MEDIENSPIEGEL 3.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- Reitschule bietet mehr: SVP-Bärni der Strassenfeger, Nein von
GFL, GLP, EVP; Terroristenschreck Erich
- Fuchs-Hess nervt Stadtnomaden
- RaBe-Info 2.+3.9.10
- Bärenpark: Chaos + Randale
- Schwingfest: Chaos + Randale
- 40 Jahre ISC
- Drogen: Forschungsansätze
- Zivilstand Illegal: Scheingefechte
- Rassismus = Weniger Taggeld
- Neonazis AG: Verurteilung
- Söldnerfirmen-Problem
- Anti-Atom: Bözberg-Sorgen
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REITSCHULE
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Fr 03.09.10
20.30 Uhr - Tojo - "Kurtli VII" Die Trash-Revue zum
verflixten Siebten
22.00 Uhr - Frauenraum - Popshop mit DJ Anouk Amok und
Support, Disco
22.00 Uhr - Dachstock - Wax Tailor (Lab?oratoire/FRA).
Support: TAKE
(Alpha Pup/USA), Studer TM (Bonzzaj/BE) - Hiphop, Triphop, Dub,
Electronica
Sa 04.09.10
0-24 Uhr - ganze Stadt - Aktionstag "Reitschule bietet
mehr" - siehe
Tagespresse und www.reitschulebietetmehr.ch
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.30 Uhr - Tojo - "Kurtli VII" Die Trash-Revue zum
verflixten Siebten
22.00 Uhr - Dachstock - Benfay Plattentaufe "Hey, what?s
wrong baby!"
Live: Benfay (MPC, Synths), Simon Baumann (Drums) & Jan Galega
(Bassclarinet, Sax, Electronics) + Special Guests. DJs: Round Table
Knights & Jay Sanders - Electronica, Techno
So 05.09.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im
SousLePont bis 16.00
Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi-Sonntag: Pippi
Langstrumpf,
Olle Hellbom, Astrid Lindgren, S/D 1969
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.15 Uhr - Kino - TATORT REITSCHULE:
Tatort-Direktübertragung (ab
19.00)
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Bund 3.9.10
Tagestipp Wax Tailor
"In the Mood for Life"
In Frankreich geniesst Wax Tailor seit seinem Album "Tales of the
Forgotten Melodies" (2005) Kultstatus, in der Deutschschweiz aber gilt
der 35-Jährige noch immer als Geheimtipp. Auf seinem jüngsten
Opus "In the Mood for Life" hat der Sampling-Meister seine historische
Musik-Melange, die er selber "Cinematic Hip-Hop" nennt, noch
weiterentwickelt. In Bern tritt Wax Tailor mit einer ganzen Band auf.
(klb)
Reitschule Bern, Dachstock, heute Freitag, 22 Uhr.
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REITSCHULE BIETET MEHR
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20 Minuten 3.9.10
Reitschule: Kampf geht in letzte Runde
BERN. Selten wurde in Bern ein Abstimmungskampf so hart
ausgefochten wie der um die Reitschule - und die Kontrahenten von links
und rechts geben nochmals richtig Gas. Weil die Gegner um Thomas Fuchs
am 26. September mit einem knappen Entscheid rechnen, stocken sie ihr
Budget nun erneut um 10 000 Franken auf. Damit wollen sie eine
Inseratekampagne mit Comics von "Bärni, dem Strassenfeger"
mitfinanzieren. "Wir probieren es jetzt auch auf die lustig-lockere
Art", so Fuchs. Bärni wischt "den Dreck und den linksautonomen
Terrorismus" vom Reitschulgelände.
Der Reitschule ihrerseits haben mittlerweile über 50
Kulturbetriebe aus der ganzen Schweiz ihre Unterstützung
zugesichert, die sich am kommenden Samstag am Solidaritätstag
für den Erhalt des Gebäudes einsetzen. Zudem gibt es ab
morgen öffentliche Führungen durch die
Räumlichkeiten. big
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Bund 3.9.10
GFL steht hinter dem "Dauerexperiment Reitschule"
Die Grüne Freie Liste (GFL) Stadt Bern lehnt die Initiative
"Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Die GFL stehe seit
Anbeginn hinter dem gesellschaftlich und kulturell erfolgreichen
"Dauerexperiment Reitschule". Die Reitschule biete mehr, als bei einem
Verkauf je zu gewinnen wäre. Für die zweite städtische
Vorlage vom 26. September (Kredit Wankdorf City) empfiehlt die GFL die
Ja-Parole. Es sei "richtig und wichtig", dass eine nachhaltige
Stadtentwicklung an einem zentralen, vom öffentlichen Verkehr
hervorragend erschlossenen Ort stattfinde. (pd)
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BZ 3.9.10
Grünliberale
Nein zum Verkauf der Reitschule
Die Grünliberalen haben ihre Parolen für die
städtischen Abstimmungen vom 26. September gefasst: Sie sagen Nein
zum Verkauf der Reitschule, weil diese ein urbanes, vielseitiges
Kulturangebot mit grosser Innovationskraft und Ausstrahlung weit
über die Stadt hinaus biete. Ja sagt die Partei zur
Kreditaufstockung für die Gestaltung der öffentlichen
Räume der Wankdorf City.
pd
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EVP
Ja zur Gestaltung Wankdorf City
Die EVP Stadt Bern hat an ihrer Parteiversammlung eine
einstimmige Nein-Parole zur Reitschule-Initiative der SVP gefasst.
Für die EVP ist klar, dass in und um die Reitschule wie
übrigens auch bei Sportanlässen nur eine kleine Minderheit
von Personen Probleme verursacht, deren Handhabung mit dem neuen
Leistungsvertrag von 2011 zwischen Stadt und Reitschule-Betreibern zu
regeln ist. Zur Kreditaufstockung für die Gestaltung des
Aussenraumes der Wankdorf City sagte die EVP mehrheitlich Ja.
pd
--
Junge SVP
Ja zum Verkauf der Reitschule
Die Junge SVP Kanton Bern hat einstimmig die Ja-Parole zur
Reitschule-Initiative beschlossen. Für die Nationalratswahlen
kandidiert die Junge SVP mit vier Parteimitgliedern. Für die
Stadtberner Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" wurde
die Ja-Parole gefasst. Nach Ansicht der Jungen SVP ist die Reitschule
ein Rückzugsort für Kriminelle und gewaltbereite
Demonstranten. Dieser rechtsfreie Raum dürfe nicht toleriert
werden.
pd
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BZ 3.9.10
Leserbriefe
"Experiment Reitschule ist misslungen!"
Diverse Ausgaben zur Reitschule-Abstimmung vom 26. September 2010
Anlässlich einer Besichtigung der Reitschule am letzten
Montag (wenn die Reitschule geschlossen respektive leer ist) haben die
Besucher feststellen können, dass die Freiwilligen sehr viel Gutes
tun und sehr engagiert sind.
Es braucht Idealisten, aber bitte realistische Idealisten. Diese
Idealisten sind durch ihre Form der sogenannten Basisdemokratie
praktisch handlungsunfähig (Einstimmigkeit für
Beschlüsse!): Duldung von Gesetzesbrechern, "Asyl" für alle,
Machtlosigkeit betreffend Vorplatz, Verschandlung eines Denkmals,
unkontrollierbare Mieter (Cafeteria). Aber ich muss doch anerkennen,
dass viele Arbeitsgruppen wertvolle Arbeit leisten (z. B. Konzerte,
Feste, Theater, Schreinerei, Druckerei etc.).
Ein Problem der Reitschule ist eine glaubwürdige Vertretung
nach aussen, das heisst, gegenüber Stadtbewohnern, Behörden,
Polizei und Nachbarn. Die Reitschule hat wie die UBS ein Imageproblem.
Seit 23 Jahren versuchen die Idealisten, ihre eigene Idealvorstellung
eines Kulturzentrums zu verwirklichen. Ergebnis: Innenpolitik knapp
gelungen, aber Aussenpolitik eine Katastrophe! Das Kulturprogramm kann
anderswo in Bern durchgeführt werden (Progr, Kleintheater,
Gaskessel, Museumskino etc.). Wenn man Subventionen entgegennimmt,
müssen Voraussetzungen erfüllt werden.
Falls aber die Initiative abgelehnt würde, müsste die
RS sich eine praktikablere Basisdemokratie geben und mit den
Behörden (sprich Polizei) normal zusammenarbeiten, ansonsten wird
die Reitschule bald wieder und wieder infrage gestellt! Nach 23 Jahren
ist das Resultat ungenügend. Das Experiment ist endlich
abzubrechen.
Fred C. Moser Präsident Verein "Bern sicher und sauber"
--
"Scheinheilige CVP und BDP"
Ich habe nichts gegen einen Kulturbetrieb, aber ich habe sehr
viel dagegen, wie dieser zustande gekommen ist. Durch Erpressungen der
"sackschwachen" Stadtregierungen seit der ersten Besetzung der
Reithalle 1981 bis heute und durch viele andere strafbare Handlungen.
Dass in diesem "Haus" keine Gesetze gelten, haben die Besetzer
von Anfang an gesagt und auch ohne Konsequenz der Behörden
durchgezogen. Für alle strafbaren Handlungen, die in und um die
Reithalle begangen wurden und immer noch werden, wird der
Normalbürger angezeigt. Die Reithallen-Betreiber haben von Anfang
an nie ein Versprechen eingehalten. Was mich deshalb zutiefst
enttäuscht, sind Parteien wie die BDP und CVP. Beide
bestätigen, dass die Betreiber der Reithalle seit Jahren tun, was
sie wollen, aber beide bekämpfen die Initiative. Genau diese
Parteien sprechen dann in anderen Fällen von Rechtsgleichheit.
Scheinheiliger geht es nicht mehr!
Walter Krebs Ex-Polizist/Ex-SVP-Stadtrat Bern
---
St. Galler Tagblatt 3.9.10
Der Terroristenschreck von Bern
SVP-Jungspund Erich Hess teilt gerne mit dem verbalen
Zweihänder aus - nun wird er selber Zielscheibe eines Songs. Er
nimmt's gelassen und kämpft weiter gegen den "Schandfleck"
Reithalle.
Barbara Spycher
Bern. Erich Hess hat etwas geschafft, was nur wenigen gelingt:
Ihm ist ein Song gewidmet worden. Über 260 000 haben auf YouTube
bereits geschaut, wie Müslüm tanzt und singt: "Erich, warum
bisch du nid ehrlich?" "Erich, warum bisch du immer so aggressiv?"
"Erich, hesch du keini Liebi becho?" Und spielt damit auf die Aussagen
von Jung-SVP-Politiker Hess an, wonach die Berner Reitschule ein Hort
von Terroristen, Krawallbrüdern und Dealern sei. Deshalb will Hess
das alternative Kulturzentrum an den Meistbietenden versteigern (siehe
Kasten). Am 26. September stimmen die Berner über diese Initiative
ab.
"Henusohaut"
Erich Hess nimmt gelassen, dass er von Müslüm
verhöhnt wird. Die Melodie sei "noch ansprechend", der Text
"henusohaut", es gelte freie Meinungsäusserung. Allerdings sei die
Frage falsch gestellt: "Mir wird privat oft vorgeworfen, ich sei zu
direkt und zu ehrlich." Die Frage müsste eigentlich lauten:
"Erich, warum bisch du so ehrlich?" Er sei auch nicht aggressiv,
sondern eher ein ruhiger Mensch. Er vertrete politisch aber viele
unbequeme Themen, was die Linken vielleicht als "aggressiv" bezeichnen
würden.
