kantonalen Staatsschutzdaten durchgeführt" - in direkter Absprache mit dem zuständigen Polizeikommandanten Kurt Blöchlinger. Ein bisher einmaliger Vorgang.

 Rechtlich gesehen war die Kontrolle kein Problem, denn die Fichen exis tieren im Doppel: Die Kantonspoli zei Schaffhausen, das kantonale Organ des Staatsschutzes, erhebt auf Grundlage des Bundesgesetzes zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) Daten und schickt diese anschliessend nach Bern in die nationale Staatsschutzdatenbank Isis.

 Diese Daten sind rechtlich eindeutig Bundesdaten, wobei "es keine Rolle spielt, ob die Datenerhebung oder -aufbewahrung durch Bundes- oder Kantonsorgane oder gar durch Private geschehen ist", wie Felix Endrich, Mediensprecher des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) festhält. "Ein kantonales Kontrollorgan kann in Daten des Bundes nur Einsicht nehmen, wenn eine Zustimmung des NDB dafür vorliegt." Die Kantonspolizei Schaffhausen fasst aber auch Teile von BWIS-Daten in Word-Dokumenten zusammen und legt diese als Ausdruck in einem Ordner ab. "Diese Sammlung ist als kantonale Datenbank vom zuständigen Verteidigungsdepartement (VBS) bewilligt worden", sagt Endrich, "eine Bewilligung des NDB für diese Einsichtnahme war somit nicht notwendig."

 Ruf nach "unabhängiger Kontrolle"

 Der Fall in Schaffhausen könnte wegweisend sein für die anderen kantonalen Datenschutzbeauftragten. Bestehen in ihren Kantonen auch vom VBS bewilligte Datenbanken, so genügt für eine Kontrolle die Zusage des zuständigen Polizeikommandanten - oder je nach kantonaler Rechtslage des obers ten Staatsanwaltes. In Sachen kantonale Datenbanken liegt es nun an den kantonalen DatenschützerInnen zu handeln.

 In den Kantonen regt sich aber auch ein grundsätzlicher Widerstand gegen die aktuelle gesetzliche Praxis: Der Bund erteilt zwar den Auftrag zur Überwachung verdächtiger Personen und bezahlt auch dafür (die Kantone erhielten im Jahr 2009 für Staatsschutztätigkeiten 8,4 Millionen Franken, verteilt auf gesamthaft 84 Stellen), die Ausführung übernimmt aber ein kantonales Organ.

 Während beim Bund - wenn auch auf höchst ungenügende Art und Weise - eine dienstliche, eine parlamentarische (Geschäftsprüfungsdelegation) und eine unabhängige (eidgenössischer Datenschutzbeauftragte) Instanz zur Kontrolle verpflichtet sind, fehlt diese auf kantonaler Ebene - es sei denn, sie werde den DatenschützerInnen freiwillig zugestanden wie in Schaffhausen.

 "In einem funktionierenden Rechtsstaat braucht es eine unabhängige Kontrolle beim Staatsschutz. Diese war bisher auf kantonaler Ebene nicht möglich. Das muss sich ändern", sagt der Basler Datenschützer Beat Rudin und erhält Schützenhilfe von seinen BerufskollegInnen: "Als kantonale Datenschutzbeauftragte will ich wissen, was unsere Staatsschutzleute bei der Kantonspolizei mit den gesammelten Daten im Kanton machen", meint Ursula Stucki aus Baselland, und der Zürcher Datenschutzbeauftragte Bruno Baeriswyl kritisiert die Tatsache, dass "wir das Einverständnis für eine Kontrolle genau von jener Instanz brauchen, die wir kontrollieren sollen". In Zukunft fordert er "klare Regelungen, was unsere Kompetenzen betrifft. Ansonsten gibt es Graubereiche und Unsicherheiten."

 Klare Regelungen gibt es auch im Kanton Schaffhausen nicht. Aber es gibt einen Polizeikommandanten, der in einem Interview mit den "Schaffhauser Nachrichten" sagte: "Ich finde es äusserst wichtig, dass wir in diesem Bereich offen und transparent sind." So konnte der Datenschutzbeauftragte Christoph Storrer ohne Einschränkungen Einsicht in die "kantonalen Staatsschutzdaten" nehmen. Das Ergebnis seiner eintägigen Kontrolle hat er für die WOZ wie folgt zusammengefasst:

 ≥ Die kantonale Datenbank umfasst knapp fünfzig Dossiers, die jeweils einer fichierten Person zugeordnet werden können.

 ≥ Kein Dossier war älter als drei Jahre.

 ≥ Die fichierten Personen werden weitgehend dem rechts- oder linksextremen Bereich zugeordnet.

 ≥ Alle Dossiers fussen auf konkreten Aufträgen des NDB, die Kantonspolizei Schaffhausen führt keinerlei selbstständige Staatsschutztätigkeit aus.

 ≥ Die Dossiers bestehen aus digitalen wie auch aus physischen (Fotos, Flyer, etc.) Elementen, in der Regel umfassen die Berichte mehrere A4-Seiten.

 ≥ Der Zugriff auf die Dossiers ist nach Polizeiangaben streng beschränkt.

 ≥ Im Bereich Datenschutz sind keine Unrechtmässigkeiten zutage getreten. Vom "Sammelwahn" auf Bundesebene kann aus Sicht von Storrer im Kanton Schaffhausen keine Rede sein.

 ≥ Die Kantonspolizei bewahrt Kopien der Staatsschutzdossiers auf, weil der Zugriff auf die nationale Datenbank Isis offenbar schwerfällig ist.

 Letztere Feststellung deckt sich mit jener, die im GPDel-Bericht über die Datenbearbeitung im Isis aus den Kantonen Bern, Basel-Stadt und Genf gemacht wurde.

 Bitte anstecken lassen

 Beim NDB nimmt man die Kritik an Isis zur Kenntnis: "Auch wenn die Benutzerfreundlichkeit zu wünschen übrig lässt, steht Isis den kantonalen Stellen als effektives Hilfsmittel zur Verfügung und wird von diesen auch nachgewiesenermassen rege benutzt. Die Gesamt übersicht besteht nur beim Bund, weshalb die kantonalen Systeme Isis nicht ersetzen können", sagt NDB-Sprecher Felix Endrich. Er sagt auch: "Die Kontrollen durch die kantonalen Datenschutzbeauftragten werden im Übrigen vom NDB voll und ganz unterstützt" und verweist auf den Kanton Zürich, wo "Anfang Juli eine Kontrolle bei der Kantonspolizei in Zusammenarbeit und im Beisein von Vertretern der Nachrichtendienstlichen Aufsicht des VBS und des NDB stattgefunden hat". Die Ergebnisse will der Zürcher Datenschützer Bruno Baeriswyl im September bekannt geben.

 Gleichzeitig versucht derzeit eine Arbeitsgruppe innerhalb des Berufsverbandes der schweizerischen Datenschutzbeauftragten Privatim, ein einheitliches Vorgehen zu entwickeln, um die Kontrollen bei den kantonalen Organen zu verbessern. Es ist höchste Zeit dafür, denn mit Ausnahme von Schaffhausen unterstehen die kantonalen Staatsschutzorgane keinerlei unabhängigen Kontrollen. Das kann weder im Sinne der Datenschutzbeauftragten noch der Zivilbevölkerung sein.

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Fichenskandal (2) - Nachforschungen im Kanton St. Gallen zeigen, dass nicht nur die kantonalen Datenschützer, sondern in der Regel auch die Kantonsregierungen überhaupt keine Kontrolle über kantonale Staatsschutztätigkeiten haben.

 Überflüssiger Fleiss

 Von Harry Rosenbaum

 "Ein Skandal ungeheuren Ausmasses", benennt der St. Galler SP-Kantonsparlamentarier und Anwalt Fredy Fässler in einer einfachen Anfrage an die St. Galler Regierung die erneuten staatsschützerischen Schnüffeleien. Er will vom Regierungsrat wissen, wie der neue Fichenskandal von der Exekutive beurteilt wird, ob und wie die Bürger Innen künftig vor derartigen Übergriffen des Staates geschützt werden und ob die Regierung auch gewillt ist, sich für die Betroffenen einzusetzen, wenn diese Einsicht in die Fichen verlangen.

 Grosse Offenheit erwartet Fässler nicht. "Ich denke, die Antwort wird sehr verwedelt sein", sagt er und macht keinen Hehl daraus, dass er staatsschützerische Datensammlungen ohnehin völlig absurd findet. "Der Staat kann sich ausreichend mit dem Strafrecht schützen", meint er. "Es enthält einen ganzen Katalog von Delikten, die theoretisch im Zusammenhang mit Staatsschutzaktivitäten in Frage kommen." An Stelle geheimer Schnüffeleien verlangt Fässler absolute Rechtsstaatlichkeit. Nur so könnten die Betroffenen die ihnen zustehenden Verfahrensrechte nutzen; die Verfahren fänden auch irgendwann einen Abschluss und würden durch gerichtliche Urteile entschieden. "Mir ist nicht klar, warum die Staatsschützer nicht diesen Weg beschreiten. Wenn sie es nicht tun, heisst das doch, sie wissen überhaupt nicht, was sie denn wirklich schützen wollen und warum", meint Fässler und konstatiert damit beim Staatsschutz vor allem eine fehlende Definition seiner Tätigkeit.

 "Konzeptlose Zusammenstellung"

 Der Präsident der St. Galler Anklagekammer, Niklaus Oberholzer (SP), kann dem Staatsschutz und seiner Umtriebigkeit ebenfalls nichts abgewinnen. Wer nicht im Verdacht stehe, eine Straftat begangen zu haben, der sollte in keiner staatsschützerischen Datensammlung auftauchen, sagt Oberholzer. 1989 habe in dieser Frage ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Jetzt scheine sich das aber wieder umgekehrt zu haben. Es würden Datensammlungen auf Vorrat angelegt, zum Beispiel mit Videoüberwachungen und dergleichen. Wenn etwas passiere, würden die Vorratsdaten abgeglichen.

 "Bei dieser Methode stellt sich automatisch Misstrauen bei den Bürger Innen gegenüber dem Staat und seinen Institutionen ein", fährt der Präsident der St. Galler Anklagekammer fort. Er war 1989 Experte bei der Fichen-PUK. "Dieses Misstrauen verändert das Sozialverhalten. Das sind die politischen und soziologischen Auswirkungen eines Staatsschutzes auf Vorrat." Zur Qualität der aufgeblähten und konzeptlos zusammengestellten Datenbanken meint Oberholzer, dass sie ohne regelmässige Pflege und Kontrolle nutzlos seien.

 KKS ohne Einsicht

 Mit Staatsschutzaufgaben respektive dem Sammeln diesbezüglicher Daten sind im Kanton St. Gallen drei Beamte der Kantonspolizei mit 300 Stellenprozent beschäftigt. Die Beamten würden ausschliesslich im Auftrag des Bundes arbeiten und erhielten keinerlei Aufträge des Kantons, sagt Hans-Rudolf Arta, Generalsekretär des kantonalen Sicherheits- und Justizdepartementes. "Sie sind im Rahmen des Bundesgesetzes zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS) tätig. Die Verantwortung für den Staatsschutz liegt beim Verteidigungsdepartement (VBS). Der Kanton St. Gallen führt keine eigene Staatsschutz-Datenbank. Die drei Polizisten sammeln die Daten allein nach den Vorgaben des Bundes", führt Arta weiter aus.

