MEDIENSPIEGEL 9.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, DS, GH)
- Reitschule bietet mehr: Ruhe vor dem Sturm im Hess-Wasserglas
- Bewegungsmelder bietet mehr
- Philippe Müller bietet mehr?
- Rabe-Info 9.9.10
- Biennale Bern
- Bibliothek des Widerstandes
- Drogen: Kampagne gegen Kokain + Nigerianer;
Drogenscheinkäufe
- Alkverbot: Schnapsidee
- Police ZH: Aufstockung
- Schnüffelstaat: Ursprünge CH; BS; Grundrechtsschutz
- Solidarité sans fronitères: Balthasar
Glättli geht
- Jenische: Staatliche Kindsentführung
- Skander Vogt: Knasttod nicht vergessen
- Weggesperrt: Portrait in der Rundschau
- Queer Cinema: "Luststreifen" in Basel
- Hetero-Bravo-normativ: 50 Jahre Bravo + Homosexualität
- Big Brother Sport BS: Falscher Hooligan verliert Stelle
- Waffenhandel: Bundesrats-Herzeli für die
Rüstungsindustrie
- Fragwürdiger Prozess gegen Tierschützer in Wien geht
weiter
- Anti-Atom: BKW-Propaganda; Tiefenlager, 3. Generation
Reaktoren;
Uranabbau-Skandal
----------------------
REITSCHULE
----------------------
Do 09.09.10
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
19.00 Uhr - Frauenraum - "Frauenhandel in der Schweiz -
wie sieht der
Schutz der Opfer aus?" Veranstaltung des Bleiberechtskollektivs Bern
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An
Apocalyptic Comedy
von Action Theatre
21.00 Uhr - Rössli - james reindeer, james p honey
(London), babel
fishh (USA), son kas und Das Fest (D)
20.30 Uhr - Grosse Halle - Praed trifft Norient:
Audio-visuelle
Performances
Fr 10.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An
Apocalyptic Comedy
von Action Theatre
23.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: SHANTEL
DJ-Residency - Balkan,
Gypsy
Sa 11.09.10
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE
Frauenkleidertauschbörse abseits der
Modeindustrie, women only
17.00 Uhr - Reitschule - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule (Treffpunkt beim Tor)
20.00 Uhr - Kino - TATORT REITSCHULE: "Harry hol schon
mal den Wagen" -
2x Derrick Specials!
20.30 Uhr - Tojo - Dying for Oil, Gods and iPods, An
Apocalyptic Comedy
von Action Theatre
20.30 Uhr - Grosse Halle - Grass:
Dokumentarisch-Nomaden-Kino mit
Live-Vertonung
22.00 Uhr - Dachstock - Gamebois Plattentaufe "Loops".
Support: James
Gruntz (BS), DJ?s Sassy J & Benfay - Soul, Hiphop
So 12.09.10
17.00 Uhr - Grosse Halle - Berner Symphonie Orchester:
Biss zum
Original - Nosferatu
21.00 Uhr - Tojo - Influx Controls von Boyzie Cekwana
(Biennale Bern)
Mo 13.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Influx Controls von Boyzie Cekwana
(Biennale Bern)
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
---
Bund 9.9.10
James Reindeer
Bürgerschreck-Rap im Rössli
Rap hat ja ein gewaltiges Imageproblem. Er wird nicht mehr
gefürchtet. Dies zu ändern haben sich die fünf Herren
vorgenommen, die heute Abend im Rössli einkehren. James Reindeer,
James P. Honey, Babel Fishh und Das Fest. Sie zelebrieren das Genre des
Indie-Rap: abstrakt, psychedelisch, technoid, verstörend,
wutschwanger und wunderbar wild. (len)
Reitschule Rössli Donnerstag, 9. September, 21 Uhr.
---
Bund 9.9.10
Sounds Gamebois
Soul und Unterhaltungselektronik
Ein Sänger auf Knien, eine quietschende Gameboy-
Orgel, eine
Handvoll wasserdichter Refrains und ein grosses Missverständnis:
Die Berner Soulbrüder Gamebois legen ihr zweites Album vor.
Christoph Lenz
Benjamin Kasongo ist keiner, der lange fackelt. Schon nach
den
ersten acht Takten kniet er nieder. Um zu flehen und zu flöteln,
um zu schmachten und zu charmieren. Die Sache ist eben die, dass sie,
das "süsseste Ding", das ihm je unter die Augen gekommen ist, fort
ist und er immer noch da. Und was gibt es Schlimmeres.
Der Berner Soul-Zweispänner Gamebois legt also ein
neues
Album vor. "Loops" heisst es. Aber nicht, weil die Repetition von
Klangschnipseln darin besonders häufig Verwendung findet. Sondern
weil, wie Sänger Benjamin Kasongo und Programmierer Fabio Friedli
erklären, der Albumtitel zu einem Zeitpunkt festgelegt wurde, als
ebendiese Technik noch prägnantes Element ihrer Songs war, was
inzwischen aber nicht mehr der Fall ist. Insofern sei der Titel, das
sähen sie selbst ein, vielleicht schon ein bisschen
irreführend. Aber so ein Album sei halt eine lange Geschichte,
eine komplizierte Sache.
Musik aus dem Forschungslabor
Kompliziert ist etwa die Arbeitsweise der Berner Gamebois.
Statt
einem Konzept oder einer Leitidee zu folgen, gehen Fabio Friedli und
Benjamin Kasongo bei der Entwicklung ihrer Songs vor wie ein
Forschungslabor. Es gibt als Rohmaterial einen Beat, einen Text oder
auch nur ein Lick. Und dann wird getestet: Tempo rauf, Tempo runter,
mehr Druck, dünneres Arrangement, dieser Sound, jenes
Geräusch, dieser Synthesizer, jene Melodie. Mit der Zeit
häufen sich dreissig und mehr Versionen desselben Songs an. Welche
Fassung letztlich auf dem Album verewigt wird, diese Entscheidung folgt
erst ganz zum Schluss. So lässt sich auch das Missverständnis
beim Albumtitel erklären. Als die Marketingabteilung den
Produktnamen festgelegt hat, war die Forschungsabteilung noch nicht
bereit, die Arbeit einzustellen.
Kann ja mal passieren. Und schliesslich ist es just dieser
Tüftlergeist, der den Gamebois vor zwei Jahren mit ihrem
Debütalbum "If I Ever" etliche Auszeichnungen, unter anderem bei
der M4Music Demotape Clinic, eingebracht hat. Die kruden Klangcollagen,
die ungeschliffenen, verstolperten Beats, die finstere Atmosphäre
- ein Hochrisiko-Album war das, sehr beeindruckend.
"Loops" (Equipe Music) weist nun in eine andere Richtung:
Nu-Soul. Die Sounds erscheinen sehr viel geschmeidiger als auf dem
Vorgänger, die Songs zutraulicher. Auf den Beat ist Verlass, die
Refrains sind meist neckische Mitsumm- und Fingerschnippgaranten. Und
dann hat sich Fabio Friedli mittlerweile auch das Register der
Gute-Laune-Instrumente erschlossen: Vom klimpernden Vaudeville-Piano
bis zur quietschenden Atari- oder Gameboy-Orgel wird nichts ausgelassen.
Für die Spannung sorgt dann Sänger Benjamin
Kasongo,
der - eben - seit dem achten Takt seine Verflossene bekniet und
betrauert, und diese eher ungemütliche Körperhaltung
während der folgenden 45 Minuten nur selten aufgibt. Aber wozu
auch? Emotional-Hygiene lässt sich in Bodennähe immer noch am
besten betreiben. Sicher, bisweilen wird auf "Loops" ein bisschen zu
viel geschmachtet. Aber wer es so wie die Gamebois versteht, die ganz
grossen Gefühle mit den ganz kleinen Sounds der
Unterhaltungselektronikgeräte zu verbinden, der darf auch die
Grenze zum Kitsch mal grosszügig ignorieren.
Reitschule Dachstock Samstag, 11. September, 22 Uhr.
---
bewegungsmelder.ch Sept 2010
gamebois 'loops'-plattentaufe
>soul / electropop
Die Gamebois haben es mit ihrem ersten Album geschafft, in
kürzester Zeit abzusahnen, wovon die meisten Bands nur
träumen dürfen: Winner der Demotape Clinic am M4Music,
SwissTop Award im August 2008 und nicht zuletzt 2010 die Teilnahme am
Island Job mit einem Videodreh in der Karibik als Hauptpreis. Nun
erscheint ihr zweites Album 'Loops', welches sich wohltuend leicht und
verspielt anhört und gegenüber dem Vorgänger noch
kompakter und ausgereifter daher kommt. Zu fünft auf der
Bühne beeindrucken sie mit kreativen Liveshows, mit BJ Kasongo's
unverwechselbarer Stimme, sowie der groovigen Band rund um Keyboarder
und Beat-Bastler Pablo Nouvelle. Soul trifft auf Elektropop. Den
Gamebois gehört die Zukunft!
[text by: Sibille Rohrbach / september 2010]
sa 11.09. ab 22h dachstock bern
goodies! wir verlosen 2x2 tickets
http://www.gamebois.ch
--
bonaparte
>indie / folk / rock / trash
Kaiser Tobias Jundt hat seine Truppe eindrücklich im Griff.
Deutschland hat Bonaparte im Trabtempo erobert und ihre neue
Songskavallerie 'My Horse likes you' reitet nicht der Sonne, sondern
neuen Horizonten entgegen. Ihre Show reisst jetzt wirklich jeden von
der ersten Minute an mit und kein Schwein kann behaupten, sich nach
einem ihrer zirkusbunten und energiegeladenen Konzerten nicht einen
abgeschwitzt zu haben. Und wen mal der Kaiser seine schwer
zähmbare Truppe in die Hauptstadt beordert, dann gibt's kein Wenn
und Aber: Anwesend sein und sein musikalisches Reich würdigen.
[text by: Pablo Sulzer / september 2010]
fr 17.09. ab 22h dachstock bern
goodies! wir verlosen 2x2 tickets
http://www.bonaparte.cc
---
BZ 9.9.10
Jugendorchester mit Jetlag
Von Kuba nach Köniz: Kubanische Jugendliche spielen
mit dem
Sextett "Travesías" Kompositionen des Berner Musikers Simon Ho.
Die Premiere findet am Freitagmorgen im Münster statt. Ein
Probenbesuch.
Gähnend sitzen am Mittwochnachmittag über
dreissig
kubanische Teenager hinter ihren Notenständern im Zingghaus
Köniz. Kein Wunder sind sie müde. Wenn es in Köniz 14
Uhr schlägt, ist es in ihrer Heimat erst 8 Uhr morgens, und die
Orchesterprobe ist bereits seit zwei Stunden im Gange. Für die
Schülerinnen und Schüler ebenso ungewohnt sind die
herbstlichen Temperaturen: Die Mädchen tragen mehrere Schichten
dünner Pullis, einige haben sich Wollmützen
übergestülpt.
Ja, so ein Kulturschock inklusive Jetlag ist anstrengend.
Aber
sobald der Dirigent die Arme hebt, sind alle Gedanken bei der Musik,
und die Begleiterscheinungen gehen vergessen. Bläser, Streicher,
Perkussionisten und Sängerinnen richten sich auf, den Blick nach
vorn - das Stück kann beginnen.
Zuhause in der Ferne
"Travesías 2010" heisst der Grund, warum
Schüler der
Escuela Paulita Concepción statt in Havanna in Köniz
musizieren. Unter der Leitung von Lorenz Hasler erarbeiteten die neun
bis fünfzehnjährigen Kinder gemeinsam mit dem Sextett
"Travesías" (Überquerungen) ein Programm zum Thema "Daheim
in der Ferne". Die insgesamt elf Stücke sind vertonte Gedichte von
europäischen und kubanischen Lyrikern, die Kompositionen stammen
vom Berner Komponisten und Travesías-Pianisten Simon Ho. Seine
rhythmisch dynamischen Stücke lassen mal an französische
Chansons, mal an fröhlich-träumerische Filmmusik denken.
Mit Jugendlichen aktiv
Die Musiker realisierten 2008 bereits ein Projekt mit
Könizer Schülern - Lorenz Hasler ist ihr Musikschulleiter.
Die Idee, mit kubanischen Schülern ein interkulturelles Projekt zu
machen, entstand nicht zuletzt dank des kubanischen Gitarristen Victor
Pellegrini und der Cellistin Amparo del Riego Vidal des Sextetts.
Ermöglicht hat es unter anderem der Interkantonale
Rückversicherungsverband (IRV). Im Rahmen der Festlichkeiten zu
seinem 100-jährigen Bestehen hat der IRV die Reise und Unterkunft
der kubanischen Jugendlichen finanziert.
Austausch als Ziel
Von den kubanischen Schülern ist Hasler begeistert.
"Sie
lassen sich ganz auf die Sache ein und verhalten sich für ihr
Alter sehr professionell", schwärmt er.
In ihrer Heimat haben die Kinder keine Sonderstellung; sie
gehen
in Havanna in eine normale Volksschule mit den Schwerpunkten Tanz und
Musik. "Sie führen ein sehr einfaches Leben, das Pfadiheim ist
für sie wie ein Fünf-Sterne-Hotel", meint Hasler. Die
Zusammenarbeit sei toll, da sie sich aufs Wesentliche konzentrierten.
In der Schweiz seien viele Leute von Kommerz übersättigt und
ständig abgelenkt, und das sei nicht selten ein Hindernis beim
Arbeiten.
Und gearbeitet wird in dieser ersten Berner Probe hart.
Die
Schüler spielen auf hohem Niveau. Trotzdem werden einzelne Takte
zigmal wiederholt. So lange, bis Hasler zufrieden ist.
Manchmal schmunzeln die Schüler heimlich, wenn er
seine
Anweisungen auf Spanisch nicht richtig ausspricht. Umgekehrt singen die
Mädchen das einzige französische Stück mit einem doch
sehr kubanischen Akzent. Über die Sprache der Musik verstehen sich
aber alle problemlos. Und dieses Erlebnis möchten sie an ihrem
Konzert weitergeben.
Martina Kammermann
Konzerte in Bern am Freitag, 10. 9., um 10 Uhr im
Münster;
am 15. 9. um 20 Uhr in der Grossen Halle der Reitschule; am 19. 9. um
20.00 Uhr in der Mühle Hunziken; am 20. 9. um 18.30 Uhr mit
Könizer Schülern im Gemeindehaus Köniz.
Infos: http://www.travesias.ch
-----------------------------------------------
REITSCHULE BIETET MEHR
------------------------------------------------
BZ 9.9.10
Ist die Ruhe trügerisch?
Seit zwei Jahren ist es relativ ruhig um die Berner
Reitschule.
Erich Hess befürchtet neue Krawalle nach der Abstimmung.
Die Dealerszene auf dem Vorplatz der Berner Reitschule hat
sich
verkleinert. Angriffe gegen Polizei- und Ambulanzfahrzeuge nahmen laut
Berns Polizeidirektor Reto Nause (CVP) deutlich ab. "Die Zeiten, als
sich gewalttätige Demonstranten in die Reitschule
zurückgezogen haben, sind vorbei", sagt Nause.
Reitschule-Gegner Erich Hess misstraut dem Frieden. Die
Reitschule-Betreiber hielten sich bewusst zurück, weil am 26.
September über die vom ihm verfasste Schliessungsinitiative
abgestimmt werde, sagt er. "Sobald die Abstimmung vorbei ist,
können die Reitschule-Gegner wieder wüten." Diese These sei
spekulativ, entgegnet Nause. "Es fehlen die Fakten."
tob
Seite 19
--
Berner Reitschule
Ist die Zeit der Krawalle vorbei?
Die Reitschule provoziert kaum noch Negativ-Schlagzeilen.
Doch
Reitschule-Gegner Erich Hess befürchtet, dass bald neuer Krawall
ausbricht. Berns Sicherheitsdirektor Nause hält dagegen: "Für
diese These fehlen die Fakten."
Just eine Woche nach der Abstimmung über die
Schliessung der
Reitschule steht in Bern am 2. Oktober der nächste
antifaschistische Abendspaziergang an. Nie zuvor fand diese militante
Demo so spät im Herbst statt - die Organisatoren haben das Datum
bewusst hinter den Abstimmungstermin gelegt.
Erich Hess, SVP-Grossrat und Verfasser der
Anti-Reitschule-Initiative, befürchtet Krawalle. "Sobald die
Abstimmung vorüber ist, können die Reitschule-Aktivisten
wieder wüten, ohne dass es Konsequenzen hat", sagt er. So sei es
nach jeder Abstimmung über "diesen Schandfleck" gewesen. So werde
es immer sein.
Drogenszene ist kleiner
Fakt ist: In jüngster Vergangenheit wurde aus dem
Umfeld der
Reitschule kaum noch Krawall gemacht in der Stadt Bern. "Die Zeiten,
als sich gewalttätige Demonstranten in die Reitschule
zurückgezogen haben, sind seit zwei Jahren vorbei", sagt Berns
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Zudem seien die Attacken gegen
Polizei, Sanität und Feuerwehr, wie sie früher aus der
Reitschule heraus getätigt wurden, deutlich zurückgegangen.
Der Kommandant der Sanitätspolizei, Peter Salzgeber,
bestätigt dies: "In den letzten Jahren rückten wir immer ohne
Polizeischutz auf den Vorplatz aus."
Auf ebendiesem Vorplatz hat der Stadtberner
Sicherheitspolitiker
und FDP-Grossrat Philippe Müller nach mehreren Augenscheinen
festgestellt: "Die Dealer- und damit die Drogenszene haben abgenommen."
Anders siehts Erich Hess: "Es ist so schlimm wie immer
dort, und
es hat Dealer und Drogensüchtige, und es kommt immer wieder zu
Übergriffen gegen die Polizei." Erst nach wiederholtem Nachfragen
räumt er ein, dass sich die Situation in letzter Zeit wohl etwas
entschärft habe. Als Grund dafür erwähnt Hess die
Schliessungs-Initiative. "Diese schwebt wie ein Damoklesschwert
über der Reitschule. Eigentlich sollte ich in regelmässigen
Abständen eine neue lancieren."
Für die Mediengruppe der Reitschule kontert Tom
Locher: "Da
schmückt sich Erich Hess wieder einmal mit fremden Federn." Viel
mehr als mit der Initiative habe die Entwicklung auf dem Vorplatz mit
den sogenannten Stadtgesprächen zu tun. Auch Reto Nause sagt:
"Seit der Dialog zwischen den Behörden und der Reitschule
strukturiert wurde, hat sich die Situation entspannt." Die
Reitschüler schenkten dem Sicherheitsaspekt mehr Beachtung, sagt
Nause. Polizeisprecher Michael Fiechter fügt an: Das
Kontakttelefon zwischen Polizei und Reitschulbetreibern funktioniere
"in aller Regel gut". Ausnahmen von der Regel gibts offenbar nach wie
vor. In den Worten von Reto Nause tönt das so: "Die Zusammenarbeit
könnte noch besser sein. Aber es entwickelt sich in eine gute
Richtung."
Bekenntnis der Reitschüler
Bleibt die Frage nach der Zukunft: "Wer für die Zeit
nach
der Abstimmung bereits neue Krawalle heraufbeschwört, betreibt
Spekulation", sagt Nause. Klar, ausschliessen könne er eine solche
Entwicklung nicht. "Doch es fehlen Zeichen und Fakten, die diese These
stützten."
Die Reitschulbetreiber schreiben in einer E-Mail an die
Redaktion
dieser Zeitung: "Wenn wir unseren Freiraum schützen wollen,
müssen wir auch selber sorgfältig damit umgehen." In den
letzten Jahren hätten sie deshalb wiederholt darauf hingewiesen,
dass die Reitschule kein Ort für Strassenschlachten zwischen
einigen Hitzköpfen sein will - sei es bei den Demonstrierenden
oder bei der Polizei. "Selbstverständlich wollen wir diesen
Freiraum auch gegen die mafiösen Strukturen des Drogenhandels
verteidigen."
Nagelprobe steht bevor
Solch versöhnliche Worte seien in den letzten 20
Jahren
mehrmals gefallen, sagt Philippe Müller. "Leider blieben die Taten
bisher aus. Nach der Abstimmung werden wir sehen, wie ernst es den
Reitschülern diesmal ist."
Die erste Nagelprobe stehe mit der Antifa-Demo vom 2.
Oktober
bevor. Zwar wird dieser Umzug nicht von der Reitschule, sondern vom
Bündnis Alle gegen rechts organisiert. "Doch die ruhigen letzten
Jahre haben gezeigt, dass die Reitschüler durchaus Einfluss auf
die radikalen Gruppen in ihrem Umfeld haben", sagt Müller. Er
traut den Betreibern durchaus zu, dass sie endlich Erwachsen werden und
ihre Versprechen einhalten. "Ich wäre aber auch nicht
überrascht, wenns wieder anders kommt."
Tobias Habegger
---
Bund 9.9.10
Leserbrief "Die Reitschule sollte erwachsen werden", "Bund" vom
4.
September
Es gibt wichtigere Probleme als die Mediengruppe
Als ehrenamtlich arbeitendes und unter anderem auf
Medienanfragen
antwortendes 8-köpfiges Kollektiv müssen wir leider unsere
Brötchen mit Jobs jenseits der Medienwelt verdienen. Und da kann
es selten mal geschehen, dass nicht wie üblich innert weniger
Stunden eine Antwort kommt, sondern dass halt gerade niemand
verfügbar für Medienantworten ist, weil der/die
Monatsverantwortliche und alle anderen gerade mit Job und/oder
Ausbildung beschäftigt sind.
Mal ehrlich: Gäbe es nicht dringendere Themen in
dieser
Stadt als die Reitschule und deren Mediengruppe? Beispielsweise
(Jugend-)Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Sozialabbau, die immer
grösser werdende Ausgrenzung von nicht ins "Schema" passenden
Menschen, der Verlust von Freiräumen durch den obrigkeitlichen
Kontroll- und Verreglementierungswahn, die unter den Teppich gekehrten
gesundheitspolitisch und menschlich katastrophalen Folgen der
repressiven Drogen- und Vertreibungspolitik oder die verzweifelte
Situation von illegalisierten Migrant(innen)?
Leider beobachte ich in den letzten Jahren die zunehmende
Tendenz
von vielen Parteipolitiker(innen) und teilweise auch von
Medienschaffenden, anstatt "erwachsen" konstruktive und realistische
Lösungen für diese Probleme zu erarbeiten, lieber
möglichst viele reisserische Schlagzeilen und populistischen
Klamauk anzustreben. Zum Beispiel mit abstrusen Forderungen
gegenüber der Reitschule, die in den letzten Monaten und Jahren
nicht nur von SVP-Seite zu hören waren.
Als "Bund"-Leser und Medien-Kollege empfehle ich der
"Bund"-Lokalredaktions-Chefetage, aber auch Parteipolitiker(innen),
dringend mehr "Herzeli" zu zeigen - für die wirklich wichtigen
Probleme in dieser Stadt, aber auch für die Reitschule und deren
Mediengruppe. Denn auch "Bund"-Redaktionsleiter(innen) und
Parteipolitiker(innen) tragen dazu bei, dass sie infrage gestellt
werden.
Tom Locher Mitglied Mediengruppe Reitschule Bern
---
DAS ORIGINAL:
Leserbrief
zum Bund-Leitartikel vom 4.9.10, "Die Reitschule sollte
erwachsen
werden" von Bernhard Ott
Lieber Kollege.
Es ist schön, dass auch die gut verdienenden und
professionell
arbeitenden KollegInnen vom "Bund" die Arbeit der Mediengruppe der
Reitschule wahrnehmen. Allerdings ist es ein bisschen verwirrend, wenn
mensch am Donnerstag von der Bund-Lokalredaktions-Basis Komplimente
für die schnelle und effiziente Arbeit ausgerichtet bekommt, aber
am Samstag drauf vom Bund-Lokalredaktions-Chef als "unprofessionell"
und "miserabel" kommunizierend medial in die Pfanne gehauen wird. Als
ehrenamtlich arbeitendes und unter anderem auf Medienanfragen
antwortendes 8-köpfiges Kollektiv müssen wir leider unsere
Brötchen (und auch das teuere Bund-Abo) mit Jobs jenseits der
Medienwelt verdienen. Und da kann es selten mal geschehen, dass nicht
wie üblich innert weniger Stunden eine Antwort kommt, sondern dass
halt gerade niemand verfügbar für Medienantworten ist, weil
der/die Monatsverantwortliche und alle anderen gerade mit Job und/oder
Ausbildung beschäftigt sind. Oder dass niemand Lust hat, auf jede
Sommerloch-"Hafechäs"-Anfrage sofort zu antworten.
Mal ehrlich, lieber "Chollege": Gäbe es nicht dringendere
Themen
in dieser Stadt als die Reitschule und deren Mediengruppe? Z.B.
(Jugend)-Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Sozialabbau, die immer
grösser werdende Ausgrenzung von nicht ins "Schema" passenden
Menschen, der Verlust von Freiräumen durch den obrigkeitlichen
Kontroll- und Verreglementierungswahn, die unter den Teppich gekehrten
gesundheitspolitisch und menschlich katastrophalen Folgen der
repressiven Drogen- und Vertreibungspolitik oder die verzweifelte
Situation von illegalisierten MigrantInnen?
Leider beobachte ich in den letzten Jahren die zunehmende
Tendenz von
vielen Partei-PolitkerInnen und z.T. auch von Medienschaffenden,
anstatt "erwachsen" konstruktive und realistische Lösungen
für diese Probleme zu erarbeiten, lieber möglichst viele
reisserische Schlagzeilen und populistischen Klaumauk anzustreben. Zum
Beispiel mit abstrusen Forderungen gegenüber der Reitschule, die
in den letzten Monaten und Jahren nicht nur von SVP-Seite zu hören
waren.
Als Bund-Leser und Medien-Kollege empfehle ich der
Bund-Lokalredaktions-Chefetage, aber auch Partei-PolitikerInnen
dringend mehr "Herzeli" zu zeigen - für die wirklich wichtigen
Probleme in dieser Stadt, aber auch für die Reitschule und deren
Mediengruppe. Denn auch Bund-RedaktionsleiterInnen und
Partei-PolitikerInnen tragen dazu bei, dass sie infrage gestellt werden.
Tom Locher
Mitglied Mediengruppe Reitschule Bern
---------------------------------------------------------------
BEWEGUNGSMELDER BIETET MEHR
---------------------------------------------------------------
bewegungsmelder.ch Sept 2010
http://www.bewegungsmelder.ch/files/pdf/bm142_be_web.pdf
Nackte Tatsachen
Nach 1990, 2000 und 2005 stimmen wir Berner am 26. September
wieder
über die Zukunft der Reitschule ab. Man weiss langsam nicht mehr,
ob man weinen oder lachen soll. Darum zeigen wir in diesem Monat auf
unserem Cover nackte Tatsachen. Auf die Gefahr hin, dass sich das
Spiessbürgertum auch daran empört! Egal, denn wir sind alle
ein wenig Müslüm: "Wir sind cheine Drögeler, Erich,
warum sagsch du das? Wir sind für de Liebä und gegä de
Fremdenhass." Darum stimmen wir NEIN. Denn das Berner Kulturleben
wäre ohne Reitschule nackt und unser Magazin im übrigen auch.
Bern ist nicht nur, aber auch Reitschule. Also, auf an die Urne am 26.
September, die Reitschule bietet mehr! Nachzulesen in dieser Ausgabe.