Tatsächlich fällt Hess oft mit verbalen
Grenzüberschreitungen auf. Das Berner Kulturzentrum "Progr"
bezeichnete er als "Haus voller Taugenichtse und Tagediebe", in der
Reithalle gebe es "Terroristen" und "mafiöse Strukturen",
Asylbewerber hatte er mit Ameisen verglichen. Hess provoziert auch mit
Aktionen wie jener von letztem Sommer, als er eine SVP-Hotline gegen
Sozialhilfemissbrauch installierte. Er rief die Bevölkerung auf,
dort Bekannte oder Nachbarn zu denunzieren, bei denen sie
Sozialhilfemissbrauch vermuteten.
Im persönlichen Gespräch ist Hess höflich und
bleibt selbst im schicken Nadelstreifenanzug sich selber: ein
29jähriger Lastwagenfahrer und Politiker, im Emmental
aufgewachsen, der Alphorn, Schwyzerörgeli, Hackbrett und
Fahnenschwingen anderen kulturellen Darbietungen vorzieht. In der
Politik geht es rasch aufwärts mit Hess: Die letzten sieben Jahre
hat er im Berner Stadtparlament politisiert, jetzt wurde er ins
Kantonsparlament gewählt. Seit zweieinhalb Jahren ist er
Präsident der Jungen SVP Schweiz. Als solcher hat er auch schon
die Mutterpartei in die Knie gezwungen. Die SVP-Spitze war gegen ein
Referendum gegen die EU-Personenfreizügigkeit, also sammelte Hess
mit der Jungen SVP die Unterschriften. Im Abstimmungskampf schwenkte
die Mutterpartei dann auf seine Linie ein.
"Unhaltbare Zustände"
Mit der fünften Abstimmung über die Reithalle
dürfte er im rot-grünen Bern aber keinen Erfolg haben. Ist
diese Initiative Zwängerei oder Selbstprofilierung, Herr Hess?
Weder noch, meint der Initiant, aber die letzte richtige
Schliessungs-Initiative liege 20 Jahre zurück. Die Zustände
in der Reithalle seien unhaltbar, alle gewalttätigen Demos etwa
würden aus der Reithalle organisiert. Würde sie geschlossen,
"wird Bern nicht zu einer kulturellen Wüste", es gebe viele
vergleichbare Angebote, findet Hess. Und fragt Müslüm
zurück: "Warum wosch du d Missständ nid gseh?"
--
Person
Semih Yavsaner (Müslüm)
Semih Yavsaner, 30, ist der Erfinder und Interpret von
Müslüm, der es in wenigen Wochen zu Kultstatus brachte. Dabei
war Müslüms erstes Lied "Erich, warum bisch du nid ehrlich?"
als Testlauf gedacht. Es erschien auf der CD gegen die
Reithalle-Schliessungs-Initiative und zielt auf deren Initianten,
SVP-Mann Erich Hess. Müslüms musikalischer Durchbruch war
erst für Weihnachten vorgesehen. Doch dann kam alles anders:
Müslüm, der linkische Türke mit starkem Akzent, farbigen
Klamotten und grossem "Herzeli" singt sich in die Herzen der Schweizer.
Über 260 000mal wurde der Song auf YouTube bereits angeklickt, ab
Sonntag setzt er zum Sturm in der Hitparade an. Yavsaner selber wurde
vom Hype überrumpelt, von den Anfragen von Journalisten und linken
Parteien, die Müslüm für weitere politische Anliegen
gewinnen möchten. Doch Yavsaner will nicht, dass Müslüm
eine "Marionette für SVP-unfreundliche Kampagnen" wird. Bis zur
Abstimmung am 26.September aber engagiert er sich mit Leib und Seele
für die Reithalle. (spy)
"Reithalle versteigern"
Am 26. September stimmt die Stadt Bern über die
SVP-Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Das
alternative Berner Kulturzentrum soll an den Meistbietenden versteigert
werden, weil es "ein Hort von Gewalttätern und Drogendealern" sei.
Ob daraus ein Badetempel, ein Einkaufszentrum oder ein
Bürogebäude entstehen soll, lassen die Initianten offen.
Ausser SVP und FDP lehnen sämtliche Berner Parteien, inklusive
CVP, BDP und EVP, das Anliegen ab: Die kulturellen Freiräume
jenseits von Konsum und Kommerz seien wichtig für Bern. Die
bürgerlichen Parteien sehen aber durchaus Verbesserungspotenzial
bei den basisdemokratischen Strukturen der Reithalle: Die Stadt brauche
klare Ansprechpartner.
Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass die Initiative
angenommen wird. In den vier bisherigen Umnutzungs- und
Kreditabstimmungen zur Reithalle hat sich das rot-grüne Bern stets
hinter das 23jährige Kulturzentrum gestellt. Dieses bietet
Filmvorführungen, Theater oder Konzerte, beherbergt eine Beiz,
einen Frauenraum und Politgruppen. (spy)
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STADTNOMADEN
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Bund 3.9.10
"Verein Alternativen" zieht mit Wohnwagen auf Schermenareal
Wohnwagen und Traktoren sind Anfang Woche aufs Schermenareal im
Wankdorf gezogen. Der Wohnwagenpark, welcher jetzt in der Nähe der
UPD Waldau vis-à-vis der Schrebergärten steht, ist jedoch
legal. Bei der Gruppe handelt es sich nicht um die ominösen
"Stadttauben", welche zuletzt illegal ein Grundstück in Matzenried
besetzten, sondern um den "Verein Alternativen". Das Recht, auf dem
Landstück zu wohnen, hat ihnen die Burgergemeinde Bern zugebilligt.
In Absprache mit Burgergemeinde
"Wir haben einen Vertrag", sagte ein Mitglied des Vereins
Alternativen gestern, "wir bezahlen die Wasserrechnung und entleeren
die Toilette." Anders als die Stadttauben hat der Verein Alternativen
mit Stadt und Kanton Bern sowie der Burgergemeinde Bern vereinbart,
dass ihnen bis zur Schaffung einer Zone für alternatives Wohnen im
Turnus von drei Monaten ein Grundstück angeboten wird. Der Verein
Alternativen hatte zuletzt einige Hundert Meter westlich auf dem
Wankdorf-City-Areal gehaust.
Die Vereinigung "BernAktiv" von SVP-Grossrat Thomas Fuchs
forderte gestern in einer Medienmitteilung, die Behörden
müssten "das Katz-und-Maus-Spiel" endlich beenden. Fuchs stellte
die Wohnwagensiedler in direkte Verbindung mit der Reitschule. Er wirbt
damit auch für ein Ja bei der Abstimmung über den Verkauf der
Reitschule. Sowohl die Mitglieder des Vereins Alternativen wie auch die
Reitschule wiesen diese Behauptung zurück. Alternative Wohngruppen
hätten immer unabhängig von der Reitschule agiert, sagte Tom
Locher, Sprecher der Mediengruppe. Doch man teile das Bedürfnis
nach Räumen für alternatives Wohnen. (mra)
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Telebärn 2.9.10
http://www.derbund.ch/bern/Hess-von-Wohnwagenbewohner-beschimpft/story/10887315
"Du gruusige Stinker"
Von TeleBärn
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/stadtnomaden-im-clinch-mit-hess/c=84713&s=1015730
Die Vereinigung "BernAktiv" will die Wohnwagensiedlung im Wankdorf
entfernen lassen. Bei einem Besuch wurde Stadtrat Erich Hess von einem
Bewohner deswegen massiv beschimpft.
Erich Hess, Berner Grossrat und Mitglied von der überparteilichen
Vereinigung "BernAktiv", fordert, dass die Wohnwagensiedlung im
Wankdorf geräumt wird. Gegenüber Telebärn sagt er: "Ich
erwarte, dass die Stadt die Wohnwagen beschlagnahmt und die Leute in
ein normales Leben begleitet."
Dies stösst einem Wohnwagenbewohner des "Verein Alternative" sauer
auf. Er beschimpft den SVP-Politiker massiv.
Die Stadt Bern kann die Forderung von Erich Hess nicht nachvollziehen.
Roland Meyer, Generalsekretär Finanzdirektion, sagt, dass sich die
Leute im Wankdorf gestützt auf eine vertragliche Vereinbarung dort
aufhalten. Er hält fest: "Wir können diesem Zustand nicht
Negatives abgewinnen."
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RABE-INFO
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Fr. 3. Sepember 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_3._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%203.%20September%202010
- Südafrika nach der WM: verwaiste Stadien und fehlende
Sozialwohnungen
- Tag der jüdischen Kultur: Einblicke in 8 Schweizer Städten
- Holzwerkstatt in der Reitschule: hier wird gehämmert,
gesägt und gelacht
Links:
http://www.sah.ch/index.cfm
http://www.jewisheritage.org/jh/upload/edjc/pdf/PDFText_62_English1.pdf
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Do. 2. September 2010
- Könizer Lehrerschaft fordern mehr Mittel- nur so könnten
anstehende Reformen im Schulwesen SchülerInnenfreundlich umgesetzt
werden
- Progr feiert- uzum Fest gibts auch einen Raum für Gegenwartskunst
- Rundgang in der Reitschule- im hauseigenen Kino treffen sich sowohl
politisch Interessierte so wie Krimi- Fans
Links:
http://www.progr.ch
http://www.reitschule.ch/reitschule/kino/
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SCHLIESSEN UND VERSTEIGERN! - TEIL I
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20 Minuten 3.9.10
Knatsch um "Szene" bei Bärenpark
BERN. Lärm und Littering: Der Berner Stadtrat Jimy Hofer
spricht von einer Szenenbildung beim Familientreffpunkt Bärenpark.
Auch bei der Interventionstruppe Pinto ist das Problem bekannt.
Verkommt der Bärenpark zum Treffpunkt für Saufgelage
und laute Partys? Stadtrat Jimy Hofer befürchtet schon: "Mir wurde
von verschiedenen Seiten zugetragen, dass sich Teens mit Ghettoblastern
zum Saufen auf der Treppe beim Bärenpark treffen." Es gehe sogar
noch weiter, ereifert sich der Parteilose: "Manchmal landen die leeren
Bierdosen bei den Bären." Unter Politikern sei schon die
nächtliche Schliessung der Anlage diskutiert worden. Bei der
Interventions- und Präventionstruppe Pinto weiss man davon: "Wir
schauen regelmässig vorbei und haben die Jugendlichen schon auf
ihren Müll aufmerksam gemacht", sagt Chef-Streetworker Silvio
Flückiger.
Für die Stadt ist das jedoch kein Problem.
Sicherheitsdirektor Reto Nause: "Wir konnten im Bärenpark
während der Sommermonate keine Szenenbildungen beobachten." Selbst
Bärenwärterin Linda Triet relativiert: "Die Bären werden
nicht mehr als bei einem sonntäglichen Picknick belästigt."
Solche Aussagen beruhigen Bronco-Legende Hofer nicht. Er fürchtet
sogar, dass sich die Szene an die gegenüberliegende Uferseite in
die Matte verlagern könnte. Dort wären die Partymacher wohl
nicht sehr willkommen: "Hoffentlich reihern sie wenigstens in die Aare
statt auf die Strasse", so Anwohnerin Rosmarie Bernasconi.
