MEDIENSPIEGEL 23.8.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm (Rössli)
- Reitschule bietet mehr: Müslüm Mann der Woche
- (St)Reitschule: Puppe weg aus Sommerloch
- Orte der Wut: Kreativer Zündstoff
- RaBe-Info 23.8.10
- Agassizhorn wird nicht umbenannt
- Ausschaffungstod: Neues Obduktionsgutachten gefordert
- Knast VD: Kameraausfall während Beamtengewalt
- Kulturraum Chur
- Drogenlegalisierungsdebatte Südostschweiz
- Zwischengeschlecht: Aktion vor Kinderspital LU
- Söldnerfirmen: Regularisierung
- Schwuler Fussball mit Stonewall FC
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REITSCHULE
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Do 26.08.10
20.00 Uhr - Rössli - Solifest für die
kirchliche Gassenarbeit
Bern. Lesung von Matto Kämpf, Konzerte von The Frozen Pony &
The Hot Skirts, Reverend Beat-Man, u.v.a.
21.30 Uhr - Hofkino - "Allein machen sie dich ein!"
Filmzyklus
über die Zürcher Häuserbewegung Teil 7 & 8
Fr 27.08.10
20.30 Uhr - Kino - Tatort Reitschule: "Die Falle" - der
letzte
Ehrlicher!
23.00 Uhr - Dachstock - C'est Berne. Your local
Techno-Heroes!
Sa 28.08.10
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session: London
Elektricity & MC
Wrec (UK/Hospital), Flowrian & LaMeduza, Lockee, TS Zodiac, MC Matt
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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kulturstattbern.derbund.ch 23.8.10
Von Gisela Feuz am Montag, den 23. August 2010, um 07:00 Uhr
Kulturbeutel 34/10
Frau Feuz empfiehlt:
Besuchen Sie am Donnerstag das Solifest für die kirchliche
Gassenarbeit im Rössli, weil das eine gute Sache ist. Mit von der
Partie werden die Damen von The Frozen Pony And The Hot Skirts,
Reverend Beat-Man zusammen mit Mario Capitanio und Matto Kämpf
sein. Liebhaber elektronischer, experimentierfreudiger Musik pilgern
zudem am Samstagnachmittag in den Botanischen Garten, wo Les Digitales
zum ersten Mal in Bern veranstaltet wird.
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http://www.gassenarbeit-bern.ch/solifest.htm
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REITSCHULE BIETET MEHR
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Migros-Magazin 23.8.10
Mann der Woche
Semih alias Müslüm
In Bern ist er Kult. Jetzt erobert Semih Yavsaner (30) mit
seiner
Kunstfigur Müslüm die ganze Schweiz und will damit das
Kulturzentrum Reithalle in Bern vor dem Verkauf retten. Sein
sozialkritisches und witziges Video "Erich, warum bisch du nid
ehrlich", gerichtet an SVP-Politiker Erich Hess, ist ein Hit. 150 000
Leute klickten es auf Youtube bereits an.
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BZ 23.8.10
Komiker Semih Yavsaner
"Müslüm sagt, was viele denken"
Mit dem Video zum Song "Erich, warum bisch du nid
ehrlich?"
erobert der Berner Komiker Semih Yavsaner alias Müslüm die
Youtube-Charts. Politisches Engagement für die Erhaltung der
Reitschule erachtet er als eine Selbstverständlichkeit.
Im Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" rechnen Sie
mit dem
JSVP-Politiker Erich Hess ab, der sich für eine Schliessung der
Reitschule engagiert. Sind Sie ein politischer Mensch?
Semih Yavsaner: Ich erachte meinen Entschluss,
kulturpolitisch
aktiv zu werden, als selbstverständlich. Es ist sozusagen die
Pflicht jedes Berner Kulturschaffenden oder Kulturliebenden, sich
für den Erhalt des kulturellen Austausches in unserer Stadt zu
engagieren. Nicht Sprüche sind es, woran es fehlt in diesen Tagen,
sondern Taten.
Was würden Sie in der Schweiz denn ändern, wenn
Sie
hier alleiniger Präsident wären?
Man kann in der Schweiz schon als einfacher Bürger
sehr viel
verändern, dazu braucht man nicht Präsident zu sein. Mir ist
es wichtiger, kulturell viel zu bewegen und mich für Gutes zu
engagieren. Die Politik überlasse ich nach meinem kleinen Ausflug
in die Hitparade wieder den Politikern - ich beschäftige mich
danach wieder mit meiner wahren Liebe, der Unterhaltung. Vorausgesetzt
natürlich, die Bernerinnen und Berner stimmen am 26. September mit
einem saftigen Nein gegen die Reitschule-Initiative.
Was für ein Verhältnis haben Sie denn zur
Reitschule?
Ein sehr intimes. Ich gehe sogar so weit, dass ich sage:
Wäre die Reithalle eine Frau, dann würde ich mit ihr
permanent Liebe machen. Die Reitschule ist die einzige Schule, die
wirklich Spass macht!
Über 190 000-mal wurde Ihr Video auf der
Videoplattform
Youtube bereits angeschaut - was geht Ihnen bei dieser Zahl durch den
Kopf?
Dass die Kunst ein wirksames Medikament ist, um unsere
"irritierte" Gesellschaft wieder zur Besinnung zu bringen. Zugleich
sind diese Besucherzahlen auf Youtube der Beweis dafür, dass sich
das Berner Volk nicht von den polemischen Äusserungen unserer
Widersacher manipulieren lässt, sondern den kulturellen Austausch,
der in der Reithalle stattfindet, schätzt und sich mit uns
Kulturschaffenden solidarisiert.
Auf Youtube sind auch Telefonscherze, die Sie fürs
Radio
eingespielt haben, online. Warum löste nun gerade "Erich, warum
bisch du nid ehrlich?" so einen Hype aus?
Ich denke, Müslüm sagt genau das, was viele
Menschen
hier schon lange mal hören wollten. Direkt und ohne Filter. Und
klar, ich hatte unglaublich engagierte und talentierte Freunde um mich.
Zum Beispiel Florian Wyss, der Regisseur vom Video. Er hat die Stimmung
beim Dreh einfangen und die Energie visuell transportieren können.
Er hat grossen Anteil am Erfolg.
Sie sind nicht der erste Komiker, der mit einem
forcierten,
türkischen Akzent auf kontroverse Gesellschaftsthemen aufmerksam
macht, da gibt es etwa Erkan und Stefan oder Kaya Yanar im deutschen
TV. Sind das Ihre Vorbilder?
Meine Bewunderung gilt den Menschen, die Grosses bewirken
und
dabei stets Mensch bleiben. Zum Beispiel traf ich mich letztes Jahr mit
Kaya Yanar ("Was guckst Du?") zu einem Interview für ein privates
Radio. Ein sehr intelligenter und humorvoller Mensch, wirklich
beeindruckend. Auch er hat starke Figuren erschaffen, die auf der
Bühne wie auch in einem TV-Sketch wunderbar funktionieren.
Neu kann man Ihren Song auch im Internet kaufen, zudem
sind Sie
auf dem Album "Reitschule beatet mehr" vertreten. Was stellen Sie mit
all dem Ruhm und Geld an, das Sie damit verdienen?
Am liebsten würde ich dem Erich Hess und dem Thomas
Fuchs
einen Afrikatrip offerieren, weit weg von der zivilisierten Welt, tief
in den Dschungel. Vielleicht würde das bewirken, dass sich ihr
menschlicher Horizont erweitern würde und wir in Zukunft über
relevantere Themen diskutieren könnten, die unsere
wunderschöne Stadt kulturell aufwerten würden, und nicht
über die Schliessung des Berner Kulturmekkas. Aber eben, das ist
so eine Sache mit dem Musikmachen und Geldverdienen… Daher lässt
der Afrikatrip für die beiden Herren wohl noch auf sich warten.
Haben Sie keine Angst, dass sich nach der
Reitschule-Initiative
niemand mehr für Müslüm interessiert?
In einer Zeit, in der Mike Shiva mehr Geld umsetzt als der
WWF
oder sonst eine Wohltätigkeitsorganisation? In einer Zeit, in der
ein Erich Hess es zum Vorsitzenden einer Partei schafft? In so einer
Zeit werden sich auch weiterhin viele Menschen für
Müslüm interessieren und sich für die Figur begeistern.
Hinzu kommt - und das mag jetzt ziemlich einfach klingen, trifft aber
völlig zu -, dass ich niemanden kenne, der nicht gerne lacht. Und
solange das so bleibt, wird sich der "Hans-Ruedi-Normalverbraucher"
für Müslüm begeistern.
Interview: Stefanie Christ
--
Zur Person
Vom Radio in die Charts
Hinter Müslüm steckt der 30-jährige Berner
Komiker
Semih Yavsaner. Aufgewachsen in einer türkischen
Gastarbeiterfamilie, wusste er früh, dass er Unterhalter werden
wollte. Zuerst jobbte er beim Radio, wo er als Müslüm unter
anderem Telefonscherze machte. Für den Schweizer Kinofilm "The
Ring Thing" schrieb er den Soundtrack. Mit "Erich, warum bisch du nid
ehrlich?" schrieb der nachdenkliche Komiker einen Song gegen die
Reitschule-Initiative und landete damit prompt einen Hit auf der
Videoplattform Youtube.com. In der Radio-Hitparade könnte sein Hit
erstmals am kommenden Sonntag auftauchen.
stc
---
NZZ am Sonntag 22.8.10
Ein Hit für die Reitschule
Semih Yavsaner, Schöpfer der Kultfigur
Müslüm,
will die Berner Reitschule retten. Und landet dabei einen Hit.
Von Christine Brand
Auf der Terrasse des Berner Restaurants Du Nord sitzt ein
gutaussehender junger Mann. Dunkler Sakko, dunkelblaue Jeans, Gel in
den schwarzen Locken. Zumindest äusserlich ist keine
Ähnlichkeit mit der Figur feststellbar, die den Komiker Semih
Yavsaner zu einer kleinen Berühmtheit gemacht hat. Yavsaner,
30-jähriger Berner und Türke, ist der Schöpfer von
Müslüm, einem gebrochen Deutsch sprechenden, dick
beschnurrbarteten und dichtbehaarten Türken mit beflecktem
Vorstrafenregister. Ein Klischee-Türke, wie Harry Hasler einst ein
Klischee-Schwamendinger war. Nur besser.
In der Rolle von Müslüm nahm Yavsaner mit
bestechender
Schlagfertigkeit zunächst für ein Berner, dann für ein
Zürcher Privatradio alle und jede auf die Schippe, die er an den
Draht bekam. Zum Beispiel die Frau vom Personaldienst der Polizei, bei
der er sich als Aspirant bewerben wollte - obwohl er an einem
Überfall mit Todesopfern beteiligt war. Oder die Angestellte bei
der Samenbank, die erklärte, dass Samenspenden von Türken
unerwünscht seien.
Müslüm, "der Mann mit dem Telefonscherz", ist in
der
Radiohörergemeinde längst Kult. Jetzt aber hat der rotzfreche
Türke über Nacht ein Gesicht bekommen und sich auf eine weit
grössere Bühne katapultiert. So rasant, dass der Mann hinter
Müslüm gar nicht recht weiss, wie ihm geschieht. "Das, was
hier abgeht", sagt Semih Yavsaner, "ist nicht real." Er wird
plötzlich von Anfragen überflutet und kommt sich zuweilen vor
wie im falschen Film.
Ein durchaus sehenswerter Film. Der damit beginnt, dass
die
Stadtberner zum x-ten Mal über die Zukunft des Kulturzentrums
Reitschule abstimmen müssen. Weil die Berner SVP - allen voran
Fraktionspräsident Erich Hess - erneut eine Initiative lanciert
hat, die die Schliessung verlangt. Darum gibt das Kulturzentrum als
Gegenkampagne eine CD heraus: 22 Künstler und Bands wie Züri
West, Patent Ochsner oder Steff la Cheffe machen sich darauf für
die Reitschule stark. Auch Müslüm singt ein Lied. Zum ersten
Mal. Das Video dazu zeigt ihn im pinkfarbenen Anzug,
Bollywood-mässig zum türkischen Beat die Hüfte
schwingend. "Erich, warum bisch nid eerlich?", fragt Müslüm
den Initianten Hess trällernd. "Wir sind doch nicht
gefährlich!" Der Klamauksong wird zum Hit. Er erklimmt die Charts
bei iTunes. 185 000 Personen schauen sich das Video auf Youtube an. Der
Versuch des SVP-Manns Thomas Fuchs, den Song zu verbieten, bewirkt das
Gegenteil; er wird jetzt noch öfter gespielt. Somit wird die
SVP-Initiative - so paradox es klingen mag - irgendwie zu Semih
Yavsaners persönlichem Glück: Sie verhilft Müslüm
zum Durchbruch.
