MEDIENSPIEGEL 8.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino/GH)
- Reitschule bietet mehr: FDP-/SD-Ja, EVP-Nein; BZ-Talk 2.9.10
- Hess bietet weniger: Minimalistisches Abstimmungskomitee
- Müslüm goes Glanz & Gloria
- RaBe-Info 8.9.10
- Alkverbote: Bussen, Debatten + Empfehlungen
- Randstand Gasse: Trinken im Öffentlichen Raum
- Drogen: Kokain-Multis; Cops gegen Handel + MigrantInnen; Sekten-Arzt diszipliniert
- Zivilstand Illegal: Frepo Bern macht Druck
- Big Brother Sport: Tagung "Tatort Stadion"
- 100 Jahre Volkshaus Zürich
- Aktionswoche gegen Rassismus
- Fuchs-Gen: Thomi F. will Sarrazin in die CH einladen
- Theater-Debatte: Stadttheater vs Freie
- Anti-Atom: BKW-Propaganda; Endlager; Verein LoTi; Business

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REITSCHULE
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Mi 08.09.10
19.00 Uhr - SousLePont - Karibik Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An Apocalyptic Comedy von Action Theatre

Do 09.09.10
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung durch die Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
19.00 Uhr - Frauenraum - "Frauenhandel in der Schweiz - wie sieht der Schutz der Opfer aus?" Veranstaltung des Bleiberechtskollektivs Bern
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An Apocalyptic Comedy von Action Theatre
21.00 Uhr - Rössli - james reindeer, james p honey (London), babel fishh (USA), son kas und Das Fest (D)
20.30 Uhr - Grosse Halle - Praed trifft Norient: Audio-visuelle Performances

Fr 10.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An Apocalyptic Comedy von Action Theatre
23.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: SHANTEL DJ-Residency - Balkan, Gypsy

Sa 11.09.10
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE Frauenkleidertauschbörse abseits der Modeindustrie, women only
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung durch die Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.00 Uhr - Kino - TATORT REITSCHULE: "Harry hol schon mal den Wagen" - 2x Derrick Specials!
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An Apocalyptic Comedy von Action Theatre
20.30 Uhr - Grosse Halle - Grass: Dokumentarisch-Nomaden-Kino mit Live-Vertonung
22.00 Uhr - Dachstock - Gamebois Plattentaufe "Loops". Support: James Gruntz (BS), DJ?s Sassy J & Benfay - Soul, Hiphop

So 12.09.10
17.00 Uhr - Grosse Halle - Berner Symphonie Orchester: Biss zum Original - Nosferatu
21.00 Uhr - Tojo - Influx Controls von Boyzie Cekwana (Biennale Bern)

Mo 13.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Influx Controls von Boyzie Cekwana (Biennale Bern)

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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Bund 8.9.10

Wenn die Musik spielt

 Von "Nosferatu" bis zu audiovisuellen Performances: Das Kino in der Reitschule präsentiert in der Grossen Halle ein attraktives Programm zum Thema "Film und Musik".

 Thomas Allenbach

 Es muss nicht unbedingt 3-D sein. Filmvorführungen mit musikalischer Begleitung verleihen dem Kino ebenfalls jenen Ereignischarakter, den es sich mit der dritten Dimension erneut erobert hat. Wenn zum Beispiel das Berner Symphonieorchester (BSO) den legendären Vampirfilm "Nosferatu" (1922) live begleitet, dann wird daraus ein Erlebnis, wie es in den eigenen vier Wänden nie und nimmer möglich ist, da kann die Homecinema-Ausrüstung noch so raffiniert sein.

 Das BSO unter der Leitung von Timothy Brock tritt in den kommenden Tagen gleich zweimal mit der "Symphonie des Grauens" von Friedrich Wilhelm Murnau auf. Am kommenden Samstag zuerst im Rahmen der Biennale im Casino, am Sonntag dann (siehe Kasten) in der Grossen Halle der Reitschule und damit an einem Ort, den das BSO zum ersten Mal bespielt. Diese Aufführung ist Teil des Programms "Film und Musik", mit dem das Kino in der Reitschule seine Saison eröffnet.

 Erstling der "King Kong"-Regisseure

 Es ist eine vielfältige, filmisch wie musikalisch attraktive Auswahl, die Giorgio Andreoli getroffen hat. Was 1992 mit einzelnen Aufführungen von Stummfilmklassikern im Hof der Reitschule begann, hat sich zu einer Reihe mit Festivalcharakter entwickelt. "Früher lautete das Motto ‹Stummfilm mit Musik›, jetzt heisst es ‹Film und Musik›, weil wir das Programm offener gestalten wollen", sagt Andreoli. "Unser Anlass hat sich mehr und mehr etabliert. Wir erhalten deshalb immer mehr Angebote."

 Die Offenheit zeigt sich gleich zu Beginn. Die Reihe wird mit einer audiovisuellen Performance eröffnet, die Geräusche, Bilder, Interviews und Texte aus der arabischen Welt in eine Klang- und Bildcollage verdichtet und die Frage nach künstlerischer, lokaler Identität in einer globalisierten Welt stellt. Experimentellen Charakter hat auch der zweite Abend: Die beiden Musiker Sven Bösiger (Electronics, Maultrommel) und Patrick Kessler vertonen live "Grass - A Nations Battle for Life" (1925). Der Dokumentarfilm der späteren "King Kong"-Regisseure Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack erzählt von der dramatischen Wanderung eines persischen Nomadenstamms.

 SMS und andere Botschaften

 Zu den Stammgästen im Programm - und zusammen mit der Cineteca di Bologna seit 1992 zu den wichtigen Partnern - gehört der Musiker und Komponist Marco Dalpane. Er begleitet am Klavier den auf "Madame Butterfly" basierenden "Harakiri" von Fritz Lang, einen von nicht weniger als fünf Filmen, die der deutsche Regisseur 1919 drehte. Mit seinem Ensemble Musica nel buio, das um fünf Gastmusiker aus Bern verstärkt wird, begleitet Dalpane zudem Buster Keatons Klassiker "The General" (1926).

 Mit "SMS from Shangri-La" von Dieter Fahrer und Lisa Röösli steht zum Abschluss auch ein neuer Musikfilm auf dem Programm. Die Berner Filmemacher folgen darin sieben Schweizer Musikern auf ihrer Reise durch Bhutan. Sie dokumentieren nicht nur deren Konzerte, sondern auch die Alltagsbegegnungen mit den Menschen im Bergland des Himalaja, zugleich reflektieren sie unsern Umgang mit dem Fremden und unsere Sehnsucht nach dem Paradies. Die Musiker Regula Gerber, Susanna Dill, Mark Oberholzer, Patrick Vogel, Wege Wüthrich, Sämi Zumbrunn und Gilbert Paeffgen, die der Film nach Bhutan begleitet, umrahmen die Projektion mit einem Livekonzert.

 Ganz im Zeichen der Musik - und der interkulturellen Arbeit mit Jugendlichen - steht der Abend mit dem multinationalen Sextett Travesías, zu dem unter anderen die Berner Simon Ho und Lorenz Hasler gehören. Im Juli hat das Sextett in Havanna mit rund 30 Schülerinnen und Schülern Kompositionen von Simon Ho eingeübt, die nun präsentiert werden, filmisch untermalt von dokumentarischen Impressionen der Probenarbeit. Mit dem Filmmusik-Theater "Die kleinen Strolche" von Karin Jampen und der Musik von Leo Dick (es war im Mai bereits im Schlachthaus zu sehen) werden auch die Kinder beschenkt: Am Beispiel von vier Episoden aus der Stummfilmserie von Produzent Hal Roach erfahren sie unter anderem, wie der Ton in den Film kommt.

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 Vampire und andere Strolche Das Programm

 Do, 9. 9., 20.30: Paed trifft Norient: Audiovisuelle Performance mit Thomas Burkhalter, Michael Spahr, Simon Grab, Raed Yassin, Paed Conca. Sa, 11. 9., 20.30: "Grass" von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack, USA 1925. Livemusik: Sven Bösiger, Patrick Kessler. So, 12. 9., 17.00: "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" von Friedrich Wilhelm Murnau (1922). Live-Begleitung: Berner Symphonieorchester. Mi, 15. 9, 20.00: Livekonzert des Sextetts Travesías mit dem Jugendorchester und dem Jugendchor Escuela Paulita Concepci ón, Havanna, ergänzt mit dokumentarischen Probeaufnahmen. Fr, 17. 9., 20.30: "Harakiri" von Fritz Lang (1919). Live-Begleitung: Marco Dalpane (Piano). Sa, 18. 9., 16.00: "Die kleinen Strolche", vier Stummfilme aus den Jahren 1923-1927. Filmmusik: Leo Dick (Uraufführung). Sa, 18. 9., 20.30: "The General" von Buster Keaton (1926). Live-Begleitung: Musica nel buio, Bologna, mit fünf Gastmusikern. So, 19. 9., 20.00: "SMS from Shangri-La" von Dieter Fahrer und Lisa Röösli. Livemusik: Regula Gerber, Patrick Vogel, Susanna Dill, Mark Oberholzer, Wege Wüthrich, Gilbert Paeffgen, Sämi Zumbrunn. (kul)

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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 8.9.10

Reitschule: Stadt-FDP fährt Slalom

 Die Parteiversammlung der FDP Stadt Bern hat sich gestern beim Thema Reitschule mit klarer Mehrheit ins Schlepptau der SVP begeben: Mit 38 Ja gegen 9 Nein bei zwei Enthaltungen beschloss sie die Ja-Parole zur Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule", über die das Stadtberner Volk am 26. September abstimmen wird.

 Betrachtet man die Parolen der liberalen FDP zum libertären Kulturzentrum über längere Zeit, ergibt sich ein Slalomkurs mit weiten Schwüngen: 1999 Nein zur Sanierung der Reitschule, 2000 Ja zu deren Umwandlung in ein Shoppingzentrum, dann aber 2005 in einer Spitzkehre Nein zu einer Anti-Reitschulinitiative - und nun also wieder Ja zu einer solchen. "Die Partei hatte schon immer ein zwiespältiges Verhältnis zur Reitschule", räumt Parteipräsidentin Dolores Dana ein. Um diese Schizophrenie angemessen abzubilden, hatte die Stadtratsfraktion Stimmfreigabe empfohlen. Dana: "Damit hätten wir gezeigt, dass dies nicht unser Krieg ist." Doch bei der Basis schwappte der Ärger über die Reitschule hoch. Mit der Ja-Parole sitzt die FDP nun - anders als BDP und CVP - erneut im Seitenwagen der SVP. (st)

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Bund 8.9.10

Kurz Reitschul-Initiative

 Berner EVP ist gegen die Reitschule-Initiative

 Die EVP der Stadt Bern lehnt die Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab, wie die Partei gestern in einem Communiqué mitteilte. Die EVP begründet ihre Haltung damit, dass es in der Reitschule Nischen gebe, die in der Stadt Bern nicht fehlen dürften. In zahlreichen Gruppen werde engagierte Freiwilligenarbeit geleistet. Zudem bestünden in der Reitschule Freiräume für alternative Kulturangebote. Auch "Menschen, denen unsere durchstrukturierte Welt Mühe bereitet", fänden in der Reitschule einen Platz. Für die EVP sei klar, dass in und um die Reitschule "nur eine kleine Minderheit von Personen Probleme" verursache. Über die Initiative stimmt die Berner Bevölkerung am 26. September ab. (pd)

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BZ 8.9.10

FDP

 Ja zum Verkauf der Reitschule

 Die FDP der Stadt Bern hat der Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" zugestimmt. Weil sich die Reitschule seit Jahren weigert, sich von der Antifa-Bewegung zu distanzieren und nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten Unterschlupf gewährt. Der Finanzierung der öffentlichen Räume im Wankdorf City wurde ebenfalls zugestimmt.
 pd

 SD

 Ja für Schliessung der Reitschule

 Die Schweizer Demokraten (SD) empfehlen ein Ja zur Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule". Nur mit einem Verkauf könne dem Trauerspiel ein Ende gesetzt werden. Die linksgrüne Stadtregierung hätschele und bezahle so einen Hort autonomer Politik, deren Gewalttaten sich auch gegen die Stadtregierung wende. Die SD befürwortet auch die Kreditaufstockung für die öffentlichen Räume im Wankdorf City.
 pd

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Langenthaler Tagblatt 8.9.10

FDP Bern klar für Reitschul-Initiative

 Als Erich J. Hess vor zwei Jahren die Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden" lancierte, war es nur die Sektion Kirchenfeld der Berner Freisinnigen, die das Ansinnen unterstützte (vgl. Ausgabe vom 30. August). An der Parteiversammlung vom Montagabend haben die Delegierten der FDP Stadt Bern nun aber mit 38 Ja zu 9 Nein (bei 2 Enthaltungen) klar beschlossen, den Stimmbürgern am 26. September das Volksbegehren zur Annahme zu empfehlen. Laut einer Mitteilung wurde vorab kritisiert, die Reitschule biete "nach wie vor bei Demonstrationen den Chaoten Unterschlupf". Für einmal ergibt der Parolenspiegel damit ein neues Bild: Alle Stadtberner Parteien ausser der FDP und SVP stellen sich gegen die Initiative und somit hinter das alternative Kulturzentrum. (sat)

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BZ 8.9.10

Leserbriefe

 "Die Reitschule wird nur schöngeredet"

 Diverse Artikel zur Reitschule-Abstimmung

 Im Hinblick auf die Abstimmung vom 26. September wird die Reitschule schöngeredet, und es wird vom angeblich kostengünstigen "Kultur"-Angebot in den höchsten Tönen geschwärmt. Tatsache ist aber leider, dass eine winzige Minderheit unverfroren bestimmt, was "Kultur" ist. Und dafür soll die grosse Mehrheit - die Steuerzahler - bis in alle Ewigkeit zahlen, obwohl sie diesen rechtsfreien Raum in der Reitschule ablehnt. Für Kriminelle ist die Reitschule ein staatlich finanziertes Schutzareal. Zudem wird dort ein Gedankengut gepflegt, das auf die totale Ablehnung der Berner und Schweizer Behörden abzielt. Beenden wir deshalb dieses absurde "Kultur"-Experiment! Wer Anarchie und Drogenkonsum predigt, soll seine Propaganda wenigstens selber bezahlen.

Hans Mäder Zollikofen


"Schlussstrich"

 Im 19. Jahrhundert existierten in fast allen grösseren Städten Europas Reithallen. Sie dienten als Stallungen für Pferde, Einstellhallen für Kutschen und Schulen für Mensch und Tier. Mit der Ablösung der Pferdekutschen durch das Auto wurden die Reithallen nicht mehr benötigt, und die meisten wurden abgerissen oder umgebaut. Aber nicht alle Reithallen verschwanden. Das beste und schönste Beispiel ist die Reithalle in Wien, die die Spanische Reithofschule beherbergt, zum Weltkulturerbe gehört und die Hauptattraktion für Tausende von Touristen jährlich ist. Im Gegensatz steht die Berner Reithalle. Gelegen in der Nähe des Hauptbahnhofs Bern, vermittelt die Reithalle Zugreisenden, Touristen wie Einheimischen, den ersten Eindruck von Bern: verwahrlost, verschmutzt, verschandelt, verschmiert. Erstellt 1887, wurde die Reithalle nicht abgerissen und nach 1937 als Lagerhalle benutzt. In den 80er-Jahren während der Jugendkrawalle wurde die Reithalle von rebellischen Jugendlichen besetzt, mehrmals geräumt, wieder besetzt und schliesslich 1987 zum Autonomen Kultur- und Begegnungszentrum hochstilisiert. Trotz der damals wie heute immer noch herrschenden Missstände (rechtsfreier Raum, Drogen, Gewalt, Ausgangspunkt und Rückzugsort autonomer Demonstrationen) wird das Autonome Begegnungszentrum vom Berner Stadtparlament geduldet und finanziell unterstützt. Die Stadt lässt sich den Erhalt der Reithalle etwas kosten, die Sanierungsarbeiten kosteten 13 Millionen Franken, und die jährliche Subventionierung für Wasser, Miete, Strom, Elektrizität, Abfallentsorgung beläuft sich auf über 600 000 Franken. Dazu kommt noch, dass die gültigen Leistungsvereinbarungen nicht eingehalten werden.

 Es muss ein Schlussstrich unter die Reithalle und das Autonome Kulturzentrum gezogen werden. Es kann nicht sein, dass aus ideologischen Gründen unserer Stadt unzumutbarer Schaden zugefügt wird, kulturell wie finanziell. Deshalb Ja zum Verkauf der Reithalle.

 Dr.med. Olena Geissbühler

 Alt-Stadträtin ehemalige Bümplizerin

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Telebärn BZ-Talk 2.9.10

Schliessung und Verkauf der Reitschule?

Am 26. September stimmen die Bernerinnen und Berner über die Volksinitiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Ist die Reitschule ein Hort von Gewalt und Extremismus? Oder eine aus Bern nicht wegzudenkende, wichtige Kultur-Institution?

Gäste:
- Rahel Ruch, Junge Alternative JA!
- Erich Hess, Präsident JSVP

Moderation:
- Stefan Geissbühler, Newschef BZ

http://www.bernerzeitung.ch/region/dossier/bztalk/Schliessung-und-Verkauf-der-Reitschule/story/27513066

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HESS BIETET WENIGER
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reitschulinitiative.ch 8.9.10

Komitee

Folgende Personen und Organisationen unterstützen die Volksinitiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule":

Jetzt dem Komitee beitreten!