 Laut dem Generalsekretär erhalten kantonale Behörden, auch die Vorgesetzten der drei Beamten und selbst die Departementschefin, Regierungsrätin Karin Keller-Sutter, keine Einsicht in die Datenbanken. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren verlangt jetzt in einem Vorstoss, dass der Bund die Kantone über die Datenbanken des Staatsschutzes informiert. Bisher ist der jährliche Staatsschutzbericht die einzige Informationsquelle.

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NZZ 19.8.10

Aufsicht über Staatsschutz in den Kantonen wird verbessert

 Die ersten Reaktionen auf die Neuerung sind positiv

 Nachdem bekanntgeworden ist, dass der Nachrichtendienst zu viele irrelevante Daten sammelt, wird nun die Aufsicht über die Staatsschutztätigkeit in den Kantonen verbessert.

 dgy. Bern · Als die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) der eidgenössischen Räte vor der Sommerpause publik machte, dass der Nachrichtendienst des Bundes 120 000 Personen registriert hat, zeigte sich, dass die Ursachen auch in den Kantonen zu suchen sind. Kantons- und gemeindeeigene Organe nehmen nämlich im Auftrag des Bundes und gestützt auf das Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) Staatsschutzaufgaben wahr. Welche und wie viele Meldungen gemacht werden, liess sich bisher aber kaum überprüfen.

 Basler Grossräte im Visier

 Um diese Kontrollen zu verbessern, hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom Mittwoch die Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes angepasst. Denn bisher erlaubte der Bund den Kantonen keine Dateneinsicht, nahm aber die Kontrollfunktion seinerseits zu wenig wahr. Aufmerksam wurden die Kantone auf diese Lücke, nachdem 2008 im Kanton Basel-Stadt sechs Grossräte ins Visier des Staatsschutzes geraten waren. Der Basler Sicherheits- und Justizdirektor Hanspeter Gass (fdp.) und auf dessen Druck auch die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) forderten in der Folge mehrfach Einsicht in die durch die Kantone selbst erhobenen Daten.

 Janiak zeigt sich zufrieden

 Die geänderte Verordnung sieht vor, dass die Kantone eine Liste jener Aufträge erhalten, die der Bund den kantonalen Staatsschutzorganen erteilt hat. Gestützt darauf prüft ein vom kantonalen Vollzugsorgan getrenntes Kontrollorgan unter anderem, wie und wo die Informationen beschafft und ob die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Die kantonale Aufsichtsstelle kann auf Gesuch auch Einsicht in im Auftrag des Bundes bearbeitete Daten nehmen. Sie benötigt dafür aber die Zustimmung des Nachrichtendienstes des Bundes. Bei Streitigkeiten entscheidet das Verteidigungsdepartement (VBS), wobei dessen Entscheid gemäss den allgemeinen Regeln im Bundesgerichtsgesetz ans Bundesgericht weitergezogen werden kann.

 Die Neuerungen treten am 1. Oktober in Kraft. Sicherheitsdirektor Gass begrüsste die Revision. Ein erstes Ziel sei damit erreicht, die Verordnung entspreche dem, was die KKJPD im Frühling mit dem VBS ausgehandelt habe. Nun komme es darauf an, wie die Neuerungen in der Praxis umgesetzt würden. Dies betonte auch GPDel-Präsident Claude Janiak (Basel-Landschaft, sp.). Die Anpassungen stellten einen wichtigen Schritt dar. Ausschlaggebend sei jetzt, dass die Kantone die Aufsicht tatsächlich auch ausübten.

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Basler Zeitung 19.8.10

Staatsschützer unter Kontrolle

 Umstrittene Verordnung

 Fachgruppe 9. Der Bundesrat hat eine neue Verordnung erlassen, wie kantonale Behörden die kantonalen Staatsschützer kontrollieren können. Die Revision ist auf Druck des Kantons Basel-Stadt zustande gekommen, der nach der Fichierung von Basler Grossräten eine Kontrolle der kantonalen Staatsschutztruppe "Fachgruppe 9" gefordert hatte. Während der Basler Justizminister Hanspeter Gass (FDP) die neue Verordnung lobt und kantonal rasch umsetzen will, ist Dominique König (SP), die Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission, überhaupt nicht zufrieden. Sie erhält Unterstützung durch den Basler Staatsrechtler Markus Schefer, der urteilt, es fehlten weiterhin griffige Bestimmungen für die wirksame Kontrolle des Staatsschutzes.  cm  > Seite 33

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Kontrolleure in engen Fesseln

 Basel-Stadt muss seine Staatsschutz-Verordnung überarbeiten

Christian Mensch

 Der Bund hat die Kontrolle des Staatsschutzes in den Kantonen neu geregelt. Griffige Bestimmungen fehlten, sagt der Staatsrechtler Markus Schefer.

 Justiz- und Polizeidirektor Hanspeter Gass hat sich stets optimistisch gezeigt: Eine Bundesregelung, die auch kantonale Staatsschutz-Mitarbeiter einer Kontrolle unterstellen, sei auf gutem Weg. Seit gestern liegt der überarbeitete Artikel 35 der Staatsschutz-Verordnung vor, auf Oktober setzt ihn der Bundesrat in Kraft.

 Die Verordnung liest sich im ersten Absatz gut: Für die Dienstaufsicht sind kantonale Organe zuständig, es kann dazu ein eigenes Kontrollorgan geschaffen werden. Auch die Aufgabenstellung beginnt positiv: Die kantonale Dienstaufsicht hat zu prüfen, ob die Verwaltungsabläufe den massgebenden Rechtsvorschriften entsprechen. Und sie hat zu prüfen, ob eine saubere Trennung zwischen polizeilichen und staatsrelevanten Akten stattfindet. Dies jedoch lediglich "gestützt auf einer Liste der vom Bunde erteilten Aufträge". Markus Schefer, Staatsrechtsprofessor der Universität Basel, sagt, mit dieser Einschränkung könnten die Aktivitäten der kantonalen Staatsschützer nicht umfassend kontrolliert werden.

Auf Gesuch.

Die Kontrolleure haben weitere Auflagen: Bevor eine für die Kontrolle notwendige Dateneinsicht stattfinden kann, muss die kantonale Dienstaufsicht die Genehmigung des Nachrichtendienstes des Bundes einholen. Das Gesuch muss zudem spezifisch begründet sein. Ablehnende Entscheide können zwar bis zum Bundesgericht angefochten werden, doch das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport kann jederzeit "wesentliche Sicherheitsinteressen" geltend machen. Für Schefer ist klar, dass damit griffige Bestimmungen fehlten, um eine Kontrolle zu ermöglichen. Die neuen Regelungen würden es den Staatsschützern gestatten, "business as usual" zu betreiben.

 Der Entscheid des Bundesrates hat direkte Konsequenzen auf die von der Basler Regierung im vergangenen September verabschiedete Verordnung über den kantonalen Vollzug des Bundesgesetzes zur Wahrung der inneren Sicherheit. Die kantonale Verordnung wollte ursprünglich die kantonale Staatsschutztruppe durch drei unabhängige Personen ergänzen. Diese Kontrolleure wären weisungsungebunden und hätten das volle Einsichtsrecht in die Arbeit der Staatsschützer. Nun sollen drei Persönlichkeiten unter dem direkten Vorsitz von Gass den kantonalen Staatsschützern auf die Finger schauen - mit eingeschränkten Kompetenzen.

Testphase.

Für Dominique König, Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission, liegt die Regelung weit hinter den Erwartungen. Hanspeter Gass ist jedoch weiterhin zuversichtlich. Die kantonale Verordnung soll nun angepasst und rasch in Kraft gesetzt werden. Kritikern entgegnet er, man solle doch die neue Verordnung zuerst testen. Wenn sie nicht funktioniere, so verspricht Gass, werde er mit dabei sein, um eine erneute Revision der Staatsschutz-Verordnung einzufordern.

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St. Galler Tagblatt 19.8.10

Bund verbessert Kontrolle über Staatsschutzaktivitäten

 Der Bundesrat will eine bessere Kontrolle der Staatsschutzaktivitäten in den Kantonen ermöglichen. Er hat die Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes geändert.

 bern. Gefordert hatten dies die Kantone nach der Basler Fichenaffäre: 2008 wurde bekannt, dass Basler Grossrätinnen und Grossräte vom Bund fichiert wurden. Nun seien die Verantwortungen und Aufgaben der verschiedenen Kontrollorgane klarer definiert, schreibt das Verteidigungsdepartement (VBS). In der neuen Verordnung steht, dass die kantonale Dienstaufsicht Einsicht in Daten nehmen kann, die der Kanton im Auftrag des Bundes bearbeitet.

 Künftig Listen für Kantone

 Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) muss dieser Einsichtnahme aber zustimmen. Bei Streitigkeiten entscheidet das VBS. Es verweigert die Dateneinsicht dann, wenn "wesentliche Sicherheitsinteressen" dies erfordern. Die kantonale Aufsicht erhält künftig Listen jener Aufträge, die der Bund den Staatsschützern in ihrem Kanton erteilt hat. Gestützt auf diese Listen prüft die Aufsicht unter anderem, wo und wie die Informationen beschafft werden und ob dabei die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden.

 Bessere Aufsicht nun möglich

 Die Staatsschützer in den Kantonen sind vom Kanton angestellt, arbeiten aber für den Bund. Deshalb kann der Kanton sie heute nicht wirksam beaufsichtigen. Mit den Listen wisse die kantonale Aufsicht künftig, "woran die Leute arbeiten", sagte der Basler Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass im Frühjahr. Auf Bundesebene ist die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) für die Aufsicht über den Nachrichtendienst zuständig. Ende Juni hatte sie dort Missstände angeprangert. (sda)

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admin.ch 18.8.10

Bundesrat verbessert Kontrolle der Staatschutzaktivitäten in den Kantonen

Bern, 18.08.2010 - Der Bundesrat verbessert die Kontrolle der Staatschutzaktivitäten in den Kantonen durch eine klarere Definition der Verantwortungen und Aufgaben der verschiedenen Kontrollorgane. Er hat dazu eine Teilrevision der Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes (V-NDB) genehmigt.

Im Zusammenhang mit der im Jahre 2008 bekannt gewordenen Fichierung von Basler Grossrätinnen und Grossräten durch den damaligen Dienst für Analyse und Prävention (DAP) - heute Nachrichtendienst des Bundes (NDB) - wurde von kantonaler Seite der Ruf nach verstärkten kantonalen Kontroll- und Aufsichtskompetenzen laut. Nach einer Aussprache zwischen einer Delegation der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) und dem Chef VBS wurde eine Arbeitsgruppe VBS-KKJPD beauftragt, die Verantwortungen der Kontrollorgane in den Kantonen und im VBS genauer zu definieren und die entsprechenden Aufgaben klarer zu umschreiben. Bei Daten, die unter der Datenherrschaft des Bundes stehen, weil ihre Beschaffung vom Bund in Auftrag gegeben und von ihm auch finanziert wird, sollte zudem die Einsichtnahme der Kantone präzisiert werden.

Die von der Arbeitsgruppe gemachten Vorschläge führten zu einer Teilrevision der V-NDB. Die KKJPD nahm an ihrer Plenarsitzung vom 8. April 2010 bereits zustimmend von der vorgeschlagenen Verordnungsänderung Kenntnis. Die Änderungen treten am 1. Oktober 2010 in Kraft.