P. S. Noch etwas in eigener Sache: nach über zwei Jahren,
mehr als
die Hälfte davon als Chefredaktorin, verlässt uns die liebe
dim [Deborah Imhof] Richtung Zürich. Es ist zu erwarten, dass sie
auch Downtown Switzerland im Sturm erobern wird. Vielen lieben Dank
für dein Herzblut, Einsatz und abertausende von Wörtern und
Buchstaben, die du für den bewegungsmelder niedergeschrieben hast!
Es war eine tolle Zeit mit dir! Und herzlich willkommen blo [Pablo
Sulzer]! Wir wünschen einen guten Start, Nerven aus Stahl und viel
Spass als neuer Chefredaktor. [maw]
--
unterwegs mit david böhner
Unser Melder empfängt diesmal starke Bewegungssignale aus
der
Reitschule. Brennt's? David Böhner lädt uns ein, erzählt
uns über seine 20Jahre Reitschule und zeigt, wer sich alles
für ein Nein an der nächsten Abstimmung zusammengefunden hat.
Unterwegs in der Reitschule, für den bewegungsmelder alles
andere
als Aussergewöhnlich. Doch irgendwie sind dies keine normalen
Umstände, denn die in diesem September kommende Abstimmung
beeinflusst die Atmosphäre. Unser Besuch der Berner Reitschule
wird ein Besuch ins Zentrum der aktuellen Diskussion, über die
Nichtig- oder Wichtigkeit dieses Kulturhauses. Hinein in den Hof.
Vorbereitung auf einen bewegten Winter
Im Hof treffen wir David Böhner, der vor allem in der
Druckerei
der Reitschule zu Hause ist. Seit bereits 20 Jahren trifft man ihn im
Kulturzentrum fast täglich an, seine Erlebnisse und Erfahrungen
hier fliessen unvermeidbar in unser Gespräch mit ein. "Die
Druckerei hat sich langsam entwickelt, so eins nach dem anderen".
Gearbeitet wird auch heute, es riecht nach Tinte und überall
hängen Plakate, die auch ein Teil der Reitschulgeschichte
erzählen. Von digitalem Druck über Siebdruck ist einiges
machbar, die interne Zeitung 'megafon' wird zum Beispiel hier
produziert. "Trotzdem sind die Möglichkeiten zum Teil begrenzt,
doch die Freiheiten des Jobs kompensieren viel." Seinen Arbeitsplatz
würde er gegen keinen anderen eintauschen wollen, auch wenn
vergleichsweise weniger Geld in sein Portemonnaie fliesst.
Zurück im Hof bemerkt man vor allem eins: An allen Ecken
wird
renoviert. Es scheint, als ob man sich auf einen bewegten und
intensiven Winter vorbereiten würde. "Es ist nicht so
aussergewöhnlich, dass im Sommer überall umgebaut wird.
Diesmal vielleicht etwas mehr." Durch den Hof gelangen wir in einen
etwas grösseren Raum, dem Kino. Mittlerweile sind fast alle alte
Sofas durch neue Kinosessel ersetzt worden. Manch einer wird dabei
wehmütig: "Schade, dass die Sofas immer mehr verdrängt
wurden. Es bleiben nur noch ein paar wenige in den vordersten Reihen",
trauert David der Änderung nach, "aber auch sonst ist dieser Raum
einer der schönsten der Reithalle". Die grosse schwere Türe,
die Beleuchtung, wahrlich ein besonderer Kinosaal.
"Wände raus, Wände rein, das gehört zur
Reitschule"
Geduldig führt er uns durch weitere Räume. Wie bei
einem
Postenlauf erreichen wir als drittes Ziel die Bibliothek namens
Infoladen, nehmen darauf die Treppen hoch und gucken plötzlich in
die innersten und sonst nicht öffentlichen Räume der
Reitschule. Verschiedene Arbeitsgruppen haben im oberen Teil ihre
Büros und Zimmer eingerichtet. An PCs und Pulten wird besprochen
und geplant, in einem Nebenzimmer entsteht der riesige Spielplan
für das am Abend stattfindende Pingpong-Turnier. An all dem vorbei
geht es ein Stock weiter nach oben und David läuft voraus. Auf
unsere Frage, ob dies hier auch renoviert wird oder worden sei,
antwortet er besonnen: "Hier ändert sich immer ein wenig was.
Wände raus, Wände rein, das gehört zur Reitschule". Das
destruk- und kreative Element ist eindeutig spürbar.
"Seit 20 Jahren wohne ich nun in Bern. Als ich damals hierher
kam, habe
ich mich in ein paar Arbeitsgruppen betätigt." Im Infoladen sei er
zuerst gewesen, bevor er dann in die Druckerei kam. Jede AG könne
zwar sehr autonom handeln, doch der Verein IKuR bilde die Verbindung
zwischen allen. "Natürlich gibt es ab und zu Reibereien zwischen
den Einzelnen, doch im Ganzen hat es jetzt nun seit mehr als 20 Jahren
funktioniert." Man merkt, dass ihm dieses System wichtig und er
überzeugt davon ist, dass die Reitschule so gut bestehe, gerade
weil sie auf diese Weise funktioniert.
"Erich, warum bisch du nid ehrlich?"
David verabschiedet sich, wir danken und warten im Hof auf den
Abend.
Der steht gänzlich im Zeichen der CD-Veröffentlichung
'Reitschule beatet mehr'. Eine Musik-CD zur Abstimmung, die erste
CD-Release in der Geschichte der Reitschule überhaupt. "Nach
zahlreichen Abstimmungen in der Vergangenheit werden wir ein wenig
routinierter. Die Zustimmung in der Bevölkerung hat aber auch
zugenommen." Bei den Kulturschaffenden ist sie eindeutig vorhanden. Die
Platte ist deswegen auch gespickt mit exklusiven Tracks von bekannten
Künstlern wie Patent Ochsner, Sophie Hunger, Baze oder auch
Komiker Müslüm. Letzterer feierte, am selben Abend und unter
tosendem Applaus, die Videopremiere seines Songs 'Erich, warum bisch du
nid ehrlich'. Spätestens jetzt wird erkenntlich, welche
Umstände dieses Unterwegs zu einem speziellerem Unterwegs machen.
Sogar Kuno Lauener gibt sich die Ehre und erzählt auf dem Podium
neben Breitschmeitschi Steff La Cheffe von seiner Verbundenheit zur
Reitschule und wieso es sie unbedingt braucht: 'Die Zeit um 1987, als
die Reitschule besetzt wurde, war für uns als Band aber auch
persönlich eine sehr intensive Zeit. Ob's die Reitschule braucht,
da besteht keine Frage'
Alle Jahre wieder und doch ist es diesmal keine Wiederholung
mehr. Die
Zustimmung für die Reitschule, mit ihrem reichhaltigen und stets
gewachsenem Kulturangebot, scheint seit der letzten Abstimmung
gestiegen zu sein, ja vielmehr könnte die Diskussion im Vergleich
zu 2005 als unnötiger denn je angesehen werden. Die erfolgreiche
Entschärfung der Vorplatz-Problematik, die bessere und intensivere
Zusammenarbeit mit der Stadt sowie das Ausbleiben von Kravallen
über längere Zeit scheinen der Berner Stadtbevölkerung
Beleg genug zu sein. Die seit 2005 geleistete Arbeit trägt
Früchte und überzeugt grossflächig. Diese Anerkennung
könnte am 26. September mit einem klaren Nein und einem
Overall-Score von 5:0 gewonnen Abstimmung münden. Vor allem
würde ein Nein zur Initiative den Gegner verdeutlichen, wie
wichtig den Bernern ihre Reitschule im Jahre 2010 geworden ist.
[text by: Pablo Sulzer / september 2010]
sa 18.09. ab 16h grossen halle, tojo, frauenraum, sous le pont,
dachstock
http://www.reitschulebietetmehr.ch
http://www.reitschule.ch
http://www.endorphinentertainment.ch
--
The Grumbler
schwarzmaler vs. schwarzwasser
Nein, nein, auch wenn sich meine beiden Lieblingsfeindbilder
Thommy F.
und Erich H. wieder mal exemplarisch doof aufführen, nein, ich
haue sie an dieser Stelle nicht erneut in die Pfanne. Aber es ist schon
frappant, wie Grossrat Fuchs wegen des Müslüm-Songs
reflexartig die juristische Keule schwingt, umgekehrt aber in Einklang
mit dem Übervater aus Herrliberg immer die Selbstverantwortung des
Bürgers predigt.
Henu, wenden wir uns nun den profanen Dingen des Lebens zu, weg
von den
politischen Irrungen und Wirrungen. Stimuliert von einem
frühmorgendlichen Swiss-View-TV-Flug entlang des 16,2 Kilometer
langen Schwarzwasserlaufes - zieht euch Swiss View regelmässig
rein, das hat was Meditatives, echt, und man lernt erst noch die
schönsten Flecken unseres Landes kennen -, packte ich an einem
August-Samstag die ganze Familie in den Charen. Auf gings zum
Cervelat-Bräteln und Glunggen-Bade in der Schwarzwasser. Es war
schlicht ein Hit: Bier dank eines improvisierten Wehrs im nahen Nass
gekühlt, Holz pfadimässig eingesammelt, Feuerchen
gezündet mit Glückspost-Papierfetzen, die Schweizer
Nationalwurst von den immer rareren brasilianischen Rinderdärmen
befreit und an den Enden kreuzweise eingeschnitten, Chips-Packung
geöffnet etc., und dazwischen immer noch rasch einen Gump in das
klare, leicht schwefelige Wasser gemacht.
Zum Schluss begingen wir dann noch Hochverrat und hüpften
von der
Schwarzwasser für eine Stippvisite in die Sense rüber. Und
tatsächlich, die trumpfte mit mindestens zwei Grad wärmerem
Wasser auf (geschätzte 18,6 Grad). Aber wetten, das kommt daher,
dass die Friburger einfach viel unschinierter in "ihren" Bach pissen.
Darum würde ich eh nur die Bachforellen aus der Schwarzwasser
(Tipp für maw!) verspeisen.
Leute, dieses Canyon-Erlebnis könnt ihr etwa 25
S-Bahn-Minuten von
Bern entfernt geniessen. Marzili & Co. sind ein müder Furz
dagegen. Ach ja, das ist noch wichtig: Tewa's an den Füssen sind
ein Must, wenn man sich mit einigermassen Grazie über die vielen
kleineren und grösseren Chempen fortbewegen möchte.
PS. Noch rasch zu Thommy F. zurück, ich konnte nämlich
in der
Zwischenzeit ein Rätsel lösen, das auch schon Stoff für
diese Zeilen bot: Das F. steht also für "Füdu" - ein
Schlimmer, der jetzt Schlüpfriges denkt…
[text by: the grumbler / september 2010]
--
bärn, machet lärm für d'riitschueu !
>abstimmungsfest reitschule
Wieso verdammt noch mal muss alle paar Jahre wieder über
den
gleichen Brei gestusst werden? Wieso kommen von den Gegner so
hirnspinstige Behauptungen, die Reitschule sei von Terroristen besetzt,
ein einziger Drogenumschlagsort oder auch sonst Chaos pur? Muss diese
Diskussion wirklich immer und immer wieder (nun bereits zum 4. Mal)
geführt werden? Ach egal. Dass die Reitschule Bern mittlerweile
auf dem Vorplatz für mehr Ordnung gesorgt und erfolgreich
umfunktioniert hat, die eigenen, inneren Institutionen und Gruppen wie
Theater, Kino und andere stets neu organisiert und aufgeräumt hat,
ist längst Tatsache. So sollte doch bei der nächsten
Abstimmung die Masse mit einem gewaltigen Stimmenplus die Reitschule
als ein Kulturplatz Bern anerkennen können. Das dem auch wirklich
so wird, dafür wollen diverse Künstler am riesigen und an
diesem Wochenende unumgehbaren Fest sorgen. Rap, Rock, Electro und was
auch sonst immer. Baze, Tomazobi, Müslum & The Funky Boys,
Steffe La Cheffe, Churchhill, The Monsters, Mani Porno, Copy &
Paste feat. Bubi Rufener, DJ DannyRamone und Kutti MC. Alle werden
anwesend sein. Zeigen für was dieser Kulturplatz steht und ihr
Zeichen für die Reitschule setzen. Ein ziemlich klares Zeichen.
Oder?
[text by: Pablo Sulzer / september 2010]
sa 18.09. ab 16h grossen halle, tojo, frauenraum, sous le pont,
dachstock
http://www.reitschule.ch
-----------------------------------------------------------
PHILIPPE MÜLLER BIETET
MEHR?
------------------------------------------------------------
Bund 9.9.10
Philippe Müller Der abtretende FDP-Fraktionschef im
Stadtrat sieht
sein zehnjähriges Wirken als Kampf gegen die Arroganz der Macht.
Der Abgang des Störenfrieds
Bernhard Ott
Philippe Müller hat sich für seinen Abgang einen
Knalleffekt ausgedacht: Der Stadtrat diene mehr und mehr als
"Akklamationsorgan" für die "eigenmächtige Politik" des
Gemeinderates, schreibt er in einem Antrag, den er heute Abend an
seiner letzten Stadtratssitzung einreichen wird ("Bund" von gestern).
Das Parlament müsse Massnahmen ergreifen, um sich den verlorenen
Spielraum wieder zurückzuerobern. Die in der Gemeindeordnung (GO)
festgelegten Kompetenzen der Stadtregierung müssten
"zurückgefahren" werden, hält Müller fest.
Der Frontalangriff auf die Macht der Exekutive
gründet in
einem tief sitzenden Misstrauen. Das Sozialwesen sei eigentlich nicht
sein Thema gewesen, sagt der 47-jährige Direktor des global
tätigen Medizinalunternehmens CSL Behring. Hellhörig geworden
sei er aber durch die "arrogante Art", wie die Stadtberner
Sozialdirektion von Edith Olibet (SP) mit seinen ersten Vorstössen
zu den Mängeln im Kontrollwesen der Sozialhilfe umgegangen sei.
Auf die einfachsten Fragen hin habe man ihn "mit Zahlen
zugemüllt", die alles Mögliche belegt hätten - aber
keine Antwort auf die gestellten Fragen gewesen seien. So habe er erst
beim vierten Nachhaken eine konkrete Antwort auf die Frage nach den
Kosten für die Massnahmen zur beruflichen Integration von
Sozialhilfebezügern erhalten. Die Debatte um den Missbrauch in der
Sozialhilfe hat Müllers Ruf als inoffizieller
"Oppositionsführer" in der Stadtberner Politik begründet.
Rückblickend kann er sich durch den Gang der Ereignisse
bestätigt fühlen. In der Stadt Bern sind heute
Sozialinspektoren tätig. Zudem wird die Sozialbehörde als
Kontrollorgan der Verwaltung nicht mehr durch Gemeinderätin
Olibet, sondern durch eine paritätisch zusammengesetzte Kommission
bestellt.
Den Verdacht der Profilierungssucht stellt der stets apart
gekleidete Müller in Abrede. "Mich stört einfach, wenn etwas
nicht in Ordnung ist." Auf das Parteibuch nehme er dabei keine
Rücksicht. Auch Parteikollegin und Finanzdirektorin Barbara Hayoz
sei gegen das "magistrale Gehabe" im Gemeinderat nicht immun. Er finde
es daneben, wenn Hayoz die Budgetdebatte von nächster Woche
schwänze, um an den Jubiläumsfeierlichkeiten in New Bern
teilzunehmen. Aber auch bürgerliche Politikerinnen und Politiker
würden Opfer einer "Gehirnwäsche", sobald sie in den
Gemeinderat einträten. Dieses Phänomen hat Müller auch
beim einstigen FDP-Gemeinderat Stephan Hügli und bei Reto Nause
(CVP) beobachtet. Beide hätten sich als Gemeinderäte von der
Initiative zur Erhöhung der Polizeipräsenz distanziert,
obwohl sie diese als Parlamentarier noch unterstützt hätten.
Der einstige Gemeinderat Kurt Wasserfallen (FDP) habe gezeigt, dass man
das Kollegialitätsprinzip nicht derart streng auslegen müsse.
Im Fall von Nause sei das Schwanken aber ein Stück weit
erklärbar, da die CVP seit jeher eine Partei der Windfahnen
gewesen sei.
Dass dieser Vorwurf gelegentlich auch die FDP Stadt Bern
trifft,
findet Müller ungerechtfertigt. Die Annahme der
Anti-Reitschule-Initiative durch die Parteibasis sei zu akzeptieren,
obwohl die Partei das letzte Volksbegehren ähnlichen Charakters
noch abgelehnt habe. "Ich persönlich lehne die Initiative ab."
Entgegen seinem Ruf sei er nämlich "gesellschaftspolitisch
liberal" und habe sich längere Zeit für die Liberalisierung
des Cannabiskonsums eingesetzt. Wer nun künftig gegen die Arroganz
der Macht im Gemeinderat wettern wird, lässt Müller offen.
Vielleicht ist das ja aber auch gar nicht mehr so dringend nötig.
Denn die Politik des Gemeinderates ist offenbar nicht mehr ganz so
arrogant, wie dies von Müller in seinem letzten Antrag
angeprangert wird. "Heute würde sich ja sogar der Gemeinderat
gegen Sprayereien bei Kindergärten und Schulhäusern
einsetzen", sagt Müller unter Anspielung auf einen seiner
zahlreichen Vorstösse.
--------------------
RABE-INFO
--------------------
Do. 9. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%209.%20September%202010
- Zäme läbe - Zäme stimme: Pro und Contra zur
Abstimmung
über das Ausländerstimmrecht
- Aus Wut wird Kunst: Morgen wird die Biennale Bern eröffnet
- Megafon: Zeitschrift der Reitschule
-------------------
BIENNALE
-------------------
BZ 9.9.10
Festival Biennale Bern
Schlag den Schurken
Eine Woche im Zeichen des Zorns: Morgen beginnt die
Biennale Bern
- mit einem ambitiösen Programm, das von Musik, Tanz, Theater und
Film bis zu bildender Kunst reicht.
Es gibt viele Gründe, wütend zu werden. Zum
Beispiel
wenn ein Festival so üppig daherkommt, dass man glatt den
Überblick verliert. Die jüngste Ausgabe der Biennale Bern
(10. bis 18. September) widmet sich dem "ausserordentlichen Gefühl
namens Wut" - und präsentiert an achtzehn Spielorten nicht weniger
als drei Dutzend Veranstaltungen mit mehr oder weniger deutlichem Bezug
zum Festivalthema.
Umso verdienstvoller mutet es an, dass dem Publikum die
Möglichkeit geboten wird, allfälligen Zorn gleich vor Ort
abzulassen - oder künstlerisch zu sublimieren. Zum Beispiel bei
der "Anger Release Maschine" im Stadttheater, das in den nächsten
Tagen zum "Zentrum des Zorns" wird. Die "interaktive Skulptur" des
Künstlerduos Yarisal & Kublitz funktioniert wie ein
Selecta-Automat. Statt Snacks und Getränken enthält die
wunderliche Wutmaschine allerhand Kitsch aus Glas und Porzellan, der
förmlich danach schreit, zerschlagen zu werden. Letzteres
lässt sich mittels Einwurf von Kleingeld bewerkstelligen.
"Angry Coach" im Museum
Sollte dies nicht genügen, ist ein Gang ins
Kunstmuseum
angezeigt, wo ein "Angry Coach" auf Kundschaft wartet. Unter seiner
Anleitung können sich zornige Zeitgenossen an den vom
südafrikanischen Künstler Kendell Geers entworfenen
Fussbällen austoben, die mit Latexmasken von
berühmt-berüchtigten Herrschern versehen sind.
Schweizer Erstaufführung
Wenn das nichts bringt, hilft nur noch der Gang an die
frische
Luft: Ein Stadtrundgang führt täglich zu Berner "Orten der
Wut". Etwa zum Münster, wo Bilderstürmer während der
Reformation ihre Spuren der Wut hinterliessen, oder zum
Meret-Oppenheim-Brunnen, der in der Bundesstadt lange für hitzige
Diskussionen sorgte.
Zum Auftakt des Festivals morgen Abend geht im
Stadttheater die
erste Opernpremiere der Saison über die Bühne: "Wut" des
Tessiner Komponisten Andrea Lorenzo Scartazzini basiert auf einer
verbürgten Tragödie im Portugal des 14. Jahrhunderts und
erzählt von der unglücklichen Liebe eines Prinzen, die am
mörderischen Veto seines Vaters scheitert. Im Anschluss an die
Premiere erhalten die Besucher im Stadttheaterfoyer die Gelegenheit,
von den "härtesten Songs der Rockgeschichte", dargebracht von
Sänger und Schauspieler Thomas U. Hostettler, zugedröhnt zu
werden. Was will man mehr?
mei
Festival Biennale Bern: 10.-18. September, an zahlreichen
Spielorten in der Stadt Bern. Weitere Infos und detailliertes Programm
unter: http://www.biennale-bern.ch.
---
Bund 9.9.10
Sounds "Promenade à travers une oeuvre"
Ein Gang durch einen Gang
Die Biennale Bern erobert immer neue Kulturstätten -
aber
auch Orte wie die Lorrainebrücke, deren Inneres Schauplatz einer
szenischen Installation ist.
Regula Fuchs
Auf einer Brücke stehen, das geht. Unter einer
Brücke
auch. Aber in einer Brücke? Auch das ist möglich, wie eine
szenische Klanginstallation an der diesjährigen Biennale beweist,
die das Publikum in die Eingeweide der Berner Lorrainebrücke
führt. Gruppen von 25 Personen werden ab nächsten Mittwoch
die paar Treppenstufen rechts von der Brücke herabgeleitet - so
wie die Schreibende, die zusammen mit dem Bieler Komponisten Jonas
Kocher schon vor der Premiere eine Besichtigungstour dieses
unorthodoxen Bühnenterrains unternimmt.
Ein verschrobenes Genie
Eben noch wuselte das Volk von der Drogenabgabestelle
herum, und
eben noch brüllte der Verkehr; kaum aber hat sich die etwas
versteckte Metalltüre hinter einem geschlossen - Stille. Nur ein
dumpfes Rumpeln ist in dem bunkerartigen Vorraum zu hören, wenn
oben auf der Strasse ein Bus oder ein Lastwagen auf die Brücke
fährt.
Hier erzählt der 33-jährige Jonas Kocher, der
sich die
Klang-Performance "Promenade à travers une œuvre" ausgedacht
hat, von Alexander Grothendieck, dem genialen und verschrobenen
Mathematiker, dem die Installation gewidmet ist. Der 1928 in Berlin
geborene Grothendieck ist in den Sechzigerjahren ein Star der
Mathematik und auf dem Gebiet der Algebraischen Geometrie die
unbestrittene Autorität, mit Preisen überhäuft. Doch
dann kommt der Bruch in Grothendiecks Leben: Beeinflusst von der
68er-Revolution wendet er sich von der mathematischen Forschung ab, die
ihm weltfern erscheint, und beschäftigt sich mit Ökologie,
Philosophie und Religion. Seit den 70er-Jahren verfasst Grothendieck
"Meditationen", die Tausende Seiten füllen und grösstenteils
unpubliziert bleiben. 1991 verschanzt er sich in seinem Haus in
Südfrankreich und bricht alle Kontakte zur Aussenwelt ab.
Es ist weniger der kauzige Sonderling, der Kocher
fasziniert,
sondern die vielschichtige Persönlichkeit Grothendiecks:
"Einerseits agierte er ganz radikal, vertrat seine Meinungen mit einer
grossen Konsequenz. Andererseits offenbart sich in den metaphysischen
Schriften eine ganz fragile, träumerische Person." Ein
Plätschern unterbricht ihn - draussen vor der Tür erleichtert
sich jemand. Auch das gehört zu den Arbeitsbedingungen an diesem
für Kulturschaffende ungewohnten Ort.
Kocher öffnet eine Tür, und hinein geht es in
den Bauch
der Brücke - oder besser vielleicht, in ihre Wirbelsäule.
Dicke Kabel ruhen schwer auf Metallleisten, ein langer Gang öffnet
sich, nur gerade mannshoch, aber auch nicht bedrohlich eng. Kocher
beschreibt seine erste Begegnung mit diesem Raum so: "Die
Atmosphäre in der Brücke ist anfangs ziemlich beklemmend.
Nach einer Minute hat man aber vergessen, dass man in einer Brücke
ist, und der Raum beginnt zu leben." Ein Schauspieler wird das Publikum
durch die Brücke führen, dazu kommen ein Saxofonist,
elektronische Musik, Videos, Licht. Rechts und links öffnen sich
Luken, die bespielt werden, und unten vergitterte Schächte. Einen
Ausweg gibt es nicht, man schreitet entweder voran oder zurück -
Grothendiecks kompromissloses Leben wird auf diese Weise
körperlich erfahrbar. Was Kocher auch in der Musik hörbar
macht: "Die Musik ist zum Teil nicht angenehm. Grothendieck ist auch
nicht nur angenehm. Er hat in seiner Radikalität auch etwas
Verstörendes."
Die Töne der Brücke
"Wuschschsch!" - von Zeit zu Zeit zischt ein Geräusch
vorbei, das schwer zu verorten ist und von einem Ohr zum anderen zu
sausen scheint. Wir halten inne. Auch in der Installation wird der
Text, werden die zitierten Stellen aus den Schriften Grothendiecks mit
der Zeit immer weniger Raum einnehmen. Dafür lenkt Kocher die
Aufmerksamkeit auf die Musik - und auf die Geräusche der
Brücke selber.
Kocher, der in Bern an der Hochschule der Künste
studiert
hat und kompositorisch viel mit Improvisationen arbeitet, konzipiert
seine Werke stets vernetzt: Da kommt nicht erst die Musik und dann das
Szenische, da werden alle Ausdrucksmittel gleichzeitig ausprobiert. In
"Promenade à travers une œuvre" soll das Publikum mittels Text,
Klang und Rhythmus in erster Linie fürs Hinhören
sensibilisiert werden, auch für die Klänge der Brücke:
"Ich möchte die Aufmerksamkeit fürs Hören
schärfen", so Kocher, "und die Leute in mein Hören
miteinbeziehen."
Einer, der aller Wahrscheinlichkeit nach nichts von
alledem
erfahren wird, ist Alexander Grothendieck selber. Kontaktiert hat ihn
Kocher jedenfalls nicht: "Ich weiss nicht, ob er die Performance
erlaubt hätte. Es kann sein, dass er verboten hätte, dass wir
ein Stück über ihn machen. Aber ich habe auch nicht den
Anspruch, den wahren Grothendieck zu zeigen. Sondern ‹meinen›
Grothendieck."
Der Lärm hat einen wieder
Immer wieder öffnet sich eine neue Türe und gibt
ein
weiteres Stück des Ganges frei. Wie weit wir gegangen sind,
lässt sich kaum abschätzen, das Gefühl für
Distanzen verflüchtigt sich in diesem fensterlosen Raum. Und so
kommt es fast überraschend, dass wir irgendwann wieder im Freien
stehen. An der Luft, im Licht - und im Lärm.
Lorrainebrücke Treffpunkt: Ecke
Hodlerstrasse/Lorrainebrücke. Mittwoch, 15. September, 18 und 20
Uhr. Weitere Aufführungen: 16. und 18. September, Platzzahl
beschränkt, Sprache: Französisch.
---
WoZ 9.9.10
Wut in Bern
Seit dreissig Jahren hat Bern für alle
Rechtsdrehenden ein
"Wut-Zentrum": die Reitschule. Ende Monat steht deren Zukunft an der
Urne wieder einmal zur Diskussion. Passend dazu im Vorfeld ist das
Thema "Wut" der Biennale Bern. Ein breit gefächertes Programm ist
an verschiedenen Spielorten innerhalb der Aareschlaufe angesiedelt,
dazu werden Aussenstationen eingebunden.