Initiativkomitee

* Hess Erich, Stadtrat und Grossrat SVP, Bern - Präsident des Initiativkomitees
* Blaser Manfred, Stadtrat SVP, Bern
* Feuz Alexander, FDP, Bern
* Fuchs Thomas, Grossrat SVP, Bern
* Jaisli Ueli, Stadtrat SVP, Bern
* Jakob Roland, SVP, Bern
* Weil Thomas, Stadtrat SVP, Bern

Abstimmungskomitee (in alphabetischer Reihenfolge)

* Estermann Yvette, Ärztin/Nationalrätin, Kriens
* Grob Jeremy K., Bankkaufman, Gockhausen
* Grütter Urs, Fürsprecher/Rechtsanwalt, Gümligen
* Gyger Sandro, Sachbearbeiter Treuhand, Bern
* Hartmeier Hans, Unternehmer, Egliswil
* Haslimeier Paul, Wegenstetten
* Hegg Jean-Jacques, Psychiater/alt Nationalrat, Dübendorf
* Johner Heidi, Renterin, Solothurn
* Moser Fred, Bern
* Oehen Valentin J., alt Nationalrat, Köniz
* Schlüer Ulrich, Verleger/Nationalrat, Flaach
* Stettler Christian, Koch, Bern
* Zbinden Peter, Schulleiter, Port

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MÜSLÜM
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Glanz & Gloria 7.9.10 (18.40 Uhr)

Glanz & Gloria besucht Müslüm
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=58e25f32-b366-4e3c-a96a-1c6666d245c8 (Beitrag)
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=516a733a-fc23-42d2-9ccd-44617960e80d (Ganze Sendung, Müslüm ab 03:54)

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Müslüm und das Scha(r)f

Dienstag, 7. September 2010, 13:40 Uhr

Müslüm ist Kult. Als Türke, der in der Schweiz lebt, ist der Berner Komiker nie um eine Antwort verlegen. Auch wenn er schon mal scharf und Schaf verwechselt - lachen Sie mit beim Fragespiel "glanz oder gloria".
http://www.glanzundgloria.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2010/09/07/Schweiz/Muesluem-und-das-Scha-r-f

Mehr zu Müslüm sehen Sie in der Sendung vom 7. September 2010.

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Newsnetz 7.9.10

Buecher

 "Die SVP benutzt unsere Methoden"

Rico Bandle

 Seit der Minarett-Abstimmung äussern sich vermehrt Künstler zu politischen Themen, so auch Guy Krneta. Der Schriftsteller über angefeindete Intellektuelle, die SVP und das "Land der Arschlöcher".

 Die Kulturschaffenden beginnen wieder zunehmend Pamphlete und Manifeste herauszugeben. Glauben sie, damit etwas bewirken zu können? Es kommt natürlich darauf an, wie man vermittelt wird und wie man sich selbst vermittelt. Unsere Texte zum 1. August wurden zum Beispiel vom "Tages-Anzeiger" total verrissen. Online gab es dann Kommentare von Leuten, die die Texte gar nicht gelesen hatten. Das ist erschreckend, wie die Leute auf Schlagworte reagieren. Es muss nur heissen, "Künstler machten das und das" und schon kommt eine geballte Wucht an Vorwürfen und Gehässigkeiten.

 Stellen Sie eine intellektuellenfeindliche Stimmung im Land fest? Ja, die ist vorhanden. Sie wird aber auch geschürt. Ich selbst würde mich aber nicht als Intellektuellen bezeichnen, ich bin Schriftsteller, das ist ein handfester Beruf.

 Wie wird die Stimmung geschürt? Das ist schwierig zu sagen. Doch nehmen wir zum Beispiel Adolf Muschg. Er ist zur Reizfigur geworden, vor allem bei Leuten, die noch nie etwas von ihm gelesen haben. Man reagiert auf ein bestimmtes Bild, das vermittelt wird. Was auch vergessen geht: Muschg spricht nicht für alle Schriftsteller, er kommt aus einer gewissen Generation, andere denken anders.

 Weshalb aber die Intellektuellenfeindlichkeit? Es handelt sich um ein gesellschaftliches Phänomen: Die Gesellschaft wird zerlegt, möglichst in Randgruppen, gegen die man schiessen kann. Da bietet sich die Gruppe der Künstler richtiggehend an. Es gibt viele Leute, die sich nicht vorstellen können, wie der Alltag eines Künstlers aussieht, was es zum Beispiel braucht, um einen literarischen Text zu schreiben.

 Sind die Voten nicht einfach zu vorhersehbar? Ein Manifest von Intellektuellen gegen das Minarettverbot kommt etwa so überraschend wie das Ausscheiden der Schweizer Nationalmannschaft an der Fussball-WM. Ich erlebe das nicht so. Von der SVP werden in den letzten zehn, fünfzehn Jahren auf primitivste Art Ängste geschürt, und plötzlich führt man nur noch Scheindebatten. Man redet über Dinge, die völlig unwesentlich sind, wie die Minarette. Der Alltag findet aber ganz woanders statt. Die Probleme müssen da gelöst werden, wo sie sind und nicht in Scheindebatten, wie sie die SVP dauernd anheizt.

 Jetzt sind Sie schon wieder beim SVP-Bashing, damit sind Sie doch genau so plakativ wie die von Ihnen angefeindete Partei. Nein. Bei der SVP läuft alles auf ein klares Ja oder Nein heraus. In der Kunst haben wir einen anderen Anspruch. Wir wollen Raum schaffen, in dem man diskutieren kann, ohne dass es nur schwarz oder weiss gibt, ohne dass man nur sagen kann, ich bin klar dagegen oder ich bin klar dafür.

 Christoph Mörgeli sagte kürzlich auf : "Alle Künstler sind Linke". Was hat es mit dieser Prämisse auf sich? Mir ist es egal, wenn ich als Linker verschrien werde, mir ist auch egal, was Christoph Mörgeli sagt. Der Kabarettist Andreas Thiel ist zum Beispiel kein Linker und Oskar Freysinger ist kein Künstler, aber was solls. Was mich stört, sind diese Bürgerlichen, die seit Jahren vor der SVP den Kopf einziehen oder ihr aus taktischen Gründen nachgeben.

 Das wirkungsvollste politische Votum eines Künstlers in letzter Zeit war der Text von Charles Lewinsky nach der Minarett-Initiative. Dass dies einem Autoren gelungen ist, der von den Künstlern einst bloss belächelt wurde, spricht nicht unbedingt für die Schweizer Intellektuellen. Das wirkungsvollste Votum in letzter Zeit ist das Phänomen Müslüm mit dem Youtube-Film...

 Das ist ein lokales Phänomen im Umfeld der Berner Reitschule. Was ist mit Lewinsky? Lewinskys Beitrag nach der Anti-Minarett-Initiative und sein Interview zum 1. August im Tages-Anzeiger haben mich sehr beeindruckt. Mit seinen Soaps konnte ich nicht viel anfangen. Dass er dann mit "Melnitz" einen ernsthaften Roman vorlegte und sich nun mit politischen Voten profiliert, darüber freue ich mich sehr.

 2008 beklagte Lukas Bärfuss in einem vielbeachteten Text das "Schweigen der Denker", die darauffolgende Diskussion füllte den ganzen Kaufleuten-Saal. Jetzt schweigen die Denker nicht mehr, alle reden. Was ist passiert? Den Vorstoss Bärfuss' fand ich damals nicht richtig. Es ist immer einfach, gegen andere zu schiessen, sie sollten etwas machen. Dieser Text hat aber mit den Anstoss gegeben, dass wir uns zusammengetan haben, und das entstanden ist, was heute das Netzwerk "Kunst und Politik" ist. Dass dieses Netzwerk richtig in Fahrt gekommen ist, hat aber auch viel mit der Minarett-Initiative zu tun. Nach der unerwartet klaren Zustimmung war uns klar, dass wir etwas verpasst hatten, dass wir schon im Vorfeld hätten aktiv werden müssen. Vielleicht war es auch das Zeichenhafte dieser Initiative, was uns irritierte. Die Leute wollten ein Zeichen setzen. Die SVP hat also etwas gemacht, was sonst die Kunst macht - das Spiel mit den Zeichen ist eigentlich Sache der Kunst.

 Die Minarett-Initiative war also ein Kunstprojekt? Ja. Aber mit einem entscheidenden Unterschied: Die Initiative hat realpolitische Folgen. Als Performance wäre die Initiative durchaus in Ordnung gewesen.

 Auf den 1. August haben Sie einen Text unter dem Titel "Land der Arschlöcher" (siehe Box oben links) geschrieben. Wurde die Satire als solche erkannt? Es stand vielerorts, dass ich die Schweizer als Arschlöcher beschimpfe. Es besteht nur wenig Sensibilität für Ironie, das musste ich einmal mehr feststellen.

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RABE-INFO
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Mi. 8. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%208.%20September%202010
- Ferienparadies Malta: ein Traum für Touristen, ein Albtraum für Flüchtlinge
- Wankdorf City im Fokus: um was geht es bei der städtischen Abstimmung vom 26. September?
- Der Infoladen in der Berner Reitschule

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ALKVERBOT
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Zofinger Tagblatt 8.9.10

Aarau büsst zu junge Trinker

 Minderjährige, die öffentlich Alkohol konsumieren, zahlen bis zu 80 Franken

 Aarau setzt den nächtlichen Saufgelagen von Jungen ein Ende und büsst minderjährige Trinker. Man hofft auf weniger Besoffene.

 Deborah Balmer

 Wider den Sachbeschädigungen und Pöbeleien: Unter 16-Jährige, die in Aarau öffentlich Alkohol trinken, werden ab sofort mit 60 Franken gebüsst. Wer härteren Alkohol trinkt und noch nicht 18-jährig ist, zahlt 80 Franken.

 Als erste Stadt in der Region geht Aarau diesen neuen Weg. Dies berichtete am Wochenende Tele M1. Man versuche mit den Bussen, den Saufgelagen und Pöbeleien ein Ende zu setzen - etwas, mit dem viele Schweizer Städte zu kämpfen haben. Der Stadtammann der Kantonshauptstadt Marcel Guignard begründet das neue Vorgehen: "Es gibt immer mehr junge Leute unter 16 Jahren, die sich am Wochenende auf der Strasse aufhalten - aber Alkohol für die Jungen im öffentlichen Raum tolerieren wir nicht."

 Seit dem 1. September kann die Polizei jugendliche Trinker strafen - bis jetzt war nur der Verkauf von Alkohol an Minderjährige verboten. Und wenn Jugendliche draussen tranken, konnte die Polizei höchstens die Eltern informieren.

 Wie kommt die neue Massnahme bei den Jugendlichen selber an? Unterschiedlich, wie eine Umfrage von Tele M1 zeigt. So sagte eine Minderjährige: "Jugendliche brauchen irgendwo einen Platz, um etwas zu trinken." Eine 15-Jährige hingegen befand, sie fände die Bussen gut, denn es seien immer öfter Junge auf der Strasse am Trinken.

 Auch Aaraus Jugendkoordinator Daniele de Min begrüsst die Bussen: "Das ist eine Linie, die wir in den Jugendhäusern schon länger verfolgen." De Min gibt allerdings zu bedenken, dass die Bussenverteilung nicht einfach sein wird. "Es ist für die Polizei sicher schwierig nachzuweisen, ob ein minderjähriger Alkohol getrunken hat, oder doch nur zu einer Gruppe von älteren Jugendlichen gehört."

 Flyer machen aufmerksam

 Die Städte Zürich und Luzern wollen im Kampf gegen Saufgelage und Littering noch weitergehen. Sie möchten wie in Chur nachts ein generelles Alkoholverbot in der Öffentlichkeit einführen. Sogar der gesamte öffentliche Raum könnte zur alkoholfreien Zone erklärt werden. Das sehen die beiden neuen Polizeigesetze vor.

 Auch in Aarau ist die neu eingeführte Bussenregelung nach einem neuen Paragrafen im Polizeireglement möglich. So weit wie in Luzern oder Zürich will man allerdings in der Stadt der Giebel nicht gehen: "Was grundsätzlich zu kaufen ist, soll man im öffentlichen Raum auch konsumieren dürfen", so Marcel Guignard.

 In nächster Zeit werden die mobilen Jugendarbeiter Aaraus Jugendliche mit Flyern auf die Bussen aufmerksam machen.

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Nächtliches Alk-Verbot

 Ein generelles Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen zwischen 0.30 Uhr und 7 Uhr in der Früh - dieser Weg wird in Chur bereits seit zwei Jahren verfolgt. Seit 2008 habe die Polizei in Chur rund 200 Bussen in der Höhe von 50 Franken ausgesprochen, schreibt die "NZZ". Das Gesetz wurde durch einen Volksentscheid eingeführt. Seither seien die Saufgelage in der Nacht deutlich weniger geworden, so der Churer Polizeidirektor Ueli Caluori gegenüber der "Neuen Luzerner Zeitung". Auch der Städteverband verlangte im neuen Alkoholgesetz eine Klausel für ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Bei einer Umfrage des Städteverbands stimmten unter 35 teilnehmenden Städten 30 für eine neue Rechtsgrundlage, so die "NZZ". (BAL)

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St. Galler Tagblatt 8.9.10

Alkoholverbot am Abend

 Gemäss einer Studie von Sucht Info Schweiz verringern Verkaufseinschränkungen von Alkohol die Zahl an Rauschtrinkern.

 Zeitliche und örtliche Verkaufseinschränkungen für alkoholische Getränke stellen gemäss einer Studie von Sucht Info Schweiz ein wirksames Instrument der Prävention dar.

 Seit 2005 gilt im Kanton Genf für Läden zwischen 21 und 7 Uhr ein Alkoholverkaufsverbot, und Tankstellen sowie Videotheken dürfen generell keinen Alkohol mehr verkaufen. Die Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zeige die positiven Auswirkungen auf das Rauschtrinken Jugendlicher und junger Erwachsener.

 Spitaleinlieferungen analysiert

 Für ihre Untersuchung hat ein Forscherteam die Entwicklung der alkoholbedingten Spitaleinlieferungen im Kanton Genf analysiert und mit der übrigen Schweiz verglichen. Zwischen 2002 und 2007 nahm die Anzahl der Spitaleinlieferungen aufgrund von Alkoholvergiftungen in der Schweiz insgesamt zu. Im Kanton Genf gingen diese Notaufnahmen bei den 10- bis 15-Jährigen seit 2005 im Gegensatz zu den anderen Kantonen zurück. Bei den 16- bis 29-Jährigen war die Zunahme im Kanton Genf geringer als in der übrigen Schweiz.

 Ohne Wirkung bei Älteren

 Ohne Einführung dieser Massnahme wäre die Entwicklung im Kanton Genf negativer verlaufen, glauben die Forscher. Keine Auswirkung der Einschränkungen zeigte sich gemäss der Studie bei den über 29-Jährigen. (ots)

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Was Alkohol auch noch auslösen kann

 Zurzeit sind in der Stadt eigenartige Figuren anzutreffen, deren Erscheinung auf übermässigen Alkoholgenuss schliessen lässt. Die Stiftung Suchthilfe will so Aufmerksamkeit erregen.

 Ein Bierchen in Ehren. Oder auch zwei. Der Genuss alkoholischer Getränke soll unter anderem die Stimmung heben und entspannen. Gelegentlich allerdings trinken Menschen zu heftig eins über den Durst und landen im Elend. Ein solcher Anblick wird einem zum Glück eher selten zuteil. Weshalb die Stiftung Suchthilfe im Stadtzentrum St. Gallen acht ausgeschnittene Fotos von Menschen in Lebensgrösse auf eine Wand projizierte und sie mit Zitaten aus einer andern Kampagne kombinierte. Da steht zum Beispiel: "Saufen verdient keinen Respekt, deine Gesundheit schon."

 Irritieren, diskutieren

 Mit diesem Auftritt will die Suchthilfe zeigen, was Alkohol auch noch bewirken kann. "Am Anfang ist die Irritation", sagt Jürg Niggli, Geschäftsleiter der Stiftung, "damit wollen wir Diskussionen auslösen, und vielleicht erreichen wir sogar eine Verhaltensänderung." Das wäre dann die Alternative zu weniger angenehmen Massnahmen, die schon diskutiert worden sind: Verbot von Alkoholkonsum an bestimmten Orten im öffentlichen Raum und zeitliche Einschränkungen.

 Täuschend echt

 Die von der PR-Agentur Cactus inszenierten Figuren scheinen ihre Wirkung nicht zu verfehlen. So hörte einmal Jürg Niggli ein etwa vierjähriges Mädchen sagen: "Warum krümmt sich der Mann dort auf dem Bänklein?" Die Attrappen wirken wie echt und sollen noch einige Tage stehen bleiben. "Sollte diese Kampagne entsprechende Resonanz auslösen", sagt Niggli, "dann werden wir sie im nächsten Frühling möglicherweise wiederholen." Sie ist Teil des vor einem Jahr eingeführten Stadtsanktgaller Alkoholkonzepts. (th)

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Alkohol und Vandalismus am See bereiten Sorge

 Die Ordnung in den öffentlichen Anlagen der Gemeinde Steinach am See wird wiederholt verletzt. Ein grosses Problem ist der Alkoholkonsum Jugendlicher.

 steinach. Seit einigen Jahren hat der Gemeinderat Steinach die Top Security nebst der Schliessung des Seeuferweges im Weidenhof mit der Kontrolle der öffentlichen Anlagen beauftragt. Zu diesen gehören unter anderem die Parkanlage im Rohr, die Umgebung des Seebades, der Bootshafen, der Gemeindesaal, die Schulanlage und weitere Anlagen nach Bedarf.

 Grundlage für Sanktionen

 In diesem Jahr wurde die Kontrolltätigkeit infolge Lärmimmission für Anwohner, Unordnung (Abfall), Sachbeschädigungen, Missachtung von Fahrverboten und übermässigem Alkoholkonsum verstärkt. Die Top Security erstellt für jede abendliche Kontrolle einen Rapport. Dabei muss regelmässig die Missachtung von Vorschriften festgestellt werden. Dies hat nun den Gemeinderat veranlasst, in absehbarer Zeit ein Polizeireglement auszuarbeiten, damit unverzüglich gebüsst oder verzeigt werden kann.

 Ein grosses Problem stellt auch der Alkohol dar. Regelmässig ist den Rapporten zu entnehmen, dass Minderjährige in versammelter Runde teils übermässig Alkohol konsumieren. Oftmals benützen diese Jugendlichen anschliessend wieder den Roller für die Heimfahrt in teilweise alkoholisiertem Zustand. Vereinzelt gehören auch Minderjährige unter 16 Jahren zum Kreis der Jugendlichen, welche Alkohol konsumieren, wie festgestellt wurde.

 Auskünfte an Eltern

 Die Top Security nimmt die Namen der angetroffenen Personen meistens in die Rapporte auf, die durch ungebührliches Verhalten auffallen. Eltern, die wissen möchten, ob ihre minderjährigen Jugendlichen aufgefallen sind, können sich an die Gemeinderatskanzlei wenden. (grs)

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Aargauer Zeitung 8.9.10

Aarau büsst zu junge Trinker

 Minderjährige, die öffentlich Alkohol konsumieren, zahlen bis zu 80 Franken

 Aarau setzt den nächtlichen Saufgelagen von Jungen ein Ende und büsst minderjährige Trinker. Man hofft auf weniger Besoffene.