Adresse für Rückfragen:
Martin Bühler
Sprecher VBS
031 324 50 86
Herausgeber:

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

Internet: http://www.vbs.admin.ch

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Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes (V-NDB) (pdf, 20kb)
http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/20085.pdf

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BIG BROTHER GOOGLE
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St. Galler Tagblatt 20.8.10

Google fotografiert im Oberthurgau

 Der Internet-Riese schiesst zurzeit in der Region Bilder für seinen Strassenfotodienst Street View. Veröffentlichen darf Google die Bilder jedoch nicht. Es bleibt ein rechtsgültiges Urteil des Bundesverwaltungsgericht abzuwarten.
 Alessandro reho

 Wem dieser Tage im Oberthurgau ein Auto mit einer sonderbaren Kamerainstallation auf dem Dach entgegenfährt, braucht sich nicht verwundert die Augen zu reiben. Es handelt sich dabei nicht um den Dienstwagen eines Geheimdienstes, auch wird in der Region kein neuer Blockbuster gedreht. Das Gefährt gehört Google und schiesst Bilder für das Online-Navigationsprogramm Street View.

 Neun Kameras

 "Neben anderen Regionen der Schweiz sind wir auch in Arbon, Bischofszell und Kreuzlingen unterwegs", bestätigt Matthias Meyer, Pressesprecher von Google Schweiz. Die auf dem Google-Auto installierte Plattform enthält neun Kameras für eine 360-Grad-Ansicht, ein GPS-Gerät zur Standortermittlung sowie ein Laserentfernungsmesser. "Wichtig ist zu sagen, dass wir damit nicht filmen, sondern fotografieren", so Meyer. Die Bilder werden von öffentlichen Strassen und Plätzen aus aufgenommen. Danach werden die Bilder per Computerbearbeitung zu einem 360-Grad-Panoramabild zusammengefügt.

 Eine Spezialsoftware erkennt auf den Bildern Gesichter und Autokennzeichen und macht sie automatisch unkenntlich. "Dies funktioniert in über 98 Prozent der Fälle", sagt Matthias Meyer. Erkennt man sich trotzdem auf den Bildern oder will man sein Haus entfernen lassen, ist dies über den Link "ein Problem melden" in jeder Street-View-Ansicht möglich.

 Daten aufgezeichnet

 Viele reagieren auf Street View mit Skepsis. Kürzlich erst sorgte der Strassenfotodienst bei der deutschen Bundesregierung für hitzige Diskussionen. Nun will man in Deutschland den Gebrauch von Geodaten grundlegend regeln, ein Gesetz speziell für Street View soll es aber nicht geben. Auch kam Google unter Beschuss, als bekannt wurde, dass die "Street-View"-Wagen zum Beispiel in Deutschland und Frankreich beim Vorbeifahren persönliche Nutzerdaten aus ungeschützten drahtlosen Computernetzen aufgezeichnet hatten. Der Internetkonzern behauptete damals, es hätte sich um einen Softwarefehler gehandelt. Die Daten wurden gelöscht, die entsprechende Software überarbeitet.

 Verbot in Österreich

 Die Panne um die Speicherung von Benutzerdaten hat Konsequenzen nach sich gezogen. Österreich hat dem Internet-Riesen im Mai dieses Jahres verboten, weitere Bilder im Land aufzunehmen, bis der Sachverhalt geklärt ist.

 In der Schweiz sorgte Street View ebenfalls für Aufsehen. Ende letzten Jahres klagte der eidgenössische Datenschützer Hanspeter Thür vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen Google. Ein Dorn im Auge waren dem Datenschützer ungenügend unkenntlich gemachte Gesichter. Aber auch die Zoomfunktion und die Höhe der Kamera von 2,75 Meter, welche beispielsweise Blicke in Gärten erlauben würde, kritisierte Thür. Google einigte sich daraufhin mit dem Datenschützer, bis zu einem rechtskräftigen Gerichtsurteil keine weiteren Bilder von der Schweiz mehr ins Internet zu stellen. Es dürfen aber weiterhin Bilder aufgenommen werden.

 Wöchentlich aktualisierte Informationen darüber, wo Google gerade Bilder aufnimmt finden sich unter folgendem Link:

http://www.google.ch/help/maps/street view/where-is-street-view.html

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 Auto in Arbon demoliert

 Erst Anfang Juni wurde in der Region ein Google-Street-View-Auto demoliert, wie "Blick online" berichtet. Das Auto war in einem Arboner Wohnquartier geparkt, auf dem Dach eine installierte Kamera. Mit einem vermutlich spitzen Gegenstand wurde die Frontscheibe eingeschlagen. Anzunehmen ist, dass es der Akt eines Street-View-Skeptikers war, denn es wurden keine weiteren Autos beschädigt. (are)

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BIG BROTHER FACEBOOK
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Basler Zeitung 20.8.10

Ein Klick, und deine Freunde wissen, wo du bist

 Facebook verärgert Datenschützer in den USA mit einer neuen Funktion

 Facebook-Nutzer in den USA können ab sofort in Echtzeit verfolgen, wo ihre Online-Freunde sich gerade aufhalten. Erste Kritiker melden sich bereits zu Wort.

 Das Online-Netzwerk Facebook schaltete am Mittwoch die Funktion Facebook Places frei, bei der Internethandys automatisch den aktuellen Standort des Nutzers mitteilen. Wer den Dienst aktiviert, kann über sein Smartphone dann etwa mitteilen, welches Restaurant oder Hotel er gerade betritt.

 Der Dienst ist zunächst nur in den USA verfügbar, soll künftig aber für alle derzeit 500 Millionen Facebook-Nutzer weltweit zu nutzen sein.

 Smartphone nötig

Wer Facebook Places nutzen will, muss ein iPhone oder ein anderes bestimmtes Smartphone besitzen. Wenn der Dienst freigeschaltet wird, liest das Gerät über den eingebauten GPS-Empfänger den aktuellen Standort ab und übermittelt ihn an Facebook. Dort können dann die Onlinefreunde sehen, wo sich der Places-Nutzer gerade aufhält.

 Places ist der erste standortbezogene Dienst von Facebook. Diese Dienste gelten angesichts der zunehmenden Verbreitung von Smartphones als zukunftsträchtig. Sie ermöglichen Nutzern beispielsweise auch, nahegelegene Restaurants, Hotels oder Geschäfte zu finden.

 Kritik

Unmittelbar nach der Ankündigung gab es erste Kritik von amerikanischen Datenschutz-Aktivisten. So bemängelte die kalifornische Bürgerrechtsorgansiation ACLU, dass ein Nutzer ihn begleitende Freunde auch ohne deren Zustimmung an einem bestimmten Ort anmelden kann.

 Ausserdem sei problematisch, dass auch Software von Facebook-Partnern auf die Ortsangaben zugreifen könne. Facebook betont hingegen, dass die Nutzer detailliert festlegen könnten, wer ihren Aufenthaltsort sehen kann und wer nicht.  SDA

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AUSSCHAFFUNGEN
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Newsnetz 20.8.10

Doch kein Herzfehler?

sda / oku/mrs

 Der Anwalt des bei seiner Ausschaffung verstorbenen Nigerianers glaubt nicht, dass der Mann an einer Herzkrankheit litt. Er fordert ein neues Gutachten.

 Der Ausschaffungshäftling, der am 17. März kurz vor der Rückführung nach Nigeria auf dem Flughafen Zürich starb, soll doch nicht an einer schweren Herzkrankheit gelitten haben. Der Anwalt der Hinterbliebenen fordert ein neues Obduktionsgutachten.

 Der Anwalt liess das Obduktionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin (IRM) der Universität Zürich von anderen Ärzten überprüfen, wie er am Freitag mitteilte. Gemäss IRM-Gutachten bestand beim Verstorbenen eine "schwerwiegende Vorerkrankung des Herzens".

 Vorausgegangener Hungerstreik

 Diese war nicht bekannt und ist - so das Gutachten - zu Lebzeiten praktisch nicht diagnostizierbar. Zum Tod des 29-Jährigen beigetragen hätten aber auch der vorausgegangene Hungerstreik und ein akuter Erregungszustand, in welchem sich der Verstorbene im Rahmen der versuchten Ausschaffung befand.

 Die vom Rechtsvertreter der Angehörigen des Verstorbenen kontaktierten Ärzte kamen nun aber zu einem anderen Schluss. Die vom IRM genannte Diagnose sei keineswegs gesichert, heisst es in der Mitteilung weiter.

 Unklare Befunde

 Die Befunde der Autopsie würden nicht einer solchen schweren vorbestehenden Herzkrankheit entsprechen. Die Todesursache sei damit noch nicht geklärt. Der Anwalt beantragte deshalb bei der Staatsanwaltschaft ein erneutes Obduktionsgutachten.

 Der Verstorbene hätte am 17. März ausgeschafft werden sollen und starb bei der Zwangsausschaffung auf dem Flughafen Zürich. Nach dem Tod des Häftlings wurden die Sonderflüge für Zwangsausschaffungen vorerst ausgesetzt und Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet. Nach dem veröffentlichten IRM-Gutachten wurden die Sonderflüge im Juli - ausser nach Nigeria - wieder aufgenommen.

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Thurgauer Zeitung 20.8.10

Asyl: Die Ausschaffungen stocken

MARC HALTINER

 Nicht nur die Kosten für die Nothilfe steigen rasant. Im Thurgau beziehen zurzeit 60 Asylbewerber Nothilfe - so viele wie noch nie. Trotz Bundeshilfe harzt der Vollzug.

 Frauenfeld - Inzwischen gehen sogar die Reserven des Bundes zur Neige: Die Kosten des Bundes für Nothilfe, die 2008 für abgewiesene Asylbewerber eingeführt wurde, erhöhten sich von 9,5 Millionen Franken auf 17,4 Millionen Franken im letzten Jahr. Als Begründung verweist das Bundesamt für Migration auf mehr negative Asyl- entscheide. Und: Asylbewerber würden immer länger Nothilfe beanspruchen, für welche die Kantone eine Pauschale des Bundes erhielten. Ein Teil der Kantone zahlt ein minimales Taschengeld aus, andere wie der Thurgau geben nur Naturalien ab.

 Aber auch der Thurgau spürt die Folgen der Nothilfe. Die Zahl der Bezügerinnen und Bezüger ist inzwischen auf 60 gestiegen, wie Florentina Wohnlich, die Chefin des kantonalen Fürsorgeamtes, auf Anfrage berichtet. Ein wesentlicher Grund für den Anstieg seien Familien, die betreut werden müssten und nicht einfach ausreisen oder ausgeschafft werden könnten. "Rund die Hälfte der Personen, die Nothilfe beziehen, sind Familien", sagt Wohnlich. Es gebe allerdings auch Familien, die auf eigenen Wunsch die Schweiz nach einem negativen Asylentscheid verlassen würden.

 Warten auf die Ausreise

 Dass mehr abgewiesene Asylbewerber Nothilfe beanspruchen, hat laut Wohnlich nicht zuletzt mit den Vollzugsproblemen zu tun. Das kantonale Migrationsamt, im Thurgau für die Organisation der Ausreisen zuständig, bestätigt dies: "Die Vollzugsproblematik hat sich leider nicht entschärft", sagt Rolf Bruderer, der zuständige Abteilungsleiter. Der Bund helfe zwar mit seiner zentralen Papierbeschaffung, könne aber keine Wunder bewirken. Abgewiesene Asylbewerber aus Ländern wie dem Irak könnten kaum zurückgebracht werden, da die Botschaften bei der Papierbeschaffung nicht kooperativ seien. Per Ende Juli unterstützte das Bundesamt für Migration die Ausreise von 72 Asylbewerbern, die im Thurgau leben. Für 36 müssen Papiere beschafft, für 36 muss die Ausreise organisiert werden. Von Januar bis Juli wurden dem Thurgau 135 neue Asylsuchende zugeteilt, erstinstanzlich wurden 388 Asylgesuche erledigt.

