MEDIENSPIEGEL 4.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- Reitschule bietet mehr: Chefredaktor-Diss; GP- + Juso-Nein;
Müslüm
- Hess E(h)r(l)ich: Stadtrats-Reisli; Stadtrats-Abschied
- 40 Jahre ISC auf der Gasse
- Weggesperrt: z.B. Hindelbank
- Alkverbot im Öffentlichen Raum?
- "Eltern ohne Drogen" infiltiriert Drogenklinik
- Sauvage in Winterthur
- Kriminalisierung der Villa Rosenau BS
- Big Brother BS: Kritische Fragen
- Ausschaffungen und Arztgeheimnis
- Sans-Papiers: keine Anzeige gegen Widmer-Schlumpf
- Anti-Atom: EWB und der Ausstieg; Beznau 3; Tiefenlager
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REITSCHULE
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Sa 04.09.10
0-24 Uhr - ganze Stadt - Aktionstag "Reitschule bietet
mehr" - siehe
Tagespresse und www.reitschulebietetmehr.ch
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.30 Uhr - Tojo - "Kurtli VII" Die Trash-Revue zum
verflixten Siebten
22.00 Uhr - Dachstock - Benfay Plattentaufe "Hey, what?s
wrong baby!"
Live: Benfay (MPC, Synths), Simon Baumann (Drums) & Jan Galega
(Bassclarinet, Sax, Electronics) + Special Guests. DJs: Round Table
Knights & Jay Sanders - Electronica, Techno
So 05.09.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im
SousLePont bis 16.00
Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi-Sonntag: Pippi
Langstrumpf,
Olle Hellbom, Astrid Lindgren, S/D 1969
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.15 Uhr - Kino - TATORT REITSCHULE:
Tatort-Direktübertragung (ab
19.00)
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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20 Minuten 3.9.10
Stilmixer Wax Tailor kocht im Dachstock
BERN. In Frankreich ist Wax Tailor ein richtig heisser
Tipp. Mit
seinem angereicherten Hip-Hop füllt Produzent Jean-Christophe le
Saoût dort Monate im Voraus Hallen wie das Olympia-Stadion in
Paris. Nur hier kennt ihn noch kaum einer.
JC, stell dich mal vor. Wer oder was ist Wax Tailor?
JC: Wax Tailor ist mein Produzenten-Ich. Ein Projekt mit
verschiedenen Gastmusikern, in dem ich verschiedenste Einflüsse zu
dem vereine, was ich szenischen Hip-Hop nenne.
Was für Einflüsse sind das?
An der Basis ist es immer Hip-Hop. Darauf setzte ich dann
Elemente aus Ragtime, Jazz, Soul und Funk. In meiner Musik hört
man aber auch viel englischen Pop, 70er- und 80er-Jahre-Sachen, heraus.
Nebst alldem hört man auf deinen Alben immer auch
viele
Gaststimmen. Nur deine fehlt.
(Lacht) Das stimmt. Ich habe ganz früher mal gerappt.
Mittlerweile weiss ich aber, dass ich das den Talentierteren
überlassen soll. Ausserdem mag ich meine Stimme nicht so sehr.
Daneben produzierst du viel mit anderen Musikern. Wer war
zuletzt
dran?
Keziah Jones war einer der letzten. Mit ihm habe ich ein
Remake
von Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" aufgenommen. Wir haben daraus
ein grooviges Afro-Funk-Stück gebastelt.
Wirklich? Sehr cool.
Ja, wirklich. Kurt Cobain war halt einer meiner Helden. Du
siehst, bei mir fliesst wirklich sehr unterschiedliche Musik zusammen.
Pedro Codes
Fr, 3.9., 22 Uhr, Wax Tailor, Dachstock.
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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 4.9.10
Leitartikel
Die Reitschule trägt dazu bei, dass sie infrage gestellt
wird. Die
Anti-Reitschul-Initiative muss trotzdem abgelehnt werden.
Die Reitschule sollte erwachsen werden
Bernhard Ott
Am 26. September stimmt die Stadt Bern zum fünften
Mal
innerhalb von zwanzig Jahren über das Kultur- zentrum Reitschule
ab. Die vier Anti-Reitschul-Begehren waren chancenlos. Einzig den
Sanierungskredit hiess das Volk vor elf Jahren nur äusserst knapp
gut. Die Initiative zum Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden
wird wohl erneut deutlich abgelehnt werden. Mit dem
Profilierungsbedürfnis von Rechtsaussen-Politikern allein ist die
wiederholt aufflammende Fundamentalkritik aber nicht erklärbar.
Sicherheitsfrage als Knackpunkt
Die Ursprünge des Sonderfalls Reitschule gehen
zurück
auf die Jugendbewegung Anfang der 1980er-Jahre, als in Bern, Basel,
Zürich und Lausanne zentrale Liegenschaften besetzt und
vorübergehend als autonome Jugendzentren betrieben wurden. Bern
ist die einzige unter den genannten Städten, in der das
Kulturzentrum in Bahnhofsnähe nach wie vor existiert.
Allein schon die exponierte Lage bewirkt, dass die
Vorgänge
in und um die Reitschule seit je mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt
werden. Bis im Jahr 2004 hatte die Reitschule auch rechtlich eine
Sonderstellung. Mit dem damaligen Abschluss eines Leistungsvertrags mit
der Stadt wurde der viel zitierte "rechtsfreie Raum" beseitigt. Seither
erlässt die Stadt die Mieten und unterstützt die
Trägerschaft der Grossen Halle mit einem Programmbeitrag. Der
Gesamtwert der mehrheitlich indirekten Subventionierung beträgt an
die 600 000 Franken pro Jahr.
Im Gegenzug ist die Interessengemeinschaft Kulturraum
Reitschule
(Ikur) verpflichtet, ein lebendiges Kulturangebot zu ermöglichen
und die Sicherheitsvereinbarungen einzuhalten. Ersteres ist der Ikur
zweifellos gelungen, wie zum Beispiel der Erfolg des Tojo-Theaters
zeigt. Die Bühne macht wiederholt durch aufsehenerregende
Produktionen von sich reden und bedeutete für einige Berner
Theaterleute das Sprungbrett zu einer internationalen Karriere.
Die Einhaltung der Sicherheitsvereinbarung hingegen
bereitet der
Ikur schon etwas mehr Mühe. Die Reitschulbetreiber haben lange
nicht begriffen, dass die Performance ihres Hauses im Wesentlichen an
der Sicherheitsfrage gemessen wird. Gewalt und Drogenhandel auf dem
Vorplatz werden nun einmal mit dem Kulturzentrum in Verbindung gebracht
- ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt.
Dieser Sommer war erfreulich ruhig. Die Ruhe zeigt, dass
die
Reitschulbetreiber sehr wohl in der Lage sind, ihren Einfluss auf die
selbst ernannten "antifaschistischen" Gruppierungen geltend zu machen,
die unter ihrem Dach Gastrecht geniessen. So findet der
krawallverdächtige antifaschistische Abendspaziergang heuer erst
Anfang Oktober statt - eine Woche nach dem Abstimmungstermin. Die
Organisatoren des Spaziergangs haben gegenüber dem "Bund"
eingeräumt, dass das Datum der Abstimmung eine Rolle bei der
Verschiebung gespielt habe. Misst man der Sicherheit oberste
Priorität bei, müsste man sich die nächste
Anti-Reitschul-Initiative nachgerade herbeiwünschen.
Miserable Kommunikation
Es kann aber auch sein, dass die Ende 2009 getroffene
Vereinbarung über die Abläufe und die Kommunikation zwischen
Stadt und Reitschule greift. Die Ungewissheit über den Charakter
des gegenwärtigen Friedens rührt an ein weiteres gravierendes
Problem der Reitschule: das Kommunikationsproblem. Für
Aussenstehende sind die Abläufe in der Reitschule eine Blackbox -
der ideale Nährboden für Gerüchte.
So war jüngst niemand in der Lage, Auskunft über
die
Schliessung und Besetzung der Reitschul-Cafeteria zu geben. Die
Mediengruppe kommuniziert nur via Mail und geruht ihre Antworten erst
mit ein- bis zweitägiger Verspätung zu geben. Ein solcher
Auftritt gegen aussen ist unprofessionell und nicht dazu angetan, das
Vertrauen zu fördern. Die Reitschulbetreiber sollten
allmählich erwachsen werden und aufhören, sich gegen aussen
als etwas Besonderes zu gebärden. Gegen innen sei ihnen die
betriebene Politfolklore unbenommen. Am Tag, an dem die Reitschule zum
"normalen" Kulturzentrum wird, werden auch die unsäglichen
Anti-Reitschul-Initiativen der Vergangenheit angehören.
---
Bund 4.9.10
Grüne Partei sagt zweimal Nein am 26. September
(pd)
Die Grüne Partei Bern lehnt sowohl die SVP-Initiative
zum
Verkauf der Reitschule als auch den 25-Millionen-Kredit für die
Aussenraumgestaltung der Wankdorf City ab. Die Reitschule habe sich "zu
einem weit über die Stadt Bern hinaus strahlenden Ort der
politischen Diskussionen und kulturellen Aktivitäten entwickelt",
schreibt die Partei. Zur Wankdorf City meint sie: "Der Bau einer am Tag
sterilen und am Abend öden Bürostadt widerspricht allen
zeitgemässen städtebaulichen Grundsätzen. Das reine
Wachstumsprojekt verstärkt das Ungleichgewicht zwischen Wohn- und
Arbeitsplätzen in Bern."
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BZ 4.9.10
Juso Stadt Bern
Stimmrecht auch für Ausländer
Die Stadtberner Jungsozialisten (Juso) sagt Nein zur
Reitschule-Initiative und zur Revision des
Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Dagegen befürwortet die Juso
die Initiative "Zäme läbe - zäme stimme". Sie will
Gemeinden ermöglichen, Ausländern das kommunale Wahl- und
Stimmrecht zu geben.
pd
--
Grüne Partei Bern
Nein zu
Wankdorf CityDer Zusatzkredit für die Bürostadt
Wankdorf City sticht der Grünen Partei Bern in die Nase. Sie
empfiehlt deshalb, die 25 Millionen Franken abzulehnen. Ebenso ein Nein
empfiehlt sie zur Reitschule-Initiative der SVP. Für die kantonale
Vorlage "Zäme läbe - zäme stimme", eine Volksinitiative
für das fakultative Stimmrecht für Ausländer, empfiehlt
die Partei demgegenüber ein Ja.
Pd
---
Landbote 4.9.10
"Erich, warum bisch du nid ehrlich?"
Barbara Spycher
Am 26. September stimmt die Stadt Bern über die
SVP-Initiative zur Schliessung der Reithalle ab. Mit dem
Kult-Türken Müslüm, der mit seinem Reithalle-Song die
Hitparade stürmt, erhielt die Gegnerschaft unerwartete
Unterstützung.
BERN - Nur die Augen erinnern bei ihm an Müslüm.
Der
struppige Schnauz ist weg, das rosa Jacket ist einem schwarzen
gewichen, und wenn er spricht, ist sein Berndeutsch akzentfrei. Semih
Yavsaner, 30, ist der Erfinder und Interpret von Müslüm, der
es in wenigen Wochen zu Kultstatus brachte. Dabei war Müslüms
erstes Lied "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" als Testlauf gedacht.
Es erschien auf der CD gegen die Reithalle-Schliessungs-Initiative und
zielt auf deren Initianten, SVP-Mann Erich Hess. Müslüms
musikalischer Durchbruch war erst für Weihnachten vorgesehen.
Müslüms Liebesbotschaft
Doch dann kam alles anders: Müslüm, der
linkische
Türke mit starkem Akzent, farbigen Klamotten und grossem "Herzeli"
singt sich in die Herzen der Schweizer. Über 260 000 Mal wurde der
Song auf Youtube bereits angeklickt, ab Sonntag setzt er zum Sturm in
der Hitparade an. Yavsaner selber wurde vom Hype überrumpelt, von
den Anfragen von Journalisten und linken Parteien, die Müslüm
für weitere politische Anliegen gewinnen möchten. Doch
Yavsaner will nicht, dass Müslüm eine "Marionette für
SVP-unfreundliche Kampagnen" wird. Müslüm soll die Leute
stattdessen zu Weihnachten mit einer musikalischen Liebesbotschaft
beglücken. Denn das ist Müslüms Hauptsorge: "Wo isch de
Liebe gebliebe?"
Bis zur Abstimmung am 26. September aber engagiert sich
Müslüm noch mit Leib und Seele für die Reithalle. Bis
dann hat Yavsaner andere kommerzielle Angebote abgelehnt, um die
Glaubwürdigkeit von Müslüm nicht zu gefährden. Das
alternative Kulturzentrum ist Yavsaner ein echtes Anliegen. "In unserer
Gesellschaft ist vieles so gleichförmig - die Reithalle ist ein
wichtiger Gegenpol."
Gegen das Schubladendenken
Und was antwortet Yavsaner auf Erich Hess Frage, warum er
die
Missstände in der Reithalle nicht sehen wolle? Yavsaner reagiert
genervt: "Welche Missstände?" Müslüm hingegen antwortet
gelassen: "Zersch studiere, denn schubladisiere." Wieder übernimmt
Yavsaner: Wenn man Hess von "Terroristen" sprechen höre und die
Reithalle nur von aussen sehe, passe sie in diese Schublade. Aber:
"Schaut zweimal hin, macht euch ein eigenes Bild." Er stört sich
daran, dass Erich Hess und die SVP dieses "Schubladen-Denken" bediene.
Bei der Reithalle, aber auch bei Kampagnen gegen Ausländer. Das
verletze die Gefühle vieler Ausländer, weiss Yavsaner. Er ist
auf dem Papier selber einer, hat keinen Schweizer Pass, obwohl er in
Bern aufgewachsen ist. Seine Eltern kamen als türkische
Gastarbeiter in die Schweiz. "Aber hey, wir lieben dieses Land genau
gleich und geben uns Mühe, etwas beizutragen."
Müslüms nächster Beitrag wird das
Weihnachtsalbum
sein, der Plattenvertrag ist unterschrieben, was danach kommt, weiss
Semih Yavsaner noch nicht. Im Sommer hat er seine Stelle als Moderator
und Produzent bei einem Zürcher Privatradio aufgegeben. Dort waren
auch Müslüms Telefonscherze zu hören. Dabei offenbart
sich ein weiteres Talent Yavsaners. Als Müslüm bewirbt er
sich telefonisch bei der Polizei - obwohl er vier Jahre im
Gefängnis sass wegen eines Raubüberfalls. Das Beeindruckende
daran: Die Angerufenen legen nicht auf, sondern steigen ein auf
minutenlange, skurrile Gespräche mit diesem schrägen Vogel.
