MEDIENSPIEGEL 7.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturprogramm (DS, Tojo, GH)
- Reitschule bietet mehr: FDP vs Antifa vs Reitschule;
Eigenfinanzierungsgrad
- Schützenmatte: Carterminal leert sich
- RaBe-Info 7.9.10
- Rote Welle 5.9.10
- Alkverbot: Bern; Basel
- Drogen: Geissbühler ≠ Geissbühler
- Taglöhnerei: Perspektive Solothurn
- Verdingt: ArbeitssklavInnen
- Ausschaffungstod: 50'000.--
- Big Brother Video in Thun
- Squat ZH: Annaburg
- Operative Antirepression
- Anti-Atom: Einfluss AKW-Entscheid BRD; LoTi gegen Tiefenlager
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REITSCHULE
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Di 07.09.10
19.00 Uhr - Frauenraum - Rote Spelunke mit
Wädi Gysi &
Lilian Naef (Musik) und Anton Meier (Performance)
Mi 08.09.10
19.00 Uhr - SousLePont - Karibik Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An
Apocalyptic Comedy
von Action Theatre
Do 09.09.10
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
19.00 Uhr - Frauenraum - "Frauenhandel in der Schweiz -
wie sieht der
Schutz der Opfer aus?" Veranstaltung des Bleiberechtskollektivs Bern
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An
Apocalyptic Comedy
von Action Theatre
21.00 Uhr - Rössli - james reindeer, james p honey
(London), babel
fishh (USA), son kas und Das Fest (D)
20.30 Uhr - Grosse Halle - Praed trifft Norient:
Audio-visuelle
Performances
Fr 10.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An
Apocalyptic Comedy
von Action Theatre
23.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: SHANTEL
DJ-Residency - Balkan,
Gypsy
Sa 11.09.10
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE
Frauenkleidertauschbörse abseits der
Modeindustrie, women only
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.00 Uhr - Kino - TATORT REITSCHULE: "Harry hol schon
mal den Wagen" -
2x Derrick Specials!
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An
Apocalyptic Comedy
von Action Theatre
20.30 Uhr - Grosse Halle - Grass:
Dokumentarisch-Nomaden-Kino mit
Live-Vertonung
22.00 Uhr - Dachstock - Gamebois Plattentaufe "Loops".
Support: James
Gruntz (BS), DJ?s Sassy J & Benfay - Soul, Hiphop
So 12.09.10
17.00 Uhr - Grosse Halle - Berner Symphonie Orchester:
Biss zum
Original - Nosferatu
21.00 Uhr - Tojo - Influx Controls von Boyzie Cekwana
(Biennale Bern)
Mo 13.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Influx Controls von Boyzie Cekwana
(Biennale Bern)
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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kulturagenda.be 9.9.10
Shantel ist Resident-DJ im Dachstock
Unterm Dach der Reitschule lodert das Berner Balkan-Feuer. Neben
Konzerten von Balkan- Brass-Grössen wie den Markovics tritt auch
immer wieder der Mann an, der die wilde Blechmusik clubtauglich machte.
Ob live mit seinem Bucovina Club Orkestar oder allein an den
Plattentellern: DJ Shantel mag Bern und Bern mag ihn.
Dachstock in der Reitschule, Bern. Fr., 10.9., 23 Uhr
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kulturagenda.be 9.9.10
Gamebois spielen mit dem Soul
Verspielt, vielseitig und ausgeklügelt: Das zweite Album
der
Berner Gamebois steht für die musikalische Entwicklung zweier
Tüftler. Benjamin Kasongo Katulu, Pablo Nouvelle und Band taufen
"Loops" im Dachstock.
Sie sind Meister der professionellen Werbekampagnen: Auf einem
Kleinlaster kurvten die Gamebois während einer Woche durch die
Schweiz und gaben Kostproben des neuen Albums, "Loops". Auch bei der
Polizei blieb die Guerilla-Tour nicht unbemerkt. "Ein paar Bussen gab
es schon", sagt der Sänger Benjamin Kasongo Katulu lachend.
Aufmerksamkeit erregten Kasongo und der Produzent und Beattüftler
Pablo Nouvelle auch durch medienwirksame Musikförderung: 2007
gewannen sie mit dem Song "If I ever" am M4Music- Festival einen der
grossen Schweizer Nachwuchspreise. Weitere Auszeichnungen folgten. Das
Highlight: Sie gewannen bei "Island-Job", der Promo-Aktion eines
Spirituosenherstellers, einen Videodreh in der Karibik. Mittlerweile
werden sie im Radio rauf- und runtergespielt. "Loops" ist letzte Woche
auf Platz 59 in die Album-Charts eingezogen. "Darauf ausruhen
können wir uns nicht", stellt Kasongo klar.
Festivaltauglich und tanzbar
Bereits das erste Album, "If I Ever" (2008), überraschte
mit
stilistischer Bandbreite und verspielten technischen Effekten, liess
jedoch etwas die musikalische Sorgfalt vermissen. Rückblickend
sagt Kasongo: "Es war ein Schritt ins Dunkle. Viele Songs sind als
Pilotversionen auf dem Album gelandet." Für "Loops" hat sich das
Duo mehr Zeit gelassen. Die Arrangements klingen ausgeklügelter,
die Produktion professioneller. Die Songs wurden gemeinsam mit der Band
entwickelt und spezifische Instrumente vorab eingespielt. Entstanden
ist ein vielseitiges Album aus Soul, Elektropop und R&B.
Während etwa der festivaltaugliche Song "Left" mit einem fast
bluesigen Gitarrenintro beginnt, regt "Life is" mit tanzbaren Beats und
poppiger Melodie zum Mitwippen an. In "I am blind" zeigen sich die
jungen Berner dem House zugeneigt. Trotzdem fügen sich die
gegensätzlichen Tracks durch Kasongos warme, facettenreiche Stimme
und Pablos stets verspielte Beats zu einem harmonischen Ganzen
zusammen. Es fällt auf, dass "Loops" elektronischer ist als das
Debüt. "Das hat mit unseren Inspirationsquellen zu tun", sagt
Kasongo und erzählt, sie hätten zu dieser Zeit besonders viel
Will.i.am gehört.
Möglichst viel spielen
Doch die Gamebois sehen die Entwicklung ihrer Musik als
ständigen
Prozess. Kasongo: "Möglich etwa, dass wir in nächster Zeit
mehr John Mayer hören und unsere Songs dann rockiger werden. " So
sieht sich Kasongo eher in den musikalischen Fussstapfen des
experimentierfreudigen Jamie Lidell, als dass er mit dem Schweizer
Soul-Star Seven verglichen werden möchte. Mit ihm teilt er
lediglich die Inspirationsquellen. Kasongo: "Mit gewissen
Künstlern setzt man sich automatisch auseinander, wenn man Soul
macht." Diese Auseinandersetzung fängt bei Soulklassikern wie
Marvin Gaye und Donny Hathaway an und geht bis zu Neo-Soul-Musikern der
90er-Jahre wie Rashaan Patterson oder D'Angelo.
Nach der Albumproduktion stehen für die Gamebois nun
Konzerte im
Vordergrund: Nach der Plattentaufe möchten sie den
Röstigraben überqueren und an den grossen Festivals
auftreten. Kasongo: "Hauptsache, spielen, spielen und nochmals spielen."
Regine Gerber
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Dachstock in der Reitschule, Bern
Sa., 11.9., 22 Uhr
http://www.dachstock.ch
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kulturagenda.be 9.9.10
"Dying for Oil, Gods and iPods" im Tojo
Roger und Judy machen sich auf den Weg, um herauszufinden, wer
für
den schrecklichen Zustand der Welt verantwortlich ist. Mit Hilfe eines
äusserst vielseitigen iPods treffen sie auf allerhand
Verschwörungstheorien und zwielichtige Gestalten der
Weltgeschichte. Eine apokalyptische Comedy von Action Theatre.
Tojo Theater, Bern. Mi., 8., bis Sa., 11.9., 20.30 Uhr
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kulturagenda.be 9.9.10
Ein Weltreisender hält sich auf Trab
Der Berner Komponist Simon Hostettler lebt zwar in Brüssel,
momentan ist er in seiner
Heimatstadt aber sehr präsent. Porträt eines
Grenzgängers im wörtlichen und im
übertragenen Sinn.
"
Über 25 Jahre lang eine Band zu haben wie Henk Hofstede,
ich
glaube, ich könnte das gar nicht", sagt Simon Hostettler, "ich
mache zu viele verschiedene Dinge." Einen immer noch
verhältnismässig bescheidenen Einblick in sein Schaffen kann
und konnte man aktuell in Bern erleben. Als vor zwei Wochen Patent
Ochsner und das Berner Symphonieorchester zusammen auf dem Bundesplatz
spielten, stammten die Arrangements dazu von Hostettler. "Ein
spannender Auftrag", sagt der Komponist, der auch regelmässig
Theater- und Filmmusik schreibt.
Anschliessend war er unter dem Titel "Spoon River Project" mit
seinem
Ho Orchestra unterwegs. Das ist eine Art Band mit gehobenem Anspruch,
in der auch Nits-Mastermind Henk Hofstede mitwirkt. Und nun tritt
Hostettler, kurz Ho genannt, mit einem weiteren seiner Projekte auf:
Travesías. Das multinationale Sextett, dessen Mitglieder aus
drei Kontinenten stammen, gründete Ho vor drei Jahren unter
anderem mit Lorenz Hasler von den Salonisti.
Anders aufgeladen
"Im Moment lebe ich persönlich mitten in Travesías,
in
Übergängen", erklärt Ho. Vor drei Jahren begann er
damit, Texte südamerikanischer Dichter zu vertonen rund um die
Themen Heimat, Immigration, Emigration, "um das Unterwegssein an einem
Ort, an dem man nicht geboren wurde", wie er es zusammenfasst. Kurz und
gut: Travesías ist Name und Programm zugleich und dreht sich um
ein zentrales Element im Leben von Simon Ho. Nachdem der Komponist eine
Zeit lang in New York gelebt und gearbeitet hatte, kehrte er nach Bern
zurück. "Ich merkte aber schnell, dass ich in einer Stadt leben
muss, die mich anders auflädt als Bern." Hier wäre er zu sehr
zur Ruhe gekommen, und das wolle er im Moment überhaupt nicht. Der
Kontakt zur Heimatstadt reisse deswegen nicht ab: "Ich habe ja trotzdem
Aufträge hier, Konzerte, Familie, und Freunde."
Auf der Suche nach einer neuen Bleibe wurde Ho in Brüssel
fündig. Ursprünglich habe er an Paris, Amsterdam oder Berlin
gedacht. Doch in den ersten beiden Städten, in denen er jeweils
mit Musikern zusammenarbeitet, konnte er die Mieten nicht bezahlen. Auf
die Einladung eines Freundes, der in der Hauptstadt Belgiens lebt,
reiste er deshalb nach Brüssel und schwärmt: "Ich mietete
eine Wohnung, die ich mir in Bern nie leisten könnte."
Brüche für die Schönheit
Doch Brüssel bietet mehr als günstigen Wohnraum. Er
sei ein
Nobody dort, das halte ihn auf Trab. Ausserdem sei die Stadt
geografisch günstig gelegen, verfüge über eine grosse
Kulturszene und sei multikulturell: "In gewissen Vierteln hat man das
Gefühl, in Marokko zu sein oder im Kongo. Überhaupt ist
Brüssel voller Brüche. Du gehst um eine Ecke und stehst einer
komplett anderen Architektur gegenüber. Solche Brüche brauche
ich, damit ich schöne Musik komponieren kann. Wenn alles rundherum
schön ist, wird meine Musik kantiger - man braucht doch einen
Kontrast", sagt Ho und lacht. Das mit der schönen Musik darf man
übrigens ernst nehmen. Das Faszinierende an Hostettlers
Kompositionen ist, wie sich in seiner Handschrift die Stile vermischen:
Ein Bauchgefühl für Pop grundiert oft die Arbeiten, in denen
sich die Offenheit des Jazz für Experimente und das ausgefeilte
Handwerk der Klassik spiegeln. Er komme, vielleicht liegt darin ein
Schlüssel zu seiner Musik, beim Reisen auf andere Gedanken.
Plötzlich relativiere sich, was zuvor in Stein gemeisselt schien.
Aufwand zahlt sich aus
So ist die Offenheit des Reisenden bei Ho Programm. Über
Amparo
del Riego, die kubanische Cellistin von Travesías, ergab sich
die Zusammenarbeit mit einer dortigen Musik-Sekundarklasse. Nach drei
Konzerten in Kuba bringt man die vierzigköpfige Klasse nun
für zehn Auftritte in die Schweiz. Mit zusätzlichen
Streichern, Holz- und Blechbläsern, einer Rhythmusgruppe und einem
Chor interpretiert das Sextett seine Lieder, die ursprünglich als
Kammermusik mit Folklore-Einfluss entstanden. "Natürlich bedingt
mein Leben mehr Aufwand", erklärt Ho, "aber das hat sich für
mich immer ausgezahlt. In Kuba hat mich zum Beispiel der kulturelle
Background der Jungen sehr beeindruckt. Bei uns muss man eher
aufpassen, dass er der jungen Generation nicht verloren geht."