Semih Yavsaner glaubt daran, dass er dereinst als Komiker
genug
Geld zum Leben verdienen wird. Weil die Figur Müslüm
facettenreich und wandelbar sei. "Müslüm traut man nichts zu,
aber er schafft trotzdem alles", sagt Yavsaner. Es könnte eine
Aussage über ihn selbst sein. Über Semih Yavsaner, Kind einer
Gastarbeiterfamilie, aufgewachsen in einer Welt der kulturellen
Gegensätze. Die Mutter arbeitet in der Pflege, der Vater war
Abwart, schuftete über 35 Jahre lang bis 16 Stunden am Tag, bis
sein Herz nicht mehr mitmachte. Jetzt bezieht er IV-Gelder. Und ist
kein Scheininvalider. "Es verletzt mich, dass man alles darauf
herunterbricht, dass die Ausländer der Schweiz Böses
wollten", sagt Yavsaner. "Dabei lieben auch wir dieses Land." Gegen das
Schubladendenken wehrt er sich. Seine Erfahrungen fliessen in seine
Arbeit ein.
So ist Semih Yavsaner ein Teil von Müslüm und
umgekehrt. Bald sollen auf den singenden Müslüm Sketches
folgen. Und dann, irgendwann, ein Film. Aber zuvor hat Yavsaner ein
dringenderes Ziel: den Kampf um die Reitschule. Er selbst-
Ausländerausweis C - kann keine Stimme abgeben. Aber bestimmt hat
er schon etliche Stimmen gewonnen.
---
Südostschweiz 22.8.10
Aus Berner Sicht
Müslüm und der Zorn der Stadtberner SVP
Von Simon Fischer
Das Stimmvolk der Stadt Bern ist wahrlich nicht zu
beneiden. Am
26. September muss es entscheiden, ob das Kulturzentrum Reithalle
geschlossen werden soll. Es ist nicht etwa das erste Mal, dass sich der
beliebte Treffpunkt für Künstler, Musiker, Schauspieler und
Tanzwütige gegen einen Angriff per Volksinitiative verteidigen
muss. Nein, die armen Berner müssen sich nun schon zum
fünften Mal innert elf Jahren zu dieser Frage äussern.
Initiant Erich Hess, Stadtrat und Präsident der Jungen SVP
Schweiz, kümmert dies herzlich wenig. Denn seiner Ansicht nach ist
die Reithalle nichts als ein Unterschlupf für Drogensüchtige,
Penner, Terroristen und sonstiges linkes Pack.
Nun schlägt die Reithalle zurück,
unterstützt von
Müslüm. Das Alter Ego des schweizerisch-türkischen
Doppelbürgers Semih Yavsaner ist bisher nur durch Telefonscherze
bei verschiedenen Radiosendern aufgefallen. Mit dem Song "Erich, warum
bisch du nid ehrlich" startet er nun aber richtig durch. Im Text wird
Hess von Müslüm in gebrochenem Deutsch gefragt, warum dieser
so aggressiv sei und ob er allenfalls zu wenig Liebe bekommen habe. Auf
der Internetplattform Youtube hat sich der Ohrwurm prompt zu einem
Renner entwickelt, und auch im Radio wird er ab und an gespielt.
Das hat Hess' Partei-, Rats- und auch sonstigen Kollegen
Thomas
Fuchs dazu verleitet, den Radiostationen mit einer Klage zu drohen,
sollten diese den Song weiter spielen. Politische Propaganda im
Äther sei verboten, so seine schlüssige Argumentation. Wo er
Recht hat, hat er Recht. Denn Popmusik ist schliesslich seit jeher eine
völlig apolitische Angelegenheit - abgesehen vielleicht von John
Lennons "Give Peace A Chance", Bob Dylans "Masters Of War", Bob Marleys
"Redemption Song", U2s "Sunday Bloody Sunday" und einigen weiteren
zehntausend Beispielen ...
Simon Fischer ist Bundeshausredaktor der
"Südostschweiz".
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Blick am Abend 20.8.10
Müslüm startet durch!
HELVETIA
Jetzt spielt Müslüm die nationale Karte!
Hitparade und
TV sind nicht mehr vor ihm sicher.
peter.pflugshaupt@ringier.ch
Der Müslüm-Hit "Erich, warum bisch du nid
ehrlich"
schlug ein wie eine Bombe. Auf Youtube, im iTunes-Store und jetzt wohl
auch in der offziellen Schweizer Hitparade. Am nächsten Sonntag,
29. August, ist sein Hit mit grösster Wahrscheinlichkeit in den
landesweiten Charts. "Die Chancen stehen tatsächlich gut", sagt
Sylvie Widmer von der Plattenfirma Soundservice.
Doch Müslüm erobert nicht nur die Ohren der
Schweizer.
Bald könnte er auch die Bildschirme in den Wohnstuben entern. Der
begnadete Berner Komiker hat auch schon Anfragen von nationalen
Fernsehstationen. Bescheiden wie immer sagt Müslüm: "Falls
ich nicht Bundesrat werde, ist das auch eine interessante Option."
Vor 10 Tagen posierte Müslüm exklusiv für
Blick am
Abend vor der Reithalle. Erstmals wurde eine breite Öffentlichkeit
auf den Pink Panter der Comedy-Szene aufmerksam. Inzwischen hetzt
Müslüm von Interview zu Fotoshooting und zurück. "Das
Leben ist wie ein Fussballspiel. Wenn du in der Pause
zurückliegst, musst du in der zweiten Halbzeit so richtig viele
Tore schiessen."
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(ST)REITSCHULE
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Bund 21.8.10
Reitschule: Die Puppe auf dem Dach ist weg
Gestern Mittag ist die ans Kreuz geschlagene Puppe vom
Dach der
Reitschule entfernt worden (siehe "Bund" von gestern). Die Mediengruppe
der Reitschule verneint auf Anfrage einen Zusammenhang mit dem
aufkommenden öffentlichen Interesse am streitbaren Kunstobjekt. Es
sei bereits am Dienstag beschlossen worden, die Puppe vom Dach zu
nehmen, jedoch sei erst für gestern ein "höhentauglicher
Klettermeister" gefunden worden. Für die Betreiber wäre der
Zeitpunkt für eine Polemik wegen der Abstimmung über den
Verkauf der Reitschule Ende September ungünstig.
Kirchenvertreter kritisierten die gekreuzigte, nackte
Frauenpuppe
mit umgebundenem Dildo als "Verletzung der religiösen
Gefühle". Installiert worden war die Puppe von externen
Partyveranstaltern als Dekoration. (bro)
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ORTE DER WUT
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Bund 23.8.10
Ein Streifzug durch Berns "Orte der Wut"
Ein Erlebnis der besonderen Art ist der Stadtrundgang von
Stattland. Der im Rahmen der Biennale Bern konzipierte Rundgang
führt Besuchende an Orte, die in der Vergangenheit Wut oder gar
Krawalle ausgelöst haben. Eindrücke vom
Eröffnungsrundgang.
Fiona Ziegler
Samstagnachmittag, 14 Uhr. Die Augustsonne brennt. Vor dem
Münster haben sich 30 Personen versammelt. Sie sind gekommen, um
am Eröffnungsrundgang durch Berns "Orte der Wut" teilzunehmen.
Ausgangspunkt ist das Münster: Hinter einer Nische des
Seitenportals tritt eine ganz in Rot gekleidete Frau hervor,
Schauspielerin und Projektleiterin Katharina Lienhard. Mit grossen
Augen und wütender Stimme liest sie aus der Bibel, zitiert Zwingli
und ruft in seinem Namen zum Bildersturm auf.
Wo einst Skulpturen die Nischen der Seitenportale
schmückten, ist heute nichts als ein leerer, gotischer Torbogen zu
sehen. Die Skulpturen wurden im Zuge der Reformation von 1528 vom Volk
abgerissen und entfernt. Das Münster zeigt sich damit als Ort, an
dem auch heute noch die Spuren der Wut vergangener Zeiten sichtbar sind.
Im Auftrag der dritten Biennale Bern konzipiert, soll der
Stadtrundgang die Besucher an Orte in Bern führen, die in der
Vergangenheit heftige Diskussionen sowie Krawalle und politische
Debatten ausgelöst haben.
Vor dem Lischetti-Brunnen hüpft die "rote Frau", die
wie ein
roter Faden durch den Rundgang führt, und fordert die Besucher
auf: "Hüpfen Sie! Schlürfen Sie! Pirouettieren Sie!" Die
Stadtführerin erklärt: "Das ist der Vorschlag des Berner
Künstlers Eduardo Lischetti, sich dem gesellschaftlichen Zwang zu
entziehen, normal laufen zu müssen." Seine Kunstwerke hätten
Unmut, gar Wut in Berns Bevölkerung ausgelöst, erklärt
Franziska Fankhauser, die seit sechs Jahren Stadtführerin bei
Stattland ist.
Weit mehr Wut ausgelöst habe aber ein weiterer
Schauplatz
der Führung: Der Meret Oppenheim-Brunnen. 1982 vom Stadtrat mit
dem Bau des Brunnens beauftragt, beabsichtigte Meret Oppenheim die
Aufwertung des Waisenhausplatzes. Bei der Eröffnung aber
ertönten laute Buhrufe aus der Masse. Es sehe aus wie eine
Zigarre, ein Fabrikturm oder gar ein Minarett, meint die "rote Frau"
und bringt damit die öffentliche Debatte der 1980er-Jahre zum
Ausdruck, die hitzig in der Presse geführt wurde. Nachdem eine
Vielzahl Berner den Brunnen aus dem Stadtzentrum entfernen wollte,
entschied der Stadtrat 1987 zugunsten des Brunnens.
Orte politischen Aufruhrs
Ein anderer Ort, der mit einem historischen Krawall in
Verbindung
gebracht wird, ist der Käfigturm: Am 19. Juni 1893 zogen hundert
erzürnte Bauarbeiter vom Bahnhof zum Kirchenfeld. Ihr Zorn galt
den italienischen Gastarbeitern, die ihnen die Arbeit wegnehmen
würden. Einige der Protestierenden wurden im Käfigturm, dem
ehemaligen Männergefängnis, eingesperrt. An einem aktuellen
politischen Anknüpfungspunkt - der Reitschule - endet der
Rundgang: Es sei ein Ort, wo "die Wut auch kreatives ausgelöst"
habe, sagt Fankhauser, der aber bis heute ein Ort geblieben sei, der
für Zündstoff in der Bevölkerung sorge.
Angeregt, nicht wütend, applaudierten die
Premieren-Besucher
und erfrischten sich im Hof der Reitschule.
--
Stattland Im Progr feiert der Verein sein 20-jähriges
Bestehen
Der aus 70 Mitgliedern bestehende Verein Stattland
führt
seit 1990 in alternativen Stadtrundgängen durch Bern.
Hervorgegangen ist der Verein aus den Diskussionen über
alternative Tourismusformen in den 1980er-Jahren. In Deutschland
führte dies zur Gründung von "StattReisen"-Vereinen für
unkonventionelle Stadtführungen. Geschichts- und
Geografiestudenten brachten das Konzept 1989 von Berlin nach Bern.
Auf rund 600 Rundgängen führt Stattland
jährlich
über 10 000 Besucher durch Bern. Die Führungen enthalten
schauspielerische Interventionen und sind thematisch angelegt. Es gibt
jährlich zwei neue Führungen: So widmet sich eine
Führung ab November den "Berner Essensgeschichten".