 Deborah Balmer

 Wider den Sachbeschädigungen und Pöbeleien: Unter 16-Jährige, die in Aarau öffentlich Alkohol trinken, werden ab sofort mit 60 Franken gebüsst. Wer härteren Alkohol trinkt und noch nicht 18-jährig ist, zahlt 80 Franken.

 Als erste Stadt in der Region geht Aarau diesen neuen Weg. Dies berichtete am Wochenende Tele M1. Man versuche mit den Bussen, den Saufgelagen und Pöbeleien ein Ende zu setzen - etwas, mit dem viele Schweizer Städte zu kämpfen haben. Der Stadtammann der Kantonshauptstadt Marcel Guignard begründet das neue Vorgehen: "Es gibt immer mehr junge Leute unter 16 Jahren, die sich am Wochenende auf der Strasse aufhalten - aber Alkohol für die Jungen im öffentlichen Raum tolerieren wir nicht."

 Seit dem 1. September kann die Polizei jugendliche Trinker strafen - bis jetzt war nur der Verkauf von Alkohol an Minderjährige verboten. Und wenn Jugendliche draussen tranken, konnte die Polizei höchstens die Eltern informieren.

 Wie kommt die neue Massnahme bei den Jugendlichen selber an? Unterschiedlich, wie eine Umfrage von Tele M1 zeigt. So sagte eine Minderjährige: "Jugendliche brauchen irgendwo einen Platz, um etwas zu trinken." Eine 15-Jährige hingegen befand, sie fände die Bussen gut, denn es seien immer öfter Junge auf der Strasse am Trinken.

 Auch Aaraus Jugendkoordinator Daniele de Min begrüsst die Bussen: "Das ist eine Linie, die wir in den Jugendhäusern schon länger verfolgen." De Min gibt allerdings zu bedenken, dass die Bussenverteilung nicht einfach sein wird. "Es ist für die Polizei sicher schwierig nachzuweisen, ob ein minderjähriger Alkohol getrunken hat, oder doch nur zu einer Gruppe von älteren Jugendlichen gehört."

 Flyer machen aufmerksam

 Die Städte Zürich und Luzern wollen im Kampf gegen Saufgelage und Littering noch weitergehen. Sie möchten wie in Chur nachts ein generelles Alkoholverbot in der Öffentlichkeit einführen. Sogar der gesamte öffentliche Raum könnte zur alkoholfreien Zone erklärt werden. Das sehen die beiden neuen Polizeigesetze vor.

 Auch in Aarau ist die neu eingeführte Bussenregelung nach einem neuen Paragrafen im Polizeireglement möglich. So weit wie in Luzern oder Zürich will man allerdings in der Stadt der Giebel nicht gehen: "Was grundsätzlich zu kaufen ist, soll man im öffentlichen Raum auch konsumieren dürfen", so Marcel Guignard.

 In nächster Zeit werden die mobilen Jugendarbeiter Aaraus Jugendliche mit Flyern auf die Bussen aufmerksam machen.

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Motion Jugendlichen Alkohol in Öffentlichkeit verbieten?

 In einer gestern eingereichten Motion verlangt der parteilose Grossrat Samuel Schmid (vorher EDU) von der Regierung, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, "dass Jugendliche unter 16 Jahren auf öffentlichem Grund keine alkoholischen Getränke konsumieren dürfen sowie dass Jugendliche unter 18 Jahren auf öffentlichem Grund keine Spirituosen konsumieren dürfen". Schmid kritisiert, schon bei Kindern und Jugendlichen beginne "ein "sorgloser und teilweise exzessiver Umgang mit Alkohol". Anpöbeleien, Vandalenakte, Jugendgewalt stünden meistens in Zusammenhang mit übermässigem Alkoholkonsum. (MKU)

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20 Minuten 8.9.10

Verkauf von Alkohol in der Nacht soll verboten werden

 BERN. Wenn in der Nacht kein Alkohol verkauft werden darf, sinkt die Zahl der Kampftrinker rapide, so eine Studie aus Genf. Suchtfachleute und der Städteverband fordern nun ein nationales Verbot.

 Seit 2005 dürfen Läden in Genf von 21 bis 7 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen. Die stark prohibitive Massnahme zeigt Wirkung: Die Zahl der 10- bis 15-Jährigen, die wegen einer Alkoholvergiftung im Spital landeten, sank rapide - während in der übrigen Schweiz deren Zahl weiter stieg. Und bei den 16- bis 29-Jährigen war die Zunahme in Genf geringer als in anderen Kantonen. Dies zeigt eine neue Studie der Fachstelle Sucht Info Schweiz im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit. Eine Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol führt also direkt zu weniger Komasäufern.

 Sucht-Fachstellen wie Sucht Info Schweiz fordern nun im Rahmen der Totalrevision des Alkoholgesetzes (siehe Box) ein nationales Verkaufsverbot von Bier, Wein und Schnaps zwischen 22 und 7 Uhr. Auch der Städteverband spricht sich dafür aus: "Die Studie wie auch die Erfahrungen der SBB mit ihrem nächtlichen Alkohol-Verkaufsverbot an Bahnhöfen zeigen, dass die Massnahme wirkt", so deren stellvertretender Direktor Martin Tschirren.

 Der Bundesrat winkt ab: "Der Bund hat auf Alkoholverkaufsverbote verzichtet, weil diese ohne Konsumverbote nicht zielführend wären und gewichtige Grundrechtsbeschränkungen zur Folge hätten", so Nicolas Rion, Sprecher der Eidgenössischen Alkoholverwaltung.

 Auch müssten Benachteiligungen bei der überwältigenden Mehrheit der Schweizer, die vernünftig trinken, vermieden werden.  

Nico Menzato

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 Testkäufe und Mindestpreise

 BERN. Der Bundesrat will das Alkoholgesetz revidieren - die Vernehmlassung dazu läuft noch bis Ende Oktober: Kernpunkte sind ein Verbot von Lockvogelangeboten, ein Weitergabeverbot von Schnaps an Minderjährige sowie eine gesetzliche Grundlage für Testkäufe. Mindestpreise sind nicht vorgesehen und räumliche Einschränkungen beim Alkoholkonsum seien in der Kompetenz der Kantone. Letzteres wird von Suchtfachstellen und dem Städteverband gefordert. Die Stadt Luzern prüft derzeit ein Alkohol-Verbot auf öffentlichen Plätzen - auch in anderen Städten gibt es entsprechende Forderungen.

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Blick am Abend 7.9.10

Polizei gegen Alk-Verbot

 GESETZ

 Die Stadt will Alkohol in der Öffentlichkeit verbieten. Nicht praktikabel sagt die Polizei.

 michael.graber@ringier.ch

 Es ist ein kontroverses Thema: Ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Die Stadt Luzern prüft derzeit, ob und wo ein solches Gesetz möglich wäre. Doch Kritik an der Massnahme gibt es auch von der Polizei selbst. Heinz Buttauer, Präsident des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter: "Beim derzeitigen Personalbestand sind weitere Grosskontrollen gar nicht möglich." Die Kapazitäten der Polizisten seien sonst schon knapp. Ein neues Gesetz bedeutet bei genauer Ausführung aber immer auch Mehrarbeit. Aus diesem Grund hält er ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen für nicht "praktikabel".

 Aber nicht nur im chronischen Unterbestand sieht Buttauer ein Problem, sondern auch in der Umsetzung: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Polizist jedem eine Busse verteilt, der mit einem Kollegen gemütlich am See ein Bier trinkt." Nur: Wird ein neues Gesetz verankert, ist die Polizei auch verpflichtet, die Regelung konsequent umzusetzen. "Hier gilt aber der Grundsatz der Verhältnismässigkeit", sagt Buttauer, "sonst müssten wir auch jeden, der nur ein kleines bisschen falsch parkiert hat büssen." Er kann sich vorstellen, dass das Gesetz im Fall von Massenbesäufnissen angewendet würde. Hier sei es Sache von Politik und Polizeiführung die Auslegung und Strenge genau zu definieren.

 Generell begrüsst Buttauer aber weitere Gesetze: "Es ist gut, wenn den Polizisten eine klare Regelung zur Verfügung steht." So könnten unnötige Diskussionen verhindert werden. Er hält aber auch fest, "dass Gesetze und Repression alleine das Problem nicht lösen können."

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Schweiz Aktuell 7.9.10

Weniger Alkohol-Vergiftungen

In Genf müssen weniger Jugendliche mit Alkoholvergiftungen ins Spital eingeliefert werden - seit der Alkoholverkauf Anfang 2005 eingeschränkt worden ist. Diese positive Bilanz ziehen die Genfer Gesundheitsbehörden.
http://videoportal.sf.tv/video?id=8fa9b973-7ba2-4d22-a556-50dd823ca480

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Echo der Zeit 7.9.10

Suchtbekämpfung mit Verkaufsverbot von Alkohol über Nacht

Im Kanton Genf werden deutlich weniger Kinder und junge Leute wegen Alkoholmissbrauch ins Spital eingeliefert als in der übrigen Schweiz. Dies, weil die Geschäfte zwischen 21 Uhr abends bis 7 Uhr morgens keinen Alkohol verkaufen dürfen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Sucht Info Schweiz im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit.
rtsp://a1753.v23910e.c23910.g.vr.akamaistream.net/ondemand/7/1753/23910/4c8665c0/audio.drs.ch/drs1/echoderzeit/2010/09/100907_echo_07_muelhauser.mp3

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sucht-info.ch 7.9.10

Prävention im Kanton Genf: Wirkung der Verkaufseinschränkungen für Alkohol

07. September 2010, 10:00

Zeitliche und örtliche Verkaufseinschränkungen für alkoholische Getränke stellen ein wirksames Instrument der Prävention dar. Dies zeigt eine Studie von Sucht Info Schweiz. Seit 2005 gilt im Kanton Genf für Läden nachts ein Alkoholverkaufsverbot, und Tankstellen sowie Videotheken dürfen generell keinen Alkohol mehr verkaufen. Die Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zeigt die positiven Auswirkungen auf das Rauschtrinken Jugendlicher und junger Erwachsener.

Ab Februar 2005 verstärkte der Kanton Genf die Präventionsbemühungen beim Alkohol: Seit diesem Datum gilt für Läden ein Alkoholverkaufsverbot zwischen 21 und 7 Uhr; Tankstellen und Videotheken dürfen keine alkoholischen Getränke im Sortiment haben. Dass solche Massnahmen namentlich den Jugendschutz stärken und das Rauschtrinken einschränken können, verdeutlicht die aktuelle Untersuchung von Sucht Info Schweiz im Auftrag des BAG.

Weniger Spitaleinlieferungen

Für die vorliegende Untersuchung hat ein Forscherteam die Entwicklung der alkoholbedingten Spitaleinlieferungen im Kanton Genf analysiert und mit der übrigen Schweiz verglichen. Zwischen 2002 und 2007 nahm die Anzahl der Spitaleinlieferungen aufgrund von Alkoholvergiftungen in der Schweiz insgesamt zu. Im Kanton Genf gingen diese Notaufnahmen bei den 10- bis 15-Jährigen seit 2005 im Gegensatz zu den anderen Kantonen zurück. Bei den 16- bis 29-Jährigen war die Zunahme im Kanton Genf geringer als in der übrigen Schweiz. Ohne Einführung dieser Massnahme wäre die Entwicklung im Kanton Genf negativer verlaufen. Gemäss Schätzung war hier die Zahl der Notaufnahmen wegen Alkoholvergiftungen bei den 10- bis 29-Jährigen zwischen 2005 und 2007 infolge der Verkaufseinschränkung um 35% tiefer. Keine Auswirkung zeigte sich bei den über 29-Jährigen. "Auch wenig einschränkende Massnahmen beeinflussen letztlich das Rauschtrinken und die Notaufnahmen", folgert Matthias Wicki, Forscher bei Sucht Info Schweiz.

Berücksichtigt wurden die in den Spitalstatistiken monatlich dokumentierten Fälle von Alkoholvergiftungen der Jahre 2002 bis 2007. Sie bilden einen Indikator für das Rauschtrinken. Jugendliche und junge Erwachsene kaufen alkoholische Getränke oft ungeplant und spontan ein. Verkaufseinschränkungen in den Geschäften beeinflussen daher die konsumierten Mengen. Da junge Menschen häufig punktuell trinken und über die Stränge schlagen, ist der Zusammenhang zwischen Rauschtrinken und den Einschränkungen beim Alkoholverkauf naheliegend.

Verkauf und Konsum hängen zusammen

Die internationale Literatur bestätigt, dass gerade bei Jugendlichen die Erhältlichkeit von Alkohol mit dem Konsum bzw. alkoholbezogenen Problemen zusammenhängen. Verkaufseinschränkungen sind hier eine wirksame Präventionsmassnahme, wenn sie denn eingehalten werden. Die Erfahrung im Kanton Genf zeigt, dass der eingeschränkte Zugang zu alkoholischen Getränken die Basis einer wirksamen Politik ist, um problematischem Alkoholkonsum bei Jugendlichen vorzubeugen, sofern Kontrollen beim Vollzug sowie Massnahmen zur Gesundheitsförderung dazukommen.

Forschungsbericht zum Download

Gmel, G., & Wicki, M. (2010). Effekt der Einschränkung der Erhältlichkeit von Alkohol auf Alkohol-Intoxikationen im Kanton Genf (Forschungsbericht Nr. 54-A). Lausanne: Sucht Info Schweiz.
http://www.sucht-info.ch/fileadmin/user_upload/Intoxicationen_Genf_RR54A.pdf

Sucht Info Schweiz in Kürze

Sucht Info Schweiz will Probleme verhüten oder vermindern, die aus dem Konsum von Alkohol, anderen psychoaktiven Substanzen oder potenziell abhängigkeits-erzeugenden Verhaltensweisen hervorgehen. Sucht Info Schweiz konzipiert und realisiert Präventionsprojekte, engagiert sich in der Gesundheitspolitik und der psychosozialen Forschung. Sie ist eine private, parteipolitisch unabhängige Organisation mit gemeinnützigem Zweck. Sucht Info Schweiz ist auf nationaler Ebene tätig und pflegt Kontakte zu Institutionen im Ausland. Wir treten daher auch unter den Bezeichnungen Addiction Info Suisse, Dipendenze Info Svizzera und Addiction Info Switzerland auf.
Im Rahmen des Nationalen Programms Alkohol (NPA) setzt Sucht Info Schweiz mehrere Aktivitäten um, unter anderem Angebote für Kinder aus alkoholbelasteten Familien und die Alkoholprävention an Schulen.

Auskunft:
Sucht Info Schweiz
Monique Helfer
Medienverantwortliche
mhelfer@ich-will-keinen-spamsucht-info.ch
Tel.: 021 321 29 74

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RANDSTAND GASSE
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sucht-info.ch 6.9.10

Trinken im öffentlichen Raum - Endstation Gasse

06. September 2010, 17:12

Man nennt sie Obdachlose, Stadtstreicher oder Clochards: Menschen am Rande der Gesellschaft, oft ohne Freunde oder Familie, meist ohne Hoffnung. Tag für Tag halten sie sich an ihren Treffpunkten auf, um zu trinken oder auf den nächsten Schuss zu warten. Eine Studie hat nun ihre Situation unter die Lupe genommen. Dabei wurden ein paar Vorurteile bestätigt, viele wurden widerlegt.

Für viele sind die randständigen Menschen in den Städten ein rotes Tuch. Sie belästigten Passanten durch Betteln und verursachten Dreck, heisst es. Gewisse Politiker profilieren sich an angeblichen oder tatsächlichen Missständen, doch ohne wirklich Lösungen zu präsentieren, die diesen Menschen helfen würden. Eine Studie, welche Sucht Info Schweiz gemeinsam mit dem Zürcher Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung ISGF durchgeführt hat, räumt mit Vorurteilen und Halbwissen auf.

Meist sind es Alkohol- oder Drogenabhängige, die sich an den einschlägigen Orten aufhalten. Es fällt auf, dass sich die Alkohol- und die Drogenszenen nur wenig vermischen; es gibt Plätze, an denen der Konsum von Alkohol, und solche, an denen der Konsum von Drogen vorherrscht. Auch sonst hatte jeder der elf untersuchten Plätze in fünf Städten der französisch- und der deutschsprachigen Schweiz seinen eigenen Charakter, was die Frequentierung, das Alter, den Geschlechtermix oder die hauptsächlich konsumierten Substanzen betrifft.

So halten sich am Zürcher Bahnhof Stadelhofen zu über drei Vierteln Personen unter 35 Jahren auf, die Hälfte von ihnen ist ohne festen Wohnsitz. Die meisten dieser Personen trinken vor allem Alkohol, nur wenige konsumieren auch Heroin. Demgegenüber konsumieren auf der Place de la Riponne in Lausanne zwei von drei Personen Heroin, weniger als die Hälfte hat einen hochriskanten Alkoholkonsum; der Platz ist also ein typischer "Drogenplatz". Mehr als die Hälfte der Personen ist über 35 Jahre alt, der Anteil an Obdachlosen ist gerade mal halb so hoch wie in Zürich.

Krankheiten und Übergriffe

Die Menschen, die sich grossteils seit mehreren Jahren, zum Teil gar seit Jahrzehnten, auf den Plätzen aufhalten, leiden häufig unter körperlichen und psychischen  Krankheitssymptomen. Besonders Müdigkeit, Gelenk- und Knochenschmerzen, Appetitlosigkeit und Taubheitsgefühle wurden häufig genannt. Zwei Drittel geben an, dass sie schon einmal beinahe gestorben wären. Bei der Hälfte dieser Personen war eine Überdosis Alkohol oder Drogen schuld, bei vielen waren aber auch Unfälle oder Gewalt der Grund.

Auf den Plätzen machen die Frauen insgesamt nur etwa einen Viertel der Anwesenden aus - die Studie bestätigt damit die subjektive Wahrnehmung. Sie sind überdurchschnittlich oft Opfer von sexuellen Übergriffen; zwei Drittel von ihnen berichtete von sexuellem Missbrauch. Ein grosser Teil dieser Übergriffe geschah bereits im Kindesalter. Die Studie legt die Vermutung nahe, dass Missbrauch zumindest ein Mitgrund für die Sucht ist.

Angst und Verunsicherung

Von "normalen" Passantinnen und Passanten fühlen sich die Randständigen häufig gleichgültig bis abschätzig behandelt. Oft nehmen sie Angst und Verunsicherung, aber auch Wut und Aggression wahr. Diese Wahrnehmung bestätigen auch die Passantinnen und Passanten selbst. Sie reagieren häufig mit Ärger oder Unbehagen, manchmal aber auch mit Mitgefühl, wie die Studie ermittelt hat.

