MEDIENSPIEGEL
8.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino/GH)
- Reitschule bietet mehr: FDP-/SD-Ja, EVP-Nein; BZ-Talk 2.9.10
- Hess bietet weniger: Minimalistisches Abstimmungskomitee
- Müslüm goes Glanz & Gloria
- RaBe-Info 8.9.10
- Alkverbote: Bussen, Debatten + Empfehlungen
- Randstand Gasse: Trinken im Öffentlichen Raum
- Drogen: Kokain-Multis; Cops gegen Handel + MigrantInnen; Sekten-Arzt
diszipliniert
- Zivilstand Illegal: Frepo Bern macht Druck
- Big Brother Sport: Tagung "Tatort Stadion"
- 100 Jahre Volkshaus Zürich
- Aktionswoche gegen Rassismus
- Fuchs-Gen: Thomi F. will Sarrazin in die CH einladen
- Theater-Debatte: Stadttheater vs Freie
- Anti-Atom: BKW-Propaganda; Endlager; Verein LoTi; Business
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REITSCHULE
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Mi 08.09.10
19.00 Uhr - SousLePont - Karibik Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An Apocalyptic
Comedy
von Action Theatre
Do 09.09.10
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
19.00 Uhr - Frauenraum - "Frauenhandel in der Schweiz - wie
sieht der
Schutz der Opfer aus?" Veranstaltung des Bleiberechtskollektivs Bern
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An Apocalyptic
Comedy
von Action Theatre
21.00 Uhr - Rössli - james reindeer, james p honey
(London), babel
fishh (USA), son kas und Das Fest (D)
20.30 Uhr - Grosse Halle - Praed trifft Norient: Audio-visuelle
Performances
Fr 10.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An Apocalyptic
Comedy
von Action Theatre
23.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: SHANTEL DJ-Residency -
Balkan,
Gypsy
Sa 11.09.10
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE Frauenkleidertauschbörse
abseits der
Modeindustrie, women only
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.00 Uhr - Kino - TATORT REITSCHULE: "Harry hol schon mal den
Wagen" -
2x Derrick Specials!
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An Apocalyptic
Comedy
von Action Theatre
20.30 Uhr - Grosse Halle - Grass: Dokumentarisch-Nomaden-Kino
mit
Live-Vertonung
22.00 Uhr - Dachstock - Gamebois Plattentaufe "Loops". Support:
James
Gruntz (BS), DJ?s Sassy J & Benfay - Soul, Hiphop
So 12.09.10
17.00 Uhr - Grosse Halle - Berner Symphonie Orchester: Biss zum
Original - Nosferatu
21.00 Uhr - Tojo - Influx Controls von Boyzie Cekwana (Biennale
Bern)
Mo 13.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Influx Controls von Boyzie Cekwana (Biennale
Bern)
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Bund 8.9.10
Wenn die Musik spielt
Von "Nosferatu" bis zu audiovisuellen Performances: Das Kino in
der Reitschule präsentiert in der Grossen Halle ein attraktives
Programm zum Thema "Film und Musik".
Thomas Allenbach
Es muss nicht unbedingt 3-D sein. Filmvorführungen mit
musikalischer Begleitung verleihen dem Kino ebenfalls jenen
Ereignischarakter, den es sich mit der dritten Dimension erneut erobert
hat. Wenn zum Beispiel das Berner Symphonieorchester (BSO) den
legendären Vampirfilm "Nosferatu" (1922) live begleitet, dann wird
daraus ein Erlebnis, wie es in den eigenen vier Wänden nie und
nimmer möglich ist, da kann die Homecinema-Ausrüstung noch so
raffiniert sein.
Das BSO unter der Leitung von Timothy Brock tritt in den
kommenden Tagen gleich zweimal mit der "Symphonie des Grauens" von
Friedrich Wilhelm Murnau auf. Am kommenden Samstag zuerst im Rahmen der
Biennale im Casino, am Sonntag dann (siehe Kasten) in der Grossen Halle
der Reitschule und damit an einem Ort, den das BSO zum ersten Mal
bespielt. Diese Aufführung ist Teil des Programms "Film und
Musik", mit dem das Kino in der Reitschule seine Saison eröffnet.
Erstling der "King Kong"-Regisseure
Es ist eine vielfältige, filmisch wie musikalisch attraktive
Auswahl, die Giorgio Andreoli getroffen hat. Was 1992 mit einzelnen
Aufführungen von Stummfilmklassikern im Hof der Reitschule begann,
hat sich zu einer Reihe mit Festivalcharakter entwickelt. "Früher
lautete das Motto ‹Stummfilm mit Musik›, jetzt heisst es ‹Film und
Musik›, weil wir das Programm offener gestalten wollen", sagt Andreoli.
"Unser Anlass hat sich mehr und mehr etabliert. Wir erhalten deshalb
immer mehr Angebote."
Die Offenheit zeigt sich gleich zu Beginn. Die Reihe wird mit
einer audiovisuellen Performance eröffnet, die Geräusche,
Bilder, Interviews und Texte aus der arabischen Welt in eine Klang- und
Bildcollage verdichtet und die Frage nach künstlerischer, lokaler
Identität in einer globalisierten Welt stellt. Experimentellen
Charakter hat auch der zweite Abend: Die beiden Musiker Sven
Bösiger (Electronics, Maultrommel) und Patrick Kessler vertonen
live "Grass - A Nations Battle for Life" (1925). Der Dokumentarfilm der
späteren "King Kong"-Regisseure Merian C. Cooper und Ernest B.
Schoedsack erzählt von der dramatischen Wanderung eines persischen
Nomadenstamms.
SMS und andere Botschaften
Zu den Stammgästen im Programm - und zusammen mit der
Cineteca di Bologna seit 1992 zu den wichtigen Partnern - gehört
der Musiker und Komponist Marco Dalpane. Er begleitet am Klavier den
auf "Madame Butterfly" basierenden "Harakiri" von Fritz Lang, einen von
nicht weniger als fünf Filmen, die der deutsche Regisseur 1919
drehte. Mit seinem Ensemble Musica nel buio, das um fünf
Gastmusiker aus Bern verstärkt wird, begleitet Dalpane zudem
Buster Keatons Klassiker "The General" (1926).
Mit "SMS from Shangri-La" von Dieter Fahrer und Lisa
Röösli steht zum Abschluss auch ein neuer Musikfilm auf dem
Programm. Die Berner Filmemacher folgen darin sieben Schweizer Musikern
auf ihrer Reise durch Bhutan. Sie dokumentieren nicht nur deren
Konzerte, sondern auch die Alltagsbegegnungen mit den Menschen im
Bergland des Himalaja, zugleich reflektieren sie unsern Umgang mit dem
Fremden und unsere Sehnsucht nach dem Paradies. Die Musiker Regula
Gerber, Susanna Dill, Mark Oberholzer, Patrick Vogel, Wege
Wüthrich, Sämi Zumbrunn und Gilbert Paeffgen, die der Film
nach Bhutan begleitet, umrahmen die Projektion mit einem Livekonzert.
Ganz im Zeichen der Musik - und der interkulturellen Arbeit mit
Jugendlichen - steht der Abend mit dem multinationalen Sextett
Travesías, zu dem unter anderen die Berner Simon Ho und Lorenz
Hasler gehören. Im Juli hat das Sextett in Havanna mit rund 30
Schülerinnen und Schülern Kompositionen von Simon Ho
eingeübt, die nun präsentiert werden, filmisch untermalt von
dokumentarischen Impressionen der Probenarbeit. Mit dem
Filmmusik-Theater "Die kleinen Strolche" von Karin Jampen und der Musik
von Leo Dick (es war im Mai bereits im Schlachthaus zu sehen) werden
auch die Kinder beschenkt: Am Beispiel von vier Episoden aus der
Stummfilmserie von Produzent Hal Roach erfahren sie unter anderem, wie
der Ton in den Film kommt.
--
Vampire und andere Strolche Das Programm
Do, 9. 9., 20.30: Paed trifft Norient: Audiovisuelle Performance
mit Thomas Burkhalter, Michael Spahr, Simon Grab, Raed Yassin, Paed
Conca. Sa, 11. 9., 20.30: "Grass" von Merian C. Cooper und Ernest B.
Schoedsack, USA 1925. Livemusik: Sven Bösiger, Patrick Kessler.
So, 12. 9., 17.00: "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" von
Friedrich Wilhelm Murnau (1922). Live-Begleitung: Berner
Symphonieorchester. Mi, 15. 9, 20.00: Livekonzert des Sextetts
Travesías mit dem Jugendorchester und dem Jugendchor Escuela
Paulita Concepci ón, Havanna, ergänzt mit dokumentarischen
Probeaufnahmen. Fr, 17. 9., 20.30: "Harakiri" von Fritz Lang (1919).
Live-Begleitung: Marco Dalpane (Piano). Sa, 18. 9., 16.00: "Die kleinen
Strolche", vier Stummfilme aus den Jahren 1923-1927. Filmmusik: Leo
Dick (Uraufführung). Sa, 18. 9., 20.30: "The General" von Buster
Keaton (1926). Live-Begleitung: Musica nel buio, Bologna, mit fünf
Gastmusikern. So, 19. 9., 20.00: "SMS from Shangri-La" von Dieter
Fahrer und Lisa Röösli. Livemusik: Regula Gerber, Patrick
Vogel, Susanna Dill, Mark Oberholzer, Wege Wüthrich, Gilbert
Paeffgen, Sämi Zumbrunn. (kul)
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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 8.9.10
Reitschule: Stadt-FDP fährt Slalom
Die Parteiversammlung der FDP Stadt Bern hat sich gestern beim
Thema Reitschule mit klarer Mehrheit ins Schlepptau der SVP begeben:
Mit 38 Ja gegen 9 Nein bei zwei Enthaltungen beschloss sie die
Ja-Parole zur Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule",
über die das Stadtberner Volk am 26. September abstimmen wird.
Betrachtet man die Parolen der liberalen FDP zum libertären
Kulturzentrum über längere Zeit, ergibt sich ein Slalomkurs
mit weiten Schwüngen: 1999 Nein zur Sanierung der Reitschule, 2000
Ja zu deren Umwandlung in ein Shoppingzentrum, dann aber 2005 in einer
Spitzkehre Nein zu einer Anti-Reitschulinitiative - und nun also wieder
Ja zu einer solchen. "Die Partei hatte schon immer ein
zwiespältiges Verhältnis zur Reitschule", räumt
Parteipräsidentin Dolores Dana ein. Um diese Schizophrenie
angemessen abzubilden, hatte die Stadtratsfraktion Stimmfreigabe
empfohlen. Dana: "Damit hätten wir gezeigt, dass dies nicht unser
Krieg ist." Doch bei der Basis schwappte der Ärger über die
Reitschule hoch. Mit der Ja-Parole sitzt die FDP nun - anders als BDP
und CVP - erneut im Seitenwagen der SVP. (st)
---
Bund 8.9.10
Kurz Reitschul-Initiative
Berner EVP ist gegen die Reitschule-Initiative
Die EVP der Stadt Bern lehnt die Initiative "Schliessung und
Verkauf der Reitschule" ab, wie die Partei gestern in einem
Communiqué mitteilte. Die EVP begründet ihre Haltung damit,
dass es in der Reitschule Nischen gebe, die in der Stadt Bern nicht
fehlen dürften. In zahlreichen Gruppen werde engagierte
Freiwilligenarbeit geleistet. Zudem bestünden in der Reitschule
Freiräume für alternative Kulturangebote. Auch "Menschen,
denen unsere durchstrukturierte Welt Mühe bereitet", fänden
in der Reitschule einen Platz. Für die EVP sei klar, dass in und
um die Reitschule "nur eine kleine Minderheit von Personen Probleme"
verursache. Über die Initiative stimmt die Berner Bevölkerung
am 26. September ab. (pd)
---
BZ 8.9.10
FDP
Ja zum Verkauf der Reitschule
Die FDP der Stadt Bern hat der Initiative "Schliessung und
Verkauf der Reitschule" zugestimmt. Weil sich die Reitschule seit
Jahren weigert, sich von der Antifa-Bewegung zu distanzieren und nach
wie vor bei Demonstrationen den Chaoten Unterschlupf gewährt. Der
Finanzierung der öffentlichen Räume im Wankdorf City wurde
ebenfalls zugestimmt.
pd
SD
Ja für Schliessung der Reitschule
Die Schweizer Demokraten (SD) empfehlen ein Ja zur Initiative
"Schliessung und Verkauf der Reitschule". Nur mit einem Verkauf
könne dem Trauerspiel ein Ende gesetzt werden. Die linksgrüne
Stadtregierung hätschele und bezahle so einen Hort autonomer
Politik, deren Gewalttaten sich auch gegen die Stadtregierung wende.
Die SD befürwortet auch die Kreditaufstockung für die
öffentlichen Räume im Wankdorf City.
pd
---
Langenthaler Tagblatt 8.9.10
FDP Bern klar für Reitschul-Initiative
Als Erich J. Hess vor zwei Jahren die Initiative "Schliessung und
Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden" lancierte, war es nur die
Sektion Kirchenfeld der Berner Freisinnigen, die das Ansinnen
unterstützte (vgl. Ausgabe vom 30. August). An der
Parteiversammlung vom Montagabend haben die Delegierten der FDP Stadt
Bern nun aber mit 38 Ja zu 9 Nein (bei 2 Enthaltungen) klar
beschlossen, den Stimmbürgern am 26. September das Volksbegehren
zur Annahme zu empfehlen. Laut einer Mitteilung wurde vorab kritisiert,
die Reitschule biete "nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten
Unterschlupf". Für einmal ergibt der Parolenspiegel damit ein
neues Bild: Alle Stadtberner Parteien ausser der FDP und SVP stellen
sich gegen die Initiative und somit hinter das alternative
Kulturzentrum. (sat)
---
BZ 8.9.10
Leserbriefe
"Die Reitschule wird nur schöngeredet"
Diverse Artikel zur Reitschule-Abstimmung
Im Hinblick auf die Abstimmung vom 26. September wird die
Reitschule schöngeredet, und es wird vom angeblich
kostengünstigen "Kultur"-Angebot in den höchsten Tönen
geschwärmt. Tatsache ist aber leider, dass eine winzige Minderheit
unverfroren bestimmt, was "Kultur" ist. Und dafür soll die grosse
Mehrheit - die Steuerzahler - bis in alle Ewigkeit zahlen, obwohl sie
diesen rechtsfreien Raum in der Reitschule ablehnt. Für Kriminelle
ist die Reitschule ein staatlich finanziertes Schutzareal. Zudem wird
dort ein Gedankengut gepflegt, das auf die totale Ablehnung der Berner
und Schweizer Behörden abzielt. Beenden wir deshalb dieses absurde
"Kultur"-Experiment! Wer Anarchie und Drogenkonsum predigt, soll seine
Propaganda wenigstens selber bezahlen.
Hans Mäder Zollikofen
"Schlussstrich"
Im 19. Jahrhundert existierten in fast allen grösseren
Städten Europas Reithallen. Sie dienten als Stallungen für
Pferde, Einstellhallen für Kutschen und Schulen für Mensch
und Tier. Mit der Ablösung der Pferdekutschen durch das Auto
wurden die Reithallen nicht mehr benötigt, und die meisten wurden
abgerissen oder umgebaut. Aber nicht alle Reithallen verschwanden. Das
beste und schönste Beispiel ist die Reithalle in Wien, die die
Spanische Reithofschule beherbergt, zum Weltkulturerbe gehört und
die Hauptattraktion für Tausende von Touristen jährlich ist.
Im Gegensatz steht die Berner Reithalle. Gelegen in der Nähe des
Hauptbahnhofs Bern, vermittelt die Reithalle Zugreisenden, Touristen
wie Einheimischen, den ersten Eindruck von Bern: verwahrlost,
verschmutzt, verschandelt, verschmiert. Erstellt 1887, wurde die
Reithalle nicht abgerissen und nach 1937 als Lagerhalle benutzt. In den
80er-Jahren während der Jugendkrawalle wurde die Reithalle von
rebellischen Jugendlichen besetzt, mehrmals geräumt, wieder
besetzt und schliesslich 1987 zum Autonomen Kultur- und
Begegnungszentrum hochstilisiert. Trotz der damals wie heute immer noch
herrschenden Missstände (rechtsfreier Raum, Drogen, Gewalt,
Ausgangspunkt und Rückzugsort autonomer Demonstrationen) wird das
Autonome Begegnungszentrum vom Berner Stadtparlament geduldet und
finanziell unterstützt. Die Stadt lässt sich den Erhalt der
Reithalle etwas kosten, die Sanierungsarbeiten kosteten 13 Millionen
Franken, und die jährliche Subventionierung für Wasser,
Miete, Strom, Elektrizität, Abfallentsorgung beläuft sich auf
über 600 000 Franken. Dazu kommt noch, dass die gültigen
Leistungsvereinbarungen nicht eingehalten werden.
Es muss ein Schlussstrich unter die Reithalle und das Autonome
Kulturzentrum gezogen werden. Es kann nicht sein, dass aus
ideologischen Gründen unserer Stadt unzumutbarer Schaden
zugefügt wird, kulturell wie finanziell. Deshalb Ja zum Verkauf
der Reithalle.
Dr.med. Olena Geissbühler
Alt-Stadträtin ehemalige Bümplizerin
---
Telebärn BZ-Talk 2.9.10
Schliessung und Verkauf der Reitschule?
Am 26. September stimmen die Bernerinnen und Berner über die
Volksinitiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Ist die
Reitschule ein Hort von Gewalt und Extremismus? Oder eine aus Bern
nicht wegzudenkende, wichtige Kultur-Institution?
Gäste:
- Rahel Ruch, Junge Alternative JA!
- Erich Hess, Präsident JSVP
Moderation:
- Stefan Geissbühler, Newschef BZ
http://www.bernerzeitung.ch/region/dossier/bztalk/Schliessung-und-Verkauf-der-Reitschule/story/27513066
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HESS BIETET WENIGER
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reitschulinitiative.ch 8.9.10
Komitee
Folgende Personen und Organisationen unterstützen die
Volksinitiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule":
Jetzt dem Komitee beitreten!