Am 4. September 2010 feiert Stattland im Progr Bern sein
20-jähriges Bestehen. Das Jubiläumsfest ist gleichzeitig auch
die Vernissage des neuen Buches (siehe Kasten rechts). Ab 16.45 Uhr
wird das Buchkapitel "Bern in Person" in drei Gratisrundgängen
vorgestellt: Sieben Schauspieler lassen Berner Berühmtheiten
wiederaufleben. Im Anschluss an den Rundgang findet um 19 Uhr die
Buchvernissage mit der Textperformerin Nicolette Kretz,
Stadtpräsident Alexander Tschäppät und Präsident
der Burgergemeinde Bern, Franz von Graffenried, statt. Ab 22 Uhr
lädt DJ Bobby Baguette zum Tanzen in die Turnhalle. (fio)
--
Das Buch: "Bern statt fern"
Zum zwanzigjährigen Jubiläum legt Stattland
seine neue
Publikation vor. Das Buch mit dem Titel "Bern statt fern - Fünf
thematische Stadtspaziergänge" ist wie ein Reiseführer
konzipiert. In fünf Kapitel unterteilt, führt das Buch in
fünf Stadtspaziergängen durch Bern: Von der Altstadt bis nach
Bern West werden über fünfzig Standorte zwischen der Elfenau
und Brünnen vorgestellt. Wie die Stadtführungen von Stattland
will auch die neue Buchpublikation andere Stadtansichten vermitteln.
Die Stadtrundgänge sind deshalb auch für Leute interessant,
die Bern bereits kennen. Zur Buch-Vernissage am 4. September wird "Bern
statt fern" in szenischen Rundgängen der Öffentlichkeit
vorgestellt. (fio)
Der Rundgang Orte der Wut findet während der
"Biennale Bern"
vom 10. bis 18. September täglich um 18 Uhr statt.
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RABE-INFO
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Mo. 23. August 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_23._August_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_23._August_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2023.%20August%202010
- Reitschule Rundgang- zu Besuch in der grossen Halle
- Kopf der Woche- Bill Ayers, vom militanten Bürgerrechtler
zum
Pädagogik- Professor
Links:
http://www.grossehalle.ch/reitschule/grossehalle
http://billayers.org
http://www.quiet.ch/books
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AGASSIZHORN
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Bund 21.8.10
Agassizhorn bleibt nach Rassentheoretiker benannt
Die Gemeinden Grindelwald, Guttannen und Fiescherwald
lehnen eine
Petition des Komitees "Démonter Louis Agassiz" ab. Das Komitee
verlangte die Umbenennung in Rentyhorn, weil der Schweizer
Naturforscher Louis Agassiz nach seiner Auswanderung in die USA auch
rassentheoretische Schriften veröffentlicht hatte, in denen er die
Minderwertigkeit der schwarzen Rasse postulierte. Renty war ein
kongolesischer Sklave, den Agassiz 1850 in den USA untersuchte und
fotografierte. "Wir verurteilen seine Rassentheorien", sagt der
Grindelwalder Gemeindepräsident Emanuel Schläppi. Jeder
Mensch habe jedoch Sonnen- und Schattenseiten. Agassiz habe wichtige
Forschungen betrieben und sei ein führender Wissenschaftler des
19. Jahrhunderts gewesen. (wal) — Seite 31
--
Agassizhorn wird nicht in Rentyhorn umgetauft
Standortgemeinden lehnen eine Petition und einen
Kompromiss ab.
Simon Wälti
Das Agassizhorn im Berner Oberland behält seinen
Namen: Die
drei Gemeinden Grindelwald, Guttannen und Fieschertal haben die
Petition zur Umbenennung abgelehnt. Das Komitee "Démonter Louis
Agassiz" wollte den 3953 Meter hohen Berggipfel im Unesco-Weltnaturerbe
Jungfrau-Aletsch in Rentyhorn umtaufen. Louis Agassiz (1807 bis 1873)
war nicht nur ein führender Glaziologe, sondern auch ein
Rassentheoretiker, der von der Minderwertigkeit der Schwarzen
überzeugt war. Er sei ein Vordenker der Apartheid gewesen, betonen
die Kritiker um den St. Galler Historiker Hans Fässler, die sich
für den Namenswechsel stark gemacht haben. Renty war ein
afrikanischer Sklave aus dem Kongo, den Agassiz in den USA zur
Untermauerung seiner Rassentheorie fotografieren liess. Fässler
zeigte sich über die Ablehnung der von rund 2600 Menschen
unterschriebenen Petition enttäuscht.
"Wir verurteilen seine Theorien"
"Aus heutiger Sicht sind seine Vorstellungen völlig
unverständlich und wir verurteilen seine Theorien", sagt der
Grindelwaldner Gemeindepräsident Emanuel Schläppi. Jeder
Mensch habe jedoch Sonnen- und Schattenseiten. Agassiz habe im 19.
Jahrhundert wichtige Forschungen betrieben und sei ein führender
Wissenschaftler gewesen. Er sei jedoch froh, dass nun auch das
rassistische Gedankengut des Naturforschers, der 1846 in die USA
auswanderte, ans Tageslicht gekommen sei. Eine Ausstellung im
Grindelwaldner Heimatmuseum im Sommer 2012 soll diese problematischen
Seiten beleuchten.
Als Agassiz zusammen mit anderen Wissenschaftlern in den
1840er-Jahren durch die hehre Bergwelt im Berner Oberland zog, waren
viele Gipfel noch ohne Namen. Was lag da näher, als sich selber zu
verewigen? So gibt es denn unweit des Agassizhorns auch das Grunerhorn,
das Studerhorn oder das Scheuchzerhorn. Schläppi wäre nicht
unglücklich, wenn dies nie geschehen wäre. "Berge sollten
nicht nach Menschen benannt werden", findet er. Der höchste Berg
der Schweiz, die Dufourspitze, trägt den Namen des Generals und
Kartografen Dufour. "Was ist, wenn man auch bei ihm einen dunklen Punkt
finden sollte?", fragt Schläppi.
Das Komitee hatte als Kompromiss vorgeschlagen, einen noch
nicht
benannten Gipfel Rentyhorn zu taufen. "Davon hätten beide Seiten
etwas gehabt, die Gemeinden hätten zudem etwas für ihr Image
tun können", sagt Hans Fässler. Der Vorschlag wurde jedoch
ebenfalls abgelehnt. Fässler akzeptiert den Entscheid, will aber
das Fernziel nicht aus den Augen verlieren. "Eine Namensänderung
braucht Zeit", sagt er. Fässler verweist auf das Beispiel der
Krügerstrasse in St. Gallen, die nach dem südafrikanischen
Burenführer und Apartheid-Wegbereiter Paul Krüger benannt
war. Die Strasse heisst seit 2009 Dürrenmattstrasse - nach dem
Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt.
--
Kommentar
Aufarbeiten, nicht umbenennen
Markus Dütschler
Wenn Universitäten, Kasernen, Strassen oder sogar
Berge nach
Menschen benannt werden, taucht später oft ein Problem auf: Der
Namensgeber fällt wegen eines Regimewechsels in Ungnade oder es
tauchen dunkle Flecken in seiner Biografie auf, deretwegen die Nennung
nicht mehr als opportun gilt. Ein Wirbel wird veranstaltet, bei dem oft
nicht das hehre Anliegen im Zentrum steht, vielmehr soll Wasser auf die
Mühle politischer Aktivisten gelenkt werden. Der
Umbenennungsinitiant Hans Fässler gilt im Kanton St. Gallen
diesbezüglich seit Jahrzehnten als feste Grösse. Es ist
sonnenklar, dass ein Hitler-Denkmal oder eine Stalin-Allee untragbar
sind. Doch der Fall Agassizhorn spielt nicht in dieser Liga. Von Louis
Agassiz sind neben wichtigen wissenschaftlichen Arbeiten auch
Äusserungen überliefert, die heute problematisch und
unverständlich wirken. Das ist bei vielen Persönlichkeiten
so: Sie waren dem Zeitgeist verhaftet und verrannten sich - man denke
an Martin Luthers rabiaten Antisemitismus. An uns ist es, Licht und
Schatten von Persönlichkeiten möglichst objektiv zu
würdigen. Die "Umbenamserei" - man denke nur an das aktuelle
Beispiel des Hotels zum Mohren in Huttwil - ist billiger Aktivismus,
der zu gar nichts führt.
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AUSSCHAFFUNG
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Südostschweiz 21.8.10
Ausschaffung: Anwalt fordert neues Obduktionsgutachten
Zürich. - Der Ausschaffungshäftling, der am 17.
März kurz vor der Rückführung nach Nigeria auf dem Flug-
hafen Zürich starb, soll doch nicht an einer schweren
Herzkrankheit gelitten haben. Der Anwalt der Hinterbliebenen fordert
ein neues Obduktionsgutachten, nachdem er das vorliegende Gutachten des
Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich von
anderen Ärzten überprüfen liess, wie er gestern
mitteilte. Gemäss erstem Gutachten bestand beim Verstorbenen eine
"schwerwiegende Vorerkrankung des Herzens". Diese war nicht bekannt und
ist zu Lebzeiten praktisch nicht diagnostizierbar.
Die vom Rechtsvertreter der Angehörigen des
Verstorbenen
kontaktierten Ärzte kamen nun aber zu einem anderen Schluss. Die
vom Institut für Rechtsmedizin genannte Diagnose sei keineswegs
gesichert, heisst es in der Mitteilung weiter. Die Befunde der Autopsie
würden nicht einer solchen schweren vorbestehenden Herzkrankheit
entsprechen, die Todesursache sei damit nicht geklärt. Als
unzutreffend habe sich auch erwiesen, dass eine solche Herzkrankheit zu
Lebzeiten kaum diagnostizierbar sei. Der Anwalt beantragte deshalb bei
der Zürcher Staatsanwaltschaft ein erneutes Obduktionsgutachten.
Diese hat die Stellungnahme des Anwalts Anfang Woche erhalten, wie der
zuständige Staatsanwalt Christian Philipp gestern auf Anfrage
sagte. Er werde die Stellungnahme nun zuerst analysieren und dann
entscheiden. (sda)
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KNAST VD
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Sonntagszeitung 22.8.10
Knast-Kamera lief nicht
Häftling hat keinen Beweis für Misshandlung
Lausanne Im Fall des Zürcher Geschäftsmannes,
der gegen
meh rere Lausanner Gefängnisaufseher wegen Misshandlung klagt,
fehlen wegen einer angeblichen Panne Videobeweise. Während Monaten
hatte der Anwalt des Häftlings die Herausgabe eines
Überwachungsvideos verlangt. Der Film sollte belegen, dass
fünf Aufseher des Gefängnisses Bois Mermet den Financier mit
Fusstritten und Schlägen ins Gesicht und den Intimbereich
erheblich verletzt hatten. Nun präsentiert das Gefängnis eine
technische Expertise, wonach die Kamera in den 15 Minuten, als sich der
Vorfall ereignete, eine Panne hatte.
Vor und nach dem Zwischenfall funktionierte die Kamera
Der Geschäftsmann sass wegen Verdachts auf
Geldwäscherei drei Monate in U-Haft. Die Aufseher gaben zu
Protokoll, der Häftling habe sich die Verletzungen selbst
zugefügt. Ein erstes Strafverfahren stellte der
Untersuchungsrichter ein, und die Anfragen des Anwalts wegen des Videos
liess er unbeantwortet.
Nachdem das Waadtländer Kantonsgericht eine neue
Ermittlung
angeordnet hatte, bestellte das Gefängnis einen
Telecom-Spezialisten, um Log-Files zu sichern. Der Computerausdruck
zeigt, dass die Kamera im Zeitraum der gewalttätigen
Auseinandersetzung ausser Betrieb war. Vorher und nachher funktionierte
sie tadellos. "Ein sehr unglücklicher Zufall", sagt Denis Pittet,
Mediensprecher des Waadtländer Departements des Innern. Es sei
aber auszuschliessen, dass die Kamera von Hand abgeschaltet worden sei.
Catherine Bos
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KULTURRAUM CHUR
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Südostschweiz 22.8.10
Chur soll öffentlichen Kulturraum erhalten
Chur. - Die Juso Graubünden, der Verein Bündner
Musikszene und der Autonome Jugendkulturverein Chur haben am
Freitagabend am Churer Fest eine Petition für einen "Kulturraum
Chur" lanciert. Das schreiben die drei Gruppierungen in einer
Mitteilung. Chur sei zwar Kantonshauptstadt mit 36 000 Einwohnern,
Wirtschaftsmittelpunkt und Zentrumsstadt für 100 000 Menschen,
aber es existiere kein öffentlicher Kulturraum.