Entsprechend grenzt die Öffentlichkeit die randständigen Menschen aus; häufig bekommen sie Bemerkungen zu hören wie: "Geht doch lieber arbeiten" - eine Aufforderung, welcher die meisten noch so gerne nachkommen würden, wenn sie dazu Gelegenheit hätten. Doch viele der Passantinnen und Passanten würden einen Randständigen kaum für eine Anstellung empfehlen. Wie ein Stück Treibholz, vergleicht Florian Labhart, der die Studie für Sucht Info Schweiz verantwortet hat: Immer wieder gegen das Ufer geworfen, ohne dort je Ruhe zu finden.

Auch Labhart, der in der Nähe eines der Treffpunkte in Lausanne wohnt, kannte die Gefühle des Vorbehalts gegenüber den Randständigen. Er habe sich zwar nie bedroht gefühlt, spontan Kontakt mit den Personen aufzunehmen hätte er aber nicht gewagt; zu fremd sei ihm die Szene gewesen. Erst für die Befragungen im Rahmen der Studie traute er sich, den Schritt zu tun, und gesellte sich zu den Menschen auf den Plätzen von Lausanne. "Ich war überrascht von der Herzlichkeit, mit der sie mir begegneten. Sie waren offensichtlich froh, dass sich jemand von ausserhalb für sie interessierte."

Das letzte soziale Netz

Die Betroffenen fühlen sich häufig einsam. Mehr als 60 Prozent der Befragten gaben an, sich manchmal oder gar immer einsam zu fühlen. Der grösste Teil kommt denn auch zu den Treffpunkten um Freunde zu treffen und den Kontakt zu Gleichgesinnten zu pflegen. Je nach Ort bewegen sich die Zahlen zwischen 50 und 100 Prozent. Nur jede oder jeder zehnte hingegen hält sich an diesen Orten auf, um zu betteln.

Die romantische Vorstellung des Clochards, der freiwillig seine warme Wohnung mit dem Platz unter der Brücke vertauscht, liess sich für Florian Labhart nicht halten: "Mir wurde bewusst, dass die Randständigen ihr Leben auf der Gasse nicht gewählt haben." Vielmehr seien es ihre Lebensumstände gewesen, die ihnen zuletzt nur noch einen Platz an einem dieser Treffpunkte übrig gelassen hatten. "Die Gruppe von anderen gestrandeten Existenzen ist für sie das letzte soziale Umfeld, das ihnen geblieben ist. Es ist für sie besser als ganz allein zu sein", sagt Labhart.

Die Studie aus dem Jahr 2008 hat Sucht Info Schweiz (damals noch unter dem Namen SFA) gemeinsam mit dem Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung ISGF in Zürich im Auftrag des Nationalfonds erstellt. Untersucht wurden elf Treffpunkte von Randständigen in Bern, Zürich, Lausanne, Yverdon und Chur. Die Studie richtet sich an Sozialarbeitende, politische Instanzen und andere Personen, die im direkten oder indirekten Kontakt mit den Menschen am Rande der Gesellschaft stehen. Sie soll ihnen die Möglichkeit geben, besser auf deren Bedürfnisse einzugehen und Programme zur Gesundheitsförderung oder zur Integration zielgerichtet voranzutreiben.

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sucht-info.ch 6.9.10

Ruf nach Ordnung und Schrei nach Freiheit

06. September 2010, 17:12

Die Verantwortlichen der Suchtpolitik stehen in der Zwickmühle: Auf der einen Seite hören sie den Ruf der Öffentlichkeit nach Ordnung und Sicherheit. Auf der anderen wissen sie, dass suchtkranke Menschen nicht an den Rand gedrängt, sondern integriert werden sollten. In den Städten, welche die Studie "Public Spaces" unter die Lupe genommen hat, wurden unterschiedliche Wege gewählt.

Public Spaces

Eine Parkanlage, ein paar Bänke. Und ein paar Menschen, die hier tagein, tagaus sitzen, eine Bierflasche in der Hand, die Kleider abgewetzt. Die anderen, die mit der Wohnung und dem Job, verirren sich nur selten hierher. Die wollten eh nur betteln, sagen sie. Sie stören sich am Abfall, der herumliegt, und am Geruch der Hoffnungslosigkeit, welcher in der Luft liegt. Oder sie sind peinlich berührt von der Armut, die hier tiefer geht als nur bis zum leeren Portemonnaie.

Dass die Szenen der Drogenkonsumierenden nicht einfach sich selbst zu überlassen sind, darin sind sich die meisten Schweizer Städte einig. Wenn auch von den Menschen, welche die einschlägigen Plätze frequentieren, in der Regel keine Gefahr ausgeht, fühlen sich viele unwohl in ihrer Haut, wenn sich ihr Weg mit demjenigen der Randständigen kreuzt.

Vorläufig geduldet in Chur

So hilflos wie die Bürgerinnen und Bürger reagieren auch manche der Städte, in denen sich die Randständigen aufhalten. In Chur etwa haben sie den Stadtgarten in Beschlag genommen. Andere Personen meiden seitdem den Ort, was die Behörden gerne ändern würden. Der Stadtrat würde den Park im Herzen der Stadt gerne erneuern, aufwerten und der breiten Bevölkerung zugänglich machen.

Doch diesen Plänen sind die Menschen am Rande der Gesellschaft im Weg. "Es gibt in unserer Stadt nicht viele andere Möglichkeiten", sagt der Leiter der sozialen Dienste Chur, Hans Joss. Bevor kein neuer Standort gefunden ist, können die Alkohol- und Drogenabhängigen nicht aus dem Stadtgarten vertrieben werden.

Dass bis anhin keine wirkliche Lösung gefunden worden ist, hängt auch mit der Abstimmung über den neuen Finanzausgleich im Kanton Graubünden zusammen. Dieser wurde im März dieses Jahres knapp abgelehnt. Weil die Gemeinden davon ausgegangen sind, dass der Sozialbereich an den Kanton übergehen würde, packten sie keine neuen Aufgaben an. Doch das Volk lehnte die Vorlage überraschend und äusserst knapp ab. Nun liegt der Ball wieder bei den Gemeinden - in diesem Fall bei der Stadt Chur, die nun selber eine Lösung für ihre Randständigen suchen muss.

Ungeliebtes Thema in Yverdon

Auch in Yverdon gehört die Situation der Randständigen offenbar nicht zu den Themen, zu denen man sich besonders gern äussert. Sozialvorsteherin Nathalie Saugy verweist an den Chef der Abteilung Erziehung und Jugend, Laurent Exquis. Dieser wiederum gibt den Ball weiter an Sozialarbeiterin Cassia Rossetti.

Rossetti, die in engem Kontakt zu den Menschen auf der Strasse steht, betont die menschliche Seite der Frage. In einer Gesellschaft, in der jeder seines Glückes Schmied sein muss, sei es doppelt schwierig, immer wieder mit seinen Grenzen konfrontiert zu werden. "In erster Linie muss man mit den Abhängigen an ihrem Selbstvertrauen arbeiten." Alkohol könne in einem gewissen Sinn auch ein Lebensinhalt sein, sagt Rossetti. "Wenn man ihnen den wegnimmt, was haben sie dann noch?"

Es gebe in der Region Yverdon Angebote an geschützten Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Als Beispiel nennt sie die Kunsttherapie. Diese eröffnet die Möglichkeit, inneres Leiden auszudrücken und in etwas zu verwandeln, das von der Gesellschaft anerkannt sei. "Doch es besteht ein Dilemma: Die Leute möchten nicht beschäftigt werden, sie wollen eine ,richtige‘ Arbeit. Doch viele schaffen dies aufgrund ihres Alkoholkonsums nicht." Es sei oft ein weiter Weg, bis sie sich eingestehen können, dass sie eine "normale" Arbeit nicht schaffen, sagt Rossetti.

Gefördert im "Azzurro"

Darum geht man in Bern schon seit zehn Jahren andere Wege. Das Restaurant "Azzurro" des Blauen Kreuzes bietet nicht nur eine alkoholfreie Stammtisch-Atmosphäre, sondern auch eine Reihe von Arbeitsplätzen für Menschen, die eine Zeit lang auf der Gasse gelebt hatten. Hier erbringen echte Arbeitskräfte eine echte Leistung, die Teilnehmenden werden nicht nur beschäftigt. Anders als im freien Arbeitsmarkt ist es zwar auch möglich, einmal auszufallen - aber nicht ohne Konsequenzen: Steht der Koch nicht an den Töpfen, bleiben die Teller leer. Das "Azzurro" füllt damit eine Lücke zwischen den Beschäftigungsprogrammen und dem ersten Arbeitsmarkt.

"Auf diese Weise stärken wir das Selbstvertrauen, aber auch das Pflichtbewusstsein der Teilnehmerinnen und Teilnehmer", sagt Irene Abderhalden, heute Leiterin Prävention bei Sucht Info Schweiz, welche das Projekt vor zehn Jahren mitinitiierte. Sie weiss auch, warum das Projekt zum Erfolg wurde: "Die Betroffenen waren von Anfang an gleichberechtigte Partner. "Azzurro" war kein Sozialarbeiter-Projekt, zu dem sie dann eingeladen wurden." Das habe auch dazu geführt, dass sich die Teilnehmenden im Zweifelsfall eher mit der Projektleitung solidarisierten als beispielsweise mit anderen Teilnehmenden, welche im "Azzurro" zu dealen versuchten. Es habe "Null Disziplinprobleme" gegeben, sagt Abderhalden.

Mehr auf die Randständigen eingehen

Sucht Info Schweiz - damals noch unter dem Namen SFA - hat die Studie "Public Spaces" im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem ISGF in Zürich im Auftrag des Nationalfonds erstellt. Untersucht wurden elf Treffpunkte von Randständigen in Bern, Zürich, Lausanne, Yverdon und Chur. Die Studie richtet sich an Sozialarbeitende, politische Instanzen und andere Personen, die im direkten oder indirekten Kontakt mit den Betroffenen sind. Sie soll ihnen die Möglichkeit geben, besser auf die Bedürfnisse der Menschen am Rande der Gesellschaft einzugehen und Programme zur Gesundheitsförderung oder zur Integration zielgerichtet voranzutreiben.

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Kommentar

06. September 2010, 17:11

Es gibt Lösungen!

Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, werden offensichtlich auch von der Politik nur am Rande wahrgenommen. Im besten Fall wird ihnen ein Ort zugewiesen, an dem sie sich aufhalten können - im schlechtesten Fall werden sie von Platz zu Platz gejagt. Mit einer Politik, die sich an den Bedürfnissen von alkohol- und drogensüchtigen Menschen orientiert, sie ernst nimmt und ihnen eine Perspektive eröffnet, lassen sich kaum Wählerstimmen gewinnen.

Es ist auch die Gesellschaft als Ganzes, die es zugelassen hat, dass Menschen in die Abhängigkeit gerutscht sind. Es ist nur konsequent, wenn die Gesellschaft ihren Teil der Verantwortung dafür übernimmt, dass diese einigermassen menschenwürdig leben und dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten arbeiten können.

Das Projekt Azzurro des Blauen Kreuzes Bern zeigt, wie dies aussehen könnte: Menschen, die sozial schlecht integriert sind, übernehmen Verantwortung für einen Betrieb und setzen sich für ihn ein. Dabei gewinnen sie Selbstvertrauen und Sicherheit - die wichtigsten Voraussetzungen, um eine Chance auf den Wiedereinstieg im Berufsleben zu haben. Und selbst wenn dies nicht gelingen sollte, ist die Mitarbeit in einem Projekt wie Azzurro immer noch besser als seine Tage an den Randständigen-Treffpunkten zu verbringen.

Gleichzeitig muss es aber auch ein Ziel sein, die Öffentlichkeit über die Probleme von randständigen Menschen zu informieren. In den meisten Fällen sind nicht sie es, die sich dieses Leben ausgesucht haben. In der Regel würden sie gerne arbeiten - wenn sie es denn könnten. Ihnen Unwillen vorzuwerfen, ist deshalb zynisch. Auch dass sie bettelten und Gewalt anwendeten, lässt sich aufgrund der Studien nicht halten.

Zeit also, mit Vorurteilen aufzuräumen. Wenn sich mit Menschen am Rande der Gesellschaft schon keine Wählerstimmen holen lassen, dann sollen diese Menschen wenigstens nicht als Projektionsfläche für diffuse Ängste gewisser Mitbürgerinnen und Mitbürger missbraucht werden können.

Thomas Uhland

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DROGEN
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sf.tv 8.9.10

Kokain-Netzwerke funktionieren wie moderne Unternehmen

Mittwoch, 8. September 2010, 15:43 Uhr

Die Strukturen des Kokainhandels in der Schweiz sind nur schwer zu knacken. Die oft afrikanischen Netzwerke sind verästelt. Sie operieren überregional und hochflexibel - wie erfolgreiche Unternehmen. Und deren Bekämpfung ist so mühsam, wie deren Kosten hoch sind.

Schmuggelrouten, Kurier und Vertriebskanäle im Kokainhandel veränderten sich ständig, sagte Michael Perler, Chef der Bundeskriminalpolizei (BKP), vor den Medien in Aarau. Auf verstärkte Kontrollen von Zoll und Polizei reagierten die Schmuggler, indem sie die Kurierfahrten von unauffälligen EU-Bürgern durchführen liessen.

Bis zu 1,3 Kilo Kokain im Körper

Das Kokain werde von der Schweiz aus telefonisch in Nigeria bestellt. Das weisse Pulver werde dann in grossen Mengen aus Südamerika nach Europa geliefert. In Spanien oder Holland werde das Kokain umgeschlagen und für den Verkauf in die Schweiz transportiert.

Die Schmuggler schluckten teilweise bis zu 1,3 Kilogramm Drogen, die in Dutzende sogenannte Fingerlinge verpackt seien. In der Schweiz werde das Kokain auf mehrere Akteure verteilt, sagte Perler weiter.

Unterste Schicht wird eingespannt

Auf der tiefsten Ebene bewegten sich die Strassenhändler, berichtete Patric Looser von der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Es handle sich meistens um Asylbewerber aus Nigeria.

Die Strassenhändler nutzen gemäss Looser die Zeit bis zur Ausweisung oder Ausreise dazu, möglichst viel Geld zu verdienen. Die Gewinne aus dem Kokain-Handel würden regelmässig mit Bargeldübermittlungsdiensten ins Heimatland gesandt.

Als Zwischenhändler im Einsatz seien meist abgewiesene Asylbewerber aus Nigeria. Sie würden entweder illegal in der Schweiz leben oder hätten ihren Aufenthalt durch eine Heirat legalisiert.

Fast eine Million für Telefonabhörung

Die Ermittlungen gegen mutmassliche Kokainhändler sind sehr aufwändig und kostspielig. Im Aargau entstanden bei den 33 Fällen in den letzten anderthalb Jahren Verfahrenskosten von 1,25 Millionen Franken.

Allein die Kosten für die Übersetzung der abgehörten Telefongespräche beliefen sich auf 900'000 Franken, wie Urs Winzenried, Kripo-Chef der Kantonspolizei, sagte. In einem Fall seien 13 Mobiltelefone sichergestellt worden.

(sda/from)

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sf.tv 8.9.10

Härtere Gangart gegenüber Kokain-Dealern

sda/vaid

 Die Schweiz verstärkt den Kampf gegen den Kokainhandel. Seit einem Jahr arbeiten die Bundeskriminalpolizei (BKP), mehrere Kantone und das Grenzwachtkorps eng zusammen bei der Jagd auf Dealer. Seither wurden mehrere koordinierte Aktionen gegen Drogennetzwerke durchgeführt. Der Markt in der Schweiz wird nach Polizeiangaben vor allem von Händlern aus Afrika und der Dominikanischen Republik beherrscht.

 Die Anstrengungen richteten sich gegen die Netzwerke von Kriminellen, die im Schweizer Kokainmarkt eine wichtige Rolle spielten, teilte die Bundeskriminalpolizei (BKP) an einer Medienkonferenz in Aarau mit. Es gehe darum, die Schweiz als Standort für Drogenhändler unattraktiv zu machen.

 Dealer aus Afrika und der Dominikanischen Republik

 Der Schmuggel und Handel werde von einer Vielzahl von Akteuren geprägt. Gruppen aus Westafrika und der Dominikanischen Republik würden den Kokainmarkt in der Schweiz beherrschen. In geringerem Masse seien auch Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten in der Schweiz aktiv.

 Der Informationsaustausch spielt bei der Zusammenarbeit der Behörden die zentrale Rolle. Die im Frühling 2009 gegründete Arbeitsgruppe innerhalb der Bundeskriminalpolizei koordinierte und unterstützte bisher 70 Verfahren im In- und Ausland.

 Gezielte Aktionen gegen Drogendealer-Netzwerke

 Die BKP, die zum Bundesamt für Polizei (fedpol) gehört, analysiere die Informationen von ausländischen, von Interpol und Europol aus, werte diese aus und stelle sie den Kantonen zur Verfügung, hiess es in Aarau weiter.

 Die Kantone, unter anderem Aargau und St. Gallen, könnten beim Kampf gegen den Schmuggel auch auf die Unterstützung des Grenzwachtkorps und des Zolls zählen.

 Die Partnerbehörden führten gemäss BKP bisher in mehreren Kantonen gezielte Aktionen gegen den Kokainhandel durch. Dabei seien dreistellige Kilobeträge an Kokain sowie mehrere Hunderttausend Franken an mutmasslichen Drogengeldern sichergestellt worden.

Kokain beliebteste illegale Droge

 Zoll und Polizei beschlagnahmten im letzten Jahr 560 Kilogramm Kokain. Dies ist gemäss BKP ein neuer Rekordwert. Der Konsum von Kokain habe in den vergangenen Jahren zugenommen. Trotz hoher Preise sei Kokain die am häufigsten konsumierte illegale Droge in der Schweiz. Entsprechend hoch seien die Gewinne.

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Newsnetz 8.9.10

Der ärgerlichste Schneerekord der Schweiz

sda / bru

 Rund 560 Kilo Kokain wurden im letzten Jahr in der Schweiz beschlagnahmt - ein Rekord. Trotzdem bleibt Kokain die am häufigsten konsumierte illegale Droge.

 Im Kampf gegen den Kokainhandel in der Schweiz spannen die Bundeskriminalpolizei (BKP) und mehrere Kantone eng zusammen. Dank eines Informationstausches gelang es, mehrere komplexe Netzwerke der Kokainhändler zu zerschlagen. Das Projekt wird deshalb vorerst weitergeführt.