Initiativkomitee
* Hess Erich, Stadtrat und Grossrat SVP, Bern - Präsident des
Initiativkomitees
* Blaser Manfred, Stadtrat SVP, Bern
* Feuz Alexander, FDP, Bern
* Fuchs Thomas, Grossrat SVP, Bern
* Jaisli Ueli, Stadtrat SVP, Bern
* Jakob Roland, SVP, Bern
* Weil Thomas, Stadtrat SVP, Bern
Abstimmungskomitee (in alphabetischer Reihenfolge)
* Estermann Yvette, Ärztin/Nationalrätin, Kriens
* Grob Jeremy K., Bankkaufman, Gockhausen
* Grütter Urs, Fürsprecher/Rechtsanwalt, Gümligen
* Gyger Sandro, Sachbearbeiter Treuhand, Bern
* Hartmeier Hans, Unternehmer, Egliswil
* Haslimeier Paul, Wegenstetten
* Hegg Jean-Jacques, Psychiater/alt Nationalrat, Dübendorf
* Johner Heidi, Renterin, Solothurn
* Moser Fred, Bern
* Oehen Valentin J., alt Nationalrat, Köniz
* Schlüer Ulrich, Verleger/Nationalrat, Flaach
* Stettler Christian, Koch, Bern
* Zbinden Peter, Schulleiter, Port
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MÜSLÜM
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Glanz & Gloria 7.9.10 (18.40 Uhr)
Glanz & Gloria besucht Müslüm
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=58e25f32-b366-4e3c-a96a-1c6666d245c8
(Beitrag)
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=516a733a-fc23-42d2-9ccd-44617960e80d
(Ganze Sendung, Müslüm ab 03:54)
--
Müslüm und das Scha(r)f
Dienstag, 7. September 2010, 13:40 Uhr
Müslüm ist Kult. Als Türke, der in der Schweiz lebt, ist
der Berner Komiker nie um eine Antwort verlegen. Auch wenn er schon mal
scharf und Schaf verwechselt - lachen Sie mit beim Fragespiel "glanz
oder gloria".
http://www.glanzundgloria.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2010/09/07/Schweiz/Muesluem-und-das-Scha-r-f
Mehr zu Müslüm sehen Sie in der Sendung vom 7. September 2010.
---
Newsnetz 7.9.10
Buecher
"Die SVP benutzt unsere Methoden"
Rico Bandle
Seit der Minarett-Abstimmung äussern sich vermehrt
Künstler zu politischen Themen, so auch Guy Krneta. Der
Schriftsteller über angefeindete Intellektuelle, die SVP und das
"Land der Arschlöcher".
Die Kulturschaffenden beginnen wieder zunehmend Pamphlete und
Manifeste herauszugeben. Glauben sie, damit etwas bewirken zu
können? Es kommt natürlich darauf an, wie man vermittelt wird
und wie man sich selbst vermittelt. Unsere Texte zum 1. August wurden
zum Beispiel vom "Tages-Anzeiger" total verrissen. Online gab es dann
Kommentare von Leuten, die die Texte gar nicht gelesen hatten. Das ist
erschreckend, wie die Leute auf Schlagworte reagieren. Es muss nur
heissen, "Künstler machten das und das" und schon kommt eine
geballte Wucht an Vorwürfen und Gehässigkeiten.
Stellen Sie eine intellektuellenfeindliche Stimmung im Land fest?
Ja, die ist vorhanden. Sie wird aber auch geschürt. Ich selbst
würde mich aber nicht als Intellektuellen bezeichnen, ich bin
Schriftsteller, das ist ein handfester Beruf.
Wie wird die Stimmung geschürt? Das ist schwierig zu sagen.
Doch nehmen wir zum Beispiel Adolf Muschg. Er ist zur Reizfigur
geworden, vor allem bei Leuten, die noch nie etwas von ihm gelesen
haben. Man reagiert auf ein bestimmtes Bild, das vermittelt wird. Was
auch vergessen geht: Muschg spricht nicht für alle Schriftsteller,
er kommt aus einer gewissen Generation, andere denken anders.
Weshalb aber die Intellektuellenfeindlichkeit? Es handelt sich um
ein gesellschaftliches Phänomen: Die Gesellschaft wird zerlegt,
möglichst in Randgruppen, gegen die man schiessen kann. Da bietet
sich die Gruppe der Künstler richtiggehend an. Es gibt viele
Leute, die sich nicht vorstellen können, wie der Alltag eines
Künstlers aussieht, was es zum Beispiel braucht, um einen
literarischen Text zu schreiben.
Sind die Voten nicht einfach zu vorhersehbar? Ein Manifest von
Intellektuellen gegen das Minarettverbot kommt etwa so
überraschend wie das Ausscheiden der Schweizer Nationalmannschaft
an der Fussball-WM. Ich erlebe das nicht so. Von der SVP werden in den
letzten zehn, fünfzehn Jahren auf primitivste Art Ängste
geschürt, und plötzlich führt man nur noch
Scheindebatten. Man redet über Dinge, die völlig unwesentlich
sind, wie die Minarette. Der Alltag findet aber ganz woanders statt.
Die Probleme müssen da gelöst werden, wo sie sind und nicht
in Scheindebatten, wie sie die SVP dauernd anheizt.
Jetzt sind Sie schon wieder beim SVP-Bashing, damit sind Sie doch
genau so plakativ wie die von Ihnen angefeindete Partei. Nein. Bei der
SVP läuft alles auf ein klares Ja oder Nein heraus. In der Kunst
haben wir einen anderen Anspruch. Wir wollen Raum schaffen, in dem man
diskutieren kann, ohne dass es nur schwarz oder weiss gibt, ohne dass
man nur sagen kann, ich bin klar dagegen oder ich bin klar dafür.
Christoph Mörgeli sagte kürzlich auf : "Alle
Künstler sind Linke". Was hat es mit dieser Prämisse auf
sich? Mir ist es egal, wenn ich als Linker verschrien werde, mir ist
auch egal, was Christoph Mörgeli sagt. Der Kabarettist Andreas
Thiel ist zum Beispiel kein Linker und Oskar Freysinger ist kein
Künstler, aber was solls. Was mich stört, sind diese
Bürgerlichen, die seit Jahren vor der SVP den Kopf einziehen oder
ihr aus taktischen Gründen nachgeben.
Das wirkungsvollste politische Votum eines Künstlers in
letzter Zeit war der Text von Charles Lewinsky nach der
Minarett-Initiative. Dass dies einem Autoren gelungen ist, der von den
Künstlern einst bloss belächelt wurde, spricht nicht
unbedingt für die Schweizer Intellektuellen. Das wirkungsvollste
Votum in letzter Zeit ist das Phänomen Müslüm mit dem
Youtube-Film...
Das ist ein lokales Phänomen im Umfeld der Berner
Reitschule. Was ist mit Lewinsky? Lewinskys Beitrag nach der
Anti-Minarett-Initiative und sein Interview zum 1. August im
Tages-Anzeiger haben mich sehr beeindruckt. Mit seinen Soaps konnte ich
nicht viel anfangen. Dass er dann mit "Melnitz" einen ernsthaften Roman
vorlegte und sich nun mit politischen Voten profiliert, darüber
freue ich mich sehr.
2008 beklagte Lukas Bärfuss in einem vielbeachteten Text das
"Schweigen der Denker", die darauffolgende Diskussion füllte den
ganzen Kaufleuten-Saal. Jetzt schweigen die Denker nicht mehr, alle
reden. Was ist passiert? Den Vorstoss Bärfuss' fand ich damals
nicht richtig. Es ist immer einfach, gegen andere zu schiessen, sie
sollten etwas machen. Dieser Text hat aber mit den Anstoss gegeben,
dass wir uns zusammengetan haben, und das entstanden ist, was heute das
Netzwerk "Kunst und Politik" ist. Dass dieses Netzwerk richtig in Fahrt
gekommen ist, hat aber auch viel mit der Minarett-Initiative zu tun.
Nach der unerwartet klaren Zustimmung war uns klar, dass wir etwas
verpasst hatten, dass wir schon im Vorfeld hätten aktiv werden
müssen. Vielleicht war es auch das Zeichenhafte dieser Initiative,
was uns irritierte. Die Leute wollten ein Zeichen setzen. Die SVP hat
also etwas gemacht, was sonst die Kunst macht - das Spiel mit den
Zeichen ist eigentlich Sache der Kunst.
Die Minarett-Initiative war also ein Kunstprojekt? Ja. Aber mit
einem entscheidenden Unterschied: Die Initiative hat realpolitische
Folgen. Als Performance wäre die Initiative durchaus in Ordnung
gewesen.
Auf den 1. August haben Sie einen Text unter dem Titel "Land der
Arschlöcher" (siehe Box oben links) geschrieben. Wurde die Satire
als solche erkannt? Es stand vielerorts, dass ich die Schweizer als
Arschlöcher beschimpfe. Es besteht nur wenig Sensibilität
für Ironie, das musste ich einmal mehr feststellen.
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RABE-INFO
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Mi. 8. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%208.%20September%202010
- Ferienparadies Malta: ein Traum für Touristen, ein Albtraum
für Flüchtlinge
- Wankdorf City im Fokus: um was geht es bei der städtischen
Abstimmung vom 26. September?
- Der Infoladen in der Berner Reitschule
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ALKVERBOT
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Zofinger Tagblatt 8.9.10
Aarau büsst zu junge Trinker
Minderjährige, die öffentlich Alkohol konsumieren,
zahlen bis zu 80 Franken
Aarau setzt den nächtlichen Saufgelagen von Jungen ein Ende
und büsst minderjährige Trinker. Man hofft auf weniger
Besoffene.
Deborah Balmer
Wider den Sachbeschädigungen und Pöbeleien: Unter
16-Jährige, die in Aarau öffentlich Alkohol trinken, werden
ab sofort mit 60 Franken gebüsst. Wer härteren Alkohol trinkt
und noch nicht 18-jährig ist, zahlt 80 Franken.
Als erste Stadt in der Region geht Aarau diesen neuen Weg. Dies
berichtete am Wochenende Tele M1. Man versuche mit den Bussen, den
Saufgelagen und Pöbeleien ein Ende zu setzen - etwas, mit dem
viele Schweizer Städte zu kämpfen haben. Der Stadtammann der
Kantonshauptstadt Marcel Guignard begründet das neue Vorgehen: "Es
gibt immer mehr junge Leute unter 16 Jahren, die sich am Wochenende auf
der Strasse aufhalten - aber Alkohol für die Jungen im
öffentlichen Raum tolerieren wir nicht."
Seit dem 1. September kann die Polizei jugendliche Trinker
strafen - bis jetzt war nur der Verkauf von Alkohol an
Minderjährige verboten. Und wenn Jugendliche draussen tranken,
konnte die Polizei höchstens die Eltern informieren.
Wie kommt die neue Massnahme bei den Jugendlichen selber an?
Unterschiedlich, wie eine Umfrage von Tele M1 zeigt. So sagte eine
Minderjährige: "Jugendliche brauchen irgendwo einen Platz, um
etwas zu trinken." Eine 15-Jährige hingegen befand, sie fände
die Bussen gut, denn es seien immer öfter Junge auf der Strasse am
Trinken.
Auch Aaraus Jugendkoordinator Daniele de Min begrüsst die
Bussen: "Das ist eine Linie, die wir in den Jugendhäusern schon
länger verfolgen." De Min gibt allerdings zu bedenken, dass die
Bussenverteilung nicht einfach sein wird. "Es ist für die Polizei
sicher schwierig nachzuweisen, ob ein minderjähriger Alkohol
getrunken hat, oder doch nur zu einer Gruppe von älteren
Jugendlichen gehört."
Flyer machen aufmerksam
Die Städte Zürich und Luzern wollen im Kampf gegen
Saufgelage und Littering noch weitergehen. Sie möchten wie in Chur
nachts ein generelles Alkoholverbot in der Öffentlichkeit
einführen. Sogar der gesamte öffentliche Raum könnte zur
alkoholfreien Zone erklärt werden. Das sehen die beiden neuen
Polizeigesetze vor.
Auch in Aarau ist die neu eingeführte Bussenregelung nach
einem neuen Paragrafen im Polizeireglement möglich. So weit wie in
Luzern oder Zürich will man allerdings in der Stadt der Giebel
nicht gehen: "Was grundsätzlich zu kaufen ist, soll man im
öffentlichen Raum auch konsumieren dürfen", so Marcel
Guignard.
In nächster Zeit werden die mobilen Jugendarbeiter Aaraus
Jugendliche mit Flyern auf die Bussen aufmerksam machen.
--
Nächtliches Alk-Verbot
Ein generelles Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen
zwischen 0.30 Uhr und 7 Uhr in der Früh - dieser Weg wird in Chur
bereits seit zwei Jahren verfolgt. Seit 2008 habe die Polizei in Chur
rund 200 Bussen in der Höhe von 50 Franken ausgesprochen, schreibt
die "NZZ". Das Gesetz wurde durch einen Volksentscheid eingeführt.
Seither seien die Saufgelage in der Nacht deutlich weniger geworden, so
der Churer Polizeidirektor Ueli Caluori gegenüber der "Neuen
Luzerner Zeitung". Auch der Städteverband verlangte im neuen
Alkoholgesetz eine Klausel für ein Alkoholverbot im
öffentlichen Raum. Bei einer Umfrage des Städteverbands
stimmten unter 35 teilnehmenden Städten 30 für eine neue
Rechtsgrundlage, so die "NZZ". (BAL)
---
St. Galler Tagblatt 8.9.10
Alkoholverbot am Abend
Gemäss einer Studie von Sucht Info Schweiz verringern
Verkaufseinschränkungen von Alkohol die Zahl an Rauschtrinkern.
Zeitliche und örtliche Verkaufseinschränkungen für
alkoholische Getränke stellen gemäss einer Studie von Sucht
Info Schweiz ein wirksames Instrument der Prävention dar.
Seit 2005 gilt im Kanton Genf für Läden zwischen 21 und
7 Uhr ein Alkoholverkaufsverbot, und Tankstellen sowie Videotheken
dürfen generell keinen Alkohol mehr verkaufen. Die Untersuchung im
Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zeige die positiven
Auswirkungen auf das Rauschtrinken Jugendlicher und junger Erwachsener.
Spitaleinlieferungen analysiert
Für ihre Untersuchung hat ein Forscherteam die Entwicklung
der alkoholbedingten Spitaleinlieferungen im Kanton Genf analysiert und
mit der übrigen Schweiz verglichen. Zwischen 2002 und 2007 nahm
die Anzahl der Spitaleinlieferungen aufgrund von Alkoholvergiftungen in
der Schweiz insgesamt zu. Im Kanton Genf gingen diese Notaufnahmen bei
den 10- bis 15-Jährigen seit 2005 im Gegensatz zu den anderen
Kantonen zurück. Bei den 16- bis 29-Jährigen war die Zunahme
im Kanton Genf geringer als in der übrigen Schweiz.
Ohne Wirkung bei Älteren
Ohne Einführung dieser Massnahme wäre die Entwicklung
im Kanton Genf negativer verlaufen, glauben die Forscher. Keine
Auswirkung der Einschränkungen zeigte sich gemäss der Studie
bei den über 29-Jährigen. (ots)
--
Was Alkohol auch noch auslösen kann
Zurzeit sind in der Stadt eigenartige Figuren anzutreffen, deren
Erscheinung auf übermässigen Alkoholgenuss schliessen
lässt. Die Stiftung Suchthilfe will so Aufmerksamkeit erregen.
Ein Bierchen in Ehren. Oder auch zwei. Der Genuss alkoholischer
Getränke soll unter anderem die Stimmung heben und entspannen.
Gelegentlich allerdings trinken Menschen zu heftig eins über den
Durst und landen im Elend. Ein solcher Anblick wird einem zum
Glück eher selten zuteil. Weshalb die Stiftung Suchthilfe im
Stadtzentrum St. Gallen acht ausgeschnittene Fotos von Menschen in
Lebensgrösse auf eine Wand projizierte und sie mit Zitaten aus
einer andern Kampagne kombinierte. Da steht zum Beispiel: "Saufen
verdient keinen Respekt, deine Gesundheit schon."
Irritieren, diskutieren
Mit diesem Auftritt will die Suchthilfe zeigen, was Alkohol auch
noch bewirken kann. "Am Anfang ist die Irritation", sagt Jürg
Niggli, Geschäftsleiter der Stiftung, "damit wollen wir
Diskussionen auslösen, und vielleicht erreichen wir sogar eine
Verhaltensänderung." Das wäre dann die Alternative zu weniger
angenehmen Massnahmen, die schon diskutiert worden sind: Verbot von
Alkoholkonsum an bestimmten Orten im öffentlichen Raum und
zeitliche Einschränkungen.
Täuschend echt
Die von der PR-Agentur Cactus inszenierten Figuren scheinen ihre
Wirkung nicht zu verfehlen. So hörte einmal Jürg Niggli ein
etwa vierjähriges Mädchen sagen: "Warum krümmt sich der
Mann dort auf dem Bänklein?" Die Attrappen wirken wie echt und
sollen noch einige Tage stehen bleiben. "Sollte diese Kampagne
entsprechende Resonanz auslösen", sagt Niggli, "dann werden wir
sie im nächsten Frühling möglicherweise wiederholen."
Sie ist Teil des vor einem Jahr eingeführten Stadtsanktgaller
Alkoholkonzepts. (th)
--
Alkohol und Vandalismus am See bereiten Sorge
Die Ordnung in den öffentlichen Anlagen der Gemeinde
Steinach am See wird wiederholt verletzt. Ein grosses Problem ist der
Alkoholkonsum Jugendlicher.
steinach. Seit einigen Jahren hat der Gemeinderat Steinach die
Top Security nebst der Schliessung des Seeuferweges im Weidenhof mit
der Kontrolle der öffentlichen Anlagen beauftragt. Zu diesen
gehören unter anderem die Parkanlage im Rohr, die Umgebung des
Seebades, der Bootshafen, der Gemeindesaal, die Schulanlage und weitere
Anlagen nach Bedarf.
Grundlage für Sanktionen
In diesem Jahr wurde die Kontrolltätigkeit infolge
Lärmimmission für Anwohner, Unordnung (Abfall),
Sachbeschädigungen, Missachtung von Fahrverboten und
übermässigem Alkoholkonsum verstärkt. Die Top Security
erstellt für jede abendliche Kontrolle einen Rapport. Dabei muss
regelmässig die Missachtung von Vorschriften festgestellt werden.
Dies hat nun den Gemeinderat veranlasst, in absehbarer Zeit ein
Polizeireglement auszuarbeiten, damit unverzüglich gebüsst
oder verzeigt werden kann.
Ein grosses Problem stellt auch der Alkohol dar. Regelmässig
ist den Rapporten zu entnehmen, dass Minderjährige in versammelter
Runde teils übermässig Alkohol konsumieren. Oftmals
benützen diese Jugendlichen anschliessend wieder den Roller
für die Heimfahrt in teilweise alkoholisiertem Zustand. Vereinzelt
gehören auch Minderjährige unter 16 Jahren zum Kreis der
Jugendlichen, welche Alkohol konsumieren, wie festgestellt wurde.
Auskünfte an Eltern
Die Top Security nimmt die Namen der angetroffenen Personen
meistens in die Rapporte auf, die durch ungebührliches Verhalten
auffallen. Eltern, die wissen möchten, ob ihre minderjährigen
Jugendlichen aufgefallen sind, können sich an die
Gemeinderatskanzlei wenden. (grs)
---
Aargauer Zeitung 8.9.10
Aarau büsst zu junge Trinker
Minderjährige, die öffentlich Alkohol konsumieren,
zahlen bis zu 80 Franken
Aarau setzt den nächtlichen Saufgelagen von Jungen ein Ende
und büsst minderjährige Trinker. Man hofft auf weniger
Besoffene.
Deborah Balmer
Wider den Sachbeschädigungen und Pöbeleien: Unter
16-Jährige, die in Aarau öffentlich Alkohol trinken, werden
ab sofort mit 60 Franken gebüsst. Wer härteren Alkohol trinkt
und noch nicht 18-jährig ist, zahlt 80 Franken.