Jugendliche und SchauspielerInnen unter der Leitung von
Katharina
Vischer haben zum Thema recherchiert und für das
Schlachthaustheater das ortsspezifische Stück "Explodierende
Innereien" erarbeitet. Weiter wird der Stadtrundgang "Orte der Wut"
angeboten. Die Gruppe Agent provocateur hat zwischen 2005 und 2008 mit
diversen Aktionen auf schweizerische Reizthemen hingewiesen. Einige
Kurzfilme zeigen ihre pointiertesten Aktionen.
Andere Produktionen setzen sich mit dem Terror hinter
verschlossenen Haustüren auseinander. Die Choreografin Simone
Aughterlony und der Filmemacher Jorge León nutzen dazu
Performance, Theater und Film. Im Bühnenstück "Deserve"
werden Berichte von Hausmädchen analytischen Diskursen
gegenübergestellt, und der Film "Vous êtes servis" zeigt
eine indonesische Haushälterinnenschule, die junge Mädchen
auf ihre dienende Zukunft hin drillt.
Für die "Concorde Sonata" hat der US-amerikanische
Komponist
Charles Ives (1874-1954) das Leben der Transzendentalisten Ralph
Waldo Emerson, Nathaniel Hawthorne, Bronson Alcott und Henry David
Thoreau, die sich alle zwischen 1840 und 1860 in Concorde
(Massachusetts) aufhielten, als Inspirationsquelle genutzt. In den nach
ihnen benannten Sätzen arbeitet Ives ihre Individualität
heraus. Mit dem sze nischen Konzert "Walden" nimmt der Komponist Heiner
Goebbels ein Thema von Thoreau auf. Dieser Ansatz wird von Jugendlichen
in "Abwalden - Ein Tonstörprojekt" weitergesponnen. Sie
beschäftigen sich mit dem Rückzug aus der Gesellschaft, der
auch als Ausdruck unterdrückter Wut gelesen werden kann. ibo
Biennale Bern 2010 in: Bern Dampfzentrale, Progr,
Reitschule,
Schlachthaus Theater, Stadttheater (Festivalzentrum "Bar Rage") und
andere Orte, Fr, 10., bis Sa, 18. September. www.biennale-bern.ch
---
bewegungsmelder.ch Sept 2010
wut bricht aus
>biennale
Eine Woche lang verbünden sich kleine und grosse
Kulturorganisationen aus Bern, um gemeinsam zu wüten. Neben
täglich stattfindenden Veranstaltungen gibts auch solche, die
einmalig sind, wie die Konzerte von Steff la Cheffe und Greis. Aber
auch Opern, Theater, Führungen, Filme und Kinderprogramme werden
geboten. Für jedermann und jedefrau ist etwas mit dabei, denn das
Programm umfasst alle Kunstsparten. Gemeinsam haben sie eines: Sie
setzen sich mit Gefühlsausbrüchen auseinander. Wer will darf
an den Publikumsbeschimpfungen teilnehmen und sich mit allerlei
Unfreundlichem betiteln lassen oder Geschirr zertrümmern. Die, die
an blutrünstigem Gefallen finden, sehen sich die Premiere der Oper
'Wut' an und wer Grünzeugs mag, lässt sich im botanischen
Garten auf die Palme bringen. Endlich ein Anlass, an welchem
öffentlich auf den Tisch gehauen und danach höflich
applaudiert wird. Wut wird nie so langweilig sein wie Diplomatie.
[text by: Sophie Reinhardt / september 2010]
fr 10. - sa 18.09. diverse locations bern
http://www.biennale-bern.ch
---------------------------------------------------------
BIBLIOTHEK DES WIDERSTANDS
----------------------------------------------------------
WoZ 9.9.10
"Bibliothek des Widerstands"-Seit Frühjahr publiziert der
Laika-Verlag eine Serie von Büchern und Filmen über linke
Widerstandsbewegungen ab den sechziger Jahren. Ein grandioses
Unterfangen.
Projekt Gedächtnis
Von Pit Wuhrer
Der Globus-Krawall im Sommer 1968 - wer erinnert sich noch
daran?
Wer weiss noch, was damals geschah, als Lehrlinge und StudentInnen
durch Zürichs Strassen zogen, das Renditedenken der
kapitalistischen Konsumgesellschaft anprangerten und ein autonomes
Jugendzentrum forderten? Wie Stadtrat, Polizei und Justiz auf die
Proteste reagierten, wie die Medien von NZZ über "Blick" bis zum
Schweizer Fernsehen den Aufruhr kommentierten und Informationen
unterschlugen? Und welch kluge Worte der Schriftsteller Walter M.
Diggelmann an einer Vollversammlung im Volkshaus fand, als er davor
warnte, sich von den jungen SteinewerferInnen zu distanzieren?
Vergessen und vorbei. Und doch nicht ganz. Denn der
Hamburger
Laika-Verlag hat zu den Krawallen kürzlich ein Buch und eine DVD
publiziert. Im Textteil der Dokumentation erzählt Wolfgang
Bortlik, wie er als junger Zugereister die Schweiz erlebte, welche
Stimmung herrschte, als Jimi Hendrix nach Zürich kam, wie die
Polizei nach dem Konzert das Publikum vermöbelte und sich danach
der seit langem schwelende Unmut über die spiessbürgerlichen
Verhältnisse Luft verschaffte. Oliviero Pettenati schreibt, wie
sich die globale Revolte von 1968 auf die Schweiz auswirkte, Roland
Gretler erinnert sich an die Demonstrationen und den Kampf für ein
AJZ, und der Rockmusiker und Freejazzer Mani Neumeier erläutert in
einem Interview, welche befreiende Wirkung die Revolte hatte: "Wir
dachten: Jetzt verändern wir alles, jetzt haben wir es gepackt."
Geschichte von links
Die eindrücklichen Beiträge würden schon
einem
reinen Textbuch gut anstehen, doch die Dokumentation bietet mehr -
hervorragende Archivfotos aus Gretlers "Panoptikum zur
Sozialgeschichte" und auf einer beigelegten DVD den Film "Krawall"
(1969). Jürg Hassler charakterisiert in seinem Agitpropstreifen
die Gewerkschaftsaufmärsche der damaligen Zeit: Ordentlich zu den
Klängen einer Blaskapelle marschierende Arbeiter, die sauber
gemalte Transparente ("Haltet unsere Lebensmittel frei von Gift!") mit
sich tragen. Er lässt Jugendliche von ihrem Frust erzählen.
Er dokumentiert die Polizeieinsätze, interviewt Ärzte
über die Folgen der staatlichen Knüppelei und fasst die
zentralen Positionen der RebellInnen zusammen. "Wer sind denn die
Akademiker?", fragte beispielsweise ein Demonstrationsredner im
Zürich von 1968. "Das sind doch die Herren, die den
Lohnabhängigen tagtäglich in den Fabriken und Büros
begegnen." So aktuell kann Geschichte sein.
Der Film-, Foto- und Textband "Krawall" ist die vierte
Publikation in der Reihe "Bibliothek des Widerstands" des Hamburger
Laika-Verlags. Der erste Band, erschienen im März, beschreibt die
Ereignisse rund um den 2. Juni 1967. Das war der Tag, an dem der von
den Westmächten unterstützte iranische Potentat, Schah
Mohammed Reza Pahlavi, Westberlin besuchte und an dem "ein
systematischer, kaltblütig geplanter Pogrom" stattfand, wie der
Publizist Sebas tian Haffner später im "Stern" schrieb, "begangen
von der Berliner Polizei an Berliner Studenten". Eine etwas
übertriebene Darstellung (Pogrome sehen anders aus), aber der 2.
Juni war ohne Frage "das Schlüsselereignis, das die Sozialrevolte
in Westdeutschland und Westberlin ausgelöst hat" (Karl Heinz
Roth). Denn an diesem Tag erschoss der Kriminalbeamte Karl-Heinz
Kurras, der - wie man inzwischen weiss - auch der ostdeutschen Stasi
zuarbeitete, den Studenten Benno Ohnesorg.
Die Buchtexte beschreiben die Ereignisse, Zustände
und den
Widerstand in einer Gesellschaft, deren Mehrheit von den Nazis
sozialisiert und deren Elite von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern dominiert
war. Aber eine Ahnung von den damaligen Stimmungen und
Verhältnissen vermittelt erst die DVD, die auch diesem Band
beiliegt - der Film "Der 2. Juni 1967" von Thomas Giefer und
Hans-Rüdiger Minow und die Reportage "Polizeistaatsbesuch" (1967)
des Schweizer Dokumentarfilmers Roman Brodmann, der dafür den
renommierten Adolf-Grimme-Preis erhielt. "Mit der Bibliothek stellen
wir der bürgerlichen Interpretation der Welt eine eigene, linke
entgegen", sagt Karl-Heinz Dellwo, neben Willi Baer und Carmen Bitsch
Mitherausgeber und Mitbegründer des Hamburger Laika-Verlags.
Eine nachträgliche Aufklärung sozusagen, die
aber oft
verblüffend aktuelle Einsichten bietet - gerade durch die
Kombination von Wort- und Filmbeiträgen. "Texte ordnen ein,
vermitteln Inhalte, reflektieren", für ein sinnliches
Nachempfinden dessen, was damals die Menschen bewegte, seien
audiovisuelle Medien jedoch weitaus geeigneter, erläutert Dellwo
das Konzept der Reihe. Denn wer, der nur darüber liest, begreife
heute noch den Sinn einer Minirock-Demonstration wie der in Zürich
1968? "Man wollte damals in allen Bereichen aufbrechen", sagt der
radikale Linke, der wegen eines Anschlags der Roten Armee Fraktion in
Stockholm zwanzig Jahre im Gefängnis sass. "Uns geht es nicht
darum, diese Aufbrüche zu glorifizieren", sonderlich
systemverändernd seien Miniröcke und lange Haare nun wirklich
nicht gewesen. Aber sie gehörten dazu.
Hundert Bände soll die filmische Bibliothek umfassen,
vielleicht werden es auch ein paar mehr. Über siebzig Filme sind
bereits lizenziert. "Wir haben bei Filmschaffenden eine hohe Akzeptanz,
weil wir die Filme restaurieren." Immer mehr Cinematheken, so Dellwo,
wenden sich an den Kleinverlag, "da ältere Filme nach dreissig
Jahren ausbleichen und es im staatlichen Bereich kaum Gelder für
die aufwendige Restauration gibt" - und schon gar nicht für Filme
über Widerstandsbewegungen. Die Wiederherstellung alten
Filmmaterials ist teuer. Bis zu 18 000 Euro habe der Verlag, dessen
Bibliotheksprojekt von Privaten vorfinanziert wird, schon für die
Restaurierung und Digitalisierung eines Films hinblättern
müssen.
Zeitenbrüche
Ziemlich teuer war beispielsweise das "Portrait of a
Revolutionary" von Yolande DuLuart (1972), von dem es in den USA nur
noch ein Exemplar gab. Der Film zeigt die junge Angela Davis, die Ende
der sechziger Jahre ihren Job als Hochschullehrerin verlor, weil sie
sich für die Rechte der Schwarzen und der Frauen eingesetzt hatte
(siehe WOZ Nr. 35/10) und nach ihrer Inhaftierung weltweit zu einer
Ikone des linken Widerstands wurde. Auch dieser Film, der die Dozentin
und Aktivistin Davis ausführlich zu Wort kommen lässt,
verschafft ein Gefühl für die Stimmungen und
Subjektivitäten der damaligen Zeit.
Die sechziger Jahre waren ein Zeitenbruch, in dem eine
neue
Linke, vor allem eine internationalistische Linke entstand. Die
Bibliothek beschränkt sich nicht auf weit zurückliegende
Rebellionen: Der dritte Band der Reihe thematisiert die griechische
Jugendrevolte Ende 2008 ("Schrei im Dezember" von Kostas Kolimenos).
Schwerpunkt aber bleiben die sechziger und siebziger Jahre: "Rebels
with a Cause" über den US-amerikanischen StudentInnenverband SDS
ist bereits erschienen; Bände über die US-Stadtguerilla
Weathermen, über den Widerstand gegen den US-Putsch in Chile und
die argentinische Militärjunta sowie über die
globalisierungskritische Bewegung Attac werden folgen. Die grossartige
Reihe - sie ist auf acht bis zehn Jahre angelegt - kann auch abonniert
werden.
"Krawall. Die Jugendrevolte 1968 in der Schweiz".
Bibliothek des
Widerstands, Band 4. Laika Verlag. Hamburg 2010. 120 Seiten, Fr. 32.90.
http://www.laika-verlag.de
------------------
DROGEN
------------------
20min.ch 9.9.10
Kokain in der Schweiz: Weisses Pulver, dunkle Machenschaften
Der Kokainhandel in der Schweiz ist hochmodern gemanagt.
Enthüllungen der Bundeskriminalpolizei offenbaren, wie das
Business im Detail funktioniert.
Amir Mustedanagic
Wie alt der Nigerianer M.J. ist, weiss die Polizei bis
heute
nicht so genau. Sicher ist inzwischen hingegen: Der junge Mann war ein
erfolgreicher Drogendealer und seine Geschichte gilt als "exemplarisch
für die Problematik und die Schwierigkeiten im Kampf gegen die
afrikanischen Kokain-Netzwerke", wie Urs Winzenried am Montag vor den
Medien erklärte. Gemäss dem Chef der Aargauer Kriminalpolizei
begann die Drogengeschichte des "zirka 25 Jahre alten" Afrikaners wie
die von vielen: als Strassenhändler.
Die Dealer auf der Strasse bilden die unterste Ebene im
Vertriebsnetz der vor allem westafrikanischen Kokain-Netzwerke.
Erfahrungsgemäss sind es meistens Asylbewerber aus Nigeria, wie
Patric Looser von der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen
erklärte. Die Strassenhändler nutzen die Zeit bis zur
Ausweisung oder Ausreise aus der Schweiz dazu, möglichst viel Geld
zu verdienen. Zu verlieren haben die Asylbewerber nichts.
Karrieresprung im Asylheim
Früher oder später werden sie allerdings oft
erwischt -
so wie M.J. in St. Gallen. Die Polizei schnappte ihn als er
Kokain-Kügelchen unter die Leute brachte. Er wurde gebüsst
und in den Aargau abgeschoben, ins Asylheim Holderbank AG.
Zunächst schien die Verschiebung in den Aargau eine heilende
Wirkung auf M.J. zu haben. "In Holderbank blieb M.J. in der Unterkunft,
verhielt sich unauffällig, hilfsbereit - er ist ein richtiger
Wunschbewohner geworden", so Winzenried. In Wirklichkeit stieg M.J. in
der Hierarchie eine Stufe auf: Er betätigte sich neu als
Zwischenhändler. "Statt sich einem Risiko auszusetzen und auf die
Strasse zu gehen, wurde er zum Mittelsmann", so Winzenried.
Er bestellte Kokain bei Grosshändler in Spanien,
liess sie
von Kurieren in die Schweiz und von Helfern ins sein Asylheim bringen.
Anschliessend rekrutierte er Strassenhändler, die seine Ware
draussen verkauften. Wie bei M.J. handelt es sich bei
Zwischenhändler meist um abgewiesene Asylbewerber aus Nigeria. Sie
leben entweder illegal in der Schweiz oder legalisieren ihren
Aufenthalt mit einer Heirat. "Viele Frauen fallen auf die zuvorkommende
Art und den Charme hinein", so Staatsanwalt Looser. Von den krummen
Geschäften würden die Frauen meist nichts mitbekommen, weil
sie einerseits oft nicht die plötzliche finanzielle Potenz
hinterfragten, anderseits ein Problem haben, welche auch die Polizei
hat: Die Sprache.
900 000 Franken nur für Übersetzer
"Die Nigerianer sprechen Igbo, eine sehr schwer
verständliche Sprache, die nur wenige Dolmetscher beherrschen",
sagte Winzenried. Weshalb die Untersuchungen sehr teuer seien: "Allein
die Kosten für die Übersetzung der abgehörten
Telefongespräche belaufen sich auf 900 000 Franken", so der
Kripochef. Was den grössten Teil der Verfahrenskosten von 1,25
Millionen Franken in den 33 Fällen ausmacht, die die Kapo Aargau
im vergangenen Jahr erfolgreich beendete. Die Polizei sei aber gerade
auf die kostspieligen Dolmetscher angewiesen, weil sie genau damit auch
hinter die Machenschaften von M.J. gekommen sind. Die Polizei hatte
seine Telefone überwacht und bekam Bestellungen, Lieferungen und
Termine mit.
1,3 Kilo "Nationalspeise" im Magen
Die Zwischenhändler wie M.J. bestellen bei
Grosshändlern, die das weisse Pulver aus Südamerika erhalten,
wie Michael Perler erklärt. Schmuggelrouten, Kurier und
Vertriebskanäle veränderten sich ständig, so Michael
Perler, Chef der Bundeskriminalpolizei (BKP). Auf verstärkte
Kontrollen von Zoll und Polizei reagierten die Schmuggler, indem sie
die Kurierfahrten von unauffälligen EU-Bürgern
durchführen lassen.
Das Kokain wird in Spanien oder Holland umgeschlagen und
für
den Verkauf in die Schweiz transportiert. Allerdings ist
"transportiert" ein harmloser Ausdruck für das, was die Schmuggler
auf sich nehmen: Sie schluckten teilweise bis zu 1,3 Kilogramm Drogen,
die in Dutzende sogenannte Fingerlinge verpackt seien, sagte Perler
weiter. Für den Kurier ein tödliches Risiko, aber auch ein
sehr lukratives: Pro Gramm, das er abliefert, erhält er bis zu
sechs Franken.
Dank der verstärkten Anstrengungen der Polizei enden
solche
Transporte aber inzwischen oft in den Armen der Justiz, wie auch im
Beispiel von M.J: Dank der überwachten Telefone konnte die Polizei
einen Kurier abfangen. Ein Helfer des Nigerianers brachte ihn in einem
Hotel in Brugg unter. Er sollte sich dort der geschluckten Fingerlinge
entledigen, doch die Polizei wartete bereits auf ihn. Was dann auf dem
Polizeiposten geschah, werden die Beamten von der Kapo Aargau so
schnell wohl nicht vergessen: Der Kurier "schied 75 Fingerlinge aus",
wie Winzenried höflich formulierte. "Sie können sich
vorstellen, wie lange dies gedauert hat", sagte der Kripo-Chef vor den
Medien und hielt zur Veranschaulichung den über ein Kilo schweren
Sack mit den Drogenpäckchen hoch. "Er hat versucht uns weis zu
machen, dass es sich dabei um eine Nationalspeise handle", so
Winzenried weiter.
"Es ist wie eine Pfütze"
Nach der Festnahme des Kuriers und der Helfer war der Rest
für die Polizei nur noch Routine. Bei der Hausdurchsuchung im
Asylheim beschlagnahmten die Beamten bei M.J.: 1180 Franken Bargeld, 40
Gramm Kokain, drei Handys und zwei Digitalwaagen. Den Gewinn aus seinem
Kokain-Geschäft hatte M.J. bereits ausser Landes geschafft -
über 100 000 Franken, wie die Polizei nachweisen konnte. Die
Gewinne würden regelmässig mit
Bargeldübermittlungsdiensten ins Heimatland gesandt. Nun
blüht dem Nigerianer eine mehrjährige Freiheitsstrafe.
Die Behörden lassen sich aber von solchen Erfolgen
nicht
blenden, wie BKP-Chef Perler sagte. Er verglich den Kokainmarkt und den
Kampf der Polizei mit einer Pfütze: "Sobald wir den Fuss wieder
rausnehmen, fliesst das Wasser wieder an die tiefste Stelle
zurück." Das Ziel müsse es sein, den Schweizer Markt durch
weitere Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen für die
Händler unattraktiv zu machen.
---
Tagesanzeiger 9.9.10
Nigerianer beherrschen den Kokainhandel in der Schweiz
Die Polizei spricht von einem afrikanischen Netzwerk und
koordiniert den Kampf gegen die Dealer.
Von Stefan Hohler
Kokain ist nach Cannabis die am häufigsten
konsumierte
illegale Droge in der Schweiz. Allein 2009 stellten Polizei und Zoll
rund 560 Kilogramm Kokain sicher ein neuer Rekordwert.
Der Kokainmarkt wird hauptsächlich von Nigerianern
dominiert, daneben mischen weitere Gruppierungen aus Westafrika und der
Dominikanischen Republik im einträglichen Geschäft mit. Der
Kilopreis in der Schweiz beträgt zwischen 50 000 und 80 000
Franken.
Seit rund eineinhalb Jahren koordinieren die verschiedenen
Kantonspolizeien und die Bundeskriminalpolizei ihren Kampf gegen den
Kokainhandel. Mit Erfolg, wie Michael Perler, Chef der
Bundeskriminalpolizei, in Aarau gestern vor den Medien sagte. So habe
sein Amt im In- und Ausland 70 Verfahren koordiniert und
unterstützt.
Ein Grossteil des Kokains gelangt von Südamerika
über
die Drehscheiben Spanien und die Niederlande direkt nach Europa oder
wird via Afrika transportiert. Die gut organisierten
Nigerianer-Gruppierungen haben ein internationales Kuriersystem mit
Arbeitsteilung aufgebaut: Die Drogenkuriere bringen den Stoff, in
Fingerlingen geschluckt, auf dem Flug-, Strassen- oder Schienenweg in
die Schweiz. Auf den Bargeldtransport spezialisierte Geldkuriere
sammeln den Verkaufserlös ein und bringen das Geld zurück
nach Afrika. Dort wird es in Liegenschaften, Grundstücke und teure
Autos investiert. Die Akteure in diesem Drogenbusiness sind stark
vernetzt - die Polizei spricht von einem afrikanischen Netzwerk. Die
Dealer seien sehr anpassungsfähig und mobil.
Stark gestrecktes Kokain
Gemäss Beat Rhyner, Fahndungschef der Stadtpolizei
Zürich, ist der Kokainhandel in Zürich seit rund drei Jahren
unverändert. Im Strassenhandel sind vor allem westafrikanische
Asylbewerber oder Afrikaner mit B- und C-Bewilligung aktiv. Die
Kügeli-Dealer im Langstrassen-Quartier hätten allerdings nur
einen kleinen Anteil am ganzen Drogenkuchen, betont Rhyner. Der
Grossteil der regelmässigen Kokainkunden kaufe den Stoff nicht auf
der Strasse, sondern im Kollegenkreis oder von einem Stammdealer. Die
Konsumenten stammen aus allen Bevölkerungsschichten: "Der
Kokainmarkt ist sehr heterogen."
Laut Rhyner sind in Zürich neben den Westafrikanern
auch
Leute aus der Dominikanischen Republik im Kokain-Deal sehr aktiv. Der
Heroinhandel dagegen befindet sich fest in den Händen ethnischer
Albaner. Rhyner betont, dass der Reinheitsgrad des Kokains durch die
vielen Zwischenhändler stetig sinke. "Auf der Strasse beträgt
er noch 30 Prozent." 70 Prozent der verkauften Drogen, heisst das, sind
Streckmittel. Bei der Einfuhr dagegen sei der Stoff noch sehr sauber.
"Das deutet darauf hin, dass das Kokain in Südamerika bei
Organisationen mit direktem Zugang zu den Drogenlabors der
Herstellerländer gekauft wird."
Laut Norbert Klossner, Chef der Drogenabteilung der
Kantonspolizei Zürich, spannen die Nigerianer nebst Landsleuten
auch vermehrt Europäer als Kuriere ein weil sie Zoll und Polizei
weniger verdächtig erscheinen. Seit 2005 hat die Kantonspolizei
rund 200 Kuriere und Händler verhaftet und 150 Kilogramm Kokain
sichergestellt. Klossner: "Die koordinierte Tätigkeit zwischen
Bund und Kanton verbessert die Effizienz im Kampf gegen den
internationalen Kokainhandel." Damit werde die Attraktivität der
zentral gelegenen Schweiz für Kokaineinfuhren nach Europa
vermindert.
---
Bund 9.9.10
Nigerianer dominieren den Kokainhandel
Die Polizei koordiniert den Kampf gegen die Dealer.
Im Kampf gegen den Kokainhandel in der Schweiz spannen die
Bundeskriminalpolizei (BKP) und mehrere Kantone eng zusammen. Dank
eines Informationsaustausches ist es gelungen, mehrere komplexe
Netzwerke der Kokainhändler zu zerschlagen. Das Projekt wird
deshalb vorerst weitergeführt. Die Anstrengungen richteten sich
gegen die Netzwerke von Kriminellen afrikanischer Herkunft, die im
Schweizer Kokainmarkt eine wichtige Rolle spielten, sagte Michael
Perler, Chef der Bundeskriminalpolizei, gestern vor den Medien in Aarau.
Es gehe darum, die Schweiz als Standort für
Kokainhändler möglichst unattraktiv zu machen. Eine Vielzahl
von Akteuren prägten Schmuggel und Handel mit Kokain. Gruppen aus
Westafrika und der Dominikanischen Republik beherrschten diesen
lukrativen Drogenmarkt in der Schweiz, sagte Perler. Die Mehrheit der
Verhafteten stamme aus Nigeria, weitere kämen aus Guinea oder
Sierra Leone; es seien oft Asylbewerber. In geringerem Masse seien auch
Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten in der Schweiz aktiv, sagte
Perler.
Gezielte Aktionen
Der Informationsaustausch spielt bei der Zusammenarbeit
der
Behörden die zentrale Rolle. Die im Frühling 2009
gegründete Arbeitsgruppe innerhalb der Bundeskriminalpolizei
koordinierte und unterstützte bisher 70 Verfahren im In- und
Ausland. Die BKP, die zum Bundesamt für Polizei (Fedpol)
gehört, analysiert dabei die eingehenden Informationen von
ausländischen, von Interpol und Europol aus, wertet diese aus und
stellt sie den Kantonen zur Verfügung.
Ziel sei es, neue Ermittlungsansätze zu erkennen und
den
Druck der Polizei auf den Betäubungsmittelhandel zusätzlich
zu erhöhen, erläuterte der BKP-Chef. Die Kantone können
beim Kampf gegen den Schmuggel auch auf die Unterstützung des
Grenzwachtkorps und des Zolls zählen. Am gleichen Strick ziehen
unter anderem die Kantone AG, BE, LU, SG, SO, NE, VD, TI, SH und JU
sowie die beiden Basel. Das Projekt werde mindestens noch ein halbes
Jahr weitergeführt, sagte BKP-Chef Perler. In sechs Monaten werde
nochmals eine Bilanz gezogen. "Der Kampf geht weiter", machte er klar.
Rekordmenge an Kokain
Bei den koordinierten Aktionen gegen die
Drogenhändler
wurden in den beteiligten Kantonen bislang mehrere Hundert Kilo an
Kokain sowie mehrere Hunderttausend Franken an Drogengeldern
sichergestellt. Zoll und Polizei beschlagnahmten 2009
gesamtschweizerisch rund 560 Kilogramm Kokain. Dies ist gemäss BKP
ein neuer Rekordwert. Bei den Drogenkurieren und -händlern habe es
sich herumgesprochen, "dass die Schweiz kein gutes Pflaster mehr ist",
sagte Urs Winzenried, Kripo-Chef der Kantonspolizei Aargau.