Silvano Cerutti
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o Münster, Bern. Fr., 10.9., 10 Uhr
o Aula Gymnasium Kirchenfeld, Bern
Mo., 13.9., 17 Uhr
o Grosse Halle, Reitschule, Bern
Mi., 15.9., 20 Uhr
Weitere Daten unter http://www.travesias.ch
Die Kulturagenda verlost Tickets für den Auftritt in der
Reitschule.
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REITSCHULE BIETET MEHR
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bernerzeitung.ch 7.9.10
FDP Bern befürwortet Verkauf der Berner Reitschule
sda / vh
Die FDP der Stadt Bern befürwortet die
Volksinitiative,
welche die Schliessung und den Verkauf der Berner Reitschule an den
Meistbietenden fordert.
Die Stadtpartei fasste am Montagabend die Ja-Parole, wie
sie am
Dienstag mitteilte.
Nach "eingehender Diskussion" hätten 38 Mitglieder
für
ein Ja zur Initiative der Jungen SVP gestimmt, 9 dagegen und zwei
Personen hätten sich der Stimme enthalten, heisst es weiter. Die
FDP habe sich vor allem deshalb für die Ja-Parole entschieden,
weil sich die Reitschule "seit Jahren" weigere, sich von der
Antifa-Bewegung zu distanzieren.
Auch gewährten die Betreiber des autonomen
Kulturzentrums
"nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten Unterschlupf", schreibt
die FDP. Die Initiative kommt am 26. September vors Volk.
---
fdp-stadtbern.ch 6.9.10
Parolenfassung der FDP. Die Liberalen Stadt Bern für die
Gemeindeabstimmung vom 26. September 2010
Die FDP. Die Liberalen Stadt Bern hat an ihrer Parteiversammlung
vom
6..9.2010 die folgenden Beschlüsse gefasst:
- Die Finanzierung der öffentlichen Räume im
WankdorfCity;
Kreditaufstockung wurde mit 42 Ja und 2 Enthaltungen zugestimmt
Die Kreditaufstockung wird für den Entwicklungsschwerpunkt
Wankdorf und im Hinblick auf die Stadtentwicklung als wichtig erachtet.
- Die Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule!" wurde
mit 38
Ja, 9 Nein und 2 Enthaltungen zugestimmt
Nach eingehender Diskussion überwog der Umstand, dass sich
die
Reitschule seit Jahren weigert, sich von der Antifa Bewegung zu
distanzieren und nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten
Unterschlupf gewährt, so dass sie sich der Polizeiverfolgung
entziehen können.
---
BZ 7.9.10
Reitschule Bern
Viel Kultur für relativ wenig Geld
Wie sieht das Kulturangebot der Reitschule aus? Und wie
viel
kostet es den Steuerzahler? Ein Überblick vor der Abstimmung.
Mit dem Werbespruch "Die Reitschule bietet mehr" wehren
sich die
Reitschüler gegen die SVP-Initiative vom 26. September, die den
Berner Kulturort an den Meistbietenden versteigern will. Aber trifft
dieser flotte Slogan tatsächlich zu? Das Angebot der Reitschule
ist vielfältig: Konzerte, Partys, Theater, Filme, Performances,
Flohmärkte, Kinder- und Sportveranstaltungen werden von bis zu 115
000 Interessierten pro Jahr besucht.
Die Reitschule ist damit die einzige Berner
Kulturinstitution,
die so viele verschiedene Kultursparten unter einem Dach vereint. Und
dies erst noch zu einem vernünftigen Preis: Die Berner
Steuerzahler kostet die Reitschule rund 665 000 Franken jährlich,
wovon der grösste Teil an die Mietkosten geht, die die Stadt
übernimmt. Zum Vergleich: Das Stadttheater kostet die Stadt Bern
jährlich über 9 Millionen Franken. Der Eigenfinanzierungsgrad
der Reitschule ist mit über 50 Prozent ebenfalls höher als
bei den meisten Berner Kulturinstitutionen.
lm
Seite 23
--
Abstimmung Reitschule-Initiative
Von Heavy Metal bis Power-Yoga
"Wir bieten mehr": So wirbt die Reitschule in eigener
Sache im
Vorfeld der Abstimmung über die SVP-Initiative. Doch was genau
bietet die Reitschule? Viel alternative Kultur für relativ wenig
Geld von der öffentlichen Hand.
"Die Reitschule bietet mehr." Es ist die ideale Antwort
auf die
SVP-Initiative, die die Reitschule an den Meistbietenden versteigern
will. Gleichzeitig schreit dieser flotte Werbespruch geradezu danach,
das kulturelle Angebot in der Reitschule genauer unter die Lupe zu
nehmen. Heisst "mehr bieten" einfach "Kultur bieten"? Oder bietet die
Reitschule gar mehr Kultur als andere Berner Veranstalter?
Das Kulturangebot der Reitschule ist jedenfalls breit gefächert -
von Konzerten über Stangentanz bis zu Kinderveranstaltungen -, und
das Reitschule-Gebäude ist weitläufiger, als manch einer
ahnen mag. Eine Übersicht:
Dachstock: Bis zu 750 Leute können hier Konzerte und
Partys
besuchen. Schweizer Rock-, Pop- und Hip-Hop-Grössen treten genauso
wie internationale Bands auf, und angesagte Berner Musiker, zuletzt
Steff La Cheffe und Greis, taufen hier ihre Platten. Jährlich
finden rund 100 Veranstaltungen statt, die von 50 000 Leuten besucht
werden.
Tojo-Theater: Hier erhält der Schweizer Nachwuchs aus
den
Sparten Theater, Tanz, Performance und Kleinkunst eine Plattform.
Letztes Jahr kamen über 10 000 Zuschauer. Die meisten
Aufführungen sind Gastspiele.
Kino Reitschule: In diesem kleinen Kinosaal werden
thematische
Filmzyklen gezeigt, wobei der Fokus auf heimischem Schaffen und dem
Dokumentarfilm liegt. Zurzeit läuft die Krimireihe "Tatort
Reitschule". Auch Filmfestivals finden hier statt, etwa das
schwul-lesbische "Queersicht".
Rössli-Bar: Das Musikprogramm ist eher experimentell,
meist
finden im Rössli Konzerte der etwas exzentrischen Art statt, von
Heavy Metal über Worldmusic bis Hip-Hop.
Frauenraum: Zwar gibt es nach wie vor Veranstaltungen
speziell
für Frauen (Disco), aber die meisten Konzerte, Lesungen, Theater
oder Performances sind für beide Geschlechter offen, sowohl auf
der Bühne wie im Zuschauerraum.
Grosse Halle: Dieser Raum bietet Platz für 2300
Leute. Er
kann gemietet werden und wird entsprechend multifunktional genutzt:
Grosse Technopartys und Konzerte (Kraftwerk, Chemical Brothers) gehen
hier genauso über die Bühne wie Stummfilmvertonungen,
Veranstaltungen für Kinder und Flohmärkte. Im letzten Jahr
hatte die Grosse Halle rund 30 000 Besucher.
Dojo: Auch Sport gehört in die Reitschule - von
Selbstverteidigung Wing Tsun über Power-Yoga bis Pole-Dance, dem
trendigen Tanz an der Stange.
Sous le Pont: Das kollektiv betriebene Restaurant serviert
bioausgerichtete Küche.
Schreinerei/Druckerei: Kleinere Unterhaltsarbeiten werden
in der
hauseigenen Schreinerei erledigt, die auch externe Aufträge
annimmt - wie die Druckerei, wo die Hauszeitung "Megafon" gedruckt wird.
Infoladen: Neben Infomaterial findet man hier eine kleine
Bibliothek und kann Vorträge besuchen.
Hohe Eigenfinanzierung
All dies kostet die städtischen Steuerzahler rund 665
000
Franken jährlich, wovon der grösste Teil an die Mietkosten
geht, die die Stadt übernimmt (siehe Tabelle). Der
Eigenfinanzierungsgrad der Reitschüler ist mit über 50
Prozent entsprechend hoch - auch im Vergleich zu anderen Berner
Kulturinstitutionen (siehe Box). Wie ist das möglich? Während
zum Beispiel das Berner Symphonieorchester Eigeneinnahmen in erster
Linie aus Eintritten und Sponsoring generiert, kann sich die Reitschule
überdies mit der Raumvermietung und dem Barbetrieb finanzieren.
Letztere Einnahmen werden hausintern möglichst solidarisch
aufgeteilt. Zudem arbeiten viele Freiwillige im Reitschule-Betrieb mit.
Für jüngeres Publikum
Bleibt die Frage nach der Konkurrenz. Denn insbesondere
mit der
Dampfzentrale und dem Veranstalter bee-flat bestehen im Konzertbereich
Überschneidungen. Sabine Ruch vom Dachstock der Reitschule ist
sich dieser Situation bewusst. Doch gleichzeitig betont sie: "Wir
graben uns gegenseitig nicht das Publikum ab. Die Konkurrenz
beschränkt sich auf einige wenige Musikacts, und meist sprechen
wir uns im Vorfeld untereinander ab."
So betrachtet ist der Slogan "Die Reitschule bietet mehr"
vielleicht etwas kühn. Tatsache aber ist, dass es in Bern keinen
anderen Ort gibt, der so viele verschiedene Kultursparten unter einem
Dach vereint. Vor allem für ein jüngeres Publikum bietet die
Reitschule ein attraktives Angebot, und dies - verglichen mit anderen
Berner Kulturinstitutionen - für relativ wenig Steuergeld.
Lucie Machac
--
Eigenfinanzierungsgrad
Kultur ohne Subventionen gibts kaum
Gute Kultur sei Kultur, die sich selber finanziert, also
ohne
Subventionen auskommt: So wirbt SVP-Grossrat Erich Hess für seine
Initiative zur Schliessung der Reitschule. So betrachtet müsste
praktisch jeder Kulturbetrieb in Bern schliessen. Allen voran die hoch
subventionierten Häuser der Hochkultur: So deckte zum Beispiel das
Stadttheater letzte Saison bloss 21,5 Prozent seiner Aufwände mit
eigenen Erträgen; den grossen Rest machen die Subventionen von
23,8 Millionen Franken aus. Die Reitschule mit ihren 665 750 Franken
Subventionen weist demgegenüber einen Eigenfinanzierungsgrad von
über 50 Prozent aus. Auch mit der Reitschule vergleichbare
Häuser geschäften weniger rentabel: Die Dampfzentrale etwa
erreicht einen Eigenfinanzierungsgrad von 44 Prozent.
azu
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SCHÜTZENMATTE
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BZ 7.9.10
Twerenbold-Reisen
Lyssach als Ein- und Ausstiegsplatz
An der Schachenstrasse in Lyssach baut die Reisefirma
Twerenbold
für ihre Kunden einen Carterminal mit Bistro und Büros.
Die Profile stehen bereits: Bei der Auto Gautschi AG an
der
Schachenstrasse zwischen Lyssach und Burgdorf plant das
Reiseunternehmen Twerenbold aus dem aargauischen Rütihof einen
Neubau. Entstehen soll ein Reisestützpunkt mit Bistro,
Grossraumbüro, Buseinstellhalle und Aussenparkplätzen, wie
dem Baugesuch im "Anzeiger" zu entnehmen ist.
Zumutung Schützenmatte
Der Kiesplatz, auf dem der Twerenbold-Terminal erstellt
werden
soll, diene der Firma seit drei Jahren als Zu- und Aussteigeort
für ihre Pauschalkunden, sagt Geschäftsleiter Heinz Weber.
Zuvor habe man dafür die Schützenmatte in Bern genutzt. "Aber
dieser Platz ist zu einer Zumutung geworden", sagt Weber. "Wir konnten
es unserer Kundschaft nicht weiter zumuten, inmitten der Drogenszene
ein- und auszusteigen." Abgesehen davon sei die Fahrt in die Innenstadt
sehr zeitaufwendig gewesen. "Das zentral an der Autobahn gelegene und
problemlos erreichbare Lyssach ist dafür wesentlich besser
geeignet."
Platz für acht Cars
In den Terminal können laut Weber acht Cars
untergebracht
werden. Durch den Reisestützpunkt werden sechs bis acht
Arbeitsplätze geschaffen. Twerenbold investiert in den Neubau -
der auch eine Wohnung umfasst - rund zwei Millionen Franken. Das Land
am Stuckiweg habe das Unternehmen "schon vor längerer Zeit"
gekauft, sagt der Geschäftsleiter. Falls das
Baubewilligungsverfahren planmässig abgewickelt wird, soll der
Terminal im nächsten Frühling stehen.
Grosser Player
Die vor 115 Jahren gegründete Firma unterhält
eine
eigenfinanzierte Carflotte, drei Schiffe für Kreuzfahrten und zwei
Reisebüros. Sie beschäftigt 150 Mitarbeitende und ist nach
eigenen Angaben "einer der grössten Reisebusanbieter der Schweiz".