 Skeptische Töne

 Das Instrument der Nothilfe wurde von Hilfswerken und Verbänden von Anfang an kritisch beurteilt. Daran hat sich nichts geändert: Rupert Summerauer, der Leiter von Caritas Thurgau, geht davon aus, dass ein Grossteil der abgewiesenen Asylbewerber, die keine Nothilfe beziehen, nicht das Land verlassen. Die Dunkelziffer der Asylsuchenden sei hoch, die illegal in der Schweiz bleiben würden. Die Rechtsberatungsstelle der Caritas für Asylsuchende in Kreuzlingen berät auch immer wieder Asylbewerber, die Nothilfe beziehen.

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 Asylbewerber werden versichert

 Der Thurgau zählt zu den Kantonen, die abgewiesene Asylbewerber aus der Grundversicherung der Krankenkassen ausschliessen. Zurzeit würden nur abgewiesene Asylsuchende mit hohem Krankheitsrisiko versichert, sagt Florentina Wohnlich, die Chefin des kantonalen Fürsorgeamtes. Alle anderen erhalten medizinische Nothilfe. Jetzt will der Bund die Kantone verpflichten, ab 2011 alle Asylbewerber gegen Krankheit zu versichern. Der Thurgau muss seine Praxis ändern. (hal)

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ANTI-WEF vs KOMMERZ BS
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Basellandschaftliche Zeitung 20.8.10

"Stimmung bei den Geschäften ist mies"

 Pro-Innerstadt-Präsident Urs Welten fordert von den Behörden, die Anti-WEF-Demo im Januar zu verbieten

 Neben der Sicherheit ist der Verkehr das grosse Sorgenkind von Pro-Innerstadt- Präsident Urs Welten.

 Hans-Martin Jermann

 Herr Welten, drei Monate sind seit dem Saubannerzug vergangen. Wie ist die Stimmung bei den Pro-Innerstadt-Geschäften?

 Urs Welten: Mies. Die Geschäftsinhaber sind nach mehreren Vorfällen in den letzten Monaten (Anti-WEF-Demo, Zerstörungen am 1. Mai, Saubannerzug) verunsichert. Das Kleidergeschäft Zara in der Freien Strasse hat noch immer keine neuen Schaufenster gekriegt - die nötigen Rundfenster sind Sonderanfertigungen. Verunsichert sind einige auch wegen der Ankündigung von Versicherungen, bei weiteren Vandalenakten die Schäden nicht mehr zu bezahlen. Bei kleinen Läden ginge das schnell ans Lebendige.

 Aus dem Saubannerzug sind aber schnell Konsequenzen gezogen worden.

 Welten: Stimmt. Die Polizeipräsenz in der Innerstadt ist spürbar höher. Es beeindruckt mich, wie unbürokratisch Polizeikommandant Gerhard Lips gehandelt hat, obwohl er nicht zusätzliche Mittel zur Verfügung bekam. Zudem hat der Grosse Rat im Juni die Grundlage für eine bessere Videoüberwachung an neuralgischen Punkten der Innerstadt gelegt. Es ist positiv, wie Behörden und Politiker auf den Saubannerzug reagiert haben. Weniger gut finde ich die Gleichgültigkeit gegenüber der Anti-WEF-Demo.

 Inwiefern?

 Welten: Anti-WEF-Demo, Zerstörungen am 1. Mai, Saubannerzug in der Freien Strasse - das ist doch alles dieselbe Klientel. Ich würde es gut finden, wenn die Anti-WEF-Demo verboten würde. In der Stadt Zürich ist schon einmal ein Verbot ausgesprochen worden - vom roten Stapi Elmar Ledergerber. Die Toleranz unserer Behörden gegenüber den Chaoten kann ich nicht nachvollziehen.

 Ein Verbot wegen ein paar zerbrochener Fensterscheiben?

 Welten: Darum gehts nicht. All diese Zerstörungen sind indirekte Angriffe auf unsere Gesellschaft und unseren Staat. Ihre Ziele haben die Vandalen nicht zufällig gewählt. Zu den Schäden: Schlimmer als die Farbbeutel und die zerbrochenen Fensterscheiben waren bei der Anti-WEF-Demo die Umsatzeinbussen. Diese betrugen über die Innerstadt insgesamt rund 30 Prozent - und das an einem der verkaufsstärksten Samstage im Jahr. Das geht ganz schön ins Geld.

 Themawechsel: Gewerbedirektor Peter Malama hat letzte Woche neue Vorschläge für eine Parkraumbewirtschaftung präsentiert. Was halten Sie davon?

 Welten: Ich bin gleicher Meinung wie Malama. Wir Ladeninhaber wollen keine weissen Gratisparkplätze in der Innerstadt. Am Stadtrand sollen sie für unsere Pendler indes vorerst bestehen bleiben. Wir stehen zum Grundgedanken: je näher im Zentrum, desto teurer das Parkieren. Aber es braucht Parkplätze. In diesem Punkt stört mich die "Arrangez vous"-Haltung der Linken. Sie wehren sich partout gegen neuen Parkraum. Wie Malama finde ich: Als Vorbedingung für eine Bewirtschaftung muss das Verbot fallen, auf privaten Grundstücken Parkplätze zu bauen. An der Peripherie braucht es Park-and-Ride-Anlagen - und im Zentrum ein neues Parkhaus.

 Ein neues Parkhaus? Das City-Parking beim Unispital steht die meiste Zeit halb leer. Das heutige Angebot genügt vollauf.

 Welten: Das sehe ich anders. Das City-Parking heisst nur so, es ist aber kein echtes Parking für die Innerstadt. Aus Studien wissen wir: Der Mensch geht mit der Einkaufstasche nur 200 bis 300 Meter zu Fuss. Das Parking beim Unispital ist zu weit weg vom Zentrum. Zudem fühlen sich Frauen im langen Gang unsicher.

 Es gibt andere zentrale Parkings: Elisabethen, Steinen, Storchen ...

 Welten: ... die zu Stosszeiten knatschvoll sind. Es braucht das neue Kunstmuseum-Parking unter dem St.-Alban-Graben, wie es die Regierung vorschlägt. Weshalb funktionieren die Shopping-Center an der Peripherie? Wegen der Parkplätze. Wir Ladeninhaber in der Innerstadt möchten gleich lange Spiesse wie sie.

 In unsere Städte fahren ohnehin die meisten Einkaufenden mit dem öV, laut Studien 70 Prozent.

 Welten: Das mag sein. Genaue Zahlen zu Basel kenne ich nicht. Aber zentral ist für uns etwas anderes: Es gibt notorische Autofahrer, die wegen der mangelnden Zahl Parkplätze die Innerstadt meiden. Sie würden wir gerne als unsere Kunden begrüssen. Ich verstehe nicht, weshalb da einige grundsätzlich dagegen sind. Diese Kunden wollen bloss parkieren und einkaufen, nicht in der Stadt herumfahren.

 Statt neue Parkhäuser bauen könnte man den öV fördern - etwa mit dem Bau des Herzstücks der Regio-S-Bahn.

 Welten: Das Herzstück ist ein Projekt für die nächste Generation, es löst aktuell keine Probleme. Wir bevorzugen die Variante Y, die sowohl den Badischen Bahnhof als auch das St.-Johann-Quartier erschliesst. Am Marktplatz ist eine S-Bahn-Station nötig.

 Weshalb? Das Zentrum ist bereits super mit dem öV erschlossen.

 Welten: Stimmt. Es führen zu viele Tramlinien durch die Innerstadt. Mit der Eröffnung des Herzstücks könnte man einige abbauen. Heute ist der Barfüsserplatz von fast allen Gemeinden der näheren Agglomeration ohne Umsteigen erreichbar. Das ist angenehm, aber nicht nötig. Diesen Service bieten Millionenstädte wie Paris oder London nicht.

 Weniger Trams durch die Stadt? Das ist schädlich fürs Geschäft.

 Welten: Im Gegenteil. Ich denke, dass dies die Verkäufe ankurbeln würde. Als im Sommer 2007 der Steinenberg wegen Bauarbeiten gesperrt war, befürchteten einige happige Umsatzeinbussen. Es ist ganz anders herausgekommen: Für viele Geschäftsinhaber war es der beste Sommer seit Jahren.

 Zu viele Trams verscheuchen also die Kunden?

 Welten: Davon bin ich überzeugt. In der Clara- oder der Güterstrasse sind viele Ladeninhaber mit dem Geschäftsgang unzufrieden, obwohl diese Strassen verkehrsberuhigt wurden. Der Detailhandel will ganz verkehrsfreie Fussgängerzonen - keine autofreien Strassen, auf denen Trams und Velos fahren.

 Weshalb fordern Sie so vehement eine weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Schon den heutigen Spielraum nutzen die Geschäfte kaum aus.

 Welten: Der Staat sollte den Unternehmen nicht vorschreiben, wann sie ihren Geschäften nachgehen. Mit einer Liberalisierung könnten sich die Läden besser auf die Kundenbedürfnisse in ihrem Umfeld einstellen. In der Steinenvorstadt, wo abends etwas läuft, sollten die Geschäfte bis 22 Uhr offen sein dürfen. Dafür bleiben sie vielleicht am Morgen bis 11 Uhr dicht. Ebenso selbstverständlich ist, dass der Coop im Neubad um 8 Uhr morgens seine Türen öffnen muss. Diese gehen dann halt um 18.30 Uhr zu.

 Wollen das die Kunden wirklich?

 Welten: Ich denke schon. Die veränderten Einkaufsbedürfnisse sind eine Tatsache. Allerdings braucht jede Neuerung eine gewisse Anlaufzeit. Am Anfang wussten viele nicht, dass samstags in Basel die Geschäfte bis 18 Uhr offen halten. Heute hat sich diese Ladenschlusszeit etabliert, die Umsätze sind gut. Im Gegensatz zu Zürich wollen wir samstags aber nicht bis 20 Uhr ausbauen. Das macht keinen Sinn.

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 Zur Person

 Als Präsident des Vereins Pro Innerstadt vertritt Urs Welten 314 Detailhandels- und Dienstleistungsunternehmen mit mehreren zehntausend Arbeitsplätzen. Welten (63) wuchs auf dem Bruderholz auf, lebt aber seit Jahrzehnten in Reinach. Das Beziehungsnetz des aktiven Fasnächtlers und Zunftmitglieds ist dennoch auf die Stadt ausgerichtet. (haj)

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JUDENTUM BS
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Basler Zeitung 20.8.10

Besonders nicht besonders sein

 Geschichte der Basler Juden

 Caspar Battegay

 Ab 1933 nahm die Judenfeindlichkeit auch in der Schweiz immer mehr zu. Den jüdischen Baslern wurde jäh ihre exponierte Stellung bewusst. Eine Studie beleuchtet jetzt die Arbeit der Israelitischen Gemeinde Basel, von Vereinen, Flüchtlingshilfe und Studentenverbindungen.