Doch Schmuggelrouten, Kuriere und Vertriebskanäle
verändern sich ständig. Das Kokain wird von der Schweiz aus
telefonisch in Nigeria bestellt. Geliefert wird es in grossen Mengen
aus Südamerika. In Spanien oder Holland wird das Kokain
umgeschlagen und für den Verkauf in die Schweiz transportiert. Die
Schmuggler schlucken teilweise bis zu 1,3 Kilogramm Drogen, die in
Dutzende Fingerlinge verpackt sind. (sda)
---
20 Minuten 9.9.10
Kokain-Dealer: Bestens organisierte "Unternehmen"
BERN. Afrikanische Banden überschwemmen die Schweiz
mit
Koks. Laut Polizei sind sie organisiert wie erfolgreiche Firmen.
Die afrikanischen Netzwerke, die den Kokainhandel in der
Schweiz
dominieren, sind vernetzt, verästelt und handeln
überregional. Auf den Druck der Polizei reagieren die Netzwerke
laut der Bundeskriminalpolizei rasch - wie erfolgreiche Unternehmer.
Schmuggelrouten, Kuriere und Vertriebskanäle veränderten sich
ständig, sagte Michael Perler, Chef der Bundeskriminalpolizei. Auf
verstärkte Kontrollen von Zoll und Polizei reagierten die
Schmuggler, indem sie die Kurierfahrten von unauffälligen
EU-Bürgern durchführen liessen.
Das Kokain werde von der Schweiz aus telefonisch in
Nigeria
bestellt. Das weisse Pulver werde dann in grossen Mengen aus
Südamerika nach Europa geliefert. In Spanien oder Holland werde
das Kokain umgeschlagen und für den Verkauf in die Schweiz
transportiert. Die Schmuggler schluckten teilweise bis zu 1,3 Kilogramm
Drogen, die in Dutzenden sogenannten Fingerlingen verpackt seien.
Auf der tiefsten Ebene bewegten sich die
Strassenhändler,
berichtete Patric Looser von der St. Galler Staatsanwaltschaft. Es
handle sich meistens um Asylbewerber aus Nigeria. Die
Strassenhändler nutzen gemäss Looser die Zeit bis zur
Ausweisung oder Ausreise dazu, möglichst viel Geld zu verdienen.
Die Gewinne würden regelmässig mit
Bargeldübermittlungsdiensten ins Heimatland gesandt. SDA
---
NZZ 9.9.10
Grosse Allianz gegen den Kokainhandel
Erfolgreiche Zusammenarbeit von Kantonen,
Bundeskriminalpolizei
und Grenzwachtkorps
Kokain wird in solchen Mengen konsumiert wie noch nie.
Dank enger
Kooperation von Bundeskriminalpolizei, Kantonen und Grenzwacht soll die
Schweiz nun aber als Standort für Kokaindealer unattraktiv werden.
fsi. Aarau · Kokain ist nach Einschätzung der
Polizei
nach Cannabis in der Schweiz die meistkonsumierte Droge. Das hängt
mit der leichten Erhältlichkeit des weissen Pulvers zusammen.
Händlergruppen aus der Dominikanischen Republik, in geringerem
Masse aus dem Balkan und vor allem aber aus Westafrika haben
feinmaschige Verteilnetze mit einer grossen Zahl von
Strassenhändlern aufgezogen, und Schmuggelrouten und
Vertriebskanäle ändern sich ständig. Die
Dealer-Netzwerke sind flexibel und stellen die kantonalen Polizeien vor
grosse Herausforderungen.
Um die Schweiz als Standort für den Kokainhandel
unattraktiv
zu machen, arbeiten die Bundeskriminalpolizei, die Polizeien der
grösseren Kantone und der Grenzkantone sowie das Grenzwachtkorps
(GWK) seit Frühling 2009 intensiv zusammen. Die Anstrengungen
richten sich besonders gegen die Netzwerke westafrikanischer und vor
allem nigerianischer Herkunft, wie Michael Perler, Chef der
Bundeskriminalpolizei (BKP), am Mittwoch an einer Medienorientierung in
Aarau erklärte.
Eine Arbeitsgruppe der BKP koordiniert den
Informationsaustausch
zwischen Kantonen, GWK und ausländischen Behörden sowie
Europol und Interpol. Dies mit Erfolg: Allein im Jahr 2009 stellten
Polizei und Zoll rund 560 Kilogramm Kokain sicher. Als Folge des
härteren Vorgehens gegen die Dealer ist der Preis bei
gleichzeitiger Verschlechterung der Reinheit der Droge stark gestiegen,
und aus abgehörten Telefongesprächen geht hervor, dass die
afrikanischen Drogenhändler die Schweiz nicht mehr als gutes
Pflaster betrachten.
Wie Patric Looser von der Staatsanwaltschaft des Kantons
St.
Gallen in Aarau erklärte, werden die Drogen in den Niederlanden
oder in Spanien umgeschlagen und von Kurieren in die Schweiz
geschmuggelt. Die hiesigen Zwischenhändler sind meist abgewiesene
nigerianische Asylbewerber, die entweder untergetaucht sind oder aber
ihren Aufenthalt durch die Heirat mit einer Schweizerin legalisiert
haben. Sie geben das Kokain an die Strassenhändler weiter, die es
in kleinen Mengen verkaufen. Diese Dealer sind grossmehrheitlich
nigerianische Asylbewerber, die auf diesem Weg bis zur Ausweisung
möglichst viel Geld verdienen und in die Heimat schicken wollen.
Sie werden meist erst nach der Ankunft in der Schweiz von Landsleuten
angeworben. Geldkuriere schliesslich sammeln den Drogenerlös bei
den Zwischenhändlern ein und bringen das Geld ins Ausland.
Weil sich die Nigerianer untereinander in der Igbo-Sprache
unterhalten, sind Telefonabhörungen und polizeiliche Befragungen
sehr kostspielig. Oft kommen sechsstellige Beträge für
Dolmetscherkosten zusammen, wie der Aargauer Kripochef Urs Winzenried
anhand von zwei Beispielen erläuterte. Die Schweizer Ehefrauen
hätten in der Regel keine Ahnung von den Geschäften ihrer
Männer, weil sie deren Sprache ebenfalls nicht verständen.
Die Männer träten ihnen gegenüber liebenswert und
charmant auf. Überhaupt seien die nigerianischen Kokaindealer,
anders etwa als jene vom Balkan, kaum gewalttätiger Natur. Sie
seien viel eher freundliche Händlertypen und oft auch
Märchenerzähler: Neulich habe ein Kurier doch
tatsächlich behauptet, die Fingerlinge mit insgesamt 1,3 Kilogramm
Kokain in seinem Magen seien ein nigerianisches Nationalgericht, das er
vor der Abreise in die Schweiz zu sich genommen habe.
---
Aargauer Zeitung 9.9.10
Kampf gegen die Kokaindealer
Das unföderalistische Projekt "Cola" soll die
organisierten
Drogenhändler abschrecken
Bundeskriminalpolizei, Kantone und Grenzwacht
bekämpfen seit
über einem Jahr mit vereinten Kräften den Kokainhandel. Trotz
Erfolgen ist klar: Die Arbeit ist aufwändig und die Kosten sind
hoch.
Michael Spillmann
Nach Cannabis ist Kokain nach wie vor die am
häufigsten
konsumierte illegale Droge. Während über die tatsächlich
gehandelten Mengen nur spekuliert werden kann, bedeuten die 2009
schweizweit beschlagnahmten 560 Kilo Kokain einen neuen Rekord. Den
Kokainhandel beherrschen mehrheitlich Banden westafrikanischer
Herkunft. Seit Mitte 1990er-Jahre bauen sie ihr Netz in der Schweiz
kontinuierlich aus.
Über Föderalismus hinweg
Der Kampf gegen die florierenden Kokaingeschäfte
hatte sich
durch die föderalistischen Strukturen jahrelang erschwert. Wie
Michael Perler, Chef der Bundeskriminalpolizei (BKP), gestern an einer
Medienkonferenz in Aarau erklärte, sei die Bekämpfung lange
durch Projekte kantonaler Strafverfolgungsbehörden geprägt
gewesen. So habe es nur "eine Verschiebung" der Banden gegeben.
Aufgrund der Problematik war es 2009 unter anderen die St.Galler
Staatsanwaltschaft, die sich mit der Bitte um eine koordinierte
Zusammenarbeit an den Bund wandte. Im Projekt "Cola"
zusammengeschlossen sind nun etwa die Kantone Basel-Stadt,
Basel-Landschaft, Bern, Luzern, Aargau oder Solothurn. Während der
Kanton Solothurn gestern wirksam Ermittlungserfolge kommunizierte,
fehlte auf der Liste der Mitstreiter der Kanton Zürich. Wie der
BKP-Chef erläuterte, seien die Zürcher Behörden sehr
wohl mit dabei, es sei aber "gewünscht" worden, dies nicht zu
erwähnen.
70 Verfahren koordiniert
Wie der St.Galler Untersuchungsrichter Patric Looser
sagte,
spiele der Informationsaustausch eine zentrale Rolle. Denn die Banden
agieren sehr flexibel - vom Strassenhändler, in den meisten
Fällen Asylbewerber, zum Kurier und den Zwischenhändlern bis
zum international tätigen Grosshändler, die in Spanien oder
Holland aktiv sind.
Die Verantwortlichen zeigten sich mit den ersten Erfolgen
zufrieden. So hat die Arbeitsgruppe bislang 70 Verfahren im In- und
Ausland koordiniert. Die Drogenhändlerbanden seien gewarnt, zudem
habe sich der Kokainpreis bereits erhöht, hiess es. "Ziel ist
weiterhin, die Schweiz als Standort möglichst unattraktiv zu
machen", so BKP-Chef Michael Perler.
Dass der Kampf nicht nur aufwändig, sondern auch sehr
teuer
ist, zeigt sich im Aargau: Für die 33 Personen, die in den letzten
zwei Jahren gefasst wurden, musste die Polizei insgesamt 1,25 Millionen
Franken für Dolmetscher und Telefonüberwachung aufwenden, wie
Kripo-Chef Urs Winzenried sagte.
Wie es mit dem Projekt weitergeht, ist noch offen. Thomas
Zehnder, Kommandant der Grenzwachtregion Schaffhausen und Thurgau,
betonte aber: "Die Zahlen der Aufgriffe sind noch nicht eingebrochen.
Es wäre schade, wenn das Projekt gestoppt wird."
--
Kurier aus Amsterdam
Die Solothurner Staatsanwaltschaft hat im Zusammenhang mit
dem
Projekt "Cola" bereits zwölf Personen verhaftet und dabei 3,5
Kilogramm Kokain beschlagnahmt. In einem Fall soll ein gesprengter
Drogenhändlerring insgesamt 20 Kilo Kokain von Amsterdam in den
Kanton Solothurn geschmuggelt haben. Bei den mutmasslichen
Drogenhändlern handelt es sich mehrheitlich um Nigerianer. Wie der
zuständige Staatsanwalt Philipp Rauber erklärte, liegen in
mehreren Fällen bereits Anklageschriften vor. Den
Ermittlungserfolg kommunizierten die Strafverfolgungsbehörden
zeitgleich mit der Medienkonferenz im Aargau, als"Zusammenfassung" der
Ermittlungen. (SPI)
---
NLZ 9.9.10
Bundeskriminalpolizei
560 Kilo Kokain konfisziert
Von Daniel Schriber
Kaum eine Droge ist in der Schweiz beliebter als Kokain.
Nun
haben Kantone und Bund den Kampf gegen die kriminellen Händler
verschärft. Mit Erfolg.
"Bei vielen Kokainhändlern hat sich mittlerweile
herumgesprochen, dass die Schweiz kein gutes Pflaster mehr ist für
den Drogenhandel", sagt Urs Winzenried, Kripo-Chef der Kantonspolizei
Aargau. Kein Wunder: Zoll und Polizei beschlagnahmten im Jahr 2009
gesamtschweizerisch über eine halbe Tonne Kokain - rund 560
Kilogramm. "Rekord", verkündete gestern Michel Perler, Chef der
Bundeskriminalpolizei (BKP), anlässlich einer Medienkonferenz in
Aarau. Zudem hat die Polizei im vergangenen Jahr Drogengeld in der
Höhe von mehreren hunderttausend Franken beschlagnahmt. Es geht
also etwas, im Kampf gegen die Drogenkriminalität.
Mehrere Netzwerke zerschlagen
Seit rund eineinhalb Jahren spannen die
Bundeskriminalpolizei,
das Grenzwachtkorps sowie mehrere Kantone - darunter Luzern - im Kampf
gegen den Kokainhandel in der Schweiz zusammen. Und es scheint, als
würde sich die Arbeit über die Kantons- und Landesgrenze
hinaus bewähren. "Dank des Informationsaustausches gelang es,
mehrere komplexe Netzwerke der Kokainhändler zu zerschlagen", so
BKP-Chef Perler.
Die Schweiz "unattraktiv" machen
Dabei richtet sich der Fokus der Ermittler auf die
Netzwerke von
Kriminellen afrikanischer Herkunft, die im Schweizer Kokainmarkt die
wichtigste Rolle spielen. "Es geht darum, die Schweiz als Standort
für Kokainhändler möglichst unattraktiv zu machen."
So hätten sich die föderalistisch geprägten
Polizeistrukturen der Schweiz in der Vergangenheit zum Teil hinderlich
auf den Kampf gegen die Drogenkriminalität ausgewirkt.
"Schliesslich verfügen die Akteure des Drogenbusiness über
ein hohes Mass an Mobilität und Anpassungsfähigkeit und
wickeln ihre Geschäfte stark arbeitsteilig ab", weiss Patric
Looser, Staatsanwalt des Kantons St. Gallen. Umso bedeutender sei eine
"koordinierte Zusammenarbeit" der betroffenen Kantone.
Ermittlungserfolge in Luzern
Gleicher Meinung ist auch Simon Kopp,
Informationsbeauftragter
der Strafuntersuchungsbehörden des Kantons Luzern. Auch hier wird
mit Kokain gedealt.
Kopp bezeichnet die Zusammenarbeit mit den
Grenzwachtkorps, der
Bundespolizei - "aber auch den anderen kantonalen Polizeikorps" - als
sehr gut. So seien auch die Luzerner Strafuntersuchungsbehörden
immer wieder mit Verfahren konfrontiert, welche über mehrere
Kantone koordiniert werden müssen, da sich die Täterschaft
verschiebt oder geografisch an verschiedenen Punkten aktiv ist.
Im Mai dieses Jahres vermeldeten die Luzerner
Strafuntersuchungsbehörden gleich mehrere erfolgreiche Aktionen
gegen den Kokainhandel. So konnte die Luzerner Polizei mehrere
Nigerianer festnehmen, welche in den Jahren 2004 bis 2010 Kokain im
zwei- bis dreistelligen Kilobereich in den Kanton Luzern importierten
und verkauften.
Übrigens: Das Gemeinschaftsprojekt zwischen der
Bundespolizei und den Kantonen wird vorerst weitergeführt. In
sechs Monaten wird laut Michael Perler von der Bundeskriminalpolizei
nochmals eine Bilanz gezogen. Klar ist: "Der Kampf geht weiter."
Schliesslich ist Kokain nach Cannabis noch immer die am häufigsten
konsumierte illegale Droge in der Schweiz.
daniel.schriber@neue-lz.ch
---
St. Galler Tagblatt 9.9.10
Gemeinsam gegen Kokainhändler
Im Kampf gegen den Kokainhandel in der Schweiz spannen die
Bundeskriminalpolizei und mehrere Kantone eng zusammen. Dabei gelingt
es, Kokainhändler-Netzwerke zu zerschlagen.
Aarau. Die Anstrengungen der Polizei richteten sich gegen
die
Netzwerke von Kriminellen afrikanischer Herkunft, die im Schweizer
Kokainmarkt eine wichtige Rolle spielten, sagte Michael Perler, Chef
der Bundeskriminalpolizei (BKP).
Schweiz unattraktiv machen
Es gehe darum, die Schweiz als Standort für
Kokainhändler möglichst unattraktiv zu machen. Neben Gruppen
aus Westafrika würden auch Akteure aus der Dominikanischen
Republik im lukrativen Drogenmarkt in der Schweiz mitmischen. Die
Mehrheit der Verhafteten stamme aus Nigeria, weitere kämen aus
Guinea oder Sierra Leone; es seien oft Asylbewerber. In geringerem
Masse seien auch Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten in der
Schweiz aktiv, sagte Perler.
Gezielte Aktionen
Der Informationsaustausch spielt bei der Zusammenarbeit
der
Behörden die zentrale Rolle. Die im Frühling 2009
gegründete Arbeitsgruppe innerhalb der Bundeskriminalpolizei
koordinierte und unterstützte bisher 70 Verfahren im In- und
Ausland. Die BKP, die zum Bundesamt für Polizei (Fedpol)
gehört, analysiert dabei die eingehenden Informationen von
Interpol und Europol, wertet diese aus und stellt sie den Kantonen zur
Verfügung. Ziel sei es, neue Ermittlungsansätze zu erkennen
und den Druck der Polizei auf den Betäubungsmittelhandel
zusätzlich zu erhöhen, erläuterte der BKP-Chef.
Die Kantone können beim Kampf gegen den Schmuggel
auch auf
die Unterstützung des Grenzwachtkorps und des Zolls zählen.
Das Projekt werde mindestens noch ein halbes Jahr weitergeführt,
sagte BKP-Chef Perler. In sechs Monaten werde nochmals eine Bilanz
gezogen. "Der Kampf geht weiter", machte er klar.
Rekordmenge an Kokain
Bei den koordinierten Aktionen gegen die
Drogenhändler
wurden in den Kantonen bislang mehrere hundert Kilogramm Kokain sowie
mehrere hunderttausend Franken an mutmasslichen Drogengeldern
sichergestellt. Zoll und Polizei beschlagnahmten 2009
gesamtschweizerisch rund 560 Kilogramm Kokain. Dies ist gemäss BKP
ein neuer Rekordwert.
Kein gutes Pflaster mehr
Bei den Drogenkurieren und -händlern habe es sich
herumgesprochen, "dass die Schweiz kein gutes Pflaster mehr ist", sagte
Urs Winzenried, Aargauer Kripo-Chef. Die Preise für Kokain seien
gestiegen, die Qualität nehme ab. Gemäss Polizei kostet ein
Kilogramm Kokain in der Schweiz 40 000 bis 80 000 Franken. (sda)
--
Erfolgreiche St. Galler
Die St. Galler Justiz hat seit Anfang 2009 mehr als 40
Kokainhändlern, Drogen- und Geldkurieren das Handwerk gelegt. 30
Personen, zumeist Nigerianer, wurden festgenommen, mehrere Kilo Kokain
beschlagnahmt und einige hunderttausend Franken sichergestellt.
Dies teilte die St. Galler Kantonspolizei gestern im
Rahmen der
Information der Bundeskriminalpolizei über koordinierte
Ermittlungen gegen nationale und internationale
Kokainhändler-Ringe mit.
Die Aktionen sei erfolgreich, so die St. Galler. Viele
Kantone
hätten vermehrt Drogenhändler (vor allem Nigerianer)
festgenommen, grosse Geldbeträge sichergestellt, und es seien mehr
Dealer verurteilt worden. So wurden ein 45jähriger Nigerianer und
drei Frauen aus Kamerun erwischt, die in Altstätten einen
schwunghaften Kokainhandel führten. Sie sollen innert eines Jahres
15 Kilogramm Drogen für 1,2 Millionen Franken verkauft haben.
Die vier Personen waren laut Polizei international
organisiert.
Sie wurden zu Freiheitsstrafen von zwei bis sechs Jahren verurteilt.
Die Polizei nahm auch Lieferanten, Abnehmer und Zwischenhändler
fest, insgesamt 20 Personen. Ausserdem wurden 25 Konsumenten angezeigt.
Ziel sei es, die Schweiz für afrikanische
Drogenhändler
möglichst unattraktiv zu machen. Bund und Kantone versuchen, die
internationalen Grosshändler gemeinsam zu verfolgen. (sda)
--
Drogenscheinkäufe bleiben ein Thema
Die St. Galler Regierung wird nicht auf Bundesebene aktiv,
um die
Aktion "Ameise" wieder einzuführen. Dort würden nämlich
schon entsprechende Vorstösse behandelt, schreibt sie.
St. Gallen. - Nachdem die Aktion "Ameise" aufgrund eines
Bundesgerichtsurteils gestoppt wurde (die "Südostschweiz"
berichtete), hat die Kantonspolizei verschiedene Ersatzmassnahmen im
Kampf gegen den Drogenkleinhandel auf der Strasse angeordnet. Die
SVP-Fraktion des Kantonsrates fordert in ihrer Interpellation aber
mehr: Sie will wissen, was die St. Galler Regierung auf Bundesebene
unternimmt, um die sogenannten Drogenscheinkäufe wieder aufnehmen
zu können.
In Bern laufen schon Vorstösse
Das Urteil des Bundesgerichts berief sich auf das
eidgenössische Betäubungsmittelgesetz, welches vorsieht, nur
schwere Widerhandlungen zu bekämpfen. Geschäfte von
Kleindealern werden jedoch gemäss der St. Galler Regierung nicht
als schwere Widerhandlungen angesehen, wie sie in ihrer Antwort
schreibt.
Die St. Galler Regierung erklärt weiter, dass sie
"trotz der
derzeitigen unbefriedigenden Rechtslage" nicht auf Bundesebene aktiv
werde. Als Grund führt sie an, dass dort bereits mehrere
Vorstösse behandelt werden, welche Scheinkäufe wieder
ermöglichen wollen. Zum einen verlangt eine Parlamentarische
Initiative von Nationalrat Daniel Jositsch, dass dies durch eine
Gesetzesänderung erreicht wird. Zum anderen hat die Konferenz der
Strafverfolgungsbehörden der Schweiz einen ähnlichen Vorstoss
unternommen.
Die Aktion "Ameise" war sehr erfolgreich. Es konnten rund
400
Kleinhändler von Kokain überführt werden, wie die St.
Galler Regierung in ihrer Antwort auf die Interpellation schreibt. Die
Aktion führte ausserdem dazu, dass die Verkäufer erheblich
vorsichtiger wurden. Seit dem Verbot der Scheinkäufe durch das
Bundesgericht habe sich aber die Situation verschlechtert: "Die
Drogenhändler agieren wieder offensiver und aggressiver und
sprechen mögliche Kunden von sich aus aktiv an.
Drogengeschäfte werden wieder auf offener Strasse abgewickelt",
beklagt sich die Regierung. (so)
---
Tagesschau sf.tv 8.9.10
Bund und Kanton gemeinsam gegen Kokainhandel
Kokain ist nach Cannabis die meistkonsumierte illegale Droge in
der
Schweiz. Die Bundeskriminalpolizei hat bekannt gegeben, dass der Bund
und die Kantone beim Kampf gegen den Kokainhandel zusammengespannt
haben.
http://videoportal.sf.tv/video?id=93f05f16-571d-4e6c-b156-8d0bd6044040
---
sf.tv 8.9.10
Schweiz macht weiter intensiv Jagd auf Kokain-Dealer
sda/vaid
Seit einem Jahr arbeiten die Bundeskriminalpolizei (BKP),
mehrere
Kantone und das Grenzwachtkorps eng zusammen im Kampf gegen
Kokain-Dealer. Bis heute wurden mehrere Aktionen gegen die
Drogennetzwerke durchgeführt. Schweizweit beschlagnahmten Zoll und
Polizei alleine im letzten Jahr 560 Kilo Kokain. Das Projekt wird
deshalb vorerst weitergeführt.
Die Anstrengungen richteten sich gegen die Netzwerke von
Kriminellen afrikanischer Herkunft, die im Schweizer Kokainmarkt eine
wichtige Rolle spielten, sagte Michael Perler, Chef der
Bundeskriminalpolizei (BKP), in Aarau an einer Medienkonferenz.
Es gehe darum, die Schweiz als Standort für
Kokainhändler möglichst unattraktiv zu machen. Der lukrative
Drogenmarkt werde in der Schweiz von Gruppen aus Westafrika und der
Dominikanischen Republik beherrscht, sagte Perler.
Die Mehrheit der Verhafteten stamme aus Nigeria, weitere
kämen aus Guinea oder Sierra Leone; es seien oft Asylbewerber. In
geringerem Masse seien auch Gruppen und Personen aus den Balkanstaaten
in der Schweiz aktiv.
Gezielte Aktionen gegen Netzwerke
Der Informationsaustausch spielt bei der Zusammenarbeit
der
Behörden die zentrale Rolle. Die im Frühling 2009
gegründete Arbeitsgruppe innerhalb der Bundeskriminalpolizei
koordinierte und unterstützte bisher 70 Verfahren im In- und
Ausland.
Die BKP, die zum Bundesamt für Polizei (fedpol)
gehört,
analysiert dabei die eingehenden Informationen von ausländischen,
von Interpol und Europol aus, wertet diese aus und stellt sie den
Kantonen zur Verfügung.
Ziel sei es, neue Ermittlungsansätze zu erkennen und
den
Druck der Polizei auf den Betäubungsmittelhandel zusätzlich
zu erhöhen, erläuterte der BKP-Chef.
Die Kantone können beim Kampf gegen den Schmuggel
auch auf
die Unterstützung des Grenzwachtkorps und des Zolls zählen.
Am gleichen Strick ziehen unter anderem die Kantone AG, BE, LU, SG, SO,
NE, VD, TI, SH und JU sowie die beiden Basel.
Das Projekt werde mindestens noch ein halbes Jahr
weitergeführt, sagte BKP-Chef Perler. In sechs Monaten werde
nochmals eine Bilanz gezogen. Perler: "Der Kampf geht weiter".
Rekordmenge an Kokain
Bei den koordinierten Aktionen gegen die
Drogenhändler
wurden in den beteiligten Kanton bislang mehrere hundert Kilo an Kokain
sowie mehrere Hunderttausend Franken an mutmasslichen Drogengeldern
sichergestellt.
Zoll und Polizei beschlagnahmten im letzten Jahr in der
Schweiz
rund 560 Kilogramm Kokain. Dies ist gemäss BKP ein neuer
Rekordwert. Bei den Drogenkurieren und -händlern habe es sich
herumgesprochen, "dass die Schweiz kein gutes Pflaster mehr ist", sagte
Urs Winzenried, Kripo-Chef der Kantonspolizei Aargau, vor den Medien.
Die Preise für Kokain seien gestiegen, und die
Qualität
der Droge nehme ab. Gemäss Bundeskriminalpolizei kostet ein
Kilogramm Kokain in der Schweiz 40'000 bis 80'000 Franken. Entsprechend
hoch seien die kriminellen Gewinne.
------------------------
ALKVERBOT
------------------------
Aargauer Zeitung 9.9.10
Kantonales Alkoholverbot: Eine Schnapsidee
Der Vorstoss zur kantonalen Einführung von
Bussgeldern
für minderjährige Trinker stösst auf wenig Gegenliebe
Michael Küng
Gut gemeint - aber zu wenig durchdacht: Das ist der Tenor
unter
Fraktions- und Parteipräsidenten zu einer in der jüngsten
Grossratssitzung eingereichten Motion. Sie fordert für den ganzen
Kanton, was die Stadt Aarau bereits am 1. September eingeführt
hat: Unter 16-Jährige, die auf öffentlichem Grund Alkohol
trinken, sollen mit 60 Franken, unter 18-Jährige, die Spirituosen
trinken, mit 80 Franken gebüsst werden.