Dividenden an die Aktionäre hat das Unternehmen in
den
letzten Jahren nicht ausbezahlt. "Die Gewinne wurden in den Betrieb
investiert. So ist es möglich, unsere Firma unabhängig von
den Banken zu entwickeln", teilt Verwaltungsratspräsident Werner
Twerenbold auf der Homepage des Unternehmens mit.
jho
Die Unterlagen liegen noch bis am 4. Oktober auf der
Gemeindeverwaltung Lyssach auf.
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RABE-INFO
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Di. 7. September 2010
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_7._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%207.%20September%202010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_7._September_2010.mp3
- Greenpeace protestiert vor der japanischen Botschaft: Zwei
Aktivisten
wurden verurteilt, weil sie einen Walfang-Skandal aufgedeckt hatten
- Gesundheit soll kein Luxusgut sein: Neu gibt in den
Caritas-Märkten auch frisches Gemüse
- Rundgang durch die Reitschule: Besuch in der Druckerei
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ROTE WELLE
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Indymedia 7.9.10
Rote Welle vom 5. September 2010 ::
AutorIn : Revolutionärer Aufbau Schweiz: http://aufbau.org
Aktuelle Sendung (05.09.2010)hier anhören:
http://lora.ch/sendungen/aktuelle-sendungen?mode=2&terms=&list=Offener+Politkanal%3A+Rote+Welle
Themen:
- Infos zum 10. Antifaschistischen Abendspaziergang in Bern (ab
13.29)
- Streik bei ISS - Bericht aus Genf
- Mobilisierung gegen die Nazi-Demo in Dortmund
- Interview mit Marco Camenisch aus dem
Hochsicherheitsgefängnis
Regensdorf
- Über die Kampagne Langzeitgefangene
- Aktuelle Entwicklungen im Baskenland
- Zur Firma "Aegis", welche "Sicherheitsdienste" insbesondere im
Irak
anbietet
- Und natürlich: kommende Termine
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ALKVERBOT
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20 Minuten 7.9.10
Junge gegen Alkohol-Verbot
BERN. Beim Thema Alkohol sind sich die Stadtberner
Jungpolitiker
für einmal von links bis rechts einig: In der Stadt soll auch im
öffentlichen Raum weiter gebechert werden dürfen. Nachdem der
Städteverband bekannt gab, dass er sich für ein Trinkverbot
im öffentlichen Raum einsetzen will, gehen die Jungpolitiker jetzt
auf die Barrikaden. In einem Vorstoss wehren sich etwa die Juso gegen
die "in erster Linie gegen Jugendliche gerichtete Verbots- und
Bevormundungskultur" - und sind damit auf einer Linie mit den
Jungfreisinnigen und der Jungen SVP. "Die Stadtbevölkerung
würde einmal mehr mit einem sinnlosen Gesetz bevormundet", so der
jungfreisinnige Stadtrat Bernhard Eicher.
Auch Präventionsexperte und Grossrat Ruedi
Löffel
hält wenig von solcher Symptombekämpfung. "Besser wären
höhere Steuern und ein Mindestalter von 18 Jahren für alle
Alkoholika." NJ
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Basler Zeitung 7.9.10
Umstrittene Trinkverbote
Dauerhafte Massnahmen wie in Birsfelden gehen wohl zu weit
Michael Rockenbach
Nächtliche Saufgelage bedeuten häufig auch
Lärm,
Abfall und manchmal sogar Gewalt. Dagegen gehen die Behörden in
der Schweiz ganz unterschiedlich vor. Und manchmal schlagen sie dabei
sogar selber über die Stränge.
"Grauenhaft!" "Nicht schon wieder eine Bevormundung!"
"Typisch
Verbotsgesellschaft!" Für einmal waren sich die Schweizer
Jungsozialisten und die rechtsbürgerliche IG Freiheit einig: Auf
öffentlichen Plätzen darf es keine weiteren Alkoholverbote
geben. Mit ihren Stellungnahmen reagierten die Jungsozialisten und die
IG Freiheit auf die Forderung des Städteverbandes nach einer
entsprechenden Grundlage im Bundesgesetz.
Die neue Bestimmung soll verhindern, dass der Kampf gegen
den
Alkohol weiterhin ganz unterschiedlich geführt wird in der
Schweiz. Am striktesten ist Chur, wo es seit 2008 ab Mitternacht
verboten ist, auf den Strassen und Plätzen Alkohol zu trinken. Ein
ähnliches Verbot für bestimmte Gebiete wird nun auch in
Zürich und Luzern geprüft, Zug hat es am See teilweise schon
eingeführt. In der Region Basel ging vor allem die Gemeinde
Birsfelden rigoros gegen nächtliche Ruhestörer vor, indem sie
über das Birschöpfli ein Aufenthaltsverbot verhängte,
das jeweils ab 22 Uhr gilt.
Nicht verhältnismässig
Bei den vielen verschiedenen Bestimmungen ist der Wunsch nach
einer
Bundeslösung nachvollziehbar. Der Bundesrat will allerdings nichts
davon wissen - weil der Bund laut Verfassung zwar den Handel mit
Alkohol regeln darf, nicht aber den Konsum. Das sei Sache der Kantone
und Gemeinden, stellte die Landesregierung in den Erläuterungen
zur laufenden Revision des Alkoholgesetzes fest. Immerhin kommt der
Bundesrat dem Städteverband aber so weit entgegen, dass er den
Erläuterungen ein Musterreglement beigelegt hat.
Darin ist von einem "örtlich und zeitlich
beschränkten
Alkoholverbot" die Rede. Erlassen werden könnte es von den
Behörden, falls "eine ernsthafte Gefährdung von
Drittpersonen" besteht oder mit einem "organisierten
Massenbesäufnis" gerechnet werden müsste. Nicht empfohlen
wird dagegen ein dauerhaftes Verbot, wie es in Birsfelden, Chur und Zug
bereits verhängt worden ist. "Das ist ein Eingriff in die
Grundrechte, der durch das öffentliche Interesse an der Sicherheit
gerechtfertigt und verhältnismässig sein müsste", sagt
Nicolas Rion von der Eidgenössischen Alkoholverwaltung.
Harassenlauf
Für die Region heisst das, dass sich die Behörden in
Birsfelden ernsthaft die Frage stellen sollten, ob sie im Kampf gegen
die nächtlichen Gelage nicht selber über die Stränge
geschlagen haben. Bestätigt fühlen können sich dagegen
die Baselbieter Sicherheitsdirektion und die Behörden von Reinach
und Münchenstein, die den Harassenlauf in diesem Jahr mit einem
Alkoholverbot an der Birs weitgehend verhinderten; einem Verbot, das -
basierend auf den kommunalen Polizeireglementen - nur am 1. Mai galt.
Gut möglich, dass solche Verbote nun auch in anderen Gemeinden ein
Thema werden. Die Baselbieter Gesundheitsdirektion hat sich in ihrem
Namen bei einer früheren Umfrage der
Gesundheitsdirektorenkonferenz jedenfalls bereits für die
"Schaffung einer rechtlichen Grundlage für alkoholfreie Zonen"
ausgesprochen.
Kein Interesse haben dagegen die Basler Behörden
angemeldet.
In der Stadt kommt ein generelles Verbot nicht infrage, wie Klaus
Mannhart, Sprecher der Justiz- und Sicherheitsdepartements, sagt: "Wer
im Rauschzustand Ärgernis erregt, wird gebüsst, alle anderen
sollen bei uns nicht bestraft werden."
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DROGEN
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Bund 7.9.10
Korrigendum
Familiäre Verwechslung
(pkb)
Im Text "Artikel von Drogenarzt. . ." im "Bund" vom 4. 9.
stand
fälschlicherweise, SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler
sei Präsidentin der "Schweizer Vereinigung Eltern gegen Drogen".
Doch Geissbühler ist Co-Präsidentin des "Dachverband
Drogenabstinenz Schweiz". "Eltern gegen Drogen" präsidiert
SVP-Grossrätin Sabina Geissbühler-Strupler, die Mutter von
Andrea Geissbühler. (mzi)
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TAGLÖHNEREI
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Grenchner Tagblatt 7.9.10
Glück hat nur, wer Rot sieht
Augenschein In der Taglöhnerei der Perspektive gelten
ganz
eigene Gesetze
In der Taglöhnerei der Perspektive gehts jeden Morgen
um -
Jobs. Ein Blick in die Welt jener Menschen, die eine Perspektive
für jeden neuen Tag suchen.
Andreas Kaufmann
Um acht Uhr morgens surrt das Schloss der
Sicherheitstüre
und eine Schar von Männern, vereinzelt auch Frauen, strömt
ins Innere. Rechts abbiegen, da gehts in die Cafeteria mit
Gratis-Kaffee. Allmorgendliche Rituale, wie sie für einen
regulären Arbeitsbetrieb üblich sind. Man kennt die
Abläufe, hat sie verinnerlicht. Aber was wie ein gewöhnlicher
Start in den Arbeitstag anmutet, spielt sich in Wirklichkeit in einem
besonderen Umfeld ab. Denn die Taglöhner der Perspektive Region
Solothurn wissen nicht, was heute auf sie an Arbeit zukommen
könnte - und ob.
Flauten und Spitzenzeiten
"Wir hätten für zwei eine Züglete, bei der
es
anzupacken gilt", ruft die Disponentin hinter dem Podest in die Runde.
Bereits hat der aromatische Duft von Kaffee die Luft erfüllt. Vier
Hände gehen nach oben, jetzt wird ausgelost. Ironie des
Schicksals: Sie, die zeitlebens selten das grosse Los gezogen haben,
nehmen an einer täglichen Verlosung mit grossen Gewinnchancen teil
- an einer Verlosung um Arbeit. Rote "Töggu" verheissen
Glück, bei grünen geht man leer aus. "Zwar gibts meistens
für jeden was", bestätigt Mireille Graf, Zuständige
für Arbeitseinsätze bei der Perspektive Region Solothurn. In
den Sommermonaten bestehe sogar ein Mehrbedarf an Arbeitskraft, die man
nicht völlig abdecken könne: "Lediglich im Januar und Februar
gehen zuweilen einige Taglöhner leer aus." Besondere Spitzen gibt
es während der offiziellen Zügeltermine im April und Oktober.
"Fötzle" oder "littern"?
Es herrscht meistens eine familiäre Stimmung in der
Cafeteria. Nur ab und zu und dann vor allem bei alkoholisierten
Taglöhnern kommt es vor, dass mal einer ausruft - gerade, wenn man
bei der Jobvergabe einmal leer ausgeht. Eines haben die allermeisten
gemeinsam: ein Suchtproblem - von Alkohol über Kokain bis Heroin.
Oder dann macht sich dieses in Form gesundheitlicher Altlasten
bemerkbar. Zumindest während der Arbeitszeit haben sie "clean" zu
bleiben. Marco C.* nimmt am Programm für
Gemeindearbeitsplätze (GAP) teil. Im Gegensatz zu den
Taglöhnern haben diese Arbeitskräfte eine Beschäftigung
auf sicher. So wird dort meistens "gfötzlet" oder "gelittert", wie
es so schön heisst. Mit Klammer bewaffnet nimmt auch Marco C.
seine tägliche Tour in Angriff, um die Fusswege von Abfall zu
befreien. Das Anti-Littering-Gesetz hat den GAP-Teilnehmern keine
Arbeit weggenommen. Es ist so schmutzig wie eh und je, und für
einmal ist jemand nicht ganz unglücklich darüber.
"Auf der anderen Seite sind viele Leute dankbar für
unsere
Arbeit und stecken mir hie und da einen Batzen zu", erzählt Marco
C. Nicht zuletzt solche Gesten stärken auch sein
Arbeitsengagement: "Wenn in der Blauen-Post-Unterführung mal eine
Birne kaputt ist, melde ich das jeweils selbst der Regio Energie, die
dafür auch dankbar ist."
Doch auch argwöhnische Blicke einiger Passanten muss
der
37-Jährige zuweilen auf seiner "Fötzeli"-Tour aushalten. Oder
dann schmerzt seine Hand von der immer gleichen Bewegung. "Doch
insgesamt bin ich sehr froh, einen Job zu haben, eine feste Tour." Dem
steten Leben ging ein turbulentes voraus: "Ich wohnte immer wieder
irgendwo anders. In Solothurn bin ich dann in die Drogen
abgestürzt." Diese Arbeit lenkt ihn von der Sucht ab, die sich
jeden Morgen beim Gang zur kontrollierten Heroinabgabe von neuem
äussert. Und spätestens, wenn seine Tour am Amthausplatz
vorbeiführt, wird er auch mit seinem alten Leben, seinen alten
Freunden konfrontiert: "An den Leuten komme ich halt nicht vorbei."