Zu spüren bekämen dies vor allem "engagierte,
meist
junge Kulturschaffende und -interessierte", denn es fehle dadurch an
Proberäumen, Ateliers und Konzertlokalen. Verstärkt werde die
Problematik durch die zunehmende "Einschränkung öffentlicher
Freiräume" im Zusammenhang mit dem städtischen Polizei- und
Gastwirtschaftsgesetz. Nebst den drei Gruppierungen werde die Petition
auch von der JCVP Bündner Rheintal und dem Verein Nachtleba Chur
unterstützt. (so)
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kulturraum-chur.ch
Petition für ein Kulturzentrum in Chur
Liebe Churerinnen und Churer
Seit Längerem fehlt es in unserer Kantonshauptstadt an
öffentlichem Kulturraum. Proberäume und Ateliers sind rar,
die wenigen Konzertlokale überlastet. Zu spüren bekommen dies
vor allem engagierte, meist junge Kulturschaffende und -interessierte,
welche ihre Zeit gerne kreativ nutzen. Da kaum Möglichkeiten
bestehen, verbringen Jugendliche viel Zeit im öffentlichen Raum,
wo sie meist unerwünscht sind.
Die Arbeitsgruppe "Kulturraum Chur", zusammengesetzt aus
verschiedenen
Kulturvereinen und politischen Parteien, setzt sich daher für die
Schaffung eines Kulturzentrums in Chur ein. Bestehend aus vielseitig
nutzbaren Räumen, Bühnen sowie einer Gaststätte soll es
Raum bieten sich aufzuhalten, auszutauschen und kulturell zu
verwirklichen.
Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung: Am Churerfest
werden
wir eine Petition für ein Kulturzentrum in Chur lancieren und sind
dankbar für jede Unterschrift! Vielen herzlichen Dank im Voraus,
dass Sie die Anliegen der zukünftigen Generation ernst nehmen und
unterstützen!
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DROGEN
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Südostschweiz 22.8.10
Total-Legalisierung findet in der Region kaum Befürworter
Eine vom Bund beauftragte Expertengruppe schlägt die
Entkriminalisierung aller Drogen vor. Regionale Politiker sind
mehrheitlich dagegen.
Von Tatjana Jaun
Die eidgenössische Kommission für Drogenfragen
hat mit
den eidgenössischen Kommissionen für Alkoholfragen und
Tabakprävention im Auftrag des Bundes das Grundlagenpapier
"Herausforderung Sucht" ausgearbeitet. Darin wird die
Entkriminalisierung sämtlicher Drogen vorgeschlagen.
Heroinabhängige sollen demnach genauso wenig für ihre Sucht
bestraft werden wie Alkoholiker oder Tablettensüchtige. Derzeit
wird das Papier vom Bundesamt für Gesundheit überprüft.
In der Region stösst der Vorschlag derweil auf harsche Kritik.
"Fiasko" und "ohne Zukunft"
"Das würde im Fiasko enden", sagt der CVP-Nationalrat
Jakob
Büchler zu einer Total-Legalisierung. "Das kann nicht die Zukunft
sein", meint auch die FDP-Kantonsrätin Marie-Theres Huser.
Derselben Meinung ist auch der SP-Kantonsrat Josef Kofler. Für den
SVP-Kantonsrat Christopher Chandiramani ist die Zeit "noch nicht reif".
Einzig Silvia Kündig-Schlumpf, Kantonsrätin der Grünen,
spricht sich für eine kontrollierte Abgabe von Drogen aus. Im
Gespräch mit der "Südostschweiz" erklärt der St. Galler
Suchtexperte Jürg Niggli, wieso eine Legalisierung fast nur
Vorteile hat. Interview Seite 3
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"Eine drogenfreie Gesellschaft ist eine Illusion"
Eine vom Bund beauftragte Expertengruppe schlägt die
Legalisierung aller Drogen vor. Der St. Galler Suchtexperte Jürg
Niggli findet den Vorschlag nicht revolutionär, sondern sinnvoll.
Jürg Niggli sprach Tatjana Jaun
Herr Niggli, besteht in der Schweizer Suchtpolitik
Nachholbedarf?
Jürg Niggli: Nein. Innovative Lösungen wie die
heroingestützte Behandlung und das Vier-Säulen-Modell
(Prävention, Repression, Therapie und Schadensminderung) zur
Schliessung der offenen Drogenszene haben sich bewährt und sind
immer noch sehr tauglich. Wir haben für die Zukunft generell einen
Gestaltungs- und Handlungsbedarf. Neue Probleme, offene Alkoholszenen
mit ihren Auswirkungen und neue Suchtformen (neue Medien "zappen und
gamen") fordern neue Lösungsansätze und Massnahmen.
Wird gegenüber der Jugend nicht ein falsches Signal
ausgesendet, wenn man Drogen total legalisiert?
Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Wir setzen alle
Suchtmittel auf die gleiche Stufe und können
Jugendschutzbestimmungen für den Konsum und Handel ehrlich und
sehr strikte einfordern, anwenden und deren Einhaltung kontrollieren.
Aber auch die Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen kann
so offen, transparent, aber auch deutlich genug erfolgen.
François van der Linde ist Präsident der
Kommission
für Drogenfragen und Mitglied der Expertengruppe. Er findet, dass
der Ansatz für die Jugendprävention Vorteile bringt. Er sagt:
"Wie soll man glaubhaft über Substanzen aufklären, wenn der
Konsum verboten ist?" Stellen Sie sich diese Frage auch?
Meine langjährige Erfahrung in der Suchthilfe
bestätigt
die Aussage von van der Linde. In der Praxis ist die Aufklärung
über verbotene Substanzen wesentlich schwieriger. Die Botschaft
"Hände weg, der Konsum ist ja eh verboten" verfehlt in vielen
Fällen die gewünschte Wirkung.
Der Konsum ist die eine Seite. Was ist mit dem Verkauf von
Drogen? Sind Sie für eine starke Reglementierung oder soll es zur
vollständigen Gesetzesliberalisierung kommen?
Der Verkauf von Drogen wie auch von anderen Suchtmitteln
inklusive Alkohol sollte klipp und klar geregelt sein. Mit den absolut
nötigen Einschränkungen im Bereich des Jugendschutzes auch
die zeitliche Erhältlichkeit. Das Modell der
24-Stunden-Spassgesellschaft in den Grossstädten, alles ist rund
um die Uhr erhältlich und alles ist im öffentlichen Raum
erlaubt, hat ausgedient. Strukturen und gesetzliche Rahmenbedingungen
können leichter verändert werden als der Mensch. Aber
präventiv günstige Rahmenbedingungen - wir sprechen da von
der Verhältnisprävention - können das Verhalten in Bezug
auf den Suchtmittelmissbrauch positiv beeinflussen.
Welche Nachteile sehen Sie in einer vollständigen
Entkriminalisierung?
Nachteile sehe ich kaum, höchstens eine eventuelle
Verlagerung auf andere verbotene Spielwiesen. Der junge Mensch
möchte an gesellschaftlichen Normen und Verboten ritzen, sucht
Grenzüberschreitungen und hofft auf Reaktionen - oder er ist
zumindest auf Reaktionen angewiesen.
Wo sehen Sie die Vorteile?
Eine Gesellschaft, die den Tabakanbau hoch subventioniert,
Werbeeinschränkungen für alkoholische Getränke massiv
lockert und den Cannabiskonsum ächtet, ist nicht glaubwürdig
und spricht mit zwei Zungen. Zahlen belegen deutlich, dass der
Cannabiskonsum in keiner Relation zur Toleranzschwelle liegt. In
Holland ist die Verfügbarkeit hoch, aber der Konsum mittel - dies
im Gegensatz zu Frankreich, wo die Verfügbarkeit tief ist, aber
der Verbrauch deutlich höher liegt.
Heute herrscht in vielen Dingen eine repressive Haltung
vor.
Stichwort: Rauchverbot, Alkohol am Steuer etc. Steht der Vorschlag,
alle Drogen zu entkriminalisieren, nicht im Widerspruch?
Der Vorschlag, alle Drogen zu entkriminalisieren, steht
nicht im
Widerspruch zu einem Rauchverbot. Wir können den Konsum durchaus
liberalisieren, müssen aber bei den Auswirkungen des
Suchtmittelmissbrauchs sehr strikte Regeln aufstellen zum Schutz zum
Beispiel der Passivraucher oder des unschuldigen Strassenopfers.
Wie schätzen Sie die politischen Chancen des Anliegens ein?
Steter Tropfen höhlt den Stein. Eines Tages
fällt der
reife Apfel vom Stamm. Wir haben eine ehrliche Suchtpolitik, die
umfassender daherkommt und mehr ist als eine reine Drogenpolitik. Aber
mir ist klar, dass heute die politischen Chancen eher noch klein sind,
aber stetig wachsen. Die Anliegen der Expertengruppe sind nicht
revolutionär, sondern fachlich gut begründet und sinnvoll.
Stellen Sie eine Trendwende in Sachen Drogenkonsum fest?
Konsummuster sind ständig in Bewegung, auf dem
legalen wie
auf dem illegalen Markt, in der Schweiz wie auch international. Die
weltweite Nachfrage nach Opiaten, Kokain oder Cannabis ist gemäss
Weltdrogenbericht 2009 stagniert oder schrumpft. Hingegen nimmt der
exzessive Alkoholkonsum bei einer Minderheit zu, oft verbunden mit
neuen sozialen Formen des Trinkens im öffentlichen Raum. Ebenso
wächst die Zahl junger Rauschtrinker. Interessant ist hingegen,
dass gemäss den jüngsten schweizerischen
Gesundheitsbefragungen der Alkoholkonsum beim Gros der Jugendlichen
abnimmt. Der Tabakmissbrauch ist immer noch Spitzenreiter, gefolgt vom
Alkoholmissbrauch. Beim schädigenden Medikamentenkonsum wird
vieles verschleiert und die Dunkelziffer ist beachtlich.
Welche Droge ist die problematischste und weshalb?
Jede Droge, jedes Suchtmittel hat eine problematische
Seite. Ich
unterscheide lieber zwischen risikoarmem Konsum und problembehaftetem
Konsummuster sowie zwischen Risiken und Auswirkungen für das
familiäre Umfeld und die Gesellschaft, aber auch zwischen den
Risiken und Auswirkungen für die konsumierende Person selbst.
Selbstschädigendes Verhalten ist anders zu gewichten als die
Schädigung Dritter.
Was wäre in Ihren Augen die Patentlösung
für eine
drogenfreie Gesellschaft?
Die drogenfreie Gesellschaft ist eine Illusion, die sich
in
vielen Köpfen festgesetzt hat und immer wieder gefordert wird. Wir
können auch von einer waffenfreien Welt träumen, doch sie
wird heute und übermorgen auch nicht realisiert werden. Wer glaubt
schon, dass der Zitronenfalter, ein Schmetterling, Zitronen faltet? Die
Sucht ist wahrscheinlich so alt wie die Gesellschaft. Schon Adam liess
sich verführen, die Frage ist nur, von Eva oder vom Apfel. Wir
müssen lernen, mit süchtigen Menschen zu leben. Die
Verantwortung für die Auswirkungen des Suchtmittelkonsums darf
aber den Konsumierenden nicht abgenommen werden. Sie müssen die
Konsequenzen, auch die negativen, selber tragen. Sind die
Abhängigen nicht mehr in der Lage, die Verantwortung für ihr
Handeln zu übernehmen, greifen zivilrechtliche oder
vormundschaftliche Rahmenbedingungen.
Wo steht die Schweizer Drogenpolitik in zehn bis 15 Jahren?
Sie richtet sich vermehrt nach der Strategie der
öffentlichen Gesundheit. Sie definiert sich nicht nur an der
körperlichen Abhängigkeit und den Folgen, sondern richtet
sich vermehrt auf den problembehafteten Konsum aller Suchtmittel in
gleicher Weise. Sie schliesst auch vermehrt Verhalten mit grossem
Suchtpotenzial wie zum Beispiel das Glückspiel mit ein oder
berücksichtigt auch den schädlichen und riskanten Umgang mit
Medikamenten.