Als erste Stadt in der Region geht Aarau diesen neuen Weg. Dies
berichtete am Wochenende Tele M1. Man versuche mit den Bussen, den
Saufgelagen und Pöbeleien ein Ende zu setzen - etwas, mit dem
viele Schweizer Städte zu kämpfen haben. Der Stadtammann der
Kantonshauptstadt Marcel Guignard begründet das neue Vorgehen: "Es
gibt immer mehr junge Leute unter 16 Jahren, die sich am Wochenende auf
der Strasse aufhalten - aber Alkohol für die Jungen im
öffentlichen Raum tolerieren wir nicht."
Seit dem 1. September kann die Polizei jugendliche Trinker
strafen - bis jetzt war nur der Verkauf von Alkohol an
Minderjährige verboten. Und wenn Jugendliche draussen tranken,
konnte die Polizei höchstens die Eltern informieren.
Wie kommt die neue Massnahme bei den Jugendlichen selber an?
Unterschiedlich, wie eine Umfrage von Tele M1 zeigt. So sagte eine
Minderjährige: "Jugendliche brauchen irgendwo einen Platz, um
etwas zu trinken." Eine 15-Jährige hingegen befand, sie fände
die Bussen gut, denn es seien immer öfter Junge auf der Strasse am
Trinken.
Auch Aaraus Jugendkoordinator Daniele de Min begrüsst die
Bussen: "Das ist eine Linie, die wir in den Jugendhäusern schon
länger verfolgen." De Min gibt allerdings zu bedenken, dass die
Bussenverteilung nicht einfach sein wird. "Es ist für die Polizei
sicher schwierig nachzuweisen, ob ein minderjähriger Alkohol
getrunken hat, oder doch nur zu einer Gruppe von älteren
Jugendlichen gehört."
Flyer machen aufmerksam
Die Städte Zürich und Luzern wollen im Kampf gegen
Saufgelage und Littering noch weitergehen. Sie möchten wie in Chur
nachts ein generelles Alkoholverbot in der Öffentlichkeit
einführen. Sogar der gesamte öffentliche Raum könnte zur
alkoholfreien Zone erklärt werden. Das sehen die beiden neuen
Polizeigesetze vor.
Auch in Aarau ist die neu eingeführte Bussenregelung nach
einem neuen Paragrafen im Polizeireglement möglich. So weit wie in
Luzern oder Zürich will man allerdings in der Stadt der Giebel
nicht gehen: "Was grundsätzlich zu kaufen ist, soll man im
öffentlichen Raum auch konsumieren dürfen", so Marcel
Guignard.
In nächster Zeit werden die mobilen Jugendarbeiter Aaraus
Jugendliche mit Flyern auf die Bussen aufmerksam machen.
--
Motion Jugendlichen Alkohol in Öffentlichkeit verbieten?
In einer gestern eingereichten Motion verlangt der parteilose
Grossrat Samuel Schmid (vorher EDU) von der Regierung, die gesetzlichen
Grundlagen zu schaffen, "dass Jugendliche unter 16 Jahren auf
öffentlichem Grund keine alkoholischen Getränke konsumieren
dürfen sowie dass Jugendliche unter 18 Jahren auf
öffentlichem Grund keine Spirituosen konsumieren dürfen".
Schmid kritisiert, schon bei Kindern und Jugendlichen beginne "ein
"sorgloser und teilweise exzessiver Umgang mit Alkohol".
Anpöbeleien, Vandalenakte, Jugendgewalt stünden meistens in
Zusammenhang mit übermässigem Alkoholkonsum. (MKU)
---
20 Minuten 8.9.10
Verkauf von Alkohol in der Nacht soll verboten werden
BERN. Wenn in der Nacht kein Alkohol verkauft werden darf, sinkt
die Zahl der Kampftrinker rapide, so eine Studie aus Genf.
Suchtfachleute und der Städteverband fordern nun ein nationales
Verbot.
Seit 2005 dürfen Läden in Genf von 21 bis 7 Uhr keinen
Alkohol mehr verkaufen. Die stark prohibitive Massnahme zeigt Wirkung:
Die Zahl der 10- bis 15-Jährigen, die wegen einer
Alkoholvergiftung im Spital landeten, sank rapide - während in der
übrigen Schweiz deren Zahl weiter stieg. Und bei den 16- bis
29-Jährigen war die Zunahme in Genf geringer als in anderen
Kantonen. Dies zeigt eine neue Studie der Fachstelle Sucht Info Schweiz
im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit. Eine Einschränkung
der Verfügbarkeit von Alkohol führt also direkt zu weniger
Komasäufern.
Sucht-Fachstellen wie Sucht Info Schweiz fordern nun im Rahmen
der Totalrevision des Alkoholgesetzes (siehe Box) ein nationales
Verkaufsverbot von Bier, Wein und Schnaps zwischen 22 und 7 Uhr. Auch
der Städteverband spricht sich dafür aus: "Die Studie wie
auch die Erfahrungen der SBB mit ihrem nächtlichen
Alkohol-Verkaufsverbot an Bahnhöfen zeigen, dass die Massnahme
wirkt", so deren stellvertretender Direktor Martin Tschirren.
Der Bundesrat winkt ab: "Der Bund hat auf Alkoholverkaufsverbote
verzichtet, weil diese ohne Konsumverbote nicht zielführend
wären und gewichtige Grundrechtsbeschränkungen zur Folge
hätten", so Nicolas Rion, Sprecher der Eidgenössischen
Alkoholverwaltung.
Auch müssten Benachteiligungen bei der
überwältigenden Mehrheit der Schweizer, die vernünftig
trinken, vermieden werden.
Nico Menzato
--
Testkäufe und Mindestpreise
BERN. Der Bundesrat will das Alkoholgesetz revidieren - die
Vernehmlassung dazu läuft noch bis Ende Oktober: Kernpunkte sind
ein Verbot von Lockvogelangeboten, ein Weitergabeverbot von Schnaps an
Minderjährige sowie eine gesetzliche Grundlage für
Testkäufe. Mindestpreise sind nicht vorgesehen und räumliche
Einschränkungen beim Alkoholkonsum seien in der Kompetenz der
Kantone. Letzteres wird von Suchtfachstellen und dem Städteverband
gefordert. Die Stadt Luzern prüft derzeit ein Alkohol-Verbot auf
öffentlichen Plätzen - auch in anderen Städten gibt es
entsprechende Forderungen.
---
Blick am Abend 7.9.10
Polizei gegen Alk-Verbot
GESETZ
Die Stadt will Alkohol in der Öffentlichkeit verbieten.
Nicht praktikabel sagt die Polizei.
michael.graber@ringier.ch
Es ist ein kontroverses Thema: Ein Alkoholverbot im
öffentlichen Raum. Die Stadt Luzern prüft derzeit, ob und wo
ein solches Gesetz möglich wäre. Doch Kritik an der Massnahme
gibt es auch von der Polizei selbst. Heinz Buttauer, Präsident des
Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter: "Beim derzeitigen
Personalbestand sind weitere Grosskontrollen gar nicht möglich."
Die Kapazitäten der Polizisten seien sonst schon knapp. Ein neues
Gesetz bedeutet bei genauer Ausführung aber immer auch Mehrarbeit.
Aus diesem Grund hält er ein Alkoholverbot auf öffentlichen
Plätzen für nicht "praktikabel".
Aber nicht nur im chronischen Unterbestand sieht Buttauer ein
Problem, sondern auch in der Umsetzung: "Ich kann mir nicht vorstellen,
dass ein Polizist jedem eine Busse verteilt, der mit einem Kollegen
gemütlich am See ein Bier trinkt." Nur: Wird ein neues Gesetz
verankert, ist die Polizei auch verpflichtet, die Regelung konsequent
umzusetzen. "Hier gilt aber der Grundsatz der
Verhältnismässigkeit", sagt Buttauer, "sonst müssten wir
auch jeden, der nur ein kleines bisschen falsch parkiert hat
büssen." Er kann sich vorstellen, dass das Gesetz im Fall von
Massenbesäufnissen angewendet würde. Hier sei es Sache von
Politik und Polizeiführung die Auslegung und Strenge genau zu
definieren.
Generell begrüsst Buttauer aber weitere Gesetze: "Es ist
gut, wenn den Polizisten eine klare Regelung zur Verfügung steht."
So könnten unnötige Diskussionen verhindert werden. Er
hält aber auch fest, "dass Gesetze und Repression alleine das
Problem nicht lösen können."
---
Schweiz Aktuell 7.9.10
Weniger Alkohol-Vergiftungen
In Genf müssen weniger Jugendliche mit Alkoholvergiftungen ins
Spital eingeliefert werden - seit der Alkoholverkauf Anfang 2005
eingeschränkt worden ist. Diese positive Bilanz ziehen die Genfer
Gesundheitsbehörden.
http://videoportal.sf.tv/video?id=8fa9b973-7ba2-4d22-a556-50dd823ca480
---
Echo der Zeit 7.9.10
Suchtbekämpfung mit Verkaufsverbot von Alkohol über Nacht
Im Kanton Genf werden deutlich weniger Kinder und junge Leute wegen
Alkoholmissbrauch ins Spital eingeliefert als in der übrigen
Schweiz. Dies, weil die Geschäfte zwischen 21 Uhr abends bis 7 Uhr
morgens keinen Alkohol verkaufen dürfen. Zu diesem Schluss kommt
eine Studie von Sucht Info Schweiz im Auftrag des Bundesamtes für
Gesundheit.
rtsp://a1753.v23910e.c23910.g.vr.akamaistream.net/ondemand/7/1753/23910/4c8665c0/audio.drs.ch/drs1/echoderzeit/2010/09/100907_echo_07_muelhauser.mp3
---
sucht-info.ch 7.9.10
Prävention im Kanton Genf: Wirkung der
Verkaufseinschränkungen für Alkohol
07. September 2010, 10:00
Zeitliche und örtliche Verkaufseinschränkungen für
alkoholische Getränke stellen ein wirksames Instrument der
Prävention dar. Dies zeigt eine Studie von Sucht Info Schweiz.
Seit 2005 gilt im Kanton Genf für Läden nachts ein
Alkoholverkaufsverbot, und Tankstellen sowie Videotheken dürfen
generell keinen Alkohol mehr verkaufen. Die Untersuchung im Auftrag des
Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zeigt die positiven Auswirkungen
auf das Rauschtrinken Jugendlicher und junger Erwachsener.
Ab Februar 2005 verstärkte der Kanton Genf die
Präventionsbemühungen beim Alkohol: Seit diesem Datum gilt
für Läden ein Alkoholverkaufsverbot zwischen 21 und 7 Uhr;
Tankstellen und Videotheken dürfen keine alkoholischen
Getränke im Sortiment haben. Dass solche Massnahmen namentlich den
Jugendschutz stärken und das Rauschtrinken einschränken
können, verdeutlicht die aktuelle Untersuchung von Sucht Info
Schweiz im Auftrag des BAG.
Weniger Spitaleinlieferungen
Für die vorliegende Untersuchung hat ein Forscherteam die
Entwicklung der alkoholbedingten Spitaleinlieferungen im Kanton Genf
analysiert und mit der übrigen Schweiz verglichen. Zwischen 2002
und 2007 nahm die Anzahl der Spitaleinlieferungen aufgrund von
Alkoholvergiftungen in der Schweiz insgesamt zu. Im Kanton Genf gingen
diese Notaufnahmen bei den 10- bis 15-Jährigen seit 2005 im
Gegensatz zu den anderen Kantonen zurück. Bei den 16- bis
29-Jährigen war die Zunahme im Kanton Genf geringer als in der
übrigen Schweiz. Ohne Einführung dieser Massnahme wäre
die Entwicklung im Kanton Genf negativer verlaufen. Gemäss
Schätzung war hier die Zahl der Notaufnahmen wegen
Alkoholvergiftungen bei den 10- bis 29-Jährigen zwischen 2005 und
2007 infolge der Verkaufseinschränkung um 35% tiefer. Keine
Auswirkung zeigte sich bei den über 29-Jährigen. "Auch wenig
einschränkende Massnahmen beeinflussen letztlich das Rauschtrinken
und die Notaufnahmen", folgert Matthias Wicki, Forscher bei Sucht Info
Schweiz.
Berücksichtigt wurden die in den Spitalstatistiken monatlich
dokumentierten Fälle von Alkoholvergiftungen der Jahre 2002 bis
2007. Sie bilden einen Indikator für das Rauschtrinken.
Jugendliche und junge Erwachsene kaufen alkoholische Getränke oft
ungeplant und spontan ein. Verkaufseinschränkungen in den
Geschäften beeinflussen daher die konsumierten Mengen. Da junge
Menschen häufig punktuell trinken und über die Stränge
schlagen, ist der Zusammenhang zwischen Rauschtrinken und den
Einschränkungen beim Alkoholverkauf naheliegend.
Verkauf und Konsum hängen zusammen
Die internationale Literatur bestätigt, dass gerade bei
Jugendlichen die Erhältlichkeit von Alkohol mit dem Konsum bzw.
alkoholbezogenen Problemen zusammenhängen.
Verkaufseinschränkungen sind hier eine wirksame
Präventionsmassnahme, wenn sie denn eingehalten werden. Die
Erfahrung im Kanton Genf zeigt, dass der eingeschränkte Zugang zu
alkoholischen Getränken die Basis einer wirksamen Politik ist, um
problematischem Alkoholkonsum bei Jugendlichen vorzubeugen, sofern
Kontrollen beim Vollzug sowie Massnahmen zur Gesundheitsförderung
dazukommen.
Forschungsbericht zum Download
Gmel, G., & Wicki, M. (2010). Effekt der Einschränkung der
Erhältlichkeit von Alkohol auf Alkohol-Intoxikationen im Kanton
Genf (Forschungsbericht Nr. 54-A). Lausanne: Sucht Info Schweiz.
http://www.sucht-info.ch/fileadmin/user_upload/Intoxicationen_Genf_RR54A.pdf
Sucht Info Schweiz in Kürze
Sucht Info Schweiz will Probleme verhüten oder vermindern, die aus
dem Konsum von Alkohol, anderen psychoaktiven Substanzen oder
potenziell abhängigkeits-erzeugenden Verhaltensweisen hervorgehen.
Sucht Info Schweiz konzipiert und realisiert Präventionsprojekte,
engagiert sich in der Gesundheitspolitik und der psychosozialen
Forschung. Sie ist eine private, parteipolitisch unabhängige
Organisation mit gemeinnützigem Zweck. Sucht Info Schweiz ist auf
nationaler Ebene tätig und pflegt Kontakte zu Institutionen im
Ausland. Wir treten daher auch unter den Bezeichnungen Addiction Info
Suisse, Dipendenze Info Svizzera und Addiction Info Switzerland auf.
Im Rahmen des Nationalen Programms Alkohol (NPA) setzt Sucht Info
Schweiz mehrere Aktivitäten um, unter anderem Angebote für
Kinder aus alkoholbelasteten Familien und die Alkoholprävention an
Schulen.
Auskunft:
Sucht Info Schweiz
Monique Helfer
Medienverantwortliche
mhelfer@ich-will-keinen-spamsucht-info.ch
Tel.: 021 321 29 74
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RANDSTAND GASSE
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sucht-info.ch 6.9.10
Trinken im öffentlichen Raum - Endstation Gasse
06. September 2010, 17:12
Man nennt sie Obdachlose, Stadtstreicher oder Clochards: Menschen am
Rande der Gesellschaft, oft ohne Freunde oder Familie, meist ohne
Hoffnung. Tag für Tag halten sie sich an ihren Treffpunkten auf,
um zu trinken oder auf den nächsten Schuss zu warten. Eine Studie
hat nun ihre Situation unter die Lupe genommen. Dabei wurden ein paar
Vorurteile bestätigt, viele wurden widerlegt.
Für viele sind die randständigen Menschen in den Städten
ein rotes Tuch. Sie belästigten Passanten durch Betteln und
verursachten Dreck, heisst es. Gewisse Politiker profilieren sich an
angeblichen oder tatsächlichen Missständen, doch ohne
wirklich Lösungen zu präsentieren, die diesen Menschen helfen
würden. Eine Studie, welche Sucht Info Schweiz gemeinsam mit dem
Zürcher Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung ISGF
durchgeführt hat, räumt mit Vorurteilen und Halbwissen auf.
Meist sind es Alkohol- oder Drogenabhängige, die sich an den
einschlägigen Orten aufhalten. Es fällt auf, dass sich die
Alkohol- und die Drogenszenen nur wenig vermischen; es gibt
Plätze, an denen der Konsum von Alkohol, und solche, an denen der
Konsum von Drogen vorherrscht. Auch sonst hatte jeder der elf
untersuchten Plätze in fünf Städten der
französisch- und der deutschsprachigen Schweiz seinen eigenen
Charakter, was die Frequentierung, das Alter, den Geschlechtermix oder
die hauptsächlich konsumierten Substanzen betrifft.
So halten sich am Zürcher Bahnhof Stadelhofen zu über drei
Vierteln Personen unter 35 Jahren auf, die Hälfte von ihnen ist
ohne festen Wohnsitz. Die meisten dieser Personen trinken vor allem
Alkohol, nur wenige konsumieren auch Heroin. Demgegenüber
konsumieren auf der Place de la Riponne in Lausanne zwei von drei
Personen Heroin, weniger als die Hälfte hat einen hochriskanten
Alkoholkonsum; der Platz ist also ein typischer "Drogenplatz". Mehr als
die Hälfte der Personen ist über 35 Jahre alt, der Anteil an
Obdachlosen ist gerade mal halb so hoch wie in Zürich.
Krankheiten und Übergriffe
Die Menschen, die sich grossteils seit mehreren Jahren, zum Teil gar
seit Jahrzehnten, auf den Plätzen aufhalten, leiden häufig
unter körperlichen und psychischen Krankheitssymptomen.
Besonders Müdigkeit, Gelenk- und Knochenschmerzen,
Appetitlosigkeit und Taubheitsgefühle wurden häufig genannt.
Zwei Drittel geben an, dass sie schon einmal beinahe gestorben
wären. Bei der Hälfte dieser Personen war eine Überdosis
Alkohol oder Drogen schuld, bei vielen waren aber auch Unfälle
oder Gewalt der Grund.
Auf den Plätzen machen die Frauen insgesamt nur etwa einen Viertel
der Anwesenden aus - die Studie bestätigt damit die subjektive
Wahrnehmung. Sie sind überdurchschnittlich oft Opfer von sexuellen
Übergriffen; zwei Drittel von ihnen berichtete von sexuellem
Missbrauch. Ein grosser Teil dieser Übergriffe geschah bereits im
Kindesalter. Die Studie legt die Vermutung nahe, dass Missbrauch
zumindest ein Mitgrund für die Sucht ist.
Angst und Verunsicherung
Von "normalen" Passantinnen und Passanten fühlen sich die
Randständigen häufig gleichgültig bis abschätzig
behandelt. Oft nehmen sie Angst und Verunsicherung, aber auch Wut und
Aggression wahr. Diese Wahrnehmung bestätigen auch die
Passantinnen und Passanten selbst. Sie reagieren häufig mit
Ärger oder Unbehagen, manchmal aber auch mit Mitgefühl, wie
die Studie ermittelt hat.