"Daheim würde ich versauern"
Auch im Leben des Taglöhners Kurt B.* ist im
Vergleich zu
früher einiges ins Lot gekommen. Nicht zuletzt dank einem
einschneidenden Entscheid, wie er schonungslos erzählt: "Als ich
vor acht Jahren 40 wurde, sagte ich mir: Entweder kriegst du es jetzt
auf die Reihe oder aber gibst dir den Schuss, aber nicht in den Arm,
sondern in den Kopf." Gesundheitlich gehts ihm heute besser, auch dank
Methadon. Lediglich mit Kreislaufproblemen kämpft er. "Aber
Spritzen fasse ich keine mehr an", versichert er. Gearbeitet habe er
immer wieder, Kurt B., der damals die Gärtnerlehre mit Bravour
abgeschlossen hatte. Und so ist er auch heute froh, dass es so ist: "Zu
Hause würde ich versauern, bis um 11 liegen bleiben und TV
schauen. Es ist gut, dass ich hier ab und zu einen Job fassen kann."
Und auch für ihn ist der Grundsatz heilig: "Während der
Arbeit bleibt man clean, gerade auch wegen der Unfallgefahr." Kurt B.
glaubt auch, dass jeder es aus der Misere rausschaffen kann: "Es ist
nie zu spät - für niemanden."
* Namen der Redaktion bekannt
Gassenrundgang: Am nächsten Samstag findet ab 11 Uhr
ein
zweistündiger Gassenrundgang durch Solothurn im Hinblick auf die
Lebenswelt von Suchtbetroffenen statt. Treffpunkt ist der Amthausplatz.
--
Er überwacht die Aufträge
Um die Taglöhner auf ihren Einsätzen zu
betreuen, kommt
der sozialpädagogisch ausgebildete Vorarbeiter Nicolas Ducommun
zum Einsatz: "Die Tätigkeit des Arbeitsagogen beinhaltet immer
auch einen Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialem Auftrag.
Beidem gerecht zu werden, ist alles andere als einfach." So teilt
Ducommun die Arbeitskräfte entsprechend ihren Fähigkeiten
ein, begleitet die Leute auf ihrem Einsatz und hat auch ein offenes Ohr
für private Anliegen. Andererseits muss er der Verpflichtung
gegenüber den Kunden Rechnung tragen, die bei der Perspektive
Region Solothurn um Manneskraft anfragen. "Dabei gilt es, den Auftrag
auch zu überwachen." So machen sich drogenbedingt körperliche
Schwächen und Stimmungsschwankungen bemerkbar. "Oft sind sich
nämlich die Kunden nicht vollends im Klaren, was sie erwartet."
Dennoch sieht Ducommun in den Arbeitseinsätzen einen
Nutzen
für alle - nicht nur für die anfragenden Kunden: "Arbeit
bietet Stabilität und ist persönlichkeitsbildend. Und gerade
bei den Teilnehmern der Gemeindearbeitsplätze lässt sich auch
die Selbstständigkeit fördern." Und einer der wichtigsten
"Nebeneffekte" der Arbeit: "So holt man sie von der Flasche oder
Spritze weg, und sei es nur für ein paar Stunden." (ak)
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VERDINGT
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20 Minuten 7.9.10
Verdingbub: "Niemand hat je richtig für mich geschaut"
STEFFISBURG. Mit einem lauten Knall ruft der
Selbstmordversuch
eines ehemaligen Verdingbuben ein grosses Unrecht in Erinnerung. Die
Berner Kantonsregierung soll sich nun entschuldigen.
B.K.* kann nicht mehr. Er stellt eine Gasflasche auf den
Herd und
hofft, dass ihn die Explosion endlich in den Tod reisst. Doch der
Selbstmordversuch geht schief: B. K. wird am Sonntag nach der
Gasexplosion in Steffisburg nur leicht verletzt ins Spital eingeliefert
(20 Minuten berichtete). "Körperlich geht es ihm den
Umständen entsprechend gut", sagt Kapo-Sprecherin Ursula Stauffer.
Schlimmer steht es um den psychischen Zustand des 53-Jährigen: Er
hat die Leiden seiner Jugend als Verdingbub nie verwunden und immer
wieder Suizidversuche unternommen.
Dieses Schicksalsmuster ist Grossrätin Christine
Häsler
(Grüne) bekannt: "Manche Verdingkinder erlebten so viel Leid,
Gewalt und Not, dass sie ihr Leben nie in den Griff bekommen." Ein
hoffnungsloser Fall sei er, sagt B. K. in einem Porträt, das im
März im Strassenmagazin "Surprise" erschienen ist: "Richtig
geschaut hat nie jemand für mich, nicht die Eltern und auch nicht
der Staat."
So wurden im Bernbiet Zehntausende Kinder als
Arbeitssklaven zu
Bauern abgeschoben. "Die damaligen Behörden haben sich schuldig
gemacht", sagt Häsler. Sie verlangt deshalb mit einem Vorstoss,
dass sich der Kanton offiziell entschuldigt. Zudem soll ein Fonds
geschaffen werden, der den Opfern Hilfe bietet. Mit einem
ähnlichen Vorschlag von Peter Bühler (SVP) befasst sich
demnächst das Berner Stadtparlament.
PATRICK MARBACH
*Name der Redaktion bekannt
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Verdingkinder in TV und Kino
TRUB. Misshandelt, ausgebeutet, gedemütigt: Was
Verdingkinder wie B. K. erleiden mussten, ist traurig, aber trotzdem
filmreif. Am 22. September beginnen im Emmental die Dreharbeiten zu
Markus Imhofs Spielfilm "Der Verdingbub". Als Kulisse wird ein
Bauernhof im Stil der 50er-Jahre hergerichtet. Mit dem Thema
Verdingkinder befasst sich heute auch die Sendung "Club" auf SF 1.
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AUSSCHAFFUNGEN
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Basler Zeitung 7.9.10
Entschädigung nach tödlicher Ausschaffung
Bern. Die Familie des nigerianischen Asylsuchenden, der
Mitte
März vor seiner Ausschaffung am Flughafen Zürich an
Herzversagen gestorben ist, hat 50 000 Franken erhalten. Dies schreibt
der Bundesrat in einer Antwort auf eine Interpellation von Philipp
Müller (FDP/AG). Bislang hatte das Bundesamt für Migration
(BFM) nur bestätigt, dass die Familie des Verstorbenen Geld
erhalten habe; den Betrag nannte das BFM nicht. Das Westschweizer
Fernsehen hatte den Betrag auf 50 000 Franken beziffert. In der gestern
veröffentlichten Interpellationsantwort bezeichnet der Bundesrat
die Zahlung als einmalige "humanitäre Geste". SDA
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BIG BROTHER VIDEO
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Thuner Tagblatt 7.9.10
Fast jeder kann sich wehren
Bald soll die Videoüberwachung in Thun im "Anzeiger"
publiziert werden. Fast jede und jeder ist einspracheberechtigt.
Noch hat die Stadt das Gesuch für Videokameras an
fünf
Brennpunkten in Thun nicht beim Kanton eingereicht: Es fehlt eine
Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten. Die Publikation im
"Anzeiger" soll aber bald erfolgen.
Eine Einsprache einreichen dürfen alle potenziell
Betroffenen, was in diesem Fall einem sehr grossen Personenkreis
entspricht. Trotzdem gibt es Grenzen. Wo diese allerdings verlaufen,
müsste von Fall zu Fall beurteilt werden. Noch haben sich weder
politische Parteien noch Private gegen die Überwachung
ausgesprochen. Hingegen wünschen sich einige die Kameras so rasch
als möglich herbei.
mik/don
Seite 21
--
Videoüberwachung in Thun: Gesuch noch nicht eingereicht
Einsprachen von (fast) allen möglich
Noch fehlt eine Stellungnahme des Thuner
Datenschutzbeauftragten:
Doch im laufenden Monat soll die Videoüberwachung im Anzeiger
publiziert werden. Einspracheberechtigt sind potentiell Betroffene -
und damit fast alle.
Im März hat der Thuner Gemeinderat kommuniziert, dass
in
Thun an fünf Standorten Videokameras installiert werden sollen, um
Auswüchsen im Nachtleben entgegenzuwirken (wir berichteten).
Zuletzt hiess es, die Kameras könnten unter Umständen bereits
im September montiert werden. Wie sieht es nun mit der
Videoüberwachung in Thun aus? Noch wurde das entsprechende Gesuch
beim Kanton nicht eingereicht: "Wir warten auf die Stellungnahme des
Thuner Datenschutzbeauftragten", erklärt Erwin Rohrbach, Leiter
der Abteilung Sicherheit. Er hoffe aber weiterhin, dass die
Videoüberwachung noch im laufenden Monat im Amtsanzeiger
publiziert werden kann. "Gibt es keine Einsprachen, sollten wir die
Kameras an den fünf Standorten Ende September oder Anfang Oktober
montieren können", sagt Rohrbach.
Keine klare Grenze
Einspracheberechtigt sind normalerweise direkt Betroffene
- also
bei Bauprojekten etwa direkte Anwohner. Doch wie verhält es sich
im Fall der Kameras, bei denen jede Person, die sich in deren Umkreis
aufhält, potentiell betroffen ist? Erwin Rohrbach bestätigt,
dass grundsätzlich fast jede Person eine Einsprache einreichen
könnte. Allerdings gebe es ähnliche Beispiele im
Verkehrsrecht, wo Einschränkungen gelten: "Wenn etwa in Thun die
Geschwindigkeit auf einer Strecke runtergesetzt wird, und jemand aus
dem Pruntrut Einsprache machen will, weil er dort mal vorbeifahren
könnte, dann reicht das nicht." Anders sei die Situation, wenn die
auswärtige Person etwa regelmässig Einheimische besucht und
die Strecke befährt. Im Fall der Videoüberwachung würde
die Hürde laut Rohrbach wohl nicht allzu hoch angesetzt. So
dürfte es reichen, wenn jemand öfters in Thun im Ausgang ist.
"Wo die Grenze genau verläuft, ist aber schwierig zu sagen",
betont der Leiter der Abteilung Sicherheit.
Politik trägt mit
Konkrete Hinweise, dass es zu Einsprachen kommen
könnte, hat
Rohrbach ebenso wie Reklamationen zu den Plänen des Gemeinderats
bisher nicht erhalten - weder von politischen Parteien, noch von
Privaten. "Im Stadtrat gab es Vorstösse zur Videoüberwachung,
die breit getragen wurden." Innerhalb der SP wurde das Thema zwar
kontrovers diskutiert. Inzwischen hat sie sich aber für einen
punktuellen Einsatz von Kameras ausgesprochen (wir berichteten).
"Fundamentalopposition ist bisher nicht in Sicht", resümiert
Rohrbach. Lob gab es direkt nach Bekanntgabe der Pläne etwa von
der SVP. Und die Thunfest-Verantwortlichen hätten Kameras am
liebsten schon beim diesjährigen Anlass in Betrieb gehabt.
Weitere Kameras möglich
Die Videoüberwachung an den fünf Standorten
Obere
Hauptgasse (Bereich Borsalino/Saint Trop), Untere Hauptgasse (Bereich
Kraftstoffbar), Coop Kyburg (Bereich Ecke Aare-Kuhbrücke),
Kinderspielplatz beim Stauffergässchen sowie Vorplatz der
Aufbahrungshalle beim Schorenfriedhof ist eine Art Pilotprojekt. "Wir
wollen schauen, was es bringt", sagt Erwin Rohrbach. Rund ein Jahr lang
müssten sicher Erfahrungen gesammelt werden, weil es zwischen den
Wintermonaten und der Sommerzeit Unterschiede im Ausgehverhalten gebe -
wenn auch immer weniger grosse. Bereits im März hatte der für
die Sicherheit zuständige Gemeinderat Peter Siegenthaler (SP)
explizit nicht ausgeschlossen, dass dereinst je nach Resultat der
Versuchsphase weitere Kamerastandorte hinzukommen könnten.
Michael Gurtner
--
Rechtslage
Kameras nur an Brennpunkten
Im Kanton Bern ist Video-überwachung an Brennpunkten
erlaubt, wo es in der Vergangenheit bereits zu Übertretungen kam.
An den fünf Thuner Standorten waren dies vor allem
Nachtruhestörungen. Die Bilder der Kameras werden nicht in
Echtzeit überwacht. Ausgewertet werden die Aufnahmen
ausschliesslich von der Polizei - und dies nur nach konkreten
Vorfällen, die eine Auswertung rechtfertigen. In solchen
Fällen könnten die Bilder Ermittlungsansätze bei
Straftaten liefern. Die Behörden erhoffen sich zudem eine
präventive Wirkung.
mik
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SQUAT ZH
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Tagesanzeiger 7.9.10
"Haued ab, das ist unser Haus!"
Das Hotel-Restaurant Annaburg war das einzige Berggasthaus
der
Stadt Zürich auf dem Uetliberggrat. Für kurze Zeit von
Aktivisten besetzt, blieb letztlich nur ein simpler Picknickplatz mit
Feuerstelle übrig.