Pedro Codes
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SCHLIESSEN UND VERSTEIGERN! - TEIL 2
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Tagesanzeiger 3.9.10
Schwingfest-Puristen begehren auf
Das "Eidgenössische" artete zum Schweizer Oktoberfest der
Nicht-Schwinger aus. Trotzdem hält der Schwingerverband am neuen
Konzept fest. Die Sponsoren wollen es so.
Von Antoni Cortesi
Vor zwei Wochen frohlockten noch alle. Mit 260 000 Besuchern war
es das grösste Eidgenössische Schwingfest aller Zeiten.
Männiglich lobte die friedliche Atmosphäre in Frauenfeld, bei
der es keine Hooligans und keine Polizeigrenadiere gab. Und
OK-Präsident Urs Schneider bilanzierte, es sei gelungen, Tradition
und Moderne zu vereinen.
Jetzt hat der "Blick" aber Bilder ins Internet gestellt, die ein
Chaos zeigen: eine Halle mit wild durcheinandergewirbelten
Festbänken, und der Boden übersät mit Bierflaschen. Kein
Zweifel: Während draussen im Sägemehl wacker geschwungen
wurde, sind hier im Alkoholrausch die Bänke geflogen. Kann man ein
Schwingfest mit solchen Kollateralschäden noch als friedlich
bezeichnen?
"Kein Vandalismus"
"Es gab definitiv keinen Vandalismus", kontert Isabelle Denzler,
Medienchefin des Schwingfests. Dass junge Festbrüder zu
schmissiger Musik auf die Bänke stiegen, "die halt umkippen
können", sei nichts Aussergewöhnliches. Von blinder
Zerstörungswut könne keine Rede sein: Gerade mal zwei
Bänke seien in die Brüche gegangen. Und überhaupt: Die
Polizei, die auf dem Festgelände einen Posten eingerichtet hatte,
kam in den drei Tagen bloss ein Dutzend Mal zum Einsatz
"hauptsächlich wegen tätlicher Auseinandersetzungen zwischen
alkoholisierten Personen".
Ballermann statt Ländler
Ein Nachspiel gibt es trotzdem, denn die angeblichen
Schlachtfeld-Bilder haben die Schwingfest-Puristen auf den Plan
gerufen. Angeführt werden sie von Werner Ochsner, Herausgeber des
Fachblatts "Schwinger Journal". Er besuche das "Eidgenössische"
schon seit 50 Jahren, "aber so etwas habe ich noch nie erlebt", sagt
Ochsner. Einst sei das Schwingfest ein Grossanlass "mit
sportinteressiertem, gesittetem Publikum gewesen". Nun sei es zum
Mega-Event mutiert, der Zehntausende junger Leute anziehe, "die ihr
eigenes Fest durchziehen".
Die Schuld gibt Ochsner dem Rahmenprogramm, und hier stört
ihn vor allem die "Ballermann-Musik aus Österreich". Anstatt auf
Stimmungskanonen müsse das Schwingfest 2013 in Burgdorf wieder auf
gemütliche Ländlermusik setzen, fordert Ochsner: "Man muss
zurück zu den traditionellen Werten."
Doch Ernst Schläpfer, Obmann des Eidgenössischen
Schwingerverbands, blockt ab: "Ein Zurück gibt es nicht." Dass der
Anlass keine Insiderveranstaltung mehr sei und mit jeder Ausgabe auf
ein grösseres Medieninteresse stosse, nütze auch dem
Schwingsport.
Eintrittspreise tief halten
Entscheidend seien aber die Wünsche der Sponsoren, sagt
Schläpfer. "Feldschlösschen" beispielsweise habe die ganze
Logistik des Schwingfests finanziert. Es sei deshalb logisch, dass die
Getränkefirma auch ihr eigenes Bierzelt betreiben wolle inklusive
Oktoberfeststimmung. "Hätten wir weniger Sponsoren, würden
die Eintrittspreise fürs Schwinget massiv teurer." Der Festpass
für zwei Tage kostete heuer 190 Franken.
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Telebärn 2.9.10
Schwingfest doch nicht so friedlich
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/schwingfest-doch-nicht-so-friedlich/c=84713&s=1015725
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Blick am Abend 2.9.10
Zoff bei den Schwingern
KATER
Das wilde Party-Treiben betrunkener Teenies am
Eidgenössischen sorgt für rote Köpfe.
Chaos nach dem Schwingerfest in Frauenfeld. Am Sonntagmorgen
glich das Festgelände des Eidgenössischen einem Schlachtfeld.
Zerstörte Festbänke, zertretene Bierflaschen und Blutspuren
zeugen vom wilden Treiben des Wochenendes. Vornehmlich jugendliche
Festbesucher verwandelten den Traditionsanlass in eine wüste
Ballermann-Party. Das hat nun ein Nachspiel. Schwinger-Obmann Ernst
Schläpfer fordert, dass der Eventbereich für das nächste
Eidgenössische in Burgdorf überdacht wird: "Wir wollen kein
Oktoberfest!"
Anders sieht dies OK-Präsident Urs Schneider. Das zur
Partyzone mutierte Festgelände vertrage sich durchaus mit dem
urchigen Anlass, es bestehe kein Handlungsbedarf. "Wir wollten halt
auch den Jungen etwas bieten, und dass da halt etwas mehr getrunken
wird, muss man in Kauf nehmen."
Eine Sitzung soll nun für Klärung sorgen. rrt/num
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http://www.schwingerjournal.ch/frauenfeld.html
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40 JAHRE ISC
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Bund 3.9.10
Stau vor der Studierstube
Seit 1970 ist die Neubrückstrasse 10 in Bern eine der
wichtigsten Adressen für Berner Vergnügungssuchende. Im
Internationalen Studentenclub (ISC) sind etliche Berner musikalisch
sozialisiert und Weltkarrieren lanciert worden. Ein Rückblick auf
vier Jahrzehnte Untergrundmusik im Studentenmilieu.
Ane Hebeisen
Er hat schon bessere, aber auch schon wesentlich schlechtere
Zeiten erlebt, der Internationale Studentenclub (ISC) an der
Neubrückstrasse 10. Viele Musikgeschichten sind in den 40 Jahren
seines Bestehens geschrieben worden - himmeltraurige und
wunderschöne. Zum Beispiel diese: Nach einem Konzert im ISC
begehrte der irische Liedermacher Luka Bloom eine kleine
Stadtbesichtigung zu unternehmen. Danach sei er ob all den Schildern
und Netzen, welche die Lebensmüden Berner vom Sprung in den
Selbsttod abhalten sollen, dermassen deprimiert gewesen, dass er kurz
darauf sein bekanntestes Lied, "Bridge of Sorrow", verfasst habe.
Robbie Williams sei im ISC schon gesichtet worden, doch die Zeugen
dafür sind einigermassen unzuverlässig. Die Toten Hosen, und
dies ist verbürgt, kehrten hier gerne als Gäste ein, der
Sänger der Gruppe Walkabouts beging im Hinterbühnenbereich
des Clubs Ehebruch, und Musiklegenden wie Townes Van Zandt und Jeffrey
Lee Pierce spielten im ISC, kurz bevor sie das Zeitliche segneten.
Zuweilen war die Betreuung der auftretenden Künstler dermassen
gut, dass diese gar nicht mehr schlafen gehen mochten: So fand die
Gruppe H-Blockx nach ihrem ISC-Konzert und nach intensivem
Absinth-Konsum den Eingang ihres Hotels nicht mehr, obschon man sie
direkt davor absetzte - sie nächtigten in der Folge auf
städtischen Kehrichtsäcken in der Rathausgasse.
Es traten hier Bands auf, kurz bevor sie den internationalen
Durchbruch schafften, so die Gruppe HIM, die aufgrund einer
eingereichten Demo-Kassette gebucht wurde und etwas später nur
noch auf den Grossbühnen der Welt anzutreffen war. Gleiches
geschah mit Bands wie Mando Diao, The Hives, Fettes Brot oder Jan
Delay. Und auch Berner Musikinstitutionen wie Züri West (1984)
oder Lunik (1999) gaben im ISC, dessen Konzertraum in etwa die Ausmasse
eines grösseren Wohnzimmers aufweist, ihre ersten grösseren
Konzerte.
Fondue und Imageprobleme
Doch ganz so wild ging es im ISC in den 40 Jahren seines
Bestehens nicht immer zu und her. Gerade in den Anfangsjahren war vom
Club, wie er sich heute präsentiert, noch nicht viel zu erahnen.
Die Studentenunruhen hatten sich gelegt, die Brände waren
weitgehend gelöscht, und die Regierungen der Welt waren
bemüht, die Bildungselite bei Laune zu halten, weshalb allerorts
eifrig Jugendhäuser eröffnet wurden.
Auch in Bern kam man im Februar 1970 zur Erkenntnis, dass der
muffige Kellerraum Zum rostigen Schlüssel als einziger
Studententreff der Stadt keine Zukunft mehr hatte. Auf dem Gelände
des alten Tierspitals an der Neubrückstrasse 10 wurde der
Studentenschaft ein neuer Raum zur Verfügung gestellt, der bei der
Schlüsselübergabe jedoch noch auf wenig Begeisterung stiess.
Die Decken bröckelten ab, es gab einen Wassereinbruch - die
Umbauarbeiten am Internationalen Studentenclub zogen sich über
mehrere Monate hin. Doch obwohl für die Eröffnung des Lokals
am 11. Dezember 1970 sogar das Schweizer Fernsehen aufgeboten werden
konnte, war es um das Renommee des ISC in den Gründerjahren eher
schlecht bestellt. Das Lokal wurde für Fondue-Abende unter
Studenten geöffnet, es gab Spaghetti-Partys, Pantomimen- und
Theaterabende, Konzerte und Tanzveranstaltungen. Eine Bar war damals
noch nicht installiert, die alkoholfreien Getränke wurden aus
einem Automaten bezogen und der Kaffee selber gekocht. Zu den
misslichen Rahmenbedingungen kam hinzu, dass auch das Verhältnis
zwischen Männchen und Weibchen eher ungünstig war. 1972
notierte der Vorstand in einem betrübten Protokoll: "Unser Problem
ist, dass zu wenig Studentinnen vom Keller wissen oder ihn alter
Schauermärchen wegen meiden." Die Schauermärchen rührten
von einem ominösen Sofa, auf dem sich ab und an lüsterne
Liebespaare vergnügt haben sollen, was böse Zungen zur
Behauptung veranlasste, die Abkürzung ISC stehe für
"Intrigen- und Sexclub". Mit erleichterten Eintrittsbedingungen
für die Dame versuchte man dem Missstand Herr zu werden - lange
Zeit blieb der Erfolg aus.
Konkurrenz herbeigesehnt
So richtig aufwärts ging es mit dem Studentenclub erst Mitte
der Achtzigerjahre. 1983 wurde in einer angrenzenden alten Garage
endlich eine Bar eingerichtet (sie dient noch heute als Barraum), und
Mitte der Achtziger wurde die Regelung getroffen, dass auch
Nichtstudenten Clubmitglieder werden durften.