 In seinem kürzlich veröffentlichten Roman "Am Fenster" erzählt der Schweizer Starregisseur Luc Bondy eine Anekdote aus dem Leben seiner Mutter, die als deutsche Jüdin aus Offenbach nach Basel flüchten musste. Obwohl sich in der Schweiz auch Unbekannte auf Hotelfluren und einsamen Wanderwegen grüssen würden, sei man hier noch lange nicht freundlicher als andernorts, stellt Luc Bondy fest: "Mathild, meine Mutter, wurde 1943 in einer Trambahn von einer Baslerin angepöbelt, weil der ihre grossen, vergoldeten Ohrringe nicht passten: ‹Sie, Fräulein, wir haben nicht Fasnacht!›"

 Wer auffällt, macht sich verdächtig, so könnte man diese Geschichte deuten. Nicht aufzufallen, war denn auch die Devise vieler Basler Juden zwischen 1930 und 1950, sich nur ja als besonders nichtbesonders zu erweisen. Dabei ist eine jüdische Gemeinde seit dem Jahr 1200 im Stadtkanton nachgewiesen. Zwischen blühenden Perioden - so war Basel in der frühen Neuzeit unter anderem ein Zentrum des jiddischen Buchdrucks - lagen auch dunkle Episoden, Vertreibungen und Mord.

 Seine dunkelste Zeit durchlitt das europäische Judentum jedoch in der Moderne. Auch die neutrale Schweiz hat sich durch ihre antisemitisch geprägte Flüchtlingspolitik zumindest mitschuldig am Holocaust gemacht, wie die Publikationen der "Unabhängigen Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg" inzwischen unmissverständlich belegt haben.

 Komplexes Selbstverständnis. In ihrer an der Universität Basel entstandenen Dissertation, die jetzt als sorgfältig gemachtes Buch vorliegt, wendet sich die Historikerin Noëmi Sibold der Innenseite dieser Problematik zu. Mehrheitlich Angehörige des etablierten Bildungsbürgertums, sahen sich die Basler Juden, die bis heute lediglich rund ein Prozent der Wohnbevölkerung ausmachen, plötzlich dem Vorwurf doppelter Loyalitäten ausgesetzt: Als Staatsbürger definierten sie sich vehement als Schweizer, doch religiös entschieden als jüdisch. In Zeiten sich verhärtender Identitäten war es schwer, dieses komplexe Selbstverständnis gegen aussen zu behaupten.

 Noëmi Sibold zeigt anhand von Archivmaterial, dass "es ein quasi homogenes jüdisches Kollektiv lediglich in den Gemeinplätzen der Judengegner gab und gibt". Sie zeichnet die Auseinandersetzungen innerhalb der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB) und der jüdischen Institutionen nach.

 Angesichts existenzieller Herausforderungen gab es verschiedene Positionen und Strategien: So vertraute etwa der langjährige Grossrat Franz Arnstein - ein in Basel eingebürgerter Prager Jude - ganz auf die demokratische Vernunft. Zwar wurde er von der prodeutschen "National-Zeitung" heftig angegriffen, doch im Grossen Rat waren die antisemitischen Stimmen in der Minderheit. Und auch wenn sogar liberale Ratsmitglieder öfters mit Ideen des sogenannten neuen Deutschlands sympathisierten, war offen geäusserter Antisemitismus nicht der Mainstream.

 Lebendige Gemeinschaft. Andere jüdische Exponenten hegten dennoch wenig Vertrauen in die humanitäre Gesinnung ihrer Mitbürger. Vor allem die unruhige Jugend suchte ein Judentum, das nicht nur Konfession im Privaten, sondern eine lebendige Gemeinschaft sein sollte. In den 1930er-Jahren wurden in Basel verschiedene zionistische und sozialistische Jugendbünde und Turnvereine gegründet, die das bürgerliche Selbstverständnis der IGB provozierten und auf die Probe stellten. Während die IGB das öffentliche Image des Nichtbesonderen pflegte, ging es etwa dem Leiter der Arbeitsgruppe der zionistischen Vereine, Marcus Cohn, Vater des Filmproduzenten Arthur Cohn, gerade um eine Stärkung der jüdischen Besonderheit. Es wurde Hebräischunterricht organisiert, und man hielt Vorträge und Diskussionsabende ab.

 Die jüdische Studentenverbindung "Jordania" etwa strebte gemäss Statuten "die geistige, charakterliche und körperliche Erziehung ihrer Mitglieder, besonders die Pflege jüdisch-nationalen Geistes und bewusste Herausbildung derselben zu Trägern der jüdischen Kultur" an. Das zionistische Pathos verbanden die hauptsächlich aus Osteuropa kommenden Studenten mit deutscher Burschenherrlichkeit. Ein zeitgenössisches Foto zeigt die jungen Männer vor dem Wappen mit dem Davidsstern, wie sie stolz ihre grossen Bierflaschen präsentieren.

 Jüdische Internationalität. Einen umfangreichen Teil ihrer Untersuchung widmet Sibold dem Verhältnis der Universität Basel zu den Juden. Sibold gelingt es, anhand dieser Mikroebene einen paradigmatischen Mechanismus der modernen Schweizer Geschichte anschaulich zu machen. Einerseits stellte sich das Rektorat im Einverständnis mit dem Erziehungsdepartement, das unter der Leitung des Sozialdemokraten Fritz Hauser stand, schützend vor die jüdischen Studierenden aus dem Ausland, die oft von Ausweisung bedroht waren. Auseinandersetzungen mit der Fremdenpolizei nicht scheuend, wollte man auf den Brainpool und die Internationalität nicht verzichten, die durch die jüdischen Flüchtlinge eröffnet wurden.

 Andererseits stand man einem Zuzug jüdischer Professoren skeptisch gegenüber. Die Furcht vor der ausländischen Konkurrenz war stärker als die Humanität und das Interesse an gut ausgebildeten Akademikern. Sibold erzählt dazu ein erschütterndes Beispiel: 1936 wandte sich Lucia Gerstle aus München, Enkelin von Arnold Böcklin, an Regierungsrat Hauser. Sie hegte die Hoffnung, dass ihr jüdischer Mann, Internist und Spezialarzt für Kindermedizin, eine Anstellung an der Universität oder einer Klinik in Basel bekommen könnte. Doch der Direktor des Kinderspitals Basel sah keine Möglichkeit, einen ausländischen Arzt ohne Schweizer Staatsexamen anzustellen, wie er in seinem Bescheid an Hauser schreibt. Die Fremdenpolizei würde auch "im Interesse der einheimischen Ärzteschaft" keine Arbeitsbewilligungen erteilen. Nach seinen Informationen schien dieser Stopp "tatsächlich notwendig zu sein, um die kleine Schweiz vor den über die Grenzen flutenden jüdischen Ärzten und Emigrantenscharen zu bewahren". Das "aufrichtige Bedauern", das Regierungsrat Hauser darauf in seiner abschlägigen Antwort Frau Gerstle zukommen liess, nützte nichts. 1938 nahm sich Kinderarzt Gerstle in München das Leben.

 Idealbild unauffällig. Nach dem Krieg kritisierte der politisch vielseitig engagierte Rechtsanwalt Charles Liatowitsch, dass auch die Basler Juden ihre "Häuser und Herzen" den Flüchtlingen nicht geöffnet hätten. Vielmehr hätten die offiziellen jüdischen Organe aus Angst die xenophobe Optik der Behörden übernommen.

 Erschreckend bestätigt sich dieses Urteil, wenn man liest, wie peinlich genau die offiziellen jüdischen Stellen darüber wachten, dass die Flüchtlinge das absurde Reglement der Fremdenpolizei einhielten. Den Emigranten waren zum Beispiel Ausgang nach 22 Uhr, der Besuch von Kinos in Gruppen von mehr als drei Personen oder "das Ansprechen fremder Personen, ferner jedes auffallende Benehmen, insbesondere lautes Verhalten und Kritisieren" verboten.

 Besonders hart trafen diese willkürlich auslegbaren Paragrafen weibliche Flüchtlinge: Nachdem bekannt geworden war, dass sich einige Frauen die Fingernägel lackiert und andere öffentlich geraucht hätten, wies IGB-Präsident Alfred Goetschel die Emigrantinnen zurecht. Auf keinen Fall sollten die Frauen das anstössige Bild der emanzipierten und mondänen Jüdin bestätigen - sondern unauffällig dem auf Häuslichkeit und Mütterlichkeit reduzierten Idealbild der Schweizer Frau entsprechen.

 Je schwächer ein Mitglied der Gesellschaft ist, das erfährt man eindrücklich in Sibolds Buch, desto stärker gilt der Druck, besonders nichtbesonders zu sein.

 > Noëmi Sibold: "Bewegte Zeiten. Zur Geschichte der Juden in Basel von den 1930er- Jahren bis in die 1950er-Jahre". Chronos Verlag, Zürich 2010. 400 S., ca. Fr. 48.-.

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NEUSTART
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Beobachter 20.8.10

Wohnformen

 "Ein Eigenheim ist kaum noch sinnvoll"

 Mit utopischen Romanen und Sachbüchern hat P. M. Schweizer Wohngenossenschaften inspiriert. Jetzt arbeitet er am Neustart für die Schweiz.  Interview: Peter Johannes Meier; Foto: Oliver Lang

 Beobachter: In der Stadt zu wohnen wird für viele unerschwinglich. Manche ziehen in die Agglo, und wer Geld hat, kauft sich etwas auf dem Land. Was ist der Traum von den eigenen vier Wänden wert?

 P. M.: Wenig. Ich rate davon ab. Ein eigenes Haus ist kaum noch sinnvoll, weil wir immer mobiler werden. Plötzlich steht das Haus dann am falschen Ort, weil wir zum Beispiel woanders arbeiten. Viele Leute kaufen bloss Eigentum, weil sie ihr Geld sicher parkieren wollen. Nach der Erfahrung mit der jüngsten Bankenkrise ist das ja verständlich - rein ökonomisch. Sozial und ökologisch ist es dagegen Unsinn. Wohneigentümer schlafen oft nur 50 Zentimeter entfernt von anderen Eigentümern, mit denen sie eigentlich nie etwas zu tun haben wollen. Oder sie landen auf einer Einfamilienhaushalde und generieren jeden Tag Pendlerverkehr, weil sie woanders arbeiten und die Freizeit verbringen.

 Es können ja nicht alle in der Stadt wohnen…

 Das Land ist grundsätzlich gut für Landwirtschaft und etwas Tourismus. Aber ausser den Bauern schlafen die meisten Leute dort bloss. Die Schweiz hat sich eine 2000-Watt-Gesellschaft zum Ziel gesetzt. Hausbesitzer auf dem Land werden das nie erreichen. Die Genossenschaft, in der ich lebe - das Zürcher Kraftwerk1 -, ist zumindest schon auf dem Weg dorthin. Die Städte könnten so verdichtet werden, dass es Platz für alle hat.

 Was ist zu tun?

 Gewisse Einfamilienhaushalden müssen früher oder später aufgegeben werden. Dagegen haben Städte ab 15000 Einwohnern eine Chance, reanimiert zu werden. Auch die zu Unrecht geschmähten Blocksiedlungen in den Agglos haben grosses Potential. Sie können verdichtet und mit Dienstleistungszentren versehen werden. Das ist auch der Ausweg für viele Kleinstädte und Dörfer, in denen das Leben von der S-Bahn und den immer gleichen Shoppingcentern getötet worden ist.

 Was raten Sie den Eigenheimbesitzern?

 Verkaufen, solange man noch einen guten Preis dafür erhält. Das Geld würde ich dann in einer Genossenschaft sicher investieren. Damit können innovative Siedlungen in den Agglomerationen und Städten gebaut werden, die den neuen Lebensanforderungen gerecht werden.

 Und wie überzeugen Sie die Hauseigentümer?