--
Von der Banklehre zur sozialen Arbeit
Jürg Niggli ist am 2. August 1955 in Basel geboren
und im
Alter von 20 Jahren nach St. Gallen "emigriert". Seit 15 Jahren ist er
Geschäftsleiter der Stiftung Suchthilfe. Insgesamt ist Niggli
über 25 Jahre in der Suchtarbeit tätig. Nach einer Banklehre
absolvierte Niggli das Studium an der Fachhochschule für Soziale
Arbeit. Danach schloss er die Weiterbildung als systemischer Paar- und
Familientherapeut sowie als Supervisor und
Organisationsentwicklungsberater ab. Zur Suchthilfe ist er "mehr durch
Zufall als durch einen bewussten Entscheid" gekommen. Niggli ist
verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. (tja)
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ZWISCHENGESCHLECHT
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Zentralschweiz am Sonntag 22.8.10
Der Zwang zum Geschlecht
Robert Bossart
Wer weder als Knabe noch als Mädchen auf die Welt
kommt, hat
es schwer. Zwitter werden oft chirurgisch einem Geschlecht zugeordnet.
Betroffene reden von Zwangsoperationen.
Ein zentraler Punkt bei der Identität eines Menschen
ist das
Geschlecht: Männlein oder Weiblein. In seltenen Fällen ist
aber genau das nicht klar. Es gibt Menschen, die nicht eindeutig als
männliche oder weibliche Wesen geboren werden. Grundsätzlich
kann man sagen, dass der Genotyp nicht mit dem Phänotyp
übereinstimmt. Auf gut Deutsch: Das, was der Mensch im Innern an
Chromosomen hat, passt nicht zu dem, was an äusserlich sichtbaren
Geschlechtsmerkmalen da ist. "Von den rund 7000 Geburten, die wir in
der Zentralschweiz jährlich haben, ist etwa ein Kind davon
betroffen", sagt Marcus Schwöbel, Chefarzt der Klinik für
Kinderchirurgie am Kinderspital Luzern. Schweizweit sind es
jährlich etwa fünf bis sieben Kinder bei rund 70 000 Geburten.
Ein wenig von beidem
Diese Uneindeutigkeit des Geschlechts hat die
unterschiedlichsten
Erscheinungsbilder. Manche Neugeborene weisen eine grosse Klitoris auf,
die auch ein kleiner Penis sein kann, oder ein hodenähnliches
Gebilde, bei dem nicht eindeutig zu sehen ist, ob es nicht auch eine
Art Schamlippen sein könnten. Es gibt verschiedene Ursachen
für diese so genannte Störung der Geschlechtsentwicklung
(siehe Box rechts oben). "Es besteht heute vom Staat wie von der
Gesellschaft aus der Konsens, dass den Kindern in der ersten Zeit nach
der Geburt ein Geschlecht zugewiesen werden soll", sagt Marcus
Schwöbel.
Dagegen wehren sich Betroffene: Sie bezeichnen diese
Operationen
als Zwangseingriffe, die ohne die Einwilligung des Kindes nicht gemacht
werden dürften. Daniela Truffer, Gründungsmitglied der
Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org, findet, dass nur der
betroffene Mensch entscheiden kann, ob er als Mann oder als Frau - oder
als Zwitter - sein Leben verbringen will. Truffer ist selbst zur Frau
operiert worden, hat aber einen XY-Chromosomensatz, ist also genetisch
eigentlich ein Mann. "Ich hatte einen Mikropenis, die Ärzte
nannten es eine Klitoris." Eine Scheide hatte sie nicht, dafür
aber Hoden im Innern ihres Körpers, die man ihr als Baby
rausoperiert hat. "Ich wurde damit kastriert", sagt sie. Angeblich
wegen erhöhten Krebsrisikos. Was laut Truffer nicht stimmt, es
gebe Studien, die das nachwiesen.
Später wurde ihre Klitoris verkürzt. Als sie 18
war,
habe man ihr eine Scheide "gebastelt", erzählt die heute
45-jährige Frau. Immer wieder musste sie schmerzhafte
Nachbehandlungen über sich ergehen lassen. Was passiert wäre,
wenn man sie nicht operiert hätte, weiss sie nicht.
Daniela Truffer ist nicht grundsätzlich gegen
operative
Eingriffe. Aber man hätte es ihr überlassen sollen, ob sie
Mann, Frau oder Zwitter sein wollte. "Wenn man mich begleitet und
aufgeklärt hätte, hätte ich mit der Zeit herausfinden
können, als was ich mich fühle. Und ich hätte selber
entscheiden können, ob und welche Eingriffe an meinem Körper
gemacht werden sollen."
Zum Wohl des Kindes?
Marcus Schwöbel weist darauf hin, dass es Patienten
gebe,
bei denen eine Operation aus gesundheitlichen Gründen nötig
sei, etwa, wenn der Harnröhrenausgang eng ist oder die Scheide
nicht nach aussen, sondern in die Harnröhre mündet. Er
betont: "Wann immer eine Operation durchgeführt wird, haben die
Eltern diesem Vorgehen nach ausführlicher Information zugestimmt."
Diese werden von einer Expertengruppe bestehend aus Kinderchirurg,
Psychiaterin oder Psychologin, Frauenärztin und einem
Hormonspezialisten für Kinder beraten und begleitet. "Der
Entscheid für einen Eingriff erfolgt erst nach längeren
intensiven Abklärungen und Abwägungen", so Schwöbel. Die
Forderung der Betroffenengruppe, wonach nur der urteilsfähige
Mensch das Recht dazu habe, einem Eingriff zuzustimmen, ist für
ihn nicht immer praktikabel. Für die körperliche und geistige
Entwicklung eines Kindes kann es von grosser Bedeutung sein, sich als
Mädchen oder als Bub zu fühlen. "Aber wenn die Eltern finden,
dass es etwas dazwischen bleiben soll, dann ist das natürlich ihre
Entscheidung. Diese wird von den behandelnden Ärzten mitgetragen
und akzeptiert."
Fehler von früher
Der Kinderchirurg räumt ein, dass in der
Vergangenheit
Fehler gemacht worden sind. "In den Siebziger- und Achtzigerjahren
wurde operiert, um dem Kind möglichst rasch ein klares Geschlecht
zuweisen zu können. Aber von dieser Praxis ist man längst
abgekommen." Heute werde sehr sorgfältig abgewogen, und das
Interesse des Kindes stehe im Zentrum. "Es geht darum, dem Kind zu
helfen, damit es ein möglichst glückliches und
beschwerdefreies Leben führen kann", so Schwöbel.
Dennoch werfen die Betroffenen von der Gruppe
Zwischengeschlecht.org den Spitälern vor, dass nach wie vor
unnötig eingegriffen werde. Truffer: "Meist sind es kosmetische
Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit, die für das Kind
schwerwiegende Konsequenzen haben, unter denen es ein Leben lang
leidet." Betroffene klagen über Verminderung oder Zerstörung
der sexuellen Empfindungsfähigkeit, schmerzende Narben im
Genitalbereich und lebenslange Abhängigkeit von künstlichen
Hormonen. "Medizinische Studien reden von eklatant hoher
Behandlungsunzufriedenheit von Intersexuellen", sagt Daniela Truffer.
Wenn das Kind selbst über sein Geschlecht entscheidet
- wie
stellt sie sich das konkret vor? Klar sei es wichtig, dass auch ein
intersexuelles Kind einen Namen habe und wisse, ob es aufs
Mädchen- oder Knabenklo soll. "Ich kenne eine Mutter, die ihrem
Kind einen Mädchennamen gegeben hat, obwohl es ein bisschen von
beidem habe." Später könne das Kind dann entscheiden, wie es
weitergehen solle. "Das ist sicher auch keine einfache Situation, aber
es ist immer noch besser als diese menschenrechtswidrige
Rumschnippelei", sagt sie.
Hinweis: Heute Sonntag, 15 Uhr, protestiert die
Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org vor dem Kantonsspital
Luzern mit einer friedlichen Aktion gegen "Zwangsoperationen" an
Zwittern in Schweizer Kinderkliniken.
robert.bossart@neue-lz.ch
--
Unterscheidung
Begriffe
Intersexualität:Diese werden auch "Zwitter" oder
"Hermaphroditen" genannt. Es sind Menschen, deren innere und
äussere Geschlechtsmerkmale gegensätzlich sind.
Äusserlich weibliche Menschen beispielsweise sind genetisch
männlich (XY-Chromosomen), anstelle von Eileitern und
Gebärmutter sind Hoden vorhanden. Aufgrund ihres Genitals als
Jungen deklarierte Kinder wiederum weisen einen weiblichen
Chromosomensatz (XX) und ebensolche Fortpflanzungsorgane auf. Die
Vielfalt von intersexuellen Formen ist gross. (Quelle: www.intersex.ch)
Transsexualität: Transsexuelle lassen sich eindeutig
einem
Geschlecht zuordnen, empfinden sich aber als Angehörige des
anderen Geschlechts.
Transvestiten: Tragen Kleider des anderen Geschlechts,
unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.
Transgender: Einerseits Menschen, die sich mit ihrer
Geschlechterrolle, die sie aufgrund ihrer Geschlechtsmerkmale haben,
nicht oder nur ungenügend beschrieben fühlen. Andererseits
Menschen, die sich mit ihren primären und sekundären
Geschlechtsmerkmalen nicht oder nicht vollständig identifizieren
können. Manche intersexuelle Menschen sind Transgender.
--
Intersexualität
Drei Varianten
• Häufigste Ursache für eine Störung der
Geschlechtsentwicklung ist das Adrenogenitale Syndrom (AGS). Bei dieser
Stoffwechselkrankheit kann bereits das ungeborene Mädchen hohen
Dosen von männlichen Geschlechtshormonen ausgesetzt sein, weshalb
sich die äusseren Geschlechtsmerkmale in die männliche
Richtung entwickeln können. Den Patientinnen fehlt das
Stresshormon Cortison, welches lebenslang in Tablettenform eingenommen
werden muss. Diese Mädchen besitzen einen weiblichen
Chromosomensatz, Eierstöcke und eine Gebärmutter und
können als Frauen Kinder bekommen.
• Ebenfalls nicht so selten ist die schwere Fehlbildung
des
männlichen Glieds, des Penis, wobei der Hodensack gespalten ist
und die Harnröhre am Damm zwischen den Hälften des Hodensacks
mündet. Ursache ist entweder ein Mangel an männlichem Hormon
zu einer gewissen Zeit der Entwicklung oder ein vermindertes Ansprechen
des Penisgewebes auf das Hormon. Es handelt sich also um Buben mit
einem XY-Chromosomensatz und normalen Hoden, welche, wenn die
Fehlbildung operativ korrigiert wird, als Männer Kinder zeugen
können.
• Eine dritte, deutlich kleinere Gruppe bilden diejenigen
Kinder,
welche einen XY-Chromosomensatz aufweisen, deren äusseres
Geschlecht sich aber unvollständig oder überhaupt nicht in
die männliche Richtung entwickelt hat und deren Keimdrüsen
oft unterentwickelt sind.
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zwischengeschlecht.info 22.8.10
Pressemitteilung - 22.8. Aktion gegen Genitalverstümmelung
in
Kinderspitälern und im Sport
http://zwischengeschlecht.org
P R E S S E M I T T E I L U N G
* Heute Sonntag 22.8. protestiert die Menschenrechtsgruppe
Zwischengeschlecht.org zum 3. Mal mit einer friedlichen Aktion gegen
die systematischen Menschenrechtsverletzungen an Zwittern in Schweizer
Kinderkliniken. >>> mehr
Um 15:00 Uhr vor dem Kantonsspital Luzern werden wir den
Verantwortlichen des Kinderspitals einen Offenen Brief persönlich
übergeben. Den Wortlaut des Offenen Briefes finden Sie
untenstehend.
Der Offene Brief wurde den Verantwortlichen des Kinderspitals
Luzern
bereits per Mail zugestellt.
* Gleichzeitig wünscht die Menschenrechtsgruppe
Zwischengeschlecht.org der südafrikanischen Läuferin Caster
Semenya viel Erfolg beim heutigen Rennen am 69. Internationalen
Stadionfest ISTAF in Berlin.
Und fordert die internationalen Sportverbände auf, die
Menschenrechte von als Intersexuelle verdächtigten Sportlerinnen
nicht mehr länger mit Füssen zu treten. >>> mehr
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein
Verbot von
kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und "Menschenrechte auch
für Zwitter!".
KONTAKT:
n e l l a
Daniela Truffer
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse@zwischengeschlecht.info
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info
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>>> Der Offene Brief als PDF
http://zwischengeschlecht.org/public/Offener-Brief_Luzern-22-8-10.pdf
Zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!