Von Silvio Temperli
Zürich - Die Burg fällt im April 1990, gebodigt
von den
Stadtzürcher Stimmberechtigten. Diese verwerfen am 5. März
1989 die Volksinitiative der Sozialdemokraten zur Rettung der Annaburg
- hauchdünn: 42 384 Nein gegen 41 125 Ja. Damit ist das Schicksal
des populären Berghauses nach einem schier endlosen Kampf für
immer besiegelt. Die Sieger sind namentlich bürgerliche Kreise.
Sie haben davor gewarnt, mit Steuermillionen eine baufällige Ruine
zu einem unrentablen Ausflugsrestaurant umzubauen. Mindestens 6
Millionen hätte die Renovation gekostet. Rettungsversuche einer
privaten Stiftung sind zuvor gescheitert.
Unweit vom Uto Staffel stösst der Wanderer auf die
Überreste der Annaburg. Der biedere Picknickplatz mit Feuerstelle
und WC-Häuschen lässt kaum vermuten, dass hier einst ein
romantisches Chalet im typisch helvetischen Holzbaustil des 19.
Jahrhunderts stand.
Ein gewisser Jacob Meier errichtet im Jahr 1876 die
Annaburg als
Sommerresidenz für seine kränkliche Frau Anna. 1894 erwirbt
Klara Gerber die Liegenschaft. Sie lässt einen Wirtschaftstrakt
anbauen und eröffnet ein Ausflugsrestaurant mit 40 Zimmern samt
Gartenwirtschaft, Panoramaterrasse und Veranda. Und gibt dem Hotel den
Namen Annaburg - im Gedenken an das Erbauerehepaar. 1963 kauft die
Stadt Zürich für 453 000 Franken die Gaststätte. Man
will der Bevölkerung an schönster Lage eine Beiz mit
Gemütlichkeit ohne Luxus bieten. Mit der Zeit vergammelt das Haus.
Und steht ab 1979 leer.
Polizei-Einsatz am Berg
Acht Jahre lang, bis die Annaburg im Spätherbst 1987
besetzt
wird. Es ist die Zeit des Häuserkampfs. Aktivisten, die
selbstbestimmten Wohn- und Lebensraum fordern, richten sich im alten
Hotel ein. Die Stadt befiehlt aus feuerpolizeilichen Gründen die
Räumung.
Am 6. November 1987, einem goldenen Herbsttag, ist eine
Kolonne
von Polizeifahrzeugen unterwegs auf den Uetliberg. Der Angriff dauert
weniger als eine halbe Stunde. Es donnern Gummigeschosse durch die
Luft. Tränengas nebelt den Berg ein, Wanderer husten und fliehen
den Wald hinunter. Hinter den Polizisten beobachtet der damalige
Finanzminister Willy Küng die Szene. Die Besetzer, etwa 150 an der
Zahl, rufen: "Haued ab, die Annaburg ist unser Haus!" Beim Einsatz
seien sieben Menschen am Kopf verletzt worden, lassen die Aktivisten
verlauten. Nach Angaben der Polizei gibt es keine Verletzten. Doch die
Annaburg steht wieder leer und bröckelt vor sich hin. Bis 1990,
als sie auf Geheiss der Zürcherinnen und Zürcher der
Spitzhacke zum Opfer fällt. Abbruch und Gestaltung des Rastplatzes
kosten über 1 Million Franken.
Seither besitzt die Stadt Zürich keine
Gaststätte mehr
auf ihrem Hausberg. Sie schlägt später das Angebot der UBS in
den Wind, das Gipfelrestaurant zu erwerben. Als die Grossbank den Uto
Kulm 1999 abstossen will, nimmt sie das Vorkaufsrecht nicht wahr. Zu
jener Zeit schnürt man unten im Rathaus Sparpakete. Oben auf dem
Uetliberg herrscht fortan Hotelier Giusep Fry.
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Viele Grüsse aus Zürich
Fotochrom-Postkarten (7)
Jetzt werden sie wieder prominent in die Auslagen
gerückt:
die Ansichtskarten von Zürich. Die schönsten sind bis heute
die Fotochromkarten geblieben. Der TA zeigt diesen Sommer die
gelungensten Fotochromkarten von Zürich. Die meisten entstanden um
das Jahr 1900. Sie zeigen das Bild einer Kleinstadt, die sich
anschickte, eine Wirtschaftsmetropole zu werden. (TA)
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ANTIREP
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linksunten.indymedia.org 7.9.10
Operative Antirepression - Was ist das?
Verfasst von: Roland Ionas Bialke
Kreative Antirepression ist in der "orthodoxen
Antirepressionsarbeit"
ein Tabu. Bei der näheren Betrachtung fällt jedoch auf, dass
viele etablierte "orthodoxe Antirepressionsgruppen" genau die gleiche
reaktionäre Arbeit leisten, wie das Ziel ihrer Kritik - die
Gruppen, die kreative Antirepressionsarbeit befürworten.
Schliesslich fällt auf, dass Antirepressionsarbeit nur
notwendigerweise Beachtung findet, nicht gemacht werden will, und alle
Antirepressionsgruppen durch das Fehlen von Organisation keine
"Operative Antirepression" leisten können.
Was ist Kreative Antirepression?
Kreativität ist die Fähigkeit neue Problemstellungen
durch
die Anwendung erworbener Fähigkeiten zu lösen. Repression
bedeutet im polizeilichen Handeln* das Verfolgen von Straftaten und die
Aufrechterhaltung der Ordnung. Kreative Antirepression bedeutet also
neue Fornen der Verfolgung von Straftaten und der Aufrechterhaltung der
Ordnung durch die Anwendung erworbener Fähigkeiten zu verhindern.
In der orthodoxe Antirepressionsarbeit wird hingegen nicht
versucht
Repression zu verhindern, sondern ihr geradlinig zu begegnen.
Anhänger und Anhängerinnen der "orthodoxen
Antirepressionsarbeit" glauben an die Theorie der Aussageverweigerung
und handeln mit Hilfe von Rechtsanwälten und
Rechtsanwältinnen passiv. In ihren Theorie wird anerkannt, dass es
kreative Repression gibt, politischen Personen aber die Fähigkeit
abgesprochen selbst auf diese operativ reagieren zu können. Die
Kampagne "Anna und Arthur halten´s Maul!" ist der bekannteste
Beitrag zur "orthodoxen Antirepressionsarbeit" und die Schrift "Was tun
wenn´s brennt!?" des Roten Hilfe e.V. unter den Anhänger und
Anhängerinenn der "orthodoxen Antirepressionsarbeit" weit
verbreitet und beliebt.
Die Aussageverweigerung der "orthodoxen Antirepression" ist
nicht klar
definiert und lässt somit nur Kreativität zu. Der starre
Glaube, dass durch das Nicht-Gesagte keine Aussage gemacht wird, ist
falsch! Vielmehr bringt unerfahrene Aktivisten und Aktivistinnen der
starre Glaube an die Aussageverweigerung in eine ungünstige und
pro-repressive Situation.
Uns ist also aufgefallen, dass sich Kreative Antirepression mit
"neuen
Formen" der Repression beschäftigt und "othodoxe Antirepression"
neue Formen der Repression erkennt, aber nicht flexibel, sondern in
einem starren Rahmen reagiert. Doch was sind genau diese "neuen Formen"
der Repression? Diese Frage muss an dieser Stelle nicht beantwortet
werden! Klargestellt werden muss nur, dass es eine Ungleichzeitigkeit
gibt, für erfahrene Individuen etwas bekannt ist und für
unerfahrene Individuen das Gleiche neu sein kann. Und an dieser Stelle
ist es notwendig den Begriff der "Operativen Antirepression"
einzuführen.
Was ist Operative Antirepression?
Repression bedeutet im polizeilichen Handeln* das Verfolgen von
Straftaten und die Aufrechterhaltung der Ordnung. Operativ bedeutet
Aktionen präzise zu planen und auszuführen. Operative
Antirepression bedeutet also durch präzis geplante und
ausgeführte Aktionen das Verfolgen von Straftaten und die
Aufrechterhaltung der Ordnung zu verhindern.
In der Praxis handeln beide antirepressiven Ausrichtungen
(kreativ und
orthodox) ähnlich - teilweise handeln sie operativ. Durch
Informationsveranstaltungen, Bücher/Broschüren und Homepages
geben erfahrene Personen Wissen über Repression an unerfahrenen
Personen weiter. Hier fällt auf, dass "orthodoxe
Antirepressionsarbeit" eine hierarchisierte Form der "Kreativen
Antirepressionsarbeit" ist, und orthodoxe und kreative
Antirepressionsarbeiten gegenwärtig keine wirkliche
Antirepressionsarbeit sein kann, da sie zur Zeit in der praktischen
Arbeit nicht radikal sind.
Der Gang durch die Institutionen
Ende der 1960er Jahre sahen einige unerfahrene Leute, dass
wichtige
Positionen in der Gesellschaft von Alt-Nazis besetzt waren. Sie
meinten, dass Demonstrationen und terroristische Interventionen nicht
die notwendigen Veränderungen bringen (die vorherrschende Ordnung
der Nazis zu zerschlagen), solange nicht eine genügende
Kampfstärke erreicht war. Ihre Lösung war: Die Institutionen
(Gerichte, Polizeistationen, Parlamente, Universitäten, etc.)
nicht mit Gewalt zu bekämpfen, sondern ein Teil dieser
neonazistisch geprägten Institutionen zu werden. Das wurde "der
Gang durch die Institutionen" genannt und war Kreative
Antirepressionsarbeit.
Um es nicht zu verwechseln: "Kreative Antirepression" und
"Operative
Antirepression" sind zwei verschiedene Dinge. Der Unterschied ist der
Organisationsgrad. Wenn Wir den Gang durch die Institutionen
betrachten, dann müssen Wir das heute als "querfront" und
ins-Unbekannte-hinein-gegangen betrachten. Darum handelt es sich bei
dem Gang durch die Institutionen auch nicht um eine radikale
Vorgehensweise und auch nicht um Operative Antirepressionsarbeit.
Radikal würde bedeuten bis an die Wurzel zu gehen und die
Institutionen aufzulösen und operativ würde bedeuten die
komplette Antirepressionsarbeit bis ins kleinste Detail zu planen
Doch wer mit dem Staat zusammenarbeitet ist nicht radikal.
Tatsächlich scheiterte der Gang durch die Institutionen und der
reformistische Fortschritt in der Gesellschaft war grösstenteils
nur den terroristischen Organisationen zu verdanken. Mahler, Fischer
und Schily sind einige Namen, die durch die Institutionen gingen, aber
auch "Linke", die heute Richter und Richterinnen sind und "Kriminelle"
in den Gefängnissen abtöten lassen. Auffällig ist auch,
dass der Gang durch die Institutionen (körperlich) nie in den
exekutiven repressiven Kräften (u.a. Polizei, Armee,
Geheimdienste) gelang.
Schauen Wir Uns die Lösung der "orthodoxen
Antirepressionsgruppen"
an: Eine unerfahrene Person geht auf die Universität und lernt
dort von Menschen, die einen Repressionsauftrag haben, etwas über
Repression. Die Person studiert Jura. Auch wenn die Person vorher
selbst Repressionserfahrungen gemacht hat, und Repression ablehnt, dann
wird sie dort jahrelang durch repressive Menschen und ihre repressive
Beeinflussung verändert. Die Situationen "erster Tag in der Zelle"
und "erster Tag im Jurastudium" sind die selben! Denn jederzeit kann
jemand Fragen stellen. Warum behaupten "orthodoxe
Antirepressionsgruppen", dass an dieser Stelle die eine Person stabiler
und überlegter Handeln kann, als die andere? Das ist
Klassenverhalten und einfach nicht der Realität entsprechend.
Gehen Wir aber einige Schritte weiter: Gibt es sowas wie ein
Berufspraktikum? Und hier zeigt sich, dass selbst Menschen, die nur
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen werden wollen, repressive
Aufgaben übernehmen - Sie praktizieren in dieser Zeit u.a.
staatsanwältliche Aufgaben, klagen Menschen an. Später
befürwortet der eine Anwalt oder die andere Anwältin in der
Nebenklage auch mal eine Strafe und bekräftigt und bestätigt
somit das repressive vroherrschende System.
Der unerfahrene Mensch in der Zelle, der vom Staatsschutz
vernommen
wird, traut sich vermutlich durch die "orthodoxen Schriften" nicht nach
der Toilette zu fragen. "Steht ja nicht in der
Rechtshilfebroschüre." Das macht diese Person ganz unsicher, und
schliesslich macht es ihn kirre, dass egal ist, ob er was über
seine Bedürfnisse sagt oder nicht, da beides vom Staatsschutz
notiert und in ein Profil übertragen wird.
"Ich bin genauso dumm wie Du", würde jetzt die kreative
Antirepressionsaktivistin sagen. Denn auch sie und alle bekannten
Gruppen, die "Kreative Antirepressionsarbeit" machen, betreiben
konsequente Aussageverweigerung. Nur fragen sie nach der Toliette, wenn
sie auf´s Klo müssen. Aber auch sie haben kein Mittel
dagegen, dass ihr Dasein als Aussage verwertet wird.