Bald wurde der ISC zum "Place to go" in Bern, die Warteschlangen
vor dem Lokal wurden länger und länger, und wenn das Quick in
der Marktgasspassage am Wochenende seine Pforte schloss, pilgerte die
Berner Schickeria an die Neubrückstrasse und vermischte sich mit
dem studentischen Jungfreisinn und sonstigen unternehmungslustigen
Partygesellen. Die musikalisch wirklich aufregenden Sachen spielten
sich indes noch anderswo ab - ab 1983 im Freiburger Frison, ab 1984 im
Zaff oder ab 1986 im Keller des Berner Meerhauses, wo Bands wie The
Young Gods oder Christian Death ihre ersten Berner Konzerte spielten.
In der ersten Hälfte des Jahres 1987 wurde die Lage im ISC
prekär. Der Andrang vor der unscheinbaren Metalltüre war
dermassen gross, dass sich das Vorstandsmitglied Renato Cecchet in
einem Artikel in der "Berner Zeitung" zu einem aus heutiger Sicht
schier unvorstellbaren Schritt genötigt sah: Er plädierte
für eine Belebung der Konkurrenz: "Wir wünschen uns, dass es
in Bern auch andere Räume gibt, die feste Angebote haben, sodass
sich die Leute etwas verteilen."
Mit der Eröffnung der Berner Reitschule im Oktober 1987
wurde dieser Wunsch erfüllt, und es entstand das berüchtigte
magische Dreieck des Berner Nachtlebens. Im Dachstock besuchte man ein
Konzert, im ISC tanzte man in den Morgen, und im nahe gelegenen Dead
End ging man den Restdurst löschen. Es war die Zeit Ende der
Achtziger- bis weit hinein in die Neunzigerjahre, in welcher der ISC
seine wohl aufregendste Phase erlebte. Das Veranstalterteam (vor allem
Dominik Hug, der heutige People-Verantwortliche beim "Blick")
verschlief keinen der aktuellen Trends, und das Renommee des Clubs
unter den hippen Konzertagenturen war gross.
Verliebt in die Bassistin
Im Jahr 1989 beispielsweise traten im kleinen Berner Club die
grössten Helden der damals florierenden Electronic Body Music
(Frontline Assembly, Klinik) ebenso auf wie die hippsten englischen
Musikexporte (My Bloody Valentine, The Shamen) sowie die Speerspitze
des helvetischen Musik-Undergrounds (Der böse Bube Eugen, Dnjepr
oder die Maniacs). In dieser Zeit war der ISC der beste Club der Stadt.
Er war weniger ideologisch verkrustet als die Reitschule (bis im
Dachstock erstmals elektronische Musik akzeptiert wurde, bedurfte es so
einiger Krisensitzungen), mutiger und trendiger als das Bierhübeli
und geräumiger als Das Boot in der Münstergasse. Man ging
hin, weil nirgendwo sonst Punks neben Psychos, Grufties neben
Wirtschaftsstudenten tanzten, weil es nirgendwo sonst ein DJ wagte,
Nirvana neben die Einstürzenden Neubauten und LL Cool J zu setzen,
oder man ging hin, weil man heimlich in die Bassistin der Berliner Band
Lolitas verliebt war, die mit ihrer Gruppe eine ganze Weile lang im
Jahresrhythmus im ISC einkehrte.
Schwedische Enklave
In diesen wilden Jahren Anfang der Neunzigerjahre hatte der ISC
einen damals noch unbekannten, aber schon damals etwas sonderbaren
Garderobier angestellt. Der schlaksige Mann war den ganzen Abend in
Bücher und Lehrmittel vertieft, erledigte seine Arbeit ansonsten
aber tadellos. Der Mann hiess Pedro Lenz, ist heute ein landesweit
berühmter Autor, im ISC häufte er sich Geld und Wissen
für sein Studium an: "Ich habe mir im ISC die Fähigkeit
angeeignet, auch bei Lärm lesen zu können", erzählt er.
"Nach getaner Arbeit hatte ich stets das gute Gefühl, im Ausgang
gewesen zu sein und doch was fürs Studium getan zu haben." Am
lebhaftesten in Erinnerung sind ihm die damals florierenden
Tollerdance-Schwulenpartys: "Da war zünftig was los, und die Jungs
brachten mir jeweils gläserweise Whiskey vorbei." Im Club ist er
heute kaum mehr anzutreffen. "Ich bin zu alt. Ich komme mir da immer
ein bisschen vor wie ein Vater, der seine Tochter sucht. Darauf kann
ich gut verzichten."
In den Nullerjahren waren im ISC zwei Hauptströmungen
auszumachen: eine gewisse Versteifung auf den Indie-Rock und aufs
schwedische Musikschaffen, eine Herzensangelegenheit der honorigen
Karin Feusi, die zwischen 1996 und 2009 im ISC Konzerte veranstaltete.
"Ich habe im ISC die Möglichkeit bekommen, meine Träume zu
verwirklichen", sagt die Frau mit den roten Haaren. "Am Anfang meiner
Amtszeit profitierte der ISC vom grossen Grunge- und Seattle-Hype,
später, als die Technowelle über Europa schwappte, erlebten
wir als Live- und Rock-Club eher schwierige Zeiten."
Doch auch in dieser Zeit hat es Karin Feusi geschafft, eine
Stammkundschaft aufzubauen: "Die Berner sind treue Seelen und lassen
sich nicht von jedem Hype den Kopf verdrehen", sagt die Freiburgerin,
die heute neben einem Amt in der schwedischen Botschaft die
geschäftlichen Geschicke des Singer-Songwriters Pierre Omer
leitet. Zur Konzentration auf die schwedische Musik kam es im letzten
Jahrzehnt aus ganz pragmatischen Gründen: "Das Verhandeln mit
englischen oder amerikanischen Konzertagenten wurde zunehmend
mühsam, weil auf deren Schweizer Karte nur noch Zürich zu
existieren schien. Die Skandinavier waren von den Standortvorteilen
Berns eher zu überzeugen, viele dieser Bands konnte ich bald
darauf ans Gurtenfestival buchen, das sprach sich herum, und es
entwickelten sich gute Freundschaften", sagt Karin Feusi.
Damals wie heute ist das Schicksal des ISC, dass die Bands, die
im 300 Leute fassenden Club gross geworden sind, schnell aus dem
Kleinclub-Alter herauswachsen. "Wir leisten im ISC eine Art
Aufbauarbeit. Ein Act wie Danko Jones spielte zweimal hier, dann
wechselte er selbstredend auf grössere Bühnen - damit haben
wir uns abgefunden."
Die neue Ära
Nach dem Abgang von Karin Feusi hat für den ISC eine neue
Ära begonnen. Das letzte Jahr war musikalisch ein eher
durchzogenes, und trotzdem hat der Club in einer Periode, in welcher
einige Veranstalter Besucherrückgänge von bis zu 30 Prozent
zu beklagen hatten, keine nennenswerten Einbussen erlitten. Bis heute
weist der ISC eine der besten Auslastungsraten aller Schweizer Clubs
auf, die finanziellen Reserven sind gehörig. Nun müssen - da
das Freiburger Frison seine regionale Führerrolle im Abzweigen
aufstrebender, hipper Indie-Bands einzubüssen droht - wieder
programmatische Akzente gesetzt werden. Mit dem Septemberprogramm (mit
Bands wie Johnossi und Zoot Woman) ist ein vielversprechender Auftakt
gemacht. Die Kolonne vor der Metalltüre an der
Neubrückstrasse 10 dürfte wieder länger werden.
--
Jubiläumskonzerte und Buch
Zum 40. Geburtstag feiert sich der ISC mit drei kleinen
Gratis-Open-Airs in der Innenstadt selbst: Das ISC-Rockout findet an
drei Wochenenden im September statt: Samstag, 4. September: Rathausplatz
Gemma Ray, Wendy McNeill, Lisa Catena. ab 17 Uhr. Ab 22 Uhr im
ISC Club: Oldies - das Original mit DJs Hanspi und Tom. Samstag, 11.
September: Ringgenpärkli (vis-à-vis Stadttheater): The
Monofones, Animal Boys, Stan Or Itchy, The Catamaran, ab 17 Uhr.
Anschliessend, ab 22 Uhr, im ISC Club: Saturday Night Fever - 70s-Disco
mit DJ Corey
Samstag, 18. September: Kleine Schanze Mama Roisin, Pamela
Méndez, Norman Palm, ab 17 Uhr. Anschliessend, ab 22 Uhr, im ISC
Club: Indie Zone - mit DJs Olive Oyl & Phrank.
Freitag, 24. September: ISC Club Zoot Woman Samstag, 25.
September: ISC Club Johnossi und Moto Boy
Zum Jubiläum ist das Buch "4 Decades of Rock 'n' Roll - 40
Jahre ISC Club" erschienen, mit Bildern und Texten zur Geschichte des
ISC. Es liegt an den Konzerten auf oder kann beim ISC bestellt werden:
www.isc-club.ch. (ane)
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DROGEN
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pressetext.ch 3.9.10
Cannabis und Co: Vom Suchtmittel zum Medikament
Wissenschaft beginnt, Wirkung illegaler Drogen gezielt zu
erforschen
Oxford/London (pte/03.09.2010/10:30) - Fast 40 Jahre lang hat
sich die Wissenschaft gescheut, die therapeutischen Möglichkeiten
illegaler Drogen wie Cannabis oder LSD gezielt zu erforschen. Nun haben
neue Erkenntnisse aus Tierversuchen und Fortschritte bei Verfahren zur
Darstellung von Vorgängen im Gehirn neue Projekte entstehen
lassen. Die Folge könnte sein, dass die Regierungen aufgefordert
werden, Finanzierung und Spielregeln für derartige Studien neu zu
überdenken, schreibt NewScientist.
Ignoranz und falsches Tabu
"Die bestehende Klassifizierung von LSD war ein Fehler der aus
Ignoranz und falschem Tabu heraus gemacht wurde", betont zum Beispiel
Amanda Feilding, die Direktorin der Beckley Foundation
http://www.beckleyfoundation.org . Diese Entscheidungen seien politisch
und nicht wissenschaftlich getroffen worden, betont auch der Psychiater
Michael Mithoefer.
Trotz vieler Hürden laufen derzeit in Amerika und der
Schweiz einige Studien, die das Potenzial von LSD und des in Pilzen
enthaltenen Psilocybin zur Behandlung von nicht heilbaren
Krebserkrankungen untersuchen. Diese Substanzen sollten den Patienten
gegen Angstgefühle und Depressionen helfen.
Feilding arbeitet gemeinsam mit David Nutt vom Imperial College
London http://www3.imperial.ac.uk an der ersten Studie über
psychodelische Drogen, die seit 40 Jahren durchgeführt wird. Unter
anderem wird untersucht, inwieweit Psilocybin helfen kann, Erinnerungen
wieder zu aktivieren. Diese Aktivierung könnte bei einer
Psychotherapie nach einem Trauma von großer Bedeutung sein.
Psilocybin im Einsatz gegen Nikotinsucht
Eine Studie an der Johns Hopkins University http://www.jhu.edu
hat erste positive Ergebnisse beim Einsatz von Psilocybin als
Unterstützung einer Psychotherapie zur Behandlung von Nikotinsucht
erbracht. An der Medizinischen Hochschule Hannover
http://www.mh-hannover.de wird derzeit untersucht, ob Bromo-LSD, eine
nicht psychoaktive Form des Medikaments, zur Behandlung von
Clusterkopfschmerzen eingesetzt werden kann.