 Die Anstrengungen richteten sich gegen die Netzwerke von Kriminellen afrikanischer Herkunft, die im Schweizer Kokainmarkt eine wichtige Rolle spielten, sagte Michael Perler, Chef der Bundeskriminalpolizei (BKP), am Mittwoch in Aarau an einer Medienkonferenz.

 Es gehe darum, die Schweiz als Standort für Kokainhändler möglichst unattraktiv zu machen. Eine Vielzahl von Akteuren prägten Schmuggel und Handel mit Kokain. Gruppen aus Westafrika und der Dominikanischen Republik würden diesen lukrativen Drogenmarkt in der Schweiz beherrschen, sagte Perler.

 Die Mehrheit der Verhafteten stamme aus Nigeria, weitere kämen aus Guinea oder Sierra Leone; es seien oft Asylbewerber. In geringerem Masse seien auch Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten in der Schweiz aktiv, sagte Perler.

 Gezielte Aktionen gegen Netzwerke

 Der Informationsaustausch spielt bei der Zusammenarbeit der Behörden die zentrale Rolle. Die im Frühling 2009 gegründete Arbeitsgruppe innerhalb der Bundeskriminalpolizei koordinierte und unterstützte bisher 70 Verfahren im In- und Ausland.

 Die BKP, die zum Bundesamt für Polizei (fedpol) gehört, analysiert dabei die eingehenden Informationen von ausländischen, von Interpol und Europol aus, wertet diese aus und stellt sie den Kantonen zur Verfügung.

 "Der Kampf geht weiter"

 Ziel sei es, neue Ermittlungsansätze zu erkennen und den Druck der Polizei auf den Betäubungsmittelhandel zusätzlich zu erhöhen, erläuterte der BKP-Chef.

 Die Kantone können beim Kampf gegen den Schmuggel auch auf die Unterstützung des Grenzwachtkorps und des Zolls zählen. Am gleichen Strick ziehen unter anderem die Kantone AG, BE, LU, SG, SO, NE, VD, TI, SH und JU sowie die beiden Basel.

 Das Projekt werde mindestens noch ein halbes Jahr weitergeführt, sagte BKP-Chef Perler. In sechs Monaten werde nochmals eine Bilanz gezogen. "Der Kampf geht weiter", machte er klar.

 Rekordmenge an Kokain

 Bei den koordinierten Aktionen gegen die Drogenhändler wurden in den beteiligten Kanton bislang mehrere hundert Kilo an Kokain sowie mehrere Hunderttausend Franken an mutmasslichen Drogengeldern sichergestellt.

 Zoll und Polizei beschlagnahmten 2009 gesamtschweizerisch rund 560 Kilogramm Kokain. Dies ist gemäss BKP ein neuer Rekordwert. Bei den Drogenkurieren und -händlern habe es sich herumgesprochen, "dass die Schweiz kein gutes Pflaster mehr ist", sagte Urs Winzenried, Kripo-Chef der Kantonspolizei Aargau, vor den Medien.

 Die Preise für Kokain seien gestiegen, und die Qualität der Droge nehme ab. Gemäss Bundeskriminalpolizei kostet ein Kilogramm Kokain in der Schweiz 40'000 bis 80'000 Franken. Entsprechend hoch seien die kriminellen Gewinne.

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ejpd.admin.ch 8.9.10

Bundesamt für Polizei

Kampf gegen den Kokainhandel afrikanischer Netzwerke in der Schweiz

Medienmitteilungen, fedpol, 08.09.2010

Bern. Seit rund eineinhalb Jahren arbeiten mehrere Kantone, das Grenzwachtkorps sowie die Bundeskriminalpolizei im Kampf gegen den Kokainhandel vertieft zusammen. Ziel der intensiven Arbeit über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus ist es, die Schweiz als Standort für Kokainhändler unattraktiv zu machen. Die Anstrengungen richten sich insbesondere gegen die Netzwerke von Kriminellen afrikanischer Herkunft, die im Schweizer Kokainmarkt eine wichtige Rolle spielen.

Nach Einschätzung der Polizei ist der Konsum von Kokain in der Schweiz in den vergangenen Jahren angestiegen. Allein 2009 wurden in der Schweiz rund 560 Kilogramm Kokain von Zoll und Polizei sichergestellt, was ein neuer Rekordwert bedeutet. Trotz hoher Preise ist Kokain nach Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge in der Schweiz. Entsprechend hoch sind die illegalen Gewinne.

Schmuggel und Handel mit Kokain sind geprägt von einer Vielzahl von Akteuren. In der Schweiz wird der Kokainmarkt überwiegend von Gruppen aus Westafrika und der Dominikanischen Republik beherrscht. Bei jenen Personen aus Westafrika, die sich in der Schweiz der Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig machten, stammt die Mehrheit aus Nigeria. In geringerem Masse sind im Kokainhandel auch Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten und der Schweiz aktiv.

Intensive Zusammenarbeit trägt zunehmend Früchte

Gestützt auf Anfragen verschiedener Kantone hat die Bundeskriminalpolizei (BKP) beim Bundesamt für Polizei im Frühjahr 2009 beschlossen, im Rahmen eines Projekts mit den kantonalen Polizeidiensten und dem Grenzwachtkorps (GWK) eine ständige Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Phänomens einzusetzen.

Die Rollen sind klar verteilt: Die Arbeitsgruppe innerhalb der BKP koordiniert in erster Linie den Informationsaustausch zwischen den involvierten Kantonen (u.a. Waadt, Solothurn, Basel-Land, Aargau, Neuenburg, Basel-Stadt, Bern, Luzern, St. Gallen, Tessin und Schaffhausen), dem GWK, den ausländischen Behörden sowie mit INTERPOL und EUROPOL. Insgesamt hat die BKP im In- und Ausland seither 70 Verfahren koordiniert oder unterstützt. Die BKP analysiert die eingehenden Informationen, wertet diese aus und stellt sie den Kantonen wieder zur Verfügung. Diese technische, operative und analytische Unterstützung zuhanden der Kantone ergibt als Mehrwert eine gesamtschweizerische Fallübersicht.

Unterstützung erhalten die Kantone zusätzlich von GWK und Zoll, die an der Grenze grosse Mengen Kokain sicherstellen und sowohl aufgegriffene Tatverdächtige als auch sichergestelltes Bargeld den jeweils zuständigen Polizeibehörden übergeben. Die einzelnen Ermittlungsverfahren gegen den Schmuggel und Handel von Betäubungsmitteln fallen in die kantonale Zuständigkeit. Entsprechend sind auch die kantonalen Strafverfolgungsbehörden für die Informationen zu den Strafverfahren zuständig.

Die involvierten Partnerbehörden haben in der Zwischenzeit in mehreren Kantonen gezielte Aktionen gegen den Kokainhandel durchgeführt: Insgesamt wurden bislang dreistellige Kilobeträge an Kokain sowie mehrere Hunderttausend Franken an mutmasslichen Drogengeldern sichergestellt.

Das Ziel der Zusammenarbeit bleibt auch in Zukunft die frühzeitige Erkennung von neuen Ermittlungsansätzen, um den Strafverfolgungsdruck gegen den Betäubungsmittelhandel zusätzlich zu erhöhen.

Weitere Auskünfte
Eva Zwahlen, Bundesamt für Polizei, T +41 31 323 13 10, Kontakt

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BZ 8.9.10

Kehrsatz

 Drogenarzt verliert wegen Artikel die Führungsposition

 Der Hausarzt der Drogenklinik Marchstei in Kehrsatz kritisiert in einem Bulletin die Drogenpolitik. Er ist sein Chefmandat los.

 Im Bulletin "Eltern gegen Drogen" kritisiert Daniel Beutler, ärztlicher Leiter der Drogenklinik Marchstei in Kehrsatz, die "liberale" Drogenpolitik. Das revidierte Betäubungsmittelgesetz erleichtere den Zugang zur staatlichen Drogenabgabe zu sehr und erschwere den Suchtausstieg, schrieb er im Mai.

 Weiter in der Klinik tätig

 Die Klinik Marchstei reagierte, indem sie Beutler das Mandat als ärztlichem Leiter entzog. Wie im "Bund" zu lesen war, ist Beutler nur noch als Hausarzt tätig. Weil die Zusammenarbeit mit Beutler abgesehen von diesem Fehltritt gut sei, wolle man ihn weiter beschäftigen, sagte Klinikchef Stefan Weigelt gegenüber dem "Bund".

 Daniel Beutler ist Co-Präsident des Dachverbands Drogenabstinenz Schweiz. Er äusserte sich schon mehrmals kritisch über die Drogenpolitik. Vom neusten Artikel distanziert er sich inzwischen teilweise.

 Empörte Grossrätin

 SVP-Grossrätin Sabina Geissbühler-Strupler ist empört. Es sei ein "Skandal", dass jemand wegen einer abstinenzorientierten Haltung ein "Berufsverbot" erhalte. Das schreibt sie in einer Pressemeldung. Geissbühler ist Präsidentin der Vereinigung Eltern gegen Drogen. Sie verlangt vom Kanton eine "Rehabilitierung des Drogenarztes".
 sl

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ZIVILSTAND ILLEGAL
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20 Minuten 8.9.10

Bern: Mehr illegale Einwanderer in der Stadt

 BERN. Die Fremdenpolizei hat alle Hände voll zu tun: Die Zahl der illegalen Einwanderer hat in der Stadt Bern markant zugenommen. Jetzt gibt es politische Schützenhilfe.

 "Seit dem neuen und schärferen Ausländergesetz stellen wir in der Stadt Bern viel mehr Fälle von Personen ohne Aufenthaltsbewilligung fest", so Alexander Ott von der Fremdenpolizei Stadt Bern. Dazu gehörten Personen, die nach Ablauf ihres Visums nicht mehr ausreisen oder die gar nie eines bekommen haben, wie viele Staatsangehörige aus Indien, Russland, China, Südamerika oder Afrika. "Deshalb wird immer wieder versucht, den Aufenthaltstitel durch Scheinehen mit Schweizer Bürgern zu erhalten", weiss Ott.

 Zugenommen habe auch der missbräuchliche Familiennachzug, bei dem in der Schweiz lebende ausländische Familien Kinder nachholen, die gar nicht ihre leiblichen sind. Der Migrationsdienst des Kanton Berns bestätigt diese Tendenz.

 Solche Fakten sind für SVP-Grossrat Lars Guggisberg alarmierend: "Diese Leute organisieren sich, was zu einer Gettobildung und zu noch mehr Schwarzarbeit führt." Nun verlangt er per Vorstoss konkrete Zahlen zu den Illegalen im Kanton.

 Den Grund für die Zunahme scheint die Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers zu kennen: "Schuld ist die harte Ablehnungspraxis von Härtefällen", so Präsident Jacob Schädelin.  

Bigna Silberschmidt

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BIG BROTHER SPORT
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NZZ 8.9.10

Der Gewalt mit Härte begegnen

 Kapazitätsengpässe bei der Polizei und Beteiligung der Klubs an Sicherheitskosten als Probleme

 An einer Tagung in Zürich zum Thema "Tatort Stadion" haben Vertreter verschiedener Bereiche das Problem der Gewalt an Sportanlässen beleuchtet.

 Peter Eggenberger

 Roger Schneeberger, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), wies an der Tagung am Montag darauf hin, dass die Ereignisse mit Gewalt an Sportanlässen in den letzten zehn Jahren in der Schweiz zugenommen haben. Jedes Wochenende stünden 900 Polizisten an Sportanlässen im Einsatz, jede Woche beliefen sich die Kosten solcher Einsätze auf eine Million Franken. "Die Korps kommen damit an ihre Kapazitätsgrenze. Die Einsätze haben Folgen für die restliche polizeiliche Grundversorgung", so Schneeberger. Im Gespräch mit der NZZ ergänzte Schneeberger, die KKJPD habe deswegen eine Arbeitsgruppe "polizeiliche Lücke" eingesetzt.

 Ins gleiche Horn blies Thomas Würgler, Kommandant der Kantonspolizei Zürich: 900 Polizisten machten 5 Prozent des Gesamtbestands aus. "Die Polizei kann das Problem der Gewalt bei Sportanlässen nicht allein lösen", sagte Würgler. Die Polizeikommandanten der Schweiz haben vor kurzem Empfehlungen verabschiedet. Dazu gehören die Trennung der Fangruppen, die Videoüberwachung mit dem Videobeweis, konsequente Eingangskontrollen, Alkoholverbote bei Hochrisikospielen und die Einführung eines Fanpasses.

 Die Klubs können gegen gewalttätige Zuschauer ein Stadionverbot erlassen. Ein solches gilt während dreier Jahre in Fussball- und in Eishockeystadien. Die Kantone haben ein Konkordat abgeschlossen, das seit dem 1. Januar Massnahmen ermöglicht. Es handelt sich hier um ein Rayonverbot (Gebiet ums Stadion), die Auflage, sich zu bestimmten Zeiten bei der Polizei zu melden, den Polizeigewahrsam und Ausreisebeschränkungen.

 Laut Dominic Volken, Leiter des Fachbereichs Hooliganismus im Bundesamt für Polizei, hat sich die Einführung einer zentralen Datenbank als weiteres Instrument zur Bekämpfung von Gewalt an Sportanlässen bewährt. Derzeit sind dort 970 Personen registriert, gegen die wegen gewalttätigen Verhaltens eine Massnahme ausgesprochen worden ist. Lediglich 6 Personen davon sind weiblich. "Praktisch alle Registrierten sind 15- bis 35-jährig", sagt Volken. Beim Bundesamt schätzt man die Zahl der Zuschauer mit hoher Gewaltbereitschaft auf 350.

 Bis Ende 2012 müssen alle Klubs der Super League aufgrund eines Beschlusses des runden Tisches gegen die Gewalt im Sport ein Konzept für die Fanarbeit erstellen. Bis Juli hätten die Klubs der Super League zudem eine Vereinbarung mit den Behörden abschliessen sollen, mit der unter anderem die Beteiligung an den Sicherheitskosten geregelt wird. Dies hat erst eine Minderheit getan. Roger Schneeberger stört dies: "Die Klubs beteiligen sich derzeit sehr unterschiedlich an den Sicherheitskosten. Dies führt zu Wettbewerbsverzerrungen."

 Viele Referenten der von der Deutsch-Schweizerischen Gesellschaft für Sportrecht organisierten Tagung forderten, dass man neben präventiven Massnahmen die repressiven Instrumente mit aller Konsequenz gegen gewalttätige Zuschauer anwenden müsse. "In anderen Ländern wie England, Belgien und den Niederlanden hat sich dadurch das Problem massiv entschärft", sagt Schneeberger, der mit einer KKJPD-Delegation diese Länder besucht hat. Was die Fifa unter Härte versteht, gab Marco Villiger, Direktor des Rechtsdiensts, an der Tagung bekannt: Für die nächste WM-Qualifikation werden Punktabzüge wegen Gewalt bei Qualifikationsspielen geprüft.
 
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VOLKSHAUS ZH
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Tagesanzeiger 8.9.10

Das Volkshaus blickt auf 100 bewegte Jahre zurück

 Von Benno Gasser

 Zürich - Demonstrationen, aufgebahrte Sozialisten, Rockkonzerte, Boxkämpfe und Plattenbörsen: Das Volkshaus hat eine bewegte Vergangenheit. Es sei ein Ort, an dem gesellschaftliche Eruptionen und Trends ausgelebt wurden, sagte Franz Cahannes, Präsident der Volkshausstiftung, gestern vor den Medien.

 Zwischen 1910 und 1930 hätte das Volkshaus auch Bade- und Duschanstalt heissen können. Mehr als 100 000 Besucher pro Jahr badeten oder duschten im Kellergeschoss. Im Arbeiterviertel Aussersihl verfügten zu jener Zeit nur wenige Wohnungen über ein eigenes Bad. Die Besucherzahlen übertrafen darum von Anfang an alle Erwartungen. Doch im Laufe der Jahre gingen die Besucherzahlen stetig zurück und fielen 1978 auf unter 10 000. Trotzdem seien "zahlreiche Zürcher auf die Badegelegenheit tatsächlich angewiesen", schrieb der "Tages-Anzeiger" im Februar 1980. Und: Der Nimbus vom Arme-Leute-Bad habe sich gewandelt. "Wir haben einen Stammgast vom Zürichberg, der auf unsere Hygiene schwört, weil seine eigene Badewanne so alt und grässlich ist", sagte der damalige Verwalter. Heute zeugt im Volkshaus nur noch eine Sauna von der Bäder-Vergangenheit. In Zukunft soll die Sauna mit einem Hamam ergänzt werden.

 Das im Oktober 1910 eröffnete Volkshaus war aber nicht nur als Bäderhaus geplant. Es sollte auch ein alkoholfreies Restaurant mit billigen und nahrhaften Speisen sowie Räume für gesellige und kulturelle Veranstaltungen haben. Ausserdem waren Büros für die Arbeiterorganisationen und ein Lesesaal Teil des Projekts. Weil am Ende das Geld für den grossen Theatersaal fehlte, konnte dieser erst später gebaut und 1928 eingeweiht werden.

 Einer der treibenden Kräfte hinter dem Volkshaus-Projekt und der Idee eines alkoholfreien Restaurants war August Forel, Direktor der damaligen Kantonalen Irrenanstalt Burghölzli. Alkohol war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein grosses Problem, zahlreiche Arbeiter verzechten ihren Lohn im Wirtshaus. Das Volkshaus hatte alkoholfrei zu sein, weil sonst ein "Bierpalast" drohe und die "Zürcher Arbeiterschaft nichts anderes wäre als das alkoholisierte Dividendenschaf der Alkoholkapitalisten", steht im "Grütli-Kalender" aus dem Jahr 1909 geschrieben.

 In den 80er-Jahren beklagte die Zeitung WOZ beim Volkshaus den Verlust der linken Kultur. Die frühere rote Fassade wurde schon 1950 hellgrau gestrichen, das Alkoholverbot 1983 aus den Statuten gekippt. In jüngster Zeit wurden Säle und Technik laufend renoviert und auf den neusten Stand der Technik gebracht. Heute stehe das Volkshaus finanziell so gut da wie noch nie, sagt Cahannes. Im Oktober sind zahlreiche Jubiläumsveranstaltungen geplant.