Den Vogel haben die "orthodoxen Antirepressionsgruppen" (und
auch viele
Menschen, die Kreative Antirepressionsarbeit betreiben) mit
angemeldeten Demonstrationen abgeschossen. Im Idealfall für den
Repressionsapparat gibt es ein Anmeldungsgespräch. Ja, liebe
Aktivisten und Aktivistinnen - Da gehen Politaktivisten und
Politaktivistinnen aus Euren Gruppen hin und reden mit der Polizei. Sie
verraten der Polizei Details über Eure Aktionen. Die Demonstration
selbst wird dann von der Polizei beobachtet und alle Teilnehmer und
Teilnehmerinnen helfen durch ihre Aussage bei der Ermittlung von
zeitgleich stattfindenden Straftaten - durch das Ausschlussverfahren.
Aber nicht nur bei gleichzeitig stattfindenden Straftaten haben sie
ausgesagt, durch Themen der Demonstrationen und Deine Teilnahme
erlaubst Du auch Rückschlüsse auf Deine Teilnahme oder
Nicht-Teilnahme an Aktionen/Straftaten zu anderen Zeiten.
Eine Organisationsdebatte?
Linke Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen beklagten,
u.a. in
der Rote-Hilfe-Zeitung, dass sie kaum noch politischen Bezug zu den
aktiven Menschen haben. Sie fühlen sich als Dienstleister und
Dienstleisterinnen. Und selbst der Rote Hilfe e.V. will nicht mehr nur
eine Versicherung sein. Rechtsanwalt und Rechtsanwältin, Du musst
Dein ganzes Wissen an die unerfahrenen Menschen weitergeben! Fernab der
repressiven Universitäten. Da führt kein Weg vorbei. Die
repressive Hierarchisierung von Wissen muss bekämpft werden! Das
geht nicht nur an die Juristen und Juristinnen, sondern auch an die
etablierten "orthodoxen Antirepressionsgruppen" Rote Hilfe und den
Ermittlungsausschüssen. Das Wissen, was ihr erlangt, darf nicht
das Wissen von ein paar Wenigen sein. In den letzten 20 Jahren hat Eure
Aktivität und Euer Organisationsgrad stark abgenommen. Wo sind die
Analysen, wo macht ihr Wissen über die Repression nutzbar? Wir
brauchen mehr Beispiele aus der Repression, um die effektiv Repression
angreifen zu können.
Vor einigen Jahren diskutierten einige Menschen, dass es
sinnvoll
wäre in die Polizei und in die Armeen zu intervenieren. Diese
Menschen wollten Polizisten und Polizistinnen oder Soldaten und
Soldatinnen werden, um taktische "Geheimnisse" dieser Repressionsorgane
zu verraten und repressive Ressourcen für Aktivisten und
Aktivistinnen nutzbar zu machen. Macht es ihnen nach!
Gegenobservation organisieren
Es wurden Aufrufe veröffentlicht, nach denen die Menschen
nicht
auf Demonstrationen filmen sollen. Es gäbe ja genug organisierte
Gruppen, die das machen und keine anderen Teilnehmer und
Teilnehmerinnen der Demonstration gefährden. Beim momentanen
Organisationsgrad ist dies aber nicht richtig. Diese Gruppen gibt es
nicht und wenn doch, dann können sie, genau wie alle anderen auch,
nicht auf ihre Aufnahmen aufpassen.
Die logische Konsequenz ist: Filmen ohne Speicher. So macht es
die
Polizei teilweise auch. Eine Person hat die Kamera und eine andere
Person den Speicher. Über Funk wird das Aufgenommene
weitergeleitet. Dazu braucht es keine Gruppe, es braucht nut zwei
Personen. Eine Person filmt im Gefahrenbereich und wird als filmende
Person von der Polizei wahrgenommen. Die zweite Person steht deutzende
Meter weg und wird in diesem Zusammenhang nicht von der Polizei
wahrgenommen. Es gibt Anlagen, die kosten nicht mehr als 100 Euro. 500
Euro würde ich aber schon investieren.
Ein weiterer Punkt sind verdeckte Aufnahmen. Hier ist mir in
ganz
Deutschland nur eine Gruppe bekannt, die das macht. Dabei ist das so
billig. Krasse Anlagen kosten nicht die Welt! Auch hier sind 100 bis
500 Euro gut angelegt. Polizeiliche Übegriffe, Anquatschversuche,
Wohnungsdurchsuchungen - Mit verdeckten Filmaufnahmen lässt sich
so einiges Dokumentieren.
"Pen Mini DVR" heisst die Technik, mit der die Geheimdienste
schon
jahrelang Unsere persönlichen Diskussionen und Unsere
Versammlungen aufzeichnen können. Wenn sie etwas von Handys
ausschalten erzählen, dann achte lieber auf ihre Kugelschreiber!
PEN Mini DVRs sind Kugelschreiber und gleichzeitig verdeckte Kameras.
Sie kosten im Handel 45 Euro und zeichnen problemlos eine Stunde auf.
Das Ganze hat einen praktischen USB-Anschluss.
Organisiere: Operative Antirepression
http://www.youtube.com/watch?v=8-Ol_i8wJ9E
Get out of Control!
Antikapitalistischer Block auf der "Freiheit statt
Angst"-Demonstration
13 Uhr / Potsdamer Platz / Berlin
* Mit polizeiliches Handeln ist nicht nur das Handeln der
Polizei
gemeint, sondern auch Institutionen und Personen, die der Polizei in
ihrem Handeln helfen und unterstützen. Lehrer und Lehrerinnen, das
THW, Ärzte und Ärztinnen, Feuerwehrmänner und
Feuerwehrfrauen, Erziehungsberechtigte, Ordnungsamt, Jobcenter,
Finanzamt, AKtivbürger und Aktivbürgerin gehören
beispielsweise dazu.
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ANTI-ATOM
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Tagesanzeiger 7.9.10
Die AKW-Debatte
Bäumle begrüsst das Modell aus Deutschland
Der Chef der Grünliberalen erwägt einen
Vorstoss, um
die Atom-Beschlüsse der Regierung Merkel auf die Schweiz zu
übertragen. Noch fehlen Verbündete.
Von Fabian Renz
Es wirkt paradox: Sowohl Schweizer Gegner wie auch
Befürworter der Atomkraft sehen sich durch die energiepolitischen
Weichenstellungen der deutschen Regierungskoalition in ihren Ansichten
bestätigt. So nimmt der Thurgauer FDP-Nationalrat Werner Messmer
mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Laufzeiten für die deutschen
Kernreaktoren um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert
werden sollen: "Bisher wurden uns die Deutschen immer als leuchtende
Vorbilder präsentiert, da sie so viel in Alternativenergien
investiert hätten. Nun haben auch sie einsehen müssen, dass
das Risiko einer Stromlücke ohne Atomkraftwerke vorerst zu gross
wäre." Der Basler Sozialdemokrat und Energieexperte Rudolf
Rechsteiner wertet dagegen viel höher, dass die Deutschen am
Atomausstieg grundsätzlich festhalten.
Steuer mit Vorbildcharakter
Eine wieder eigene Sicht der Dinge hat Martin Bäumle,
Präsident der Grünliberalen. Für ihn sind die Pläne
des nördlichen Nachbarn durchaus nachahmenswert. Im Blickfeld hat
Bäumle in erster Linie die Brennelementsteuer und die Sonderabgabe
zugunsten erneuerbarer Energien, die den Kraftwerkbetreibern auferlegt
werden sollen. Würden die Schweizer Atomstromproduzenten in
ähnlicher Weise und mit gleicher Zweckbindung zur Kasse gebeten,
wäre für Bäumle ein Kompromiss denkbar: Abstand zu
nehmen von der Forderung nach allerraschestem Ausstieg aus der
Kernenergie. "Ich überlege mir, dazu einen Vorstoss einzureichen,
vielleicht schon in der Herbstsession."
Bäumle ist sich allerdings bewusst, dass er bei
seinen
potenziellen Verbündeten im linksgrünen Lager für einen
Erfolg noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss. Die grüne
Nationalrätin Franziska Teuscher aus Bern zum Beispiel lehnt jede
Steuer ab, die eine verlängerte Nutzung der Atomkraft legitimieren
könnte. Für Teuscher wie auch für Rudolf Rechsteiner
(SP) wäre vielmehr angezeigt, dass die Kraftwerkgesellschaften den
Staat angemessen für das Risiko entschädigten, das von der
Kernspaltung ausgeht. Das Parlament hat eine entsprechende
Mehrbelastung der Branche in der Vergangenheit wiederholt abgelehnt.
Schub für neues Mühleberg?
Nicht infrage kommt im Übrigen auch für
Bäumle der
Bau neuer Atomkraftwerke. Diesbezüglich steht im Februar 2011 ein
wichtiger Entscheid an: Das Stimmvolk des Kantons Bern wird sich in
einer Konsultativabstimmung zum Ersatz des alten Kraftwerks
Mühleberg durch eine Anlage der moderneren Generation äussern.
Könnte die Entwicklung in Deutschland den Ausgang der
Berner
Abstimmung beeinflussen? "Unsere Gegner werden wohl in der Tat
versuchen, das auszuschlachten", meint Franziska Teuscher. Auch
FDP-Nationalrat Peter Malama, einer der wenigen bürgerlichen
Atomkraft-Gegner, fürchtet einen positiven Effekt für die
Mühleberg-Promotoren. Was für ihn der Sache nicht gerecht
wird: Deutschland setze nach wie vor viel stärker als die Schweiz
auf alternative Energien.
Jürg Joss vom Verein "Fokus Anti-Atom" hat keine
Angst vor
dem Abstimmungskampf. Er hat gerechnet: "Die Reaktoren der deutschen
Kraftwerke sind allesamt jünger als unsere hier in der Schweiz.
Überträgt man die nun in Deutschland beschlossenen Laufzeiten
auf unsere Anlagen, kommt man zu folgendem Ergebnis: Mühleberg
muss in vier Jahren abgeschaltet werden." Diese Rechnung dem Stimmvolk
zu vermitteln, "darauf freue ich mich".
--
Kommentar Deutschland-Korrespondent David Nauer über die
deutsche
Energiepolitik.
Wie im Nebel eines Kühlturms
David Nauer
Es war ein Tag der politischen Kapriolen gestern in
Berlin. Die
Regierung erklärte, sie lasse selbst die ältesten Atommeiler
länger laufen - und deutete dies flugs zu einer Art
Umweltschutzprojekt um. Besonders laut jubelte Kanzlerin Merkel.
Deutschlands Energieversorgung werde nun "die umweltfreundlichste und
effizienteste weltweit", sagte sie.
Man kann zu AKW stehen, wie man will. Aber sie als
Quasi-Ökovariante der Energieerzeugung zu schildern, geht doch am
Empfinden der meisten Bürger vorbei. Und das ist das Problem des
gestrigen Schauspiels. Nicht dass das Energiekonzept der
Bundesregierung schlecht wäre. Es gibt durchaus Gründe, warum
man die Meiler weiterdampfen lassen kann. Sie liefern günstigen
Strom, CO2-frei. Sie verdienen Geld, das man in Wind- und Sonnenkraft
investieren kann.
Dennoch wird die Angelegenheit für das Kabinett
Merkel zur
Belastung werden. Denn es agierte einmal mehr unglaubwürdig. Wie
eine AKW-Besuchergruppe im Nebel eines Kühlturms stolperten die
Minister wochenlang durch die Atomdebatte. Brüderle (Wirtschaft,
FDP) und Röttgen (Umwelt, CDU) schafften es sogar, aus demselben
wissenschaftlichen Gutachten völlig unterschiedliche Schlüsse
zu ziehen.
Und so entstand der Eindruck, dass die Dinge nicht vom
richtigen
Ende her gedacht wurden, nicht pragmatisch, sondern ideologisch; nicht
energiepolitisch, sondern machtpolitisch. Statt der Frage, wie die
Energieversorgung in 30 Jahren aussehen soll, stand die Prämisse
im Zentrum, dass die AKW nicht abgeschaltet werden dürfen. Dieses
Festhalten hat aus der schwarz-gelben Optik mehrere Vorteile. Man
erledigt den verhassten rot-grünen Atomausstieg, dieses
Prestigeprojekt des Gegners. Zudem freut es die Atombranche - und die
Staatskasse.
Wer so politisiert, darf sich nicht wundern, dass die
Opposition
"Klientelpolitik" schreit und zur Grossdemo rüstet. Wenn das so
weitergeht, verliert Schwarz-Gelb seine Macht spätestens bei den
nächsten Bundestagswahlen. SPD-Chef Gabriel hat schon
angekündigt, die Laufzeitverlängerung der AKW zu kippen,
sobald man wieder regiere. Das wird dann wieder so ein Tag der
politischen Kapriolen in Berlin.
--
Die AKW-Debatte
Strompreise steigen weniger stark an
Für Schweizer Stromverbraucher ist der deutsche
Atomentscheid eine gute Neuigkeit: Die längeren Laufzeiten der AKW
wirken sich laut Ökonomen preisdämpfend aus.