Entsprechend grenzt die Öffentlichkeit die randständigen
Menschen aus; häufig bekommen sie Bemerkungen zu hören wie:
"Geht doch lieber arbeiten" - eine Aufforderung, welcher die meisten
noch so gerne nachkommen würden, wenn sie dazu Gelegenheit
hätten. Doch viele der Passantinnen und Passanten würden
einen Randständigen kaum für eine Anstellung empfehlen. Wie
ein Stück Treibholz, vergleicht Florian Labhart, der die Studie
für Sucht Info Schweiz verantwortet hat: Immer wieder gegen das
Ufer geworfen, ohne dort je Ruhe zu finden.
Auch Labhart, der in der Nähe eines der Treffpunkte in Lausanne
wohnt, kannte die Gefühle des Vorbehalts gegenüber den
Randständigen. Er habe sich zwar nie bedroht gefühlt, spontan
Kontakt mit den Personen aufzunehmen hätte er aber nicht gewagt;
zu fremd sei ihm die Szene gewesen. Erst für die Befragungen im
Rahmen der Studie traute er sich, den Schritt zu tun, und gesellte sich
zu den Menschen auf den Plätzen von Lausanne. "Ich war
überrascht von der Herzlichkeit, mit der sie mir begegneten. Sie
waren offensichtlich froh, dass sich jemand von ausserhalb für sie
interessierte."
Das letzte soziale Netz
Die Betroffenen fühlen sich häufig einsam. Mehr als 60
Prozent der Befragten gaben an, sich manchmal oder gar immer einsam zu
fühlen. Der grösste Teil kommt denn auch zu den Treffpunkten
um Freunde zu treffen und den Kontakt zu Gleichgesinnten zu pflegen. Je
nach Ort bewegen sich die Zahlen zwischen 50 und 100 Prozent. Nur jede
oder jeder zehnte hingegen hält sich an diesen Orten auf, um zu
betteln.
Die romantische Vorstellung des Clochards, der freiwillig seine warme
Wohnung mit dem Platz unter der Brücke vertauscht, liess sich
für Florian Labhart nicht halten: "Mir wurde bewusst, dass die
Randständigen ihr Leben auf der Gasse nicht gewählt haben."
Vielmehr seien es ihre Lebensumstände gewesen, die ihnen zuletzt
nur noch einen Platz an einem dieser Treffpunkte übrig gelassen
hatten. "Die Gruppe von anderen gestrandeten Existenzen ist für
sie das letzte soziale Umfeld, das ihnen geblieben ist. Es ist für
sie besser als ganz allein zu sein", sagt Labhart.
Die Studie aus dem Jahr 2008 hat Sucht Info Schweiz (damals noch unter
dem Namen SFA) gemeinsam mit dem Institut für Sucht- und
Gesundheitsforschung ISGF in Zürich im Auftrag des Nationalfonds
erstellt. Untersucht wurden elf Treffpunkte von Randständigen in
Bern, Zürich, Lausanne, Yverdon und Chur. Die Studie richtet sich
an Sozialarbeitende, politische Instanzen und andere Personen, die im
direkten oder indirekten Kontakt mit den Menschen am Rande der
Gesellschaft stehen. Sie soll ihnen die Möglichkeit geben, besser
auf deren Bedürfnisse einzugehen und Programme zur
Gesundheitsförderung oder zur Integration zielgerichtet
voranzutreiben.
---
sucht-info.ch 6.9.10
Ruf nach Ordnung und Schrei nach Freiheit
06. September 2010, 17:12
Die Verantwortlichen der Suchtpolitik stehen in der Zwickmühle:
Auf der einen Seite hören sie den Ruf der Öffentlichkeit nach
Ordnung und Sicherheit. Auf der anderen wissen sie, dass suchtkranke
Menschen nicht an den Rand gedrängt, sondern integriert werden
sollten. In den Städten, welche die Studie "Public Spaces" unter
die Lupe genommen hat, wurden unterschiedliche Wege gewählt.
Public Spaces
Eine Parkanlage, ein paar Bänke. Und ein paar Menschen, die hier
tagein, tagaus sitzen, eine Bierflasche in der Hand, die Kleider
abgewetzt. Die anderen, die mit der Wohnung und dem Job, verirren sich
nur selten hierher. Die wollten eh nur betteln, sagen sie. Sie
stören sich am Abfall, der herumliegt, und am Geruch der
Hoffnungslosigkeit, welcher in der Luft liegt. Oder sie sind peinlich
berührt von der Armut, die hier tiefer geht als nur bis zum leeren
Portemonnaie.
Dass die Szenen der Drogenkonsumierenden nicht einfach sich selbst zu
überlassen sind, darin sind sich die meisten Schweizer Städte
einig. Wenn auch von den Menschen, welche die einschlägigen
Plätze frequentieren, in der Regel keine Gefahr ausgeht,
fühlen sich viele unwohl in ihrer Haut, wenn sich ihr Weg mit
demjenigen der Randständigen kreuzt.
Vorläufig geduldet in Chur
So hilflos wie die Bürgerinnen und Bürger reagieren auch
manche der Städte, in denen sich die Randständigen aufhalten.
In Chur etwa haben sie den Stadtgarten in Beschlag genommen. Andere
Personen meiden seitdem den Ort, was die Behörden gerne
ändern würden. Der Stadtrat würde den Park im Herzen der
Stadt gerne erneuern, aufwerten und der breiten Bevölkerung
zugänglich machen.
Doch diesen Plänen sind die Menschen am Rande der Gesellschaft im
Weg. "Es gibt in unserer Stadt nicht viele andere Möglichkeiten",
sagt der Leiter der sozialen Dienste Chur, Hans Joss. Bevor kein neuer
Standort gefunden ist, können die Alkohol- und
Drogenabhängigen nicht aus dem Stadtgarten vertrieben werden.
Dass bis anhin keine wirkliche Lösung gefunden worden ist,
hängt auch mit der Abstimmung über den neuen Finanzausgleich
im Kanton Graubünden zusammen. Dieser wurde im März dieses
Jahres knapp abgelehnt. Weil die Gemeinden davon ausgegangen sind, dass
der Sozialbereich an den Kanton übergehen würde, packten sie
keine neuen Aufgaben an. Doch das Volk lehnte die Vorlage
überraschend und äusserst knapp ab. Nun liegt der Ball wieder
bei den Gemeinden - in diesem Fall bei der Stadt Chur, die nun selber
eine Lösung für ihre Randständigen suchen muss.
Ungeliebtes Thema in Yverdon
Auch in Yverdon gehört die Situation der Randständigen
offenbar nicht zu den Themen, zu denen man sich besonders gern
äussert. Sozialvorsteherin Nathalie Saugy verweist an den Chef der
Abteilung Erziehung und Jugend, Laurent Exquis. Dieser wiederum gibt
den Ball weiter an Sozialarbeiterin Cassia Rossetti.
Rossetti, die in engem Kontakt zu den Menschen auf der Strasse steht,
betont die menschliche Seite der Frage. In einer Gesellschaft, in der
jeder seines Glückes Schmied sein muss, sei es doppelt schwierig,
immer wieder mit seinen Grenzen konfrontiert zu werden. "In erster
Linie muss man mit den Abhängigen an ihrem Selbstvertrauen
arbeiten." Alkohol könne in einem gewissen Sinn auch ein
Lebensinhalt sein, sagt Rossetti. "Wenn man ihnen den wegnimmt, was
haben sie dann noch?"
Es gebe in der Region Yverdon Angebote an geschützten Arbeits- und
Beschäftigungsmöglichkeiten. Als Beispiel nennt sie die
Kunsttherapie. Diese eröffnet die Möglichkeit, inneres Leiden
auszudrücken und in etwas zu verwandeln, das von der Gesellschaft
anerkannt sei. "Doch es besteht ein Dilemma: Die Leute möchten
nicht beschäftigt werden, sie wollen eine ,richtige‘ Arbeit. Doch
viele schaffen dies aufgrund ihres Alkoholkonsums nicht." Es sei oft
ein weiter Weg, bis sie sich eingestehen können, dass sie eine
"normale" Arbeit nicht schaffen, sagt Rossetti.
Gefördert im "Azzurro"
Darum geht man in Bern schon seit zehn Jahren andere Wege. Das
Restaurant "Azzurro" des Blauen Kreuzes bietet nicht nur eine
alkoholfreie Stammtisch-Atmosphäre, sondern auch eine Reihe von
Arbeitsplätzen für Menschen, die eine Zeit lang auf der Gasse
gelebt hatten. Hier erbringen echte Arbeitskräfte eine echte
Leistung, die Teilnehmenden werden nicht nur beschäftigt. Anders
als im freien Arbeitsmarkt ist es zwar auch möglich, einmal
auszufallen - aber nicht ohne Konsequenzen: Steht der Koch nicht an den
Töpfen, bleiben die Teller leer. Das "Azzurro" füllt damit
eine Lücke zwischen den Beschäftigungsprogrammen und dem
ersten Arbeitsmarkt.
"Auf diese Weise stärken wir das Selbstvertrauen, aber auch das
Pflichtbewusstsein der Teilnehmerinnen und Teilnehmer", sagt Irene
Abderhalden, heute Leiterin Prävention bei Sucht Info Schweiz,
welche das Projekt vor zehn Jahren mitinitiierte. Sie weiss auch, warum
das Projekt zum Erfolg wurde: "Die Betroffenen waren von Anfang an
gleichberechtigte Partner. "Azzurro" war kein Sozialarbeiter-Projekt,
zu dem sie dann eingeladen wurden." Das habe auch dazu geführt,
dass sich die Teilnehmenden im Zweifelsfall eher mit der Projektleitung
solidarisierten als beispielsweise mit anderen Teilnehmenden, welche im
"Azzurro" zu dealen versuchten. Es habe "Null Disziplinprobleme"
gegeben, sagt Abderhalden.
Mehr auf die Randständigen eingehen
Sucht Info Schweiz - damals noch unter dem Namen SFA - hat die Studie
"Public Spaces" im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem ISGF in
Zürich im Auftrag des Nationalfonds erstellt. Untersucht wurden
elf Treffpunkte von Randständigen in Bern, Zürich, Lausanne,
Yverdon und Chur. Die Studie richtet sich an Sozialarbeitende,
politische Instanzen und andere Personen, die im direkten oder
indirekten Kontakt mit den Betroffenen sind. Sie soll ihnen die
Möglichkeit geben, besser auf die Bedürfnisse der Menschen am
Rande der Gesellschaft einzugehen und Programme zur
Gesundheitsförderung oder zur Integration zielgerichtet
voranzutreiben.
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Kommentar
06. September 2010, 17:11
Es gibt Lösungen!
Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, werden offensichtlich
auch von der Politik nur am Rande wahrgenommen. Im besten Fall wird
ihnen ein Ort zugewiesen, an dem sie sich aufhalten können - im
schlechtesten Fall werden sie von Platz zu Platz gejagt. Mit einer
Politik, die sich an den Bedürfnissen von alkohol- und
drogensüchtigen Menschen orientiert, sie ernst nimmt und ihnen
eine Perspektive eröffnet, lassen sich kaum Wählerstimmen
gewinnen.
Es ist auch die Gesellschaft als Ganzes, die es zugelassen hat, dass
Menschen in die Abhängigkeit gerutscht sind. Es ist nur
konsequent, wenn die Gesellschaft ihren Teil der Verantwortung
dafür übernimmt, dass diese einigermassen menschenwürdig
leben und dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten arbeiten
können.
Das Projekt Azzurro des Blauen Kreuzes Bern zeigt, wie dies aussehen
könnte: Menschen, die sozial schlecht integriert sind,
übernehmen Verantwortung für einen Betrieb und setzen sich
für ihn ein. Dabei gewinnen sie Selbstvertrauen und Sicherheit -
die wichtigsten Voraussetzungen, um eine Chance auf den Wiedereinstieg
im Berufsleben zu haben. Und selbst wenn dies nicht gelingen sollte,
ist die Mitarbeit in einem Projekt wie Azzurro immer noch besser als
seine Tage an den Randständigen-Treffpunkten zu verbringen.
Gleichzeitig muss es aber auch ein Ziel sein, die Öffentlichkeit
über die Probleme von randständigen Menschen zu informieren.
In den meisten Fällen sind nicht sie es, die sich dieses Leben
ausgesucht haben. In der Regel würden sie gerne arbeiten - wenn
sie es denn könnten. Ihnen Unwillen vorzuwerfen, ist deshalb
zynisch. Auch dass sie bettelten und Gewalt anwendeten, lässt sich
aufgrund der Studien nicht halten.
Zeit also, mit Vorurteilen aufzuräumen. Wenn sich mit Menschen am
Rande der Gesellschaft schon keine Wählerstimmen holen lassen,
dann sollen diese Menschen wenigstens nicht als Projektionsfläche
für diffuse Ängste gewisser Mitbürgerinnen und
Mitbürger missbraucht werden können.
Thomas Uhland
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DROGEN
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sf.tv 8.9.10
Kokain-Netzwerke funktionieren wie moderne Unternehmen
Mittwoch, 8. September 2010, 15:43 Uhr
Die Strukturen des Kokainhandels in der Schweiz sind nur schwer zu
knacken. Die oft afrikanischen Netzwerke sind verästelt. Sie
operieren überregional und hochflexibel - wie erfolgreiche
Unternehmen. Und deren Bekämpfung ist so mühsam, wie deren
Kosten hoch sind.
Schmuggelrouten, Kurier und Vertriebskanäle im Kokainhandel
veränderten sich ständig, sagte Michael Perler, Chef der
Bundeskriminalpolizei (BKP), vor den Medien in Aarau. Auf
verstärkte Kontrollen von Zoll und Polizei reagierten die
Schmuggler, indem sie die Kurierfahrten von unauffälligen
EU-Bürgern durchführen liessen.
Bis zu 1,3 Kilo Kokain im Körper
Das Kokain werde von der Schweiz aus telefonisch in Nigeria bestellt.
Das weisse Pulver werde dann in grossen Mengen aus Südamerika nach
Europa geliefert. In Spanien oder Holland werde das Kokain umgeschlagen
und für den Verkauf in die Schweiz transportiert.
Die Schmuggler schluckten teilweise bis zu 1,3 Kilogramm Drogen, die in
Dutzende sogenannte Fingerlinge verpackt seien. In der Schweiz werde
das Kokain auf mehrere Akteure verteilt, sagte Perler weiter.
Unterste Schicht wird eingespannt
Auf der tiefsten Ebene bewegten sich die Strassenhändler,
berichtete Patric Looser von der Staatsanwaltschaft des Kantons St.
Gallen. Es handle sich meistens um Asylbewerber aus Nigeria.
Die Strassenhändler nutzen gemäss Looser die Zeit bis zur
Ausweisung oder Ausreise dazu, möglichst viel Geld zu verdienen.
Die Gewinne aus dem Kokain-Handel würden regelmässig mit
Bargeldübermittlungsdiensten ins Heimatland gesandt.
Als Zwischenhändler im Einsatz seien meist abgewiesene
Asylbewerber aus Nigeria. Sie würden entweder illegal in der
Schweiz leben oder hätten ihren Aufenthalt durch eine Heirat
legalisiert.
Fast eine Million für Telefonabhörung
Die Ermittlungen gegen mutmassliche Kokainhändler sind sehr
aufwändig und kostspielig. Im Aargau entstanden bei den 33
Fällen in den letzten anderthalb Jahren Verfahrenskosten von 1,25
Millionen Franken.
Allein die Kosten für die Übersetzung der abgehörten
Telefongespräche beliefen sich auf 900'000 Franken, wie Urs
Winzenried, Kripo-Chef der Kantonspolizei, sagte. In einem Fall seien
13 Mobiltelefone sichergestellt worden.
(sda/from)
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sf.tv 8.9.10
Härtere Gangart gegenüber Kokain-Dealern
sda/vaid
Die Schweiz verstärkt den Kampf gegen den Kokainhandel. Seit
einem Jahr arbeiten die Bundeskriminalpolizei (BKP), mehrere Kantone
und das Grenzwachtkorps eng zusammen bei der Jagd auf Dealer. Seither
wurden mehrere koordinierte Aktionen gegen Drogennetzwerke
durchgeführt. Der Markt in der Schweiz wird nach Polizeiangaben
vor allem von Händlern aus Afrika und der Dominikanischen Republik
beherrscht.
Die Anstrengungen richteten sich gegen die Netzwerke von
Kriminellen, die im Schweizer Kokainmarkt eine wichtige Rolle spielten,
teilte die Bundeskriminalpolizei (BKP) an einer Medienkonferenz in
Aarau mit. Es gehe darum, die Schweiz als Standort für
Drogenhändler unattraktiv zu machen.
Dealer aus Afrika und der Dominikanischen Republik
Der Schmuggel und Handel werde von einer Vielzahl von Akteuren
geprägt. Gruppen aus Westafrika und der Dominikanischen Republik
würden den Kokainmarkt in der Schweiz beherrschen. In geringerem
Masse seien auch Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten in der
Schweiz aktiv.
Der Informationsaustausch spielt bei der Zusammenarbeit der
Behörden die zentrale Rolle. Die im Frühling 2009
gegründete Arbeitsgruppe innerhalb der Bundeskriminalpolizei
koordinierte und unterstützte bisher 70 Verfahren im In- und
Ausland.
Gezielte Aktionen gegen Drogendealer-Netzwerke
Die BKP, die zum Bundesamt für Polizei (fedpol) gehört,
analysiere die Informationen von ausländischen, von Interpol und
Europol aus, werte diese aus und stelle sie den Kantonen zur
Verfügung, hiess es in Aarau weiter.
Die Kantone, unter anderem Aargau und St. Gallen, könnten
beim Kampf gegen den Schmuggel auch auf die Unterstützung des
Grenzwachtkorps und des Zolls zählen.
Die Partnerbehörden führten gemäss BKP bisher in
mehreren Kantonen gezielte Aktionen gegen den Kokainhandel durch. Dabei
seien dreistellige Kilobeträge an Kokain sowie mehrere
Hunderttausend Franken an mutmasslichen Drogengeldern sichergestellt
worden.
Kokain beliebteste illegale Droge
Zoll und Polizei beschlagnahmten im letzten Jahr 560 Kilogramm
Kokain. Dies ist gemäss BKP ein neuer Rekordwert. Der Konsum von
Kokain habe in den vergangenen Jahren zugenommen. Trotz hoher Preise
sei Kokain die am häufigsten konsumierte illegale Droge in der
Schweiz. Entsprechend hoch seien die Gewinne.
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Newsnetz 8.9.10
Der ärgerlichste Schneerekord der Schweiz
sda / bru
Rund 560 Kilo Kokain wurden im letzten Jahr in der Schweiz
beschlagnahmt - ein Rekord. Trotzdem bleibt Kokain die am
häufigsten konsumierte illegale Droge.
Im Kampf gegen den Kokainhandel in der Schweiz spannen die
Bundeskriminalpolizei (BKP) und mehrere Kantone eng zusammen. Dank
eines Informationstausches gelang es, mehrere komplexe Netzwerke der
Kokainhändler zu zerschlagen. Das Projekt wird deshalb vorerst
weitergeführt.