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NZZ 8.9.10

Eine Trutzburg der Arbeiterbewegung

 Zürcher Volkshaus ist 100-jährig

 ak. · Die Architektur des Hauses wirkt, um nichts allzu Negatives zu sagen, etwas eigenwillig. Das breite Walmdach erinnert an eine Scheune, der schmucklose Treppenturm verweist eher auf mittelalterliche Burgen. Eine Trutzburg der Arbeiterbewegung war das Zürcher Volkshaus im Verlauf seiner Geschichte tatsächlich immer wieder, aber auch mehr: "ein Ort, an dem sich gesellschaftliche Eruptionen, Trends und auch Moden auslebten", wie Franz Cahannes, der Präsident der Volkshausstiftung, an einer Pressekonferenz zum 100-jährigen Bestehen des Hauses am Dienstag gesagt hat. Gewerkschaften und Arbeiterschaft hatten den Bau des Volkshauses ersehnt; hinter dem Projekt steckten aber von Anfang an auch philanthropische Kreise von Pfarrern und Professoren. Sie sorgten dafür, dass es im 1910 eröffneten Volkshaus nur alkoholfreie Getränke gab. Dieses Alkoholverbot hielt sich bis 1979.

 Volkshausverein und -stiftung haben in ihrer Geschichte an den Traditionen des Hauses festgehalten, diese aber immer neu interpretiert, wie Cahannes meinte. Die Bäder und Duschen, die in den ersten Jahren die wichtigste Einnahmequelle waren, sind vor Jahrzehnten zur Sauna umgebaut worden. Bei der nächsten Sanierung kommt ein Hamam hinzu. Finanziell geht es der Stiftung laut Cahannes heute so gut wie noch nie. Die Renovationen können heute mit eigenem Geld bezahlt werden; städtische Subventionen sind nicht mehr nötig. Momentan laufen Arbeiten für eine bessere Energiebilanz. Dazu gehören die Dämmung des Dachstocks und der Einbau einer Solaranlage.

 Das 100-Jahr-Jubiläum wird ab Mitte September mit Kindertagen, Konzerten und Lesungen gefeiert. Ausserdem erscheint Anfang Oktober ein Buch über die Geschichte des Hauses, an dem die unterschiedlichsten Autorinnen und Autoren mitgewirkt haben. Mehr Informationen unter http://www.volkshaus.ch.

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ANTI-RASSISMUS
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bern.ch 8.9.10

Stadt Bern organisiert erste Aktionswoche gegen Rassismus

Aus Anlass des Internationalen Tages gegen Rassismus findet vom 14. bis 21. März 2011 erstmals eine Aktionswoche statt. Alle, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Stadt Bern engagieren wollen, können sich mit eigenen Aktivitäten an der Aktionswoche beteiligen. Die Stadt leistet auf Gesuch hin finanzielle Unterstützung für die Umsetzung von Aktivitäten.

Der 21. März ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Die Stadt Bern organisiert aus diesem Anlass 2011 erstmals eine Aktionswoche gegen Rassismus. Vereine, Non-Profit-Organisationen, Firmen, Kirchgemeinden, religiöse Gemeinschaften, Schulen, Sportklubs, Einzelpersonen und alle Interessierten sind dazu eingeladen, sich mit einer Aktivität an der Aktionswoche zu beteiligen. In der Aktionswoche vom 14. bis 21. März 2011 sollen möglichst viele Menschen in Bern darauf aufmerksam gemacht werden, wie Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung Menschen ausgrenzen.

Mitmachen erwünscht

Um Teil der Aktionswoche zu werden und im Veranstaltungskalender zu erscheinen, muss eine Aktivität folgende Kriterien erfüllen:

* Die Aktivität setzt sich explizit mit dem Engagement gegen Rassismus, rassistische Diskriminierung und/oder Fremdenfeindlichkeit auseinander.
* Die Aktivität spricht weitere, nicht direkt beteiligte Personen an (öffentlich).
* Die Aktivität leistet einen konkreten Beitrag zur Sensibilisierung für das Thema Rassismus/Fremdenfeindlichkeit.


Die Stadt unterstützt Personen und Institutionen, die eine Aktivität durchführen mit maximal 2000 Franken. Sowohl Vorschläge für Aktivitäten wie Gesuche um finanzielle Unterstützung können bis zum 25. Oktober 2010 beim Kompetenzzentrum Integration eingereicht werden. Auf www.bern.ch/gegenrassismus können alle Informationen und Formulare heruntergeladen werden.

Öffentliche Informationsveranstaltung

An einer Veranstaltung erhalten Interessierte detaillierte Informationen zur Aktionswoche, diskutieren Ideen für eine Aktivität, bekommen Unterstützung zur Umsetzung ihrer Idee und können sich mit anderen engagierten Personen und Institutionen vernetzen. Die Veranstaltung findet statt am 14. September 2010 um 19 Uhr, im Kompetenzzentrum Integration der Stadt Bern (Meerhaus, Effingerstrasse 21, 1. Stock). Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Europäische Städte-Koalition gegen Rassismus

Die Aktionswoche ist eine Aktion der Stadt Bern als Mitglied der Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus, welcher die Stadt 2009 beigetreten ist. Gleichzeitig mit dem Beitritt hat der Gemeinderat einen Aktionsplan mit 37 Massnahmen verabschiedet, um Rassismus in der Stadt Bern zu bekämpfen. Eine der Massnahmen sieht vor, dass die Stadt Bern jährliche Aktionen zum Internationalen Tag gegen Rassismus durchführt. Weitere Informationen zur Städte-Koalition und zum Aktionsplan unter www.bern.ch/gegenrassismus.

Direktion für Bildung, Soziales und Sport

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FUCHS-GEN
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blick.ch 8.9.10

Damit das Skandal-Buch ein Bestseller wird: SVP-Fuchs will Sarrazin in die Schweiz holen

BERN - Thomas Fuchs ist Fan von Thilo Sarrazin. Der Schweizer lädt den Deutschen ein, will aber ein "Ghetto" wie bei Eva Hermans Bern-Besuch verhindern.

 Von Raphael Diethelm

Ex-Senator und Bundesbanker Thilo Sarrazin (65) trifft mit seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" auch in der Schweiz ins Schwarze: Die erste Auflage der umstrittenen Auseinandersetzung mit Geburtenrückgang, Zuwanderung und wachsender Unterschicht ist ausverkauft!

"Sein Buch ist hervorragend", schwärmt der Berner SVP-Grossrat Thomas Fuchs (44) in der "Aargauer Zeitung" von heute über Sarrazin. Er will den Mann, der Deutschland mit Aussagen über ein "Juden-Gen" empört hat, in die Schweiz einladen. "Herr Sarrazin soll selber wählen, ob er in Zürich, Aarau oder Bern auftreten will", sagt Fuchs gegenüber Blick.ch.

Grosses Vorbild - grosse Inserate

Der Präsident der rechtskonservativen Vereine Pro Libertate und Pikom will Sarrazin auch die Themenwahl überlassen: "Es muss einfach um sein Buch gehen."

Die Veranstaltung soll öffentlich sein und, so hofft Fuchs, 1000 bis 1500 Interessierte anlocken. "Das wird vergleichbar mit einem Blocher-Anlass", verspricht der SVPler. "Sobald ich Sarrazins Zusage habe, werde ich das Ganze mit Inseraten ankündigen."

Mit Polizei gegen "Gstürm vom strübsten"

Dass der Provokateur aus Berlin nicht nur Fans anziehen könnte, hat Fuchs mit der früheren TV-Moderatorin Eva Herman (51) erfahren. Als Pro Libertate die Frau, deren Frauen- und Familienbild ihr den Job bei der ARD kostete, im März 2007 nach Bern holte, gabs heftige Proteste.

"Dieses Gstürm vom strübsten wollen wir diesmal mit einer besseren Vorbereitung verhindern", sagt Thomas Fuchs. Dazu gehöre unter anderem ein dem Anlass entsprechendes Polizeiaufgebot. Um das Skandal-Buch für die Vereinsmitglieder schmackhaft zu machen, kämpft Fuchs um einen Rabatt: "Ich hoffe, dass wir 30 Prozent bekommen - und Sarrazin zum Bestseller wird."

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Aargauer Zeitung 8.9.10

Rechter Verein lädt Thilo Sarrazin in die Schweiz ein

 Die erste Auflage von Thilo Sarrazins Skandal-Buch ist in der Schweiz ausverkauft - jetzt wollen rechtskonservative Kreise von seiner Popularität profitieren

 Noch diese Woche will ProLibertate-Präsident Thomas Fuchs eine Einladung an Sarrazin verschicken.

 Benno Tuchschmid

 Es ist selten, dass der Berner SVP-Grossrat Thomas Fuchs bei Sozialdemokraten ins Schwärmen gerät. Doch wenn Fuchs über das SPD-Mitglied Thilo Sarrazin spricht, ist seine Begeisterung nicht zu überhören. "Sein Buch ist hervorragend." Thomas Fuchs ist Präsident der beiden rechtskonservativen Vereine Pro Libertate und Pikom (parteiunabhängiges Informationskomitee). Jetzt will er den Autor des Buches "Deutschland schafft sich ab" so schnell wie möglich in die Schweiz holen. "Wir werden noch diese Woche eine Einladung an Thilo Sarrazin verschicken."

 Gut möglich, dass Sarrazin beim Eintreffen der Einladung bereits nicht mehr in der SPD ist (siehe Update). Und auch als Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank droht ihm der Rauswurf. Seiner Beliebtheit bei Pro Libertate dürfte dies nur förderlich sein. Der Verein hat eine Vorliebe für deutsche Provokateure. Im März 2007 hatte Pro Libertate die ehemalige TV-Moderatorin Eva Herman nach Bern eingeladen. Die Moderatorin hatte sich mit verharmlosenden Statements zur Familienpolitik des Dritten Reichs unmöglich gemacht.

 Damit gleicht der Fall Herman dem Fall Sarrazin. Dieser hatte in einem Zeitungsinterview über ein "bestimmtes Gen" schwadroniert, das "alle Juden teilen". Ein Vokabular, das an die Nazi-Rassenlehre erinnert. Die Kritik war vernichtend. Thomas Fuchs will Sarrazins Äusserungen nicht kommentieren.

 "Den wunden Punkt getroffen"

 "Das Problem ist, dass sich nach Sarrazins heftigen Äusserungen in gewissen Zeitungen die Diskussion vom Inhalt des Buches wegentwickelte", sagt FDP-Nationalrat Philipp Müller, der in der Ausländerpolitik als Hardliner gilt. Er stelle fest, dass Deutschland nicht in der Lage sei, eine Ausländer-Debatte ohne Gehässigkeiten zu führen. In der Schweiz sei dies anders. Die Schweizer Demokratie ertrage solche Diskussionen. "Bei uns in der Schweiz ist die zentrale Frage: Wie viele Menschen erträgt das Land? Darüber muss man diskutieren, aber die Diskussion muss anständig bleiben", sagt Müller.

 Auch für SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer ist klar: "Sarrazin hat den wunden Punkt getroffen." Es gebe in der Islam-Debatte auch in der Schweiz Tabu-Themen, die bestimmte Gruppierungen mit Sprechverboten belegen wollten: "Darum interessieren sich auch hier viele für Sarrazins Buch."

 Tatsächlich verkauft sich das Buch auch in der Schweiz sehr gut. Beim grössten Schweizer Buchvertrieb Buchzentrum in Hägendorf will man keine genauen Zahlen bekannt geben, bestätigt aber, dass die erste Auflage in der Schweiz ausverkauft sei. Bei der Online-Buchhandlung Buch.ch wurden seit Veröffentlichung über 300 Exemplare ausgeliefert. Damit bewegen sich die Verkaufszahlen von "Deutschland schafft sich ab" in einem ähnlichen Rahmen wie die Bestseller von Henning Mankell oder Stieg Larsson.

 Thomas Fuchs will nun dafür sorgen, dass das Buch auch bei den Mitgliedern der JSVP und von Pro Libertate ein Bestseller wird. Diese sollen das Buch von Noch-SPD-Mitglied Sarrazin mit Rabatt kaufen können.

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THEATER
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Bund 8.9.10

"Eine Stadt ohne Theater ist keine Stadt"

 Seit die Stadtregierung vorschlug, das 170-jährige Theater aufzulösen, wird in Luzern heftig debattiert. Gegen allzu forsche Ideen wehrt sich der Direktor des Hauses.

 Alexandra Kedves

 Es sei vitaler, kreativer und schneller, sagen seine Supporter: Das freie Theater, das sich in den letzten Jahrzehnten neben den bürgerlichen Stadttheatern und Schauspielhäusern etabliert hat, verfüge immer noch über weniger Geld, sei aber trotzdem das bessere Theater. Stimmt das? Und hiesse das nicht, alte Strukturen abzubauen und die Gewichte in der Theaterlandschaft zu verlagern? Oder sind es im Gegenteil die traditionellen Häuser, die dem kulturellen Leistungsauftrag besser gerecht werden und ein breiteres Publikum ansprechen? Ist ihre solide Infrastruktur der ideale Nährboden für Innovation?

 Diese Diskussion hat die Schweiz erreicht - und besonders heftig Luzern. Dort läuft sie, seit die Stadtregierung vorschlug, das seit 170 Jahren bespielte Luzerner Theater in der heutigen Form als Dreispartenbetrieb aufzulösen. Das Musiktheater würde ab 2015 in die geplante Salle Modulable integriert, das Schauspielensemble und die Tanzcompagnie hingegen aufgelöst: erstens, um Geld zu sparen und so den teureren Betrieb des neuen Opernhauses zu ermöglichen; und zweitens, um im Gegenzug jährlich 1,5 Millionen Franken der freien Theater- und Tanzszene zur Verfügung stellen zu können.

 Nachdem das städtische Parlament diesen Planungsbericht "zustimmend zur Kenntnis" genommen hat, wird in Luzern hinter den Kulissen am Thema weitergearbeitet. In Arbeit ist ein Betriebskonzept für die Salle Modulable. Regelmässig trifft sich aber auch eine Fachkommission, in der diskutiert wird, wie der professionelle Tanz und das professionelle Schauspiel in Luzern künftig organisiert werden sollen (und ob 1,5 Millionen dafür genug sind). Die Debatten sollen heftig sein - kein Wunder, mit von der Partie sind Vertreter der freien Szene wie auch des Luzerner Theaters.

 Der Intendant des Luzerner Theaters hat die Katastrophenszenarien - sprich: die Auflösung seines Schauspielensembles - mittlerweile ad acta gelegt. "Diese Idee war ein Schnellschuss aus der Hüfte", sagt Dominique Mentha. Im Übrigen sei sie auch nicht im Sinne der freien Szene. Mit 1,5 Millionen Franken könne diese Szene nicht leisten, was das Luzerner Theater für die Stadt tue. Dieses gibt heute ziemlich genau diese Summe für Schauspiel und Tanz aus, nicht eingerechnet sind dabei aber die hohen Fixkosten. Die Fachkommission wolle das Theater nicht auflösen, verrät Mentha aus der laufenden Diskussion: Es stehe für den zuverlässigen Jahresbetrieb und biete in allen Sparten die nötige Grundversorgung.

 Es gibt Korrekturbedarf

 "Ich bin in Bern mit vielen Kleintheatern gross geworden, die mit Uraufführungen und Projekten von sich reden machten, die es am Stadttheater nicht gab. Heute ist das anders. Unser Theater hat mit biederem Bildungsbürgertheater nichts mehr zu tun. Wir haben genauso das Potenzial zur Sprengkraft wie die freie Szene. Das Schauspiel hat völlig freie Hand in seiner Programmierung. Und was unser Schauspiel an Kulturvermittlung und Pädagogik leistet, wie es verschiedene Publikumssegmente zusammenführt, wie es das Kulturleben inspiriert und vernetzt: Das ist durch die freie Szene einfach nicht zu schaffen. Den grössten künstlerischen Output für die Gesellschaft, vom ‹Hamlet› übers Musical bis zur Uraufführung, hat das klassische Stadttheater. Wenn ich mit Pathos formulieren darf: Eine Stadt ohne Theater ist keine Stadt. Die ästhetische Erziehung durchs Theater macht Bürger mündig für unsere Zivilgesellschaft. Im Grunde sollte man die Stadttheaterlandschaft des deutschsprachigen Raums zum Weltkulturerbe erklären."

 Mentha übersieht bei seinem Plädoyer fürs institutionalisierte Stadttheater nicht, dass die finanzpolitische Lage Korrekturen erzwingt. In Deutschland ist die Situation teilweise dramatisch, aber selbst in Biel und Bern stimmen die Finanzen nicht. Das mangelnde Geld lasse sich nicht wegdiskutieren, räumt er ein; oft seien auch Fehler gemacht, sei Renovationsbedarf verschlafen oder die Personalstruktur nie angepasst worden. Lange wurde an den grossen Theaterschlachtschiffen nicht gerüttelt. "Aber nie kann alles so bleiben, wie es ist."

 Auch in Luzern nicht, wo im Verhältnis wenig Leute fest angestellt sind. Mentha könnte sich vorstellen, das Opernensemble für die Salle Modulable in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik im Dreijahresrhythmus zu organisieren, das Schauspielensemble hingegen unverändert zu lassen. Ein gutes System dürfe man nicht aus finanzpolitischen Gründen über Bord werfen.

 Dass die freie Szene ihr eigenes Geld - und mehr davon - benötigt, ist für Mentha unbestritten. In Luzern sind grössere professionelle Produktionen im Off derzeit nahezu unmöglich. Über die Verbesserung der Situation denkt eine Arbeitsgruppe nach, und dabei soll auch die Kooperation von Luzerner Theater und Freien enger werden: beispielsweise mit einem Festival zu einem Thema. Oder indem das Luzerner Theater seinen Kostümfundus, seine Probebühnen oder die Technik auch den Freien zur Verfügung stellt.

 Weiter gehen möchte Mentha aber nicht. Das holländische Modell zum Beispiel hält er für nicht übertragbar auf die Schweiz. Weil es dort kaum Häuser mit eigenen Ensembles gibt, werden vor allem tourende Gruppen unterstützt. Mentha hält ein Sowohl-als-auch in der Schweiz für die bessere Lösung - subventioniert werden die Gruppen im Off, aber auch die bestandenen Häuser. "Man kann doch kein Stück für Luzern konzipieren und glauben, dass es in Zürich die gleiche Resonanz erzeugt."

 Die Grenzen nicht verwischen

 Der Nachteil eines Stadttheaters, das gesteht Mentha, kann das hierarchische System sein. Das Arbeitsklima habe sich im Vergleich zu früher zwar massiv geändert, und Bühnenkünstler könnten heute selbstverständlich Widerspruch äussern - aber die absolute Freiheit gebe es nicht. Da aber, wo Basisdemokratie probiert worden sei wie in Frankfurt, sei das Experiment gescheitert.