Konsequenter Jugendschutz
Für den Anfang Juli aus der EDU ausgetretenen
Initianten
Samuel Schmid ist eine kantonale Regelung der nächste logische
Schritt zur Umsetzung des Jugendschutzes: "Weil das Verkaufsverbot
allein nicht reicht, muss auch eine Einschränkung beim Konsum
her", sagt er gegenüber a-z.ch. Schmid rechnet seiner Motion gute
Chancen aus: Was auf kommunaler Ebene so gut funktioniere, dürfte
auch im Grossen Rat klappen, findet er. Getragen wird der Vorstoss von
zehn weiteren Grossräten. Unter anderem vom Schweizer Demokraten
Dragan Najman, der den Vorstoss mit demselben Argument rechtfertigt:
"Eine kantonale Regelung dient dem konsequenten Jugendschutz."
Breite Opposition
Der Vorstoss stösst bei anderen Parteien auf wenig
Gegenliebe. SVP-Frak- tionschef Andreas Glarner sagt, dass seine
Fraktion das Anliegen ablehnen werde. Mit den Bussen ist er
grundsätzlich einverstanden. Der Grosse Rat sei aber der falsche
Weg: "Derartige Regeln müssen auf kommunaler Ebene umgesetzt
werden. Dies, weil dadurch die demokratische Legitimation grösser
ist", erklärt Glarner. Rechtliche Gründe führt
CVP-Parteipräsident Franz Hollinger an. Er moniert, dass
polizeiliche Verfügungen in die Kompetenz der Gemeinden fallen -
"und darüber soll sich der Kanton nicht hinwegsetzen". Auch
FDP-Fraktionschef Daniel Heller wertet die Motion als gut gemeint. Und
trotzdem: "Das ist eine unausgegorene Lösung." Gegenwehr auch von
SP-Seite: Frak- tionschef Dieter Egli befürchtet
Interpretationsschwierigkeiten beim Begriff der "Öffentlichkeit".
Für fragwürdig hält er auch, ob die Polizei die
nötigen Kapazitäten hat, um minderjährige
Alkoholkonsumenten abzustrafen.
Unterstützung für Gemeinderegelung
Gemeinsam haben die Gegner mit den verschiedensten
Couleurs ihre
Sympathie für eine Umsetzung auf Gemeindeebene. Denn dass eine
Bussenregelung punktuell sinnvoll sein kann, halten sie dem Vorstoss
unisono zugute. Auch der Co-Fraktionschef der Grünen,
Hansjörg Wittwer, befürwortet repressive Massnahmen für
Zentren, die mit entsprechenden Problemen zu kämpfen hätten,
etwa Aarau, Brugg oder Baden. Dass aber kleine, ruhige Gemeinden
ebenfalls diese Regel aufnehmen müssen, hält er für
unnötig.
Strikte Ablehnung bei Rot-Grün
Gar nicht infrage kommen diese Bussen für die
grüne
Co-Fraktionschefin Eva Eliassen, denn "das Erlernen des Umgangs mit
Alkohol gehört nun mal zum Erwachsenwerden". Ins gleiche Horn
stösst Noch-Juso-Präsident Cédric Wermuth: "Wenn
jemand mal über die Stränge schlägt, ist das kein
Problem. Wichtig ist eine verstärkte Präventionsarbeit in den
Schulen und Familien."
--------------------
POLICE ZH
--------------------
NZZ 9.9.10
Polizeikorps soll aufgestockt werden
Gemeinderat gegen CVP-Sicherheitskonzept, aber für
mehr
Stadtpolizisten
Daniel Leupi, der Vorsteher des Zürcher
Polizeidepartements,
prüft eine Aufstockung der Stadtpolizei. Gleichzeitig sollen die
internen Arbeitsabläufe verbessert werden.
Christina Neuhaus
In der Nacht auf den 7. Februar richtete ein
gewaltbereiter
Haufen von Linksautonomen, Hooligans und Partyvolk in den Stadtkreisen
4 und 5 einen Sachschaden von mehreren hunderttausend Franken an und
stellte den Saubannerzug als "Reclaim the Streets"-Aktion dar. Die
vollständig überrumpelte und personell unterdotierte
Zürcher Stadtpolizei war nicht einmal in der Lage,
Personenkontrollen durchzuführen. Zu Verzeigungen und Festnahmen
kam es damals nicht.
Die unglückliche Rolle der Stadtpolizei und die
ausufernden
Formen von Jugendgewalt in den Ausgehvierteln haben am Mittwoch im
Gemeinderat zu reden gegeben. Anlass für die Diskussion im
Stadtparlament gab eine CVP-Motion, die ein umfassendes Konzept zur
Verbesserung der Sicherheit in den Trendkreisen 4 und 5 forderte. Dass
die Angst als ständiger Begleiter vor allem im lebendigen,
attraktiven Zürich-West stillschweigend und fatalistisch
akzeptiert werde, könne und dürfe nicht sein, schrieben die
beiden Gemeinderäte in der Begründung.
Der Stadtrat zeigte Verständnis für das
Anliegen,
weshalb er den Vorstoss in Form eines weniger verbindlichen Postulats
annehmen wollte. Im Gemeinderat erinnerte Polizeivorsteher Daniel Leupi
(gp.) aber daran, dass die Erarbeitung eines Sicherheitskonzepts die
Aufgabe der Exekutive sei. Schliesslich müsse die Stadtpolizei auf
veränderte Situationen rasch reagieren können. Ein auf die
Ausgehzone zugeschnittenes Sicherheitskonzept würde dem
Generalauftrag der Polizei zuwiderlaufen. Laut Leupi will die
Stadtpolizei dem Wunsch nach vermehrter Präsenz an Wochenenden
entsprechen. Gratis sei dies aber nicht zu haben, warnte er den Rat.
Mit dem heutigem Personalbestand sei eine Verstärkung der
Präsenz nur begrenzt möglich.
Wie Daniel Leupi weiter ausführte, ist man im
Polizeidepartement derzeit dabei, ein neues Sicherheitskonzept zu
erarbeiten. Auch eine Erhöhung des Personalbestands werde
geprüft. Zudem suche man nach Möglichkeiten, die
Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. So werde abgeklärt,
ob Polizisten beispielsweise von Schreibarbeit entlastet und vermehrt
auf der Strasse eingesetzt werden könnten. Laut Leupi könnte
es dafür an anderen Orten zu Personaleinsparungen kommen;
allenfalls sei auch eine Verzichtplanung nötig. Nach kurzer
Diskussion stellte sich eine Mehrheit der Ratsmitglieder schliesslich
hinter die Argumentation Leupis. Die Motion der CVP wurde abgelehnt.
---------------------------------
SCHNÜFFELSTAAT
----------------------------------
WoZ 9.9.10
Fichen - Das eifrige und unkontrollierte Anlegen von Dossiers
und
Karteien ist so alt wie der Staatsschutz selbst.
Spirigs 10 000 Fichen
Von Ralph Hug
Das extensive Fichieren war dem Staatsschutz von allem
Anfang an
inhärent. Dies zeigt das Beispiel von Martin Spirig, einem
subalternen Polizeibeamten in der Ostschweiz. Nach dem Vorbild der
deutschen Gestapo legte er im Alleingang zehntausend Fichen an.
Martin Spirig (1884-1978) war noch ein unbedeutender
Wachtmeister, als er 1932 zur Kantonspolizei St. Gallen stiess. Dort
verbrachte er die erste Zeit mit dem Redigieren des Polizeianzeigers
und dem Erstellen von Statistiken. Die langweilige Arbeit änderte
sich, als 1935 die Bundespolizei geschaffen wurde und die Beobachtung
politischer Vorgänge zur Polizeiaufgabe erklärt wurde.
Spionage, das Aufleben von Nazigrüppchen, aber auch die zunehmende
antifaschistische Agitation liessen aus Sicht der Behörden die
Schweiz als zunehmend bedroht erscheinen. Die "politische Abteilung"
sei geschaffen worden, um "fremden und unschweizerischen
Einflüssen wehren zu können", schrieb Spirig im
xenophob-patriotischen Jargon der Zeit.
Tummelfeld für Spione
Der Rheintaler ging mit grossem Eifer an seine neue
Aufgabe
heran. Nach und nach baute er eine umfangreiche Registratur mit
Personen- und Sachdossiers und dazugehörigen Karteikarten (Fichen)
auf. Material fand er genug. Aufgrund ihrer Grenzlage war die
Ostschweiz damals ein Tummelfeld für allerlei Spione, AgentInnen
und Oppositionelle. Insbesondere deutsche EmigrantInnen, die auf der
Flucht vor Hitler waren, wollten den Kampf gegen den Diktator im Exil
fortsetzen und waren wegen ihrer Tätigkeit im Untergrund
verdächtig. Allen Seiten widmete sich Spirig mit gleicher Verve,
denn er sah sich in der Rolle als Retter des Vaterlands und der
schweizerischen Demokratie. Bis 1939 hatte er schon 1263 Personen- und
270 Sachdossiers erstellt. Während des Zweiten Weltkriegs
explodierte dann seine Sammlung: 1945 bestand sie aus nicht weniger als
12 000 Registerkarten und 8485 Dossiers.
Niemand hinderte Spirig an seiner extensiven Fichiererei,
weder
seine direkten Vorgesetzten noch der sozialdemokratische Regierungsrat
Valentin Keel. Vermutlich waren sie gar nicht so genau über die
Exzesse der "politischen Abteilung" im Bild. Spirig bildete sich viel
darauf ein, direkt mit der Bundesanwaltschaft und der Bundespolizei zu
verkehren und somit ein "höherer" Beamter zu sein, der
hauptsächlich Bern Rechenschaft schuldig sei. Im Polizeikorps war
er isoliert und nicht besonders gut gelitten, was aber seinen
Tatendrang nur noch verstärkte.
Bezeichnend ist, dass Spirigs Vorbild beim Aufbau der
Datensammlung die systematische Kartothek der Gestapo-Zweigstelle in
Lind au am deutschen Bodenseeufer war. Seit Hitlers Machtergreifung
1933 hatte die Gestapo ein grosses operatives Know-how in der
Beschaffung und Verwaltung von Daten über Staatsfeinde und
Oppositionelle erworben. "Gut geführte Kartothekkästen sind
eine unerlässliche Grundlage", pries Spirig die Bedeutung solcher
Fichen. Persönlichkeits- und Datenschutz waren damals noch kein
Thema.
"Privates" Spitzelnetz
Weil er wegen des knappen Budgets seiner Dienststelle kaum
über eigene Mitarbeiter verfügte, zog Spirig ein "privates"
Spitzelnetz auf. Es bestand aus informellen MitarbeiterInnen, die er in
rechtspatriotischen Kreisen rund um den reaktionären
"Vaterländischen Verband" und seinen teilweise
paramilitärisch organisierten Bürgerwehren fand. Die se
Gruppierungen waren von verängstigten Bürgerlichen im
Anschluss an den Generalstreik von 1918 gegründet worden. Sie
sahen im Arbeiterstreik einen "bolschewistischen Angriff" auf die
Schweiz und pflegten einen fanatischen Antikommunismus. Diese
fragwürdige Kooperation von Staatsschutz und rechts stehenden
Privaten - ein Modell, das sich später bei Cincera wiederholte -
war wie die exzessive Fichiererei eine zwingende Begleiterscheinung des
Staatsschutzes seit seinen Anfängen.
Spirig heuerte übrigens nicht nur Spitzel an, sondern
rückte abends auch selber zu Observationen aus. Im
Verhinderungsfall schickte er sogar seine Frau auf die Pirsch. An
mancher antifaschistischen Versammlung sass er mit dem Notizblock
in der hintersten Reihe. Nicht selten wurde er dabei von den
Veranstaltern höhnisch begrüsst. Doch er blieb in stoischer
Pflichterfüllung sitzen, um nachher seine Rapporte abzufassen. Wie
schon der erste Fichenskandal im Jahr 1989 zeigte, ging ein Achtel der
damaligen Bundesfichen auf die 1930er Jahre zurück. Die Spirigs in
den Kantonen lieferten dazu die Angaben. Als wohl einzige kantonale
Dossier- und Karteikartensammlung aus dieser Zeit blieb jene von Martin
Spirig erhalten. Sie wurde 1989 in einem vergessenen Schrank gefunden
und dann ins Bundesarchiv transferiert.
--
Datenschutz
Kantone vs. Bund
Den kantonalen Datenschutzbeauftragten waren im Bereich
des
Staatsschutzes bisher die Hände gebunden (siehe WOZ Nr. 33/10).
Alle Staatsschutzdaten, die gestützt auf das Bundesgesetz zur
Wahrung der inneren Sicherheit erhoben werden, sind Bundesdaten - auch
wenn sie von den Kantonspolizeien bearbeitet werden. Gemäss dieser
Argumentation der Bundesbehörden entscheidet einzig der
Nachrichtendienst des Bundes (NDB), ob jemand Einblick in diese Daten
erhält. Eine Kontrolle von Staatsschutzdaten durch kantonale
Datenschutzbehörden ist daher unmöglich. Nun fordert
"privatim", die Vereinigung der Datenschutzbeauftragten, die
Bundesbehörden in einem offiziellen Schreiben auf, die
Notwendigkeit einer Zustimmung durch den NDB aufzuheben. Die Konferenz
der Kantonsregierungen solle diese Forderung unterstützen. jj
---
Basler Zeitung 9.9.10
Staatsschutz lässt Politik zweifeln
Kritik von Mitte-Links
Kantonale Aufsicht. Die kantonale Aufsicht über den
eidgenössischen Staatsschutz bleibt ein Thema der Basler Politik.
Im Rahmen der Diskussionen zur Geschäftsprüfungskommission
sagte zum Beispiel Tanja Soland (SP), es sei ein "Graus", was beim
Staatsschutz in Bern geschehe und man müsse sich für die
Zukunft vorbehalten, allenfalls wieder über die Mittelvergabe an
den Staatsschutz zu diskutieren.
Auch David Wüest-Rudin (GLP) stellte fest, dass die
politische Unterstützung für den Staatsschutz abhängig
davon sei, wie gut das kantonale Einsichtsrecht nun mit der neuen
Bundesverordnung gewährleistet sei. Sicherheitsdirektor Hanspeter
Gass (FDP) nutzte Wüest-Rudins Interpellation für eine
Gesamtschau und sagte, Basel-Stadt passe nun seine
Staatsschutzverordnung an die neue Bundesverordnung an.
Wüest-Rudins Fragen jedoch beantwortete Gass nicht. Dieser zeigte
sich unbefriedigt von der Antwort und sagte, er hege Zweifel, ob das
neu geregelte Einsichtsrecht wirklich zu einer effektiven Kontrolle des
Staatsschutzes führe. map
---
NZZ 9.9.10
Im Dilemma zwischen Effizienz und Grundrechtsschutz
Der neue, fusionierte Nachrichtendienst des Bundes soll
eine
einheitliche gesetzliche Grundlage erhalten
Nach dem Scheitern des Gesetzes über die innere
Sicherheit
im Parlament im letzten Jahr muss Bundesrat Maurer nun einen Neuanlauf
nehmen - gemäss den rigiden Vorgaben der Räte.
Hanspeter Mettler
Bis Ende September, so der Auftrag des Bundesrates, soll
das
Verteidigungsdepartement (VBS) eine Zusatzbotschaft zum Thema
Staatsschutz vorlegen. Hintergrund ist die Tatsache, dass im
vergangenen Jahr beide Parlamentskammern die Revision des
Bundesgesetzes zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) zur
Überarbeitung an die Landesregierung zurückgewiesen haben.
Die noch unter Bundesrat Christoph Blocher ausgearbeitete Vorlage, so
die Begründung der Räte, ritze beziehungsweise verletze
mehrere verfassungsmässige Grundrechte. Die vom Parlament
formulierten Vorgaben für einen BWIS-Neuanlauf zielen auf einen
massvollen Einsatz der neuen Mittel zur Informationsbeschaffung durch
den Nachrichtendienst.
BWIS "light"
Dazu gehörten gemäss der zurückgewiesenen
Vorlage
die präventive Überwachung von Post- und Telefonverkehr, die
Durchsuchung von Computern und gar die Überwachung in privaten
Räumen, ohne dass gegen die Betroffenen zuvor ein gerichtliches
Verfahren eingeleitet worden wäre. Weiter verlangt das Parlament,
dass der Bundesrat vor einer Neuauflage des Gesetzes dessen
Verfassungsmässigkeit detailliert prüft, dass die
parlamentarische Aufsicht verbessert wird und dass die
Verdachtsmerkmale und die geschützten Rechtsgüter
präziser definiert werden.
Die genannte Zusatzbotschaft soll darlegen, welche Punkte
der
gescheiterten BWIS-Vorlage unbestritten sind. Diese sollen in einer
neuen Gesetzesvorlage "light", voraussichtlich noch diesen Herbst,
übernommen werden. Bis Ende 2012 will Bundesrat Ueli Maurer, in
dessen Departement der neue fusionierte Inland- und
Ausland-Nachrichtendienst NDB (Nachrichtendienst des Bundes)
angesiedelt ist, einen Entwurf für ein neues
Nachrichtendienstgesetz vorlegen. Diese einheitliche gesetzliche
Grundlage soll die Aufgaben, Rechte, Pflichten und Informationssysteme
für die nachrichtendienstliche Tätigkeit festlegen und die
heute im BWIS, im Militärgesetz und im Bundesgesetz über die
Zuständigkeit des Nachrichtendienstes verstreuten Regeln ersetzen.
Im Erlass werden auch die umstrittenen Punkte der 2009
zurückgewiesenen BWIS-Vorlage neu geregelt.
Der frühere Inlandnachrichtendienst DAP (Dienst
für
Analyse und Prävention) hatte zu viele, für die
nachrichtendienstliche Arbeit irrelevante Personen erfasst. Zudem
blieben diese Daten oft ohne die gesetzlich vorgeschriebene
Überprüfung gespeichert. Nach dem Marschhalt des Parlaments,
aber auch nach der harten Kritik der
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) von Ende Juni am DAP ist
klar, dass Aspekte des Datenschutzes und der Garantie der
freiheitlichen Grundrechte der Bürger im Wettbewerb mit dem Ziel
nachrichtendienstlicher Tätigkeit, also dem Schutz der
Bevölkerung, hoch gewichtet werden dürften. In diesem Sinn
hat sich im Parlament auch Bundesrat Maurer geäussert. Und im NDB
selber sind erste Konsequenzen gezogen worden. Am 2. Juli erliess
Direktor Markus Seiler eine Weisung, wonach Personen nur dann im
Informationssystem Isis erfasst werden dürfen, wenn sie für
den Staatsschutz wirklich relevant sind, das heisst eine Gefahr
für die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz
darstellen. - Im neuen Nachrichtendienstgesetz wird unter anderem die
Frage zu regeln sein, ob ausschliesslich Verdächtige in die
Datenbank Eingang finden oder ob auch zur Prävention erhobene
Daten erfasst werden dürfen. Abklärungen zur heiklen Frage
sind zurzeit im Bundesamt für Justiz im Gang. Klar ist, dass von
den Zielsetzungen des Nachrichtendienstes her eine reine
Verdächtigten-Datenbank Probleme bietet. Es geht dabei um
sogenannte Verknüpfungen. Nicht verdächtigte Drittpersonen
können für die Beurteilung eines potenziell gewaltbereiten
Netzwerkes durchaus Bedeutung haben. Dürfen sie nicht erfasst
werden oder müssen sie aus der Datenbank gelöscht werden,
sind auch alle von dieser Person ausgehenden Verbindungen für die
Staatsschutztätigkeit verloren.
In Nachrichtendienstkreisen spricht man hier gelegentlich
von
einer Überlebensfrage: "Dürfen wir ausschliesslich bei
Verdacht tätig werden, dann machen wir kaum noch mehr als die
Bundeskriminalpolizei." Auf der anderen Seite akzeptiert man im NDB
Vorwürfe der GPDel, so jenen der übertriebenen Sammelwut. In
Zukunft soll die Qualität vor der Quantität Vorrang haben.
Anstelle des Notierens beispielsweise von Hunderten von Autokennzeichen
an einer Veranstaltung mit extremistischem Hintergrund müsse es
darum gehen, Kenntnisse über die Drahtzieher zu gewinnen. Und es
sei in der Vergangenheit auch falsch gewesen, jeden Aspekt der
Lebensführung einer erfassten Person aufzuzeichnen. "Wir sind
keine Biografen", lautet die Lehre im NDB.
Bei der Rückweisung der BWIS-Vorlage hat das
Parlament dem
Bundesrat auch die Auflage mit auf den Weg gegeben, Fragen der
Zusammenarbeit mit inländischen und ausländischen
Polizeistellen genau abzuklären. In diesen Kontext gehört die
Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten. Wenn
beispielsweise ein solcher Dienst an den NDB herantritt mit der
Feststellung, er habe Kenntnis von einem Fall der
Proliferations-Finanzierung in der Schweiz, der Schweizer Dienst sich
dann aber stumm stellt, ist damit zu rechnen, dass die
ausländischen Staatsschützer selbst in unserem Land
tätig werden. Unter dem Aspekt des Schutzes der Grundrechte
wäre das wegen des Fehlens jeglicher Kontrolle wohl die zweitbeste
Lösung.
Nötige Grundsatzdebatte
Im Hinblick auf die Schaffung des neuen
Nachrichtendienstgesetzes
wird es zwingend sein, dass die Konsequenzen aus der Kritik an der in
einigen Punkten gegen das Gesetz verstossenden Praxis des alten
Inlandnachrichtendienstes gezogen werden. Eine Debatte ist indessen
nicht nur über den Schutz der Grundrechte zu führen. Der
Erörterung bedürfen auch die Zielsetzungen des Staatsschutzes
(vergleiche untenstehenden Artikel): Was muss der NDB können, und
unter welchen Rahmenbedingungen, zu denen auch die Kontrolle durch das
Parlament gehört, hat er seine Leistungen zu erbringen?
--
Auch die Schweiz braucht Auslandspionage
Die gegenwärtige Debatte über die Rolle des
Nachrichtendienstes ist zu sehr auf die innenpolitischen Aspekte fixiert
Ein international eng vernetztes Land wie die Schweiz
benötigt Wissen über andere Staaten. Der Nachrichtendienst
des Bundes steuert Informationen bei, die nicht öffentlich
zugänglich sind.
Eric Gujer
Die Aufregung um die Planungen für eine
Befreiungsaktion der
beiden Geiseln in Libyen hat überdeutlich gemacht, dass auch ein
neutraler, sich von den Händeln der Welt nach Möglichkeit
fernhaltender Staat wie die Schweiz auf einen guten
Auslandnachrichtendienst angewiesen ist. Denn dem Nachrichtendienst
oblag es, die diversen Szenarien für eine Ausschleusung der beiden
Schweizer aus dem Land zu bewerten. Mit seiner Einschätzung der
Lage trug er wesentlich dazu bei, dass der Einsatz angesichts der
unkalkulierbaren Risiken verworfen wurde.
Der Fall Libyen zeigt exemplarisch, wie ein
Nachrichtendienst
offene und geheime Informationen zu einer Gesamtanalyse verschmilzt.
Das Wissen über die in die libysche Wüste und von dort in
Nachbarländer führenden Pisten, über die zahlreichen
Checkpoints in Ghadhafis Polizeistaat und andere, für einen
unbemerkten Grenzübertritt wichtige Details sind im Prinzip
öffentlich. Doch man benötigt eine Stelle, die diese Daten
kompetent und nicht allein unter militärischen Gesichtspunkten zu
bewerten vermag - und mit nicht allgemein zugänglichem Wissen
ergänzt. Neben vielen offenen Informationen kann eine einzelne
geheime Information einen echten Mehrwert bringen. Die Faustregel,
wonach westliche Auslandnachrichtendienste 80 Prozent ihrer Kenntnisse
aus öffentlich zugänglichen Quellen schöpfen, beweist
also nicht, dass Geheimdienste eigentlich überflüssig sind.
Entscheidend ist die Qualität des Gesamtbildes.
Qualität in der Nische
Der zivile Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist im
internationalen Vergleich klein, mit dem Ausland befassen sich weniger
als 200 Personen. Hinzu kommen die Stellen in der Armee für die
Überwachung der internationalen Telekommunikation (Signals
Intelligence, kurz Sigint). Der deutsche Auslandgeheimdienst BND hat
unter Einschluss der Sigint-Kapazitäten rund 6000 Mitarbeiter -
und der deutsche Dienst nimmt sich neben den amerikanischen
Schwergewichten CIA, NSA und DIA wiederum klein aus. Vergleiche
verbieten sich jedoch nicht nur wegen der Grösse. So mutiert die
CIA im Zuge des "Global War on Terror" zu einer paramilitärischen
Organisation. Die klassische Aufgabe eines Nachrichtendienstes - die
Informationsbeschaffung - gerät dabei ins Hintertreffen
gegenüber der Kriegführung mit CIA-Spezialkommandos und
Drohnen nicht nur im Irak und in Afghanistan.
Die Schweiz führt nachrichtendienstlich ein
Nischendasein,
hat aber einzelne Stärken, die ihr bei der Kooperation mit den
Diensten anderer Länder helfen. Das Klischee des Agenten, der
fremde Geheimnisse stiehlt, ist nicht Sache des NDB, schon deswegen
nicht, weil ihm hierfür die Ressourcen fehlen. Die Arbeit mit
Informanten (Human Intelligence, Humint) ist personalintensiv. Der
Geheimdienst unterhält jedoch keine grossen Vertretungen an den
Schweizer Botschaften, allenfalls kümmert sich der
Militärattaché um das Nachrichtendienstgeschäft. Wenn
man im Ausland wenige hauptamtliche Mitarbeiter hat, wird man dort auch
nur wenig Informanten anwerben. Präsenz im Ausland wird vorab mit
Reisen markiert, und hier setzt die Schweizer Auslandspionage
traditionell einen Schwerpunkt im Maghreb und in der
französischsprachigen Subsahara. Hier haben
Nachrichtendienst-Mitarbeiter aus der Romandie einen Vorteil
gegenüber deutschen oder britischen Kollegen.
Die internationale Zusammenarbeit in der Schattenwelt der
Nachrichtendienste basiert auf Tauschhandel. Ein kleiner Dienst wie der
NDB erhält von engen Partnern wie dem BND zwar immer mehr
Informationen, als er selbst zu geben vermag. Aber es kommt dann darauf
an, als Tauschobjekt hochklassige Informationen aus einem Spezialgebiet
wie Nordafrika zu offerieren. Das wichtigste Mittel zur Beschaffung
geheimer Informationen ist für den NDB wie für die meisten
anderen westlichen Nachrichtendienste die
Kommunikationsüberwachung. Auch grössere Staaten wie
Deutschland schöpfen den Grossteil ihres geheimen Wissens aus dem
Äther und immer häufiger aus dem Eindringen in fremde
Computer.
Frühzeitige Erkenntnisse
Im Gegensatz zu Glasfaserleitungen und Handy-Netzen
lässt
sich der Verkehr über Satelliten relativ einfach aus grosser
Distanz mit entsprechenden Antennen überwachen. Viele Konflikte
spielen sich in abgelegenen Regionen ab, in Wüsten und Bergen, wo
Satellitentelefone die einzige Kommunikationsmöglichkeit sind. In
den technischen Disziplinen kann auch ein kleiner Dienst gute
Ergebnisse erzielen, wenn er kreative Spezialisten hat. Die Schweizer
Nachrichtendienste haben relativ früh den Cyberspace als lohnendes
Ziel entdeckt: das Ausspähen anderer Rechner ebenso wie die Abwehr
von fremden Angriffen, wie sie die Bundesverwaltung mehrfach zu
verzeichnen hatte.