BARBARA SPYCHER
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"Dealer-Hort"
Am 26. September stimmt die Stadt Bern über die
SVP-Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Das
alternative Berner Kulturzentrum soll an den Meistbietenden versteigert
werden, weil es "ein Hort von Gewalttätern und Drogendealern" sei.
Ob daraus ein Badetempel, ein Einkaufszentrum oder ein
Bürogebäude entstehen soll, lassen die Initianten offen.
Ausser SVP und FDP lehnen sämtliche Parteien das Anliegen ab: Die
kulturellen Freiräume jenseits von Konsum und Kommerz seien
wichtig für Bern. Die bürgerlichen Parteien sehen aber
durchaus Verbesserungspotenzial bei den Strukturen der Reithalle: Die
Stadt brauche klare Ansprechpartner.
Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass die
Initiative
angenommen wird. In den vier bisherigen Abstimmungen zur Reithalle hat
sich das rot-grüne Bern stets hinter das alternative Kulturzentrum
gestellt. (spy)
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HESS ERICH
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Bund 4.9.10
Stadt Bern Für einmal stritt der Stadtrat nicht, sondern
fuhr auf
dem "Schulreisli" unter Führung des grünen
Stadtratspräsidenten ins Tropenhaus nach Frutigen - im Autocar.
Friedens Störfall
Markus Dütschler
Für eine Fahrt nach Spanien wäre es zu eng, doch
es
geht nur nach Spiez: Die vier stämmigen Stadträte
Henri-Charles Beuchat (CVP), Pascal Rub (FDP) und die zwei SVP-Mannen
Manfred Blaser und Roland Jakob quetschen sich in ein Viererabteil. Als
der Chauffeur auf die Beckengurten an den Sitzen hinweist,
schüttelt das Quartett die Köpfe und murmelt etwas von
Selbstverantwortung. In einem anderen Viererkompartiment bringt Peter
Künzler (GFL) drei Kollegen das Jassen bei und rasselt am
Zwischenziel Spiez den Zungenbrecher
"Drpapschthetsbschteckzschpiezzschpätbschtellt" am Schnellsten
herunter.
Wer nicht wie Beat Zobrist (SP) stets per Velo ans
Reiseziel
fährt, sondern Auto fährt, sollte etwas wandern. Also tippeln
einige Dutzend Stadtratsmitglieder bei schönstem Wetter dem Ufer
des Thunersees entlang. Den Sportskanonen Ueli Jaisli (SVP) und
Christine Michel (GB) genügt das nicht, weshalb sie sich in die
kalten Fluten stürzen. Nach dem Apéro im Hotel Seeblick in
Faulensee steigt die Legislative wieder in den Reisecar. Die schnellen
Frauen Dannie Jost (FDP) und Tanja Walliser (Juso) requirieren die
vordersten Sitze im Oberdeck, obwohl Besitzstandswahrer schon in Spiez
ihre Jacken darauf gelegt haben. "Wir erheben Anspruch auf die
Poleposition", sagen sie keck.
In Frutigen bestaunt die Gruppe im Aquarium des
Tropenhauses die
Störe, die als Individuen 100 Jahre alt werden und als Spezies 200
Millionen Jahre alt sind. Der grüne Stadtratspräsident Urs
Frieden hat ein ideales Ziel ausgewählt: Ein Schlemmerparadies mit
Biofischen und Tropenfrüchten aus einem Treibhaus, das von der
Abwärme aus dem Lötschbergtunnel geheizt wird. Die SP-Frauen
um Giovanna Battagliero feiern das alle mit einem Grappa, ohne dass es
einer Ordre de Mufti der ehemaligen Fraktionschefin bedurft hätte.
Der Bus nähert sich Bern. Der Fahrer kündigt die
"Landung" auf der Schützenmatte an. Erich Hess (SVP), als neuer
Grossrat letztmals auf dem Stadtratsreisli dabei, erbleicht. Wegen
seiner Anti-Reitschulinitiative will er lieber nicht in die Nähe
der Reitschule gelangen. Erst recht, als ihm Ratskollegen ihre iPhones
mit dem rappenden Müslüm vors Gesicht halten: "Erich, warum
bisch du nid ehrlich?" Als die SP-Frau Nicola von Greyerz ihn noch auf
einen Drink einladen will, lehnt Hess dankend ab.
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BZ 4.9.10
SVP-Politiker Erich Hess
"Ich habe ein dickes Fell"
Er war der wohl bekannteste Berner Stadtrat, ganz sicher
aber der
umstrittenste: Nach seinem Rücktritt erklärt Erich Hess
(SVP), wie er Provokationen einsetzt, im Ausgang beschimpft wird und
als Landei in Bern gewählt wurde.
Erich Hess, meinen Sie alles ernst, was Sie sagen?
Erich Hess: Als junger Politiker muss man gewisse Themen
aggressiv angehen, damit man gehört wird. Ein altgestandener
Politiker kann seine Meinung eher sachlich rüberbringen.
Ist Politik für Sie also eine Show, die man für
die
Wähler abzieht?
Nein, eine Show ist es nicht. Als Politiker versuche ich,
die
persönliche Überzeugung und den Auftrag der Wähler im
Parlament durchzusetzen. Weil es in Bern schwierig ist,
bürgerliche Ideen durchzubringen, trete ich im Parlament oft
lautstark auf.
In Ihrer Abschiedsrede im Stadtrat sagten Sie, Sie
würden es
schätzen, mit dem politischen Gegner nach der Debatte ein Bier zu
trinken.
Relativ viele Stadträtinnen und Stadträte haben
sich
mit mir an einen Tisch gesetzt. Dabei haben sie gemerkt, dass in mir
nicht nur der böse Politiker, sondern auch ein Mensch steckt.
Gibt es Parlamentarier, die Ihnen das Gespräch
verweigern?
Das kam immer wieder vor. Nach der letztjährigen
Budgetdebatte haben einige ein halbes Jahr nicht mit mir gesprochen…
…weil Sie die Sitzung mit unzähligen
Sparanträgen bis
drei Uhr nachts verzögert haben.
Wenn die Linken im Voraus die SVP-Anträge angenommen
hätten, wäre die Debatte kürzer geworden.
Das ist Erpressung.
Das tun die Linken auch.
Geniessen Sie es, wenn Ihre Voten im Stadtrat Buhrufe
ernten?
Es macht mir nicht viel aus. Ich habe ein dickes Fell.
Fallen die markigen Worte spontan?
Manchmal hab ich was im Hinterkopf. Manchmal sind die
Sprüche spontan. Ich habe noch keine Provokation bereut.
Auch nicht, als Sie vor Jahren im Stadtrat
ausländische
Sozialhilfeempfänger mit Ameisen verglichen haben? Damals hat sich
sogar Ihre Partei entschuldigt.
Ich würde es heute wohl anders formulieren. Aber ich
bereue
die Aussage nicht. Ich habe die Ausländer nicht direkt mit Ameisen
verglichen. Ich habe eine Fabel erzählt. Und Fabeln sind oft
gesellschaftskritisch.
Sie haben doch geahnt, dass diese Aussage für
Empörung
sorgt.
Ich habe nicht gedacht, dass sie solche Wellen
schlägt. Aber
immerhin hat die Bevölkerung bemerkt, dass die SVP - oder
zumindest Erich Hess - etwas dagegen hat, wenn abgewiesene Asylbewerber
vergoldet werden.
Solche Provokationen erzeugen Abwehrreflexe. Viele sind
aus
Prinzip dagegen, selbst wenn Hess was Schlaues sagt.
Ich weiss bei jedem Thema haargenau, wie die Fronten
verlaufen.
Wenn die Bürgerlichen die Chance auf eine Mehrheit haben,
argumentiere ich zurückhaltender. Wenn aber bereits alles verloren
ist, drücke ich auf die Tube. Die Stadt steht weit links. Wir
müssen Gegensteuer geben. Wie bei der Reitschule-Initiative. Seit
dem Start der Initiative gabs keine gewalttätige Demo mehr in
Bern, und die Situation auf dem Vorplatz hat sich beruhigt. Ich bin
gespannt, wie es nach der Abstimmung weitergeht.
Apropos Initiative: Sie haben noch nie gesagt, was mit dem
Gebäude danach passieren soll.
Wir lassen das offen. Das ist bei jedem Verkauf, bei jeder
Vergabe so. Nehmen wir als Beispiel Wankdorf City. Dort
schreibt die Stadt auch Grundstücke aus, ohne zu wissen, was kommt…
…mit dem Unterschied, dass die Grundstücke in
Wankdorf City
nicht an den Meistbietenden gehen. Als die Idee eines Islamzentrums
aufkam, sagten die Behörden sofort Nein.
Bei der Reitschule kann es für die Bürger nur
besser
werden. Es spielt im Prinzip keine Rolle, was danach reinkommt.
Werden Sie auf der Strasse angepöbelt?
Ja. Deshalb meide ich am Wochenende exponierte Stellen in
der
Stadt. Gerade wenn die Leute zu viel getrunken haben, wirds mühsam.
Ihre Provokationen haben Sie zu einem bekannten Stadtrat
gemacht.
Doch Ihr Leistungsausweis ist dürftig.
Das stimmt nicht. Das Referendum gegen den Entsorgungshof
Nord
habe ich im Alleingang zustande gebracht. Es war die erste Abstimmung
seit 15 Jahren, welche die bürgerliche Seite gewonnen hat. Dadurch
konnten wir fast 25 Millionen Franken Steuergelder einsparen. Die
Motion zu den Netzen an den Brücken kam von mir. Seither gibts auf
den Berner Brücken keine Suizide mehr. Auch haben sich diese nicht
verlagert. Damit konnten wir Menschenleben retten.
Welche Niederlage hat Sie besonders geschmerzt?
Als Bürgerlicher steckt man in Bern zahlreiche
Niederlagen
ein. Ich laufe nach dem Motto: Einstecken und weitermachen.
Sie werden oft als Marionette von SVP-Grossrat Thomas
Fuchs
bezeichnet. Stört Sie das?
Ich glaube nicht, dass das noch der Fall ist. Weshalb
meinen Sie?
Sie bringen Ideen ins Parlament, für die Thomas Fuchs
früher gekämpft hat. Oder während der Budgetdebatte sass
Fuchs als Einziger bis drei Uhr morgens auf der Zuschauertribüne.
Wir sind gute Freunde, seit wir uns in der SVP kennen
gelernt
haben. Doch ich habe das Gefühl, mich politisch von ihm
emanzipiert zu haben. Es ist ein Märchen, dass er meine
Vorstösse liest, bevor ich sie einreiche.
Wie wurden Sie politisiert?
Ich habe mich bereits in der Schule für Politik
interessiert. Im Radio und in den Zeitungen lernte ich die linke
Grundhaltung kennen. Ich regte mich fürchterlich darüber auf.
In einer Bar im Eggiwil hat mich ein Mitglied der Jungen SVP
angeworben, das war 1997 oder 1998. Als die LSVA zur Abstimmung kam,
habe ich meine ersten Podiumsgespräche organisiert. Als
Lastwagenchauffeur war ich ja ein Direktbetroffener.
Waren Ihre Eltern politisch?
Das Gegenteil war der Fall: Sie haben mich gebremst. Ich
war ja
noch in der Lehre und sollte mich auf den Beruf konzentrieren.
Aufgewachsen sind Sie in Zollbrück im Emmental.
Danach
wohnten Sie in Jegenstorf, und noch heute arbeiten Sie in
Schüpfen. Wie kamen Sie auf die Idee, Berner Stadtrat zu werden?
Ich wurde von der Stadtpartei angefragt, ob ich aushelfen
kann.
Kurz vor den Wahlen hatten zwei Personen die SVP-Liste verlassen. Also
verlegte ich meine Schriften kurzerhand nach Bern. Eigentlich wollte
ich danach auf dem Land weiterpolitisieren. Aber es kam anders: Ich kam
in den Stadtrat.
Als Grossrat müssen Sie nicht mehr in Bern wohnen.
Ziehen
Sie zurück aufs Land?
Nein, ich habe Bern ins Herz geschlossen. Hier müsste
man
nur noch die linke Regierung und das Parlament auswechseln.
Interview: Tobias Habegger und Adrian Zurbriggen
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Zur Person
Vom Lückenfüller zum Leithammel
Als von SVP-Grossrat Thomas Fuchs "importierter"
Lückenfüller trat Erich Hess Ende 2004 zu den Berner
Stadtratswahlen an - und verpasste nach engagiertem Strassenwahlkampf
die Wahl um bloss 13 Stimmen. Im April 2005 rutschte der
Lastwagenfahrer aus Jegenstorf nach. Das war der Start einer rasanten
Politkarriere: Bald wurde Hess Präsident der kantonalen und der
schweizerischen Jungen SVP. 2008 avancierte er zum SVP-Fraktionschef im
Stadtrat, zudem präsidierte er die Planungskommission. Im
März dieses Jahres wurde der mittlerweile 29-Jährige in den
Grossen Rat gewählt. Letzte Woche trat er deswegen aus dem
Stadtrat zurück. Trotz den vielen Ämtern arbeitet Hess noch
heute zu 80 Prozent als Lastwagenfahrer - dank seiner "raschen
Auffassungsgabe" könne er alles unter einen Hut bringen,
erklärt Hess.
azu
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40 JAHRE ISC
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BZ 4.9.10
"Rockout"
Ein Coming-out mit 40
Nach über 5000 Veranstaltungen an der
Neubrückstrasse
beginnt der ISC sein Jubiläum heute Samstag ab 17 Uhr auf dem
Rathausplatz: Neben der Berner Chanteuse Lisa Catena sind Gemma Ray aus
England und die Kanadierin Wendy McNeill angesagt. Eine Woche
später krachen im lauschigen Ringgenpärkli die gloriosen
Monofones aus Bern los, und am 18. September sind auf der Kleinen
Schanze unter anderen die ärgerlichen jungen Männer von Mama
Rosin mit ihrem Cajun-Sound angesagt. Das grosse Geburtstagsfinale wird
am 24. und 25. September dann aber wieder in den eigenen vier
Wänden begossen: Am 24. September treten die 80er-Retropopper Zoot
Woman (UK) auf, und am 25. besinnt sich das ISC mit Moto Boy und
Johnossi auf seine langjährige Affinität für schwedische
Bands. Die Open-Air-Konzerte sind gratis.
sam
Programm: http://www.isc-club.ch.