Bei Cannabis ist bereits bekannt, dass es die Symptome einer
Multiplen Sklerose lindern kann. In Kanada wurde vor kurzem mit Sativex
ein entsprechendes Medikament zugelassen. Vor wenigen Tagen wurden die
erste Studie publiziert, deren Ergebnisse nahelegen, dass das Rauchen
von Cannabis auch neuropathische Schmerzen verringern kann, die durch
Schädigungen des Nervensystems entstanden sind.
Wissenschaftler der McGill University verabreichten Patienten mit
chronischen Schmerzen verschiedene Mengen Cannabis oder ein
Blindpräparat. Die Patienten hatten allgemein weniger Schmerzen
und schliefen mit der höchsten Dosierung besser. Details dieser
Studie wurden im Canadian Medical Association Journal
http://www.cmaj.ca veröffentlicht .
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ZIVILSTAND ILLEGAL
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Beobachter 3.9.10
Scheingefecht um Eheschein
Eine Scheinehe ist nur schwer nachzuweisen. Deshalb fährt
der Staat nun gröberes Geschütz auf: Ab 2011 gilt ein
Eheverbot für Ausländer ohne gültigen Aufenthaltsstatus.
Eine massiveBeschränkung der Ehefreiheit.
Text: Jürg Keim Fotos: Judith Stadler/André Uster
Karin Regli* hat den Glauben an die Gerechtigkeit fast verloren -
nach knapp zwei Jahren Kampf gegen die Behörden. Die
51-jährige Schweizerin kann einfach nicht verstehen, weshalb die
Behörden ihrem Ehemann Luan Prekazi* die Einreisebewilligung
verweigern. Obwohl das Paar im April 2008 im Kosovo, dem Herkunftsland
von Prekazi, geheiratet hatte, wies das Migrationsamt das Gesuch um
Aufenthaltsbewilligung ab. Und auch der Regierungsrat stützte den
Entscheid der Zürcher Sicherheitsdirektion. Begründung: Die
Ehegatten hätten nicht die Absicht, eine wirkliche Ehe zu
führen; diese sei nie intakt gewesen und effektiv gelebt worden.
Es handle sich deshalb um eine Scheinehe. Die Schuhverkäuferin aus
Winterthur kann den Entscheid nicht nachvollziehen. "Wie können
die so was behaupten! Mein Mann und ich möchten ein gemeinsames
Leben verbringen." Karin Regli gibt sich nicht geschlagen, nimmt sich
einen Anwalt und rekurriert beim Verwaltungsgericht Zürich.
Schätzungen des Bundesamts für Migration gehen von rund
1000 mutmasslichen Scheinehen jährlich aus - also etwa drei
Fälle pro Tag. Insgesamt wurde in der Schweiz im Jahr 2008
über 41 000-mal geheiratet. Der Anteil binationaler Ehen
beträgt rund 36 Prozent, dies entspricht etwa 15 000
Eheschliessungen zwischen Ausländern und Schweizern pro Jahr.
Es muss nicht immer Liebe sein
Unabhängig von der Nationalität steht aber nicht immer
Liebe im Vordergrund, wenn sich Mann und Frau das Jawort geben. Die
wahren Heiratsmotive wie finanzielle Sicherheit, Status oder
Torschlusspanik gibt man zwar selten zu, gleichwohl ist die Vernunft-
oder Zweckehe gesellschaftlich anerkannt und legal. Aktuelles Beispiel:
die Ehe zwischen Schauspieler Walter Roderer und seiner 61 Jahre
jüngeren Grossnichte, die aus steuerlichen Gründen geheiratet
haben. Auch wenn diese aus moralischer Sicht eine Scheinehe sein mag,
darf der Staat nicht einschreiten, solange mit einer Heirat nur
steuerrechtliche Vorschriften umgangen werden. Denn eine "richtige"
Scheinehe liegt nur dann vor, wenn Eheleute einzig und allein heiraten,
damit sich ein Ehepartner in der Schweiz ein Bleiberecht sichern kann.
Deshalb schaut der Staat genauer hin, sobald an einer Heirat
Ausländer beteiligt sind. Seit Inkrafttreten des
Ausländergesetzes (AuG) im Jahr 2008 müssen Standesbeamte in
Befragungen überprüfen, ob konkrete Indizien für eine
Scheinehe vorliegen. Zum Beispiel: drohende Ausschaffung, die Bezahlung
einer Heiratssumme, eine kurze Kennenlernphase vor der Heirat, ein
grosser Altersunterschied oder keine
Verständigungsmöglichkeiten. Ist der Verdacht offensichtlich,
darf der Standesbeamte die Ehe verweigern; zudem droht den
Gesuchstellern eine Freiheits- oder Geldstrafe.
Der Beobachter hat bei Standesämtern und
Migrationsämtern nachgefragt, wie gut das neue Gesetz greift. Das
Ergebnis ist ernüchternd: Die Standesbeamten machen von ihrem
Recht, die Ehe zu verweigern, praktisch keinen Gebrauch, und
Strafverfahren bleiben die Ausnahme.
Das Zivilstandsamt Basel-Stadt überprüfte in den Jahren
2008 und 2009 von 1139 Ehegesuchen von Schweizern und Ausländern
zirka 20 Fälle wegen Verdachts auf Scheinehe. Drei
Eheschliessungen wurden in der Folge verweigert, ein Paar hat dagegen
rekurriert. In Willisau LU sahen die Zivilstandsbeamten bei insgesamt
130 Ehegesuchen ebenfalls in drei Fällen einen offensichtlichen
Verdacht, alle drei wurden zurückgezogen. Das Zivilstandsamt Baden
zählte bei 154 binationalen Ehegesuchen neun Verdachtsfälle,
wobei es nur in einem Fall zu einer Verweigerung gekommen ist, der
Rekurs dagegen ist noch hängig. Das Zivilstandsamt Zürich hat
noch kein Gesuch verweigert, aber mehrere Ehegesuche wurden
zurückgezogen, nachdem die Behörden darauf aufmerksam gemacht
hatten, dass ein Verdacht vorliege und dass das Eingehen einer
Scheinehe strafbar sei.
Beweise kommen erst nach Eheschliessung
Als Hauptgrund für das Versagen der neuen Bestimmungen geben
alle Befragten an, dass praktisch nie im Voraus eine Scheinehe erkannt
werden könne. Tatsächlich fänden die Behörden erst
im Nachhinein heraus - etwa bei der Erneuerung einer
Aufenthaltsbewilligung -, dass die Eheleute nie zusammengewohnt
hätten, obgleich sie gemäss AuG dazu verpflichtet wären.
Offensichtliche Fälle dagegen, etwa dass die Braut den Trauzeugen
für ihren Bräutigam hält, seien die Ausnahme.
Wie schwierig es für Behörden ist, zu beurteilen, ob
eine Scheinehe vorliegt, zeigt auch der Fall von Karin Regli.
Tatsächlich deutet die Vorgeschichte ihres Gatten auf die
Möglichkeit hin: Der 36-jährige Kosovare war 1998 erstmals
als Asylsuchender in die Schweiz eingereist. Trotz Negativentscheid,
Ausweisung und Einreisesperre reiste er mehrmals wieder illegal in die
Schweiz ein. Im Sommer 2006 machte ein gemeinsamer Freund Luan Prekazi
mit Karin Regli bekannt. Die beiden trafen sich an den Wochenenden,
eine Liebesbeziehung entstand. Bei einer Kontrolle wurde der illegal
anwesende Kosovare aber von der Polizei aufgegriffen und im Januar 2007
ausgeschafft. Karin Regli besuchte ihn mehrmals im Kosovo, wo das Paar
schliesslich im April 2008 heiratete.
Aufgrund des Einreisegesuchs wurden die Ehegatten in der Folge
von den jeweiligen Behörden befragt und machten teils
widersprüchliche Angaben. Besonders negativ werteten die
Behörden, dass Karin Reglis Gatte ihr offenbar verschwiegen hatte,
dass er bereits einmal mit einer Kosovarin verheiratet gewesen war und
dass aus dieser Ehe zwei Kinder hervorgingen. Anhand aller Indizien
schloss das Migrationsamt, dass das Paar in der Schweiz keine
Lebensgemeinschaft, sondern eine Scheinehe begründen wollte.
Was für die Zürcher Sicherheitsdirektion und den
Regierungsrat klar zu sein schien, war für Karin Regli ein
Affront. "Ich finde das ungeheuerlich, wie die uns beschuldigen", sagt
sie und schickt noch während des Verfahrens den Richterinnen und
Richtern des Verwaltungsgerichts einen von Hand geschriebenen Brief, in
dem sie ihrer Verzweiflung Ausdruck verleiht. Darin finden sich
Sätze wie: "Warum nimmt mir der Staat die Möglichkeit,
glücklich zu sein?" Oder: "Bitte sprechen Sie ein Ja für
unsere Gemeinschaft und geben Sie uns die Chance, es Ihnen zu beweisen."
Karin Reglis Ausdauer wird schliesslich belohnt: In der
Begründung des Verwaltungsgerichts heisst es, dass zwar Indizien
für eine Scheinehe vorlägen, die gesamten Umstände
würden jedoch nicht eindeutig den Schluss zulassen, dass die
Eheleute keine wirkliche Ehe führen wollten. Vor allem aber habe
das Paar nie die Möglichkeit gehabt, seinen Ehewillen unter Beweis
zu stellen, da der Gatte seit der Eheschliessung im Kosovo lebe. Im
Anschluss an diesen Entscheid erhielt Luan Prekazi endlich die lang
ersehnte Bewilligung und reiste im Frühling 2010 in die Schweiz
ein.
Wenns nur einer ernst meint
Die Achtung der Privatsphäre setzt dem Staat Grenzen. Er
muss bei der Beschränkung von Freiheitsrechten - wie der
Ehefreiheit - äusserst zurückhaltend vorgehen, selbst wenn es
darum geht, einen offensichtlichen Missbrauch zu bekämpfen.
Deshalb darf der Staat nur eingreifen, wenn eindeutige Hinweise auf
eine Scheinehe vorliegen. Wie aber sollen Behörden verfahren, wenn
sich nur ein Partner die Ehe wünscht, der andere aber nie eheliche
Absichten hegt? Soll das legal sein? Nein, sagt das Bundesgericht. Nach
seiner Meinung reicht es, wenn nur einer der Brautleute die
fremdenpolizeilichen Vorschriften zu hintergehen versucht.
Rechtsprofessor Thomas Geiser von der Hochschule St. Gallen (HSG) kann
diese Ansicht nicht teilen: "Hat nur einer der Brautleute ehrliche
Eheabsichten, ist klar dessen Wille zu schützen. Das ist keine
Scheinehe."
Auch in der Praxis ist das Urteil des höchsten Gerichts
umstritten. So lässt etwa das Zivilstandsamt Baden verlauten, das
Problem "einseitige Scheinehe" könne fast nicht gehandhabt werden.
Auch die Zürcher Zivilstandsbehörden bezweifeln, dass es sich
um eine wirkliche Scheinehe handle, wenn einer von beiden aufrichtig
aus Liebe heiraten wolle. Und selbst das Verwaltungsgericht Zürich
wertete die echte Anteilnahme und Sorge von Karin Regli als klares
Indiz dafür, dass das Paar eine eheliche Gemeinschaft leben wolle.