Von David Vonplon, Bern
Heute gibt die Stromaufsichtsbehörde Elcom die neuen
Stromtarife für 2011 bekannt. Und die Angaben der über 700
Elektrizitätswerke zeigen, dass die Unternehmen in den meisten
Regionen auch im kommenden Jahr mehr für Strom bezahlen werden
müssen. In dieser Situation ist das neue Energiekonzept in
Deutschland für grosse Stromverbraucher in der Schweiz ein
Hoffnungsschimmer: Denn Ökonomen prognostizieren, dass sich die
Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke mittelfristig
positiv auf die Strompreise in der Schweiz auswirken wird.
Laut Avenir Suisse ist der Atomkompromiss für
Schweizer
Verbraucher "eine gute Neuigkeit": "Das deutsche Atomkonzept wird sich
aller Voraussicht nach preisdämpfend auswirken", erklärt Urs
Meister, Energiespezialist bei der Denkfabrik. Da erneuerbare Energien
- Windenergie und Fotovoltaik - den Strombedarf noch länger nicht
decken könnten, hätten in Deutschland Gas- und
Kohlekraftwerke die fehlende Atomenergie ersetzen müssen. Schon
heute bestimmen solche fossilen Kraftwerke mit ihren hohen
Brennstoffkosten die Preise an der Strombörse. Bei einem
frühzeitigen Atomausstieg wäre ein weiterer Preisschub kaum
abzuwenden gewesen. Werden aber mehr Kernkraftwerke weiter betrieben,
dürften die Strompreise tiefer liegen. Und das bekommt man auch
hierzulande zu spüren, da die Grosshandelspreise sich in der
Schweiz - insbesondere während der Sommermonate - nach dem
Preisniveau des deutschen Marktes richten.
"Wir sitzen im selben Boot wie Europa", sagt Urs Näf,
Energiespezialist beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Wenn in
Deutschland mit seiner energieintensiven Industrie die Engpässe
grösser würden, spüre das auch die heimische Wirtschaft,
zumindest solange die Schweiz Strom importieren müsse. "Deshalb
ist das jetzige Festhalten der deutschen Regierung an der Atomenergie
für die Schweiz ein gutes Zeichen." Näf glaubt, dass sich
damit auch die Versorgungssicherheit hierzulande erhöhe: In
Deutschland stehen die Kernkraftwerke vor allem im Süden, wo auch
ein Grossteil der Industrie beheimatet ist. "Gerade in dieser Region
ist ein Ersatz durch Kohlekraftwerke praktisch ausgeschlossen, da keine
geeignete Lieferinfrastruktur vorhanden ist." Engpässe würden
sich da direkt auf die Schweiz auswirken.
Auch Haushalte profitieren
Von tieferen Preisen im Ausland profitieren in erster
Linie die
Grossverbraucher, deren Preise sich bereits am Markt orientieren. Im
kurzfristigen Grosshandel an den Strombörsen dürfte die
Laufzeitverlängerung allerdings nicht unmittelbar spürbar
sein. Bei längerfristigen Kontrakten könnte es laut Urs
Meister von Avenir Suisse jedoch möglich sein, dass sich die
Konditionen verbessern.
Doch auch die Haushalte profitieren gemäss Meister
mittelfristig von tieferen Marktpreisen in Deutschland. Zwar richtet
sich der Strompreis für die Kunden der Grundversorgung bis zur
vollständigen Strommarktliberalisierung nicht nach dem Marktpreis.
Da Schweizer Versorger einen Teil ihres Stroms im Ausland einkaufen,
würden sich die tieferen Beschaffungskosten aber über kurz
oder lang auch im regulierten Strompreis der kleinen Kunden
niederschlagen.
Laut Urs Näf von Economiesuisse profitieren die
Stromverbraucher von der neuen Preissituation nur unter einer
Bedingung: Die Brennelementsteuer, welche die deutsche Regierung von
den Energiekonzernen verlangt, dürfe nicht zu hoch ausfallen.
Auch die Stromversorger zeigen sich erleichtert über
den
Regierungsentscheid in Deutschland. In Jubelstimmung befindet sich der
Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen jedoch nicht. Im
Gegenteil: "Mit dem Atomkompromiss wendet die Regierung bloss eine
massive Verteuerung des Stroms ab", erklärt Direktor Joseph
Dürr. Das ändere aber nichts daran, dass die grosse Nachfrage
nach Strom in Deutschland und in ganz Europa kaum gedeckt werden
könne. "Weitere Strompreiserhöhungen sind darum kaum
abzuwenden."
---
Landbote 7.9.10
Deutscher Brennstoff für Schweizer Debatte
Jann Lienhart
Die Verlängerung der Laufzeit der deutschen AKWs wird
sich
auch auf die Atomstromdebatte in der Schweiz auswirken. Unklar dabei
ist jedoch wie. Denn Kernkraftbefürworter wie -gegner sehen sich
durch den deutschen Entscheid bestätigt.
BERN - Am Sonntagabend ist der deutschen Kanzlerin Angela
Merkel
nach Aussagen ihres Wirtschaftsministers Rainer Brüderle ein
"grosser Wurf" geglückt. Sie hat sich mit den Chefs der grossen
deutschen Energiekonzerne auf eine AKW-Steuer und im Gegenzug auf eine
Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke geeinigt. Dieser
"Wurf" wurde auch in der Schweiz sowohl von Atomstromgegnern wie
-befürwortern mit Interesse zur Kenntnis genommen. Er werde die
Diskussion um neue Schweizer Kernkraftwerke positiv beeinflussen, ist
man sich einig. Positiv heisst dabei, dass beide Seiten davon ausgehen,
dass der deutsche Entscheid vor allem die eigene Argumentation
unterstützt.
"Ausstieg ist unrealistisch"
Dieser Entscheid zeige nämlich, sagt Konrad Studerus,
der
Vizepräsident der kernenergiefreundlichen Aktion für
vernünftige Energiepolitik Schweiz (Aves), dass ein Ausstieg aus
der Kernenergie nicht so schnell realisierbar sei wie behauptet. "Es
handelt sich dabei schlicht um die Anerkennung der Realität", sagt
Studerus. In der Schweizer Diskussion um neue Kernkraftwerke werde man
damit nicht mehr um das Beispiel Deutschland herumkommen. Ein erster
Testlauf in dieser Diskussion ist da laut Studerus ein Urnengang im
Kanton Nidwalden. Da werde in drei Wochen über eine Initiative zum
Ausstieg aus der Atomenergie abgestimmt. Die Initiative werde jedoch
beim Volk kaum eine Chance haben, sagt Studerus. Am Schluss siege wohl
wie in Deutschland die Vernunft. Wichtig sei der deutsche Entscheid
aber nicht nur darum. "Er verschafft uns bei der Organisation der
Energiezukunft auch mehr Zeit", sagt Studerus. Weil die deutschen
Kraftwerke länger am Netz blieben, werde sich nämlich auch
die Schweizer Stromsituation entschärfen. "Die Stromlücke
kommt zwar. Durch den deutschen Entscheid kommt sie jedoch weniger
heftig", sagt Studerus.
"Berlin bestätigt den Ausstieg"
Ein Argument, das auch Wasser auf die Mühlen der
Atomstromgegner sein könnte. Jürg Buri, der
Geschäftsleiter der atomstromkritischen Schweizerischen
Energie-Stiftung (SES), erwähnt diesen Aspekt jedoch nicht.
Wichtig am deutschen Entscheid ist für Buri vor allem, dass die
deutsche Regierung den Ausstieg aus der Kernenergie nicht in Frage
gestellt hat. "Damit bleibt es beim Grundsatzentscheid für den
Ausstieg", sagt er. Im Gegensatz zur Schweiz seien in Deutschland trotz
Wechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb neue Kernkraftwerke vom
Tisch. "Die Schweizer Stromproduzenten stehen mit ihren Plänen
für neue Atomkraftwerke sehr einsam da", sagt Buri. Die Chance,
diese Pläne realisieren zu können, seien mit dem deutschen
Festhalten am Ausstieg jedenfalls sicher nicht grösser geworden.
Im Gegenteil, sie hätten sich verringert.
Buri erwartet jedoch, dass mit der
Laufzeitverlängerung in
Deutschland die Schweizer Kernkraftwerkbetreiber erst recht bestrebt
sein werden, ihre Kraftwerke solange wie möglich betreiben zu
können. "Alte und längst abgeschriebene Kraftwerke sind sehr
lukrativ", sagt Buri, der zudem die Wirksamkeit der Kontrollen dieser
Werke anzweifelt. Diese würden nämlich von einer Behörde
durchgeführt, die in direktem Kontakt mit den
Kernkraftwerkbetreibern stehe. "Die Aufsichtsbehörde für die
Kernenergie, das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat
(Ensi), ist nicht unabhängig", sagt Buri. Darum sei es auch
unwahrscheinlich, dass das Ensi tatsächlich eine Abschaltung eines
AKW verfügen würde, wenn damit ein AKW-Betreiber Einbussen
von Dutzenden von Millionen Franken hinnehmen müsste. Die
Gegenseite bestreitet dies. "Die Abschaltkriterien sind klar und
unbestritten", sagt Konrad Studerus von der Aves. Eine
Laufzeitverlängerung werde auch gar nicht angestrebt. "Aus
Sicherheitsgründen und um die Stromlücke zu füllen,
braucht die Schweiz nicht eine Verlängerung der Laufzeiten der
alten Kernkraftwerke, sondern den Bau von neuen", sagt er.
JANN LIENHART
--
In der Schweiz entscheiden die Technik und ein Amt
Im Gegensatz zu Deutschland kennt die Schweiz keine festen
Laufzeiten für Atomkraftwerke. Die Betriebsbewilligungen aller
Schweizer Atomkraftwerke sind nach der Änderung der Bewilligung
für das AKW Mühleberg unbefristet. Grenzen für die
Betriebsdauer der AKWs setzen jedoch die sogenannte Abschaltverordnung
und das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi), das
die Schweizer Kernkraftwerke jährlich einer Prüfung
unterzieht. Fällt diese Prüfung gemäss der
Abschaltverordnung negativ aus, kann das Ensi die Abschaltung des Werks
verfügen. Damit ist in der Schweiz die Laufzeit eines AKW keine
politische, sondern eine technische Frage. Das heisst jedoch nicht,
dass die Laufzeiten in Deutschland länger wären. Im
Gegenteil: Aktuell gehen die Schweizer Kernkraftwerkbetreiber von einer
Laufzeit ihrer Kraftwerke von 50 Jahre für alte Werke (Beznau I
und II und Mühleberg, 1969 und 1972 in Betrieb genommen) und 60
Jahre für die neueren Werke (Gösgen und Leibstadt, 1978 und
1984 in Betrieb genommen) aus. In Deutschland gilt neu jedoch nur eine
Laufzeit von durchschnittlich 44 Jahren. Zuvor galt sogar nur eine von
32 Jahren.
Alterungsprozess entscheidet
Entscheidend für die Lebensdauer eines
Kernkraftwerkes ist
der Zustand des Reaktorgefässes. Durch den dauernden Beschuss mit
Neutronen wird dieses Gefäss spröde, was die Lebensdauer des
AKW begrenzt. Es gibt jedoch Mittel, die diesen Alterungsprozess
verzögern können. So kann das Reaktorgefäss
ausgeglüht oder ganz ersetzt werden. Vor allem der Ersatz ist
jedoch gemäss Angaben des Ensi so teuer, dass eine solche
Sanierung wirtschaftlich kaum sinnvoll ist. In der Vergangenheit hat
sich laut dem Ensi jedoch auch gezeigt, dass dieser Alterungsprozess
weniger rasch vor sich geht als ursprünglich angenommen. Es sei
darum möglich, dass die heutige Prognose zu den Laufzeiten noch
einmal erhöht werden könnte. Nicht auszuschliessen sei jedoch
auch das Gegenteil. (jl)
---
Basler Zeitung 7.9.10
Deutscher Atomausstieg löst sich in Luft auf
Schwarz-gelbe Regierung will die 17 Atomkraftwerke acht
beziehungsweise
14 Jahre länger am Netz lassen
BENEDIKT VOGEL, Berlin
Rund 16 Prozent des deutschen Stroms stammen heute aus
erneuerbaren Energien, fast dreimal so viel wie vor zehn Jahren. Der
Ausstieg aus dem Atomausstieg bringt diese Energiewende in Gefahr.
Vor zehn Jahren hat die rot-grüne Regierung von
Kanzler
Gerhard Schröder den Atomausstieg beschlossen. Doch noch immer
werden in Deutschland Atomkerne zur Energiegewinnung gespalten. 2003
und 2005 gingen zwar die Atomkraftwerke Stade und Obrigheim vom Netz.
Doch das Gros des atomaren Kraftwerkparks ist weiter in Betrieb und
deckt noch immer knapp einen Viertel des deutschen Strombedarfs. Erst
in der Legislatur 2009/2013 hätte der Atomausstieg richtig
gegriffen. Sieben der 17 deutschen AKW hätten in dem Zeitraum
abgeschaltet werden müssen.