--
40 Jahre ISC
Vom Studentenkeller zum Club
Seit 40 Jahren ist der ISC ein wichtiger Treffpunkt
für die
ausgehfreudige Berner Jugend. Ein schön gestaltetes Buch
lässt die bewegte Geschichte des ehemals alkoholfreien Clubs
für die Studentenschaft Revue passieren.
"Sollte es noch einmal vorkommen, dass ein
Kassenmitarbeiter oder
DJ seinen Dienst wegen übermässigen Alkoholgenusses nicht
ordentlich zu Ende führen kann, sähen wir uns gezwungen, den
Betreffenden aus dem Mitarbeiterstab zu entlassen", ermahnte der
Vorstand des Internationalen Studenten-Clubs (ISC) vor 30 Jahren seine
Freiwilligenschar. Und rationierte das Bierkontingent pro Abend prompt
auf zehn Flaschen.
Der ISC, 10 Jahre früher vom "Auslandamt" initiierter
Treffpunkt für die internationale Studentenschaft in Bern, steckte
da gerade in einer Krise. Die Mitgliederzahl der nüchtern, aber
effizient eingerichteten Gebäulichkeit auf dem Areal des alten
Tierspitals war abgesackt. Der Studentenkeller suchte in den bewegten
Achtzigern nach einer neuen Identität. Mit dem Status als
Wochenenddisco und dem Etikett des "Intrigen- und Sexclubs", wie ein
paar Insider spöttelten, war es nicht mehr gemacht. Mit der
Öffnung weg vom "Huis clos" der dem lustigen Studentenleben
frönenden Akademikerschaft hin zu mehr Rock 'n' Roll und
Strassenstaub kam der Erfolg zurück.
Und dann kam der Alkohol
Jetzt feiert der ISC mit einem Buch und einem
Jubiläumsprogramm seinen 40. Geburtstag. Das von der
Kreationsagentur Efentwell zielgruppengerecht gestaltete und von
BZ-Redaktorin Anna Tschannen träf getextete Buch segelt unter dem
Titel "4 Decades of Rock 'n' Roll".
Wobei bei der Lektüre klar wird: So richtig gerockt
wurde im
ISC erst nach baulichen, personellen und stilistischen Änderungen.
Anstelle des alkoholfreien Getränkeautomaten wurde eine Bar
installiert, die den besorgten Vorstand von 1980 mit ihrem Angebot an
Drinks wohl zur Verzweiflung getrieben hätte.
1995 feierte der einstige Studentenkeller dann sein "Going
public": Auch Nichtmitglieder erhielten nun unkompliziert Zugang zu den
Partys und den Konzerten, die bald auch national und über die
Landesgrenzen hinaus ausstrahlten. Vorbei die Zeiten, als
Nichtstudentinnen nach dreimaligem Besuch Mitglied des ISC werden
konnten, während die Mitgliedschaft für Männer auf
Immatrikulierte der Uni Bern, der ETH und der HWV beschränkt war.
Statt einer Freizeituni war der ISC nun definitiv eine "Rock 'n' Roll
Highschool", und einer der Rektoren des besagten Schulkörpers,
Punklegende Dee Dee Ramone, beehrte das ISC mit einem richtig lauten
Antrittskonzert.
Seither ist der ISC ein Szeneclub für Nachtvögel
und
ein Ort, wo Musikinteressierte im kleinsten Rahmen Entdeckungen machen
können, von denen sie vielleicht noch ihren Enkelkindern berichten
werden.
Splitternackter Auftritt
So dokumentiert das Buch Auftritte von aktuellen und
verblichenen
Grössen wie den Stone Temple Pilots, Calexico oder Mando Diao -
lokale Helden von Aziz bis Züri West gehören im ISC quasi zu
den "Singing Waiters". Nicht immer sind die Konzerte so intim wie bei
Beat "Beatman" Zeller, dessen splitternackter Auftritt im ISC-Buch
bildlich festgehalten ist. Aber näher als im wohnzimmergrossen ISC
kommt man seinen Helden nirgends.
Samuel Mumenthaler
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WEGGESPERRT
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BZ 4.9.10
Administrativ Versorgte
"Wir wurden weggesperrt"
Bis vor 30 Jahren wurden Jugendliche, die nicht spurten,
wie
Straftäter weggesperrt - zum Beispiel ins Frauengefängnis
Hindelbank. Dort findet in einer Woche ein Akt der "moralischen
Wiedergutmachung" statt.
"Administrativ versorgt" nannte man, was
Vormundschaftsbehörden zwischen 1942 und 1981 mit aufmüpfigen
Jugendlichen machten. Ohne Gerichtsurteil und meist auch ohne
Anhörung wurden sie kurzerhand in eine Anstalt gesperrt - in eine
"Erziehungsanstalt". In Tat und Wahrheit waren es aber Strafanstalten,
in denen die Jugendlichen auf den rechten Weg gebracht werden sollten.
So lebten weibliche Teenager zusammen mit Mörderinnen, Diebinnen
und Brandstifterinnen in der Frauenstrafanstalt Hindelbank, ohne sich
selber einer Straftat schuldig gemacht zu haben. "Liederlicher
Lebenswandel", "Vaganterei" oder "Arbeitsscheu" genügten als
Einweisungsgrund.
Weil sie schwanger wurde
Ursula Biondi beispielsweise landete in Hindelbank,
nachdem sie
mit 17 Jahren schwanger geworden war. Ein uneheliches Kind zu bekommen,
galt als Liederlichkeit, die eine Einweisung rechtfertigte. Ursula
Biondi lebte in einem andern Zellentrakt als die Strafgefangenen, und
ihre Kleider waren nicht blau, sondern braun. Aber im Umgang gab es
keine Unterschiede zwischen administrativ Versorgten und
Straftäterinnen. Wobei: Einen wichtigen Unterschied erwähnt
Ursula Biondi doch noch: "Die Eltern mussten für die angebliche
Erziehung Tausende von Schweizer Franken bezahlen, während der
Staat für die Strafgefangenen aufkam." Dass die Tochter in einer
Strafanstalt lebte, wurde gegenüber den in Zürich wohnhaften
Eltern nie erwähnt.
Bis ins Jahr 1981
Seit 1981 gibt es die Methode der administrativen
Versorgung in
der Schweiz nicht mehr. Sie sei unter dem Druck der Europäischen
Menschenrechtskonvention abgeschafft worden, schreibt der "Beobachter"
in seiner neusten Ausgabe. Dieser Tage erscheint auch ein Buch von
"Beobachter"-Redaktor Dominique Strebel, der dieses dunkle Kapitel der
Schweizer Geschichte aufgearbeitet hat.
Zeit für Rehabilitation
Und am kommenden Freitag kommt es zu einer Rehabilitation
von
Tausenden unschuldig Weggesperrter: In den Strafanstalten Hindelbank
findet ein Gedenkanlass statt. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf
wird auftreten. Ob sie sich im Namen der Schweiz entschuldigen wird
für das Unrecht, das den administrativ Versorgten geschah, will
das Justizdepartement nicht verraten. Aber Hans-Jürg Käser
wird es im Namen des Kantons Bern tun. Der Polizeidirektor sagt: "Ich
finde, es ist angemessen, dass man das Unrecht anerkennt, obwohl man zu
jener Zeit von der Methode überzeugt gewesen ist."
Der Verdacht muss weg
Mit dem Treffen in Hindelbank kommt Ursula Biondi ihrem
Ziel
einen wichtigen Schritt näher. Sie hat eine "Anlaufstelle für
administrativ versorgte Frauen und Männer 1942-1981"
gegründet. Seit zehn Jahren kämpft sie dafür, dass "die
Behörden hinstehen und sagen, dass es falsch gewesen sei, Menschen
auf diese Art wegzusperren". Erst vor gut zwei Jahren fand sie im
"Beobachter" öffentlich Gehör. Vom Anlass in Hindelbank
erwartet Ursula Biondi nun eine "moralische Wiedergutmachung".
Die moralische Integrität der ehemaligen
administrativ
Versorgten müsse wiederhergestellt werden, sagt sie und fügt
an: "Wir wurden für eine Lebensweise weggesperrt, die heute
längst zur Freiheit jedes Bürgers gehört." Deshalb
müsse sich die Politik nun etwas einfallen lassen, "um uns in
Zukunft vor übler Nachrede zu schützen". Die administrativ
Versorgten wollen nicht länger unter dem Fluch "Häftling"
leiden. Denn dadurch, dass Erziehungsanstalt und Strafanstalt im
gleichen Gebäude untergebracht waren und wie im Fall von
Hindelbank nach wie vor den gleichen Namen tragen, komme sie nicht los
vom Verdacht, eine Straftat begangen zu haben.
Ruf nach einem Fonds
Die Forderung nach finanzieller Wiedergutmachung stellen
die
einst administrativ Versorgten nicht. "Wir überlassen es den
Politikern, das Kapitel weiter aufzuarbeiten", sagt Ursula Biondi.
Im Kanton Bern tut sich bereits etwas: Grossrätin
Christine
Häsler (Grüne, Burglauenen) hat Anfang Woche ein Postulat
eingereicht. Sie bittet den Regierungsrat, eine offizielle
Entschuldigung an die Betroffenen von administrativen Zwangsmassnahmen
zu richten. Zudem hofft sie auf die Einrichtung eines Fonds, "der
Betroffenen in Notlage bei der Bewältigung ihrer Vergangenheit und
ihres belasteten Lebens Hilfe bieten" könnte.
Susanne Graf
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ALKVERBOT
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20min.ch 4.9.10
Promillegrenzen: Nach dem Rauch- das Alkoholverbot?
Chur verhängte als erste Schweizer Stadt ein
nächtliches Alkoholverbot. Ziehen nun Zürich, Zug und Luzern
nach?
Annette Hirschberg
Parks, Schulhaustreppen, Friedhöfe, Badeanlagen oder
Seeufer
sind im Sommer Treffpunkte für Saufgelage. Lärm, Gewalt und
Sachbeschädigung sind die Folge. Nun sollen Alkoholverbote auf
öffentlichen Plätzen dem Treiben ein Ende setzen.
Der Schweizer Städteverband hat sich dieses Jahr mit
30 von
35 Stimmen dafür entschieden, vom Bund Rechtsgrundlagen für
solche Verbote zu fordern. Gegenüber der "NZZ" sagte Martin
Tschirren vom Städteverband, rund die Hälfte der Städte
habe solche Verbote bereits selbst ins Auge gefasst.
Churer Weg hat Vorbildfunktion
Chur hat so ein Verbot bereits umgesetzt: Seit Sommer 2008
gilt
zwischen 0.30 und 7.00 Uhr morgens ein generelles Alkoholverbot auf
öffentlichen Plätzen. Seit der Einführung wurden rund
100 Bussen verteilt. "Wir büssen massvoll unser Ziel ist nicht das
Pärchen, dass auf der Bank ein Glas Champagner geniesst, sondern
die Gruppe, die lärmend in der Öffentlichkeit trinkt", sagt
Polizeikommandat Ueli Caluori.
Das nächtliche Trinkverbot scheint ein Erfolg zu
sein. In
Chur hat sich die Situation auf öffentlichen Plätzen seit der
Einführung des Verbots laut Polizeikommandant Caluori verbessert.
"Die positiven Erfahrungen von Chur haben uns dazu bewogen, diese
Massnahmen ebenfalls zu prüfen", sagte darum der Luzerner
Sicherheitsmanager Maurice Illi.
Null-Promille-Zonen in Zürich
Im neuen Sicherheitsbericht der Stadt Luzern werden denn
auch
Alkoholverbote im öffentlichen Raum als mögliche Massnahmen
zur Verbesserung erwähnt. Doch nicht nur Luzern will dem Vorbild
Chur folgen. In Thun fordert eine Petition die Einführung eines
nächtlichen Alkoholverbots. Zug hat dies bereits am See auf dem
Gebiet der Badi Seeliken umgesetzt. Das Konzept habe sich bewährt.
In der Stadt Zürich wird derzeit eine
Polizeiverordnung
erarbeitet, die ebenfalls lokale und zeitliche Alkoholverbote erlauben
soll. In erster Linie geht es dabei um null Promille während
Hochrisiko-Spielen der Superleague. Alkoholverbote liessen sich aber
auch für andere Anlässe oder Bereiche aussprechen. Das Thema
ist unter den Zürcher Politikern heiss umstritten und eine
Rückweisung der neuen Verordnung wurde im Januar dieses Jahres nur
knapp abgelehnt.
Kleine Gemeinden machen kurzen Prozess
Weniger zimperlich geht man in vielen kleinen Gemeinden
mit
öffentlichen Trinkgelagen um. So hat Weinfelden TG vor kurzem ein
generelles Alkoholverbot für seinen Marktplatz im Zentrum
erlassen. Die Verbotsschilder wurden letzte Woche montiert. Hintergrund
des Verbots sind Alkoholiker und Randständige, die sich zum
Trinken dort versammelten. Nun dürfen nicht nur sie auf dem
Marktplatz keine Promille mehr bechern - es ist für alle verboten.
Beliebt sind solche Erlasse auch in den Gemeinden am
Zürichsee: Uetikon, Männedorf und Oberrieden haben Areale
rund um Schulhäuser, Friedhöfe und Kirchen zu alkoholfreien
Zonen erklärt. In Oberrieden wurde zudem der Aufenthalt in diesen
Gebieten zwischen 22 und 7 Uhr vollständig untersagt. Noch
strenger ist da Männedorf: Dort dürfen Jugendliche unter 18
Jahren nur in Begleitung Erwachsener den Friedhof betreten und
müssen ab Dämmerungseinbruch den Schulhausplätzen fern
bleiben.
"Bald gibt es flächendeckende
Alkoholkonsumationsverbote"
Bis jetzt sind die Alkoholverbote noch Einzelfälle.
Doch sie
lassen aufhorchen. Gilt nach dem flächendeckenden Rauchverbot in
der Schweiz bald auch ein Konsumationsverbot von Alkohol auf
öffentlichen Plätzen?