 Die meisten merken es selber. Viele glauben noch an eine Art Immobilien-Monogamie. Sie meinen, man könne ein Leben lang mit dem Partner oder der Familie an einem Ort leben und wirtschaften. Sie berechnen nächtelang, wie gross das Haus oder die Wohnung mit dem gemeinsamen Einkommen sein darf. Dabei werden sie von der Realität überrumpelt. Paare trennen sich, die Kinder ziehen aus, plötzlich hat man einen tollen Job im Ausland. Das Wohneigentum wird zum Klumpfuss.

 Mieter haben diese Flexibilität.

 Ja, aber man bezahlt oft einen viel zu hohen Preis. Es werden zu viele Luxuswohnungen gebaut. Ich frage mich: für wen? Dabei kann man noch heute in Zürich 100 Quadratmeter grosse Wohnungen für weniger als 2000 Franken pro Monat bauen. Als Mieter hat man allerdings keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Bewohnerschaft. Viel interessanter sind darum Siedlungen oder selbstkonzipierte Nachbarschaften, die einerseits auf die Renditemaximierung verzichten und anderseits eine Auswahl von Wohnungen anbieten, innerhalb derer die Bewohner wechseln können. Genossenschaften, die über Liegenschaften in verschiedenen Quartieren und Orten verfügen, machen das möglich.

 Unser auf Flexibilität ausgerichtetes Leben widerspricht doch der Genossenschaftsidee. Die baut ja darauf, dass sich Mitglieder über längere Zeit mit einem Projekt identifizieren.

 Mit dem Projekt schon, aber nicht unbedingt mit den eigenen vier Wänden. Viel wichtiger als das Eigentum sind heute doch verbindliche soziale Beziehungen. Das gibt uns Orientierung und Unterstützung in Krisensituationen. In Genossenschaften können solche Netzwerke aufgebaut werden. Meine Genossenschaft ist Mitglied einer Gemüsekooperative, die biologische Produkte liefert. Diese bieten wir in einem eigenen Laden den Bewohnern an. Es entsteht dadurch ein direkter Bezug zur Produktion unserer Lebensmittel. Wir sind übrigens günstiger als die Grossverteiler.

 In Ihrem Buch "Neustart Schweiz" gehen Sie einen Schritt weiter. Sie postulieren neue Formen des Wirtschaftens. So sollen die Bürger etwa entscheiden, was in ihrem Quartier angeboten wird. Das tönt nach Planwirtschaft.

 Planung gibt es immer, die Frage ist nur für wen. Es geht nicht bloss um Quartiere, sondern um unser ganzes Wirtschaftssystem. Wir taumeln von Crash zu Crash - bei uns merken wir noch nicht viel davon, aber für 80 Prozent der Weltbevölkerung ist das eine Dauerkatastrophe. Warum bauen wir nicht die bestehenden öffentlichen Dienste so aus, dass die Grundbedürfnisse für alle gesichert sind? Zudem sollten wir uns wirtschaftlich absichern, indem wir eine Direktbelieferung zwischen Bauernbetrieben und Nachbarschaften einrichten. Das ist für alle ideal: Die Bauern haben sicher Abnehmer, die Konsumenten bekommen günstigere Produkte von Produzenten, die sie kennen. Wir brauchen einen Umbau der verschwenderischen und unsicheren Marktwirtschaft zu einem demokratisch regulierten Haushalt, lokal und global.

 Welche Rolle soll der Staat dabei spielen?

 Eine wichtige, er hat es nur noch nicht gemerkt. Der Staat muss eine Coaching-Rolle wahrnehmen. Es braucht jetzt so etwas wie einen neuen Landigeist, einen Aufbruch zu neuen Ufern. In der Organisation "Neustart Schweiz" arbeiten wir daran.

 Der Leidensdruck dafür ist doch viel zu gering.

 Nicht das Leiden, sondern die Wahrnehmungsfähigkeit für das Leiden ist zu gering. Wir sind so eingespurt in unserem Alltag, dass wir nicht mehr merken, wie schlecht es uns eigentlich geht. Ein Viertel der Schweizer soll ja an Depressionen leiden. Wir können uns leider gar nicht mehr vorstellen, wie gut es uns gehen könnte.n

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Zur Person

 Anonymer Vordenker

 Der 1946 geborene Philologe P. M. (häufigste Initialen im Telefonbuch) hat mehrere Bücher verfasst, darunter die ökosoziale Utopie "bolo'bolo". Das Buch inspirierte in den Achtzigern erst Hausbesetzer, dann genossenschaftliche Hausbesitzer. Das bolo ist die Grundeinheit, in der 500 bis 700 Leute in überschaubaren Gemeinschaften leben, vernetzt mit anderen bolos. 1995 war P. M. Mitgründer der Zürcher Genossenschaft Kraftwerk1. Weitere Kraftwerke mit mehreren hundert Bewohnern sind in Planung.

 Weitere Infos

http://www.neustartschweiz.ch; http://www.kraftwerk1.ch

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PNOS
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Indymedia 19.8.10

PNOS im Rheintal...nicht mit uns! ::

AutorIn : Revolutionäre Strukturen aufbauen!

Wir haben Grund zur annahme, dass die PNOS versucht sich im St.Gallischen Rheintal zu verankern oder dass die Faschisten im Rheintal sich der PNOS annähern wollen. Aus diesem Grund wurde am Dienstag 17.08.2010 das Haus einen Neonazis in Altstätten St.Gallen verschönert.     

Grund zu dieser Vermutung, dass die PNOS sich nun auch im Kanton St.Gallen einschleichen will gibt uns vorallem ein Briefkasten mit der Aufschrift PNOS Sektion Rheintal mit einer kurzen Beschreibung der Ziele der der sogenannten National orientierten.
Dies allein genügte den Faschisten allerdings noch nicht als provokation, kurz darauf hingen sie mitten in der Altstätter Altstadt eine PNOS Fahne aus dem Fenster.
Wir werden nicht tolerieren wie sich die Nazis versuchen zu strukturieren und haben darum am letzten Dienstag ein deutliches und lautsarkes Zeichen gegen diese Unmenschlichkeit gesetzt.
Mehrere Leute verschönerten das Haus mit schriftzügen wie:" Hier wohnen Nazis" andere haben die Fassade neu eingefärbt.

Zudem wurde folgender Flyer in den Strassen verstreut :

Rechtsextremismus in der Ostschweiz

Leider muss man feststellen, dass auch in der Ostschweiz rechtsextremes und rassistisches Gedankengut weiterhin an Zulauf gewinnen. Spürbar ist dies vor allem im St.Gallischen Rheintal so z.B in Altstätten wo gezielt Gewalt gegen Antifaschistische Jugendliche ausgeübt wird und wo in Lokalen wie dem Törli
Keller und dem Elvis die Rechtsextremisten schon fast zum Inventar gehören. Traurige Momente dieser Art gibt es zuhauf, so auch in Buchs wo mehrere Rechtsextreme an einem Ska und Reggae Konzert im Fabrikli wahllos pöbelten und ihre Faschistischen Parolen skandierten, was jedoch durch die Zivilcourage einiger Konzertteilnehmer unterbunden werden konnte. Ein dank an dieser Stelle an jede/n welche/r sich zur Wehr setzt gegen diese Unmenschlichkeit.
Spitze des Eisbergs ist der Versuch der Neonazis im Rheintal eine eigene PNOS Sektion aufzubauen, dies mit dem Sitz in Altstätten. So werden aus pöbelnden Neonazis strukturierte Faschisten, welche dass Ziel haben die eigenen Reihen zu organisieren, neue Anhänger zu rekrutieren und grösseren Einfluss in das Gesellschaftliche geschehen zu haben.

"Doch was ist eigentlich die PNOS (Partei National orientierter Schweizer)? Die PNOS wurde im Jahr 2000 von Jonas Gysin und Sascha Kunz gegründet und nennt ihre persönliche politische Ausrichtung " Eidgenössisch-sozial". Was im Prinzip nichts anderes ist als ein anderes Wort für Nationalsozialismus. Schnell wird klar in welche Richtung sich diese "Partei" bewegt, so spielt z.B
Pascal Lüthard- eine der Führungspersönlichkeiten in der PNOS- in der Band Indiziert welche in ihren Texten offen Fremdenhass und Antisemitismus propagieren. So lehnte sich das Parteiprogramm stark an das der ehemaligen Deutschen NSDAP unter Hitler an, musste jedoch geändert werden und wurde jetzt etwas
verharmlost. Wohin uns eine solche Partei führt sahen wir schon in der dunklen Zeit des Deutschen Reiches von 1933 - 1945 in der Millionen von Juden, Antifaschisten und Linke deportiert und in den Konzentrationslager ermordet wurden." Die Verherrlichung solcher taten ist ein Verbrechen und muss vehement
bekämpft werden. Darum gilt es vor allem auch für uns in der Ostschweiz, den Aufbau solcher Rechtsextremen Strukturen zu verhindern und Faschistischer Gewalt einen Riegel vorzuschieben.

Wir denken nicht im Traum daran Rechtsextremes Gedankengut zu tolerieren, geschweige denn eine PNOS Sektion!!!

Nieder mit Faschismus!
Revolutionäre Strukturen aufbauen!!!     

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DROGEN
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Südostschweiz 19.8.10

Ist Drogen-Liberalisierung die Lösung?

 Letztes Jahr wurden im Kanton 20 Prozent mehr Jugendliche wegen Drogendelikten verzeigt. Würde eine Liberalisierung der Drogen den Jugendschutz fördern? Fachpersonen sind skeptisch.
 Von Patrice Siegrist

 Glarus. - Ob auch tatsächlich wieder mehr Jugendliche kiffen, kann Polizeisprecher Daniel Menzi nicht sagen. "Das ist schwierig einzuschätzen." Der Anstieg bei den Verzeigungen könne auch eine Folge von vermehrten Kontrollen sein.

 Felix Hof, Leiter der regionalen Beratungsstelle Rapperswil-Jona, bestätigt: "Es gab eine Phase mit weniger Kontrollen, dies hat sich geändert." Er stellt dennoch einen Wandel beim Konsum fest: "Die Zeiten, in denen Jugendliche mit anderen Substanzen experimentierten, ist vorbei." Kiffen ist wieder in - bei beiden Geschlechtern. Obwohl 2009 lediglich 10 Prozent der Verzeigten im Kanton Frauen waren, konsumieren laut Hof nicht viel weniger Frauen Cannabis. "Wir verzeichnen seit Jahren eine Angleichung des Konsumverhaltens." Und zwar beim Alkohol wie beim Kiffen.

 Bundesweite Liberalisierung

 Experten des Bundesamts für Gesundheit (BAG) schlagen derweil vor, alle Drogen zu entkriminalisieren. Felix Hof bezweifelt jedoch, ob dies der richtige Weg ist. Er vergleicht die Situation mit dem Strassenverkehr: "Wenn einige 140 statt 120 Kilometer pro Stunde fahren, hebt man auch nicht einfach die Geschwindigkeitslimite auf."

 Wichtig sei es, Regulierungen auch umzusetzen. Auch wenn das beim Kiffen schwierig sei: "Nur schon wegen der Anzahl Konsumenten." Ob man all diese kriminalisieren will, sei eine Grundsatzdiskussion, der sich die Gesellschaft stellen müsse. Entweder man will Sanktionen oder nicht. "Ich finde, es braucht Regulierungen." Neben anderen Massnahmen, denn Strafe alleine halte keinen Jugendlichen vom Kiffen ab, das sei gleich wie bei den Rasern im Strassenverkehr.