Die Kontrolle der Telekommunikation verdeutlicht auch, wie
unterschiedlich die rechtlichen Grundlagen für den
Nachrichtendienst im Inland und im Ausland sind. Im Inland
benötigt die Polizei eine richterliche Erlaubnis zum Abhören
eines Telefons, und dem Nachrichtendienst ist die technische
Überwachung gänzlich untersagt. Im Ausland hingegen soll der
NDB Informationen sammeln, auch wenn dies mit Gesetzesverstössen
verbunden ist, und er bedient sich hierbei auch der im Inland
verpönten Lauschangriffe. Der unterschiedliche juristische Rahmen
führt in der Praxis zu vielfältigen Problemen, da gesammelte
Daten je nach Herkunft unterschiedlich gehandhabt werden müssen.
Die jüngst aufgedeckte Sammelwut inländischer
Staatsschützer, die 200 000 Personen fichiert haben, hat den Ruf
nach Gesetzesverschärfungen ausgelöst. Allfällige
gesetzgeberische Massnahmen im Hinblick auf den Inlandnachrichtendienst
dürfen die Arbeit im Ausland nicht erschweren.
Ohnehin operiert der NDB im Vergleich zu anderen
westeuropäischen Nachrichtendiensten in einem engen rechtlichen
Korsett. Selbst in Deutschland, das aufgrund der historischen
Erfahrungen mit Gestapo und Stasi ebenfalls strenge Vorschriften kennt,
ist dem Inlandnachrichtendienst gestattet, Telefone abzuhören und
etwa in den Moscheen gewaltbereiter Islamisten verdeckt Informationen
zu sammeln. Beides ist dem NDB im Inland nicht gestattet, obwohl ein
Blick über die Grenze nach Deutschland oder Frankreich zeigt, dass
die Überwachung des Mail- und Telefonverkehrs entscheidendes
Wissen über die islamistische Szene liefert. Ein extremistisches
Umfeld, in dem die meisten Personen nicht gewalttätig sind, sich
aber Einzelne immer weiter radikalisieren, muss möglichst
frühzeitig überwacht werden - nicht erst dann, wenn eine
Straftat droht. Diese präventive Arbeit ist Sache des
Nachrichtendienstes, nicht der Polizei.
---
privatim.ch 2.9.10
privatim
die schweizerischen datenschutzbeauftragten
les commissaires suisses à la protecion des données
c/o Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich
Postfach, CH-8090 Zürich
Tel. +41 (43) 259 39 99, Fax +41 (43) 259 51 38
praesident@privatim.ch, www.privatim.ch
Medienmitteilung
Zürich, 2. September 2010
Unabhängige Datenschutzaufsicht im Staatsschutz fehlt nach
wie vor
Im Bereich des Staatsschutzes ist eine unabhängige und
wirksame
Datenschutz-kontrolle nicht möglich. privatim, die Vereinigung der
schweizerischen Daten-schutzbeauftragten beanstandet, dass eine
Kontrolle der Datenbearbeitungen der Staatsschutzorgane von der
Zustimmung des Bundes abhängig ist und damit die zu
kontrollierenden Organe über den Umfang der Kontrollen bestimmen.
privatim fordert deshalb die Aufhebung des Zustimmungserfordernisses,
um eine unabhän-gige Kontrolle durch die Datenschutzbeauftragten
gewährleisten zu können.
Das Fehlen einer wirksamen Kontrolle über die
Staatsschutztätigkeit von Bund und Kan-tonen ist kürzlich
auch schweizweit zur Kenntnis genommen worden. Das Defizit betrifft
alle drei Arten der Kontrolle:
- die parlamentarische Kontrolle durch die
Geschäftsprüfungsorgane der Parlamente in Bund und Kantonen
(Oberaufsicht),
- die Kontrolle durch die vorgesetzten Stellen in Bund und
Kantonen
(Dienstaufsicht) und
- die Kontrolle durch die Datenschutzbeauftragten in Bund und
Kantonen
(Datenschutz-aufsicht).
Inzwischen wurden verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der
Situation eingelei-tet. Sie betreffen in aller Regel die Dienstaufsicht
(Stärkung der internen Kontrolle im Bund, Änderung der
Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes [V-NDB] zur
näheren Regelung der Dienstaufsicht in den Kantonen). Ob diese
Massnahmen die Kon-trolldefizite bei der Dienstaufsicht in
genügendem Masse beseitigen, ist offen. Mindestens die
Unabhängigkeit der kantonalen Dienstaufsicht wird geschwächt,
wenn nach dem ge-änderten Art. 35 V-NDB den vorgesetzten Stellen
die Dienstaufsicht obliegt. Die bisherige Pflicht, für die
kantonale Dienstaufsicht ein vom Vollzugsorgan getrenntes Kontrollorgan
einzusetzen, wurde aufgehoben. Neu ist es den Kantonen überlassen,
ein solches Kon-trollorgan einzusetzen, das den vorgesetzten Stellen
verantwortlich ist.
Defizite bei der Datenschutzaufsicht
Die geplanten und beschlossenen Massnahmen beheben die Defizite
bei der
Daten-schutzaufsicht auf jeden Fall nicht. Der in der Verordnung
über den Nachrichtendienst des Bundes angelegte Grundfehler bleibt
bestehen: Staatsschutzdaten werden als Bundesda-ten bezeichnet und mit
diesem Argument der unabhängigen Aufsicht der
Datenschutzbe-hörden entzogen: Zwar hat der Nachrichtendienst des
Bundes (NDB) begonnen, die Zu-stimmung zur Einsichtnahme der kantonalen
Datenschutzbeauftragten in diese Daten nicht mehr a priori zu
verweigern. Aber auch so bleibt eine Datenschutzkontrolle weiterhin
abhängig vom Willen der Kontrollierten. Der Bund argumentiert,
dass alle Daten, die gestützt auf das BWIS bearbeitet werden,
"Bundesdaten" seien. Auch wenn sie durch kan-tonale Behörden
bearbeitet werden, habe einzig der Nachrichtendienst des Bundes zu
entscheiden, ob jemand Einblick in sie erhalte. Wenn beispielsweise die
Kantonspolizei Informationen an das kantonale Staatsschutzvollzugsorgan
weitergibt, welches sie an den Nachrichtendienst des Bundes
weiterleitet, sollen diese gleichsam nachträglich zu
"Bun-desdaten" werden. Damit darf auch in diese Daten nur noch mit
Zustimmung des Nach-richtendienstes des Bundes Einblick genommen
werden.
Datenschutzaufsicht abhängig vom Wohlwollen der
Kontrollierten
Mit den Anpassungen, die in den Datenschutzgesetzen im Hinblick
auf die
Schengen-Assoziierung der Schweiz vorgenommen werden mussten, sollte
eine unabhängige und wirksame Datenschutzaufsicht sichergestellt
werden. In etlichen Datenschutzgesetzen werden die
Datenschutzbeauftragten verpflichtet, das Datenbearbeiten nach einem
durch sie autonom aufzustellenden Prüfplan zu kontrollieren. Damit
ist es nicht vereinbar, dass sie im Staatsschutz Einblick nur mit
Zustimmung des Nachrichtendienstes des Bundes erhalten.
Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen im Datenschutz
Das Konzept der "Bundesdaten" verletzt, wenn es den Kantonen im
Bereich
der Daten-schutzaufsicht entgegen gehalten wird, die
verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Kantone. Der Bund besitzt keine
umfassende Kompetenz zur Rechtsetzung im Daten-schutz. Er kann wohl im
öffentlichrechtlichen Bereich für das Bearbeiten von
Personenda-ten durch Bundesorgane ein Datenschutzgesetz erlassen.
Für das Datenbearbeiten durch kantonale (und kommunale)
öffentliche Organe gelten dagegen die kantonalen
Daten-schutzgesetze.
Dem Bund stehen sodann Regelungskompetenzen in bestimmten
Aufgabenbereichen zu. Für den Staatsschutz besteht eine solche
Regelungskompetenz. Gestützt darauf steht es dem Bund zu, im
Bundesgesetz über Massnahmen zum Schutz der inneren Sicherheit
(BWIS) zu bestimmen, welche Personendaten durch welche Organe zu
welchem Zweck erhoben, weiterbearbeitet und an andere Organe bekannt
gegeben werden dürfen. Diese Bestimmungen gelten auch, wenn ein
kantonales Organ sie vollzieht. Sie dürfen jedoch nicht dazu
führen, dass von den Kantonen vorgesehene Kontrollorgane ihre
Aufgabe nicht mehr wie vorgesehen wahrnehmen können.
Forderungen von privatim
Wenn auch im Staatsschutz eine unabhängige und wirksame
Datenschutzaufsicht mög-lich sein soll, darf das Konzept der
"Bundesdaten" der Datenschutzkontrolle des Staats-schutzes in den
Kantonen nicht entgegengehalten werden.
privatim, die Vereinigung der schweizerischen
Datenschutzbeauftragten,
fordert deshalb die Bundesbehörden auf, den Vorbehalt der
Zustimmung durch den Nachrichtendienst des Bundes für die
Datenschutzkontrolle des Staatsschutzes in den Kantonen aufzuhe-ben.
privatim fordert die Konferenz der Kantonsregierungen auf, bei
den
Bundesbehörden auf die Aufhebung des Vorbehalts dieser Zustimmung
für die Datenschutzkontrolle des Staatsschutzes in den Kantonen
hinzuwirken.
Weitere Auskunft erteilen:
(deutsch)
Dr. Bruno Baeriswyl, Präsident von privatim, Tel.: 043 259
39 99
Dr. Beat Rudin, Mitglied Büro von privatim, Tel.: 061 201
16 42
(français)
Christian Raetz, Mitglied Büro von privatim, Tel.: 021 316
40 64
------------------------------------------------------
SOLIDARITÉ SANS
FRONTIERES
------------------------------------------------------
WoZ 9.9.10
Balthasar Glättli-Der Geschäftsführer von
Solidarité sans frontières hat genug von der
"täglichen Sisyphusarbeit" in der Migrationspolitik und wechselt
zur Gewerkschaft VPOD.
Konflikte hat er nie gescheut
Von Dinu Gautier
Ist es Resignation? Sieben Jahre lang hat Balthasar
Glättli
beruflich gegen die herrschende Asyl- und Ausländerpolitik
gekämpft - und viele Niederlagen einstecken müssen. Jetzt
gibt er seine Stelle als Geschäftsführer von
Solidarité sans frontières ab.
"In der Migrationspolitik geht es nicht mehr um die Sache,
sondern dar um, wer sich als Absender von Massnahmen gegenüber
einer xenophoben Bevölkerung besser profilieren kann", sagt
Glättli. "Es ist uns nicht gelungen, den Themenbereich Asyl und
Migration als normales politisches Thema mit echten Debatten und
Kompromisslösungen zu etablieren", so das selbstkritische Fazit
des 38-Jährigen. Das politische Tagesgeschäft sei "reinste
Sisyphusarbeit" gewesen, in letzter Zeit habe er die alltäglichen
Schlagzeilen zunehmend mit Zynismus bewältigt. "Da war es an der
Zeit, jemandem mit frischen Kräften den Stab zu übergeben."
Mit Glättli verliert die Bewegung eine wichtige
Persönlichkeit. Der Mann hat libertäre Grundsätze, ist
ein Kämpfer für Grundrechte, also für Schutzrechte der
Einzelnen gegenüber Diskriminierung durch den Staat. Aus dieser
Haltung heraus versuchte er eine offensive Migrationspolitik zu
betreiben, statt auf die Tränendrüse zu drücken. Das
Ziel: eine breite Bewegung der Migrant Innen, die selbstbewusst Rechte
einfordert - und sei es per Streik.
Landsgemeinden
An von Solidarité sans frontières
organisierten
"Landsgemeinden der Migration" sollten die Basisgruppen gemeinsame
Strategien entwickeln. Es wurden Grossdemos organisiert, Referenden
gegen Asyl- und Ausländergesetzesrevisionen gesammelt -
genützt hat das auf realpolitischer Ebene wenig. Glättli zum
gescheiterten Versuch, eine starke Bewegung zu schaffen: "Wer in einem
Quartier eine Tempo-30-Zone erkämpft, der geht nachher selten zum
VCS, um sich für Tempo-30-Zonen anderswo zu engagieren."
Ähnliches beobachte er bei MigrantInnen, die eine
Aufenthaltsbewilligung erhielten. "Häufig wird der
Aufenthaltsstatus als individuelles Problem gesehen - nicht als ein
politisches", sagt Glättli. Das sei kein Vorwurf,
AusländerInnen seien ja keine besseren Menschen, zumal es "den
Ausländer" ja ebenso wenig wie "den Schweizer" gebe.
Die Kampagnensucht
Der ehemalige Ko-Präsident der Grünen des
Kantons und
amtierender Gemeinderat der Stadt Zürich hat sich immer wieder in
Debatten auf nationaler Ebene gestürzt, Allianzen geschmiedet und
dabei auch Konflikte mit den eigenen Leuten nicht gescheut. Dass
Solidarité sans frontières die Schengen- und
Dublin-Abkommen bekämpft hatte, verziehen ihm einzelne grüne
Nationalrät Innen während Monaten nicht. Heute zeigt sich:
Das Dublin-Abkommen konnte die Verschärfungsspirale im Asylrecht
nicht aufhalten, dafür sprach sich die Schweiz mit dem Segen
linker Parteien für die Festung Europa aus.
Nun wechselt Glättli zur Gewerkschaft VPOD, wird
Leiter
Kommunikation und Werbung. Kampagnen zu führen, bezeichnet
Glättli als "Sucht". Zuletzt hatte er massgeblichen Anteil an der
erfolgreichen Wahlkampagne von Daniel Leupi, der nun Polizeivorsteher
der Stadt Zürich ist. Trotz neuem Kampagnenjob: Ist es eine
Herausforderung, für eine Beamtengewerkschaft zu arbeiten?
Glättli: "Sicher. Dort werden wesentliche gesellschaftliche
Auseinandersetzungen geführt. Etwa wenn öffentliche Betriebe
in einen marktfetischistischen Pseudoprivatbereich verschoben werden
sollen." Abgesehen davon hoffe er, durch den kürzeren Arbeitsweg
über mehr Zeit zu verfügen.
Glättlis Nachfolge bei Solidarité sans
frontières tritt Moreno Casasola an. Der 31-Jährige hat
keine Angst, durch den Job zum Zyniker zu werden: "Zynismus ist doch
ein gutes Mittel, um Niederlagen zu verarbeiten."
----------------
JENISCHE
----------------
WoZ 9.9.10
"Jung und jenisch" - Bis in die siebziger Jahre wurden Kinder
von
Fahrenden ihren Familien entrissen. Heute sind viele junge Jenische
wieder mit ihren Wohnwagen unterwegs. Zwei Filmemacherinnen haben sie
dabei ein Jahr lang begleitet.
"Es zieht uns einfach"
Von Dominik Gross
Wer sind die Jenischen? Diese Frage steht am Beginn des
Dokumentarfilms "Jung und jenisch" von Karoline Arn und Martina Rieder
über junge Fahrende in der Deutschschweiz. "Wenn ich nicht sagen
würde, dass ich ein Jenischer bin, könntest ja du eine
Jenische sein. Und ich könnte dich befragen. Ich kann es ja in
meinem Ausweis nicht beweisen", sagt Daniel Huber, Präsident der
Radgenossenschaft der Landstrasse, der Dachorganisation der Schweizer
Jenischen, die seit 1975 deren Interessen in der Schweiz vertritt, ins
Off. Nur in der Aufarbeitung der je eigenen Leben der Fahrenden
könne ein Sesshafter begreifen, wer die Jenischen seien.
Arn und Rieder machten dies zum Prinzip ihres Films: Ein
Jahr
lang begleiteten sie die jungen Fahrenden Pascal und Miranda Gottier,
Franziska Kunfermann und Jeremy Huber auf ihren Fahrten im Sommer von
Durchgangsplatz zu Durchgangsplatz und besuchten sie in den
Wohncontainern auf ihren Standplätzen, wo sie überwintern.
"Ebe chli jännisch"
Die üblichen Zigeunerklischees, die das sesshafte
Denken in
seinem Drang zur Schublade ansteuert, werden in diesem Film schnell
widerlegt, ohne dass die Filmemacherinnen oder die Fahrenden selber
darum viel Aufhebens machen. Wenn zufällig, wie bei einem
Kammermusikduo an einem Fest, ein schnurrbärtiger Bassist ins Bild
rückt, dann spielt er nicht irgendeine Gipsy-Polka, sondern
begleitet das Schwyzerörgeli.
Umso genauer schaut die Kamera von Rieder hin, wenn etwa
die
17-jährige Franziska Kunfermann auf ihrer ersten Sommerreise den
sehr langen Wohnwagen akribisch putzt. Und die Autorinnen lassen ihr
und dem 19-jährigen Jeremy Huber Zeit, wenn sie das Publikum durch
deren mobiles Heim der Marke Dethleffs, Modell Beduin, führen: im
Heck ein weisses Ledersofa mit Leopardenkissen vor weissen
Rüschenvorhängchen, vorne ein Doppelbett, auf dem Franziska
grad Herzchenkissen drapiert. Jeremy sagt: "Das isch ebe chli
jännisch, echli e schöns Deckbett." Offenbar ist nicht alles,
was jenisch ist, nur jenisch.
Gut, Pascal und Miranda Gottier hören vielleicht
lieber
neuere deutsche Volksmusik als viele ihrer sesshaften
AltersgenossInnen. Aber jenische Musik ist das deswegen nicht. Es
tätowiert sich auch nicht jeder seinen Familiennamen auf den
Unterarm wie Pascal (25), und nicht jede sagt wie Miranda, sie gelte
manchmal schon als "alte Schachtel", weil sie mit einundzwanzig noch
nicht Mutter sei. Spätestens mit fünfzehn, sagt sie,
könne eine fahrende Frau den Haushalt selbstständig
führen: "Der Mann bringt das Fleisch, die Frau kochts." Bei ihnen
sei die Rollenverteilung halt noch wie in den Fünfzigern.
Es wird noch enger
"Jung und jenisch" streicht auch enge Bande unter den
Männern der Familien heraus: Pascal Gottier ist Daniel Hubers
Neffe, Jeremy sein Sohn, Beni Huber sein Bruder, und alle sitzen sie in
der Geschäftsleitung der Radgenossenschaft und gehen miteinander
im Herbst auf die Jagd. Der Ehrenpräsident der Radgenossenschaft
ist Robert Huber, Grossvater von Beni, Pascal und Jeremy. Soeben ist
über ihn eine Biografie mit dem Titel "Zigeunerhäuptling"
erschienen.
Robert Huber ist eines von 586 Opfern des Hilfswerks
Kinder der
Landstrasse der Pro Juventute, das zwischen 1926 und 1973 jenische
Kinder und Jugendliche aus ihren Familien riss und unter Vormundschaft
stellte. Er wuchs bei Sesshaften auf. Im Film wird deutlich, dass die
Erinnerung an dieses Leid das Verhältnis der Jenischen zu ihrer
sesshaften Umwelt bis heute prägt, es ist immer noch eines der
Distanz und des Misstrauens, sogar der Angst: Mirandas Neffe Nico
fürchte im Kindergarten, dass niemand mehr da sei, wenn er
heimkomme, sagt Mirandas Mutter. Dass diese Angst bis heute noch in den
Knochen auch der Jüngsten steckt, verwundert nicht, wenn Mirandas
Mutter, Nicos Grossmutter, erzählt, dass sie Mirandas ältere
Schwester noch 1985 fast zur Adoption freigeben musste.
Was aber ist am jungen jenischen Leben noch typisch
jenisch,
neben einer leidvollen Geschichte der Eltern und Grosseltern, die
diesen die Sesshaften aufzwangen? Frauen am Herd, Jagdliebhaber und
Patriarchen gibt es schliesslich nicht nur bei den Fahrenden. Arn und
Rieder wollen darauf keine definitiven Antworten geben: Ihr Film bleibt
immer in Bewegung, so wie es auch der gezeigte Alltag der jungen
Fahrenden wenigstens im Sommer ist. Er ist von Unverbindlichkeiten,
Unberechenbarkeiten, spontanen Aufbrüchen und Abbrüchen
geprägt.
Vielleicht ist das jenisch: "Es zieht uns einfach", sagt
Jeremy
einmal. Jenisch ist auch der gegenwärtige Kampf der Jungen um die
Erhaltung ihrer Lebensgrundlage, des Fahrens selbst: Wollen Hubers und
Gottiers auch in Zukunft fahren, dann brauchen sie mehr
Durchgangsplätze für die sommerlichen Zwischenhalte und mehr
Standplätze zum Überwintern: Den 3000 fahrenden Jenischen
(die anderen 32 000 SchweizerInnen, die sich zur anerkannten
schweizerischen Minderheit zählen, sind sesshaft, sogenannte
"Beton-Jenische") und den ausländischen Sinti und Roma, die durch
die Schweiz ziehen, stehen zurzeit 12 offizielle Stand- und 44
Durchgangsplätze zur Verfügung. Da die Möglichkeiten
spontaner Halte und die Anzahl informeller Plätze in den letzten
Jahrzehnten ab- und gleichzeitig die Zahl der Fahrenden zunimmt, wird
es auf den Plätzen immer enger.
Können die jungen Jenischen nicht mehr fahren, dann
können sie auch nicht mehr so arbeiten, wie sie es heute tun -
vielleicht das Althergebrachteste an ihrer Lebensweise: Sie sind
Dachdecker, Maler, Spengler oder Scherenschleifer. Die Aufträge
"schränzen" sie sich, wie Pascal Gottier sagt, beim Hausieren.
Anerkannte Berufsabschlüsse besitzt niemand der Jenischen im Film.
Müssten sie sesshaft werden, dann wäre auch ihre materielle
Existenz gefährdet.
Die Abstimmung von Ibach
Die mangelhafte Infrastruktur in der Schweiz bringt die
fahrenden
Jenischen in eine Identitätsbredouille: Wollen sie
Abstimmungskämpfe um neue Plätze im konservativen Schweizer
Hinterland gewinnen, wie jenen am 26. September bei Ibach in der
Gemeinde Schwyz, dann müssen sie "das Schweizerische" an sich
betonen, um sich von den ausländischen Roma zu distanzieren, deren
schlechter Ruf nicht nur diesen selber zum Verhängnis wird,
sondern auch den Jenischen schadet. Damit aber das Stimmvolk die
Notwendigkeit von öffentlichen Plätzen für Fahrende
versteht, müssen die Jenischen die Eigenständigkeit ihrer
Lebensweise gegenüber den sesshaften SchweizerInnen betonen.
So zielt der Satz auf dem Abstimmungsflyer des
Pro-Komitees in
Ibach am Kern der Sache vorbei: "Ja zum Durchgangsplatz, weil Schweizer
Fahrende Schweizer Bürger sind." Schweizer Fahrende brauchen nicht
Durchgangsplätze, weil sie BürgerInnen sind, sondern weil sie
Fahrende sind. Wer "Jung und jenisch" sieht, wird das begreifen.
Karoline Arn und Martina Rieder: "Jung und jenisch".
Schweiz 2010.
Das Schweizer Fernsehen strahlt am Montag, 13. September,
22.55
Uhr, auf SF1 eine leicht gekürzte Fassung aus.
Filmvorführungen in: Schwyz MythenForum, Mo, 20.
September,
17 Uhr. Bern Reitschule, Sa, 25., bis Mo, 27. September.
http://www.dschointventschr.ch
-----------------------------
SKANDER VOGT
-----------------------------
WoZ 9.9.10
StrafVollzug-Skander Vogts Tod in seiner Zelle soll nicht
vergessen
werden. Dies verspricht die ehemalige Nationalrätin der
Grünen Partei Anne-Catherine Menétrey.
Die Gefängnistür einen Spalt öffnen
Von Helen Brügger
"Wir leben in einer Zeit, die nur auf Repression setzt",
sagt
Anne-Catherine Menétrey-Savary. Sie ist noch immer schockiert
vom Schicksal des dreissigjährigen Skander Vogt, der zehn Jahre in
Verwahrungshaft im Gefängnis Bochuz sass und den die Wächter
im Rauch einer brennenden Matratze ersticken liessen. Zusammen mit zwei
Kolleginnen hat sie untersucht, wie dieser Tod hätte verhindert
werden können. Heute Donnerstag stellt ihre Initiativgruppe den
Medien das Ergebnis ihrer Recherchen vor. "Es braucht eine
demokratische Überwachung der Gefängnisse durch die
Zivilgesellschaft", ist Menétrey überzeugt.
Skander Vogt starb als Opfer der Verwahrungspolitik und
einer
falsch verstandenen Sicherheitspolitik, weil sich "die Wärter wie
Roboter hinter den Sicherheitsdirektiven verschanzt" hätten,
schrieb der ehemalige Bundesrichter Claude Rouiller in seinem
explosiven Rapport über die Umstände von Vogts Tod (siehe WOZ
Nr. 28/10). Der Rouiller-Bericht erschütterte die Waadtländer
Institutionen, Justizdirektor Phil ippe Leuba versprach Reformen: mehr
Mittel und neue Institutionen für die Betreuung psychisch
auffälliger Häftlinge, klarere Richtlinien und
Verantwortlichkeiten für das Personal.
"Knastgruppe" wiederbeleben?
"Das ist alles schön und recht, aber es genügt
nicht",
sagt Menétrey, die seit ihrer Zeit im Nationalrat Spezialistin
für Fragen des Strafvollzugs ist. Nach dem Tod von Skander Vogt
sei sie von vielen Medienschaffenden gefragt worden, ob es eine neue
"Knastgruppe" brauche. Der "Groupe Action Prison", entstanden im Umfeld
der linksradikalen und autonomen Szenen der siebziger und achtziger
Jahre, hat mit Klagen gegen Strafvollzug und Justiz von sich reden
gemacht und ist dann in einem veränderten politischen Umfeld
eingeschlafen. In den letzten Wochen ist Menétrey zusammen mit
der ehemaligen Sozialarbeiterin Patricia Lin und der ehemaligen
Aktivistin der Waadtländer "Knastgruppe" Muriel Testuz der Frage
nachgegangen, ob die Wiederbelebung des Waadtländer "Groupe Action
Prison" nötig und möglich sei.
Sicher: Menétrey und ihren Kolleginnen geht es
nicht um
die Utopie einer repressionsfreien Gesellschaft, an die die
"Knastgruppen" der achtziger Jahre glaubten. Sondern um Ansätze im
Strafvollzug, die in der allgemeinen Sicherheitshysterie vergessen
worden sind. "Wenn eine Gesellschaft nur Repression kennt, läuft
etwas grundsätzlich falsch." Neben dem Prinzip "Strafe" sei das
Prinzip "Resozialisierung" verloren gegangen. Alternative Methoden wie
Arbeitseinsätze im Interesse der Allgemeinheit, Kontakte zwischen
TäterIn und Opfer, Schlichtung mit dem Ziel von Wiedergutmachung,
mehr Mittel für den Einsatz neuer soziotherapeutischer Methoden
seien in Vergessenheit geraten.
Trotzdem wird es im Kanton Waadt keine neue "Knastgruppe"
geben.
Es gebe sehr viele verschiedene Institutionen und Organisationen, die
sich mit der Problematik befassten, sagt Menétrey. So
hätten sich etwa die Anwaltskammer oder die Nationale Kommission
zur Verhütung von Folter kritisch zur Verwahrungshaft
geäussert. Die kleine Initiativgruppe von Menétrey hat
unter anderen auch die Gewerkschaft der Gefängnisangestellten, die
Schweizer Sektion von Amnesty International, die Schweizer Liga
für Menschenrechte, Schulen und Universitäten kontaktiert.