Für den Basler Soziologie-Professor Ueli Mäder
ist die
Antwort darauf klar: "Ja, es wird bald ein flächendeckendes
Alkohol-Konsumationsverbot in der Öffentlichkeit geben." Für
ihn ist das zwiespältig, denn beides nervt ihn. "Der Alkohol
betäubt die Gesellschaft und Verbote unterlaufen die
Selbstverantwortung. Aber wenn wir in Europa einen Viertel weniger
Alkohol konsumieren, liessen sich damit in der ganzen Welt die
Grundbedürfnisse befriedigen."
---
Blick am Abend 3.9.10
Städte wollen Alk-Verbote
VERBOT
Schweizer Städte wollen alkoholfreie Zonen in der
Nacht
einführen - für alle.
fabienne.riklin@ringier.ch
Den Schweizer Städten reichts: Wird in Parks und auf
Strassen getrunken, kommt es oft zu Sachbeschädigungen und
Pöbeleien. Ein Alkoholverbot zwischen 0.30 und 7 Uhr auf öff
entlichen Plätzen, soll diesen Missständen entgegenwirken.
Wie die "NZZ" berichtet, haben sich in einer Umfrage des
Städteverbands 30 von 35 Städten für eine neue
Rechtsgrundlage ausgesprochen. "Dieses Resultat zeigt, dass die
Städte eine rechtliche Grundlage für ein zeitlich und
örtlich begrenztes Alkoholverbot im öffentlichen Raum
wollen", sagt Martin Tschirren, Vizedirektor des Städteverbands,
zu Blick am Abend.
Ist es angebracht das Verhalten aller Bürger, also
nicht nur
das der Jugendlichen, so stark zu reglementieren? "Es geht nicht um
eine Verbotskultur. Wir wollen den Städten einen
Gestaltungsspielraum in Problemsituationen geben", sagt Tschirren. Er
weist aber darauf hin, dass die Polizei das Verbot nur massvoll
anwenden soll.
Dies klappt nicht immer: Chur hat seit 2008 ein
Alkoholverbot in
der Nacht. "Die Saufgelage von Jugendlichen sind weniger geworden",
sagt Ueli Caluori von der Churer Polizei der "Luzerner Zeitung".
Junge Churer aber haben gegen die "Verbotskultur und
Bevormundung" den Verein "Nachtleba Chur" gegründet. Denn
Präsident Remo Cecurtins weiss von Personen, die vor einem Lokal
wegen eines Bierbechers gebüsst worden seinen.
Luzern und Zürich prüfen derzeit ein
nächtliches
Alkoholverbot. Sogar der gesamte öffentliche Raum könnte zur
alkoholfreien Zone erklärt werden. Das sehen die beiden neuen
Polizeigesetze vor. Ob Städte wie Basel und Bern nachziehen, ist
noch offen.
--
"Saufgelage sind weniger geworden."
NACHGEFRAGT
Monique Helfer (42) Sprecherin Sucht-Info Schweiz
"Problem wird unkontrollierbar"
Ist ein Verbot die Richtige Lösung gegen Saufgelage,
Pöbeleien und Vandalismus?
Wenn eine Stadt zum Ziel hat, Ruhe und Ordnung zu
schaffen, mag
dies helfen. Wollen die Sozialdepartemente etwas gegen das
Rauschtrinken bei Jugendlichen unternehmen, kommt man damit nicht weit.
Was braucht es dann?
Ein ganzes Paket an Massnahmen: die Alkoholabgabe
stärker
kontrollieren, über die gesundheitlichen Folgen informieren oder
Streetworker einsetzen.
Was würde ein Verbot noch mit sich bringen?
Verbote im öffentlichen Raum könnten den Konsum
in
private Räume verlagern, wo die soziale Kontrolle noch geringer
ist.
Wo hört persönliche Freiheit zugunsten der
Gesellschaft
auf?
Das Zusammenleben in einer Gesellschaft braucht Regeln.
Wie weit
diese im Fall des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit gehen
sollen, darüber herrscht noch lange kein einheitlicher Konsens. fr
--
Kurz gefragt
Öffentliches Trinken verbieten?
Alice Corradi (19) Kauffrau aus Zürich
Da würde sich doch sowieso niemand dran halten, oder
die
Leute würden heimlich trinken. So ein Gesetz macht überhaupt
keinen Sinn.
Flavio Cavaleri (40) Angestellter aus Basel
Abfall auf öffentlichen Plätzen ist das
grössere
Problem. Das sollte angepackt werden. Ich bin gegen ein Verbot von
Alkoholkonsum.
Laetitia Huonder (48) Mutter aus Zürich
Es würde schon Sinn machen, wenn man es umsetzen
könnte. Aber der Polizeiaufwand wäre einfach zu gross.
Rolando Ferrari (45) Händler aus Basel
So viele Besoffene wie in den letzten Jahren auf
öffentlichen Plätzen habe ich früher nie gesehen. Her
mit dem Verbot!
Laura Dela Pena (45) Hausfrau aus Basel
Ich bin für ein Teil-Verbot. Nach Mitternacht soll
nur
trinken dürfen, wer seine Volljährigkeit ausweisen kann.
---
NZZ 3.9.10
Städte als alkoholfreie Zonen
Verbote im öffentlichen Raum
dsc. · Im jüngsten Sicherheitsbericht der
Stadt
Luzern werden Verbote des Alkoholkonsums im öffentlichen Raum als
mögliche neue Massnahmen genannt. Zahlreiche andere Städte
haben sich für eine Gesetzgebung auf Bundesebene ausgesprochen,
welche die Möglichkeit von räumlich und zeitlich limitierten
Verboten vorsieht. Der Städteverband erachtet diese als geeignete
Instrumente, damit die Polizei bei problematischen Situationen
präventiv eingreifen kann. In Chur ist der Alkoholkonsum seit 2008
nach Mitternacht verboten. Die Polizei verhängte seitdem 200
Bussen. Trotz dem bisweilen toleranten Vorgehen der Polizei gibt es
Kritiker. Suchtexperten sind ebenfalls skeptisch.
Schweiz, Seite 13
Meinung & Debatte, Seite 23
--
Verführerische Verbote des Alkoholkonsums
Churer Alkoholverbot findet Nachahmer - Bund widersteht
Wunsch
der Städte nach einer nationalen Gesetzgebung
Im neuen Luzerner Sicherheitsbericht wird ein
Alkoholverbot im
öffentlichen Raum als Option erwähnt. Der Städteverband
äusserte sich für eine solche Klausel im neuen Alkoholgesetz,
doch der Bund winkt ab.
Davide Scruzzi
Wenn auf Plätzen und Strassen zu viel Alkohol
getrunken
wird, ist das kein schöner Anblick, oft kommt es zu
Sachbeschädigungen oder Prügeleien. Es stellt sich die Frage:
Wo endet die persönliche Freiheit des Bürgers im
öffentlichen Raum, inwieweit darf der Staat präventiv
eingreifen? Als das Bundesamt für Gesundheit 2007 über ein
Alkoholverkaufsverbot für die späteren Abendstunden
nachdachte, löste dies landesweit scharfe Kritik aus. Seit einiger
Zeit braut sich aber eine neue Wolke von Verboten zusammen - über
den Städten. Im diese Woche präsentierten Sicherheitsbericht
der Stadt Luzern werden als eine von vielen möglichen
Verbesserungsmassnahmen Alkoholverbote im öffentlichen Raum
erwähnt. Bei einer Umfrage des Städteverbands votierten im
letzten Jahr unter 35 teilnehmenden Orten 30 für neue
Rechtsgrundlagen. Rund die Hälfte jener Städte hätten
solche Verbote bereits selber "ins Auge gefasst", sagt Martin
Tschirren, Vizedirektor des Städteverbands. Im Gespräch zeigt
Tschirren ein Verbotsschild, das er in den Ferien in Belfast selbst
fotografiert hat: ein durchgestrichenes Bierglas mit der Aufschrift
"Alcohol Free Area".
Neues Alkoholgesetz
Der Städteverband verlangte, bei der Revision der
eidgenössischen Alkoholgesetzgebung eine bundesgesetzliche
Grundlage für zeitlich und örtlich limitierte Alkoholverbote
im öffentlichen Raum vorzusehen. Im Entwurf für das neue
Alkoholgesetz, den der Bund in die Vernehmlassung gegeben hat, ist ein
entsprechender Gesetzesartikel nicht aufgeführt, im
erläuternden Bericht aber schon. Der Bund betont jedenfalls, dass
in seinen Kompetenzbereich die Regulierung des Alkoholhandels, nicht
aber jene des -konsums falle. Letztere wäre also Sache von
Kantonen und Gemeinden. Die Stellungnahme des Städteverbands zur
Vernehmlassung ist in Erarbeitung. Gemäss Tschirren reicht
jedenfalls die polizeiliche Generalklausel vom Einschreiten, wenn Ruhe
und Ordnung verletzt würden, beim Alkoholkonsum in vielen
Fällen nicht aus. Eigentliche Gründe für das
Einschreiten ergäben sich meist erst "zu spät", als Resultat
des Alkoholkonsums.
Ist es aber angebracht, in solcher Art und Weise das
Verhalten
aller Bürger im öffentlichen Raum zu reglementieren? - "Ja,
denn durch übermässigen Alkoholkonsum entstehen oft
Schäden und Kosten, welche die Allgemeinheit tragen muss", sagt
Martin Tschirren. Er verweist darauf, dass es darum gehe, der Polizei
ein Instrument für Problemsituationen zur Verfügung zu
stellen, das dann freilich nur massvoll angewendet werden soll.
In Chur seit 2008
Ein solcher Weg wird in Chur verfolgt, wo bereits seit
2008 ein
Konsumverbot nach Mitternacht gilt. In den letzten zwei Jahren sprach
die Polizei rund 200 Bussen in Höhe von 50 Franken aus. Oft
würden aber Nachtschwärmer auch nur verwarnt, insbesondere
wenn es sich um Personen mit unproblematischem Verhalten handle, wie
der Churer Polizeikommandant Ueli Caluori erklärt. Man
konzentriere die Kontrollen etwa auf die Altstadt oder die Zone um den
Bahnhof. Hie und da werde aus der Bevölkerung auch eine
schärfere Anwendung des Gesetzes gefordert, das durch einen
Volksentscheid eingeführt wurde. Die verhältnismässige
Umsetzung sei der Stadtpolizei gelungen, sagt Caluori. Er wehrt sich
dagegen, dass man die Polizeiaktivitäten nur auf jene repressive
Massnahme reduziert, und verweist auf umfassende Anstrengungen bei der
Alkoholprävention.
Gegen die nun in der Bündner Kantonshauptstadt
angeblich
herrschende "Verbotskultur" und "Bevormundung" ist indes 2009 von
jungen Leuten der Verein "Nachtleba Chur" gegründet worden. Auf
Facebook zählt man über 1700 Sympathisanten. Präsident
Remo Decurtins weiss von Personen, die unmittelbar vor einem Lokal
wegen eines Bierbechers gebüsst worden seien.
In der Stadt Zug sind die Behörden mit einem
punktuellen
Alkoholkonsumverbot indes ebenfalls zufrieden. Nicht überall
ertönt aber die Forderung nach Verboten. Jean-Claude Hess, Leiter
des Berner Polizei-Inspektorats, findet die Einhaltung der bestehenden
Verbote des Verkaufs an Minderjährige wichtiger. Gute Erfahrungen
habe man mit dem Projekt "Pinto" gemacht, bei dem auffällige
Alkoholkonsumenten von Suchtberatern angesprochen würden. Bei
grösseren Schwierigkeiten könne die Polizei freilich Personen
von einem öffentlichen Platz wegweisen, erklärt Hess. Auch
Monique Helfer von der Organisation "Sucht-Info Schweiz" verweist auf
solche Präventionsmassnahmen. Verbote im öffentlichen Raum
könnten den Konsum in private Räume verlagern, wo die soziale
Kontrolle noch geringer sei, sagt Helfer.
Meinung & Debatte, Seite 23
--
"Sichbetrinken verboten!"
Trinkgelage sind ein Ärgernis, Kampfhunde eine
Bedrohung,
Zigaretten gesundheitsschädigend. Mit immer neuen Verboten aber
wächst die Unfreiheit.
Von Markus Spillmann
In der Schweiz wird reguliert, normiert und verboten -
rascher
denn je und zunehmend detailliert. Von der Farbe der Sonnenschirme
über die Anzahl Blumentöpfe im Strassencafé bis zum
Public Viewing im Schrebergarten, von neuen bunten Klebern für die
schlimmsten Dreckschleudern des Individualverkehrs über
Hundeverbote bis zum Tankstellenshopping - es wird von Amtes wegen
interveniert, reglementiert und immer öfter verboten. Bisweilen
ist der Bürger auch zur Mitsprache aufgerufen - und er verbannt
einsichtig nickend gleich selbst das gesundheitsschädigende Paffen
aus Restaurants, Büros und öffentlichen Räumen. Auch den
Trinkgelagen im öffentlichen Raum wird auf diese Weise ein Riegel
geschoben: In Chur, in Zug, in Uster und wohl auch bald in Luzern sind
sie verboten, genauso wie schweizweit der (lausig kontrollierte)
Alkoholverkauf an Jugendliche unter 16 Jahren, übermässiges
Lärmen, Vandalismus und unsittliches Verhalten.
Was stört, muss weg
Kein Zweifel: Eine Gesellschaft benötigt Regeln des
Zusammenlebens. Es ist eine Binsenwahrheit, dass namentlich die
Freiheit des Einzelnen dort ihre Grenzen findet, wo sie die des anderen
unbotmässig einschränkt. Das gilt angesichts der
Kleinräumigkeit und Topografie der Schweiz wohl hierzulande noch
mehr als in Ländern, in denen der Umgang untereinander allein
schon wegen der Bevölkerungsdichte mit etwas mehr
Grosszügigkeit und Pragmatismus geregelt werden kann.
Niemand watet - wie etwa an Zürichs Seepromenade nach
einem
Schönwettertag - gerne durch Abfallberge. Keinen vernünftigen
Geist entzücken die Saufgelage, die von neuralgischen Orten
urbaner Zentren inzwischen längst auch auf die Agglomerationen, ja
gar bis auf Alpweiden ausgreifen. Und es muss wirklich nicht ein
bürgerlicher Biedermann sein, wer aggressiven Hooliganismus, wie
er längst auch ausserhalb von Sportstätten stattfindet, als
Belastung und Bedrohung empfindet.