 Das vierköpfige Psychologen-Team der Beratungs- und Therapiestelle Sonnenhügel (BTS) Glarus, das nur im Kollektiv zitiert werden möchte, betrachtet die Liberalisierung differenziert: "Pfannenfertige Lösungen gibt es nicht." Bewusstseinsbeeinflussende Mittel, legal oder illegal, seien seit Jahrtausenden in der Gesellschaft verankert, sodass ein neues Gesetz allein nicht alle Probleme lösen könne.

 Und die legalen Drogen?

 Und: "Es ist widersprüchlich, wenn auf Cannabis, Heroin und Kokain herumgeritten wird, aber gleichzeitig Alkohol unbeschränkt konsumiert werden kann", sagen die Psychologen. Legale Drogen würden nämlich weit mehr Kosten verursachen als illegale. Felix Hof bestätigt, dass die Alkoholproblematik bei Jugendlichen in der Region gross ist. "Vielleicht sogar grösser als beim Cannabiskonsum."

 Um wirklich Fortschritte zu ereichen, fordert das Therapeuten-Team aus Glarus, dass das Thema offen in der Bevölkerung diskutiert wird, dass Fakten und Statistiken dabei berücksichtigt weden und dass das Thema nicht von Politikern oder Ideologien instrumentalisiert wird.

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ZWISCHENGESCHLECHT
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zwischengeschlecht.org 20.8.10

Pressemitteilung - Semenya, Santhi, Gronert: Sportverbände unterstützen Genitalverstümmler

zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!

P R E S S E M I T T E I L U N G

presse@zwischengeschlecht.info
+41 (0)76 398 06 50


Mit als Zwitter verdächtigten Athletinnen machen die internationalen Sportverbände kurzen Prozess: "Intersexuelle", "Hermaphroditen" (und alle, die das Internationale Olympische Komitee IOC, der Weltathletikverband IAAF und ihre Teilverbände dafür halten) werden genötigt, stillschweigend ihren Rücktritt zu geben.

Wer sich diesen intransparenten und willkürlichen "Fall-zu-Fall"-Entscheiden nicht widerspruchslos fügt, wird durch gezielte "Indiskretionen" den Medien zum Frass vorgeworfen und ohne ordentliches Verfahren von weiteren Starts ausgeschlossen.

Der südafrikanische Sportprofessor Timothy Noakes im Mai dieses Jahres:

    "Insgesamt 8 intersexuelle Frauen wurden bisher von Wettkämpfen ausgeschlossen - soviel ich weiss mit der Warnung, dass sie öffentlich blossgestellt würden, sollten sie es wagen, einen Wirbel daraus zu machen."

Die Medizinethikerin Claudia Wiesemann (Göttingen) im Anschluss an die WM 2009:

    "Der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) streut Gerüchte, die Siegerin des 800-m-Laufs der Frauen, Caster Semenya, bei der Leichtathletik-WM in Berlin "sei vielleicht gar keine Frau", sie "sei vielleicht ein Mann". Damit ruiniert der Verband leichtfertig ein Sportlerleben. [...] Die IAAF müsste solche jungen Menschen eigentlich vor den Folgen einer weltweiten Stigmatisierung schützen."
    

Diskriminierung von Zwittern im Sport

Wie die Minderheit der publik gewordenen Fälle "verdächtigter" Athletinnen zeigt, treiben IOC und IAAF ihr unfaires und entwürdigendes Spiel seit Jahrzehnten:

María José Martínez-Patiño: 1985 zu Unrecht ausgeschlossen und alle Medaillen aberkannt, erst nach langjährigem Gerichtsverfahren rehabilitiert - zu spät für eine weitere Sportkarriere.

Santhi Soundarajan: 2006 nach einem intransparenten Verfahren ausgeschlossen und Medaillen aberkannt, bis heute unrehabilitiert - die indischen Sportverbände liessen sie schmählich im Stich, das IOC drückt sich bis heute vor jeglicher Verantwortung.

Sarah Gronert: Die aufstrebende Tennisspielerin wurde von anderen Spielerinnen gemobbt, bis sie 2008 ihre Karriere vorübergehend unterbrach - ohne dass die Verbände sie aktiv gegen diese Diskriminierung geschützt hätten.

Caster Semenya: Hätte sich nicht der südafrikanische Sportverband und die Südafrikanische Regierung entschlossen hinter sie gestellt, und wäre sie nicht umgehend von einem internationalen Anwaltsteam umsonst unterstützt worden, hätte sie fraglos mehr als "nur" ihre Würde und ein Jahr ihres Lebens verloren.


Im Westen werden die meisten Zwitter schon als Kinder chirurgisch verstümmelt

Es ist kein Zufall, dass vor allem Athletinnen aus der "3. Welt" den Sportverbänden ins Visier geraten: In der "westlichen Welt" werden Zwitter (und was die Ärzte dafür halten) in der Regel als Kleinkinder durch kosmetische Genitaloperationen zu "richtigen" Mädchen und Jungen "gemacht" - was die Betroffenen seit bald zwei Jahrzehnten öffentlich als "Genitalverstümmelung" anklagen.

Die Parallelen der chirurgischen Genitalverstümmelungen an Zwittern in westlichen Kinderkliniken zur weiblichen Genitalverstümmelung in Afrika werden seit Jahren auch von internationalen Menschenrechtsorganisationen, Frauenorganisationen, JuristInnen und wissenschaftlichen ExpertInnen unterstrichen.

Laut den BMBF-finanzierten Hamburger und Lübecker Evaluationsstudien von 2007 und 2008 sind im deutschsprachigen Raum über 90% (!) aller jugendlichen und erwachsenen Zwitter genital zwangsoperiert, fast die Hälfte davon (!) gar mehrfach (PDF -> S. 3 "Beschreibung des Samples").

Es ist aktuell das erklärte Ziel der Sportverbände, als Zwitter verdächtigten Athletinnen, die das Glück hatten, unverstümmelt aufzuwachsen, solche menschenrechtswidrigen Operationen nachträglich aufzuzwingen, sofern sie nicht ausgeschlossen werden wollen.


IOC und IAAF: Immer noch nichts gelernt

Bis heute hat der Weltathletikverband IAAF auch im "Fall" von Caster Semenya nichts unternommen, das durch seine "Indiskretionen" ausgelöste menschliche Leid zu sühnen. Hartnäckig halten sich vom IAAF unbestrittene Gerüchte, Caster Semenya habe ihre Wiederzulassung mit einer hormonellen Zwangstherapie erkaufen müssen. Und das IOC stellt sich weiterhin gegen Gerechtigkeit für Santhi Soundarajan.

Zwar wollen IOC und IAAF beide ihre Regeln für die Teilnahme von intersexuellen (und als solchen verdächtigten) Athletinnen auf 2011 neu überarbeiten.

Statt die Zwitter und Ihre Organisationen dabei angemessen miteinzubeziehen, verweigern IOC und IAAF bis heute jeglichen Dialog.

Statt sich jedoch künftig um mehr Fairness und Transparenz zu bemühen, setzen IOC und IAAF auf Drohungen und medizinisch nicht notwendige Zwangseingriffe.

Und assoziieren sich dabei ausgerechnet mit ZwangsbehandlerInnen, die seit Jahr und Tag international in der Kritik stehen wegen menschenrechtswidrigen Genitaloperationen und illegitimer Humanforschung unter Umgehung von gesetzlich geforderten, unabhängigen Ethikkomitees.


22.8.2010: Protest gegen Genitalverstümmelungen

Wenn Caster Semenya am kommenden Sonntag, den 22.8.2010, am 69. Internationalen Stadionfest ISTAF im Berliner Olympiastadion ihr erst 3. Rennen läuft seit ihrem Weltmeisterschaftssieg ebendort 2009 und dem anschliessenden 11-monatigen und unwürdigen IAAF-"Geschlechterverfahren", ist ihr die weltweite Solidarität von Zwittern und ihren Organisationen gewiss.

In der Schweiz wird die Menschenrechtsorganisation Zwischengeschlecht.org gleichentags zum 3. Mal einen friedlichen Protest vor einer Genitalverstümmler-Kinderklinik durchführen.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und "Menschenrechte auch für Zwitter!".


Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe Intersex.ch
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse@zwischengeschlecht.info

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Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info

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ANTI-ATOM
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Aargauer Zeitung 20.8.10

Leistung steigt auf 1200 Megawatt

AKW Leibstadt ersetzt Niederdruck-Dampfturbinen und optimiert das Kraftwerk weiter

 Das grösste Atomkraftwerk im Land wird noch grösser: Dank Investitionen von 100 Millionen Franken macht Leibstadt bald 1200Megawatt Strom. Der Reaktor bleibt unverändert, aber neue Turbinen steigern die Effizienz.

 Hans Lüthi

 Mit Volldampf hat das Kraftwerk Strom produziert, 24 Stunden am Tag und 11 Monate lang ohne jeden Unterbruch. Während 8010 Stunden flossen 1165 Megawatt elektrische Energie ins Netz und lieferten damit 15 Prozent des landesweiten Verbrauchs. "Wir sind das grösste Kernkraftwerk der Schweiz und versorgen eine Million Haushaltungen", sagt Kraftwerkleiter Andreas Pfeiffer. Im Vergleich zu Holz oder Öl hat Uran eine ungeheure Energiedichte, für eine Jahresleistung genügen 25 Tonnen. Das entspricht einem Würfel von nur einem Kubikmeter Inhalt.

 Einbau neuer Komponenten

 Der rekordlange Stillstand von sieben Wochen dient neben den üblichen Revisionen einem grossen Ziel: einer Verbesserung der Effizienz, um ab 16. September noch mehr Strom machen zu können. Dazu wird allerdings der nukleare Teil nicht vergrössert, der Einsatz von 126 neuen Brennelementen in den Reaktor und die Erneuerung von ein paar Steuerungsstäben genügen. Die grossen Baustellen befinden sich im Maschinenhaus und in der Umgebung. Vor allem die drei neuen Niederdruckturbinen, von Alstom in Birr gefertigt und geliefert, bringen viel. Dank des technischen Fortschritts sind aerodynamische Optimierungen und dreidimensionale Schaufeln möglich. Optisch fallen sie dem Laien nicht gross ins Auge, aber die Wirkung ist frappant: Um 25 Megawatt nimmt die elektrische Leistung zu, allein das ergibt zusätzlich Strom für 50000 Haushaltungen. Nicht ersetzt wird die schon einmal ausgewechselte Hochdruckturbine. "Die Abnützungen und der technische Fortschritt sind hier geringer", betont Andreas Pfeiffer.

 Ausrichtung auf 60 Jahre Betrieb

 Die höhere Turbinenleistung ruft nach weiteren Anpassungen, die Niederdruckvorwärmer müssen ebenfalls ersetzt werden. Lieferant ist Alstom in Baden, die 36 Tonnen schweren Kessel sind per Schwertransporter nach Leibstadt gebracht worden. Bereits installiert und in Betrieb sind die Blocktransformatoren, drei Stück, plus einer in Reserve, um den erzeugten Strom auch ins Netz zu bringen. Dieses Teilprojekt kostet 30 Millionen Franken, die neuen Transformatoren sollen mindestens 40 Jahre Lebensdauer haben. Das KKL hat letztes Jahr sein 25-jähriges Bestehen gefeiert, "alle Investitionen richten sich darauf aus, das Kraftwerk 60 Jahre lang sicher betreiben zu können". Von einer längeren Laufzeit über 2045 hinaus oder von einem Ersatz-Kraftwerk will Pfeiffer nichts wissen. In den USA gebe es zwar Bestrebungen, die Laufzeiten bis 70 oder 80 Jahre zu verlängern. "Aber das ist bei uns kein Thema, diese Frage stellt sich erst in 20 Jahren", präzisiert der Kraftwerkleiter.