Die Praxis verdeutlicht: Die Grenze zwischen legaler Ehe und Scheinehe
kann nicht klar gezogen werden.
Starre Regeln lassen keinen Spielraum
Dennoch fahren Parlament und Bundesrat im Kampf gegen Scheinehen
schon bald gröbere Geschütze auf: Ab Januar 2011 wird die
Eheschliessung in der Schweiz nur noch möglich sein, wenn die
Ehewilligen einen legalen Aufenthalt in der Schweiz nachweisen
können. Ausserdem müssen die Zivilstandsämter den
Aufenthaltsort von illegal Anwesenden dem Bundesamt für Migration
melden.
Roberto Schmidt, Walliser CVP-Nationalrat und unerbittlicher
Kämpfer gegen Scheinehen, erklärt den Zweck des neuen
Gesetzes: "Wir verlieren zu viel Zeit mit der Frage, was überhaupt
eine Scheinehe ist. Das Parlament will mit der Vorlage viele Ehen
unterbinden, die potentielle Scheinehen sein können, ohne konkret
zu prüfen, ob es sich tatsächlich um Scheinehen handelt."
Diese Erläuterung steht im klaren Gegensatz zur Aussage von
Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die bei der Eintretensdebatte
im Nationalrat sagte: "Selbstverständlich ist bei der Anwendung im
Einzelfall darauf zu achten, dass die verfassungsmässigen Rechte
gewahrt bleiben und keine unüberwindbaren Hindernisse für das
Eingehen einer Ehe eingeführt werden." Dies würde aber
bedeuten, dass jeder Einzelfall auf seine Verfassungsmässigkeit
überprüft werden müsste. Doch genau das soll nicht
stattfinden. Das bestätigt auch Professor Geiser von der HSG: "Mir
ist schleierhaft, wie diese Normen verhältnismässig
angewendet werden können, denn diese starren Regeln lassen gar
keinen Spielraum für Ermessen zu."
Fest steht: Das neue Gesetz stellt die zirka 100 000 illegal
anwesenden Sans-Papiers in der Schweiz unter Generalverdacht, dass sie
keine "ehrlichen" Eheabsichten hegen, und verbietet ihnen die Heirat.
Damit nicht genug: Natürlich ist so auch allen Schweizern die
Heirat mit einem Sans-Papiers verwehrt. Der Staat bevormundet mit
diesen Vorschriften seine Bürger, indem sie nicht mehr frei
wählen können, wen sie heiraten möchten. CVP-Nationalrat
Schmidt bekräftigt, das neue Gesetz wolle nur gegen die vielen
tausend Ausländer vorgehen, die sich illegal in der Schweiz
aufhalten, damit sich diese nicht mehr durch die Heirat der Ausweisung
entziehen. "Gerade im Sexgewerbe, wo der Missbrauch besonders gross
ist, wird eine Heirat in Zukunft nicht mehr möglich sein. Damit
haben wir schon viel erreicht."
Missbrauch findet aber nicht nur bei den Sans-Papiers statt,
sondern auch bei Ausländern, die noch gar nicht in der Schweiz
sind. Wer Schlupflöcher sucht, dürfte sie weiterhin finden.
So wird die Heirat im Ausland möglich bleiben. Ebenso ist zu
erwarten, dass Asylbewerber vermehrt noch während des laufenden
Verfahrens einen Ehegatten suchen, denn nach einer Ablehnung ihres
Asylgesuchs wäre das künftig nicht mehr möglich.
"Scheinehen zu unterbinden ist letztlich ein aussichtsloses
Unterfangen", ist selbst Roberto Schmidt überzeugt. Dennoch will
der Staat mit der Neuregelung mit Kanonen auf Spatzen schiessen.
SP-Ständerätin Anita Fetz, die sich im Parlament gegen die
Einführung des Gesetzes starkgemacht hat, übt Kritik: "Die
Vorschriften sind unverhältnismässig. Stossend ist die
Denunziantenpflicht der Standesämter, die eigentlich andere
Aufgaben haben." Natürlich müsse Missbrauch bekämpft
werden. Dazu brauche es aber eine Bestimmung, die
verhältnismässig sei und auch wirklich greife, denn: "Das
neue Gesetz ist einfach zu umgehen: durch Heirat im Ausland!" Letztlich
wird wohl das Bundesgericht entscheiden müssen, ob die neuen
Vorschriften das Menschenrecht auf Ehefreiheit zu stark
einschränken und damit verfassungswidrig sind.n
--
Fragebogen: Was das Amt bei Verdacht auf Scheinehe wissen will
Im "Handbuch zum Migrationsrecht" haben die Autoren den
Fragebogen "Vorbereitung der Heirat" abgedruckt. Die Experten
beurteilen die Fragen als teilweise suggestiv und glauben nicht, dass
damit die Echtheit des Ehewillens ermittelt werden kann. Der Fragebogen
des Migrationsamts Thurgau sollte im Juli 2008 den Verdacht auf
Scheinehe im Fall eines Schweizers (Ökonom, Bankangestellter) und
einer 15 Jahre jüngeren Thailänderin klären. Unter
anderem wurde gefragt:
- Wann (Tag, Monat, Jahr) und an welchem Ort haben Sie Ihren
zukünftigen Ehepartner kennengelernt (genaue Angaben)?
- Wie kam es zum Treffen?
- Wie oft haben Sie sich anschliessend getroffen?
- Wurde die Bekanntschaft durch einen Dritten vermittelt? Wenn
ja, durch wen?
- Was fanden Sie an lhrem zukünftigen Ehegatten so
interessant, dass die Beziehung aufrechterhalten wurde?
- Wann, aus welchen Motiven, an welchem Ort (genaue Angaben)
machte welcher von lhnen den Vorschlag, die Ehe einzugehen?
- Wurde das Jawort gegeben, gleich nachdem der Wunsch
geäussert worden war?
- Wie viele Male waren Sie bei lhrem zukünftigen Ehe-partner
im Heimatland?
- Wie viele Male war Ihr zukünftiger Ehegatte bei lhnen in
der Schweiz?
- Bestehen gemeinsame Interessen? Welche?
- Wie stellen Sie sich die gemeinsame Zukunft vor?
- Was sagen Sie zum hohen Altersunterschied? Wie sehen Sie dies
in Zukunft?
--
Scheinehe und Gesetz
Seit 1952 ist das Heiraten mit dem Ziel, das Schweizer
Bürgerrecht oder einen gesicherten Aufenthalt zu erhalten,
gesetzlich verboten. Seither wurde immer wieder versucht, mit
schärferen Gesetzen Scheinehen zu verhindern.
Bis 1952 verlor die Schweizerin, die einen Ausländer
heiratete, das Schweizer Bürgerrecht. Eine Ausländerin, die
einen Schweizer heiratete, wurde aber Schweizerin.
1952 Die Scheinehe wird im Zivilgesetzbuch (ZGB) eingeführt.
Sie heisst Bürgerrechtsehe und ist nichtig (die Ehe gilt
rückwirkend als nicht geschlossen), wenn sie eingegangen wurde, um
die Vorschriften der Einbürgerung zu umgehen.
1992 Einführung des Verbots der Scheinehe im
Ausländergesetz (ANAG), Wegfall der Bürgerrechtsehe im ZGB.
- Ausländerinnen, die einen Schweizer heiraten, erhalten
nicht mehr automatisch das Schweizer Bürgerrecht. Sie können
sich aber nach fünf Jahren Aufenthalt erleichtert einbürgern
lassen; ebenso der Ausländer, der eine Schweizerin heiratet.
- Das ANAG verbietet ausdrücklich die Ehe, die zum Ziel hat,
ausländerrechtliche Vorschriften zu umgehen. Bei Missbrauch kann
das Aufenthaltsrecht oder sogar das Schweizer Bürgerrecht wieder
entzogen werden.
1999 Der Bundesrat lehnt es ab, die Nichtigkeit der Scheinehe
wieder im ZGB zu verankern, da der Missbrauch umfassender bekämpft
werden müsse.
2008 Das neue Ausländergesetz (AuG) ermächtigt
Zivilstandsbeamte, bei Verdacht auf Scheinehe eine Eheschliessung
abzulehnen. Zudem wird das Eingehen einer Scheinehe strafbar.
2011 Eheverbot für Sans-Papiers. In der Schweiz darf nur
noch heiraten, wer gültige Aufenthaltspapiere hat.
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RASSISMUS
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Beobachter 3.9.10
DAS NEUE URTEIL
Weniger Taggeld wegen "Neger"
Ein 22-jähriger hellhäutiger Trampassagier wurde von
einem 18-jährigen dunkelhäutigen Mitfahrer verprügelt
und erlitt schwere Verletzungen. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (Suva) kürzte ihre Taggeldleistungen um
20 Prozent für die ersten zwei Jahre, weil der Verletzte seinen
Widersacher mit dem Begriff "Neger" provoziert habe.
Das Berner Verwaltungsgericht hob diese Kürzung auf, weil es
nicht als erwiesen ansah, dass der Verletzte sich so geäussert
habe. Selbst wenn dem so wäre, so das Verwaltungsgericht,
läge kein grobfahrlässiges Verhalten mit Bezug auf die
erlittene Verletzung vor.
Die von der Suva angerufene sozialrechtliche Abteilung des
Bundesgerichts beurteilt die Situation anders. Zwar gebe es keinen
direkten Beweis für die Provokation. Es reiche jedoch, dass zwei
Personen bestätigten, dass der Dunkelhäutige erwidert hatte:
"Was? Neger?"
Ausserdem sei es objektiv klar, dass der fragliche Ausdruck von
einer dunkelhäutigen Person als rassistisch empfunden werde. Damit
erachtete das oberste Gericht ein grobfahrlässiges Verhalten als
erwiesen. Auch der sogenannte adäquate Kausalzusammenhang stand
für die Richter ausser Frage. Das Gericht bestätigte deshalb
die von der Suva verfügte Taggeldkürzung um 20 Prozent.
Patrick Strub
Bundesgericht, Urteil vom 28. Juni 2010 (8C_877/2009)
http://relevancy.bger.ch/php/aza/http/index.php?lang=de&type=highlight_simple_query&page=1&from_date=&to_date=&sort=relevance&insertion_date=&top_subcollection_aza=all&query_words=8C_877%2F2009&rank=1&azaclir=aza&highlight_docid=aza%3A%2F%2F28-06-2010-8C_877-2009&number_of_ranks=1
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NEONAZIS
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Aargauer Zeitung 3.9.10
Schläger verurteilt
"Geläuterte" Neonazis in Zofingen vor Gericht
Am Turnerabend in Staffelbach hatte im November 2007 eine Gruppe
Rechtsextremer einen 21-jährigen Schweizer mit Bierflaschen und
Fusstritten verprügelt. Gestern stand ein Trio aus der Gruppe der
Angreifer vor Bezirksgericht Zofingen. Ein angeklagter
Österreicher erschien hingegen nicht. Nach einstündiger
Beratung verurteilten die Richter einen 22-jährigen,
einschlägig vorbestraften Solothurner zu einer Freiheitsstrafe von
9 Monaten in Halbgefangenschaft. Mit ihm mussten sich auch eine
24-jährige Frau und ein gleichaltriger Mann wegen des Angriffs
verantworten. Die Frau wurde zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt,
da sie die Freundin des Opfers geschlagen hat. Der dritte Angeklagte
erhielt einen Freispruch. Das Trio beteuerte vor Gericht, dass es sich
aus der Rechtsextremenszene losgelöst habe. (SPI) Seite 27
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Die Ausreden der Schläger
Bezirksgericht Zofingen: Rechtsextreme müssen Opfer
Genugtuung zahlen
Eine Gruppe Neonazis prügelte brutal auf Ramon Peter ein.