Und dennoch: Wir hegen Zweifel, dass immer neue Verbote
auch
immer lebenswertere Zustände bedeuten. Statt einer Verbotskultur,
wie sie sich in diesem Land in Anlehnung an schlechte europäische
Vorbilder auch dank einer umtriebigen Verwaltung einschleicht,
wäre eine zurückhaltende und im Kern tolerante Politik des
Grenzensetzens zielführender. Will heissen: Wenn einfach kumulativ
bei jedem neuen Problem (oder besser seiner Nichtbewältigung durch
ein bereits bestehendes Regelwerk) neue Normen gesetzt werden, dann
führt dies über kurz oder lang zu einem Ausgreifen auf immer
mehr Lebensbereiche. Die Devise, alles zu verbieten, was stört,
führt zu einem Zustand, bei dem der Einzelne entmündigt und
das Kollektiv schleichend jeglicher Verantwortung beraubt wird.
Zwingend ist daher, über Sinn und Wirkung einzelner
Massnahmen mit Blick auf das anzustrebende Ziel zu diskutieren - und
vor allem zwischen reinem Ärgernis und effektiver Bedrohung des
Gemeinwohls scharf zu unterscheiden. Individuelle Betroffenheit, so
nachvollziehbar diese auch immer sein mag, ist ein ganz schlechter
Ratgeber.
Der Staat als Anstandswauwau
Das gilt besonders im Umgang mit Jugendlichen, denen das
Ausbrechen aus der Erwachsenenwelt angesichts der
generationsübergreifenden Lebens- und Freizeitgestaltung heute
schwerer gemacht wird als je zuvor. Zumal sich die Eltern in
mannigfaltiger Weise oft keinen Deut besser verhalten, sondern
höchstens etwas weniger provokativ.
So werden weitere Verbote den exzessiven Alkoholkonsum im
öffentlichen Raum durch eine Minderheit unter den Jugendlichen
nicht zum Verschwinden bringen, sondern höchstens an andere Orte
verlagern. Der Staat, in diesem Fall eine notorisch unterdotierte
Polizei, mutiert zum Anstandswauwau, während sich die
Erziehungsberechtigten quasi per Steuerzettel ihrer
Erziehungsverantwortung entledigen können.
Verbote schaffen aber auch neue Ungerechtigkeiten und
Anspruchshaltungen; was heute dort nicht mehr toleriert wird, soll
gefälligst morgen auch hier nicht mehr erlaubt sein. Der Raum, in
dem wir uns noch ohne Normverletzung bewegen können, wird enger
und enger. Vordergründig schafft das ein Gefühl von
Sicherheit und Ordnung. In Wahrheit befördert es
Rücksichtslosigkeit und Ignoranz.
Das alles liesse sich ja erdulden, bliebe es bei den
wirklich
schwerwiegenden Grenzverletzungen. Das Gegenteil aber macht Schule in
diesem Land: Man regelt Gravierendes und verliert das Augenmass
für Banalitäten. Pech für den, der in Chur zu
nächtlicher Stunde noch mit einem Bier erwischt wird. Die Burschen
und Mädchen mit dem billigen Wodka sind längst von dannen
gezogen. Das erinnert doch sehr stark an jenes Schild aus frühen
Jugendjahren, das auf dem sattgrünen Fussballrasen "Betreten
verboten!" geltend machte. Gekickt wurde trotzdem - einfach anderswo.
---
NLZ 3.9.10
Öffentlicher Raum
Alkoholverbot hat keine Chance
Von Barbara Inglin
Ein generelles Alkoholverbot auf öffentlichen
Plätzen
sei unverhältnismässig, sagt eine Mehrheit der
Parteivertreter. Die Linken wollen eher auf Prävention setzen.
Soll der Konsum von Alkohol auf öffentlichen
Plätzen
verboten werden - wie dies im aktuellen Sicherheitsbericht der Stadt
Luzern vorgeschlagen wird? (Ausgabe von gestern) Bei den Parteien gehen
die Meinungen auseinander.
Skeptisch bis klar dagegen sind SP, Grüne und GLP.
"Für
eine weltoffene Touristenstadt wie Luzern ist eine solche Massnahme
schlicht unverhältnismässig und sicher nicht praktikabel",
sagt SP-Fraktionschef Dominik Durrer. Edith Lanfranconi,
Fraktionschefin der Grünen: "Es braucht keine weiteren
Einschränkungen im öffentlichen Raum, sondern
Rahmenbedingungen, die möglichen negativen Folgen von
Alkoholkonsum entgegenwirken." Sie verweist auf das Inseli, wo mit der
Buvette Bar gute Erfahrungen gemacht worden seien - und auf eine
Podiumsdiskussion des Jugendparlamentes, an der am kommenden Montag
Vertreter der Jungparteien Lösungen für die Ufschötti
diskutieren
Manuela Jost, Fraktionschefin der Grünliberalen:"Wenn
es um
die Verhinderung von Jugendgewalt und den massiven Konsum von Alkohol
durch Jugendliche geht, muss früher angesetzt werden, nicht erst
beim Konsum."
Punktuell denkbar
Alle drei betonen die Wichtigkeit von
Präventionsmassnahmen
sowie der Präsenz von Polizei, Securitas und der SIP an
neuralgischen Punkten. Lanfranconi sieht Handlungsbedarf beim
Alkoholverkauf an Jugendliche: "Alterslimiten müssen eingehalten
werden."
Bei den bürgerlichen Parteien hingegen bringt man dem
Vorschlag durchaus Sympathien entgegen, allerdings mit Vorbehalt. "Als
gestandener Familienvater sind mir die Saufgelage von Jugendlichen,
etwa an der Reuss oder am See, ein Dorn im Auge", sagt
CVP-Fraktionschef Markus Mächler. "Vor einer Einführung eines
Alkoholverbotes müssten aber die genauen Auswirkungen geprüft
werden."
Mit "Ja, aber" argumentiert auch SVP-Fraktionschef Werner
Schmid:
"Allenfalls könnten punktuelle Alkoholverbote, zum Beispiel vor
dem KKL, Sinn machen", sagt er. Aber: "Wir sind grundsätzlich
gegen neue Verbote und Gesetze." Er appelliert an die
Eigenverantwortung jedes Einzelnen und spricht sich klar gegen ein
flächendeckendes Verbot aus. "Sonst kann man am Ende nicht mehr
auf der Kapellbrücke aufs Neue Jahr anstossen."
Auch Daniel Wettstein, FDP-Grossstadtrat, findet ein
generelles
Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen
"unverhältnismässig", begrenzte Einschränkungen auf
definierten Plätzen seien aber vorstellbar. "Speziell Jugendlichen
gegenüber haben wir die Pflicht, genau hinzuschauen und
Missbräuche einzudämmen."
Ein flächendeckendes Alkoholverbot kann sich einzig
Kim
Strebel, Präsidentin der JCVP, vorstellen. "Persönlich
würde ich es begrüssen, wenn das Trinken auf offener Strasse
nach Mitternacht verboten wird." Die JCVP hatte bereits im April ein
Alkoholverbot für die Ufschötti gefordert. Strebel: "Alkohol
steigert Aggressionen. Ein Verbot wäre ein Schritt zu mehr
Sicherheit."
Nicht noch mehr Repression
Komplett anderer Meinung ist Juso-Sprecher und
Grossstadtrat
David Roth: "Pöbeleien, Tätlichkeiten und Trunkenheit in der
Öffentlichkeit können bereits heute gebüsst werden. Es
geht nicht an, dass Verwaltung und Stadtrat ständig neue
Repressionsinstrumente verlangen, nur weil sie unfähig sind, die
bereits bestehenden Instrumente sinnvoll einzusetzen."
barbara.inglin@neue-lz.ch
---
10vor10 2.9.10
Alkoholverbot in Schweizer Städten
Einige Schweizer Städte sympathisieren mit einem
Alkoholverbot auf
öffentlichen Plätzen. Damit sollen Vandalismus und Lärm
verhindert werden. Kritiker sagen, das Verbot gehe zu weit.
http://videoportal.sf.tv/video?id=3aae4317-5901-4a7e-af3e-46db9f30bbea
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DROGEN
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Bund 4.9.10
Drogenklinik geht auf Distanz zu Hausarzt
Die Leitung der Drogenklinik Marchstei in Kehrsatz
distanziert
sich von ihrem Hausarzt Daniel Beutler. Zudem firmiert Beutler nicht
mehr als ärztlicher Leiter der Klinik. Grund für diese
Massnahmen ist ein Artikel, den Beutler im Bulletin der
abstinenzorientierten Vereinigung "Eltern gegen Drogen" verfasst hatte.
Darin kritisierte der Mediziner die "fragwürdigen Folgen des
revidierten Betäubungsmittelgesetzes", weil dieses den
Süchtigen den Zugang zur staatlichen Drogenabgabe erleichtere. Zur
Illustration seiner Thesen zitierte Beutler zwei anonymisierte
Fälle aus der Klinik. Die Fälle seien "plakativ geschildert"
und ungenügend recherchiert, sagt Klinikleiter Stefan Weigelt.
Beutler habe jedoch lediglich seine private Meinung vertreten und
bleibe Hausarzt der Klinik, sagt Weigelt. (bob/mzi) - Seite 23
--
Artikel von Drogenarzt sorgt für Aufregung - Klinik
distanziert
sich
Der Hausarzt der Drogenklinik Marchstei in Kehrsatz
kritisiert in
einem Bulletin die "liberale" Drogenpolitik. Die Klinik entzieht ihm
das Mandat als ärztlicher Leiter.
Martin Zimmermann
In der Mai-Ausgabe des Bulletins "Eltern gegen Drogen"
kritisiert
der Arzt Daniel Beutler die "fragwürdigen Folgen des revidierten
Betäubungsmittelgesetzes". Hauptvorwurf: Das neue Gesetz, das
teilweise schon in Kraft ist, erleichtere Süchtigen den Zugang zur
staatlichen Drogenabgabe zu sehr und erschwere den Ausstieg aus der
Sucht. Der Artikel hätte wohl kaum Aufsehen erregt, wenn es sich
beim Autor nicht um den externen Mediziner der Entzugsklinik Marchstei
in Kehrsatz handelte. Um seine Thesen zu untermauern, zitiert er sogar
zwei anonymisierte Fälle aus der Klinik. Die Patienten seien quasi
ins Heroinabgabeprogramm abgedrängt worden, so der Tenor des
Artikels.
Mittlerweile hat sich die Klinikleitung von den Aussagen
ihres
Arztes distanziert. Diese hatten jedoch bereits berufliche Folgen
für ihn: Er firmiert nicht mehr als ärztlicher Leiter der
Klinik wie bisher, sondern nur noch als Hausarzt. Dies schreibt die
Leitung in einer Stellungnahme an andere Institutionen im Suchtbereich
und an den Kanton Bern. Der Marchstei stehe hinter der aktuellen
Drogenpolitik und arbeite mit anderen Institutionen und den
Behörden zusammen, erklärt Klinikchef Stefan Weigelt auf
Anfrage: "Doktor Beutler vertrat in dem Artikel nur seine private
Meinung." Die beschriebenen Fälle seien plakativ geschildert und
ungenügend recherchiert. Abgesehen von diesem Vorfall sei die
Zusammenarbeit mit Beutler - der weder Mitglied der Klinikleitung noch
des Vereins Marchstei ist - jedoch gut. Deshalb wolle man den Arzt
weiterhin beschäftigen, sagt Weigelt.
Arzt räumt Fehler ein
Beutler selbst ist kein Unbekannter: Er engagiert sich als
Co-Präsident im Dachverband Drogenabstinenz Schweiz. In dieser
Funktion äusserte er sich in den Medien schon mehrere Male
kritisch über die "liberale" Schweizer Drogenpolitik. Beutler
distanziert sich aber inzwischen teilweise vom Artikel: Diesen habe er
unter Zeitdruck verfasst, sagt er. Natürlich sei da vieles "etwas
plakativ" dargestellt. Und: "Die Klinik da mit hineinzuziehen, war ein
Fehler." Der Marchstei helfe den Menschen beim Drogenentzug und sei
eine "feine Institution". Er habe die beiden Fälle bloss als
Beispiele für eine fehlgeschlagene Drogenpolitik benutzt. Fachlich
sei aber bei der Behandlung der beiden Patienten alles absolut korrekt
verlaufen. Mit der Organisation "Eltern gegen Drogen" von
SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler habe er nicht direkt zu
tun, erläutert der Arzt. Sein Dachverband nutze lediglich das
gleiche Publikationsorgan.
Eine Debatte von vorgestern
Die Zeitschrift "Eltern gegen Drogen" findet in
Fachkreisen nur
wenig Beachtung. Sie wird allerdings an Mitglieder des Grossen Rates
verschickt. Dort sorgte der Artikel für Stirnrunzeln -
schliesslich hat die Klinik Marchstei mit dem Kanton einen
Leistungsvertrag vereinbart und bezieht Gelder von der kantonalen
Gesundheits- und Fürsorgedirektion. Die Stellungnahme habe die
Marchstei-Leitung auf ihre Anfrage hin verfasst, erklärt
Grossrätin Barbara Mühlheim (Grüne) gegenüber dem
"Bund". Mühlheim leitet die heroingestützte Behandlung Koda
in Bern. Sie sei froh, dass die Klinik die Dinge nun richtiggestellt
habe, sagt sie. Die fachliche Diskussion zwischen einer
drogengestützten Behandlung von Suchtkranken und einer auf reine
Abstinenz ausgerichteten Therapie sei nämlich "ein alter Hut".
Beutlers Meinung treffe man heute unter Fachleuten kaum noch an. "Diese
Diskussion war vor 20 Jahren aktuell." In der Praxis arbeiteten
Entzugskliniken und Drogenabgabenstellen seit Jahren eng und
erfolgreich zusammen, sagt Mühlheim.
--
Die Klinik Marchstei
Die Klinik Marchstei in Kehrsatz nahm ihren Betrieb 1992
in
Ittigen als Drogenentzugsstation Marchstei auf. Sie bietet derzeit drei
Plätze im stationären Entzug an. Bei der Gründung der
Klinik galt der Kanton Bern als Mekka für Entzugseinrichtungen
aller Art. Mit der Wende zu einer drogengestützten Behandlung von
Suchtkranken schlossen viele dieser Kliniken wieder ihre Tore. (mzi)
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SAUVAGE WINTI
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Indymedia 4.9.10
Communiqué zur Sauvage auf dem Neumarkt Winterthur vom 3.