Die Anstrengungen richteten sich gegen die Netzwerke von
Kriminellen afrikanischer Herkunft, die im Schweizer Kokainmarkt eine
wichtige Rolle spielten, sagte Michael Perler, Chef der
Bundeskriminalpolizei (BKP), am Mittwoch in Aarau an einer
Medienkonferenz.
Es gehe darum, die Schweiz als Standort für
Kokainhändler möglichst unattraktiv zu machen. Eine Vielzahl
von Akteuren prägten Schmuggel und Handel mit Kokain. Gruppen aus
Westafrika und der Dominikanischen Republik würden diesen
lukrativen Drogenmarkt in der Schweiz beherrschen, sagte Perler.
Die Mehrheit der Verhafteten stamme aus Nigeria, weitere
kämen aus Guinea oder Sierra Leone; es seien oft Asylbewerber. In
geringerem Masse seien auch Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten
in der Schweiz aktiv, sagte Perler.
Gezielte Aktionen gegen Netzwerke
Der Informationsaustausch spielt bei der Zusammenarbeit der
Behörden die zentrale Rolle. Die im Frühling 2009
gegründete Arbeitsgruppe innerhalb der Bundeskriminalpolizei
koordinierte und unterstützte bisher 70 Verfahren im In- und
Ausland.
Die BKP, die zum Bundesamt für Polizei (fedpol) gehört,
analysiert dabei die eingehenden Informationen von ausländischen,
von Interpol und Europol aus, wertet diese aus und stellt sie den
Kantonen zur Verfügung.
"Der Kampf geht weiter"
Ziel sei es, neue Ermittlungsansätze zu erkennen und den
Druck der Polizei auf den Betäubungsmittelhandel zusätzlich
zu erhöhen, erläuterte der BKP-Chef.
Die Kantone können beim Kampf gegen den Schmuggel auch auf
die Unterstützung des Grenzwachtkorps und des Zolls zählen.
Am gleichen Strick ziehen unter anderem die Kantone AG, BE, LU, SG, SO,
NE, VD, TI, SH und JU sowie die beiden Basel.
Das Projekt werde mindestens noch ein halbes Jahr
weitergeführt, sagte BKP-Chef Perler. In sechs Monaten werde
nochmals eine Bilanz gezogen. "Der Kampf geht weiter", machte er klar.
Rekordmenge an Kokain
Bei den koordinierten Aktionen gegen die Drogenhändler
wurden in den beteiligten Kanton bislang mehrere hundert Kilo an Kokain
sowie mehrere Hunderttausend Franken an mutmasslichen Drogengeldern
sichergestellt.
Zoll und Polizei beschlagnahmten 2009 gesamtschweizerisch rund
560 Kilogramm Kokain. Dies ist gemäss BKP ein neuer Rekordwert.
Bei den Drogenkurieren und -händlern habe es sich herumgesprochen,
"dass die Schweiz kein gutes Pflaster mehr ist", sagte Urs Winzenried,
Kripo-Chef der Kantonspolizei Aargau, vor den Medien.
Die Preise für Kokain seien gestiegen, und die Qualität
der Droge nehme ab. Gemäss Bundeskriminalpolizei kostet ein
Kilogramm Kokain in der Schweiz 40'000 bis 80'000 Franken. Entsprechend
hoch seien die kriminellen Gewinne.
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ejpd.admin.ch 8.9.10
Bundesamt für Polizei
Kampf gegen den Kokainhandel afrikanischer Netzwerke in der Schweiz
Medienmitteilungen, fedpol, 08.09.2010
Bern. Seit rund eineinhalb Jahren arbeiten mehrere Kantone, das
Grenzwachtkorps sowie die Bundeskriminalpolizei im Kampf gegen den
Kokainhandel vertieft zusammen. Ziel der intensiven Arbeit über
die Kantons- und Landesgrenzen hinaus ist es, die Schweiz als Standort
für Kokainhändler unattraktiv zu machen. Die Anstrengungen
richten sich insbesondere gegen die Netzwerke von Kriminellen
afrikanischer Herkunft, die im Schweizer Kokainmarkt eine wichtige
Rolle spielen.
Nach Einschätzung der Polizei ist der Konsum von Kokain in der
Schweiz in den vergangenen Jahren angestiegen. Allein 2009 wurden in
der Schweiz rund 560 Kilogramm Kokain von Zoll und Polizei
sichergestellt, was ein neuer Rekordwert bedeutet. Trotz hoher Preise
ist Kokain nach Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale
Droge in der Schweiz. Entsprechend hoch sind die illegalen Gewinne.
Schmuggel und Handel mit Kokain sind geprägt von einer Vielzahl
von Akteuren. In der Schweiz wird der Kokainmarkt überwiegend von
Gruppen aus Westafrika und der Dominikanischen Republik beherrscht. Bei
jenen Personen aus Westafrika, die sich in der Schweiz der
Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig machten,
stammt die Mehrheit aus Nigeria. In geringerem Masse sind im
Kokainhandel auch Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten und der
Schweiz aktiv.
Intensive Zusammenarbeit trägt zunehmend Früchte
Gestützt auf Anfragen verschiedener Kantone hat die
Bundeskriminalpolizei (BKP) beim Bundesamt für Polizei im
Frühjahr 2009 beschlossen, im Rahmen eines Projekts mit den
kantonalen Polizeidiensten und dem Grenzwachtkorps (GWK) eine
ständige Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Phänomens
einzusetzen.
Die Rollen sind klar verteilt: Die Arbeitsgruppe innerhalb der BKP
koordiniert in erster Linie den Informationsaustausch zwischen den
involvierten Kantonen (u.a. Waadt, Solothurn, Basel-Land, Aargau,
Neuenburg, Basel-Stadt, Bern, Luzern, St. Gallen, Tessin und
Schaffhausen), dem GWK, den ausländischen Behörden sowie mit
INTERPOL und EUROPOL. Insgesamt hat die BKP im In- und Ausland seither
70 Verfahren koordiniert oder unterstützt. Die BKP analysiert die
eingehenden Informationen, wertet diese aus und stellt sie den Kantonen
wieder zur Verfügung. Diese technische, operative und analytische
Unterstützung zuhanden der Kantone ergibt als Mehrwert eine
gesamtschweizerische Fallübersicht.
Unterstützung erhalten die Kantone zusätzlich von GWK und
Zoll, die an der Grenze grosse Mengen Kokain sicherstellen und sowohl
aufgegriffene Tatverdächtige als auch sichergestelltes Bargeld den
jeweils zuständigen Polizeibehörden übergeben. Die
einzelnen Ermittlungsverfahren gegen den Schmuggel und Handel von
Betäubungsmitteln fallen in die kantonale Zuständigkeit.
Entsprechend sind auch die kantonalen Strafverfolgungsbehörden
für die Informationen zu den Strafverfahren zuständig.
Die involvierten Partnerbehörden haben in der Zwischenzeit in
mehreren Kantonen gezielte Aktionen gegen den Kokainhandel
durchgeführt: Insgesamt wurden bislang dreistellige
Kilobeträge an Kokain sowie mehrere Hunderttausend Franken an
mutmasslichen Drogengeldern sichergestellt.
Das Ziel der Zusammenarbeit bleibt auch in Zukunft die frühzeitige
Erkennung von neuen Ermittlungsansätzen, um den
Strafverfolgungsdruck gegen den Betäubungsmittelhandel
zusätzlich zu erhöhen.
Weitere Auskünfte
Eva Zwahlen, Bundesamt für Polizei, T +41 31 323 13 10, Kontakt
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BZ 8.9.10
Kehrsatz
Drogenarzt verliert wegen Artikel die Führungsposition
Der Hausarzt der Drogenklinik Marchstei in Kehrsatz kritisiert in
einem Bulletin die Drogenpolitik. Er ist sein Chefmandat los.
Im Bulletin "Eltern gegen Drogen" kritisiert Daniel Beutler,
ärztlicher Leiter der Drogenklinik Marchstei in Kehrsatz, die
"liberale" Drogenpolitik. Das revidierte Betäubungsmittelgesetz
erleichtere den Zugang zur staatlichen Drogenabgabe zu sehr und
erschwere den Suchtausstieg, schrieb er im Mai.
Weiter in der Klinik tätig
Die Klinik Marchstei reagierte, indem sie Beutler das Mandat als
ärztlichem Leiter entzog. Wie im "Bund" zu lesen war, ist Beutler
nur noch als Hausarzt tätig. Weil die Zusammenarbeit mit Beutler
abgesehen von diesem Fehltritt gut sei, wolle man ihn weiter
beschäftigen, sagte Klinikchef Stefan Weigelt gegenüber dem
"Bund".
Daniel Beutler ist Co-Präsident des Dachverbands
Drogenabstinenz Schweiz. Er äusserte sich schon mehrmals kritisch
über die Drogenpolitik. Vom neusten Artikel distanziert er sich
inzwischen teilweise.
Empörte Grossrätin
SVP-Grossrätin Sabina Geissbühler-Strupler ist
empört. Es sei ein "Skandal", dass jemand wegen einer
abstinenzorientierten Haltung ein "Berufsverbot" erhalte. Das schreibt
sie in einer Pressemeldung. Geissbühler ist Präsidentin der
Vereinigung Eltern gegen Drogen. Sie verlangt vom Kanton eine
"Rehabilitierung des Drogenarztes".
sl
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ZIVILSTAND ILLEGAL
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20 Minuten 8.9.10
Bern: Mehr illegale Einwanderer in der Stadt
BERN. Die Fremdenpolizei hat alle Hände voll zu tun: Die
Zahl der illegalen Einwanderer hat in der Stadt Bern markant
zugenommen. Jetzt gibt es politische Schützenhilfe.
"Seit dem neuen und schärferen Ausländergesetz stellen
wir in der Stadt Bern viel mehr Fälle von Personen ohne
Aufenthaltsbewilligung fest", so Alexander Ott von der Fremdenpolizei
Stadt Bern. Dazu gehörten Personen, die nach Ablauf ihres Visums
nicht mehr ausreisen oder die gar nie eines bekommen haben, wie viele
Staatsangehörige aus Indien, Russland, China, Südamerika oder
Afrika. "Deshalb wird immer wieder versucht, den Aufenthaltstitel durch
Scheinehen mit Schweizer Bürgern zu erhalten", weiss Ott.
Zugenommen habe auch der missbräuchliche Familiennachzug,
bei dem in der Schweiz lebende ausländische Familien Kinder
nachholen, die gar nicht ihre leiblichen sind. Der Migrationsdienst des
Kanton Berns bestätigt diese Tendenz.
Solche Fakten sind für SVP-Grossrat Lars Guggisberg
alarmierend: "Diese Leute organisieren sich, was zu einer Gettobildung
und zu noch mehr Schwarzarbeit führt." Nun verlangt er per
Vorstoss konkrete Zahlen zu den Illegalen im Kanton.
Den Grund für die Zunahme scheint die Berner Beratungsstelle
für Sans-Papiers zu kennen: "Schuld ist die harte Ablehnungspraxis
von Härtefällen", so Präsident Jacob Schädelin.
Bigna Silberschmidt
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BIG BROTHER SPORT
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NZZ 8.9.10
Der Gewalt mit Härte begegnen
Kapazitätsengpässe bei der Polizei und Beteiligung der
Klubs an Sicherheitskosten als Probleme
An einer Tagung in Zürich zum Thema "Tatort Stadion" haben
Vertreter verschiedener Bereiche das Problem der Gewalt an
Sportanlässen beleuchtet.
Peter Eggenberger
Roger Schneeberger, Generalsekretär der Konferenz der
kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), wies an der Tagung am
Montag darauf hin, dass die Ereignisse mit Gewalt an Sportanlässen
in den letzten zehn Jahren in der Schweiz zugenommen haben. Jedes
Wochenende stünden 900 Polizisten an Sportanlässen im
Einsatz, jede Woche beliefen sich die Kosten solcher Einsätze auf
eine Million Franken. "Die Korps kommen damit an ihre
Kapazitätsgrenze. Die Einsätze haben Folgen für die
restliche polizeiliche Grundversorgung", so Schneeberger. Im
Gespräch mit der NZZ ergänzte Schneeberger, die KKJPD habe
deswegen eine Arbeitsgruppe "polizeiliche Lücke" eingesetzt.
Ins gleiche Horn blies Thomas Würgler, Kommandant der
Kantonspolizei Zürich: 900 Polizisten machten 5 Prozent des
Gesamtbestands aus. "Die Polizei kann das Problem der Gewalt bei
Sportanlässen nicht allein lösen", sagte Würgler. Die
Polizeikommandanten der Schweiz haben vor kurzem Empfehlungen
verabschiedet. Dazu gehören die Trennung der Fangruppen, die
Videoüberwachung mit dem Videobeweis, konsequente
Eingangskontrollen, Alkoholverbote bei Hochrisikospielen und die
Einführung eines Fanpasses.
Die Klubs können gegen gewalttätige Zuschauer ein
Stadionverbot erlassen. Ein solches gilt während dreier Jahre in
Fussball- und in Eishockeystadien. Die Kantone haben ein Konkordat
abgeschlossen, das seit dem 1. Januar Massnahmen ermöglicht. Es
handelt sich hier um ein Rayonverbot (Gebiet ums Stadion), die Auflage,
sich zu bestimmten Zeiten bei der Polizei zu melden, den
Polizeigewahrsam und Ausreisebeschränkungen.
Laut Dominic Volken, Leiter des Fachbereichs Hooliganismus im
Bundesamt für Polizei, hat sich die Einführung einer
zentralen Datenbank als weiteres Instrument zur Bekämpfung von
Gewalt an Sportanlässen bewährt. Derzeit sind dort 970
Personen registriert, gegen die wegen gewalttätigen Verhaltens
eine Massnahme ausgesprochen worden ist. Lediglich 6 Personen davon
sind weiblich. "Praktisch alle Registrierten sind 15- bis
35-jährig", sagt Volken. Beim Bundesamt schätzt man die Zahl
der Zuschauer mit hoher Gewaltbereitschaft auf 350.
Bis Ende 2012 müssen alle Klubs der Super League aufgrund
eines Beschlusses des runden Tisches gegen die Gewalt im Sport ein
Konzept für die Fanarbeit erstellen. Bis Juli hätten die
Klubs der Super League zudem eine Vereinbarung mit den Behörden
abschliessen sollen, mit der unter anderem die Beteiligung an den
Sicherheitskosten geregelt wird. Dies hat erst eine Minderheit getan.
Roger Schneeberger stört dies: "Die Klubs beteiligen sich derzeit
sehr unterschiedlich an den Sicherheitskosten. Dies führt zu
Wettbewerbsverzerrungen."
Viele Referenten der von der Deutsch-Schweizerischen Gesellschaft
für Sportrecht organisierten Tagung forderten, dass man neben
präventiven Massnahmen die repressiven Instrumente mit aller
Konsequenz gegen gewalttätige Zuschauer anwenden müsse. "In
anderen Ländern wie England, Belgien und den Niederlanden hat sich
dadurch das Problem massiv entschärft", sagt Schneeberger, der mit
einer KKJPD-Delegation diese Länder besucht hat. Was die Fifa
unter Härte versteht, gab Marco Villiger, Direktor des
Rechtsdiensts, an der Tagung bekannt: Für die nächste
WM-Qualifikation werden Punktabzüge wegen Gewalt bei
Qualifikationsspielen geprüft.
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VOLKSHAUS ZH
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Tagesanzeiger 8.9.10
Das Volkshaus blickt auf 100 bewegte Jahre zurück
Von Benno Gasser
Zürich - Demonstrationen, aufgebahrte Sozialisten,
Rockkonzerte, Boxkämpfe und Plattenbörsen: Das Volkshaus hat
eine bewegte Vergangenheit. Es sei ein Ort, an dem gesellschaftliche
Eruptionen und Trends ausgelebt wurden, sagte Franz Cahannes,
Präsident der Volkshausstiftung, gestern vor den Medien.
Zwischen 1910 und 1930 hätte das Volkshaus auch Bade- und
Duschanstalt heissen können. Mehr als 100 000 Besucher pro Jahr
badeten oder duschten im Kellergeschoss. Im Arbeiterviertel Aussersihl
verfügten zu jener Zeit nur wenige Wohnungen über ein eigenes
Bad. Die Besucherzahlen übertrafen darum von Anfang an alle
Erwartungen. Doch im Laufe der Jahre gingen die Besucherzahlen stetig
zurück und fielen 1978 auf unter 10 000. Trotzdem seien
"zahlreiche Zürcher auf die Badegelegenheit tatsächlich
angewiesen", schrieb der "Tages-Anzeiger" im Februar 1980. Und: Der
Nimbus vom Arme-Leute-Bad habe sich gewandelt. "Wir haben einen
Stammgast vom Zürichberg, der auf unsere Hygiene schwört,
weil seine eigene Badewanne so alt und grässlich ist", sagte der
damalige Verwalter. Heute zeugt im Volkshaus nur noch eine Sauna von
der Bäder-Vergangenheit. In Zukunft soll die Sauna mit einem Hamam
ergänzt werden.
Das im Oktober 1910 eröffnete Volkshaus war aber nicht nur
als Bäderhaus geplant. Es sollte auch ein alkoholfreies Restaurant
mit billigen und nahrhaften Speisen sowie Räume für gesellige
und kulturelle Veranstaltungen haben. Ausserdem waren Büros
für die Arbeiterorganisationen und ein Lesesaal Teil des Projekts.
Weil am Ende das Geld für den grossen Theatersaal fehlte, konnte
dieser erst später gebaut und 1928 eingeweiht werden.
Einer der treibenden Kräfte hinter dem Volkshaus-Projekt und
der Idee eines alkoholfreien Restaurants war August Forel, Direktor der
damaligen Kantonalen Irrenanstalt Burghölzli. Alkohol war zu
Beginn des 20. Jahrhunderts ein grosses Problem, zahlreiche Arbeiter
verzechten ihren Lohn im Wirtshaus. Das Volkshaus hatte alkoholfrei zu
sein, weil sonst ein "Bierpalast" drohe und die "Zürcher
Arbeiterschaft nichts anderes wäre als das alkoholisierte
Dividendenschaf der Alkoholkapitalisten", steht im
"Grütli-Kalender" aus dem Jahr 1909 geschrieben.
In den 80er-Jahren beklagte die Zeitung WOZ beim Volkshaus den
Verlust der linken Kultur. Die frühere rote Fassade wurde schon
1950 hellgrau gestrichen, das Alkoholverbot 1983 aus den Statuten
gekippt. In jüngster Zeit wurden Säle und Technik laufend
renoviert und auf den neusten Stand der Technik gebracht. Heute stehe
das Volkshaus finanziell so gut da wie noch nie, sagt Cahannes. Im
Oktober sind zahlreiche Jubiläumsveranstaltungen geplant.