Postfach 2122
8031 Zürich
info@zwischengeschlecht.org
Kinderspital
Luzerner Kantonsspital
z.Hd. Kinderchirurgie
und Pädiatrische Endokrinologie
6000 Luzern 16
Zürich, 22. August 2010
Offener Brief von Zwischengeschlecht.org
Sehr geehrte Damen und Herren
Als sogenannt 'intersexuelle' Menschen und in diesem
Zusammenhang auch
Betroffene von nicht eingewilligten medizinischen Massnahmen sind wir
sehr besorgt über öffentliche Äusserungen aus dem
Kinderspital Luzern, worin ebensolche Zwangsmassnahmen öffentlich
propagiert werden.
So empfiehlt zum Beispiel PD Dr. med. Marcus-G. Schwöbel,
Chefarzt
Kinderchirurgie, in der "Schweizer Familie" vom 24.2.2005 bei "Kindern,
die an einem intersexuelle Genitale leiden", kosmetische
Genitaloperationen im Alter von "[i]n der Regel etwa zwei Jahre[n]". (1)
(Obwohl Dr. Schwöbel es nicht namentlich erwähnt,
müssen
wir zudem davon ausgehen, dass die chirurgische Behandlung nebst
kosmetischen Genitaloperationen auch medizinisch nicht notwendige
Gonadektomien mit einschliesst.)
In der "Rundschau" vom 19.12.2007 bekräftigte Dr.
Schwöbel
erneut: "Weil die Gesellschaft so gebaut ist" und wegen der "Evolution"
seien kosmetische Genitaloperationen an Kleinkindern "der in
Anführungszeichen normale Weg". (2)
Auch im "Tages-Anzeiger" vom 5.2.2008 bestätigt Dr.
Schwöbel
wiederum implizit, dass kosmetische Genitaloperationen an Kleinkindern
nach wie vor die Regel sind. (3)
Als Betroffene sowohl von nicht eingewilligten
"Genitalkorrekturen" wie
auch von nicht eingewilligten Gonadektomien sind wir über solche
Aussagen entsetzt und halten fest:
Geschlechtszuweisende chirurgische Genitalkorrekturen ohne
medizinische
Indikation, wie sie offensichtlich auch im Kinderspital Luzern immer
noch regelmässig an Kleinkindern durchgeführt werden, sind
auch in der medizinischen Lehre alles andere als unumstritten. Nach wie
vor gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, dass sie auf lange Sicht
wirksam und sicher sind. Hingegen gibt es viele Indizien, welche ihre
Wirksamkeit in Frage stellen.
Weder ist gesichert, dass Genitalkorrekturen langfristig zu
besseren
psychosozialen Resultaten führen, als wenn sie unterlassen werden.
Noch kann garantiert werden, dass ein Kind sich entsprechend der ihm
zugewiesenen Geschlechtsidentität entwickelt. Im Gegenteil,
aktuelle Studien belegen:
"Die Behandlungsunzufriedenheit von Intersexuellen ist [...]
eklatant
hoch. [...] Ein Drittel [der Patienten] bewertet
geschlechtsangleichende Operationen als zufriedenstellend bzw. sehr
zufriedenstellend, ein weiteres Drittel ist unzufrieden bzw. sehr
unzufrieden und das letzte Drittel ist z.T. zufrieden, z.T.
unzufrieden." (4)
Die Behandlungszufriedenheit ist bei intersexuellen Erwachsenen
und
auch Eltern intersexueller Kinder "gering". Eltern beurteilen "die
behandelnden Ärzte/Ärztinnen schlechter als Eltern von
Kindern mit anderen chronischen Erkrankungen". (5) "Als Ergebnis zeigt
sich, dass viele Erwachsene mit DSD mit der medizinischen Behandlung
sehr unzufrieden sind." (6)
"The outcome of early genital vaginoplasty is poor and repeat
procedures are common. Complications such as stenosis and persistent
offensive vaginal discharge and bleeding are common. [...] It is also
increasingly clear that clitoral surgery in childhood is detrimental to
adult sexual function." (7)
"Auch aus der Literatur ist bekannt, dass sich ein
überdurchschnittlich hoher Prozentsatz von Menschen mit DSD im
Lauf der Pubertät oder im Erwachsenenalter entschließt, das
ihnen zugewiesene soziale Geschlecht zu wechseln." (8)
Flächendeckende prophylaktische Gonadektomien sind laut
medizinischen Studien in den meisten Fällen medizinisch nicht
notwendig, haben aber für die Betroffenen lebenslange, sehr
schwerwiegende Folgen, insbesondere bei anschliessender
contrachromosomaler Hormonersatztherapie. So beträgt
beispielsweise bei CAIS das Krebsrisiko lediglich 0.8 %, bei PAIS 15 %.
(9) Sogar Wünsch und Wessel halten in einer aktuellen Publikation
fest: "Indikation und Zeitpunkt der Gonadenentfernung müssen dem
individuellen Tumorrisiko angepasst werden. Der Schutz der
Fertilität ist ein zentrales Anliegen." (10)
Auch aus ethischen und juristischen Gründen sind
geschlechtszuweisende chirurgische Genitalkorrekturen und
prophylaktische Gonadektomien an Kindern ohne deren informierte
Zustimmung strikt abzulehnen.
So kritisiert zum Beispiel Dr. med. Nikola Biller-Andorno,
Professorin
für Biomedizinische Ethik an der Universität Zürich, in
der "Schweizerischen Ärztezeitung" an einem konkreten
Fallbeispiel, dass eine "Verschiebung der operativen 'Korrektur'" mit
"Einbeziehung des dann Jugendlichen in den Entscheidungsprozess" von
den behandelnden Ärzten lediglich als "'theoretische' Option",
jedoch nie als praktische Möglichkeit erwogen wird.
Im Gegensatz zu den behandelnden Ärzten plädiert
Biller-Andorno "angesichts des relativ geringen Schadens/Risikos im
Falle des Aufschiebens einer Operation und angesichts der noch nicht
zufriedenstellenden Datenlage bezüglich der Auswirkungen der
jeweiligen Eingriffe auf die Lebensqualität der Betroffenen"
für eine Aufschiebung und dagegen, "durch eine Operation bereits
irreversible Fakten zu schaffen". (11)
Auch internationale Ethikgremien kommen zum Schluss:
"Our working group unanimously supported waiting for children to
be old
enough to participarte in decisions about risky and painful surgeries
that might fail to reliably retain function and produce more normal
appearance (for example, surgery for intersex and achondroplasia)." (12)
"Maßnahmen, für die keine zufrieden stellende
wissenschaftliche Evidenz vorliegt, sowie Maßnahmen, die
irreversible Folgen für die Geschlechtsidentität oder
negative Auswirkungen auf Sexualität oder
Fortpflanzungsfähigkeit haben können, sind besonders
begründungs- und rechtfertigungspflichtig und bedürfen einer
zwingenden medizinischen Indikation. [...] Die Verfügung über
Organe und Strukturen, die für die körperliche
Integrität oder Geschlechtsidentität wichtig sind (z.B.
Keimdrüsen), sollten in der Regel - wenn keine gewichtigen, das
Kindeswohl betreffenden Gründe entgegenstehen - dem Betroffenen
selbst überlassen bleiben." (13)
Auch Prof. Dr. iur. Andrea Büchler, Professorin für
Privatrecht an der Universität Zürich, stellt
unmissverständlich klar:
"Ein medizinischer Eingriff braucht die Zustimmung der
betroffenen
Person. In der Regel können die Eltern für ihr Kind
zustimmen. Geschlechtszuweisende Operationen aber tangieren die
höchstpersönlichen Rechte und dürfen nicht ohne
Zustimmung des betroffenen Kindes vorgenommen werden - ausser es ist
medizinisch notwendig." (14)
Nicht zuletzt verletzen medizinisch nicht notwendige,
kosmetische
Genitaloperationen an Kleinkindern Grund- und Menschenrechte,
insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit und
Selbstbestimmung.
Namhafte Menschenrechtsorganisationen unterstreichen zudem die
Parallelen zur weltweit geächteten Praxis der weiblichen
Genitalverstümmelung.
In der Vernehmlassung zur parlamentarischen Initiative "Verbot
von
sexuellen Verstümmelungen" forderten Terre des Femmes Schweiz und
die Schweizer Sektion von Amnesty International 2009 ausdrücklich
die Ausdehnung des Tatbestandes auch auf kosmetische Genitaloperationen
an Intersexuellen. (15)
Die Sektionen Schweiz und Deutschland von Amnesty International
verabschiedeten 2010 an ihren Jahresversammlungen je eine Motion, worin
sie Handlungsbedarf unterstrichen. Amnesty Schweiz führte dazu in
der Begründung aus:
"Wir erachten genitale Zwangsoperationen für ein schweres
Verbrechen, das gegen die Menschenrechte auf körperliche
Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde verstösst.
Genitale Zwangsoperationen sind schwere medizinische Eingriffe an
Kindern mit gesunden, aber sogenannten nicht eindeutigen
Geschlechtsmerkmalen, die ohne die Einwilligung der Betroffenen
vorgenommen werden. Die Folgen von chirurgischen und
medikamentösen Eingriffen werden von den Betroffenen oft als
Verstümmelungen wahrgenommen. Die Suizidrate bei operierten und
hormonbehandelten Intersexuellen ist stark erhöht; auch
verstösst die Zuweisung zum explizit männlichen oder
weiblichen Geschlecht gegen die Menschenrechte auf körperliche
Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde, die nicht nur bei
Female Genital Mutilation (FGM) in Entwicklungsländern, sondern
weiterhin auch bei genitalen Zwangsoperationen in Industrieländern
verletzt werden." (16)
Amnesty Deutschland wertete die kosmetischen Genitaloperationen
an
Kindern als "fundamentalen Verstoß gegen die Menschenrechte":
"Im Mittelpunkt der Bemühungen steht die Ächtung einer
medizinischen Praxis, intersexuellen Menschen entweder im frühen
Kindesalter ohne Einwilligungsfähigkeit - oder Erwachsenen ohne
Aufklärung über Folgen - auf operativ-medikamentösem Weg
ein eindeutiges Geschlecht "zuzuweisen". Dies wird als fundamentaler
Verstoß gegen die Menschenrechte (Recht auf körperliche
Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde und auf
Nicht-Diskriminierung) gewertet, da solche Maßnahmen in den
allermeisten Fällen aus medizinisch-gesundheitlicher Sicht
keinerlei Begründung haben." (17)
Terre des Femmes und internationale Expertinnen konstatieren
seit
Jahren, dass kosmetische Genitaloperationen an Kleinkindern eine Form
von Genitalverstümmelung sind und für die Opfer vergleichbar
schädlich wie die weibliche Genitalverstümmelung. (18)
Erwachsene, die als Kinder kosmetischen Genitaloperationen
unterzogen
wurden, beklagen seit den 1990er-Jahren öffentlich die
"Zerstörung des sexuellen Empfindens" und der "körperlichen
Unversehrtheit" (19) durch diese Eingriffe, welche sie als
"Genitalverstümmelung" erfahren. (20)
Wir betroffene Menschen bitten Sie deshalb inständig, die
offenbar
auch im Kinderspital Luzern üblichen, fragwürdigen Praktiken
im Zusammenhang mit Intersexualität zu überprüfen, und
bitten um eine diesbezügliche Stellungnahme innert nützlicher
Frist.
Ebenso bitten wir Sie inständig um Einbezug der Betroffenen
und
ihrer Organisationen beim Erarbeiten künftiger
Behandlungsrichtlinien sowie in der Behandlung selbst (Anbieten von
kontinuierlichem Peer Support sowohl für die betroffenen Kinder
wie auch für ihre Eltern).