9. ::
AutorIn : sauvage
Am Abend des 3. Septembers 2010 haben bis zu 500 Leute mit einer
"Sauvage" den Neumarkt in Winterthur für einige Stunden besetzt
und zur Musik von Copy&Paste, Saalschutz und DJ Malik eine
unbewilligte Party gefeiert. Wir haben so den öffentlichen Raum
für diese Zeit zurückerobert und ihn selbstbestimmt gestaltet
und genutzt.
In Zeiten, in denen die Krise und Perspektivlosigkeit des
Kapitalismus
für immer mehr Leute immer deutlicher wird, gewinnt die Kontrolle
des öffentlichen Raums für die Herrschenden an Bedeutung. Mit
massiver Videoüberwachung, starker Polizeipräsenz, immer
neuen Verboten und der sogenannten "Aufwertung" von ganzen Quartieren
oder Stadtteilen wird versucht, den öffentlichen Raum zu einer
reinen Konsum- und Shoppingmeile zu machen, natürlich unter dem
ständig wachsamen Auge des Staates und dessen Schergen. Dass der
öffentliche Raum auch immer Ort der politischen
Auseinandersetzungen zwischen Herrschenden und Beherrschten war,
versuchen sie so bewusst unter den Tisch zu wischen. Der Kampf um den
öffentlichen Raum, die Öffnung der Strassen und Plätze
für Aktionen, die nicht ins gewünschte Bild einer "sauberen"
Stadt passen und das Schaffen von unkommerziellen
Ausgangsmöglichkeiten gewinnt deshalb heutzutage umso mehr an
Bedeutung. Wir werden uns die Strassen und Plätze auch weiterhin
nehmen - ohne Bewilligung und ohne Rücksicht aufs
Standortmarketing und Neueröffnungen von Shoppingzentren.
Heute war's eine Party - morgen wird's eine Demo!
Neue Märkte erschiessen!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Die Strassen gehören uns!
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Folgender Flyer wurde an die Partygäste und PassantInnen
verteilt:
Das Kesselhaus geht uns vorbei am Arsch.
Doch freuet euch, es ist Sauvage!
Heut' feiern wir, wie es uns beliebt
uns nicht wie uns das Gesetz diktiert!
Nein, scheissen tun wir auf die Gesetze,
die gutheissen Krieg und Menschenhetze!
Denn ein Krieg ist es - keine Frage -
der sich zuträgt dieser Tage.
Bist du Proletin oder Prolet,
so weisst du, um welchen Krieg es geht.
Doch gehorsam treu kriegt ihr uns nie
Auch nicht mit Marketing und Shoppingtherapie!
Und ganz egal ob Sulzer oder Implenia:
"Es Recht uf Eigetum het no niemer gha!"
Es sind nicht nur Bullen, Bonzen oder Banken - sicher auch -
doch viel tiefer wirkt der kapitalistische Brauch.
Gleich und gleicher schalten,
uns dabei noch ruhig zu halten,
Das wollen sie! Und das schaffen sie - noch hie und da,
doch nicht mehr lange, nicht für immer!
Denn wieder brodelt es in so manch Hinterzimmer.
Und irgendwann, wenn wir wirklich wollen und ganz in Rage
nehmen wir diese Volksvertreter, die ollen!
Nicht um sie grob zu verletzen,
aber um sie abzusetzen! Fristlos, ersatzlos und für immer.
Denn freuet euch, es ist Sauvage!
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SQUAT BS
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Basler Zeitung 4.9.10
Besetzer stehen unter Beobachtung
Villa-Rosenau-Bewohner gelten als gewaltorientiert
Mischa Hauswirth
Die Verantwortlichen des Saubannerzuges vom vergangenen
Mai sind
immer noch flüchtig. Umso interessanter ist es, wie klar sich die
Regierung über mögliche Verdächtige äussert.
Am Stand der Ermittlungen hat sich nichts geändert:
Die
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt konnte die Urheber der Verwüstungen
vom 21. Mai in der Freien Strasse noch nicht überführen. Und
bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die
Unschuldsvermutung. Dennoch: Die Szene rund um die Hausbesetzer der
Villa Rosenau steht wieder im Fokus der Aufmerksamkeit. Befindet sich
in der Villa Rosenau eine Horde linksextremer Chaoten?
Eine gestern veröffentlichte Regierungsantwort
bestärkt
all jene, die so denken. Jedenfalls geraten die Bewohner, die auf dem
Gelände leben, in ein schiefes Licht.
Beweismangel
In einer schriftlichen Anfrage wollte SVP-Grossrat Samuel Wyss
wissen,
was denn an dem Gerücht dran sei, dass die Täter der
Sachbeschädigungen in der Villa Rosenau wohnen. In der
Regierungsantwort heisst es darauf: "In der Villa Rosenau wohnen in
wechselnder Besetzung permanent etwa sechs Personen, die nach
Einschätzung der Staatsanwaltschaft der linksautonomen Szene
zuzurechnen sind." Die Ermittler gehen davon aus, dass diese Leute
"gewaltextremistischen Aktionen zugeneigt" sind. Seit Monaten wird
über die Urheber der Sachbeschädigungen in Basels
Einkaufsmeile spekuliert. Der Druck auf die Staatsanwaltschaft ist
gross, denn von Gewerbetreibenden und Geschäftsinhabern stehen
Schadensersatzforderungen von gegen einer Million Franken im Raum.
Die Ermittler beschlagnahmten in den vergangenen Wochen
Autos und
observierten Verdächtige. Keiner der Ermittlungsansätze habe
bisher zum Ziel geführt, schreibt der Regierungsrat.
Auslandskontakte
Seit Wochen ist bekannt, dass die Strafverfolgungsbehörde
bei
ihren Ermittlungen stecken bleibt. Da ist wenig verwunderlich, wenn die
Regierung nun konstatiert, dass eine "ungenügende Spuren- und
Beweislage" vorliege, um jemanden zumindest in Untersuchungshaft zu
nehmen.
Die Vermutungen hätten sich nicht so weit verdichten
lassen,
um jemanden festzunehmen. Die Hausbesetzerszene schweigt eisern. Statt
sich zu erklären oder zumindest zu distanzieren, sind alle
Versuche der BaZ, eine Stellungnahme der Hausbesetzer zu den
Vorwürfen zu bekommen, abgeblockt worden.
"Es können gewisse Verbindungen verschiedener
Bewohner mit
Organisationen im Ausland festgestellt werden", schreibt die Regierung
weiter. Vom Vorwurf, Verbindungen mit linksextremen Kreisen aus
Deutschland zu unterhalten, hat sich kein Bewohner der Villa Rosenau
öffentlich distanziert.
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grosserrat.bs.ch 1.9.10
Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt
An den Grossen Rat
10.5173.02
BVD/P105173
Basel, 1. September 2010
Regierungsratsbeschluss
vom 31. August 2010
Schriftliche Anfrage Samuel Wyss betreffend Hausbesetzerszene in
Basel
Das Büro des Grossen Rates hat die nachstehende
Schriftliche
Anfrage Samuel Wyss dem Regierungsrat zur Beantwortung überwiesen:
1. "Da inzwischen immer mehr Basler und Baslerinnen vermuten,
dass die
Basler Regierung die Kapo Basel-Stadt bewusst bremst und die linken
Chaoten gewähren lässt, damit die polizeifeindliche linke
Mehrheit des Grossen Rates nicht erbost wird, wenn gegen ihre
Gesinnungsgenossen vorgegangen wird, stellt sich mir die Frage, ob das
Beschleunigen der Ermittlungen im Fall des 1. Mai 2010 und 21. Mai 2010
der mit grosser Wahrscheinlichkeit durch die Hausbesetzer verübt
wurde, nicht nur opportun, sondern eigentlich sogar Pflicht sein
sollte. Wie steht die Basler Regierung zu dieser Aussage/Behauptung?
Was hält der Stadtpräsident von diesen Zuständen?
2. Es wird vermutet, dass die Täter z.T. der "Villa
Rosenau"
entstammen. Was weiss die Regierung über die Besetzer der Villa?
3. Stimmt es, dass die Besetzer gratis in einem Haus (Villa
Rosenau),
welches der Stadt Basel gehört, wohnen und einzig Strom und Wasser
bezahlen? Welches Departement ist für diesen Missstand
verantwortlich? Wie muss ich vorgehen, dass auch ich ein "Gratishaus"
von der Regierung gesponsert bekomme?
4. Sind die Hausbesetzer in Basel ordnungsgemäss angemeldet
und
bezahlen sie Steuern?
5. Weshalb akzeptiert man, dass die Hausbesetzer ihren Abfall
z.T.
direkt hinter der Villa verbrennen? Wie kann unsere Regierung, welche
sich als sehr umweltbewusst gibt, ein solches strafbares Vorgehen
tolerieren?
6. Die Villa ist optisch ein Schandfleck. Geschäftsleute
und
Touristen sehen nach ihrer Ankunft am Euro-Airport als eines der ersten
Schweizer Gebäude die baufällige, hässliche Villa. Was
hält Basel Tourismus von diesem gravierenden Missstand?
7. Sprayereien analog deren, die am 21. Mai in der Stadt
verübt
wurden, sind rund um die Villa an diversen Fabrikgebäuden und an
den Wänden der Autobahn zu finden. Wie hoch sind die Kosten, um
diese Sprayereien zu entfernen? Werden sie nicht entfernt, weil
vermutet wird, dass die Wände bereits am nächsten Tag erneut
versprayt würden?
8. Es stehen oft deutsche Fahrzeuge (welche aufgrund der
Fahrzeugtypen
und der Bemalung klar der alternativen Szene zuzuordnen sind) vor der
Villa. Zirka wie viele der Besetzer sind Ausländer? Wie viele sind
Ausserkantonale? Welche Nationalitäten sind vertreten? Weshalb
Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt toleriert die Regierung, dass
ausserkantonale und ausländische Linksextreme unsere in Basel
heimischen Chaoten bei Saubannerzügen unterstützen?
9. Stimmt es, dass bei der Villa Rosenau vorbeifahrende
Polizeifahrzeuge und Fahrzeuge der Grenzwache mit Steinen beworfen
werden? Stimmt es, dass an selbigen Fahrzeugen, welche in der Nähe
der Villa parkiert waren, die Pneus zerstochen wurden?
10. Im angrenzenden Ausland haben alternative Chaoten
Saubannerzüge durchgeführt analog deren zwei, die in Basel im
Mai stattgefunden haben. Innert wenigen Jahren sind diese
Saubannerzüge ausgeartet und in der Regel nicht mehr zu
kontrollieren. Hunderte Fahrzeuge brennen, Polizisten und Passanten
werden z.T. lebensgefährlich verletzt und die Schäden gehen
in die Millionen. Wie weit möchte der Regierungsrat die Situation
bei uns tolerieren? Muss es erst Tote oder Invalide geben, bis die
Basler Regierung eingreift? Wie viel will man dem Basler Gewerbe und
den Bürgern zumuten? Was hält der Stadtpräsident von
diesen Zuständen?
11. Herr Kessler, der Basler Stadtentwickler, wurde bei einem
Konzert
in der Villa Rosenau von Schlägern angegriffen und verletzt -
dies, weil er als Staatsangestellter erkannt wurde. Müssen
Staatsangestellte in Zukunft um ihr Leben fürchten, nur weil ein
paar primitive Personen sich die Freiheit herausnehmen,
Staatsangestellte zu verprügeln?
12. Gemäss Medien sind die linken Chaoten auf vermehrtem
Zerstörungsfeldzug, weil sie mehr Freiräume brauchen. Kann
die Regierung prüfen, ob eine Möglichkeit besteht, dass der
Kanton Basel-Stadt ein günstiges (max. CHF 30'000 d.h. ein
Bruchteil der Kosten, den die Chaoten in Basel verursachen)
Gebäude in der Taiga kaufen kann, damit dies den Chaoten unter der
Bedingung zur Verfügung gestellt wird, dass sie es für
mindestens 10 Jahre bewohnen?
13. Es entsteht der Anschein, dass sich die Linken (Chaoten) mit
der
Toleranz der Regierung alles erlauben können. Dies ist gegen jede
Regel der Rücksichtnahme und des normalen Zusammenlebens, denn wie
soll unsere Gesellschaft funktionieren, wenn sich ein Teil an Regeln
halten muss und der andere Teil sich alle Freiheiten, zu tun und zu
lassen, wonach ihm gerade ist, herausnimmt?
Samuel Wyss"
Den Mitgliedern des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt
zugestellt am
3. September 2010.
Wir beantworten diese Schriftliche Anfrage wie folgt:
Ziffer 1
Der Regierungsrat verwahrt sich in aller Form gegen die
Behauptung,
dass er die Kantonspolizei Basel-Stadt bewusst bremsen und "linke
Chaoten" gewähren lassen würde. Die Kantonspolizei steht zwar
unter der Aufsicht des Regierungsrats und ist dem Vorsteher des Justiz-
und Sicherheitsdepartements unterstellt. Die Basler Regierung nimmt
jedoch keinen direkten Einfluss auf die operationelle Führung der
Kantonspolizei Basel-Stadt. Diese wird durch den Polizeikommandanten
geführt (§ 18 Abs. 1 Polizeigesetz).
Zuständig für die Durchführung von Ermittlungen
wegen
strafbaren Handlungen ist die Staatsanwaltschaft. Sie ist dem
Gesamtregierungsrat direkt unterstellt und dem Justiz- und
Sicherheitsdepartement lediglich administrativ zugewiesen. Ihr
können zwar von jedermann Anzeigen eingereicht werden, eine
Behinderung der Ermittlungen ist aber weder zulässig noch
würde dies durch die Staatsanwaltschaft geduldet. Die
Staatsanwaltschaft ermittelt denn auch in Bezug auf beide Vorfälle
uneingeschränkt und verfolgt die verschiedenen möglichen
Ermittlungsansätze. Dass dies bisher nicht zum Ziel, das heisst
zur Identifikation der Täterschaft geführt hat, hängt
lediglich mit der ungenügenden Spuren- und Beweislage zusammen.