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NZZ 8.9.10
Eine Trutzburg der Arbeiterbewegung
Zürcher Volkshaus ist 100-jährig
ak. · Die Architektur des Hauses wirkt, um nichts allzu
Negatives zu sagen, etwas eigenwillig. Das breite Walmdach erinnert an
eine Scheune, der schmucklose Treppenturm verweist eher auf
mittelalterliche Burgen. Eine Trutzburg der Arbeiterbewegung war das
Zürcher Volkshaus im Verlauf seiner Geschichte tatsächlich
immer wieder, aber auch mehr: "ein Ort, an dem sich gesellschaftliche
Eruptionen, Trends und auch Moden auslebten", wie Franz Cahannes, der
Präsident der Volkshausstiftung, an einer Pressekonferenz zum
100-jährigen Bestehen des Hauses am Dienstag gesagt hat.
Gewerkschaften und Arbeiterschaft hatten den Bau des Volkshauses
ersehnt; hinter dem Projekt steckten aber von Anfang an auch
philanthropische Kreise von Pfarrern und Professoren. Sie sorgten
dafür, dass es im 1910 eröffneten Volkshaus nur alkoholfreie
Getränke gab. Dieses Alkoholverbot hielt sich bis 1979.
Volkshausverein und -stiftung haben in ihrer Geschichte an den
Traditionen des Hauses festgehalten, diese aber immer neu
interpretiert, wie Cahannes meinte. Die Bäder und Duschen, die in
den ersten Jahren die wichtigste Einnahmequelle waren, sind vor
Jahrzehnten zur Sauna umgebaut worden. Bei der nächsten Sanierung
kommt ein Hamam hinzu. Finanziell geht es der Stiftung laut Cahannes
heute so gut wie noch nie. Die Renovationen können heute mit
eigenem Geld bezahlt werden; städtische Subventionen sind nicht
mehr nötig. Momentan laufen Arbeiten für eine bessere
Energiebilanz. Dazu gehören die Dämmung des Dachstocks und
der Einbau einer Solaranlage.
Das 100-Jahr-Jubiläum wird ab Mitte September mit
Kindertagen, Konzerten und Lesungen gefeiert. Ausserdem erscheint
Anfang Oktober ein Buch über die Geschichte des Hauses, an dem die
unterschiedlichsten Autorinnen und Autoren mitgewirkt haben. Mehr
Informationen unter
http://www.volkshaus.ch.
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ANTI-RASSISMUS
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bern.ch 8.9.10
Stadt Bern organisiert erste Aktionswoche gegen Rassismus
Aus Anlass des Internationalen Tages gegen Rassismus findet vom 14. bis
21. März 2011 erstmals eine Aktionswoche statt. Alle, die sich
gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Stadt Bern engagieren
wollen, können sich mit eigenen Aktivitäten an der
Aktionswoche beteiligen. Die Stadt leistet auf Gesuch hin finanzielle
Unterstützung für die Umsetzung von Aktivitäten.
Der 21. März ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Die Stadt
Bern organisiert aus diesem Anlass 2011 erstmals eine Aktionswoche
gegen Rassismus. Vereine, Non-Profit-Organisationen, Firmen,
Kirchgemeinden, religiöse Gemeinschaften, Schulen, Sportklubs,
Einzelpersonen und alle Interessierten sind dazu eingeladen, sich mit
einer Aktivität an der Aktionswoche zu beteiligen. In der
Aktionswoche vom 14. bis 21. März 2011 sollen möglichst viele
Menschen in Bern darauf aufmerksam gemacht werden, wie Vorurteile,
Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung Menschen ausgrenzen.
Mitmachen erwünscht
Um Teil der Aktionswoche zu werden und im Veranstaltungskalender zu
erscheinen, muss eine Aktivität folgende Kriterien erfüllen:
* Die Aktivität setzt sich explizit mit dem Engagement gegen
Rassismus, rassistische Diskriminierung und/oder Fremdenfeindlichkeit
auseinander.
* Die Aktivität spricht weitere, nicht direkt beteiligte Personen
an (öffentlich).
* Die Aktivität leistet einen konkreten Beitrag zur
Sensibilisierung für das Thema Rassismus/Fremdenfeindlichkeit.
Die Stadt unterstützt Personen und Institutionen, die eine
Aktivität durchführen mit maximal 2000 Franken. Sowohl
Vorschläge für Aktivitäten wie Gesuche um finanzielle
Unterstützung können bis zum 25. Oktober 2010 beim
Kompetenzzentrum Integration eingereicht werden. Auf
www.bern.ch/gegenrassismus können alle Informationen und Formulare
heruntergeladen werden.
Öffentliche Informationsveranstaltung
An einer Veranstaltung erhalten Interessierte detaillierte
Informationen zur Aktionswoche, diskutieren Ideen für eine
Aktivität, bekommen Unterstützung zur Umsetzung ihrer Idee
und können sich mit anderen engagierten Personen und Institutionen
vernetzen. Die Veranstaltung findet statt am 14. September 2010 um 19
Uhr, im Kompetenzzentrum Integration der Stadt Bern (Meerhaus,
Effingerstrasse 21, 1. Stock). Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Europäische Städte-Koalition gegen Rassismus
Die Aktionswoche ist eine Aktion der Stadt Bern als Mitglied der
Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus, welcher die
Stadt 2009 beigetreten ist. Gleichzeitig mit dem Beitritt hat der
Gemeinderat einen Aktionsplan mit 37 Massnahmen verabschiedet, um
Rassismus in der Stadt Bern zu bekämpfen. Eine der Massnahmen
sieht vor, dass die Stadt Bern jährliche Aktionen zum
Internationalen Tag gegen Rassismus durchführt. Weitere
Informationen zur Städte-Koalition und zum Aktionsplan unter
www.bern.ch/gegenrassismus.
Direktion für Bildung, Soziales und Sport
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FUCHS-GEN
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blick.ch 8.9.10
Damit das Skandal-Buch ein Bestseller wird: SVP-Fuchs will Sarrazin in
die Schweiz holen
BERN - Thomas Fuchs ist Fan von Thilo Sarrazin. Der Schweizer lädt
den Deutschen ein, will aber ein "Ghetto" wie bei Eva Hermans
Bern-Besuch verhindern.
Von Raphael Diethelm
Ex-Senator und Bundesbanker Thilo Sarrazin (65) trifft mit seinem Buch
"Deutschland schafft sich ab" auch in der Schweiz ins Schwarze: Die
erste Auflage der umstrittenen Auseinandersetzung mit
Geburtenrückgang, Zuwanderung und wachsender Unterschicht ist
ausverkauft!
"Sein Buch ist hervorragend", schwärmt der Berner SVP-Grossrat
Thomas Fuchs (44) in der "Aargauer Zeitung" von heute über
Sarrazin. Er will den Mann, der Deutschland mit Aussagen über ein
"Juden-Gen" empört hat, in die Schweiz einladen. "Herr Sarrazin
soll selber wählen, ob er in Zürich, Aarau oder Bern
auftreten will", sagt Fuchs gegenüber Blick.ch.
Grosses Vorbild - grosse Inserate
Der Präsident der rechtskonservativen Vereine Pro Libertate und
Pikom will Sarrazin auch die Themenwahl überlassen: "Es muss
einfach um sein Buch gehen."
Die Veranstaltung soll öffentlich sein und, so hofft Fuchs, 1000
bis 1500 Interessierte anlocken. "Das wird vergleichbar mit einem
Blocher-Anlass", verspricht der SVPler. "Sobald ich Sarrazins Zusage
habe, werde ich das Ganze mit Inseraten ankündigen."
Mit Polizei gegen "Gstürm vom strübsten"
Dass der Provokateur aus Berlin nicht nur Fans anziehen könnte,
hat Fuchs mit der früheren TV-Moderatorin Eva Herman (51)
erfahren. Als Pro Libertate die Frau, deren Frauen- und Familienbild
ihr den Job bei der ARD kostete, im März 2007 nach Bern holte,
gabs heftige Proteste.
"Dieses Gstürm vom strübsten wollen wir diesmal mit einer
besseren Vorbereitung verhindern", sagt Thomas Fuchs. Dazu gehöre
unter anderem ein dem Anlass entsprechendes Polizeiaufgebot. Um das
Skandal-Buch für die Vereinsmitglieder schmackhaft zu machen,
kämpft Fuchs um einen Rabatt: "Ich hoffe, dass wir 30 Prozent
bekommen - und Sarrazin zum Bestseller wird."
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Aargauer Zeitung 8.9.10
Rechter Verein lädt Thilo Sarrazin in die Schweiz ein
Die erste Auflage von Thilo Sarrazins Skandal-Buch ist in der
Schweiz ausverkauft - jetzt wollen rechtskonservative Kreise von seiner
Popularität profitieren
Noch diese Woche will ProLibertate-Präsident Thomas Fuchs
eine Einladung an Sarrazin verschicken.
Benno Tuchschmid
Es ist selten, dass der Berner SVP-Grossrat Thomas Fuchs bei
Sozialdemokraten ins Schwärmen gerät. Doch wenn Fuchs
über das SPD-Mitglied Thilo Sarrazin spricht, ist seine
Begeisterung nicht zu überhören. "Sein Buch ist
hervorragend." Thomas Fuchs ist Präsident der beiden
rechtskonservativen Vereine Pro Libertate und Pikom
(parteiunabhängiges Informationskomitee). Jetzt will er den Autor
des Buches "Deutschland schafft sich ab" so schnell wie möglich in
die Schweiz holen. "Wir werden noch diese Woche eine Einladung an Thilo
Sarrazin verschicken."
Gut möglich, dass Sarrazin beim Eintreffen der Einladung
bereits nicht mehr in der SPD ist (siehe Update). Und auch als Mitglied
des Vorstands der Deutschen Bundesbank droht ihm der Rauswurf. Seiner
Beliebtheit bei Pro Libertate dürfte dies nur förderlich
sein. Der Verein hat eine Vorliebe für deutsche Provokateure. Im
März 2007 hatte Pro Libertate die ehemalige TV-Moderatorin Eva
Herman nach Bern eingeladen. Die Moderatorin hatte sich mit
verharmlosenden Statements zur Familienpolitik des Dritten Reichs
unmöglich gemacht.
Damit gleicht der Fall Herman dem Fall Sarrazin. Dieser hatte in
einem Zeitungsinterview über ein "bestimmtes Gen" schwadroniert,
das "alle Juden teilen". Ein Vokabular, das an die Nazi-Rassenlehre
erinnert. Die Kritik war vernichtend. Thomas Fuchs will Sarrazins
Äusserungen nicht kommentieren.
"Den wunden Punkt getroffen"
"Das Problem ist, dass sich nach Sarrazins heftigen
Äusserungen in gewissen Zeitungen die Diskussion vom Inhalt des
Buches wegentwickelte", sagt FDP-Nationalrat Philipp Müller, der
in der Ausländerpolitik als Hardliner gilt. Er stelle fest, dass
Deutschland nicht in der Lage sei, eine Ausländer-Debatte ohne
Gehässigkeiten zu führen. In der Schweiz sei dies anders. Die
Schweizer Demokratie ertrage solche Diskussionen. "Bei uns in der
Schweiz ist die zentrale Frage: Wie viele Menschen erträgt das
Land? Darüber muss man diskutieren, aber die Diskussion muss
anständig bleiben", sagt Müller.
Auch für SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer ist klar:
"Sarrazin hat den wunden Punkt getroffen." Es gebe in der Islam-Debatte
auch in der Schweiz Tabu-Themen, die bestimmte Gruppierungen mit
Sprechverboten belegen wollten: "Darum interessieren sich auch hier
viele für Sarrazins Buch."
Tatsächlich verkauft sich das Buch auch in der Schweiz sehr
gut. Beim grössten Schweizer Buchvertrieb Buchzentrum in
Hägendorf will man keine genauen Zahlen bekannt geben,
bestätigt aber, dass die erste Auflage in der Schweiz ausverkauft
sei. Bei der Online-Buchhandlung Buch.ch wurden seit
Veröffentlichung über 300 Exemplare ausgeliefert. Damit
bewegen sich die Verkaufszahlen von "Deutschland schafft sich ab" in
einem ähnlichen Rahmen wie die Bestseller von Henning Mankell oder
Stieg Larsson.
Thomas Fuchs will nun dafür sorgen, dass das Buch auch bei
den Mitgliedern der JSVP und von Pro Libertate ein Bestseller wird.
Diese sollen das Buch von Noch-SPD-Mitglied Sarrazin mit Rabatt kaufen
können.
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THEATER
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Bund 8.9.10
"Eine Stadt ohne Theater ist keine Stadt"
Seit die Stadtregierung vorschlug, das 170-jährige Theater
aufzulösen, wird in Luzern heftig debattiert. Gegen allzu forsche
Ideen wehrt sich der Direktor des Hauses.
Alexandra Kedves
Es sei vitaler, kreativer und schneller, sagen seine Supporter:
Das freie Theater, das sich in den letzten Jahrzehnten neben den
bürgerlichen Stadttheatern und Schauspielhäusern etabliert
hat, verfüge immer noch über weniger Geld, sei aber trotzdem
das bessere Theater. Stimmt das? Und hiesse das nicht, alte Strukturen
abzubauen und die Gewichte in der Theaterlandschaft zu verlagern? Oder
sind es im Gegenteil die traditionellen Häuser, die dem
kulturellen Leistungsauftrag besser gerecht werden und ein breiteres
Publikum ansprechen? Ist ihre solide Infrastruktur der ideale
Nährboden für Innovation?
Diese Diskussion hat die Schweiz erreicht - und besonders heftig
Luzern. Dort läuft sie, seit die Stadtregierung vorschlug, das
seit 170 Jahren bespielte Luzerner Theater in der heutigen Form als
Dreispartenbetrieb aufzulösen. Das Musiktheater würde ab 2015
in die geplante Salle Modulable integriert, das Schauspielensemble und
die Tanzcompagnie hingegen aufgelöst: erstens, um Geld zu sparen
und so den teureren Betrieb des neuen Opernhauses zu ermöglichen;
und zweitens, um im Gegenzug jährlich 1,5 Millionen Franken der
freien Theater- und Tanzszene zur Verfügung stellen zu können.
Nachdem das städtische Parlament diesen Planungsbericht
"zustimmend zur Kenntnis" genommen hat, wird in Luzern hinter den
Kulissen am Thema weitergearbeitet. In Arbeit ist ein Betriebskonzept
für die Salle Modulable. Regelmässig trifft sich aber auch
eine Fachkommission, in der diskutiert wird, wie der professionelle
Tanz und das professionelle Schauspiel in Luzern künftig
organisiert werden sollen (und ob 1,5 Millionen dafür genug sind).
Die Debatten sollen heftig sein - kein Wunder, mit von der Partie sind
Vertreter der freien Szene wie auch des Luzerner Theaters.
Der Intendant des Luzerner Theaters hat die Katastrophenszenarien
- sprich: die Auflösung seines Schauspielensembles - mittlerweile
ad acta gelegt. "Diese Idee war ein Schnellschuss aus der Hüfte",
sagt Dominique Mentha. Im Übrigen sei sie auch nicht im Sinne der
freien Szene. Mit 1,5 Millionen Franken könne diese Szene nicht
leisten, was das Luzerner Theater für die Stadt tue. Dieses gibt
heute ziemlich genau diese Summe für Schauspiel und Tanz aus,
nicht eingerechnet sind dabei aber die hohen Fixkosten. Die
Fachkommission wolle das Theater nicht auflösen, verrät
Mentha aus der laufenden Diskussion: Es stehe für den
zuverlässigen Jahresbetrieb und biete in allen Sparten die
nötige Grundversorgung.
Es gibt Korrekturbedarf
"Ich bin in Bern mit vielen Kleintheatern gross geworden, die mit
Uraufführungen und Projekten von sich reden machten, die es am
Stadttheater nicht gab. Heute ist das anders. Unser Theater hat mit
biederem Bildungsbürgertheater nichts mehr zu tun. Wir haben
genauso das Potenzial zur Sprengkraft wie die freie Szene. Das
Schauspiel hat völlig freie Hand in seiner Programmierung. Und was
unser Schauspiel an Kulturvermittlung und Pädagogik leistet, wie
es verschiedene Publikumssegmente zusammenführt, wie es das
Kulturleben inspiriert und vernetzt: Das ist durch die freie Szene
einfach nicht zu schaffen. Den grössten künstlerischen Output
für die Gesellschaft, vom ‹Hamlet› übers Musical bis zur
Uraufführung, hat das klassische Stadttheater. Wenn ich mit Pathos
formulieren darf: Eine Stadt ohne Theater ist keine Stadt. Die
ästhetische Erziehung durchs Theater macht Bürger mündig
für unsere Zivilgesellschaft. Im Grunde sollte man die
Stadttheaterlandschaft des deutschsprachigen Raums zum Weltkulturerbe
erklären."
Mentha übersieht bei seinem Plädoyer fürs
institutionalisierte Stadttheater nicht, dass die finanzpolitische Lage
Korrekturen erzwingt. In Deutschland ist die Situation teilweise
dramatisch, aber selbst in Biel und Bern stimmen die Finanzen nicht.
Das mangelnde Geld lasse sich nicht wegdiskutieren, räumt er ein;
oft seien auch Fehler gemacht, sei Renovationsbedarf verschlafen oder
die Personalstruktur nie angepasst worden. Lange wurde an den grossen
Theaterschlachtschiffen nicht gerüttelt. "Aber nie kann alles so
bleiben, wie es ist."
Auch in Luzern nicht, wo im Verhältnis wenig Leute fest
angestellt sind. Mentha könnte sich vorstellen, das Opernensemble
für die Salle Modulable in Zusammenarbeit mit der Hochschule
für Musik im Dreijahresrhythmus zu organisieren, das
Schauspielensemble hingegen unverändert zu lassen. Ein gutes
System dürfe man nicht aus finanzpolitischen Gründen
über Bord werfen.
Dass die freie Szene ihr eigenes Geld - und mehr davon -
benötigt, ist für Mentha unbestritten. In Luzern sind
grössere professionelle Produktionen im Off derzeit nahezu
unmöglich. Über die Verbesserung der Situation denkt eine
Arbeitsgruppe nach, und dabei soll auch die Kooperation von Luzerner
Theater und Freien enger werden: beispielsweise mit einem Festival zu
einem Thema. Oder indem das Luzerner Theater seinen Kostümfundus,
seine Probebühnen oder die Technik auch den Freien zur
Verfügung stellt.
Weiter gehen möchte Mentha aber nicht. Das holländische
Modell zum Beispiel hält er für nicht übertragbar auf
die Schweiz. Weil es dort kaum Häuser mit eigenen Ensembles gibt,
werden vor allem tourende Gruppen unterstützt. Mentha hält
ein Sowohl-als-auch in der Schweiz für die bessere Lösung -
subventioniert werden die Gruppen im Off, aber auch die bestandenen
Häuser. "Man kann doch kein Stück für Luzern konzipieren
und glauben, dass es in Zürich die gleiche Resonanz erzeugt."
Die Grenzen nicht verwischen
Der Nachteil eines Stadttheaters, das gesteht Mentha, kann das
hierarchische System sein. Das Arbeitsklima habe sich im Vergleich zu
früher zwar massiv geändert, und Bühnenkünstler
könnten heute selbstverständlich Widerspruch äussern -
aber die absolute Freiheit gebe es nicht. Da aber, wo Basisdemokratie
probiert worden sei wie in Frankfurt, sei das Experiment gescheitert.