Gestern mussten sich drei Beteiligte vor Gericht verantworten. Ein
22-Jähriger erhielt eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten.
Michael Spillmann
Selbst als der damals 21-jährige Ramon Peter vor der
Turnhalle Staffelbach, wo gerade der Turnerabend stattfand, bereits am
Boden lag, traten die Angreifer mit ihren Springerstiefeln auf ihn ein.
Es war offenbar die brutale Quittung einer Gruppe Rechtsextremer -
für ein Wortgefecht, das sich eine Woche zuvor an einem anderen
Fest in der Region abgespielt hatte.
Wegen des Angriffs fand sich gestern ein Trio junger Schweizer
vor Bezirksgericht Zofingen wieder. Eigentlich waren an jenem
18.November 2007 sechs Personen beteiligt. Doch zwei aus der Gruppe
sind ein Fall für das Jugendstrafrecht. Ein 24-jähriger
Österreicher, der den ersten Schlag mit der Flasche
ausgeführt haben soll, erschien erst gar nicht vor Gericht. "Ich
konnte keinen Kontakt mit ihm aufnehmen", meinte der Pflichtverteidiger
vor Gericht.
Schuld ist der, der nicht da war
Für einen der Angeklagten - einen 22-jährigen
Solothurner - forderte die Staatsanwältin eine unbedingte
Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Er - einschlägig vorbestraft -
musste sich dazu unter anderem wegen diverser Verstösse gegen das
Strassenverkehrsgesetz verantworten. Der junge Angeklagte gab auch zu,
er habe Ramon Peter mit der Faust ins Gesicht schlagen wollen. Er habe
aber nicht getroffen, da ihm jemand zuvorkam. Wer das denn gewesen sei,
wollte der Gerichtspräsident wissen. "Dazu will ich mich nicht
äussern", so die Antwort des Angeklagten. Nach dem Fehlschlag sei
er aber weggegangen.
Für den Österreicher hatte die Anklage auf 12 Monate
Freiheitsstrafe unbedingt plädiert. Er selber hatte in seinen
Aussagen in U-Haft offenbar seinen heute 22-jährigen Schweizer
Kollegen belastet. Vor Gericht drehten die Anwesenden aber den Spiess
um. Soweit dies trotz aller Verdrehungen und Unschuldsbeteuerungen
möglich war. Man konnte, oder wollte, sich nicht mehr so recht
erinnern, wer denn damals was gemacht hat.
"Nicht mehr in der Szene"
Im Saal sassen auch eine 24-jährige Aargauerin - die Ex des
Österreichers - und ein 24-jähriger Basler. Alle betonten
sie, sie hätten heute nichts mehr mit der Szene zu tun.
Während die Frau wegen Angriffs und Tätlichkeiten zu einer
bedingten Geldstrafe verurteilt wurde, gab es für den
24-Jährigen einen Freispruch. "Ich stand 10 Meter entfernt",
erinnerte er sich an die Schlägerei. Seinen jüngeren Kollegen
verurteilten die Richter einstimmig zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, die
er in Halbgefangenschaft absitzen darf.
Ramon Peter hatte beim Angriff schwere Kopfverletzungen erlitten.
Sein Leben sei an einem "seidenen Faden" gehangen, die Ärzte
mussten zweimal operieren. Nun erhält er von den zwei
"geläuterten" Rechtsextremen solidarisch 5000 Franken Genugtuung.
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SÖLDNERTUM
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Beobachter 3.9.10
Söldner gefährden Schweizer
Söldnerfirmen wie Aegis werden die Schweiz unweigerlich in
Skandale verstricken. Die Sicherheit von Schweizern in Krisengebieten
gefährden sie schon heute, warnen Experten. Text: Martin Vetterli
Klammheimlich schlug Mitte März eine der grössten
Söldnerfirmen in Basel ihre Zelte auf. Bekanntgeworden ist das
erst fünf Monate später. Das hat auch die Hilfswerke
aufgeschreckt. Denn: "Jedes militärische Engagement, das in
irgendeiner Weise mit der Schweiz verbunden werden kann und die
humanitäre Tradition und Neutralität der Schweiz tangiert,
gefährdet die Sicherheit unserer Mitarbeitenden in
Krisengebieten", sagt Karl Schuler vom Schweizerischen Roten Kreuz.
Der Boom der Militärfirmen habe die Sicherheitslage in
Krisengebieten verkompliziert, bestätigt auch Andreas Herbst von
Terre des Hommes. "Unsere Leute vor Ort sind heute grösseren
Risiken ausgesetzt." Mit der Folge, dass die Sicherheitskosten in den
letzten Jahren explodiert sind.
Der deutsche Sicherheitsexperte Rolf Uesseler warnt, dass Firmen
wie Aegis unweigerlich den guten Ruf der Schweiz beschädigen.
"Wenn die Regierung nicht einschreitet, wird das Land in vier,
fünf Jahren wegen der Menschenrechtsverletzungen solcher Firmen am
Pranger stehen." Wenn Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf sage,
Aegis habe ja nur den Holdingsitz in der Schweiz und sei hier nicht
operativ tätig, werde das kaum ernst genommen.
Eine Armee von 20000 Mann
Denn die britische Aegis Defence ist nicht irgendwer. Die
Söldnerarmee zählt 20000 Köpfe. 2009 nahm sie eine
Viertelmilliarde Franken ein. Firmenchef ist Tim Spicer. Seiner
Vorgängerfirma Sandline werden schwere Menschenrechtsverletzungen
in Sierra Leone und Papua-Neuguinea angelastet. Im Irak tauchten Videos
auf, die zeigen, wie Aegis-Leute auf Zivilisten schiessen.
Der Einzug von Aegis hat auch den Bundesrat aufgeschreckt. Ende
August kündigte er ein Gesetz gegen private Militärfirmen an
- was er noch vor zwei Jahren abgelehnt hatte. Solange es hier keine
Söldnerfirmen gebe, sei das nicht sinnvoll, hiess es. "Der
Kontrollaufwand hätte in keinem Verhältnis zum Phänomen
gestanden", sagt Marc Schinzel vom Justizdepartement.
Im Vordergrund stehe jetzt eine Lösung, wie sie das
Kriegsmaterialgesetz vorsehe. So soll es für Sicherheitsfirmen
eine Registrierungspflicht geben, jeder Auftrag soll
bewilligungspflichtig sein. Zudem dürfte es verboten werden, sich
gezielt auf Kriegshandlungen vorzubereiten. Schinzel warnt: Eine
Kontrolle sei extrem schwierig, weil man kaum zwischen rein defensiven
militärischen Dienstleistungen und der Vorbereitung auf
Kampfhandlungen unterscheiden könne. Ein generelles Verbot, wie es
Anita Fetz (SP) und Josef Lang (Grüne) fordern, sei nur schwer
durchführbar.
Auch auf Kantonsebene zeichnet sich eine Lösung ab. Nach
zwei vergeblichen Anläufen will die Konferenz der kantonalen
Justiz- und Polizeidirektoren Ende September ein nationales Konkordat
gründen, das Sicherheitsfirmen kontrolliert, bestätigt
Sekretär Roger Schneeberger. Das ist bitter nötig; denn
Kantone wie Bern und Thurgau kennen bis heute keine Regelung.
An sich gäbe es eine Handhabe gegen Aegis und Konsorten.
Artikel 300 des Strafgesetzbuchs besagt: "Wer vom neutralen Gebiete der
Schweiz aus Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden unternimmt
oder unterstützt, (…) wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe
bestraft." Nur: Der Paragraph greift erst, wenn etwas passiert ist.
"Ein schlechter Witz"
Klar ist schon jetzt: Jede Lösung, die kein generelles
Verbot von Söldnerfirmen verlangt, wird auf Kritik stossen. Wenn
das Justizdepartement behaupte, es gebe praktische Probleme bei der
Durchsetzung eines Verbots, sei das ein schlechter Witz, sagt
Militärexperte Albert A. Stahel.
Söldnerfirmen liessen sich allein aufgrund der Art ihrer
Bewaffnung problemlos von Firmen unterscheiden, die reine
Sicherheitsaufgaben wie den Schutz von Botschaften durchführen,
sagt auch der Basler Polizeirechtler Markus Mohler. In England sei das
möglich, warum nicht in der Schweiz? "Die Schweiz kann nicht auf
ihre humanitäre Tradition und das Rote Kreuz stolz sein, sich auf
ihre Neutralität berufen und durch Embargobestimmungen den
Beschlüssen des Uno-Sicherheitsrats nachkommen, aber gleichzeitig
Militärfirmen zulassen, die in Kriegs- und Krisengebieten
Kampfeinsätze durchführen. Das wäre", so Mohler, "ein
eklatanter Widerspruch."
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ANTI-ATOM
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Aargauer Zeitung 3.9.10
Informationen, Fragen, Sorgen und Kritik
Der Start zum Anhörverfahren "Tiefenlager Bözberg"
erfolgte in der vollbesetzten Turnhalle in Unterbözberg
Interessant, lebhaft und sachlich verlief der Informations- und
Diskussionsabend zur Frage eines allfälligen Tiefenlagers für
radioaktive Abfälle im Bözberg.
Edgar Zimmermann
"Willkommen in Unterbözberg", hiess es auf einem Transparent
an der Turnhalle. Dass ein Atommüll-Endlager hier allerdings nicht
besonders willkommen wäre, ging aus der Diskussionsrunde hervor;
vor der Turnhalle verteilten Mitglieder gegnerischer Organisationen
eifrig Werbung und Anmeldescheine.
Zunächst ging es an der Versammlung im prallvollen Lokal
aber um Informationen zur Etappe 1 und zur beginnenden Etappe 2 des
Auswahlverfahrens für ein geologisches Tiefenla- ger. Fachleute
waren zugegen, so der Direktor des Bundesam- tes für Energie
(BFE), Walter Steinmann, Projektleiter Michael Aebersold, Meinert Rahn
vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat sowie
Nagra-Direktor Thomas Ernst. Der nunmehr gestarteten öffentlichen
Anhörung und Mitwirkung werde viel Bedeutung beigemessen, sagte
Aebersold. Alle Eingaben würden genau geprüft und bewertet,
man lege Wert auf Transparenz.
Peter Plüss, Gemeindeammann von Unterbözberg und
Startteam-Leiter, stellte die Zielsetzung der Plattform Bözberg
vor und betonte, das Team werde sich neutral verhalten, sei aber offen
für alle. Regierungsrat Peter C. Beyeler gab zu, dass die
Problematik auch für den Regierungsrat sehr komplex ist. Wichtig
sei, dass bei der Standortwahl dem Sicherheitsaspekt die höchste
Priorität eingeräumt werde. Sehr lebhaft verlief die
Diskussionsrunde, moderiert von Ellinor von Kauffungen.