Ziffer 2
In der Villa Rosenau wohnen in wechselnder Besetzung permanent
etwa
sechs Personen, die nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft der
linksautonomen Szene zuzurechnen und gewaltextremistischen Aktionen
zugeneigt sind. In Bezug auf die Vorfälle vom 1. Mai 2010 und 21.
Mai 2010 liess sich die in der Anfrage geäusserte Vermutung nicht
in einem Mass verdichten oder konkretisieren, wie es für die
Einleitung eines Verfahrens gegen bestimmte Personen erforderlich ist
(vgl. Ziff. 1).
Ziffer 3
Die sogenannte "Villa Rosenau" gehört zu insgesamt 13
ehemaligen
Bauten der Notsiedlung "In der Rosenau". Diese Gebäude wurden im
Rahmen des Baus der Nordtangente mit Ausnahme der noch bestehenden
Villa Rosenau abgerissen. Die Villa Rosenau diente bis zum Jahre 2004,
bis zur Eröffnung des Abschnitts "Grenze" der Nordtangente, also
des Teilstücks vom Bahnhof St. Johann bis zur Landesgrenze nach
Frankreich, als Bauleitungsbaracke. Danach sollte die Villa Rosenau
abgebrochen werden, um die Parzelle für weitere Nutzungen
vorzubereiten. Am 2. September 2004 kam es zur Besetzung durch
Unbekannte.
Der Regierungsrat hat das Thema "Villa Rosenau" zuletzt in
seiner
Sitzung vom 3. Juni 2008 eingehend erörtert und ist zum Schluss
gekommen, dass die geplante Grünfläche auf der Parzelle in
ggf. reduziertem Umfang realisiert werden soll, vorerst ohne die Villa
Rosenau abzureissen. In diesem Zusammenhang wurde die
ursprüngliche Aufforderung, das Gebäude bis Ende Juni 2008 zu
verlassen, zurückgenommen. Der Regierungsrat verlangte allerdings
von den Besetzerinnen und Besetzern, dass diese für sämtliche
durch sie entstehenden Kosten wie z.B. Elektrizität und Wasser
voll aufkommen. Auf eine Abgeltung durch die Besetzenden in Sinn einer
Miete wurde verzichtet, da die Villa Rosenau, wie bereits erwähnt,
seit 2004 zum Abbruch vorgesehen ist, sich in einem schlechten
baulichen Zustand befindet
und am Markt ohnehin nicht vermietbar wäre.
Derzeit nutzt die Novartis einen Teil (rund 1700 m2) der
Parzelle als
Lastwagencheckpoint und Zwischenlager für die Grossbaustelle
"Campus". Ein weiterer Teil ist als Parkplätze (rund 2'400 m2)
vermietet und rund 500 m2 entfallen auf die Villa Rosenau. Gemäss
Beschluss des Regierungsrates vom 24. Juni 2008 müssen die
Hausbesetzerinnen und -besetzer das Gebäude "Villa Rosenau"
verlassen, sobald das Areal für eine Neunutzung, z.B. durch einen
Gewerbebetrieb benötigt wird.
Ziffer 4
In den Registern der Steuerverwaltung und der Einwohnerkontrolle
sind
keine Personen mit Wohnsitz an der Villa Rosenau, Neudorfstrasse 93,
verzeichnet. Ebenso sind der Steuerverwaltung und der
Einwohnerkontrolle die Namen der Besetzer nicht bekannt. Es können
aus diesem Grund keine Aussagen darüber gemacht werden, ob die
Besetzer mit Wohnsitz in Basel-Stadt gemeldet sind und ihre
Deklarations- und Steuerpflicht erfüllen oder mit Wohnsitz in
einem anderen Kanton gemeldet und dort steuerpflichtig sind.
Ziffer 5
Die zuständigen Behörden (Amt für Umwelt und
Energie,
Tiefbauamt) haben seit anderthalb Jahren, als noch entsprechende
Brandstellen festgestellt worden waren, keine neuen Informationen bzw.
Anzeichen über das Verbrennen von Abfällen auf dem
Gelände der Villa Rosenau. Auch sind weder aus der
Bevölkerung noch von den benachbarten Industrie- und
Gewerbebetrieben Meldungen über solche Abfallverbrennungen
erfolgt. Jedoch wurde eine unbewilligte Lagerung von einigen Altpneus
auf dem Gelände festgestellt und an die für die Liegenschaft
zuständige Behörde (Nationalstrassen) gemeldet. Auf eine
Räumung der gelagerten Pneus wurde bisher verzichtet, da eine
Eskalation der Situation nach Möglichkeit verhindert werden soll.
Ziffer 6
Der Regierungsrat kann den Anfragestellenden dahingehend
beruhigen,
dass die Villa Rosenau keinen Einfluss auf das Image von Basel bei
Geschäftsreisenden und Touristen hat. Nach Rücksprache bei
Basel Tourismus stellte sich heraus, dass keine Bemerkungen und schon
gar keine Reklamationen von Touristen oder Geschäftsreisenden
über ein Gebäude zwischen Flughafen und Stadt bekannt sind.
Eine Auswirkung in diesem Zusammenhang kann daher ausgeschlossen werden.
Ziffer 7
Zu den Aufgaben des Bau- und Verkehrsdepartement gehört der
Unterhalt von kantonalen Infrastrukturobjekten, wie z.B. Brücken,
Stützmauern und Tunnels im Kanton Basel-Stadt. In diesem
Zusammenhang ist das Tiefbauamt auch für die Entfernung von
Sprayereien an Infrastrukturbauten zuständig. Für das
Quartier St. Johann betrifft dies mehrere Objekte. Die Reinigung von
privaten Liegenschaften, wie beispielsweise Fabrikgebäude, wird
nicht durch das Tiefbauamt veranlasst.
Mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der
Aufgabenverteilung
zwischen Bund und Kantonen (NFA) gingen Unterhalt und Betrieb der
Nationalstrassen, zum 1. Januar 2008, in die alleinige Verantwortung
des Bundes über. Daher werden Sprayereien an Autobahnobjekten
ebenfalls nicht durch das Tiefbauamt gereinigt.
Bei den kantonalen Kunstbauten im Quartier St. Johann konnte im
Zusammenhang mit der Besetzung der Villa Rosenau keine signifikante
Zunahme von Sprayereien festgestellt werden. Für
überschlägige Grobkostenschätzungen von
Sprayereientfernungen auf Beton- und Natursteinoberflächen,
können Kosten in Höhe von rund CHF 150.- bis CHF 200.- pro
Quadratmeter angesetzt werden (abhängig von den
Untergrundverhältnissen, der Art der Verunreinigung etc.).
Ziffer 8
Die Herkunft der Bewohner lässt sich aus den bereits
erklärten Gründen (Ziff. 2) nicht feststellen. Es gibt keine
Anzeichen, dass sich ausländische Personen über einen
längeren Zeitraum in der Villa Rosenau aufhalten. Es können
jedoch gewisse Verbindungen verschiedener Bewohner mit Organisationen
im Ausland festgestellt werden. Daher kommt es immer wieder zu
Besuchen, womit sich auch das Parkieren von Fahrzeugen mit
ausländischen Kennzeichen erklärt.
Ziffer 9
Bei der Kantonspolizei konnten keinerlei Hinweise auf
Steinwürfe
oder Sachbeschädigungen gegen Fahrzeuge der Polizei im direkten
Zusammenhang mit Personen aus der Villa Rosenau oder mit Bezug auf
diese Örtlichkeit festgestellt werden. Der Grenzwache liegen keine
Informationen oder Hinweise vor, wonach Bewohner der Villa Rosenau den
Aufgabenvollzug des Grenzwachtkorps gestört oder
beeinträchtigt hätten. Auch wurden bis anhin noch nie bei der
Villa Rosenau vorbeifahrende Grenzwachtfahrzeuge mit Steinen beworfen.
Anfangs Juni dieses Jahres wurden in der Diensteinfahrt BASLA (ca. 10
Meter nach dem Kreisel beim Casino auf der Flughafenstrasse Richtung
Flughafen) bei einem parkierten Grenzwachtfahrzeug drei Pneus
zerstochen. Die Täter flüchteten anschliessend in Richtung
Villa Rosenau. Es wurden dort jedoch keine vom Zeugen beschriebenen
Personen aufgefunden.
Ziffer 10
Die in der Frage 10 dargestellten Verhältnisse entsprechen
nicht
der tatsächlichen Situation in Basel und nehmen Bezug auf
Gewaltexzesse an einem nicht definierten Ort im angrenzenden Ausland.
Ziffer 11
Die Gründe, welche zum Angriff gegen Herrn Kessler
geführt
haben, können nur im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung
geklärt werden, sofern eine entsprechende Anzeige erstattet wird.
Aus Sicht des Regierungsrats stellt der gewalttätige
Übergriff auf Herrn Kessler einen bedauerlichen Einzelfall dar. Es
kann daher nicht von einer grundsätzlichen Gefahr für
kantonale Angestellte ausgegangen werden. Besonders exponierte
Mitarbeitende des Kantons (z.B. Polizistinnen und Polizisten,
Kontrollpersonen im öffentlichen Verkehr etc.) sind für
entsprechende Situationen zudem besonders geschult. Mitarbeitende der
Kantonspolizei haben in der Vergangenheit mehrfach (uniformiert oder in
ziviler Kleidung) die Villa Rosenau aufgesucht und Kontakt zu den
Bewohner gehalten. Hierbei wurden keine weiteren Übergriffe
verzeichnet.
Ziffer 12
Dieser Vorschlag ist alleine schon aus rechtlichen Gründen
nicht
umsetzbar und wird deshalb auch nicht weiter geprüft.
Ziffer 13
Der Regierungsrat ist der Verfassung des Kantons Basel-Stadt
verpflichtet. Die demokratischen Regeln unseres Rechtsstaates gelten
für alle gleichermassen und werden diskriminierungsfrei
durchgesetzt.
Im Namen des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt
Dr. Guy Morin
Präsident
Barbara Schüpbach-Guggenbühl
Staatsschreiberin
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BIG BROTHER BS
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Basellandschaftliche Zeitung 4.9.10
Staatsschutz Kritische Fragen an den Regierungsrat
Im Zusammenhang mit der Basler Fichen-Affäre wird die
Regierung mit weiteren kritischen Fragen eingedeckt. So will
Grünliberalen-Chef David Wüest-Rudin wissen, wie sie auf den
"vernichtenden" Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation des
Bundesparlaments (GPDel) reagieren wolle. Die GPDel hatte in ihrem
Bericht schwerwiegende Fehlleistungen des Nachrichtendienstes des
Bundes festgestellt. Im Kanton sei die Aufsicht über den
Staatsschutz des Bundes nicht befriedigend gelöst, kritisiert
Wüest-Rudin. Er fragt die Regierung, ob sie es nicht als
zielführend erachte, die kantonale Staatsschutzverordnung in Kraft
zu setzen und eine gerichtliche Klärung der Möglichkeiten
einer effektiven Aufsicht über den Staatsschutz zu erwirken. (bz)
---
Basler Zeitung 4.9.10
Staatsschutz soll Aufsicht erhalten
Verordnung. Der grünliberale Grossrat David
Wüest-Rudin
schlägt in einer Interpellation vor, die kantonale
Staatsschutzverordnung in Kraft zu setzen. Denn damit könnte eine
effektive Aufsicht über den Staatsschutz eingeführt werden.
Allenfalls müsse gerichtlich geklärt werden, ob der Kanton
dazu berechtigt ist. Denn die Verordnung von 2009 wurde von der
Regierung nicht in Kraft gesetzt, weil der Bund sich dagegen gesperrt
hatte.
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AUSSCHAFFUNGEN
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NZZ 4.9.10
Die Crux mit dem Arztgeheimnis
Heikle juristische Fragen im Zusammenhang mit dem Tod
eines
Ausschaffungshäftlings
Darf ein Gefängnisarzt die Transportfähigkeit
eines
Ausschaffungshäftlings bescheinigen? Oder verstösst er damit
gegen seine Schweigepflicht? Die Antwort ist nicht einfach.
Marcel Gyr
Mitte März ist auf dem Flughafen Zürich Kloten
ein
29-jähriger Ausschaffungshäftling aus Nigeria gestorben.
Derzeit werden die Umstände des Todes von der Staatsanwaltschaft
Winterthur/Unterland untersucht. Vorläufig sei aber kein
Strafverfahren eingeleitet worden, hält der zuständige
Staatsanwalt Christian Philipp auf Anfrage fest. Vielmehr handle es
sich erst um die Abklärung eines sogenannten ausserordentlichen
Todesfalls, was noch kein strafrechtlicher Vorgang sei.
Der Einwand des Arztes
Inzwischen zeichnet sich aber eine heikle Fragestellung
ab: Ist
ein betreuender Gefängnisarzt legitimiert, der Polizei gegen den
Willen eines Häftlings über dessen Gesundheitszustand
Auskunft zu geben? Das Zwangsanwendungsgesetz beziehungsweise die
dazugehörige Verordnung schreibt vor, dass die
Transportfähigkeit eines Ausschaffungshäftlings im
Zweifelsfall medizinisch abzuklären ist. Im konkreten Fall lagen
dem Vollzugsorgan, der Kantonspolizei Zürich, aber im Voraus keine
Hinweise auf einen zweifelhaften Gesundheitszustand des abgewiesenen
Asylbewerbers vor. Vielmehr liess ein zugestelltes Formular darauf
schliessen, aus medizinischer Sicht gebe es keine Vorbehalte.
Unbestritten ist aber, dass sich der nigerianische
Ausschaffungshäftling zwischen eineinhalb und zweieinhalb Monaten
im Hungerstreik befunden und dabei rund 30 Kilogramm Körpergewicht
verloren hatte. Doch der verantwortliche Arzt hat ihn als
transportfähig eingestuft. Zudem macht der Arzt geltend, selbst
wenn er zum Schluss gekommen wäre, der Hungerstreikende sei nicht
transportfähig gewesen, hätte er diese Information aus
Rücksicht auf die ärztliche Schweigepflicht nicht der Polizei
weitergeben dürfen. Diese Version wird von Staatsanwalt Philipp
bestätigt. Er ergänzt, damit ergebe sich eine heikle
juristische Fragestellung.