"Es ist konzeptuell falsch, die Grenzen zwischen den
Theaterformen völlig zu verwischen", glaubt Dominique Mentha.
"Wenn die Freien sich nicht am etablierten Theater reiben können,
fehlt ihnen ein wichtiger Katalysator - und uns das theatrale
Gegenüber." Die freie Szene müsse eben das sein: frei. Auch
frei vom Auftrag, vom Klassiker über das Musical bis zur
Uraufführung alles zu zeigen. Wenn sich aber ein Stadttheater
beschränke, blieben die Zuschauer weg. Beispiele fürs
Scheitern allzu ambitionierter Programmmacher kennt die Schweiz.
Mentha: "Man muss die Menschen bei ihren Sehnsüchten abholen und
zu Neuem verführen."
--
Deutschschweizer Theater
Eine kleine Übersicht
Mehrspartenhäuser mit eigenen Ensembles
Theater St. Gallen
Theater Basel (das Ballett war in Gefahr)
Luzerner Theater (in Diskussion)
Stadttheater Bern (derzeit Neudefinition durch die Zusammenlegung
des Theaters mit dem Berner Symphonieorchester)
Theater Biel Solothurn (das Theater und das Sinfonieorchester
Biel fusionieren).
Freie Häuser, die teilweise (ko)produzieren
Kaserne Basel
Südpol Luzern
Rote Fabrik Zürich
Theaterhaus Gessnerallee Zürich (mit Direktion und
Dramaturgie)
Schlachthaus Bern
Kulturzentrum Reitschule Bern (Volksabstimmung am 26. 9.
über den Verkauf).
Mischformen
Theater Chur (1992 entschieden die Churer, das frühere
Stadttheater nur noch als Gastspielhaus zu führen. 2006/07 erfuhr
das Haus eine Neuorientierung als Koproduktionshaus für freie
Produktionen.
Theater Winterthur (Dreispartenhaus, aber nur Gastspiele)
Tuchlaube Theater Aarau (Premieren- und Produktionshaus im Kanton
Aargau mit Koproduktionen und vernetzten Projekten).
--
Häuslich oder lieber frei?
Die Kontroverse um das Theater in der Schweiz wird immer lauter:
Braucht es die alten Stadttheater noch?
Alexandra Kedves
Die einen tuns auf der Heubühne, die anderen zwischen
Plüsch und Samt: Das Theater in der Schweiz kennt viele Orte und
Formen. Das grosse "Volkstheater am Pfauen" in Zürich etwa wurde
1892 errichtet und ist mittlerweile ein Riesenbetrieb mit verschiedenen
Spielstätten und Subventionen der öffentlichen Hand in
Millionenhöhe. Dann gibts die sogenannte freie Szene, die sich
immer wieder neu erfindet: Da lernen sich Schauspielstudenten kennen,
entwickeln Projekte und starten als neue Theatergruppe ins Berufsleben.
Es entstehen Netzwerke, die "Freien" haben ihre Festivals wie das
Zürcher Theater Spektakel, die Szene ist in Bewegung und hat
gleichzeitig ihr Urgestein. Christoph Marthaler experimentierte
seinerzeit mit der Gruppe Tarot, und Barbara Frey begann in einer
Rockband. Beide haben es, bekanntlich, an die Spitze des Zürcher
Schauspielhauses geschafft.
Noch vor 30 Jahren wären solche Grenzüberschreitungen
undenkbar gewesen. Die Empörung über die hohen Subventionen
für das Opernhaus führte schliesslich zur Gründung von
Häusern für die Freien wie in Zürich die Rote Fabrik
oder das Theaterhaus Gessnerallee. Die Kreativität "von unten"
hatte nun ihre Räume; aber längst haben die Protagonisten der
Off-Szene mit ihrer Kunst auch die etablierten Bühnen erobert.
Heute sieht man Experimentelles, Videolastiges und Nacktes,
Tanztheaterndes und Texttrunkenes hüben wie drüben. Rebellion
und Schock lässt sich da nicht mehr so leicht produzieren; doch in
Zeiten knapper Kassen brechen die Verteilungskämpfe zwischen
"frei" und "etabliert" erneut aus.
Und damit ist auch die Diskussion (wieder) eröffnet, wohin
die Subventionen fliessen sollen, welches das bessere Theater ist.
Für die beiden folgenden Seiten haben wir zwei Protagonisten der
Diskussion zum Gespräch getroffen. Samuel Schwarz von 400asa,
einer der profiliertesten freien Gruppen des Landes, und Dominique
Mentha, Direktor des Luzerner Theaters, über dessen Zukunft
derzeit diskutiert wird. Sie beantworten Fragen wie: Woher kommt die
Kreativität? Sind die Stadttheater und Schauspielhäuser
verschnarcht, die kleinen Freien sektiererisch? Schöpfen die
etablierten Bühnen die Genies der freien Szene ab - und
produzieren dann doch nur massentaugliches Mittelmass? Und gibt es
diese Genies in der freien Szene überhaupt noch?
--
"Wir wollen Libido, wir wollen Revolution"
Das Stadttheater auflösen und das Geld der freien Szene
geben - das fordert Samuel Schwarz, Mitgründer und Regisseur der
Gruppe 400asa.
Interview: Alexandra Kedves
Herr Schwarz, die Theaterlandschaft ist im Umbruch. Die
Stadttheater sind unter Druck, das Geld wird knapp. Wie positionieren
sich die Freien und damit auch Ihre Gruppe 400asa?
Krise als Chance, sage ich jetzt mal ganz plakativ. Wir werden ja
- wie andere Gruppen - an Stadttheater eingeladen, um dort zu
produzieren. 400asa zum Beispiel war schon in Bern, Konstanz, Hamburg.
Das ist schön, weil es dort jeweils eine tolle Infrastruktur gibt.
Aber es hat auch seine Schattenseiten: Am Stadttheater gibt man die
Rechte an seinem Werk völlig ab; man kann dann nicht mehr einfach
umgestalten, neue Fassungen des Abends entwickeln. Stadttheater
können mit der kreativen, effizienten Energie einer freien Gruppe
nicht gut umgehen, das liegt in ihrer Struktur; und deshalb haperts
auch mit ihrer Kunst. Wenn die derzeitige Krise das Stadttheater zum
Umdenken zwingt, ist das für alle ein Gewinn - zuerst fürs
Stadttheater selbst und für sein Publikum, aber auch für die
Freien, die von den fetteren Subventionen mehr abkriegen würden.
Man kann sagen, dass wir auf die finanziellen Mittel und Ressourcen der
Stadttheater neidisch sind, nicht aber auf deren Organisationsformen.
Bespielen werden wir diese Häuser weiterhin, gerade weil wir
Alternativen aufzeigen, wie es auch ginge.
Wie hängt denn die Struktur der Stadttheater mit ihrer
Ästhetik zusammen?
Oft reproduziert das Stadttheater den
militärisch-hierarchischen Aufbau vergangener Zeit: einen
lähmenden Aufbau. Es gibt einen Verwaltungsrat, den Intendanten,
den Chefdramaturgen, den normalen Dramaturgen, den Regisseur und
zuunterst den entmündigten Schauspieler. Was soll der noch leisten?
Und bei freien Gruppen?
Bei 400asa ist der Schauspieler eine Bühnenbombe und
entwickelt selbst unheimlich viel. Ich will einen Schauspieler, vor dem
ich Angst habe, keinen Vollzugsbeamten. Zudem ist bei uns jeder in
alles verwickelt: Technik, Konzept, Spiel - da gibt es keine klaren
Grenzen. Wir wollen Libido, wir wollen Revolution, und wir wollen als
Kontrast radikal-meditative Stille. Denn wir wollen nicht nur den
Grossbürger, sondern auch den Kleinbürger abholen, gerade bei
seinem Zorn und seiner Angst. Wir versuchen, Theater mit sozialer
Ausstrahlung zu machen. Dazu gehören Skandal und Eventcharakter
ebenso wie die rasche Reflexion aktueller gesellschaftlicher
Entwicklungen. Ein riesiger, bürokratisierter Theaterdampfer kann
das so gar nicht leisten. Er ist auch zu elitär, um nah am
Kleinbürger zu inszenieren. Das schaffte im Stadttheaterbetrieb
höchstens ein Schlingensief als Einzelerscheinung. Und diese
Einzelerscheinung sollte dann als "Hofnarr" das andere Mittelmass
rechtfertigen.
400asa produziert aber auch nicht einen Reisser nach dem anderen.
Wir haben schon mehrmals Morddrohungen erhalten. Und schon drei
Kakteen der "Schweizer Illustrierten". Das macht mich stolz. Im Ernst:
Mindestens einmal pro Jahr treffen wir den Nerv der Zeit, und die
Reaktionen fallen entsprechend aus. Unsere Auslastung beträgt im
Durchschnitt 85 Prozent. Wenn demgegenüber die Auslastung der
festen Häuser noch mehr fällt als jetzt schon, wird man sie
mit der Zeit in schlichte Spielstätten verwandeln, wo man sich
einmieten kann. Leere Häuser kann sich keiner leisten.
Das Stadttheater als freie Bühne: Ist das Ihr Konzept
für die Zukunft?
Nicht nur meins. In Luzern wird heftig darüber diskutiert,
ob man das Sprechtheater am Stadttheater auflösen und die Gelder
an freie Gruppen verteilen soll. Und in Bern wird überlegt, ob in
Zukunft vier Gruppen das Haus leiten oder ein kleines Ensemble, das
aber offen ist für die lokalen Gruppen. In der Schweiz könnte
insgesamt das holländische Modell Vorbild sein: Man
unterstützt nicht Häuser, sondern lebendige Teams mit
eigenständiger, individueller Organisationsform. Sprich: Der
Verteilschlüssel bei den Subventionen muss und wird anders
aussehen. Die Gruppenförderung, die wir in Zürich bekommen
haben, möchte ich da nicht loben: Was wir betreiben, ist
Selbstausbeutung. Wir Kreativen brauchen mehr Geld, und das auf Kosten
der kuratierenden Dramaturgen und Intendanten, die ihre ganze
Legitimation nur aus Selektionsprozessen ziehen. Und die dann trotz
ihrer hohen Löhne Spielpläne zusammenstellen, die wie ein Ei
dem anderen gleichen.
Hat das Stadttheater als effizienter Produktionsort nicht auch
seine Vorteile für gastierende Freie?
Technisch schon. Aber im Moment ist es meistens eher so, dass die
etablierten Theater die kreativen Formationen sprengen, indem sie
einzelne Köpfe für sich akquirieren. Sie suchen die
korrumpierbaren Seelen innerhalb der Gruppen, die sich kaufen lassen
und danach das konservative Lied des Einzelgenies singen. Der Wert der
risikobereiten, innovativen Solidargemeinschaft wird von der
bürgerlichen Institution Stadttheater - noch - nicht erkannt. Ich
musste schon Tricks anwenden, um bei einer Aufführung die für
das Projekt nötigen Leute unterzubringen. So kann es nicht
funktionieren, denn gerade in den Kreativteams steckt eben die
publikumsgenerierende Kraft. Irgendein vereinzelter Regisseur, der in
einer fremden Stadt ihm ausgelieferte Schauspieler herumdirigiert,
produziert in erster Linie soziale Kälte. Diese will niemand
miterleben, was man an den sinkenden Auslastungszahlen sieht. Da gehen
die Leute lieber in die qualitativ immer besser werdenden
Sommer-Freilichtspiele. Da wird wenigstens schön gesungen.
Haben Schauspieler und Regisseure am Stadttheater nicht auch
viele Gestaltungsmöglichkeiten - und dazu noch Planungssicherheit?
Planungssicherheit, dieses Wort ist verräterisch.
Natürlich planen auch wir und machen Verträge, aber
Unverrückbarkeit und Unbeweglichkeit gibt es bei uns nicht. Echte
Freiheit gibt es am grossen, starren Haus nur im Ausnahmefall: bei
einem Intendanten wie Christoph Marthaler etwa. Deshalb wurde Marthaler
in Zürich auch abgeschossen: Seinen unhierarchischen, gleichzeitig
hoch effizienten Stil konnte der bürgerliche Verwaltungsrat
schlecht ertragen. In den meisten Stadttheatern regiert ein klammer,
militärischer Biedersinn aus den Fünfzigerjahren.
Und was ist mit den unabhängigen Ensembletheatern und den
offeneren Häusern?
Selbst das Theater am Neumarkt - das ich im Grunde sehr
schätze - ist in einer veralteten Hierarchieform gefangen. Nicht
bezüglich der künstlerischen Leitung, aber bezüglich
seines Verwaltungsrats aus Credit-Suisse-Anwälten und
Multimilliardären, die sich für Theater gar nicht
interessieren. Schade ist, wenn die freie Szene die Hierarchiestruktur
der Stadttheater kopiert. Warum es etwa an Theaterhäusern, die
für die freie Szene geschaffen wurden, Intendanten und Dramaturgen
braucht, ist mir und auch vielen anderen Theaterschaffenden nicht klar.
Ich bin mir aber sicher, dass bald mehr Geld zu denen fliesst, die
tatsächlich produktiv sind. Ist das alte Hierarchiemodell der
Stadttheater denn so wahnsinnig schützenswert? Diese Frage wird
auch von der Kulturpolitik gestellt werden, wenn sie den grösseren
ökonomischen und künstlerischen Erfolg der freien Zellen der
künstlerischen Wirkungslosigkeit und den schlechten
Auslastungszahlen der altmodisch organisierten Stadttheater
gegenüberstellt.
Dennoch gibt es an solchen Häusern wie dem Theaterhaus
Gessnerallee und eben am Stadttheater immer wieder bravouröse und
innovative Arbeiten zu sehen.
Ja, das aber vor allem in Berlin, wo man viel Konkurrenz hat und
sich deshalb am Publikum und am Erfolg orientieren muss. Dort gibt es
einen Frank Castorf an der Volksbühne, einen Thomas Ostermeier an
der Schaubühne und sogar den etwas peinlich gewordenen Claus
Peymann: Starke Künstlerhandschriften, peinlich oder nicht, werden
dort getragen, nicht behindert, und das jahrzehntelang. Man motzt zwar
auch in Berlin über diese Künstler, schwatzt ihnen Krisen an.
Aber wenigstens redet man über sie. Und deshalb finden sie auch
grösseren Anklang. Aber ausserhalb Berlins siehts meistens weniger
spannend aus.
Heisst das, dass wir das Stadttheater abschaffen müssen oder
dass es besser werden sollte?
Machen wir uns nichts vor: Der gesellschaftliche Konsens, dass
Theater ein Wert an sich ist, existiert in vielen Gemeinden nicht mehr.
Deshalb wird auf lange Sicht jenes Theater überleben, das
intelligentes Sprechtheater mit Eventcharakter bietet und das seine
gesellschaftliche Anbindung nicht verloren hat. Wir müssen
relevanter werden - und dazu braucht es Chaos-Power wie zu Shakespeares
Zeiten, mehr freie Köpfe und weniger Betriebsnudeln. Auch
Theaterstudios - wie wir sie in China gerade kennen gelernt haben -,
geleitet von starken Regisseuren, ein Gemisch aus Theaterproduktion und
-schule, sind eine spannende Form. Mit den vorhandenen Subventionen
wäre im deutschsprachigen Raum mehr Vielfalt möglich. Die
Häuser fressen zu viel Geld.
Wenn sich die Idee frei bespielbarer Häuser durchsetzen
würde - wer sollte dort das Programm koordinieren?
Reicht es nicht, wenn jemand für die Vermietung
zuständig ist? Man darf die freie Szene nicht als einen Haufen
wildgewordener Rivalen betrachten. Im Gegenteil: Der Trend geht zu mehr
Netzwerken und Kooperationen, auch wegen der Finanzierung. 400asa zum
Beispiel hat jetzt mit dem neu gegründeten Churer Ensemble eine
Vernetzung nach Graubünden und hat zudem mit der Berliner Sektion
Nord und der Sektion Bern zwei Hauptstadtzellen ins Leben gerufen. Auch
mit tollen Gruppen wie Faraday Cage, Rimini Protokoll, Schauplatz
International und She She Pop vernetzen wir uns gerne. Egal, wo in der
Welt diese sich gerade herumtreiben. Ein positives Signal ist auch,
dass mit Michel Schröder nun ein Künstler das Fabriktheater
in Zürich mitleitet. Das ist der Beginn eines Paradigmenwechsels.
In Zukunft werden die Gruppen die Häuser besetzen, und durchsetzen
wird sich das, was das Publikum sehen will: Im 21. Jahrhundert kehrt
das Theater in die Gesellschaft zurück.
"Ja, auf die Mittel der Stadttheater sind wir neidisch."
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ANTI-ATOM
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BZ 8.9.10
SP fordert BKW-Zensur
Der AKW-Abstimmungskampf ist im Kanton Bern schon im Gange: Die
SP will der BKW Energie AG die Propaganda verbieten.
Voraussichtlich im Februar 2011 wird das Bernervolk darüber
abstimmen, ob in Mühleberg ein neues Atomkraftwerk (AKW) gebaut
werden soll oder nicht. Bereits jetzt bringen sich die Parteien und
Lobbyisten in Stellung. So hat die SP vier Vorstösse zum Thema
eingereicht. Durchbringen wird sie diese im klar bürgerlich
dominierten Grossen Rat zwar kaum. Es geht der SP wohl mehr darum, dass
sich "ihre" rot-grüne Regierung hinter die Vorstösse stellen
kann und in der Öffentlichkeit darüber diskutiert und
geschrieben wird.
Mit einer Motion will die SP der BKW Energie AG
Abstimmungspropaganda verbieten. Bereits im Juni erhielt sie dafür
indirekt Unterstützung vom Regierungsrat: Dieser schrieb in der
Antwort auf eine SP-Interpellation, er wolle sich "dafür
einsetzen", dass die BKW-Abstimmungsgrundsätze "durch den
Verwaltungsrat überprüft werden". Diese Grundsätze hat
der BKW-Verwaltungsrat 1987 erlassen. Sie sehen vor, dass die BKW die
Bevölkerung vor Volksabstimmungen informieren kann, wenn das
Unternehmen betroffen ist.
Die BKW denkt denn auch nicht daran, darauf zu verzichten. Sie
verweist auf das Bundesgericht, das mehrmals entschieden habe, dass
sich Direktbetroffene bei Abstimmungen engagieren dürften.
Dessen scheint sich auch die SP bewusst zu sein. Ihre Motion ist
jedenfalls zurückhaltend formuliert: Sie fordert, "dass
finanzielle Beteiligungen der BKW in Abstimmungskampagnen und in
-komitees a) unterbunden oder b) mindestens offengelegt werden". Die SP
scheint also selber nicht an ein Verbot zu glauben.