 "Es ist konzeptuell falsch, die Grenzen zwischen den Theaterformen völlig zu verwischen", glaubt Dominique Mentha. "Wenn die Freien sich nicht am etablierten Theater reiben können, fehlt ihnen ein wichtiger Katalysator - und uns das theatrale Gegenüber." Die freie Szene müsse eben das sein: frei. Auch frei vom Auftrag, vom Klassiker über das Musical bis zur Uraufführung alles zu zeigen. Wenn sich aber ein Stadttheater beschränke, blieben die Zuschauer weg. Beispiele fürs Scheitern allzu ambitionierter Programmmacher kennt die Schweiz. Mentha: "Man muss die Menschen bei ihren Sehnsüchten abholen und zu Neuem verführen."

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 Deutschschweizer Theater

 Eine kleine Übersicht

 Mehrspartenhäuser mit eigenen Ensembles

 Theater St. Gallen

 Theater Basel (das Ballett war in Gefahr)

 Luzerner Theater (in Diskussion)

 Stadttheater Bern (derzeit Neudefinition durch die Zusammenlegung des Theaters mit dem Berner Symphonieorchester)

 Theater Biel Solothurn (das Theater und das Sinfonieorchester Biel fusionieren).

 Freie Häuser, die teilweise (ko)produzieren

 Kaserne Basel

 Südpol Luzern

 Rote Fabrik Zürich

 Theaterhaus Gessnerallee Zürich (mit Direktion und Dramaturgie)

 Schlachthaus Bern

 Kulturzentrum Reitschule Bern (Volksabstimmung am 26. 9. über den Verkauf).

 Mischformen

 Theater Chur (1992 entschieden die Churer, das frühere Stadttheater nur noch als Gastspielhaus zu führen. 2006/07 erfuhr das Haus eine Neuorientierung als Koproduktionshaus für freie Produktionen.

 Theater Winterthur (Dreispartenhaus, aber nur Gastspiele)

 Tuchlaube Theater Aarau (Premieren- und Produktionshaus im Kanton Aargau mit Koproduktionen und vernetzten Projekten).

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 Häuslich oder lieber frei?

 Die Kontroverse um das Theater in der Schweiz wird immer lauter: Braucht es die alten Stadttheater noch?

 Alexandra Kedves

 Die einen tuns auf der Heubühne, die anderen zwischen Plüsch und Samt: Das Theater in der Schweiz kennt viele Orte und Formen. Das grosse "Volkstheater am Pfauen" in Zürich etwa wurde 1892 errichtet und ist mittlerweile ein Riesenbetrieb mit verschiedenen Spielstätten und Subventionen der öffentlichen Hand in Millionenhöhe. Dann gibts die sogenannte freie Szene, die sich immer wieder neu erfindet: Da lernen sich Schauspielstudenten kennen, entwickeln Projekte und starten als neue Theatergruppe ins Berufsleben. Es entstehen Netzwerke, die "Freien" haben ihre Festivals wie das Zürcher Theater Spektakel, die Szene ist in Bewegung und hat gleichzeitig ihr Urgestein. Christoph Marthaler experimentierte seinerzeit mit der Gruppe Tarot, und Barbara Frey begann in einer Rockband. Beide haben es, bekanntlich, an die Spitze des Zürcher Schauspielhauses geschafft.

 Noch vor 30 Jahren wären solche Grenzüberschreitungen undenkbar gewesen. Die Empörung über die hohen Subventionen für das Opernhaus führte schliesslich zur Gründung von Häusern für die Freien wie in Zürich die Rote Fabrik oder das Theaterhaus Gessnerallee. Die Kreativität "von unten" hatte nun ihre Räume; aber längst haben die Protagonisten der Off-Szene mit ihrer Kunst auch die etablierten Bühnen erobert. Heute sieht man Experimentelles, Videolastiges und Nacktes, Tanztheaterndes und Texttrunkenes hüben wie drüben. Rebellion und Schock lässt sich da nicht mehr so leicht produzieren; doch in Zeiten knapper Kassen brechen die Verteilungskämpfe zwischen "frei" und "etabliert" erneut aus.

 Und damit ist auch die Diskussion (wieder) eröffnet, wohin die Subventionen fliessen sollen, welches das bessere Theater ist. Für die beiden folgenden Seiten haben wir zwei Protagonisten der Diskussion zum Gespräch getroffen. Samuel Schwarz von 400asa, einer der profiliertesten freien Gruppen des Landes, und Dominique Mentha, Direktor des Luzerner Theaters, über dessen Zukunft derzeit diskutiert wird. Sie beantworten Fragen wie: Woher kommt die Kreativität? Sind die Stadttheater und Schauspielhäuser verschnarcht, die kleinen Freien sektiererisch? Schöpfen die etablierten Bühnen die Genies der freien Szene ab - und produzieren dann doch nur massentaugliches Mittelmass? Und gibt es diese Genies in der freien Szene überhaupt noch?

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"Wir wollen Libido, wir wollen Revolution"

 Das Stadttheater auflösen und das Geld der freien Szene geben - das fordert Samuel Schwarz, Mitgründer und Regisseur der Gruppe 400asa.

 Interview: Alexandra Kedves

 Herr Schwarz, die Theaterlandschaft ist im Umbruch. Die Stadttheater sind unter Druck, das Geld wird knapp. Wie positionieren sich die Freien und damit auch Ihre Gruppe 400asa?

 Krise als Chance, sage ich jetzt mal ganz plakativ. Wir werden ja - wie andere Gruppen - an Stadttheater eingeladen, um dort zu produzieren. 400asa zum Beispiel war schon in Bern, Konstanz, Hamburg. Das ist schön, weil es dort jeweils eine tolle Infrastruktur gibt. Aber es hat auch seine Schattenseiten: Am Stadttheater gibt man die Rechte an seinem Werk völlig ab; man kann dann nicht mehr einfach umgestalten, neue Fassungen des Abends entwickeln. Stadttheater können mit der kreativen, effizienten Energie einer freien Gruppe nicht gut umgehen, das liegt in ihrer Struktur; und deshalb haperts auch mit ihrer Kunst. Wenn die derzeitige Krise das Stadttheater zum Umdenken zwingt, ist das für alle ein Gewinn - zuerst fürs Stadttheater selbst und für sein Publikum, aber auch für die Freien, die von den fetteren Subventionen mehr abkriegen würden. Man kann sagen, dass wir auf die finanziellen Mittel und Ressourcen der Stadttheater neidisch sind, nicht aber auf deren Organisationsformen. Bespielen werden wir diese Häuser weiterhin, gerade weil wir Alternativen aufzeigen, wie es auch ginge.

 Wie hängt denn die Struktur der Stadttheater mit ihrer Ästhetik zusammen?

 Oft reproduziert das Stadttheater den militärisch-hierarchischen Aufbau vergangener Zeit: einen lähmenden Aufbau. Es gibt einen Verwaltungsrat, den Intendanten, den Chefdramaturgen, den normalen Dramaturgen, den Regisseur und zuunterst den entmündigten Schauspieler. Was soll der noch leisten?

 Und bei freien Gruppen?

 Bei 400asa ist der Schauspieler eine Bühnenbombe und entwickelt selbst unheimlich viel. Ich will einen Schauspieler, vor dem ich Angst habe, keinen Vollzugsbeamten. Zudem ist bei uns jeder in alles verwickelt: Technik, Konzept, Spiel - da gibt es keine klaren Grenzen. Wir wollen Libido, wir wollen Revolution, und wir wollen als Kontrast radikal-meditative Stille. Denn wir wollen nicht nur den Grossbürger, sondern auch den Kleinbürger abholen, gerade bei seinem Zorn und seiner Angst. Wir versuchen, Theater mit sozialer Ausstrahlung zu machen. Dazu gehören Skandal und Eventcharakter ebenso wie die rasche Reflexion aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. Ein riesiger, bürokratisierter Theaterdampfer kann das so gar nicht leisten. Er ist auch zu elitär, um nah am Kleinbürger zu inszenieren. Das schaffte im Stadttheaterbetrieb höchstens ein Schlingensief als Einzelerscheinung. Und diese Einzelerscheinung sollte dann als "Hofnarr" das andere Mittelmass rechtfertigen.

 400asa produziert aber auch nicht einen Reisser nach dem anderen.

 Wir haben schon mehrmals Morddrohungen erhalten. Und schon drei Kakteen der "Schweizer Illustrierten". Das macht mich stolz. Im Ernst: Mindestens einmal pro Jahr treffen wir den Nerv der Zeit, und die Reaktionen fallen entsprechend aus. Unsere Auslastung beträgt im Durchschnitt 85 Prozent. Wenn demgegenüber die Auslastung der festen Häuser noch mehr fällt als jetzt schon, wird man sie mit der Zeit in schlichte Spielstätten verwandeln, wo man sich einmieten kann. Leere Häuser kann sich keiner leisten.

 Das Stadttheater als freie Bühne: Ist das Ihr Konzept für die Zukunft?

 Nicht nur meins. In Luzern wird heftig darüber diskutiert, ob man das Sprechtheater am Stadttheater auflösen und die Gelder an freie Gruppen verteilen soll. Und in Bern wird überlegt, ob in Zukunft vier Gruppen das Haus leiten oder ein kleines Ensemble, das aber offen ist für die lokalen Gruppen. In der Schweiz könnte insgesamt das holländische Modell Vorbild sein: Man unterstützt nicht Häuser, sondern lebendige Teams mit eigenständiger, individueller Organisationsform. Sprich: Der Verteilschlüssel bei den Subventionen muss und wird anders aussehen. Die Gruppenförderung, die wir in Zürich bekommen haben, möchte ich da nicht loben: Was wir betreiben, ist Selbstausbeutung. Wir Kreativen brauchen mehr Geld, und das auf Kosten der kuratierenden Dramaturgen und Intendanten, die ihre ganze Legitimation nur aus Selektionsprozessen ziehen. Und die dann trotz ihrer hohen Löhne Spielpläne zusammenstellen, die wie ein Ei dem anderen gleichen.

 Hat das Stadttheater als effizienter Produktionsort nicht auch seine Vorteile für gastierende Freie?

 Technisch schon. Aber im Moment ist es meistens eher so, dass die etablierten Theater die kreativen Formationen sprengen, indem sie einzelne Köpfe für sich akquirieren. Sie suchen die korrumpierbaren Seelen innerhalb der Gruppen, die sich kaufen lassen und danach das konservative Lied des Einzelgenies singen. Der Wert der risikobereiten, innovativen Solidargemeinschaft wird von der bürgerlichen Institution Stadttheater - noch - nicht erkannt. Ich musste schon Tricks anwenden, um bei einer Aufführung die für das Projekt nötigen Leute unterzubringen. So kann es nicht funktionieren, denn gerade in den Kreativteams steckt eben die publikumsgenerierende Kraft. Irgendein vereinzelter Regisseur, der in einer fremden Stadt ihm ausgelieferte Schauspieler herumdirigiert, produziert in erster Linie soziale Kälte. Diese will niemand miterleben, was man an den sinkenden Auslastungszahlen sieht. Da gehen die Leute lieber in die qualitativ immer besser werdenden Sommer-Freilichtspiele. Da wird wenigstens schön gesungen.

 Haben Schauspieler und Regisseure am Stadttheater nicht auch viele Gestaltungsmöglichkeiten - und dazu noch Planungssicherheit?

 Planungssicherheit, dieses Wort ist verräterisch. Natürlich planen auch wir und machen Verträge, aber Unverrückbarkeit und Unbeweglichkeit gibt es bei uns nicht. Echte Freiheit gibt es am grossen, starren Haus nur im Ausnahmefall: bei einem Intendanten wie Christoph Marthaler etwa. Deshalb wurde Marthaler in Zürich auch abgeschossen: Seinen unhierarchischen, gleichzeitig hoch effizienten Stil konnte der bürgerliche Verwaltungsrat schlecht ertragen. In den meisten Stadttheatern regiert ein klammer, militärischer Biedersinn aus den Fünfzigerjahren.

 Und was ist mit den unabhängigen Ensembletheatern und den offeneren Häusern?

 Selbst das Theater am Neumarkt - das ich im Grunde sehr schätze - ist in einer veralteten Hierarchieform gefangen. Nicht bezüglich der künstlerischen Leitung, aber bezüglich seines Verwaltungsrats aus Credit-Suisse-Anwälten und Multimilliardären, die sich für Theater gar nicht interessieren. Schade ist, wenn die freie Szene die Hierarchiestruktur der Stadttheater kopiert. Warum es etwa an Theaterhäusern, die für die freie Szene geschaffen wurden, Intendanten und Dramaturgen braucht, ist mir und auch vielen anderen Theaterschaffenden nicht klar. Ich bin mir aber sicher, dass bald mehr Geld zu denen fliesst, die tatsächlich produktiv sind. Ist das alte Hierarchiemodell der Stadttheater denn so wahnsinnig schützenswert? Diese Frage wird auch von der Kulturpolitik gestellt werden, wenn sie den grösseren ökonomischen und künstlerischen Erfolg der freien Zellen der künstlerischen Wirkungslosigkeit und den schlechten Auslastungszahlen der altmodisch organisierten Stadttheater gegenüberstellt.

 Dennoch gibt es an solchen Häusern wie dem Theaterhaus Gessnerallee und eben am Stadttheater immer wieder bravouröse und innovative Arbeiten zu sehen.

 Ja, das aber vor allem in Berlin, wo man viel Konkurrenz hat und sich deshalb am Publikum und am Erfolg orientieren muss. Dort gibt es einen Frank Castorf an der Volksbühne, einen Thomas Ostermeier an der Schaubühne und sogar den etwas peinlich gewordenen Claus Peymann: Starke Künstlerhandschriften, peinlich oder nicht, werden dort getragen, nicht behindert, und das jahrzehntelang. Man motzt zwar auch in Berlin über diese Künstler, schwatzt ihnen Krisen an. Aber wenigstens redet man über sie. Und deshalb finden sie auch grösseren Anklang. Aber ausserhalb Berlins siehts meistens weniger spannend aus.

 Heisst das, dass wir das Stadttheater abschaffen müssen oder dass es besser werden sollte?

 Machen wir uns nichts vor: Der gesellschaftliche Konsens, dass Theater ein Wert an sich ist, existiert in vielen Gemeinden nicht mehr. Deshalb wird auf lange Sicht jenes Theater überleben, das intelligentes Sprechtheater mit Eventcharakter bietet und das seine gesellschaftliche Anbindung nicht verloren hat. Wir müssen relevanter werden - und dazu braucht es Chaos-Power wie zu Shakespeares Zeiten, mehr freie Köpfe und weniger Betriebsnudeln. Auch Theaterstudios - wie wir sie in China gerade kennen gelernt haben -, geleitet von starken Regisseuren, ein Gemisch aus Theaterproduktion und -schule, sind eine spannende Form. Mit den vorhandenen Subventionen wäre im deutschsprachigen Raum mehr Vielfalt möglich. Die Häuser fressen zu viel Geld.

 Wenn sich die Idee frei bespielbarer Häuser durchsetzen würde - wer sollte dort das Programm koordinieren?

 Reicht es nicht, wenn jemand für die Vermietung zuständig ist? Man darf die freie Szene nicht als einen Haufen wildgewordener Rivalen betrachten. Im Gegenteil: Der Trend geht zu mehr Netzwerken und Kooperationen, auch wegen der Finanzierung. 400asa zum Beispiel hat jetzt mit dem neu gegründeten Churer Ensemble eine Vernetzung nach Graubünden und hat zudem mit der Berliner Sektion Nord und der Sektion Bern zwei Hauptstadtzellen ins Leben gerufen. Auch mit tollen Gruppen wie Faraday Cage, Rimini Protokoll, Schauplatz International und She She Pop vernetzen wir uns gerne. Egal, wo in der Welt diese sich gerade herumtreiben. Ein positives Signal ist auch, dass mit Michel Schröder nun ein Künstler das Fabriktheater in Zürich mitleitet. Das ist der Beginn eines Paradigmenwechsels. In Zukunft werden die Gruppen die Häuser besetzen, und durchsetzen wird sich das, was das Publikum sehen will: Im 21. Jahrhundert kehrt das Theater in die Gesellschaft zurück.

 "Ja, auf die Mittel der Stadttheater sind wir neidisch."

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ANTI-ATOM
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BZ 8.9.10

SP fordert BKW-Zensur

 Der AKW-Abstimmungskampf ist im Kanton Bern schon im Gange: Die SP will der BKW Energie AG die Propaganda verbieten.

 Voraussichtlich im Februar 2011 wird das Bernervolk darüber abstimmen, ob in Mühleberg ein neues Atomkraftwerk (AKW) gebaut werden soll oder nicht. Bereits jetzt bringen sich die Parteien und Lobbyisten in Stellung. So hat die SP vier Vorstösse zum Thema eingereicht. Durchbringen wird sie diese im klar bürgerlich dominierten Grossen Rat zwar kaum. Es geht der SP wohl mehr darum, dass sich "ihre" rot-grüne Regierung hinter die Vorstösse stellen kann und in der Öffentlichkeit darüber diskutiert und geschrieben wird.

 Mit einer Motion will die SP der BKW Energie AG Abstimmungspropaganda verbieten. Bereits im Juni erhielt sie dafür indirekt Unterstützung vom Regierungsrat: Dieser schrieb in der Antwort auf eine SP-Interpellation, er wolle sich "dafür einsetzen", dass die BKW-Abstimmungsgrundsätze "durch den Verwaltungsrat überprüft werden". Diese Grundsätze hat der BKW-Verwaltungsrat 1987 erlassen. Sie sehen vor, dass die BKW die Bevölkerung vor Volksabstimmungen informieren kann, wenn das Unternehmen betroffen ist.

 Die BKW denkt denn auch nicht daran, darauf zu verzichten. Sie verweist auf das Bundesgericht, das mehrmals entschieden habe, dass sich Direktbetroffene bei Abstimmungen engagieren dürften.

 Dessen scheint sich auch die SP bewusst zu sein. Ihre Motion ist jedenfalls zurückhaltend formuliert: Sie fordert, "dass finanzielle Beteiligungen der BKW in Abstimmungskampagnen und in -komitees a) unterbunden oder b) mindestens offengelegt werden". Die SP scheint also selber nicht an ein Verbot zu glauben.