WEITER Am NETZ. Doch jetzt hat die konservativ-liberale
Regierung
in Berlin, die seit letztem Oktober im Amt ist, den Atomausstieg
abgeblasen. Was CDU/CSU und FDP vor der Bundestagswahl 2009
angekündigt und später in ihrem Koalitionsvertrag
niedergeschrieben hatten, wird nun wohl bald Wirklichkeit: Die 17
deutschen Atomkraftwerke sollen über das Jahr 2022 hinaus
weiterlaufen.
Die Laufzeit der Atommeiler, bisher auf durchschnittlich
32 Jahre
begrenzt, soll um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert
werden. Das hat die schwarz-gelbe Koalition in der Nacht auf gestern
Montag beschlossen. Dabei wird die Laufzeitverlängerung
gestaffelt: Ältere AKW sollen acht Jahre länger laufen,
jüngere, nach 1980 in Betrieb genommene Werke 14 Jahre.
Alle deutschen AKW können mit dem jüngsten
Beschluss
über das Jahr 2013 hinaus weiterbetrieben werden. Das erste AKW
muss erst im Jahr 2019 vom Netz, das letzte 2036 (vgl. Grafik).
Trotz des Kurswechsels beim Atomstrom will die deutsche
Regierung
die erneuerbaren Energien weiter fördern. Diese waren in den
letzten zehn Jahren unter dem Eindruck das Atomausstiegs kräftig
ausgebaut worden, besonders die Windenergie. Im letzten Jahr stammten
15,6 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien. Zehn Jahre
früher waren es erst sechs Prozent gewesen.
GELD FÜR OFFSHORE. Die erneuerbaren Energien sollen
trotz
Revival der Atomenergie im Jahr 2030 50 Prozent des deutschen Stroms
liefern, 2050 sogar 80 Prozent, sagte Umweltminister Norbert
Röttgen (CDU) gestern in Berlin. Der deutsche Staat will den Bau
von Offshore-Windanlagen in der Nordsee mit vergünstigten Krediten
im Volumen von fünf Milliarden Euro fördern.
MERKELS "REVOLUTION". Röttgen sparte gestern nicht
mit
Eigenlob. Deutschland verfüge nun über ein energiepolitisches
Gesamtkonzept für die nächsten 40 Jahre, gab er sich
überzeugt. Dieses sei bezüglich Verlässlichkeit,
Effizienz und Klimaschutz im Vergleich zu den anderen Industriestaaten
"unübertroffen". Kanzlerin Angela Merkel sprach gleichentags von
einer "Revolution im Bereich der Energieversorgung".
Der Ausstieg aus dem Ausstieg bringt dem deutschen Staat
auch
finanzielle Vorteile. Die vier Atomkraftbetreiber Eon, RWE, Vattenfall
und EnBW werden als Gegenleistung für die
Laufzeitverlängerung nämlich kräftig zur Kasse gebeten.
Von 2011 bis 2016 haben sie insgesamt fast 14 Milliarden Euro in Form
einer Brennelementesteuer abzuliefern; das Geld fliesst in die
Sanierung des maroden Staatshaushalts. Im gleichen Zeitraum sollen die
Energiekonzerne weitere 1,4 Milliarden Euro in einen Fonds einzahlen,
mit dem die erneuerbaren Energien ausgebaut werden.
Ab 2017 soll die Brennelementesteuer nicht mehr erhoben
werden.
Die Konzerne sollen ab diesem Zeitpunkt aber 0,9 Cent (rund 1,2 Rappen)
pro Kilowattstunde in den besagten Fonds einzahlen. Damit werden nach
Aussage von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle langfristig
weitere 15 Milliarden Euro bei den AKW-Betreibern abgeschöpft.
> Tageskommentar Seite 2
--
Auch die Schweiz baut weiter auf AKW
Ersatz für alte Werke. Bis zu 45 Prozent ihres
Energiebedarfes deckt die Schweiz mit Atomkraft. Fünf AKW sind
derzeit am Netz: Beznau 1 (in Betrieb seit 1969), Beznau 2 (1972),
Mühleberg (1972), Gösgen (1979) und Leibstadt (1984).
Politik und Wirtschaft setzen nebst erneuerbaren Energien
weiterhin auf die Kernenergie. Die Unternehmen Axpo, Alpiq und BKW
haben dem Bund am 30. Oktober 2009 drei Rahmenbewilligungsgesuche
für AKW-Neubauten eingereicht. Diese sollen die beiden Meiler in
Beznau sowie diejenigen in Mühleberg und Gösgen ersetzen.
Offen ist, ob sich die Stromproduzenten darauf einigen werden, bloss
zwei Gesuche einzureichen. Ende Oktober wird das Eidgenössische
Nuklearsicherheits-Inspektorat ein Sicherheitsgutachten vorlegen. Bis
März 2011 können sich die Kantone äussern. Der Bundesrat
will Mitte 2012 über die Gesuche entscheiden.
Dann hat das eidgenössische Parlament und - im Falle
eines
Referendums - das Volk das Wort. Die neuen AKW könnten nach
Durchlaufen weiterer Bewilligungsverfahren etwa ums Jahr 2025 Strom
liefern.
Laut Gesetz dürfen AKW in der Schweiz so lange
laufen, wie
die Betreiber ihren sicheren Betrieb garantieren können. Die
Energiewirtschaft rechnet für Beznau 1 und 2 sowie für
Mühleberg mit einer Laufzeit von mindestens 50 Jahren. Gösgen
und Leibstadt sind auf eine Lebensdauer von 60 Jahren ausgerichtet. mfu
--
Tageskommentar
Doppelt ausgezahlt
BENEDIKT VOGEL, Berlin
Atomausstieg - nein Danke, sagt die Regierung Merkel. Sie
will
die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke auf bis zu 46 Jahre
verlängern. Der im Jahr 2000 von SPD und Grünen mit der
Energiewirtschaft ausgehandelte "Atomausstieg" soll damit ausgehebelt
werden. Atomkraftwerke dürften dann in Deutschland wieder so lange
laufen wie in der Schweiz und anderen Ländern, annähernd
zumindest.
Noch ist die Absicht nicht Gesetz. Die SPD wird alles
daran
setzen, der Regierung über den Bundesrat (Länderkammer) eine
Niederlage zu bereiten. Doch noch ist offen, ob der Bundesrat bei der
Laufzeitfrage tatsächlich mitreden darf. Der Streit hält
Juristenfutter parat und wird wohl erst vom höchsten deutschen
Gericht entschieden.
Schon im Jahr 2000 war klar, dass die deutschen AKW nicht
von
einem Tag auf den anderen vom Netz gehen werden. In den zehn Jahren
seither wurden denn auch nur gerade zwei ältere Atommeiler mit
geringerer Leistung abgeschaltet. Die meisten aber liefern bis heute
Atomstrom, ungeachtet des offiziell proklamierten "Atomausstiegs".
Sollte dieser eher zögerliche als beherzte
Atomausstieg
jetzt ganz abgeblasen werden - nutzlos war er trotzdem nicht. Die
erneuerbaren Energien wurden im vergangenen Jahrzehnt kräftig
gefördert. Zudem schuf der damalige Ausstiegsbeschluss die
Voraussetzung, dass die Energiekonzerne heute einen erklecklichen Teil
ihrer Gewinne aus den abgeschriebenen Werken an das Gemeinwesen und zur
Förderung der Energiewende abgeben müssen. So gesehen hat
sich dieser Atomausstieg, auch wenn er keiner war, doppelt ausgezahlt.
benedikt.vogel@baz.ch
---
Aargauer Zeitung 7.9.10
Schweiz stimmt 2013 ab
Zur Debatte stehen derzeit drei neue AKW
Voraussichtlich im Jahr 2013 werden Herr und Frau
Schweizer an
der Urne über ein neues oder mehrere neue AKW befinden. Der
Abstimmungskampf zu diesem heissesten aller politischen Eisen ist aber
längst entbrannt. Der Stromkonzern Axpo etwa wirbt im Schweizer
Fernsehen seit rund eineinhalb Jahren für seinen "praktisch
CO2-freien" Schweizer Strommix (und verschweigt dabei seine
Investitionen in Gaskraftwerke im benachbarten Ausland).
Eine erste solche Werbeoffensive - ein Spot mit
Fussballtrainer
Köbi Kuhn - erregte schon 2007 den Zorn von Energieminister Moritz
Leuenberger. Umgekehrt haben sich die Umweltorganisationen zur
Stopp-Atom-Allianz zusammengetan und organisieren in regelmässigen
Abständen öffentliche Kundgebungen sowie
Hintergrundgespräche für die Medien.
Derzeit sind zwei Rahmengesuche für drei neue
Kraftwerke
hängig - wobei davon auszugehen ist, dass ein Gesuch noch
zurückgezogen wird:
Atel möchte neben dem AKW Gösgen im
solothurnischen
Niederamt ein neues Werk erstellen. Mit einer Kapazität von 1600
Megawatt würde das neue AKW die Leistung der bestehenden Anlage um
600 Megawatt übertreffen.
Axpo und die BKW haben gemeinsam ein
Rahmenbewilligungsgesuch
für die Ablösung der Kernkraftwerke Beznau I und II im Kanton
Aargau sowie Mühleberg bei Bern eingereicht. Auch diese zwei neuen
1600-Megawatt-Anlagen würden die Leistung der älteren Modelle
übertreffen, wären also mehr als nur ein Ersatz.
In einem Monat wird das Nuklearsicherheitsinspektorat
seine
Sicherheitsanalysen zu den Rahmenbewilligungsgesuchen
präsentieren. Bundesrat und Parlament dürften darüber
2012 entscheiden.
Gegen eine Bewilligung kann dann das fakultative
Referendum
ergriffen werden. Dass dies auch geschehen wird und es, wie gesagt,
voraussichtlich 2013 zur Volksabstimmung kommt, steht ausser Frage.
Falls es grünes Licht gibt, geht oder gehen die neuen AKW
frühestens 2025 ans Netz. (cav)
---
Le Temps 7.9.10
La Suisse entre dans une nouvelle ère nucléaire
Trois projets de nouvelles centrales déposés
Willy Boder
La question de la prolongation de la durée de vie
des
centrales nucléaires ne se pose, légalement, que pour
celle de Mühleberg, à 14 km de la ville de
Berne, qui abrite l'un des cinq réacteurs en service en Suisse.
Mühleberg n'est pas la plus ancienne des centrales. Elle a
été mise en service en 1972, respectivement trois ans et
une année après les deux réacteurs argoviens de
Beznau. La centrale bernoise est cependant la seule pour laquelle une
durée d'exploitation limitée avait été
fixée, jusqu'en 2012, par les autorités
fédérales. Un incendie qui avait éclaté en
juillet 1970 lors des essais de mise en service explique cette prudence.
La durée de vie d'une centrale, estimée
à
40 ans, peut être techniquement augmentée d'au
moins 50% selon certains spécialistes nucléaires si les
révisions annuelles, assorties de rénovations, sont
faites correctement.
En décembre 2009, le Département
fédéral de l'énergie a prolongé pour une
durée indéterminée l'autorisation d'exploiter
Mühleberg, malgré le vote consultatif négatif du
peuple vaudois (refus à 64% le 29 novembre 2009).
Cette prolongation fait l'objet d'un recours auprès du Tribunal
administratif fédéral. Trois projets de nouvelles
centrales ont été déposés en 2008
(Mühleberg II, Gösgen II, Beznau III). Seuls deux sites
devraient être retenus au terme d'une bataille politique et
juridique qui s'annonce longue. Le sixième réacteur,
devisé à 7 milliards de francs, ne devrait
pas voir le jour avant 2025. La population bernoise sera sans doute
consultée sur celui de Mühleberg II en février 2011.
---
Aargauer Zeitung 7.9.10
Gegen Tiefenlager
Verein LoTi vertritt Anliegen der Region
Gestern Abend hat die Lengnauer Grossrätin Astrid
Andermatt
in Bachs ZH den Verein LoTi (nördlich Lägern ohne
Tiefenlager) gegründet. Der Verein ist ein
parteiübergreifendes Bindeglied zwischen der betroffenen
Bevölkerung und dem Forum Lägern-Nord. Der Verein soll
Widerstände und Forderungen der Bürger zum möglichen
Standort "Nördlich Lägern" aufnehmen und diese gegenüber
dem Forum äussern. "Das wichtigste Kriterium für die
Standortwahl ist die Sicherheit", sagt Andermatt. Sie befürchtet,
dass das Tiefenlager nicht am sichersten Ort gebaut werde, sondern
dort, wo es am wenigsten Widerstand gebe. Weiter solle die Region nicht
zur "Latrine der Schweiz" werden. Mit "Fluglärm, Kraftwerken und
dem Zwischenlager" übernehme die Region bereits viel Verantwortung
für die Gesamtbevölkerung. (aba)