 Investitionen in die Mitarbeiter

 Auffallend ist der in wenigen Jahren um 25 Prozent gestiegene Personalbestand. Heute sind in Leibstadt rund 500 Personen tätig, dazu 14 Lernende in drei Berufen. Der gezielte Personalaufbau ist Absicht, für die vielen grossen Projekte benötige das Kraftwerk auch mehr Leute, zudem zeichne sich ein Generationenwechsel ab. 70 Mitarbeitende sind über 60 Jahre alt und viele seit über 25 Jahren im Unternehmen. Ihr Wissen und ihre Erfahrung müssten jetzt sukzessive den jüngeren Leuten vermittelt werden. Mit zwölf Prozent Anteil wirken sich die Personalausgaben nicht entscheidend auf die Produktionskosten aus. Das Durchschnittsalter beträgt 48 Jahre, die Fluktuationsrate ist sehr tief, weil das KKL als Arbeitgeber einen guten Namen hat.

 Weitere Projekte in der Schublade

 Mit 3600 Megawatt thermischer und 1200 MW elektrischer Leistung ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. "Wir haben einige Projekte in Planung und können diese Schwelle bis 2015 sicher deutlich überschreiten", versichert Pfeiffer. Bei weniger als 6 Rappen Produktionskosten nehmen die Besitzer, alle grossen Stromverteiler, die zusätzlichen Kilowattstunden noch so gerne, um den steigenden Bedarf decken zu können.

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Bund 19.8.10

Jungfreisinnige wollen Atomausstieg der Stadt Bern verhindern

 Am 28. November stimmt das Stadtberner Volk voraussichtlich über den Ausstieg aus der Atomkraft ab.
 
Simon Thönen

 Der Ausstieg der Stadt Bern aus der Kernenergie stand bisher im Schatten der kantonalen Auseinandersetzung um eine neues Atomkraftwerk in Mühleberg. Dies könnte sich nun ändern. Zumindest die städtischen Jungfreisinnigen wollen verhindern, dass das stadteigene Werk Energie Wasser Bern (EWB) aus der Atomkraft aussteigt.

 Gestern lancierte die Jungpartei einen eigenen Gegenvorschlag zur städtischen Volksinitiative "Energiewende Bern". Die Initiative verlangt, dass EWB bis 2030 auf Beteiligungen an AKW verzichtet. Der Gemeinderat will mit einem Gegenvorschlag dasselbe Ziel erreichen, die Frist aber bis 2039 verlängern. Die Jungfreisinnigen greifen nun den Atomausstieg frontal an (siehe Info-Boxen).

 Allerdings ist diese Absicht im Vorschlag der Jungfreisinnigen nur indirekt enthalten: Der Atomausstieg wird einfach nicht mehr erwähnt. Der Sinn des Vorstosses erschliesst sich erst aus der Pressemitteilung, in der die Jungfreisinnigen ein Verbot von neuen AKW-Beteiligungen als "ideologische Selbstbefriedigung" der links-grünen Parteien anprangern.

 Der Verzicht auf neue AKW-Beteiligungen führe dazu, so argumentieren die Jungfreisinnigen, dass EWB massiv in erneuerbare Energie im Ausland investieren müsse. So würden "Arbeitsplätze von der Region Bern ins Ausland verlagert". Statt zum Beispiel in Windparks in Deutschland oder Solarstrom in Spanien zu investieren, solle EWB, so der Gegenvorschlagstext, "einheimische erneuerbare Energie" fördern.

 Kopfschütteln bei Initianten

 Das Argument, der Atomausstieg von EWB gefährde inländische Arbeitsplätze, sei "unlogisch", entgegnet Natalie Imboden, Grossrätin des Grünen Bündnisses und Mitinitiantin von "Energiewende Bern". "Die heutige Realität ist, dass wir Atomstrom aus dem Ausland einführen, womit auch die Wertschöpfung dort stattfindet." In der Tat ist EWB momentan nicht nur am AKW Gösgen, sondern auch am französischen AKW Fessenheim beteiligt.

 Dass Fessenheim der einheimischen Wirtschaft nichts bringt, räumt auch der jungfreisinnige Stadtrat Bernhard Eicher ein. "Mir wäre lieber, wenn man sich hier an einem AKW beteiligen könnte", sagt er. Eine Beteiligung von EWB an einem neuen AKW in Mühleberg wäre für Eicher "eine Möglichkeit".

 Atomdebatte Hauptschauplatz

 Atomkraftwerke in der Schweiz versus Windparks im Ausland - dies dürfte denn auch die eigentliche Debatte sein, die die Jungfreisinnigen nun in der Stadt Bern anstossen. Und die Arena dafür wird wohl die Volksabstimmung in der Stadt Bern über die Initiative "Energiewende Bern" und den Gegenvorschlag des Gemeinderates sein. Denn im Stadtparlament dürfte der Gegenvorschlag der Jungfreisinnigen kaum eine Chance haben.

 Die Volksabstimmung in der Stadt Bern findet voraussichtlich am 28. November statt - wahrscheinlich nur zweieinhalb Monate vor der kantonalen Volksabstimmung über ein neues AKW in Mühleberg. Die Stadt Bern wird damit ein Testfall für die kantonale Volksentscheidung, die wiederum ein Test für die AKW-Abstimmung auf nationaler Ebene um 2013 sein wird.

 "Ich gehe davon aus, dass die bürgerlichen Parteien sich im Abstimmungskampf engagieren werden", sagt Eicher. Zuversichtlich zeigt sich auch Imboden: "Die Fachleute von EWB sind klar der Auffassung, dass der Atomausstieg möglich ist." Differenzen habe man lediglich beim Zeitplan. In der Tat hat der CEO von EWB, Daniel Schafer, kürzlich bekräftigt: "Ich bin überzeugt, dass wir 2039 den wegfallenden Atomstrom aus Gösgen durch erneuerbare Energien werden ersetzen können." (Siehe "Bund" vom 12. 8.)

 Priorität für Inlandinvestitionen

 Das Anliegen der Jungfreisinnigen, dass Investitionen in erneuerbare Energie primär in der Region getätigt werden, ist im Grundsatz kaum umstritten. "Dies wollen wir auch", sagt Imboden, "aber ein Windkraftwerk wird natürlich nicht auf dem Gurten stehen, sondern an günstigen Standorten auf der Grimsel, im Jura oder eben in der Nordsee."

 Dass EWB kürzlich erstmals gemeinsam mit der BKW Energie AG einen deutschen Windpark kaufte, ist "als Einzelfall" auch für Eicher akzeptabel. Grössere Investitionen in ausländische grüne Energie will er jedoch bekämpfen.

 Um ihr Argument zu unterstreichen, dass der Atomausstieg Arbeitsplätze ins Ausland verlagere, zitieren die Jungfreisinnigen den SP-Stadtrat und Gewerkschafter Ruedi Keller, der ebenfalls Arbeitsplätze bedroht sehe. Doch sie werden sich wohl einen neuen Kronzeugen suchen müssen. "Dies ist unredlich", protestiert Keller. Er habe lediglich gefordert, dass Umstrukturierungen beim EWB sozialverträglich zu erfolgen hätten. In der Sache unterstütze er den Gegenvorschlag des Gemeinderates - also einen AKW-Ausstieg bis 2039. "Diese Position ist mit dem Personal von EWB abgesprochen", betont Keller.

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 "Energiewende Bern"

 Die im November 2008 mit 6000 Unterschriften eingereichte städtische Volksinitiative "Energiewende Bern" fordert, dass das städtische Werk Energie Wasser Bern (EWB) ab 2030 nur noch Strom aus erneuerbaren Energien produziert, kauft und verkauft. Ausnahmen kann der Gemeinderat beschliessen. Die bestehenden Beteiligungen von EWB an den Atomkraftwerken Fessenheim (Frankreich) und Gösgen (Solothurn) müssten aufgelöst werden, neue Beteiligungen an Kernkraftwerken wären künftig nicht mehr erlaubt.

 Die Initiative verlangt auch eine Ökoabgabe auf Strom aus nicht erneuerbaren Energien für eine Übergangsfrist zur Förderung von Ökostrom. Allerdings nur, falls dies das "übergeordnete Recht zulässt" - ob dies für die Stadt Bern rechtlich möglich wäre, ist eine offene Frage. (st)

 Gegenvorschlag Gemeinderat

 Der Gemeinderat hat im Mai 2010 einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative "Energiewende Bern" vorgeschlagen. Über diesen und die Initiative wird zuerst der Stadtrat und danach das Stadtberner Volk entscheiden.

 Inhaltlich entspricht der Gegenvorschlag der Volksinitiative - mit einem wesentlichen Unterschied: Das stadteigene Werk EWB hätte eine Frist bis 2039, um Stromproduktion und -handel auf erneuerbare Energien umzustellen. Dies würde es EWB erlauben, die Beteiligung am AKW Gösgen bis zum mutmasslichen Ende der Laufzeit dieses Werks zu behalten. Dies beschere EWB zusätzliche Einnahmen von total 351 Millionen Franken in den neun Jahren der Fristverlängerung, rechnete der Gemeinderat vor. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass Gösgen wirklich so lange sicher betrieben werden kann. (st)

 Gegenvorschlag Jungfreisinn

 Die Jungfreisinnigen der Stadt Bern präsentierten gestern einen eigenen Gegenvorschlag zur Initiative "Energiewende Bern". Der wesentliche Unterschied ist, dass kein Ausstieg aus der Atomenergie und auch keine Ökoabgabe enthalten sind.

 Der Gegenvorschlag verlangt, dass das stadteigene Werke EWB "einheimische erneuerbare Energien" fördern soll. Jedoch lässt der Text mit der Formulierung, dass die "dafür nötigen Investitionen hauptsächlich im Inland getätigt" werden, eine Hintertüre für Investitionen auch in ausländische grüne Energie offen. Weiter fordert der Gegenvorschlag, dass EWB Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke unterstützt. Mit Letzteren kann in verbrauchsschwachen Zeiten Strom aus Windkraftwerken oder Solaranlagen - aber auch solcher aus AKW - zu Spitzenenergie veredelt werden. (st)

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St. Galler Tagblatt 19.8.10

Kanton haftet nicht bei AKW-Schäden

 Frauenfeld. Nach der Ölkatastrophe im Golf wollte GLP-Kantonsrat Thomas Böhni (Frauenfeld) vom Regierungsrat wissen, wie das Haftungsrisiko bei einem AKW-Schadenfall oder bei einem Schaden in einem Atomzwischen- oder -endlager aussieht.

 In ihrer Antwort betont die Regierung, dass der Kanton in einem solchen Schadenfall keine Haftung trage. Zwar sei der Kanton Thurgau alleiniger Aktionär der EKT Holding AG, die wiederum 12,5 Prozent der Axpo Holding besitze. Deren Tochterunternehmen, die Axpo AG in Baden, ist Eigentümerin der AKWs Beznau und ist an den AKW Leibstadt und Gösgen beteiligt. Gemäss Aktienrecht bestehe keine Haftung der Aktionäre für Schäden. Für den Schaden hafte direkt der Betreiber der Anlage sowie der Bund. (hal)