Derweil bekräftigt Viktor Györffy, der
rechtliche
Vertreter der Angehörigen, ohne das Einverständnis des
Häftlings dürfe ein Gefängnisarzt gegenüber Dritten
keinerlei Auskunft erteilen. Selbst die positive Auskunft, jemand sei
gesund, könne unter Umständen gegen die Interessen eines
Ausschaffungshäftlings verstossen. Ein Arzt habe gegenüber
einem Klienten immer eine Vertrauensstellung; dieser müsse sich
darauf verlassen können, dass keine Informationen nach aussen
gelangen.
In den Richtlinien der Akademie der Medizinischen
Wissenschaften
heisst es, der Arzt müsse sich bemühen, mit Zustimmung des
inhaftierten Patienten jede legitime Frage der Polizei zu beantworten.
Im konkreten Fall hatte der Ausschaffungshäftling diese Zustimmung
aber nicht gegeben. In dieser Situation sehen die medizinisch-ethischen
Richtlinien vor, dass der Arzt, falls eine Gefährdung der
Sicherheit oder für Dritte besteht, von der zuständigen
Behörde verlangen kann, von seiner Schweigepflicht entbunden zu
werden. Laut Auskunft von Staatsanwalt Philipp wäre dies im Kanton
Zürich die Gesundheitsdirektion.
Lücke im Gesetz aufgedeckt
Eine andere Möglichkeit schlägt der
Angehörigenvertreter vor, wobei er sich auf die Richtlinien der
Akademie der Medizinischen Wissenschaften stützt: Ein behandelnder
Arzt könne der Polizei gegenüber mitteilen, er gebe keine
Auskunft über den Gesundheitszustand, dabei aber explizit jegliche
Verantwortung ablehnen. Dies würde den Beizug eines weiteren
Arztes in der Funktion eines Gutachters bedingen. Einig sind sich die
beiden Juristen darin, dass mit dem aktuellen Fall eine Lücke
aufgezeigt wird, die vom Gesetzgeber nicht bedacht worden ist.
Ausstehend ist derzeit eine Stellungnahme des Zürcher
Instituts für Rechtsmedizin (IRM) nach Kritik am Gutachten. In
diesem wurde als Todesursache insbesondere eine schwere Herzkrankheit
angeführt, die im Zusammenspiel mit dem Hungerstreik und dem
akuten Erregungszustand zum Tod geführt habe.
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SANS-PAPIERS
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Südostschweiz 4.9.10
Anzeige gegen Widmer-Schlumpf: SVP-Hardliner blitzt ab
Bern. - Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat an
der
Bundesfeier im aargauischen Eiken wegen eines Gesprächs mit einer
Gruppe von Sans-Papiers keine strafbare Handlung begangen. Die
Bundesanwaltschaft hat der Strafanzeige eines Aar- gauer SVP-Politikers
keine Folge geleistet.
Der Hintergrund: Das Kollektiv Bleiberecht hatte die
diesjährige Bundesfeier in Eiken im Fricktal genutzt, um auf die
Situation der Papierlosen in der Schweiz aufmerksam zu machen. Rund 100
Personen demonstrierten für das Anliegen. Um eine Eskalation zu
verhindern, hatte die Kantonspolizei auf Personenkontrollen verzichtet.
Die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartementes empfing nach ihrer offiziellen Rede eine
Delegation der Sans-Papiers und des Kollektivs zum Gespräch.
Im Nachgang der Feier reichte der als Hardliner geltende
SVP-Frak- tionschef des Aargauer Kantonsparlaments, Andreas Glarner,
beim Bezirksamt Laufenburg eine Strafanzeige gegen die Bundesrätin
ein, wegen Verstosses gegen das Ausländergesetz,
Begünstigung, Amtsanmassung und eventuell wegen Amtsmissbrauchs
an. Das Bezirksamt übermittelte die Akten zur Abklärung des
Sachverhalts der Bundesanwaltschaft. Diese teilte gestern auf Anfrage
mit, dass die getätigten Abklärungen keinerlei konkrete
Hinweise auf ein strafbares Verhalten ergeben hätten. (sda)
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ANTI-ATOM
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BZ 4.9.10
Atomausstieg
EWB warnt vor Kosten
EWB peilt den Atomausstieg per 2039 an. Eine Initiative
will ihn
2030 erzwingen. Das würde aber hohe Kosten verursachen.
Die Initiative Energiewende Bern würde den
Stadtberner
Energieversorger Energie Wasser Bern (EWB) in Schieflage bringen, falls
sie angenommen wird. Dies hielt gestern EWB fest. Müsste EWB neun
Jahre früher auf den Strom des Atomkraftwerks Gösgen
verzichten, würde sich wegen hohen Investitionsbedarfs der Wert
des Unternehmens um 351 Millionen Franken verringern. Der
Gegenvorschlag des Gemeinderats sei dagegen umsetzbar. Er will den
Atomausstieg bis ins Jahr 2039. EWB rechnet vor, dass die Stadt wohl
auf Gewinnablieferungen verzichten müsste und der Strompreis
massiv steigen würde. Der Stadtrat berät am nächsten
Donnerstag über die Vorlage.
cab
Seite 25
--
EWB zum Atomausstieg
Initiative käme teuer zu stehen
Der städtische Energieversorger Energie Wasser Bern
warnt
vor einem forcierten Ausstieg aus der Atomenergie. Die Initiative
Energiewende Bern würde bei einer Annahme zu einem Wertverlust von
351 Millionen Franken führen.
Am Donnerstag diskutiert der Stadtrat über die
Initiative
Energiewende Bern. Die rot-grünen Urheber des Volksbegehrens
wollen, dass die Stadt bis 2030 ohne Atomstrom auskommt. Der
Gemeinderat hat dazu einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der den
Ausstieg per 2039 anpeilt. Der städtische Energieversorger Energie
Wasser Bern (EWB) setzt auf 2039. EWB-Chef Daniel Schafer warnt: "Die
Annahme der Volksinitiative hätte grosse betriebswirtschaftliche
Auswirkungen."
Das würde zu einem Wertverlust von 351 Millionen
Franken
führen. Dieser fällt an, weil das Unternehmen früher auf
den günstig produzierten Strom des Atomkraftwerks Gösgen
verzichten müsste. "Diese Ergebnisbeiträge finanzieren den
Umbau auf erneuerbare Energieträger mit", erklärt Schafer.
Bei einem Ja zur Initiative müsste der Zubau von Kraftwerken
beschleunigt werden, um die Versorgung sicherzustellen. Weil 2032 die
Gasturbine im Forsthaus ersetzt werden muss, wäre EWB zudem
gezwungen, teuren Strom auf dem Markt einzukaufen, wie Schafer betont.
Kein Geld mehr für die Stadt
In einer Dokumentation rechnet EWB vor, dass der
Wertverlust
jährlich 40 Millionen Franken ausmacht, exakt die Höhe des
durchschnittlich an die Stadt abgelieferten Gewinns. Der
Investitionsdruck würde noch höher, die
Konkurrenzfähigkeit auf dem freien Markt nähme ab. Belastet
würde zudem der Finanzhaushalt der Stadt, und die Kunden
müssten mit markant höheren Stromtarifen rechnen. Die obige
Grafik zeigt, dass selbst mit dem geordneten Ausstieg ab 2039 EWB nur
noch so viel Strom produziert wie nötig.
Umbau läuft bereits
EWB macht darauf aufmerksam, dass der Atomausstieg läuft,
so wie
in der Eignerstrategie vorgesehen. Ab 2013 lieferten die
Kehrichtverwertungsanlage, das Gas- und Dampf-Kombikraftwerk sowie das
Holzheizkraft Forsthaus 380 Gigawattstunden (GWh) Energie. Bereits in
diesem Jahr wurde in Melchnau eine der grössten privaten
Fotovoltaikanlagen in Betrieb genommen. Dazu hat EWB zusammen mit der
BKW einen Windpark in Deutschland erworben. EWB plädiert für
einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie. Auch so werde die Stadt
Bern eine der ersten sein, die auf diesen Energieträger verzichte.
Natalie Imboden, Präsidentin des Grünen
Bündnisses
(GB), ist erfreut, dass EWB den Ausstieg konkret vorantreibt. Für
sie klaffen zwischen 2030 und 2039 nicht Welten: "Wenn die
Investitionen beschleunigt werden, ist das Ziel erreichbar. Aber
tatsächlich könnte dann für die Stadtkasse weniger
abfallen." Trotzdem hält das GB an der Initiative fest.
Christoph Aebischer
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Aargauer Zeitung 4.9.10
Regierung stellt Weichen für Neubau von Beznau3
Richtplan geht mit Änderungen ans Parlament
Von Mitte März bis Mitte Juni ist der Richtplan mit
den
Grundlagen für ein Ersatzkernkraftwerk zur Anhörung
öffentlich aufgelegen. Unter den 602 Eingaben sind auch solche von
grundsätzlichen Gegnern der Atomenergie. So stellte die Allianz
"Nein zu neuen AKW" den Antrag, die ganze Planung sei ersatzlos zu
streichen, denn sie widerspreche dem Bundesrecht. "Diese
Begründung ist nicht nachvollziehbar", schreibt die Aargauer
Regierung. Die Kantone könnten das Richtplanverfahren im freien
Ermessen nutzen.
Der Aargau habe ganz bewusst diesen Weg gewählt, um
den
Bundesbehörden zur Rahmenbewilligung die Bedingungen des Kantons
für einen allfälligen Bau von Beznau3 aufzuzeigen. Wichtigste
Punkte sind dabei die Höhe von maximal 60 Metern für alle
Bauten, der Verzicht auf einen Kühlturm mit Dampffahne, die
Waldrodungen, die Abgeltungen und ein Verbot für den Überflug.
Den Passus mit den Abgeltungen hat die Regierung
gestrichen,
obwohl solche Forderungen aus Kantonssicht zwingend nötig sind.
Allerdings biete das Energiegesetz die richtige Basis, um solche
Abgeltungen für die Gemeinden der Region zu regeln. Verzichtet
wird auf ein Verbot für neue Flugrouten genau über die
Beznau-Halbinsel, weil das mit der Planung des Zürcher Flughafens
zu lösen sei. Die Regierung beantragt eine Verkleinerung der
Waldrodung von 375000 Quadratmetern für die Bauzeit. Weitere
Punkte des Richtplans betreffen die Nutzung der Abwärme für
die Refuna, die Stilllegung der alten Kraftwerke und die Einpassung von
neuen Stromleitungen.
Das neue Wasserkraftwerk ist laut Kanton "weitgehend
unbestritten". Gegen den geplanten Abbruch der über 100 Jahre
alten Pionieranlage der Stromproduktion wehren sich der Aargauer
Heimatschutz und das Bundesamt für Kultur. (Lü.)
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NZZ 4.9.10
Lieber rustikal oder industriell?
Tiefenlager-Anhörung gestartet
ark. · 2030 soll in der Schweiz ein erstes
Tiefenlager
für schwach und mittler strahlende radioaktive Abfälle
eröffnet werden, 2040 muss das Depot für stark strahlende
Abfälle stehen. Das Ziel mag langfristig ausgelegt wirken, aber
der Prozess ist bereits in vollem Gang. Im dreiteiligen
Standort-Auswahlverfahren, das bis 2015 abgeschlossen sein soll, neigt
sich die erste Etappe dem Ende zu. Seit vier Tagen läuft die
Anhörung zu deren Ergebnissen (NZZ 24. 8. 10).
Genaue Teilnehmer-Auswahl
Zum umfangreichen Paket - eine Art Protokoll der
bisherigen
Arbeiten - gehört eine Gesamtbeurteilung der sechs eruierten
Standorte (darunter mit Nördlich Lägern und Zürich
Nord-Ost zwei Gebiete, die hauptsächlich im Kanton Zürich
liegen), aber auch die Resultate sicherheitstechnischer
Überprüfungen. Bis am 30. November können nun
schriftliche Stellungnahmen ans federführende Bundesamt für
Energie (BfE) eingereicht werden.
Die Ergebnisse der Anhörung werden auch in die zweite
Etappe
einfliessen, die voraussichtlich Mitte nächsten Jahres in Angriff
genommen wird und bis Ende 2012 dauern soll. Teil dieses zweiten
Abschnitts ist unter anderem ein sogenanntes Partizipationsverfahren
für die betroffenen Regionen. Im Gebiet Zürich Nord-Ost ist
Markus Baumgartner vom Zürcher Beratungsbüro Richterich und
Partner vom BfE mit den Vorbereitungsarbeiten inklusive der
Startmoderation mandatiert worden. In allen sechs Gebieten soll eine
Regionalkonferenz entstehen, die nicht nur Behördenvertreter,
sondern auch Opposition, Befürworter und andere Gruppen umfasst.
Dabei geht man einigermassen akribisch vor. Um keine wichtige
Gruppierung uneingeladen zu lassen, hat der Bund eine Firma mit einer
"Bestandesaufnahme Sozialstruktur" beauftragt.
Kein demokratischer Prozess
Das Partizipationsverfahren ist aber kein demokratischer
Entscheidungsprozess. Denn entschieden wird die Standortfrage auf
Bundesebene, und eine Volksabstimmung kann höchstens noch auf
diesem Niveau zur Durchführung kommen. Die Einflussnahme der
Regionalkonferenzen beschränkt sich auf Detailfragen. So werde man
im Laufe des Verfahrens unter anderem darüber entscheiden, wie die
Oberflächengebäude eines allfälligen Tiefenlagers
aussehen würden, so Markus Baumgartner. Die Beteiligten werden
also lange vor dem effektiven Standortentscheid darüber befinden
können, ob sie als sichtbares Zeichen eines allfälligen
Tiefenlagers lieber etwas Rustikales oder einen Industriebau
hätten. Auch werde die Frage der Erschliessungsrichtung eine
wichtige Rolle spielen.
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Schweiz Aktuell 2.9.10
Atommüllager: heftige Reaktionen beim Mitwirkungsverfahren
Schon fast zwei Jahre wird diskutiert wo das Tiefenlager
für
radioaktiven Abfall entstehen soll. Experten des Bundes und der Nagra
haben zahlreiche Sicherheitsberichte und Gutachten über die 6
möglichen Standorte erstellt. Jetzt dürfen zum ersten Mal
Bevölkerung, Parteien, Kantone und Verbände Stellung zu den
Plänen beziehen. Das sogenannte "Mitwirkungsverfahren" läuft
bis Ende November. Auftakt machte die Region Bözberg, bereits vor
der Veranstaltung kam es zu heftigen Reaktionen.
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