In der Hoffnung auf einen konstruktiven Dialog zwischen
verantwortlichen Ärzten und uns Betroffenen grüssen wir Sie
freundlich
Im Namen von Zwischengeschlecht.org
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Selbsthilfegruppe Intersex.ch
Mitglied XY-Frauen
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Quellen (alle Links Stand 22.8.2010)
(1) Nicole Tabanyi: "Das dritte Geschlecht". Schweizer Familie,
24.2.2005, Nummer 8/05, Seite 86
http://blog.zwischengeschlecht.info/pages/%22Das-dritte-Geschlecht%22-Schweizer-Familie-24.02.05
(2) Rundschau: "Weder Mann noch Frau". 19.12.2007
http://videoportal.sf.tv/video?id=b8c81a3e-91ea-4fe1-8509-d3500a60586f
(3) Zwar deutete Dr. Schwöbel gleichzeitig an, dass er
aufgrund
juristischen Drucks allenfalls eine Änderung dieser Praxis in
Betracht zieht: "Sollte der Chirurg in Köln für den Eingriff,
den er vor 30 Jahren durchführte, verurteilt werden, oder setzt
sich die Auffassung von Rechtsprofessorin Büchler durch,
müsste die Indikation zu geschlechtsanpassenden Eingriffen neu
überdacht werden". Der angesprochene Chirurg wurde inzwischen
letztinstanzlich verurteilt. Trotzdem blieb die Praxis im Kinderspital
Luzern unseres Wissens nach unverändert.
Katrin Hafner: "Ein Intersexueller klagt seinen ehemaligen Arzt
an".
Tages-Anzeiger, 5.2.2008
http://sc.tagesanzeiger.ch/dyn/wissen/medizin/838834.html
(4) Christian Schäfer: "Intersexualität: Menschen
zwischen
den Geschlechtern".
http://www.springer.com/medicine/thema?SGWID=1-10092-2-513709-0
Lisa Brinkmann; Katinka Schweizer; Hertha Richter-Appelt:
"Behandlungserfahrungen von Menschen mit Intersexualität.
Ergebnisse der Hamburger Intersex-Studie". Gynäkologische
Endokrinologie 04/2007, S. 235-242
(5) Eva Kleinemeier, Martina Jürgensen: "Erste Ergebnisse
der
Klinischen Evaluationsstudie im Netzwerk Störungen der
Geschlechtsentwicklung/Intersexualität in Deutschland,
Österreich und Schweiz Januar 2005 bis Dezember 2007", S. 18. http://www.netzwerk-dsd.uk-sh.de/fileadmin/documents/netzwerk/evalstudie/Bericht_Klinische_Evaluationsstudie.pdf
(6) Ebd., S. 37
(7) Sarah M. Creighton: "Adult Outcomes of Feminizing Surgery".
In:
Sharon E. Sytsma (Ed.): "Ethics and Intersex", Dordrecht: Springer,
2006, S. 207-214
(8) M. Jürgensen; O. Hiort; U. Thyen: "Kinder und
Jugendliche mit
Störungen der Geschlechtsentwicklung: Psychosexuelle und -soziale
Entwicklung und Herausforderungen bei der Versorgung". Monatsschrift
Kinderheilkunde, Volume 156, Number 3, March 2008, S. 226-233
(9) Martine Cools, Stenvert L. S. Drop, Katja P. Wolffenbuttel,
J.
Wolter Oosterhuis, and Leendert H. J. Looijenga: "Germ Cell Tumors in
the Intersex Gonad: Old Paths, New Directions, Moving Frontiers".
Endocrine Reviews 27(5), 2006: S. 468-484 (S. 481)
(10) L. Wünsch, L. Wessel: "Chirurgische Strategien bei
Störungen der Geschlechtsentwicklung". Monatsschrift
Kinderheilkunde, Volume 156, Number 3. Springer Berlin / Heidelberg
2008, S. 234-240
(11) Nikola Biller-Andorno: "Zum Umgang mit Intersex: Gibt es
Wege
jenseits der Zuordnung des 'richtigen Geschlechts'?". Schweizerische
Ärztezeitung, 47/2007, S. 2047-2048
(12) Erik Parens (Ed.): "Surgically Shaping Children",
Baltimore: The
Johns Hopkins University Press, 2006, S. xxix
(13) Arbeitsgruppe Ethik im Netzwerk Intersexualität
"Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung": "Ethische Grundsätze
und Empfehlungen bei DSD. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2008, Nr.
156, S. 241-245
(14) Katrin Hafner: "Ein Intersexueller klagt seinen ehemaligen
Arzt
an". Tages-Anzeiger, 05.02.2008.
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/wissen/medizin/838834.html
(15) Genitalverstümmelung: Übersicht zur
Vernehmlassung: http://humanrights.ch/home/de/Fokus-Schweiz/Inneres/Gewalt/Genitalverstuemmelung/idcatart_9012-content.html?zur=300
Vernehmlassungsantwort von Terre des Femmes Schweiz:http://www.terre-des-femmes.ch/files/TERRE_DES_FEMMES_Schweiz_Stellungnahme_Vernehmlassung_FGM.pdf
Vernehmlassungsantwort von Amnesty International: http://humanrights.ch/home/upload/pdf/090504_PP_FGM.pdf
(16) Motion 6: "Position zu Intersexualität"
http://www.queeramnesty.ch/docs/QAI_Motion_GV2010_Intersex.pdf
(17) "Intersexualität und Menschenrechte", Mitteilung vom
26.5.2010
http://www.mersi-hamburg.de/Main/20100526001
(18) Hanny Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal". Orlanda
2003.
Vgl. insbesondere Kapitel 3: "Intersex-Chirurgie - ein Segen für
wen?", S. 49-58
Fana Asefaw, Daniela Hrzán: Genital Cutting - Eine
Einführung. In: ZtG Bulletin 28, 2005, S. 8-21
Relevante Auszüge: http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2010/08/07/Genitale-Zwangsoperationen-an-Zwittern-
Genitalverstuemmelung-Typ-IV-Fana-Asefaw%2C-Daniela-Hrzan%2C-2005
Ganzer Text: http://www.gender.hu-berlin.de/w/files/ztgbulletintexte28/2artikel_asefaw_hrzan.pdf
Marion Hulverscheidt: "Weiblich gemacht?
Genitalverstümmelung bei
afrikanischen Frauen und bei Intersexuellen". In: TDF. Menschenrechte
für die Frau, Nr. 3/4, 2004, S. 23-26
http://kastrationsspital.ch/public/Hulverscheidt_TDF_3-4-04.pdf
(19) Cheryl Chase: "Letters from Readers". In: The Sciences,
July/August, 3, 1993
http://www.isna.org/articles/chase1995a
(20) Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und
Gynäkologie (AGGPG):
"Genitalverstümmelungen in Deutschland in der Kinder- und
Jugendgynäkologie"
http://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Genitalverstuemmelungen-AGGPG-%281996%29
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SÖLDNER
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aufbau.org 23.8.10
Bs: Aegis angreifen, Imperialismus zerschlagen!
Kundgebung gegen die Söldnerfirma Aegis als Teil des
Imperialismus, welche ihren Sitz vor kurzem nach Basel verlegt hat.
Ort: Gartenstr. 22, nahe Aeschenplatz
Kontakt: basel@aufbau.org
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sf.tv 22.8.10
Söldnerfirmen sollen Fesseln bekommen
sda/schj
Private Militär- und Sicherheitsfirmen sollen mit
einem
weltweit gültigen Verhaltenskodex auf das humanitäre
Völkerrecht und die Menschenrechte verpflichtet werden. Das EDA
unterstützt laut Bundesrätin Calmy-Rey aktiv Bemühungen
um einen solchen Kodex.
Die Söldnerfirmen sollten bei Verstössen direkt
in die
Verantwortung genommen werden, sagte Micheline Calmy-Rey in einem
Interview mit der "NZZ am Sonntag".
Beispiele seien ein Verbot von Tötungen ausser bei
Notwehr,
ein absolutes Folterverbot oder auch ein Verbot des Menschenhandels.
Rechte für die Opfer
"Absicht ist, dass der Verhaltenskodex an sich das
Verhalten der
Unternehmen verändert", sagte die Aussenministerin. Doch auch die
Auftraggeber der Sicherheitsfirmen - Staaten, humanitäre
Organisationen oder Rohstoffunternehmen - sollten den Kodex in ihre
Verträge integrieren.
"Die Verletzung eines Standards im Kodex wäre dann
eine
Verletzung des Vertrags und würde eine Vertragsstrafe nach sich
ziehen", führte Calmy-Rey aus. Opfer sollen mit dem Kodex die
Möglichkeit haben, Verletzungen anzuzeigen.
Registrierungspflicht für Söldnerfirmen?
Mehrere Branchenverbände, die zusammen über 100
Unternehmen vertreten, unterstützen laut Calmy-Rey die Arbeit am
Kodex, der nach 18 Monaten Arbeit vor der Verabschiedung stehe.
Auf Bundesebene drängt es sich für die
Aussenministerin
auf, eine Prüfungs- und Registrierungspflicht für
Söldnerunternehmen zu prüfen. Vergangene Woche hatte bereits
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf eine solche
Bewilligungspflicht angesprochen.
Aegis Defense Services mit Basler Hauptsitz
Die Bundesrätinnen machten ihre Aussagen vor dem
Hintergrund, dass das britische Sicherheitsunternehmen Aegis Defense
Services seinen Holding-Sitz im März in Basel eingerichtet hatte.
Rechtlich gesehen verstösst diese Ansiedlung indes nicht gegen das
Gesetz.
Im Mai 2008 hatte der Bundesrat entschieden, dass in der
Schweiz
ansässige private Sicherheitsfirmen, die in ausländischen
Konflikt und Krisengebieten tätig sind, vorderhand nicht einer
Registrierungs- und Bewilligungspflicht unterstellt werden.
--
Sonntagszeitung 22.8.10
Söldnerfirmen in der Schweiz - Calmy macht Druck
Die Einführung einer Bewilligungspflicht für
Söldnerfirmen in der Schweiz wird immer wahrscheinlicher.
Inzwischen hat sich die Aussenministerin Micheline
Calmy-Rey der
Forderung von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nach mehr
Aufsicht angeschlossen. Nach der Verlegung des Holdingsitzes der Aegis
Defence Services von London nach Basel will Calmy-Rey auch das
Montreux-Dokument vorantreiben. Dieses ergänze auf internationaler
Ebene eine gesamtschweizerische Lösung für Sicherheits- und
Militärfirmen, so die Aussenministerin. Die Schweiz müsse
sich als Vertragspartei der Genfer Konventionen und wegen ihrer
humanitären Tradition für die Durchsetzung des
humanitären Völkerrechts engagieren. Die Tätigkeit von
privaten Militär- und Sicherheitsfirmen (PMSC) in bewaffneten
Konflikten sei völkerrechtlich nicht verboten. "Die Schweiz setzt
sich jedoch dafür ein, dass diese Tätigkeiten im Einklang mit
dem humanitären Völkerrecht und den menschenrechtlichen
Standards stehen", betont die Bundesrätin. Deshalb habe das
Aussendepartement gemeinsam mit dem IKRK die Schaffung des
Montreux-Dokuments initiiert, das die völkerrechtlichen
Verpflichtungen der Staaten im Umgang mit PMSC klärt. Mit dem
Dokument soll sich die PMSC-Industrie auf globale Standards
verpflichten. Der Verhaltenskodex sieht Kontrollmechanismen vor und
soll von Industrievertretern Ende September 2010 verabschiedet werden.
Auch die Kantone wollen in dieser Sache an die
Justizministerin
gelangen. Der Generalsekretär der Konferenz der Kantonalen Justiz-
und Polizeidirektoren (KKJPD), Roger Schneeberger, bestätigt, dass
die Söldnerproblematik am Donnerstag bei der KKJPD Thema war. Er
gibt sich zuversichtlich, an der Herbstversammlung einen
mehrheitsfähigen Entwurf eines gesamtschweizerischen Konkordats
für Sicherheitsfirmen vorlegen zu können, allerdings nur
für solche, die Dienstleistungen in der Schweiz anbieten. Für
die Firmen, die Söldner in die Krisenregionen auf der ganzen Welt
schicken, müsse Widmer-Schlumpf eine Lösung finden.
Pascal Tischhauser
---
NZZ am Sonntag 22.8.10
"Es braucht einen globalen Ansatz der Regulierung"
Das Aussendepartement von Micheline Calmy-Rey arbeitet an
internationalen Regeln für Söldnerfirmen
NZZ am Sonntag: Seit das britische Militärunternehmen
Aegis
einen Sitz in Basel hat, wird in der Schweiz über Regeln für
private Militär- und Sicherheitsfirmen diskutiert. Welche Regeln
braucht es?