 Dominic Ramel

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Aargauer Zeitung 8.9.10

Endlager bewegt die Gemüter

 Info-Veranstaltung in Niedergösgen

 Das Bundesamt für Energie tingelt im Moment durch das Land und informiert die Bevölkerung über das Auswahlverfahren für den Standort eines Endlagers für radioaktive Abfälle. In Niedergösgen stiess das Vorhaben auf wenig Begeisterung. "Das Niederamt erhält durch ein solches Endlager ein schlechtes Image", war aus dem 170 Köpfe zählenden Publikum zu hören. "Wir wollen nicht zum Abfallkübel der Nation werden", hiess es nicht zuletzt aus den Reihen des Vereins NoE (Niederamt ohne Endlager). Dieses hatte bereits vor dem Eingang zur Veranstaltung gelbe, mit Radioaktivitätssymbolen versehene Fässer deponiert. (az) Seite 34

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"Nicht Abfallkübel der Nation"

 Bundesamt für Energie lud zum Info-Forum zu einem Endlager nach Niedergösgen ein

 "Ihre Meinung ist gefragt": Unter diesem Motto lud das Bundesamt für Energie in die Mehrzweckhalle Inseli nach Niedergösgen ein. Ziel war, zu informieren, wo man am Ende der ersten Etappe des Auswahlverfahrens für ein Endlager für radioaktive Abfälle steht.

 Beat Wyttenbach

 Laut Niedergösgens Gemeindepräsident Kurt Henzmann habe man am Montagabend in der Mehrzweckhalle Inseli für 380 Gäste Stühle bereitgestellt. Es stellte sich heraus, dass rund 170 Personen erschienen waren, um der Informationsveranstaltung betreffend ein mögliches Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in der Region Jurasüdfuss beizuwohnen. Eingeladen hatte das Bundesamt für Energie (BfE). Als Referenten erschienen waren Michael Aebersold (Projektleiter Sachplanverfahren BfE), Franz Schnider (Vizedirektor BfE), Hanspeter Jeseneg (Präsident Plattform Jurasüdfuss) sowie Regierungsrat Peter C. Beyeler (Aargau) und Landammann Walter Straumann (Solothurn).

 Alle Standorte weiter dabei

 Nach der Begrüssung durch den Landammann oblag es Schnider, kurz nochmals das dreietappige Auswahlverfahren für die Tiefenlager zusammenzufassen. Als Quintessenz hielt er fest, dass das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) dem Auswahlverfahren der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) zugestimmt habe und die Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) ihrerseits die Arbeit des Ensi überprüft und gutgeheissen habe. Die Quintessenz: Alle sechs möglichen Standorte seien immer noch im Rennen, und man habe unterdessen auch den provisorischen Planungsperimeter für die oberirdischen Zugangsbauten festgelegt (wir berichteten).

 Der Aargauer Regierungsrat Peter C. Beyeler hielt fest, dass sein Kanton gleich mit drei möglichen Standorten (Jura-Südfuss, Bözberg und nördlich Lägern) in die Sache involviert sei; 85 Gemeinden befänden sich gesamthaft in den einzelnen Planungsperimetern (dies bei 19 Gemeinden im Kanton Solothurn, Anmerkung der Redaktion). Für ihn war es wichtig, "dass wir vergleichbare Standortfaktoren haben". Es solle am Ende des Verfahrens der absolut sicherste Standort ausgewählt werden. "Standorte zu kaufen, wäre der falsche Weg", betonte Beyeler; eine Bemerkung, die ironische Zwischenrufe hervorrief.

 "Eher ein Einstellungsverfahren"

 In der anschliessenden Diskussionsrunde erhielt das Publikum Gelegenheit, seine Sorgen und Ängste zu äussern. "Das Niederamt erhält mit einem solchen Endlager ein schlechtes Image. Wir wollen nicht zum Abfallkübel der Nation werden", war mehr als einmal zu hören. Die langen Zeiträume der Überwachung nach dem Bau der Endlager waren ferner ebenso Thema wie das Mitwirkungsverfahren. "Dieses ist eher ein Einstellungsverfahren", monierte Kantonsrat Urs Huber (Obergösgen), der sich überzeugt zeigte, dass die Endlager-Vergabe schliesslich politisch entschieden werde. "Das Endlager kommt nicht dorthin, wo sich die Leute nicht wehren.

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Grenchner Tagblatt 8.9.10

Jurasüdfuss ist immer noch dabei

Endlager Info-Anlass des Bundes in Niedergösgen

 Unter dem Titel "Ihre Meinung ist gefragt" lud das Bundesamt für Energie (BfE) am Montagabend in die Mehrzweckhalle Inseli nach Niedergösgen ein. Rund 170 Personen sind erschienen, um der Informationsveranstaltung betreffend ein mögliches Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in der Region Jurasüdfuss beizuwohnen. Ziel des Anlasses war es, über die erste Etappe des Auswahlverfahrens für den Bau eines Tiefenlagers zu informieren. Die Quintessenz: Gemäss BfE-Vizedirektor Franz Schnider sind alle sechs möglichen Standorte - die Region Jurasüdfuss ist eine davon - immer noch im Rennen. Der Solothurner Landammann Walter Straumann betonte die gute Zusammenarbeit zwischen den Kantonen und den Bundesämtern; es sei wichtig, das entsprechende Wissen beizuziehen. Er hielt fest, dass die verschiedenen Anliegen der Gemeinden und Körperschaften ernst genommen würden, und er könne sich vorstellen, dass man beim BfE insbesondere auf die tektonische Situation sowie die bautechnischen Schwierigkeiten beim Bau eines Endlagers in der Jurasüdfuss-Region hinweisen werde.

 In der anschliessenden Diskussionsrunde erhielt das Publikum Gelegenheit, sich zu äussern. "Das Niederamt erhält mit einem solchen Endlager ein schlechtes Image, wir wollen nicht zum Abfallkübel der Nation werden", war zu hören. Die langen Zeiträume der Überwachung nach dem Bau der Endlager waren ferner ebenso Thema wie das Mitwirkungsverfahren. "Dieses ist eher ein Einstellungsverfahren", monierte Kantonsrat Urs Huber (SP, Obergösgen), der sich überzeugt zeigte, dass die Endlagervergabe politisch entschieden werde. (otr)

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Tagesanzeiger 8.9.10

SP und Grüne erzielen keine Einigkeit

 Am Montagabend hat in Bachs die Gründungsversammlung zum Verein LoTi (nördlich Lägern ohne Tiefenlager) stattgefunden. Die Angelegenheit wurde zur Rot-Grün-politischen Austragung.

 Von Raquel Forster

 Bachs - Rund 60 Personen haben sich an diesem Abend in einem Saal des Restaurants Neuhof in Bachs eingefunden, um den Verein LoTi (nördlich Lägern ohne Tiefenlager) zu gründen. Sie stammen aus den Kantonen Aargau, Zürich und aus Deutschland. Kurzum: aus dem Gebiet Lägern Nord, welches von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) für ein potenzielles Atommülllager vorgesehen ist. Alle Anwesenden, darunter Bürger und Politiker, hatten ein gemeinsames Ziel: zusammenzufinden, um auf Bevölkerungsseite Widerstand zu formulieren. Dass die Versammlung zum Knatsch zwischen Rot und Grün führte, hatte nicht nur mit der Dringlichkeit der Angelegenheit zu tun. Denn um beim Partizipationsprozess mitreden zu können, war eine Vereinsformierung auf Bevölkerungsseite dringend notwendig.

 Das Gebiet Lägern Nord ist genauso wie das Zürcher Weinland und die Region Bözberg als Standortgebiet eines Endlagers für Atommüll vorgesehen. So sollen in mindestens zwei dieser Regionen in rund zehn Jahren hochaktive Abfälle entsorgt werden. Welche Regionen das sein werden, wird von Bundesrat und Parlament in ein paar Jahren entschieden.

 Politischer Machtkampf

 Der Verein LoTi sollte politisch überparteilich agieren, um eine möglichst breite Masse der Öffentlichkeit zu repräsentieren und zu erreichen. So waren für die Vorstandswahl ursprünglich 14 Mitglieder vorgesehen, die sich bunt gemischt aus SP, Parteilosen und Grünen zusammensetzten. Doch als die grüne Alt-Kantonsrätin Susanne Rihs-Lanz um eine Verschiebung der Präsidiumswahl bat, weil der Kanton Zürich noch zu schwach vertreten sei und noch keine Zeit gehabt habe, sich zu formieren, entbrannte - wie es schien - ein politischer Machtkampf zwischen SP und Grünen. Die Forderung der grünen Alt-Kantonsrätin und weiterer Mitglieder der Grünen Partei wurde ignoriert, mit der Folge, dass vier Grüne ihre Vorstandskandidatur zurückzogen. Im Eiltempo wurde nach zweieinhalb Stunden schliesslich auch das Co-Präsidium zwischen Astrid Andermatt, Aargauer SP-Grossrätin, und Rosi Drayer, Vertreterin der süddeutschen Region, ausgemacht. Dass sowohl die Vereinsgründung als auch die Wahl des Vorstandes und der weiteren Organe eilte, war klar. Denn schon diese Woche vertritt der Verein bei der Informationsveranstaltung des Bundesamtes für Energie (BfE) die Interessen der Bevölkerung. Dennoch war ein Zerwürfnis zwischen den Parteien nicht zu übersehen: Von den ursprünglich vorgesehenen Vorstandsmitgliedern findet sich nun nur noch ein Grüner - die Mehrheit gehört der SP an.

 "Die Sache ist wichtig genug"

 Die Bestürzung über den Rückzug der Grünen war mehreren Anwesenden anzusehen. So auch Daniel Frei, Gemeinderat aus Dielsdorf: "Ich hätte mir gewünscht, dass nicht die Parteien, sondern die Sache im Vordergrund steht." Denn die sei ja wichtig genug. Es gilt, extrem giftige Substanzen, die eine Million Jahre lang strahlen, unter der Erde zu entsorgen. 20 000 Generationen sind laut Remco Giovanoli von der Schweizerischen Energiestiftung (SES) davon betroffen. Umso wichtiger sei es nun, zusammenzuarbeiten. Nur damit könne man Forderungen stellen, denn die Lagerung der Abfälle aus Medizin und Forschung sei "keinesfalls gelöst". Je breiter sich der Verein politisch abstütze, desto stabiler sei er dann. "Ein Mensch mit einem Bein steht schliesslich weniger gut als ein Mensch mit fünf Beinen", so Giovanoli. Die Grünen waren aber nicht umzustimmen: "Unsere Forderung wurde von der SP zunichtegemacht", sagte Rihs-Lanz.

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Kommentar

 Machtkampf entzweit Atomgegner

 Der Widerstand gegen ein Atommüll-lager im Grenzgebiet der Kantone Zürich und Aargau nimmt Gestalt an. Am Montag fand die Gründungsversammlung der Bürgerorganisation LoTi (nördlich Lägern ohne Tiefenlager) statt.

 Dass sich besorgte Bürger zusammentun, ist begrüssenswert. Denn das Entsorgungsproblem ist nicht gelöst. Wichtige (technische) Fragen bleiben angesichts des Zeitraums von 1 Million Jahre offen, wie etwa die Schweizerische Energiestiftung aufzeigt.

 Vereine wie KAIB (Kein Atommüll im Bözberg), NOE (Niederamt ohne Endlager) oder nun eben LoTi können die Bevölkerung wachrütteln.

 Das neue Gremium, das die Menschen im Zürcher Unterland, dem Aargau und Süddeutschland vertreten will, ist laut seinen Statuten politisch neutral. Es solle kein "grün-rot-linker Verein" werden, hatte die Initiantin, die Aargauer SP-Politikerin Astrid Andermatt, im Vorfeld verlauten lassen. Weiter erklärte sie, dass sie sich als LoTi-Präsidentin zur Verfügung stelle, aber auch gern jemand anderem den Vortritt lasse.

 Nun teilt sich die Aargauerin die Vereinsleitung mit einer süddeutschen SPD-Politikerin. Und LoTi ist tatsächlich kein rot-grüner Verein geworden. Im Vorstand amten fast ausschliesslich Personen mit sozialdemokratischem Hintergrund. Die Grünen, angeführt von Susanne Rihs-Lanz, haben sich wutschnaubend zurückgezogen.

 Der Kanton Zürich sei im Gremium zu wenig vertreten, hatten die Unterländer Grünen bemängelt. Zudem habe man zu wenig Zeit gehabt, um sich zu formieren. Nun wollen sie eine eigene Bürgerorganisation aufbauen.

 Schon morgen bietet sich den "Endlager"-Kritikern eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren. Dann führt der Bund in Glattfelden eine öffentliche Anhörung durch (Beginn 19 Uhr). LoTi will auf jeden Fall präsent sein - mit oder ohne grüne Unterstützung.

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Handelszeitung 8.9.10

Unternehmen

 Die goldenen Jahre sind vorbei

 Strombranche In den letzten Jahren bauten Schweizer Stromfirmen Dutzende Kraftwerke in Europa. Doch nun bremst die Wirtschaftslage die Expansion.

 Jürg Meier

 Die grossen Schweizer Energieversorger verschicken gerne dicke Pressemappen über neue Windparks und Solaranlagen, die sie im Ausland auf die Beine stellen. Doch das dicke Geschäft winkt anderswo, zum Beispiel in Tuzla, Bosnien: Dort interessiert sich der Schweizer Energieriese Alpiq dafür, Strom aus einem neu geplanten Kohlekraftwerk zu beziehen. Dieses hätte eine Leistung von 450 MW - mehr als das AKW Mühleberg.

 Wie die nebenstehende Karte zeigt, bauen die grossen Schweizer Versorger im Ausland Kraftwerk um Kraftwerk. 70 Anlagen bestehen bereits oder sind geplant; dazu kommen weitere Projekte von kleineren Versorgern, die nicht aufgeführt sind. Der in den Anlagen produzierte Strom stammt zu fast 99% aus Kohle, Gas und Uran, so die Umweltorganisation Schweizerische Energiestiftung (SES).

 Risiken werden sichtbar

 Risikolos ist das Geschäft nicht. So schockierte vor Kurzem die Schweizer Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) mit einer Gewinnwarnung. Die EGL ist der Auslandarm des Stromversorgers Axpo. Ein Grund war ein Abschreiber auf einem Projekt für ein Gaskraftwerk in Italien. Das Land galt lange als Eldorado für Auslandengagements: Eigene Kraftwerke fehlen, die Strompreise sind hoch. Doch die Rezession dämpfte die Stromnachfrage empfindlich. ZKB-Analyst Sven Bucher: "Mit einem Einbruch wie in der letzten Wirtschaftskrise hatte niemand gerechnet." Bucher geht zwar davon aus, dass die Nachfrage in Italien wieder steigt. Es könne aber noch "einige Zeit" dauern, bis das Verbrauchsniveau vor der Krise wieder erreicht sei. Italien ist auch ein Zielmarkt des Stromversorgers BKW aus Bern. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage seien einige Akteure unter Druck geraten, räumt Mediensprecher Antonio Sommavilla ein. Das Marktpotenzial bleibe zwar interessant, die Situation gelte es aber "sorgfältig zu beobachten".

 Doch zurückstecken wollen die Schweizer Konzerne nicht. So erklärt Heinz Karrer, CEO der Axpo Holding: "Die Axpo wird über ihre Tochter EGL im europäischen Markt weiter wachsen." Laut Karrer sei nun einmal jedes Geschäft mit Risiken verbunden - auch das in der Schweiz. Das liegt etwa am regulatorischen Umfeld in der Schweiz. Alpiq-Mediensprecher Andreas Werz: "Wenn wir in der Schweiz immer mehr statt weniger Kunden zu Gestehungskosten statt zu Marktpreisen beliefern müssen, ist das alles andere als ein risikofreies Umfeld." Auch Alpiq will laut Werz in Europa weiter expandieren.

 Nur: Die Goldgräberzeiten sind nach Einschätzung von Marktkennern auch in Europa vorbei. "Die Dynamik der letzten sieben bis acht Jahre werden wir nicht mehr so schnell sehen", erklärt ZKB-Analyst Bucher. Vontobel-Analyst Andreas Escher bestätigt: "Mittelfristig wird es ruhiger werden." So hätten Länder wie Italien einen wahren Kraftwerkbauboom erlebt, in anderen wie etwa Spanien habe die Rezession das Wachstum gebremst. Der Entscheid Deutschlands, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern, könne zudem dazu führen, dass andere Projekte - etwa neue Kohlekraftwerke - aufgeschoben werden, so Escher.

 Unter Druck kommt das Auslandengagement der Schweizer Stromer noch aus anderen Gründen. Sie sind mehrheitlich im Besitz der Kantone und Gemeinden und geraten verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit. "Uns stellt sich die Frage, inwieweit es die Aufgabe der grossen Schweizer Stromversorger ist, in diesem Masse im Ausland zu investieren", sagt Sabine von Stockar von der SES. "Ist es richtig, dass die Firmen im Ausland riesige Beträge in CO2-Schleudern wie etwa Kohlekraftwerke investieren, anstatt in der Schweiz die Produktion von sauberem Strom auszuweiten?"

 nachgefragt

 "Die Risiken sind im Ausland nicht grösser"

 Andreas Escher ist bei der Bank Vontobel in Zürich zuständig für die Aktienanalyse der Schweizer Energieversorger.

 Warum investieren Schweizer Stromfirmen in diesem Ausmass im Ausland?

 Andreas Escher: Der Schweizer Markt ist klein, reguliert und nur de jure liberalisiert. Die komplexe schweizerische Gesetzgebung mit Strompreisbindung fördert eine Expansion ins Ausland geradezu. Zudem sind abgesehen von Pumpspeicher-Kraftwerken die signifikanten Ausbaumöglichkeiten in der Schweiz beschränkt.

 Handeln sich die Firmen nicht erhebliche Risiken ein?

 Escher: Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Risiken im Ausland grösser sind als im Inland. Im heimischen Markt drückt das Korsett des unberechenbaren Regulators. Im Gegensatz dazu sind die ausländischen Marktmechanismen einfacher einzuschätzen.

 Besteht die Gefahr, dass die Politik dieser Expansion ein Ende setzt?

 Escher: Da die Versorgerunternehmen mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand sind und der Strommarkt sehr komplex ist, besteht diese Gefahr durchaus. Leider, muss man sagen.

 Welche Märkte sind für Schweizer Stromfirmen in Zukunft attraktiv?

 Escher: Das Potenzial liegt klar in Osteuropa. Rumänien etwa hat im Vergleich zur Schweiz viermal mehr Einwohner, aber den gleichen Stromverbrauch pro Jahr. Zudem sind diese Märkte wenig liquide und somit interessant.

 Interview: Jürg Meier