"Wir sind mit unserem Anliegen überall auf Interesse gestossen,
und die angesprochenen Organisationen haben versprochen, aktiv zu
werden."
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter
untersucht, wie sich die Praxis der Verwahrungshaft auf die psychische
Verfassung der Inhaftierten auswirkt, sie will in Zukunft ihre Arbeit
verstärkt mit anderen koordinieren und vermehrt
Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Und die Waadtländer Sektion
der Schweizer Liga für Menschenrechte ist bereit, die Ergebnisse
aller Recherchen und Aktivitäten zu bündeln. "Die Liga wird
zum Ort, wo die Fäden zusammenlaufen und weiter gehende
Initiativen ergriffen werden", freut sich Menétrey.
Kein Einzelfall
Denn der Fall Skander Vogt ist kein Einzelfall. Der
Initiativgruppe liegen die Akten einer Person vor, die 1995 wegen
kleiner Eigentumsverstösse zu neun Monaten Haft verurteilt wurde.
Der Vollzug wurde seither in zeitlich unbegrenzte Verwahrungshaft
umgewandelt; 2008 wurde die Person nach einer Revolte gegen die
Verwahrungshaft als "gewalttätig" eingestuft und in den
Hochsicherheitstrakt verlegt.
"Gewalt gegen Gewalt, das muss notwendigerweise
scheitern", ist
Menétrey überzeugt. Solange nichts gegen die Gewalt
unternommen werde, die vom Haftsystem selbst erzeugt werde, könne
es zu neuen tragischen Vorfällen kommen. "Mit unserer Initiative
wollen wir erreichen, dass die Tür zu den Gefängnissen, die
Skander Vogts Tod einen Spalt geöffnet hat, nie wieder ganz
zufällt."
-------------------------
WEGGESPERRT
-------------------------
Rundschau sf.tv 8.9.10
Weggesperrte Frauen
1970 sitzt eine 18-jährige Frau im Gefängnis - ein
ganzes
Jahr lang unter Mörderinnen, Totschlägerinnen und
Räuberinnen. Gina Rubeli hatte gegen ihre Eltern rebelliert und
einen Selbstmordversuch gemacht. Schliesslich wurde sie amdinistrativ
versorgt. Gina Rubeli ist eine von vielen "Liederlichen" und
"Arbeitscheuen", welchen es in den sechziger und siebziger Jahren
ähnlich ging. Die Rundschau hat mit Gina Rubeli noch einmal die
Frauenanstalt Hindelbank besucht. Könnte ein solcher Fall heute
auch noch geschehen?
http://videoportal.sf.tv/video?id=a9717823-5f3b-4a71-a03f-6f346a7d9693
--------------------------
QUEER CINEMA
-------------------------
WoZ 9.9.10
Luststreifen
Zum dritten Mal findet im Neuen Kino in Basel das kleine
Filmfestival "Luststreifen - Queer Cinema" statt. Unter dem Titel "Sex,
Gender & Desire" werden im September Filme gezeigt, die sich mit
dem Geschlecht ausserhalb der traditionellen Vorstellungen von Mann und
Frau auseinandersetzen.
Der dänische Dokumentarfilm "Nobody Passes Perfectly"
von
Saskia Bisp zeigt die Suche nach der Geschlechter identität; die
chilenische Dokufiktion "Aztlan" von Carolina Adriazola Astudillo
erzählt die Geschichte einer Frau mit männlichen
Sexualorganen und jene eines Mannes in einem Frauenkörper; die
argentinische Regisseurin Julia Solomonoff berichtet in ihrem Drama "El
ultimo verano de la Boyita" von der zwölfjährigen Jorgelina
und dem jungen Mario, der ein Geheimnis hütet, das Jorgelina durch
ihre zaghaften Annäherungen aufdeckt.
Auch die weiteren Filme bringen das Thema der
Geschlechteridentität auf die Leinwand und appellieren an mehr
Toleranz und Spielraum innerhalb der strengen zweigeschlechtlichen
Ordnung. süs
"Luststreifen - Queer Cinema" in: Basel Neues Kino, bis
25.
September. "Nobody Passes Perfectly" und "Aztlan", Sa, 11. September,
19 Uhr, "El ultimo verano de la Boyita", Sa, 11. September, 21 Uhr.
Weiteres Programm: http://www.neueskinobasel.ch / http://www.luststreifen.ch
----------------------------------------------
HETERO-BRAVO-NORMATIV
----------------------------------------------
WoZ 9.9.10
"Bravo"-Ein neues Buch untersucht, wie Homosexualität
während
fünfzig Jahren in der Jugendzeitschrift thematisiert wurde.
"Man hört sie stöhnen"
Von Martin Büsser
Als es noch kein Internet gab, war die "Bravo" für
Jugendliche sexuell so ziemlich das Freizügigste, was man sich im
deutschsprachigen Raum erträumen konnte. Mit Nacktfotos und der
offenen Thematisierung von Onanie und Petting hat die "Bravo"
mindestens drei Generationen "aufgeklärt" und damit Aufgaben
übernommen, die in Schulen und Elternhäusern lange tabu
waren. Doch halfen die BeraterInnen wirklich dabei, an einer
unverkrampften Einstellung zur Sexualität zu arbeiten?
Erwin In het Panhuis hat in einer Studie untersucht, wie
die
"Bravo" mit dem Thema Homosexualität seit der Gründung 1956
umgegangen ist - und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Die
"Bravo" ist nie liberaler als der Rest der Gesellschaft, sondern
bestenfalls deren Spiegelbild gewesen.
1963 erschien die erste Aufklärungsreihe unter dem
Titel
"Knigge für Verliebte". Ein gewisser Dr. Christoph Vollmer
beantwortete LeserInnenbriefe und schrieb selbst grössere
Reportagen. Hinter dem Pseudonym verbarg sich die
Erfolgschriftstellerin Marie Louise Fischer (1922-2005). Ein
16-Jähriger schrieb, dass er den Annäherungsversuchen des
Sitznachbars in der Schule ausgesetzt sei. Dr. Vollmer hierzu: "Geh zu
Deinem Klassenlehrer und bitte ihn mit Nachdruck, auf einen anderen
Platz gesetzt zu werden. Fragt er nach Gründen, dann sagst Du,
dass Du darüber nicht sprechen möchtest. Du wirst sehen, dass
Dein Lehrer Dich verstehen und Deinen Wunsch erfüllen wird."
Krank - wenn auch heilbar
Homosexualität galt in der "Bravo" noch bis 1966 als
Krankheit, dem Thema Transsexualität wird gar völlig ratlos
begegnet. 1966 erklärt der 16-jährige Lutz in einem
Leserbrief, dass er oder es sich in allen Punkten für ein
Mädchen hält, und fragt: "Könnte es sein, dass ich ein
Hermaphrodit bin?" Die Antwort: "Du solltest Dich [...] nicht in die
Idee verrennen, ein Mädchen werden zu wollen - viel besser
wäre es, Du würdest doch noch ein richtiger Mann."
Dieses "richtig" ist das Schlüsselwort in der
Sexualaufklärung der "Bravo" bis in die späten sechziger
Jahre: Es geht darum, heterosexuellen Paaren den Weg zu ihrem
(Ehe-)Glück zu ebnen. Alles andere gilt als krank - wenn auch
heilbar - oder vorübergehende Phase.
Im Oktober 1969 kommt es schliesslich zu einer Wende. Dr.
Martin
Goldstein übernimmt unter dem Pseudonym Dr. Sommer die
Aufklärungsseiten der "Bravo". Doch weder er noch die Leser
Innenschaft waren so weit, homosexuelles Begehren offen zum Ausdruck zu
bringen. Viele LeserInnenbriefe zu diesem Thema waren
verschlüsselt. So berichtete etwa ein Leser davon, dass sein Vater
nach der Trennung von seiner Mutter schwul geworden sei und seitdem
einen Mann mit nach Hause bringe: "Man hört sie die ganze Nacht
stöhnen." Dieser Mann habe einen Sohn, im gleichen Alter wie der
Leserbriefschreiber. "Mir war es peinlich, ihm nicht."
Dr. Sommer erklärt, dass man solche Briefe erst
"übersetzen" müsse, da das ganze Drumherum nur dazu diene,
das eigene Begehren zu kaschieren. Die Antwort der Redaktion liest sich
allerdings weniger fantasievoll als der Brief selbst: "Das Einzige, was
Dir also fehlt, ist mehr Kontakt mit Gleichaltrigen und auch mit
Mädchen." Denn auch wenn der Umgang mit Homosexualität in der
"Bravo" im Laufe der Zeit unverkrampfter wird, bleibt bis in die
späten siebziger Jahre hinein ehernes Gesetz: Homosexuelle
Handlungen unter Jugendlichen sind meist Ersatzhandlungen, weil das
andere Geschlecht nicht zur Hand ist oder man dem anderen Geschlecht
gegenüber noch zu schüchtern ist.
Obwohl sich die "Bravo" nicht besonders weit aus dem
Fenster
lehnte, wurden 1972 zwei Hefte wegen Beiträgen zu
gleichgeschlechtlichen Handlungen indiziert. Anstoss erregte laut
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften "die
Schilderung der gegenseitigen Onanie [...] Sie hat ausgesprochenen
Aufforderungscharakter." Ein anderer Artikel über
gleichgeschlechtliche Sexualität unter Mädchen wurde als
"sozial-ethisch begriffsverwirrend" indiziert. Für die
Bundesprüfstelle wurden in den Artikeln "lesbische und
onanistische Praktiken Minderjähriger [...] in allen Einzelheiten
mit Aufforderungs- und Rechtfertigungscharakter" vorgeführt. Im
Klartext: Wer das liest, möchte onanieren oder lesbisch werden.
Fatale Doppelmoral
Ab den achtziger Jahren trat eine gewisse Normalität
im
Umgang mit dem Thema ein. Homosexualität wurde nicht mehr als
Lebensphase bezeichnet, sondern als "gefestigte sexuelle Orientierung"
anerkannt. Hatte die "Bravo" aus alten Fehlern gelernt? Über
schwul-lesbisches Begehren wird in der "Bravo" seit der Zeit, als die
Zeitschrift im Zuge des sich ausbreitenden Mainstreams ihre Sprechmacht
in Sachen Jugendaufklärung verloren hat, ganz
selbstverständlich berichtet.
Zu jener Zeit allerdings, als die Jugendzeitschrift im
deutschsprachigen Raum die wichtigste und zum Teil sogar einzige
Anlaufstelle für sexuelle Fragen war, versagte die Redaktion auf
der ganzen Linie. Bis in die achtziger Jahre hinein wurde zum Thema
Homosexualität herumgedruckst und eine fatale Doppelmoral
gefahren: Schwule sind zwar nicht krank, sollten aber dennoch einen
Arzt oder Familienberater aufsuchen. Oder aber: Schwule sollte man
nicht belachen, sondern tolerieren ... wenngleich es sie eigentlich gar
nicht gibt, denn gleichgeschlechtliche Zuneigung ist nur eine
vorübergehende Phase.
Ähnlich ignorant ging die "Bravo" auch mit Aids um.
Statt
Schwulen Tipps zur Verhütung zu geben, richtete sich die "Bravo"
fast ausschliesslich an ein heterosexuelles Publikum und beschwichtig
te: "Junge Leute sind weniger gefährdet und können sich vor
Aids schützen, wenn sie einem gesunden Partner treu bleiben." In
einer heterosexuellen Beziehung, versteht sich.
Erwin In het Panhuis: "Aufklärung und Aufregung. 50
Jahre
Schwule und Lesben in der ‹Bravo›". Archiv der Jugendkulturen. Berlin.
2010. 195 Seiten. Fr 40.50.
--
"Extrem peinlich"
Knallig, wirr, überladen - so wirkt die aktuelle
"Bravo" auf
eine über Dreissigjährige. Die Stars sind zwischen dreizehn
und zwanzig Jahre alt, tragen Zahnspange und sind der überalterten
Leserin grösstenteils unbekannt. Doch was meint eine sechzehn
Jahre alte langjährige "Bravo"-Leserin? Marie aus Bern gibt
Auskunft:
"Die ‹Bravo› ist peinlich aufgemacht, und es steht extrem
viel
Scheiss drin: Die Teeniestars werden wie Erwachsene behandelt, und es
wird getan, als ob sie extrem wichtig seien. Als ich jünger war,
schaute ich zu diesen Stars auf, doch dann merkte ich, dass sie nur
peinlich sind. Es geht immer darum, ob zwei Stars ein Paar sind oder
nicht.
Schwule und Lesben kommen überhaupt nicht vor. Es
werden
auch beim Dr.-Sommer-Team nie Fragen zu Homosexualität gestellt.
Wer sich nur über die ‹Bravo› aufklären würde,
wüsste gar nicht, dass Homosexualität existiert. Zum Beispiel
Ricky Martin: Als der schwule Sänger Vater wurde, berichtete die
"Gala" über ihn - in der ‹Bravo› war gar nichts drin.
Auch dicke oder hässliche Menschen gibt es nicht.
Wenn du
selber nicht hübsch und nicht so selbstsicher bist, verunsichert
dich das Lesen der ‹Bravo›, denn es spiegelt eine Welt vor, in der nur
Schöne existieren. Sogar in den Fotoromanen sind alle immer
dünn!
Das Allerschlimmste finde ich die Doppelseite, die auf
Betroffenheit macht, wie die hier über die Flutkatastrophe in
Pakistan. Die finde ich so fehl am Platz, dass ich die gar nie lese."
süs
------------------------------------
BIG BROTHER SPORT
------------------------------------
Tagesanzeiger 9.9.10
Der falsche Hooligan
Ronnie Schlauri wurde verhaftet, weil er an einem
Fussballkrawall
in Basel beteiligt gewesen sein soll. Daraufhin verlor der FCZ-Fan
seine Stelle. Doch er war an diesem Spieltag gar nicht in Basel.
Von Dario Venutti
Zürich - Glatze, rechte Gesinnung, dumpf - so stellt
man
sich gemeinhin Hooligans vor. Was Ronnie Schlauri mit ihnen verbindet,
sind Äusserlichkeiten. Mit der gewaltbereiten Fanszene hat der
33-Jährige jedoch nichts zu tun, im Gegenteil: Schlauri, ein
Hobby-Rapper, komponierte einen Song für ein Gewaltopfer. "Warum
dä Roli?" ist eine Benefiz-CD-Single für Roland Maag, der an
der Meisterfeier des FCZ 2006 zum Invaliden geschlagen wurde. Sie
spielte rund 6000 Franken ein.
Vielleicht kannten die Szenekenner der
Hooliganismus-Abteilung
der Stadtpolizei Zürich deshalb Schlauris Namen. Jedenfalls ist es
ihm schleierhaft, warum seine Personalien aktenkundig sind. Die Polizei
verweigert dazu jede Auskunft. Schlauri sagt, nie in eine
Schlägerei an einem Fussballspiel verwickelt gewesen zu sein. Er
ist auch nicht Mitglied einer Fan-Gruppierung, und ein Stadion- und
Rayonverbot hat er nur deshalb seit kurzem, weil den Behörden ein
Fehler unterlaufen ist.
Ronnie Schlauri wurde Ende Juni verhaftet. Zwei
Zivilpolizisten
holten ihn in der Znüni-Pause an seinem Arbeitsplatz auf einer
Baustelle ab. Der ausgebildete Maurer musste zunächst eine Nacht
in einer Zelle in Zürich bleiben. Am nächsten Tag wurde er in
Handschellen in einem Wagen mit abgedunkelten Scheiben nach Basel
gefahren. Dort verbrachte er wieder eine Nacht in einer Zelle, bevor er
am späteren Nachmittag endlich einvernommen wurde.
Basler Polizei gibt Fehler zu
Schlauri stand unter Verdacht, am Cupspiel FCB - FCZ im
letzten
November randaliert zu haben. "Landfriedensbruch und Anführen
eines Mobs" wurden ihm vorgeworfen. Am Match in Basel war die Situation
eskaliert, nachdem FCZ-Anhänger den Eingang gestürmt und
einen Verpflegungsstand im Gästesektor demoliert hatten,
während die Polizei die ausserhalb des Stadions wartenden FCZ-Fans
mit Gummischrot auf den Extrazug zwingen wollte. Via
Rechtshilfeersuchen verlangte die Basler Polizei von ihren Zürcher
Kollegen die Namen von rund 50 mutmasslichen Krawallmachern, von denen
sie Bilder hatte. Kürzlich wurde ein Teil auch per Internet
gesucht.
Ronnie Schlauri war an dem besagten Tag gar nicht in
Basel: "Ich
war dort noch nie an einem Match." Er sagt, den Abend zu Hause mit
seiner Frau und seiner damals halbjährigen Tochter verbracht zu
haben. Was für seine Version spricht, ist die Tatsache, dass
während der Einvernahme der Basler Polizist den Irrtum schnell
bemerkte. "Nachdem er das Fahndungsbild mit meinem Gesicht verglichen
hatte, telefonierte er dem Staatsanwalt und sagte ihm: Das ist er
nicht", so Schlauri. Daraufhin konnte er das Gefängnis verlassen,
doch damit war der Fall für ihn nicht erledigt.
Weil Schlauri kein Geld auf sich hatte, musste er ohne
Billett
mit dem Zug nach Zürich fahren. Ein Sprecher der Basler
Staatsanwaltschaft räumt gegenüber dem TA ein, dass der
Polizei hier ein Fehler unterlaufen sei. Sie hätte Schlauri Geld
geben oder ihn nach Zürich bringen sollen. Mehr wollte der
Sprecher zum Fall nicht sagen.
Fans unter "Generalverdacht"
Als Schlauri tags darauf an seinem Arbeitsplatz erschien,
beschied ihm sein Vorgesetzter: "Mit Leuten wie dir wollen wir nichts
zu tun haben." Schlauri war entlassen.
"Als Fussballfan steht man unter Generalverdacht", sagt
Schlauri.
Es war sein Glück, dass er drei Wochen später eine Stelle als
Kurier fand. Damit wollte er es aber nicht auf sich bewenden lassen.
Schliesslich hatte er einen Lohnausfall und wollte für die
Umtriebe entschädigt werden. Also beschloss Schlauri,
Schadenersatz zu fordern. Seine Rechtschutzversicherung sagte ihm, er
könne erst klagen, wenn das Verfahren abgeschlossen sei. Schlauri
aber hatte das Gefängnis verlassen, ohne ein Dokument in
Händen zu halten. Im Prinzip konnte er nicht beweisen, dass er im
Gefängnis war, und deshalb auch keinen Schadenersatz fordern.
Ronnie Schlauri rief mehrere Male bei der Polizei in Basel
an, um
einen schriftlichen Beleg zu erhalten, dass das Verfahren gegen ihn
eingestellt worden sei. Die Telefonistin verband ihn jeweils weiter.
Allerdings kam er nie zur zuständigen Stelle durch, oder die
Leitung brach ab. Drei Tage nachdem der Journalist bei der Polizei
nachgefragt hatte, erhielt Schlauri ein Schreiben aus Basel: Das
Verfahren sei eingestellt worden.
----------------------------
WAFFENHANDEL
----------------------------
Bund 9.9.10
Der Bundesrat zeigt Herz für die Nöte der
Rüstungsindustrie
Mit Verweis auf seine strengen Ausfuhrkriterien
bekämpfte
der Bundesrat ein Exportverbot für Kriegsmaterial. Nun erwägt
er, die Kriterien zu lockern.
Fabian Renz
Die Gegner sprechen von einem "Geschäft mit dem Tod".
Für CVP-Ständerat Bruno Frick dagegen sind
Kriegsmaterialexporte "Export von Sicherheit". So jedenfalls liest man
es auf der Homepage des von Frick präsidierten "Arbeitskreises
Sicherheit und Wehrtechnik", welcher der Rüstungsindustrie
nahesteht.
Diese "stolze, leistungsfähige" Branche solle nun
"gleich
lange Spiesse" wie die europäische Konkurrenz erhalten, fordern
Frick und die Vizepräsidentin des Arbeitskreises,
FDP-Nationalrätin Sylvie Perrinjaquet. In zwei identischen
Postulaten verlangen sie vom Bundesrat einen Bericht darüber, wie
die durch die strengen Ausfuhrkriterien erzeugte "Diskriminierung" der
einheimischen Rüstungsindustrie beseitigt werden könne.
Kritisiert wird in erster Linie die 2008 "erheblich verschärfte"
Kriegsmaterialverordnung, die Exporte in Länder mit prekärer
Menschenrechtslage oder bewaffneten Konflikten verbietet. Die
"drakonischen" Regeln hätten sich bereits negativ ausgewirkt,
insbesondere für Lieferungen nach Pakistan, Saudiarabien und
Ägypten.
Der Bundesrat scheint die Bedenken zu teilen, wie seine
bislang
unbeachtet gebliebenen Antworten auf Fricks und Perrinjaquets Postulate
zeigen. Im Vergleich mit der Europäischen Union, schreibt die
Regierung, bestünden tatsächlich "Unterschiede" bei der
Bewilligungspraxis. Man sei daher bereit, die Anliegen der Postulanten
zu "prüfen", und beantrage die Annahme ihrer Vorstösse.
"Bruch eines Versprechens"
"Diese Antwort kann nichts anderes heissen, als dass der
Bundesrat die Ausfuhrbestimmungen für Kriegsmaterial wieder
lockern will. Das ist der klare Bruch eines Versprechens", kritisiert
Patrick Angele von der Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee
(GSoA). Tatsächlich dienten die von Frick und Perrinjaquet
beklagten Verschärfungen vor zwei Jahren als Argument gegen eine
Volksinitiative, die Kriegsmaterialexporte generell verbieten wollte.
Dass nun ebendiese Verschärfungen wieder auf dem Prüfstand
stehen, findet auch der linksalternative Nationalrat Josef Lang
"unglaublich". In der Herbstsession wird Lang daher in einer Anfrage
vom Bundesrat genauere Informationen über dessen Pläne
verlangen.
Für Simon Plüss vom Staatssekretariat für
Wirtschaft (Seco) zielt die Wut der Armeekritiker "zum jetzigen
Zeitpunkt ins Leere". Falls das Parlament die beiden Postulate
gutheisse, werde man einen sorgfältigen Vergleich der
schweizerischen und der europäischen Ausfuhrregeln vornehmen -
"mit völlig offenem Ergebnis". Jetzt, zwei Jahre nach der Revision
der Kriegsmaterialverordnung, sei doch die Gelegenheit günstig
für eine Lagebeurteilung.
"Keine Abmachung getroffen"
Auch Postulant Bruno Frick versteht die Aufregung nicht:
"Wie
kann die GSoA etwas dagegen haben, Fakten miteinander zu vergleichen?"
Zum Vorwurf, es werde ein Versprechen aus dem Abstimmungskampf von 2008
gebrochen, meint der CVP-Ständerat kurz und trocken: "Ich habe mit
der GSoA keine Abmachung getroffen."
--
Schweizer Geschenk
Militärhelikopter für Pakistan
Die Schweiz schenkt dem hochwassergeschädigten
Pakistan zehn
Helikopter des Typs Alouette III. Dies hat der Bundesrat gestern
beschlossen. Drei Alouette-Helikopter hatte die Schweiz Pakistan schon
Mitte August zur Verfügung gestellt. Nun sollen gemäss
Mitteilung des Verteidigungsdepartements auch die restlichen sieben
Maschinen dieses Typs, die noch in Schweizer Besitz sind, dem
asiatischen Land kostenlos abgetreten werden. Im Frühjahr hatte
der Bundesrat ein Kaufangebot Pakistans für dieselben Helikopter
wegen Sicherheitsbedenken noch abgelehnt. Inzwischen ist man im
Verteidigungsdepartement aber der Ansicht, dass die Umrüstung der
Alouettes zu Kampfmaschinen "technisch kaum möglich" wäre.
Auch sei Pakistan zu einer friedlichen Nutzung verpflichtet worden.
(sda/fre)
-----------------
PROZESS
-----------------
Radiofabrik (Salzburg) 9.9.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20100909-justizskand-35928.mp3
Justiz-Skandal um Tierschützer in Österreich
In Wiener Neustadt erlebt seit Anfang September ein Prozess
seine
Fortsetzung, der in Österreich bisher beispiellos ist. Auf der
Anklagebank sitzen zwölf TierschützerInnen. Die Vorwürfe
gegen sie lauten nicht nur Sachbeschädigung und Nötigung.
Erstmals kommt in Östereich der so genannte Mafiaparagraf 278a zur
Anwendung - den Tierschützern wird Gründung und
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Nach
beinahe einem halben Jahr Verhandlung konnte bisher aber keiner der
Anklagepunkte bewiesen werden. Nach der Sommperause wird jetzt weiter
verhandelt. Wir haben aus diesem Anlass mit Chris Moser aus Wörgl
in Tirol gesprochen. Chris Moser ist einer der Angeklagten und
erzählt uns, wie es sich lebt, wenn man sei einem halben Jahr auf
der Anklagebank sitzt.
Aktuelle Infos unter http://tierschutzprozess.at
---------------------
ANTI-ATOM
---------------------
Bund 9.9.10
BKW gelobt Mässigung bei AKW-Kampagnen
Die SP will der BKW Propaganda für ein neues AKW in
Mühleberg verbieten. Die BKW signalisiert - vorerst -
Zurückhaltung.
Simon Thönen
Am 13. Februar 2011 werden die Stimmberechtigen im Kanton
Bern
voraussichtlich über ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg
abstimmen. Der Abstimmungskampf dürfte hart werden - die
SP-Fraktion im Grossen Rat jedenfalls bereitet das Kampfterrain schon
jetzt mit einer Serie von Vorstössen vor. Sie betreffen Fragen zum
Reaktortyp oder zu erneuerbaren Energien. Die Grünen reichten
Fragen zu Atomunfallfolgen ein.
In erster Linie nimmt die SP jedoch vorsorglich den
Abstimmungskampf der Gegenseite, genauer der BKW Energie AG, ins
Visier. Da diese mehrheitlich dem Kanton Bern gehört, solle der
Regierungsrat "finanzielle Beteiligungen der BKW an
Abstimmungskampagnen und Abstimmungskomitees unterbinden", fordert
SP-Grossrätin Nadine Masshardt in einer Motion. Für das
Anliegen hatte die rot-grüne Kantonsregierung in der Antwort auf
einen älteren SP-Vorstoss Verständnis gezeigt: "Unternehmen
wie die BKW, welche mehrheitlich der öffentlichen Hand
gehören, sollen bei Volksabstimmungen grundsätzlich keine
Informations- und Kommunikationsmassnahmen finanzieren." Allerdings
sagte die Regierung auch, sie habe keine direkte
Eingriffsmöglichkeit, um der BKW Kampagnen zu verbieten.
"Keine besonderen Informationen"
Eher überraschend ist deshalb, dass die BKW nun
freiwillig
Zurückhaltung signalisiert. "Gegenwärtig sind keine
besonderen Abstimmungsinformationen geplant", sagt auf Anfrage
BKW-Sprecher Antonio Sommavilla. Man werde den eigenen Standpunkt via
die existierenden Informationskanäle wie Kundeninformationen, die
Firmen-Website und Medienmitteilungen einbringen.
Verglichen mit früheren Atom-Abstimmungskämpfen,
in
denen die BKW jeweils stark in Kampagnen investierte, wäre dies
eine bemerkenswerte Zurückhaltung. Noch 2009 hatte die BKW bei
einer kantonalen Abstimmung zu Mühleberg in der Waadt 500 000
Franken für eine Kampagne ausgegeben.