Micheline Calmy-Rey: Vor dem Hintergrund der neusten
Entwicklung
drängt sich die Prüfung einer Registrierungs- und
Bewilligungspflicht auf Bundesebene auf. Ich unterstütze dieses
Anliegen. Auf internationaler Ebene setzt sich die Schweiz dafür
ein, dass die Tätigkeiten von Militär- und Sicherheitsfirmen
im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht und den
Menschenrechten stehen. Deshalb hat das Eidgenössische Departement
für auswärtige Angelegenheiten gemeinsam mit dem
Internationalen Komitee vom Roten Kreuz die Schaffung des
Montreux-Dokuments initiiert, das die völkerrechtlichen
Verpflichtungen der Staaten im Umgang mit solchen Unternehmen
klärt. Und deshalb unterstützt das EDA aktiv die
Bemühungen für einen Global Code of Conduct für private
Militärfirmen.
Was regelt dieser internationale Verhaltenskodex?
Der Global Code of Conduct soll die privaten Militär-
und
Sicherheitsfirmen auf die globalen Standards des humanitären
Völkerrechts und der Menschenrechte verpflichten und die
Unternehmen bei Verstössen direkt in die Verantwortung nehmen,
beispielsweise durch ein Verbot von Tötungen ausser bei Notwehr,
durch ein absolutes Folterverbot oder durch ein Verbot des
Menschenhandels.
Ein Verhaltenskodex für Firmen, die in der
Vergangenheit
auch Greueltaten begingen - das tönt ziemlich unverbindlich.
Absicht ist, dass der Verhaltenskodex an sich das
Verhalten der
Unternehmen verändert und Verstösse zu vermeiden hilft. Es
ist aber auch ein Ziel, dass Auftraggeber - seien es Staaten,
humanitäre Organisationen oder Rohstoffunternehmen - den
Verhaltenskodex in ihre Verträge integrieren. Die Verletzung eines
Standards im Verhaltenskodex wäre dann eine Verletzung des
Vertrags und würde eine Vertragsstrafe nach sich ziehen. Daneben
soll mit dem Verhaltenskodex selbst ein Kontrollmechanismus geschaffen
werden, der es Opfern ermöglicht, Verletzungen zur Anzeige zu
bringen. Derartige Verletzungen können dann zu Kompensations- und
Strafzahlungen oder zum Ausschluss einer Firma führen.
Wie viele Militär- und Sicherheitsfirmen arbeiten am
Verhaltenskodex mit?
Die Ausarbeitung des Kodexes geniesst grosse
Unterstützung
von verschiedenen Branchenverbänden, die zusammen mehr als 100
Unternehmen vertreten. Grundsätzlich kann man sagen, dass alle
international grossen und relevanten Firmen mehr oder weniger aktiv
mitarbeiten.
Wann wird die Arbeit abgeschlossen?
Nach achtzehn Monaten Arbeit steht der Kodex kurz vor der
Verabschiedung. Ein letzter Entwurf soll Ende Monat versandt werden. Im
September sollen letzte Verhandlungen stattfinden, und dann soll der
Kodex von den Militär- und Sicherheitsfirmen unterzeichnet werden.
Faktisch ist ein Verhaltenskodex eine Selbstregulierung.
Das
dürfte den Militär- und Sicherheitsfirmen gefallen.
Selbstregulierung ist kein Ersatz für eine staatliche
Regulierung, beides sollte sich sinnvoll ergänzen. Für diesen
internationalen Wirtschaftszweig, der überwiegend in
Konfliktländern aktiv ist, braucht es aber einen globalen Ansatz
der Regulierung. Diesen Ansatz greift der Kodex auf und entwickelt auf
der Grundlage der nicht verhandelbaren Menschenrechte und des
humanitären Völkerrechts und gemeinsam mit Staaten und
Zivilgesellschaft einen Verhaltenskodex für die Firmen.
Grossbritannien zum Beispiel bemüht sich seit mehreren Jahren,
seine Branche zu regulieren. Mittlerweile hat die britische Regierung
öffentlich festgestellt, dass die Ergebnisse unserer Initiative
die Voraussetzung für die Regulierung bilden sollen.
Interview: Lukas Häuptli
--
Schweizer Botschaften und Konsulate
Ein Drittel von Privatfirmen bewacht
"Rund ein Drittel" der zirka 180 Botschaften, Konsulate
und
anderen Vertretungen der Schweiz im Ausland werden von privaten
Sicherheitsfirmen bewacht, wie Adrian Sollberger, Pressesprecher des
Eidgenössischen Departements für auswärtige
Angelegenheiten (EDA), auf Anfrage sagt. "Die Sicherheitsfirmen
üben keine Aktivitäten mit militärischem Charakter aus,
und ihr Personal ist in der Regel nicht bewaffnet." Es handle sich um
Unternehmen, die auf die Bewachung von Gebäuden spezialisiert
seien. Die Firmen müssten, so Sollberger, "einen Vertrag und einen
Verhaltenskodex unterzeichnen, die sie dazu verpflichten, gewisse
Prinzipien in Bezug auf die Menschenrechte zu respektieren und eine
angemessene Ausbildung ihrer Mitarbeiter zu garantieren". Die Kosten
für die private Bewachung belaufen sich laut Sollberger auf rund
vier Millionen Franken pro Jahr.
Wo die Schweiz welche Sicherheitsfirmen mit der Bewachung
der
Vertretungen beauftragt, will das EDA nicht bekanntgeben. Es geschehe
in Ländern, in denen der staatliche Schutz "ungenügend oder
sogar inexistent" sei und in denen "Sicherheitsrisiken" bestünden,
sagt Sollberger. Es ist davon auszugehen, dass das beispielsweise bei
den Schweizer Botschaften in Pakistan, Kongo-Kinshasa und im Sudan,
beim Schweizer Konsulat in Kirgistan oder bei der Vertretung der
Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in
Afghanistan der Fall ist.
Bei den sechzig privaten Sicherheitsfirmen, die
diplomatische und
andere Vertretungen der Schweiz im Ausland bewachen, soll es sich
meistens um lokale Firmen handeln, in einigen Fällen aber auch um
nationale Ableger von grossen internationalen Sicherheitsunternehmen.
(luh.)
--
Südostschweiz 21.8.10
Stiller Protest gegen Söldnerfirmen in Basel
Aktivisten der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee
(GSoA)
haben gestern in Basel vor dem Sitz der Söldnerfirma Aegis gegen
Privatarmeen demonstriert, indem sie sich als symbolische Kriegsopfer
auf den Boden legten. Das britische Unternehmen hatte sich im März
in Basel niedegelassen, wie kürzlich bekannt wurde. Dieses
"Geschäft mit dem Tod" dürfe nicht gefördert werden, so
die GSoA. Sie fordert ein Verbot von Privatarmeen in der Schweiz.
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FUSSBALL
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Sonntag 22.8.10
"Steh auf, du Schwuchtel"
Die bösen Sprüche der Gegenspieler werden
weniger, die
schwulen Fussballer von Stonewall haben sich inzwischen Respekt
erarbeitet
Von Felix Lill
Der Stonewall FC, ein schwuler Fussballklub aus London,
spielt im
normalen Ligabetrieb, also vor allem gegen Heteros. Respekt auf dem
Rasen mussten sich die Männer über zwei Jahrzehnte hart
erarbeiten.
"Suche nach Möglichkeiten, mit Gleichgesinnten im
Ligabetrieb Fussball zu spielen." Was zunächst wie eine Einladung
zum Sonntagskick klingt, ist eine Kontaktanzeige, die im März 1991
die Runde in der schwulen Community Englands machte. Eine Plattform
für Schwule zum Fussballspielen sollte geschaffen werden. Kurz
darauf traf sich tatsächlich eine Handvoll Männer im Osten
Londons. Viele von ihnen hatten früher einmal gespielt, sich seit
ihren Outings aber nicht mehr getraut. Andere hielten ihre
Sexualität noch geheim.
"Das war die Geburt unseres Klubs", denkt Eric Najib
zurück.
Damals ein Teenager, ist Najib heute Trainer und Torhüter des
ersten schwulen Fussballvereins in England. Als Najib 2001 vom
Stonewall FC hörte, kündigte der ehemalige Jugendfussballer
spontan seine Dauerkarte bei Manchester United. Jahrelang hatte er im
Stadion Manchesters, dem Old Trafford, Anfeuerungsrufe gehört, von
denen nicht wenige den Hass auf Homosexuelle schürten. "Es hat am
Anfang grosse Überwindung gekostet. Als Schwuler wieder selber auf
dem Platz zu stehen, war unheimlich."
Denn nur drei Jahre zuvor hatte sich nicht weit von
Stonewalls
Heimstätte Justin Fashanu, der bis heute einzige Fussballprofi,
der sich als schwul geoutet hat, in einer Garage erhängt. Für
Fashanu war der öffentliche Druck zu gross geworden.
Morddrohungen, Beschimpfungen und Diskriminierung waren für
Fashanu zum Alltag geworden. "Beim Training haben wir oft darüber
gesprochen", erinnert sich Najib. "Einige Spieler von uns hatten Angst.
Auch, wenn wir nicht so berühmt waren, könnte uns ja etwas
passieren." Aber die meisten blieben dabei.
Und immer wieder hagelte es Beschimpfungen von den Gegnern
und
den Zuschauern. Einmal weigerte sich die gegnerische Mannschaft sogar,
ihre Kabine zu verlassen, ehe die Kicker von Stonewall das Gelände
verlassen würden. Häufig pfiffen auch die Schiedsrichter
parteiisch.
Doch der Mut der Spieler lohnte sich. Vor zehn Jahren
stieg die
Mannschaft in die Middlesex County Premier Division auf und spielt
seitdem nur noch eine Liga unter den halbprofessionellen Klassen. Zwei
Meisterschaften und zwei Pokalsiege im letzten Jahrzehnt Jahren haben
Stonewall zum wohl erfolgreichsten schwulen Fussballklub weltweit
gemacht. Die kürzlich in Köln ausgetragenen World Gay Games
gewannen die Londoner zum nun dritten Mal.
Mittlerweile ist der Stonewall FC zudem mit einem Sponsor
ausgestattet, von dem sogar Profivereine träumen würden: Mit
der englischen Grossbank Barclays sponsert den Verein jenes Institut,
das zugleich Namensgeber der Premier League ist, Englands grösster
Spielklasse.
Angenehm ist das Spiel dennoch nicht immer für
Stonewalls
Kicker. "Wir werden schon oft beschimpft", erzählt Najib.
"Fussball gilt als der Männersport schlechthin und der Prototyp
des Mannes wird in den Medien nach wie vor als harter, heterosexueller
Kerl dargestellt. Viele Leute hinterfragen das nicht." Najib meint, die
Medien würden Mitverantwortung an der Marginalisierung von
Schwulen im Fussball tragen.
Homophobie ist eine der wenigen Arten von Diskriminierung,
die in
England noch salonfähig sind. Stossen rassistische oder
behindertenfeindliche Äusserungen gewöhnlich emotionale
Debatten an, bleibt die Diffamierung von Schwulen und Lesben oft
folgenlos. Vor fünf Jahren organisierte die BBC eine Talkrunde, um
über Fussball und Homophobie zu diskutieren, und hatte dazu
diverse Londoner Fussballklubs befragt, ob diese denken, dass
Schwulenhass ein Problem für den englischen Fussball darstelle.
Die Antwort war deutlich: Kaum ein Verein reagierte. Aber
auch
die BBC selbst wurde bereits mehrmals kritisiert, homophobe
Berichterstattung zu leisten. Zuletzt in einem Bericht über die
lesbische Schauspielerin Lindsay Lohan, der sagte, Lohan solle lieber
für Männer aufgehoben bleiben.
Doch wenn Najib die Situation heute mit vor zehn Jahren
vergleicht, "dann fühlt es sich an wie zwei Welten". Und es liege
nicht nur daran, dass die Gesellschaft offener geworden sei. "Das
Schöne am Fussball ist, dass man sich Respekt erarbeitet. Das
haben wir mittlerweile geschafft. Es gibt heute deutlich weniger
schwulenfeindliche Beschimpfungen, wenn einer unserer Spieler eine
Schwalbe macht", lacht Najib. Und wenn es doch wieder einmal "Steh auf,
du Schwuchtel" von den Gegnern töne, so werden immerhin die
Entschuldigungen nach dem Spiel immer häufiger.