Dominic Ramel
---
Aargauer Zeitung 8.9.10
Endlager bewegt die Gemüter
Info-Veranstaltung in Niedergösgen
Das Bundesamt für Energie tingelt im Moment durch das Land
und informiert die Bevölkerung über das Auswahlverfahren
für den Standort eines Endlagers für radioaktive
Abfälle. In Niedergösgen stiess das Vorhaben auf wenig
Begeisterung. "Das Niederamt erhält durch ein solches Endlager ein
schlechtes Image", war aus dem 170 Köpfe zählenden Publikum
zu hören. "Wir wollen nicht zum Abfallkübel der Nation
werden", hiess es nicht zuletzt aus den Reihen des Vereins NoE
(Niederamt ohne Endlager). Dieses hatte bereits vor dem Eingang zur
Veranstaltung gelbe, mit Radioaktivitätssymbolen versehene
Fässer deponiert. (az) Seite 34
--
"Nicht Abfallkübel der Nation"
Bundesamt für Energie lud zum Info-Forum zu einem Endlager
nach Niedergösgen ein
"Ihre Meinung ist gefragt": Unter diesem Motto lud das Bundesamt
für Energie in die Mehrzweckhalle Inseli nach Niedergösgen
ein. Ziel war, zu informieren, wo man am Ende der ersten Etappe des
Auswahlverfahrens für ein Endlager für radioaktive
Abfälle steht.
Beat Wyttenbach
Laut Niedergösgens Gemeindepräsident Kurt Henzmann habe
man am Montagabend in der Mehrzweckhalle Inseli für 380 Gäste
Stühle bereitgestellt. Es stellte sich heraus, dass rund 170
Personen erschienen waren, um der Informationsveranstaltung betreffend
ein mögliches Endlager für schwach- und mittelradioaktive
Abfälle in der Region Jurasüdfuss beizuwohnen. Eingeladen
hatte das Bundesamt für Energie (BfE). Als Referenten erschienen
waren Michael Aebersold (Projektleiter Sachplanverfahren BfE), Franz
Schnider (Vizedirektor BfE), Hanspeter Jeseneg (Präsident
Plattform Jurasüdfuss) sowie Regierungsrat Peter C. Beyeler
(Aargau) und Landammann Walter Straumann (Solothurn).
Alle Standorte weiter dabei
Nach der Begrüssung durch den Landammann oblag es Schnider,
kurz nochmals das dreietappige Auswahlverfahren für die
Tiefenlager zusammenzufassen. Als Quintessenz hielt er fest, dass das
Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) dem
Auswahlverfahren der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung
radioaktiver Abfälle (Nagra) zugestimmt habe und die
Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit (KNS)
ihrerseits die Arbeit des Ensi überprüft und gutgeheissen
habe. Die Quintessenz: Alle sechs möglichen Standorte seien immer
noch im Rennen, und man habe unterdessen auch den provisorischen
Planungsperimeter für die oberirdischen Zugangsbauten festgelegt
(wir berichteten).
Der Aargauer Regierungsrat Peter C. Beyeler hielt fest, dass sein
Kanton gleich mit drei möglichen Standorten (Jura-Südfuss,
Bözberg und nördlich Lägern) in die Sache involviert
sei; 85 Gemeinden befänden sich gesamthaft in den einzelnen
Planungsperimetern (dies bei 19 Gemeinden im Kanton Solothurn,
Anmerkung der Redaktion). Für ihn war es wichtig, "dass wir
vergleichbare Standortfaktoren haben". Es solle am Ende des Verfahrens
der absolut sicherste Standort ausgewählt werden. "Standorte zu
kaufen, wäre der falsche Weg", betonte Beyeler; eine Bemerkung,
die ironische Zwischenrufe hervorrief.
"Eher ein Einstellungsverfahren"
In der anschliessenden Diskussionsrunde erhielt das Publikum
Gelegenheit, seine Sorgen und Ängste zu äussern. "Das
Niederamt erhält mit einem solchen Endlager ein schlechtes Image.
Wir wollen nicht zum Abfallkübel der Nation werden", war mehr als
einmal zu hören. Die langen Zeiträume der Überwachung
nach dem Bau der Endlager waren ferner ebenso Thema wie das
Mitwirkungsverfahren. "Dieses ist eher ein Einstellungsverfahren",
monierte Kantonsrat Urs Huber (Obergösgen), der sich
überzeugt zeigte, dass die Endlager-Vergabe schliesslich politisch
entschieden werde. "Das Endlager kommt nicht dorthin, wo sich die Leute
nicht wehren.
---
Grenchner Tagblatt 8.9.10
Jurasüdfuss ist immer noch dabei
Endlager Info-Anlass des Bundes in Niedergösgen
Unter dem Titel "Ihre Meinung ist gefragt" lud das Bundesamt
für Energie (BfE) am Montagabend in die Mehrzweckhalle Inseli nach
Niedergösgen ein. Rund 170 Personen sind erschienen, um der
Informationsveranstaltung betreffend ein mögliches Endlager
für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in der Region
Jurasüdfuss beizuwohnen. Ziel des Anlasses war es, über die
erste Etappe des Auswahlverfahrens für den Bau eines Tiefenlagers
zu informieren. Die Quintessenz: Gemäss BfE-Vizedirektor Franz
Schnider sind alle sechs möglichen Standorte - die Region
Jurasüdfuss ist eine davon - immer noch im Rennen. Der Solothurner
Landammann Walter Straumann betonte die gute Zusammenarbeit zwischen
den Kantonen und den Bundesämtern; es sei wichtig, das
entsprechende Wissen beizuziehen. Er hielt fest, dass die verschiedenen
Anliegen der Gemeinden und Körperschaften ernst genommen
würden, und er könne sich vorstellen, dass man beim BfE
insbesondere auf die tektonische Situation sowie die bautechnischen
Schwierigkeiten beim Bau eines Endlagers in der Jurasüdfuss-Region
hinweisen werde.
In der anschliessenden Diskussionsrunde erhielt das Publikum
Gelegenheit, sich zu äussern. "Das Niederamt erhält mit einem
solchen Endlager ein schlechtes Image, wir wollen nicht zum
Abfallkübel der Nation werden", war zu hören. Die langen
Zeiträume der Überwachung nach dem Bau der Endlager waren
ferner ebenso Thema wie das Mitwirkungsverfahren. "Dieses ist eher ein
Einstellungsverfahren", monierte Kantonsrat Urs Huber (SP,
Obergösgen), der sich überzeugt zeigte, dass die
Endlagervergabe politisch entschieden werde. (otr)
---
Tagesanzeiger 8.9.10
SP und Grüne erzielen keine Einigkeit
Am Montagabend hat in Bachs die Gründungsversammlung zum
Verein LoTi (nördlich Lägern ohne Tiefenlager) stattgefunden.
Die Angelegenheit wurde zur Rot-Grün-politischen Austragung.
Von Raquel Forster
Bachs - Rund 60 Personen haben sich an diesem Abend in einem Saal
des Restaurants Neuhof in Bachs eingefunden, um den Verein LoTi
(nördlich Lägern ohne Tiefenlager) zu gründen. Sie
stammen aus den Kantonen Aargau, Zürich und aus Deutschland.
Kurzum: aus dem Gebiet Lägern Nord, welches von der Nationalen
Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra)
für ein potenzielles Atommülllager vorgesehen ist. Alle
Anwesenden, darunter Bürger und Politiker, hatten ein gemeinsames
Ziel: zusammenzufinden, um auf Bevölkerungsseite Widerstand zu
formulieren. Dass die Versammlung zum Knatsch zwischen Rot und
Grün führte, hatte nicht nur mit der Dringlichkeit der
Angelegenheit zu tun. Denn um beim Partizipationsprozess mitreden zu
können, war eine Vereinsformierung auf Bevölkerungsseite
dringend notwendig.
Das Gebiet Lägern Nord ist genauso wie das Zürcher
Weinland und die Region Bözberg als Standortgebiet eines Endlagers
für Atommüll vorgesehen. So sollen in mindestens zwei dieser
Regionen in rund zehn Jahren hochaktive Abfälle entsorgt werden.
Welche Regionen das sein werden, wird von Bundesrat und Parlament in
ein paar Jahren entschieden.
Politischer Machtkampf
Der Verein LoTi sollte politisch überparteilich agieren, um
eine möglichst breite Masse der Öffentlichkeit zu
repräsentieren und zu erreichen. So waren für die
Vorstandswahl ursprünglich 14 Mitglieder vorgesehen, die sich bunt
gemischt aus SP, Parteilosen und Grünen zusammensetzten. Doch als
die grüne Alt-Kantonsrätin Susanne Rihs-Lanz um eine
Verschiebung der Präsidiumswahl bat, weil der Kanton Zürich
noch zu schwach vertreten sei und noch keine Zeit gehabt habe, sich zu
formieren, entbrannte - wie es schien - ein politischer Machtkampf
zwischen SP und Grünen. Die Forderung der grünen
Alt-Kantonsrätin und weiterer Mitglieder der Grünen Partei
wurde ignoriert, mit der Folge, dass vier Grüne ihre
Vorstandskandidatur zurückzogen. Im Eiltempo wurde nach
zweieinhalb Stunden schliesslich auch das Co-Präsidium zwischen
Astrid Andermatt, Aargauer SP-Grossrätin, und Rosi Drayer,
Vertreterin der süddeutschen Region, ausgemacht. Dass sowohl die
Vereinsgründung als auch die Wahl des Vorstandes und der weiteren
Organe eilte, war klar. Denn schon diese Woche vertritt der Verein bei
der Informationsveranstaltung des Bundesamtes für Energie (BfE)
die Interessen der Bevölkerung. Dennoch war ein Zerwürfnis
zwischen den Parteien nicht zu übersehen: Von den
ursprünglich vorgesehenen Vorstandsmitgliedern findet sich nun nur
noch ein Grüner - die Mehrheit gehört der SP an.
"Die Sache ist wichtig genug"
Die Bestürzung über den Rückzug der Grünen
war mehreren Anwesenden anzusehen. So auch Daniel Frei, Gemeinderat aus
Dielsdorf: "Ich hätte mir gewünscht, dass nicht die Parteien,
sondern die Sache im Vordergrund steht." Denn die sei ja wichtig genug.
Es gilt, extrem giftige Substanzen, die eine Million Jahre lang
strahlen, unter der Erde zu entsorgen. 20 000 Generationen sind laut
Remco Giovanoli von der Schweizerischen Energiestiftung (SES) davon
betroffen. Umso wichtiger sei es nun, zusammenzuarbeiten. Nur damit
könne man Forderungen stellen, denn die Lagerung der Abfälle
aus Medizin und Forschung sei "keinesfalls gelöst". Je breiter
sich der Verein politisch abstütze, desto stabiler sei er dann.
"Ein Mensch mit einem Bein steht schliesslich weniger gut als ein
Mensch mit fünf Beinen", so Giovanoli. Die Grünen waren aber
nicht umzustimmen: "Unsere Forderung wurde von der SP zunichtegemacht",
sagte Rihs-Lanz.
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Kommentar
Machtkampf entzweit Atomgegner
Der Widerstand gegen ein Atommüll-lager im Grenzgebiet der
Kantone Zürich und Aargau nimmt Gestalt an. Am Montag fand die
Gründungsversammlung der Bürgerorganisation LoTi
(nördlich Lägern ohne Tiefenlager) statt.
Dass sich besorgte Bürger zusammentun, ist
begrüssenswert. Denn das Entsorgungsproblem ist nicht gelöst.
Wichtige (technische) Fragen bleiben angesichts des Zeitraums von 1
Million Jahre offen, wie etwa die Schweizerische Energiestiftung
aufzeigt.
Vereine wie KAIB (Kein Atommüll im Bözberg), NOE
(Niederamt ohne Endlager) oder nun eben LoTi können die
Bevölkerung wachrütteln.
Das neue Gremium, das die Menschen im Zürcher Unterland, dem
Aargau und Süddeutschland vertreten will, ist laut seinen Statuten
politisch neutral. Es solle kein "grün-rot-linker Verein" werden,
hatte die Initiantin, die Aargauer SP-Politikerin Astrid Andermatt, im
Vorfeld verlauten lassen. Weiter erklärte sie, dass sie sich als
LoTi-Präsidentin zur Verfügung stelle, aber auch gern jemand
anderem den Vortritt lasse.
Nun teilt sich die Aargauerin die Vereinsleitung mit einer
süddeutschen SPD-Politikerin. Und LoTi ist tatsächlich kein
rot-grüner Verein geworden. Im Vorstand amten fast ausschliesslich
Personen mit sozialdemokratischem Hintergrund. Die Grünen,
angeführt von Susanne Rihs-Lanz, haben sich wutschnaubend
zurückgezogen.
Der Kanton Zürich sei im Gremium zu wenig vertreten, hatten
die Unterländer Grünen bemängelt. Zudem habe man zu
wenig Zeit gehabt, um sich zu formieren. Nun wollen sie eine eigene
Bürgerorganisation aufbauen.
Schon morgen bietet sich den "Endlager"-Kritikern eine gute
Gelegenheit, sich zu präsentieren. Dann führt der Bund in
Glattfelden eine öffentliche Anhörung durch (Beginn 19 Uhr).
LoTi will auf jeden Fall präsent sein - mit oder ohne grüne
Unterstützung.
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Handelszeitung 8.9.10
Unternehmen
Die goldenen Jahre sind vorbei
Strombranche In den letzten Jahren bauten Schweizer Stromfirmen
Dutzende Kraftwerke in Europa. Doch nun bremst die Wirtschaftslage die
Expansion.
Jürg Meier
Die grossen Schweizer Energieversorger verschicken gerne dicke
Pressemappen über neue Windparks und Solaranlagen, die sie im
Ausland auf die Beine stellen. Doch das dicke Geschäft winkt
anderswo, zum Beispiel in Tuzla, Bosnien: Dort interessiert sich der
Schweizer Energieriese Alpiq dafür, Strom aus einem neu geplanten
Kohlekraftwerk zu beziehen. Dieses hätte eine Leistung von 450 MW
- mehr als das AKW Mühleberg.
Wie die nebenstehende Karte zeigt, bauen die grossen Schweizer
Versorger im Ausland Kraftwerk um Kraftwerk. 70 Anlagen bestehen
bereits oder sind geplant; dazu kommen weitere Projekte von kleineren
Versorgern, die nicht aufgeführt sind. Der in den Anlagen
produzierte Strom stammt zu fast 99% aus Kohle, Gas und Uran, so die
Umweltorganisation Schweizerische Energiestiftung (SES).
Risiken werden sichtbar
Risikolos ist das Geschäft nicht. So schockierte vor Kurzem
die Schweizer Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) mit einer
Gewinnwarnung. Die EGL ist der Auslandarm des Stromversorgers Axpo. Ein
Grund war ein Abschreiber auf einem Projekt für ein Gaskraftwerk
in Italien. Das Land galt lange als Eldorado für
Auslandengagements: Eigene Kraftwerke fehlen, die Strompreise sind
hoch. Doch die Rezession dämpfte die Stromnachfrage empfindlich.
ZKB-Analyst Sven Bucher: "Mit einem Einbruch wie in der letzten
Wirtschaftskrise hatte niemand gerechnet." Bucher geht zwar davon aus,
dass die Nachfrage in Italien wieder steigt. Es könne aber noch
"einige Zeit" dauern, bis das Verbrauchsniveau vor der Krise wieder
erreicht sei. Italien ist auch ein Zielmarkt des Stromversorgers BKW
aus Bern. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage seien einige Akteure
unter Druck geraten, räumt Mediensprecher Antonio Sommavilla ein.
Das Marktpotenzial bleibe zwar interessant, die Situation gelte es aber
"sorgfältig zu beobachten".
Doch zurückstecken wollen die Schweizer Konzerne nicht. So
erklärt Heinz Karrer, CEO der Axpo Holding: "Die Axpo wird
über ihre Tochter EGL im europäischen Markt weiter wachsen."
Laut Karrer sei nun einmal jedes Geschäft mit Risiken verbunden -
auch das in der Schweiz. Das liegt etwa am regulatorischen Umfeld in
der Schweiz. Alpiq-Mediensprecher Andreas Werz: "Wenn wir in der
Schweiz immer mehr statt weniger Kunden zu Gestehungskosten statt zu
Marktpreisen beliefern müssen, ist das alles andere als ein
risikofreies Umfeld." Auch Alpiq will laut Werz in Europa weiter
expandieren.
Nur: Die Goldgräberzeiten sind nach Einschätzung von
Marktkennern auch in Europa vorbei. "Die Dynamik der letzten sieben bis
acht Jahre werden wir nicht mehr so schnell sehen", erklärt
ZKB-Analyst Bucher. Vontobel-Analyst Andreas Escher bestätigt:
"Mittelfristig wird es ruhiger werden." So hätten Länder wie
Italien einen wahren Kraftwerkbauboom erlebt, in anderen wie etwa
Spanien habe die Rezession das Wachstum gebremst. Der Entscheid
Deutschlands, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern,
könne zudem dazu führen, dass andere Projekte - etwa neue
Kohlekraftwerke - aufgeschoben werden, so Escher.
Unter Druck kommt das Auslandengagement der Schweizer Stromer
noch aus anderen Gründen. Sie sind mehrheitlich im Besitz der
Kantone und Gemeinden und geraten verstärkt in den Fokus der
Öffentlichkeit. "Uns stellt sich die Frage, inwieweit es die
Aufgabe der grossen Schweizer Stromversorger ist, in diesem Masse im
Ausland zu investieren", sagt Sabine von Stockar von der SES. "Ist es
richtig, dass die Firmen im Ausland riesige Beträge in
CO2-Schleudern wie etwa Kohlekraftwerke investieren, anstatt in der
Schweiz die Produktion von sauberem Strom auszuweiten?"
nachgefragt
"Die Risiken sind im Ausland nicht grösser"
Andreas Escher ist bei der Bank Vontobel in Zürich
zuständig für die Aktienanalyse der Schweizer
Energieversorger.
Warum investieren Schweizer Stromfirmen in diesem Ausmass im
Ausland?
Andreas Escher: Der Schweizer Markt ist klein, reguliert und nur
de jure liberalisiert. Die komplexe schweizerische Gesetzgebung mit
Strompreisbindung fördert eine Expansion ins Ausland geradezu.
Zudem sind abgesehen von Pumpspeicher-Kraftwerken die signifikanten
Ausbaumöglichkeiten in der Schweiz beschränkt.
Handeln sich die Firmen nicht erhebliche Risiken ein?
Escher: Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Risiken im
Ausland grösser sind als im Inland. Im heimischen Markt
drückt das Korsett des unberechenbaren Regulators. Im Gegensatz
dazu sind die ausländischen Marktmechanismen einfacher
einzuschätzen.
Besteht die Gefahr, dass die Politik dieser Expansion ein Ende
setzt?
Escher: Da die Versorgerunternehmen mehrheitlich im Besitz der
öffentlichen Hand sind und der Strommarkt sehr komplex ist,
besteht diese Gefahr durchaus. Leider, muss man sagen.
Welche Märkte sind für Schweizer Stromfirmen in Zukunft
attraktiv?
Escher: Das Potenzial liegt klar in Osteuropa. Rumänien etwa
hat im Vergleich zur Schweiz viermal mehr Einwohner, aber den gleichen
Stromverbrauch pro Jahr. Zudem sind diese Märkte wenig liquide und
somit interessant.
Interview: Jürg Meier