Allerdings lässt sich die BKW mit dem Wort
"gegenwärtig" eine Hintertür offen. Falls doch
"ausserordentliche Massnahmen getroffen werden müssten", fügt
Sommavilla an, dann werde die BKW ihr finanzielles Engagement
offenlegen. Dies allerdings auch nur dann, "falls die Gegenseite dies
auch tut".
---
Solothurner Zeitung 9.9.10
Tiefenlager Aufruf zu sachlicher Diskussion
Im Zuge der hitzigen Diskussionen über ein
allfälliges
Tiefenlager für radioaktive Abfälle im Niederamt meldet sich
nun die Aktion für eine vernünftige Energiepolitik Schweiz
(AVES) Solothurn zu Wort. "Das vom Bund lancierte Sachplanverfahren zur
Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle ist weltweit einzigartig", so
AVES in einer Medienmitteilung. Es fördere die demokratische
Meinungsbildung und sichere die Mitsprache der betroffenen
Bevölkerung. Die AVES ruft "zum sachlichen Dialog über Vor-
und Nachteile, gestützt auf Fakten und technisches Wissen" auf.
Denn: Unsere Generation müsse die Verantwortung übernehmen
und die Suche nach dem technisch und geologisch sichersten Ort für
die Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle aktiv unterstützen.
(szr)
---
La Liberté 9.9.10
Dans l'antre du réacteur de troisième
génération
Nucléaire ● Alors que trois nouvelles centrales
nucléaires sont en projet en Suisse, les yeux se tournent vers
la Finlande, où s'achève bientôt la construction du
premier réacteur EPR de troisième
génération. Plus puissant que nos trois vieilles
centrales de Mühleberg et Beznau réunies, ce gigantesque
projet, réalisé par le consortium Areva-Siemens sur la
presqu'île d'Olkiluoto, se voudra sûr et efficient. Il
devrait être opérationnel dès 2013, avec quatre ans
de retard et un surcoût de plusieurs milliards d'euros. > 10
--
Réacteur de la troisième génération.
Le nucléaire finnois comme modèle?
Alors que trois nouvelles centrales sont en projet en
Suisse, les
yeux se tournent vers la Finlande, où s'achève
bientôt la construction du premier réacteur EPR de 3e
génération. Visite de ce mastodonte franco-allemand.
Pascal Fleury de retour d'Olkiluoto
A l'entrée de la zone sécurisée qui
couvre
l'ensemble de la presqu'île d'Olkiluoto, à 270
kilomètres au nord-ouest de la capitale finlandaise Helsinki, un
indicateur lumineux affiche la puissance des deux réacteurs
nucléaires à eau bouillante qui desservent la
région depuis trente ans. "Notre production
d'électricité est devenue très efficiente ces
dernières années", se réjouit Mikko Kosonen,
vice-président de l'entreprise privée TVO, qui exploite
le site. Les deux centrales couleur brique de la
génération de Gösgen et Leibstadt fonctionnent
quasiment à pleine capacité. Et grâce à de
récentes modernisations, elles atteignent désormais la
puissance unitaire de 880 MW.
Dans le bus affrété par le Forum
nucléaire
suisse, les regards se tournent cependant déjà vers le
mastodonte de béton et d'acier qui a surgi au bout de la
presqu'ìle: "Olkiluoto 3" (OL3). Le premier réacteur EPR
de troisième génération fourni par le consortium
Areva NP et Siemens AG multiplie les superlatifs. Plus grand projet
industriel jamais réalisé en Europe du Nord, le chantier
emploie plus de 4000 personnes de 55 nationalités. Les consignes
de sécurité y sont données en huit langues. Sa
puissance électrique sera de 1600 MW, soit davantage que nos
trois vieilles centrales de Mühleberg et Beznau réunies.
Contre la chute d'avion
La cuve du réacteur (420 tonnes) vient d'être
installée en juin à l'intérieur d'une double
enceinte circulaire comprenant deux couches en béton armé
de 1,8 m d'épaisseur, séparées par une zone tampon
de 2 m. Le confinement est coiffé d'un vaste dôme en
acier. "Grâce à cette double coque, l'EPR pourrait amortir
la chute - peu vraisemblable - d'un avion de ligne", commente Christian
Wilson, porte-parole d'Areva.
Le réacteur à eau pressurisée se
voudra
particulièrement efficient. "Cette nouvelle
génération utilisera moins de combustible et produira
moins de déchets", assure Jean-Pierre Mouroux, responsable du
projet OL3 pour Areva.
L'eau sous pression quittera le réacteur à
330
degrés pour suivre un circuit fermé. Ce circuit primaire
passera à travers un échangeur de chaleur pour
transformer l'eau d'un second circuit en vapeur sous pression. Cette
vapeur non contaminée par l'uranium fera alors tourner les
turbines, installées dans une halle annexe plus vaste qu'une
cathédrale. Le circuit secondaire sera ensuite refroidi par de
l'eau de mer pompée à raison de 57 m3 par seconde. Les
turbines, gigantesques avec leurs rotors de 7 m de diamètre,
sont déjà couplées à un
générateur de 250 tonnes, lui-même refroidi
à l'hydrogène. "De ce côté, nous sommes
prêts!", assure un contremaître de Siemens.
Retards et surcoûts
Les travaux sont aujourd'hui bien avancés, mais
accusent
près de quatre ans de retard par rapport aux promesses du
consortium franco-allemand, qui voulait absolument remporter le
marché. Commencés en 2005, ils ont été
ralentis par des problèmes de livraison des composants (plus de
1700 contrats ont été signés avec des fournisseurs
et sous-traitants de 27 pays), par un manque de savoir-faire
industriel, s'agissant d'un prototype, mais aussi par des
contrôles de sécurité supplémentaires
imposés par l'autorité de sûreté finlandaise
(STUK).
Ces gros retards, s'ils ont été
bénéfiques pour le peaufinement de la sûreté
nucléaire, ont eu en revanche des conséquences
fâcheuses sur le coût du projet. Le contrat à prix
fixe passé entre le consortium et l'exploitant TVO se montait
à 3 milliards d'euros. Mais la facture pourrait finalement
dépasser allègrement les 5 milliards. Areva se refuse
à tout commentaire. Mais selon "Le Monde", le groupe sous
contrôle de l'Etat français aurait déjà
provisionné 2,7 milliards d'euros.
Jouni Silvennoinen, responsable du projet OL3 pour
l'exploitant
TVO, estime désormais que le réacteur pourrait être
chargé en combustible vers la fin 2012 et être
exploité dès 2013. Sa durée de fonctionnement sera
de 60 ans.
Coût réel inconnu
Combien coûterait pareil projet de centrale de 3e
génération en Suisse? "La question du prix est
très complexe dans pareils projets", explique Christian Wilson,
qui se garde d'articuler un chiffre. "Elle dépend de
l'investissement propre de l'exploitant, du choix du site, du type de
réacteur et finalement des négociations avec le
fournisseur dans le contexte d'un marché compétitif."
Les entreprises électriques suisses FMB, Axpo et
Alpiq,
qui attendent une autorisation générale de construction
pour leurs nouvelles centrales, n'en sont pas encore là.
D'abord, ce sera au peuple de parler. I
Sûreté clairement renforcée
Sûreté et efficience sont les maîtres
mots des
réacteurs de troisième génération, qu'ils
soient à eau pressurisée, comme l'EPR, ou à eau
bouillante. Plusieurs modèles sont actuellement en construction
ou en projet dans le monde. Exemples: Westinghouse-Toshiba bâtit
quatre réacteurs AP1000 en Chine. Rosatom a
développé le VVER, avec plusieurs projets en cours en
Chine, Russie, Bulgarie, Slovaquie, Iran, Kazakhstan et Inde. La
Corée du Sud cherche aussi à se placer sur le
marché international. D'autres grands groupes comme General
Electric ou Mitsubishi sont dans la course, visant les Etats-Unis, le
Japon ou la Grande-Bretagne.
De tous ces systèmes, le plus puissant est pour
l'instant
l'EPR du français Areva, qui promet 1600 MW, fruit de la longue
expérience française en matière d'énergie
nucléaire. En plus du réacteur d'Olkiluoto, Areva
construit trois autres EPR, l'un à Flamanville (F) depuis 2007,
les deux autres à Taishan en Chine depuis l'an dernier. Le
numéro un mondial du nucléaire planche sur une vingtaine
d'autres projets, entre autres aux Etats-Unis, en Grande-Bretagne et en
Inde. En Suisse, le groupe, qui a construit autrefois la centrale de
Gösgen et livre du combustible, est évidemment très
attentif aux projets de nouvelles centrales.
Pour garantir la sûreté nucléaire,
l'EPR
franco-allemand s'est doté de systèmes de
sécurité en redondance. Déjà, dans le
processus de production de la vapeur qui sert à faire tourner
les turbines et à entraîner le générateur,
la partie du réacteur a été complètement
séparée de celle des turbines: les deux circuits
étant totalement isolés l'un de l'autre, les particules
radioactives ne peuvent pas franchir le confinement.
De plus, quatre systèmes indépendants
permettent de
contrôler tout emballement du réacteur. "Même dans
le cas extrême d'une fusion du cœur, le combustible fondu restera
contenu dans le bâtiment du réacteur", affirme Christian
Wilson, porte-parole d'Areva. Selon lui, la double coque qui
protège l'ensemble du circuit primaire est capable de
résister tant à une explosion de la cuve qu'à la
chute d'un avion.
Malgré des investissements de construction
élevés, le prix de l'électricité restera
"très compétitif", assure Christian Wilson. Il rappelle
que dans le nucléaire, le combustible (uranium) ne compte que
pour une petite part dans le coût de production de
l'électricité, et que les installations peuvent
être amorties à long terme. PFY
--
Presqu'île d'Olkiluoto
Paradis du nucléaire
Située au bord du golfe de Botnie, la
presqu'île
d'Olkiluoto est le plus important centre nucléaire de Finlande.
Elle abrite les centrales OL1 (1979) et OL2 (1982), le chantier du
réacteur EPR (image de synthèse), mais aussi
l'emplacement d'une 4e centrale, approuvée en juillet par le
parlement. On y trouve aussi une halle avec piscine pour l'entreposage
provisoire du combustible usé et, depuis 1992, un
dépôt profond pour les déchets faiblement et
moyennement radioactifs (-60 m). Un dépôt profond pour
déchets hautement radioactifs (-420 m) devrait y être
creusé d'ici à 2020. PFY/TVO
--
Repères
La Finlande nucléaire
> La Finlande compte actuellement 4 centrales
nucléaires en service, contre 5 en Suisse. Sa part
d'électricité nucléaire est de 28% (Suisse:
39,3%)> L'option nucléaire finnoise se poursuit avec la
construction d'une centrale de 3e génération à
Olkiluoto et l'acceptation de principe, en juillet par le parlement, de
deux autres projets de centrales. En Suisse, trois projets attendent
une autorisation générale. Le peuple devra se prononcer
en 2013.> Question déchets, deux dépôts
définitifs en profondeur sont déjà
opérationnels en Finlande pour les déchets
d'exploitation. Un dépôt pour déchets hautement
radioactifs est prévu pour 2020 à Olkiluoto. La Suisse ne
prévoit pas de dépôt définitif avant 2030,
respectivement 2040 pour les déchets "lourds". PFY
---
Newsnetz 9.9.10
Schweiz bezieht Brennstäbe aus stark verstrahlten Gebieten
sda / mrs
Die Schweizer Atomkraftwerke beziehen ihr Uran aus stark
verschmutzten Gebieten. Nun werden die Betreiber zur sofortigen
Handlung aufgefordert.
Greenpeace fordert die Betreiber von Schweizer
Atomkraftwerken
auf, aus zweifelhaften Uran-Geschäften mit Russland auszusteigen.
Das Uran für ihre Brennstäbe stammt zum Teil aus der
russischen Wiederaufbereitsungsanlage Majak - einer der verstrahltesten
Orte der Welt.
Die Betreiber der Atomkraftwerke Gösgen und Beznau
bestätigten am Mittwoch gegenüber der Sendung "Rundschau" des
Schweizer Fernsehens SF erstmals, dass ihre Brennstäbe zum Teil
wiederaufbereitetes Uran aus Majak enthalten. Sie waren in der Sendung
mit Recherchen von Greenpeace konfrontiert worden.
"Saubere Atomenergie" trügt
Mit dem Eingeständnis stehe die von der Atomindustrie
gerühmte "saubere Atomenergie" in einem sehr dunklen Licht,
schreibt die Umweltorganisation am Donnerstag in einer Mitteilung.
Majak gilt neben dem ukrainischen Tschernobyl als
verstrahltester
Ort der Welt. In den Fünzigerjahren explodierte dort ein Tank mit
hoch radioaktivem Plutonium. Heute werden laut Greenpeace radioaktive
Abwasser der Anlage direkt in den Fluss Tetscha geleitet, weitere
radioaktive Flüssigkeiten lagerten kaum gesichert unter freiem
Himmel.
Hohe Krebsrate
Die Krebsrate der einheimischen Bevölkerung ist nach
Angaben
der Umweltorganisation überdurchschnittlich hoch, ebenso die Zahl
der Fehlgeburten oder Geburten schwerstbehinderter Kinder.
"Dass die verheerendsten Umweltverbrechen an entlegenen
Orten wie
Majak stattfinden, entbindet die Schweizer AKW-Betreiber nicht von
ihrer Verantwortung", zitiert Greenpeace ihren Atomexperten Stefan
Füglister in der Mitteilung. "Wer mit Partnern Handel treibt,
denen schwere Umweltvergehen angelastet werden, macht sich mitschuldig."
Manfred Thumann, Chef des Stromkonzerns und
Beznau-Besitzers
Axpo, kündigte in der "Rundschau" an, sein Konzern werde die
Verträge mit seinen Lieferanten präzisieren und darin
Herkunftsnachweise für das bezogene Uran einfordern. Danach gelte
es zu beurteilen: "Ist die Lieferkette für uns akzeptabel oder
nicht?"
---
Pressetext 9.9.10
Greenpeace wettert gegen Russland-Uran-Importe
Energieriese Axpo bestätigt Einfuhren "aus dreckigen
Quellen"
Zürich (pte/09.09.2010/11:35) - Die
Umweltschutzorganisation
Greenpeace http://www.greenpeace.org läuft gegen die
Russland-Geschäfte der Atomindustrie Sturm. Grund dafür ist
das erstmalige Geständnis des Schweizer Energiekonzerns Axpo, in
den Atomkraftwerken (AKW) Gösgen und Beznau importiertes Uran aus
der Wiederaufbereitungsanlage Majak einzusetzen. Axpo-CEO Manfred
Thumann hat dies in der Rundschau des Schweizer Fernsehens
bestätigt. Majak gilt neben Tschernobyl als verstrahltester Ort
der Welt. Der vorgeblich saubere Atomstrom strotzt den
Umweltschützern nach nur so vor Dreck.
"Solange niemand nachfragt, gehen die Konzerne den
ökonomisch günstigsten Weg", meint Greenpeace-Atomexperte
Stefan Füglister im Gespräch mit pressetext. Im
Beschaffungsprozess ihres Brennmaterials achtet die Industrie mehr auf
Kosten als auf die Umwelt. "Auch Natururan ist nicht sauber",
erklärt Füglister. Der Vorgang der Wiederaufbereitung ist
jedoch der schmutzigste Aspekt in der Lieferkette. Neben den Schweizer
AKW wird Uran aus Majak beispielsweise auch nach Deutschland
exportiert. "Es kommt in fünf Reaktoren zum Einsatz, darunter etwa
Neckarwestheim", sagt Füglister gegenüber pressetext.
Handelspartner an Umweltvergehen mitschuldig
In Majak wird verbrauchter nuklearer Brennstoff aus
russischen
U-Booten und Eisbrechern wiederaufbereitet. Dabei werden radioaktive
Abwässer laut Greenpeace nach wie vor direkt in den Fluss Tetscha
geleitet. "Radioaktive Flüssigkeiten lagern kaum gesichert unter
freiem Himmel und gefährden Wasserläufe bis hin zur
arktischen See", so die Umweltschützer. Mit
überdurchschnittlich hohen Krebsraten und Fehlgeburten,
genetischen Schäden bei Kindern und zum Teil schwersten
Behinderungen sind die Folgen für die Bevölkerung
entsprechend verheerend.
"Wer mit Partnern Handel treibt, denen schwere
Umweltvergehen
angelastet werden, macht sich mitschuldig", so Füglister.
Greenpeace fordert die AKW-Betreiber auf, die zweifelhaften
Geschäfte mit Russland bzw. den dortigen Staatsbetrieben zu
beenden. Darüber hinaus drängt die Organisation auf einen
Stopp der "unlauteren Werbekampagne für so genannt 'sauberen
Atomstrom'".
---
greenpeace.org/switzerland 9.9.10
Raus aus dreckigen Uran-Geschäften mit Russland!
Zürich, 9. September 2010 - In Schweizer
Atomkraftwerken
wird Uran aus der berüchtigten russischen
Wiederaufarbeitungsanlage Majak eingesetzt. Dies haben in der gestrigen
Ausgabe der "Rundschau" des Schweizer Fernsehens Vertreter der AKW
Gösgen und Beznau zum ersten Mal öffentlich zugegeben. Das
Geständnis bestätigt Recherchen von Greenpeace Schweiz,
wonach der "saubere" Schweizer Atomstrom aus überaus dreckigen
Quellen stammt. Greenpeace fordert die Schweizer Atomindustrie auf, aus
ihren zweifelhaften Uran-Geschäften mit Russland auszusteigen und
ihre unlautere Werbekampagne für Atomstrom abzubrechen.
Jahrelang haben die Betreiber der Schweizer AKW die
Herkunft
ihres Brennmaterials verschleiert. In der gestrigen "Rundschau" nun
gaben AKW-Betreiber erstmals zu: Die Schweizer Atomindustrie
setzt in den AKW Gösgen und Beznau Brennstoff ein, der in Majak
aus verbrauchtem nuklearem Brennstoff von russischen U-Booten und
Eisbrechern wiederaufgearbeitet wird. Damit steht die von der
Atomindustrie so gerne gerühmte "saubere" Atomenergie" in
einem sehr dunklen Licht.
Majak ist eine tickende Zeitbombe
Majak gilt neben Tschernobyl, wo 1986 ein Reaktor explodierte,
als
verstrahltester Ort der Welt. Einerseits, weil in den
Fünzigerjahren ein Tank mit hoch radioaktivem Plutonium
explodierte, andererseits, weil auch heute noch im laufenden Betrieb
radioaktive Abwässer direkt in den Fluss Tetscha geleitet werden.
Radioaktive Flüssigkeiten lagern kaum gesichert unter freiem
Himmel und gefährden Wasserläufe bis hin zur arktischen See.
Die Auswirkungen der Anlage für die ansässige
Bevölkerung sind verheerend: Die Krebsrate ist
überdurchschnittlich hoch, ebenso die Zahl der Fehlgeburten. Viele
Kinder kommen mit genetischen Schäden und zum Teil schwersten
Behinderungen zur Welt. Der Leiter den Anlage, Vitali Sadovnikov, wurde
zwar 2006 wegen Einleitung von Millionen von Kubikmetern radioaktiver
Flüssigabfälle in einen Fluss, der Trinkwasser für die
Anrainer liefert, verhaftet, kam aber dank einer Generalamnestie wieder
frei.
Mitschuld an Umweltzerstörung und menschlichem Leid
Die Schweizer AKW-Betreiber reden nur höchst ungern
darüber, dass ihre "sicheren und sauberen" Atomkraftwerke ohne
ausländische Lieferanten und "Wiederverwerter" nicht
betriebsfähig wären. Denn der "einheimische" Strom wird mit
ausländischem Uran, französischer Technologie und russischen
Helfern produziert. "Ohne die Einbindung in die internationale
Atomindustrie könnten die hiesigen Atommeiler keine einzige
Kilowattstunde Strom liefern", sagt Stefan Füglister, Atomexperte
und Autor der Greenpeace-Studie "Recycling von
Wiederaufbereitungsuran?". "Dass die verheerendsten Umweltverbrechen an
entlegenen Orten wie Majak stattfinden, entbindet die Schweizer
AKW-Betreiber nicht von ihrer Verantwortung. Wer mit Partnern Handel
treibt, denen schwere Umweltvergehen angelastet werden, macht sich
mitschuldig."
Nach dem jetzt vorliegenden Eingeständnis fordert
Greenpeace die
Schweizer AKW-Betreiber auf, sämtliche
Geschäftsbeziehungen mit den russischen Staatsbetrieben zu
sistieren und ihre unlautere Werbekampagne für so genannt
"sauberen Atomstrom" aufzugeben.
---
Rundschau sf.tv 8.9.10
Dreckiger Atomstrom
Strom aus Atomkraftwerken ist sauber. Diesen Satz hört man
von
AKW-Betreibern oft. Doch stimmt das auch? Recherchen der Rundschau
ergeben ein anderes Bild. Verfolgt man die Spur des Urans, das heute in
den Schweizer AKWs Beznau und Gösgen zur Anwendung kommt,
zurück zu seinem Ursprung, stösst man auf erstaunlich viel
Dreck. mehr …
http://videoportal.sf.tv/video?id=545ce4ec-39ef-4171-9f09-f387b58d7020
--
Stuhl: Manfred Thumann
Firmenchef Axpo AG
http://videoportal.sf.tv/video?id=e2a21771-af34-43ad-863e-a657e3bf2c3c
--
Forum: Dreckiger Atomstrom
Sagen Sie Ihre Meinung. Das Forum zum jeweiligen Thema bleibt
bis
Freitag Nachmittag geöffnet.
http://www.sf.tv/sendungen/rundschau/forum/forum.php?forumid=2379
---
sf.tv 8.9.10
Dreckiges Uran aus Russland für Schweizer AKW
sf/engf/mend
Die Atomkraftwerke Gösgen und Beznau setzen
rezykliertes
Uran ein. Das soll besonders umweltfreundlich sein. Doch die Rundschau
hat herausgefunden: Die Wiederaufbereitung in Russland geschieht an
einem der am meisten radioaktiv verseuchten Orte Russlands, in Mayak.
In der "Rundschau" bestätigt Axpo-CEO Manfred Thumann, dass in
Gösgen und Beznau Uran aus Mayak verwendet wird.
"Mayak ist wahrscheinlich der dreckigste Ort weltweit
für
die Vorstufen von Brennelementen." So das vernichtende Urteil von
Stefan Füglister. Er hat im Auftrag von Greenpeace monatelang
über die Uranbeschaffung der Schweizer AKW recherchiert und
herausgefunden: An diesem radioaktiv verseuchten Ort wird auch Uran
für die Schweiz aufbereitet.
Das bestätigt Fabian E. Jatuff, Leiter Kernbrennstoff
des
Kernkraftwerks Gösgen erstmals im Interview mit der "Rundschau".
Gösgen verwende rezykliertes Uran aus abgebrannten
Brennstäben der Schweiz, das mit rezykliertem Uran aus Russland
angereichert werde. Das russische Material werde in Mayak aufbereitet.
Auch das AKW Beznau bezieht wieder aufbereitetes Uran aus
Russland. Das bestätigt Axpo-Chef Manfred Thumann.
Mayak ist für Besucher Sperrzone
Mayak ist eine Stadt im Südural, samt Atomanlage.
1957
explodierten dort Tanks mit radioaktiven Abfällen. Gegen 300'000
Menschen wurden sehr hohen Dosen radioaktiver Strahlung ausgesetzt.
Das ganze Gebiet ist für westliche Besucher immer
noch
Sperrzone. Heute wird hier Uran aus Antrieben stillgelegter
Atom-U-Boote wieder aufbereitet. Die radioaktive Kontaminierung der
Umgebung geht weiter. Das haben Recherchen von Greenpeace Russland
ergeben.
Viele Bewohner sterben an Krebs
Insbesondere den Fluss Techa kontaminieren radioaktive
Abwässer aus der Atomanlage. Der Fluss versorgt zahlreiche
Dörfer in der Gegend. Messungen des französischen
Forschungslabors Criirad bestätigen: Das Wasser ist stark durch
Tritium, und die Ufererde durch Cäsium 137 kontaminiert.
Damit kommt es auch zu einer Übertragung auf die
Nahrungskette. "Das ist ein nuklearer Abfalleimer, mitten in der
Natur", stellt Christian Courbon vom Criirad konsterniert fest.
Auffallend viele Bewohner sterben an Krebs. Die lokalen
Behörden verharmlosen das Problem.
Red und Antwort steht der Axpo-Chef Manfred Thumann auf
dem
heissen Stuhl der "Rundschau"
--
Uran-Handel findet im Dunkeln statt
sf/engf
Weltweit wird rund die Hälfte des benötigten
Urans
gefördert. Aufgrund der grossen Nachfrage sind die Atomkraftwerke
deshalb auf die Wiederaufbereitung von Uran-Brennstäben
angewiesen. Wie die AKWs ihre Lager genau füllen, ist nicht
nachvollziehbar. Auch in der Schweiz gibt es dafür keine
Deklarationspflicht, weiss Atomexperte Stefan Füglister.
Entweder läuft der Handel über
Brennstofflieferanten
oder über ein paar grosse Händler, erklärt Stefan
Füglister gegenüber "tagesschau.sf.tv". Füglister ist
seit Jahrzehnten unabhängiger Atom-Spezialist.
Das Ursprungsland gäben die AKWs zwar an, allerdings
ohne
genaue Bezeichnungen der Mine. "Das Problem ist die fehlende
Tansparenz", so Füglister. Es existiere keine Deklarationspflicht.
Und etwa Länder wie Russland oder Kasachstan liessen sich keine
Umweltstandards vorschreiben.
Gemäss der Internationalen Atomenergie Behörde
stammt
das Uran in Schweizer Reaktoren aus folgenden Ländern (Stand 2005).
Eine aktuellere Liste gibt es nicht. Sie wiederspiegle den
heutigen Stand trotzdem einigermassen, so Füglister. Einzelne
bekannte Wechsel habe es aber gegeben: "Heute kommt viel Uran aus
Kasachstan. Und die Minen in Gabun sind unterdessen zu. Dafür ist
Niger im Geschäft."
10-Jahresvertrag mit Russland abgeschlossen
Weil die Schweiz über keine eigenen Uranminen
verfügt,
ist sie vollständig von Lieferungen aus dem Ausland abhängig.
Einzelne Werke deklarieren laut dem Atomexperten, wovon
sie ihre
Brennstoffe beschaffen. Die Atomkraftwerke Gösgen und Beznau etwa
bezögen ihre Brennelemente von russischen
Wiederaufbearbeitungs-Anlagen. Zudem beschafften sie platoniumhaltige
Brennelemente aus Belgien und Frankreich.
Leibstadt und Mühleberg bezögen Brennelemente
aus den
USA. Allerdings habe Leibstadt soeben einen 10-Jahresvertrag
abgeschlossen mit einer russischen Exportfirma, so Füglister.
Mühleberg etwa beziehe es auf dem "offenen Markt", sagt er weiter.
Weltweit wird an folgenden Orten Uran gefördert.
Die Weltproduktion hat sich bei etwa 40‘000 Tonnen Uran
jährlich eingependelt. Gesamthaft verbrauchen die AKWs weltweit
aber jedes Jahr 70‘000 Tonnen. Die übrigen 30‘000 werden alle aus
Sekundärquellen bereitgestellt.
Durch solche Prozesse entstehen Millionen Liter von
radioaktiven
Flüssig-Abfällen. Diese werden dann laut Füglister in
die Gewässer geleitet. So wie bei der Uran-Aufbereitung im
russischen Mayak.