Opalinuston oder Granit?
Wäre ein Endlager im Granitgestein nicht sicherer als ein
solches im Opalinuston wie im Bözberg? So lautete die Frage einer
Unterbözbergerin. Nein, lautete die Antwort. Der Ton sei
einerseits hart und undurchlässig, bei Bewegungen der Erdkruste
könne er anderseits sich bildende Risse wieder verschliessen, dies
im Gegensatz zum Granitgestein. Stehen die Abfallbehälter
tatsächlich im Ton oder in betonierten Räumen? Thomas Ernst:
Nur das Zugangsbauwerk wird aus Beton bestehen, das Lager befindet sich
direkt im Opalinuston. Wäre eine oberirdische Lagerung nicht
besser kontrollierbar und rückholbar, so die Frage eines Votanten
aus Hausen. Rahn: Viele Prozesse laufen an der Oberfläche ab, im
Gegensatz zum ruhigen Untergrund, wo ein Wirtgestein Sicherheit
garantieren kann.
Ein Effinger Einwohner verwies auf wiederholte Erdbeben mit Kern
im Gebiet Mönthal - welche Auswirkungen könnten diese auf ein
Endlager haben? Rahn: Es handelte sich um schwache Erdbeben, ein fest
eingeschlossenes unterirdisches Lager bleibe geschützt. Auch eine
unerwünscht hohe Gas- oder Wärmeentwicklung werde
unterbunden. Die Behälter müssen so solid sein, dass ihnen
selbst Meerwasserreste im Ton nichts anhaben können. Welche
Behälter am geeignetsten seien, werde noch untersucht. Dass sich
ein Fall Kölliken wiederholen könnte, wurde von den Experten
entschieden verneint.
Selbst mit einem Endlager könne die Geothermie des Bodens
für Energiegewinnung genutzt werden.
"Imageschaden der Region"
Ein Endlager führe zu einer Gefährdung der Region,
einem Imageschaden und einer Abwertung, meinte eine
Unterbözbergerin. Wird nur die Standortgemeinde
Entschädigungen erhalten? Der Chef des Bundesamtes für
Energie sprach sich klar für einen regionalen
Verteilerschlüssel aus. Dass das Verfahren und die Expertisen zu
sehr "am Tropf der AKW hängen", stimme nicht, es seien
genügend unabhängige Fachleute involviert - auch das
Bundesamt lasse sich nicht beeinflussen.
Verlängerung der Mitwirkung?
Eine Einwohnerin aus Wölflinswil führte an, dass der
Aargau schon heute genügend Atomlasten zu tragen habe. Eine
Lagerung auf 100 000 bis 200 000 Jahre hinaus sei zu unsicher und
unverantwortbar, urteilte ein Votant aus Wil. Jede Generation sollte
ihre Probleme in ihrer Zeit lösen und nicht nachfolgenden
Generationen überlassen.
Eine Windischerin bat um rege Teilnahme am Mitwirkungsverfahren.
Allerdings, so eine Unterbözbergerin, sei die Zeit von 3 Monaten
zu knapp bemessen, als dass man sich als Laie eine Meinung bilden
könne. Regierungsrat Beyeler gab ihr recht und trug dem Bundesamt
den Wunsch vor, das Mitwirkungsverfahren zu verlängern.
Ein Teil des Publikums beklatsche immer wieder die Voten von
Kritikern. Der Schlussapplaus liess darauf schliessen, dass alle
Besucher die interessante und sachliche Informations- und
Diskussionsrunde zu schätzen wussten.
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6 mögliche Standorte
Anfang 2008 hat das dreistufige Auswahlverfahren für zwei
neue Tiefenlager begonnen. Im Frühling 2009 schlugen das Bundesamt
für Energie (BFE) und die Nationale Genossenschaft für die
Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) 6 Regionen dafür vor:
das Zürcher Weinland (ZH/TG), Nördlich Lägern (AG/ZH),
Bözberg (AG), Jurasüdfuss (AG), Wellenberg (NW/OW) und
Südranden (SH). Im Kanton Aargau sind 85 Gemeinden tangiert. Die
Etappe 1 wird mit dem Anhörungsverfahren der Standorte beendet.
Mitte 2011 entscheidet der Bundesrat, welche Standorte weiter
untersucht werden. Diese haben dann die Möglichkeit, bei der
Konkretisierung der Lagerprojekte sowie den Untersuchungen der
sozioökonomischen und raumplanerischen Auswirkungen mitzuarbeiten.
Voraussichtlich 2016 wird der Bundesrat die Standorte festlegen. (mru)
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Basler Zeitung 3.9.10
Die Schlacht wird nicht am Bözberg geschlagen
Unterbözberg. Über den Endlagerstandort entscheidet das
Schweizer Volk, nicht die lokale Bevölkerung allein
Franziska Laur
Am Mittwoch erhielt die Bevölkerung der betroffenen
Gemeinden rund um den Bözberg Informationen aus erster Hand zum
möglichen Endlager für Atommüll. Zu Wort meldeten sich
in der Fragerunde vor allem Kritiker.
An der Postautohaltestelle Vierlinden auf dem Bözberg
besteht eine herrliche Aussicht bis weit zur Alpenkette. Zehn Minuten
dauert der Marsch ins 750-Seelen-Dorf Unterbözberg. Der Weiler
liegt eingebettet zwischen Feldern, Wiesen und Wäldern - ein Ort,
wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Doch am Mittwoch stand das
Dorf im Brennpunkt des nationalen Interesses. In der Tiefe des
Bözbergs sieht die Nagra eine gute Möglichkeit, den
radioaktiven Müll der Schweiz zu entsorgen.
In Unterbözberg findet die erste Informationsveranstaltung
zum Auftakt des Vernehmlassungsverfahrens statt. "Nein", sagt der
Feuerwehrmann, der den Verkehr einweist, "ein Endlager für
radioaktive Abfälle im Bözberg stört mich nicht.
Irgendwo muss der Abfall ja hin, und Strom brauchen wir alle."
Viele der rund 200 Anwesenden in der Turnhalle denken allerdings
nicht so. "Heute kennt kaum jemand den Bözberg. Dies wird mit
einem Endlager ändern, und dann wird niemand mehr hier wohnen
wollen", sagt eine Mutter. Es tröstet sie wenig, dass Aktivisten
des Vereins Kaib (Kein Atommüll im Bözberg) vor der Türe
Flugblätter verteilen und dass die Stimmen im Saal kritisch sind:
"Dieses Endlager ist eine Gefährdung und ein Imageschaden im
grössten Ausmass", sagt sie.
Der Bund und die Nagra, die für die Suche nach einem
Atommüllendlager-Standort verantwortlich ist, geben sich alle
Mühe, die Bevölkerung in den Meinungsbildungsprozess
einzubeziehen. Sie zeigen keine Berührungsängste und gehen
auf Kritiker wie Befürworter des Endlagers zu. Tatsächlich
entscheiden können die Betroffenen allerdings kaum. Das Vetorecht
der Kantone ist abgeschafft. "Abstimmen kann nur das gesamte Schweizer
Volk, und jeder wird Ja sagen zum Standort, wenn er nicht im eigenen
Kanton liegt", sagt Peter C. Beyeler, Baudirektor des Kantons Aargau.
Partizipation
Walter Steinmann vom Bundesamt für Energie (BFE) sagte am
Mittwoch, dass der Bundesrat bis Mitte 2011 vier definitive
Standortentscheide fällen werde. Danach beginnen in den Regionen
die einzelnen Partizipationsprozesse und die Untersuchungen zu den
sozioökonomischen Aspekten.
Der Bözberg gilt als einer der Standortfavoriten, und weil
der Bund nicht dieselben Fehler machen will wie am Wellenberg, hat er
ein breit angelegtes Partizipationsverfahren für alle
Standortregionen entwickelt. 49 Gemeinden gehören beim
Bözberg zum betroffenen Gebiet und dürfen mitreden, 45 davon
befinden sich im Aargau, vier in Deutschland. "Wir müssen diese
Abfälle in der Schweiz entsorgen. Dies schreibt das
Verursacherprinzip vor", sagt Beyeler schon fast beschwörend.
Jetzt liege der Abfall im Zwischenlager in Würenlingen, und dort
sei die Lagerung wesentlich gefährlicher als in einem Endlager.
In der Diskussion wurde am Mittwoch allerdings schnell klar, dass
den vielen Skeptikern im Saal die heutigen technischen Kenntnisse nicht
reichen, um den Atommüll gefahrlos für Hunderttausende Jahre
den Tiefen des Bözbergs anzuvertrauen. Auch kritisierten viele,
dass mit neuen AKW stetig mehr Müll geschaffen wird. Immerhin
braucht allein der Abfall aus den heutigen AKW sowie aus Industrie und
Forschung rund 100 000 Kubikmeter Platz.
Fragen über Fragen
In nur schon 500 Jahren verändere sich die Welt so, dass kein
heutiger Mensch sie noch verstehen würde, sagen die Kritiker. "Wie
wird das Endlager für eine solch lange Zeitspanne markiert, was
geschieht bei einem schweren Erdbeben? Was, wenn das Material ausrinnt
und es zurückgeholt werden muss?", wollten sie wissen. Das Gebiet
sei erdbebensicher, beruhigen die Fachleute, und es dauere noch
Jahrzehnte, bis ein Endlager allenfalls erstellt werden könne. Bis
dahin könnten heutige technische Unsicherheiten gelöst
werden. Rückholbar werde der Müll noch 50 bis 100 Jahre nach
dem Verschliessen sein.
Tatsächlich antworteten die Fachleute ausführlich und
klar auf die Fragen. "Doch ich vermisse die Kritiker in dieser Runde
und die Unabhängigkeit der Experten", sagte ein Votant. Auch in
der für die Koordination der Partizipation zuständigen
Plattform Bözberg seien nur Ja-Sager vertreten. Peter Plüss,
Gemeindeammann von Unterbözberg und Mitglied der Plattform
Bözberg, winkte ab: Kritiker würden ab kommendem Jahr in den
Ausschuss aufgenommen.
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Das weitere Vorgehen
Infoveranstaltungen. Vom 1. September bis 30. November werden die
Ergebnisse der Etappe 1 des Standortauswahlverfahrens für die
Endlager für Atommüll öffentlich aufgelegt.
Bevölkerung, Gemeindebehörden, Parteien und Verbände
erhalten die Gelegenheit, sich zu Verfahren und Ergebnissen zu
äussern. Das Bundesamt für Energie organisiert dazu
Informationsveranstaltungen in den betroffenen Regionen - der Anlass
auf dem Bözberg (siehe Text links) ist Teil davon. Dort wird
über die wichtigsten Inhalte und das weitere Vorgehen informiert.
Es folgen am 6. September die Region Jura-Südfuss (Mehrzweckhalle
Niedergösgen); am 8. September das Zürcher Weinland
(Mehrzweckhalle Trüllikon); am 9. September Nördlich
Lägeren (Mehrzweckhalle Glattfelden); am 15. September
Südranden (Mehrzweckhalle Neunkirch); am 20. September der
Wellenberg (Schulzentrum Turmatt Stans). Auch gibt es zwei
Veranstaltungen im grenznahen Deutschland.
> http://www.bfe.admin.ch/energie