MEDIENSPIEGEL 17.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli, Kino, DS, RS, GH)
- (St)Reitschule: Tojo vs Regi Bern
- Reitschule bietet mehr: NZZ will mehr Impulse
- Alternativkultur ZH/BE: 30 Jahre Rote Fabrik; Integrierte
Feindbilder
+ verblödete Journis
- Bollwerk: keine Kultur in Cinemastar; Le Ciel
- Zaffaraya: Lärmanzeige möglich
- Rabe-Info 15.-17.9.10
- Kino Lichtspiel: Zukunft ungewiss
- Big Brother Video BE: Kommission für Reglement
- Demorecht Burgdorf: Handbuch
- Securitas: Offene Türen
- Pnos: 10 Jahre eidgenössischer Sozialismus
- Sempach: neues Geschtürm
- Statistik & Rassismus
- Drogen: Dast Winti; Szenenausstieg;
Schwarzafrikaner-Hatz;Legalisierungs-Debatten; Eltern gegen Drogen
- Alkitreff Biel bald geschlossen
- Alkverbot: bringt nix
- Notschlafstelle ZH: Züri fix, Bern immer noch nix
- Obdachlos SG: Jugendliche auf der Gasse
- 25 Jahre Gassenarbeit LU
- ÖV-Cops ZH
- Sans-Papiers: keine Lehre ist illegal
- Ausschaffungshaft BE gerügt
- Migration Control: Einwanderungserschwerungen
- No Border Camp Brüssel
- Sework: Businessplan ZH
- Antifeminismus-Treffen
- Punk's not dead in Ost und West
- Anti-Atom: Schwangere; Angriffe; Atom-Retro; NW atomlos;
Auslaufmodell
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REITSCHULE
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Fr 17.09.10
20.30 Uhr - Grosse Halle - Harakiri, Fritz Lang, D 1919,
Live-Musik:
Marco Dalpano, Bologna, Piano
20.30 Uhr - Tojo - .random . . von/mit Jonas Althaus,
Jonglage, Tanz
& elektronische live Musik
22.00 Uhr - Dachstock - Bonaparte (CH/GER) "My Horse
likes you"
Support: King Pepe (BE), DJ?s Ereccan & Dactylola (Raum) -
Electroclash, Pop, Trash
Sa 18.09.10
0-24 Uhr - ganze Reitschule - Abstimmungsfest "Reitschule
bietet mehr"
- siehe Tagespresse und www.reitschulebietetmehr.ch
16.00 Uhr - Grosse Halle - Tastentheater Schweiz: Die
kleinen Strolche
- Kino für die Ohren und Musik für die Augen, (The Little
Rascals, Hal Roach, USA 1923-1927) Vier Stummfilmepisoden mit Musik von
Leo Dick - Uraufführung
19.00 Uhr - SousLePont - Fein Essen!!!
20.30 Uhr - Tojo - .random . . von/mit Jonas Althaus,
Jonglage, Tanz
& elektronische live Musik
20.30 Uhr - Grosse Halle - The General, Buster Keaton,
USA 1926, mit
Musica nel buio, Bologna
22.00 Uhr - Dachstock - Abstimmungs-CD Taufe "Reitschule
beatet mehr"
mit: Tomazobi, The Monsters, Müslüm & The Funky Boys,
Mani Porno, Baze, Kutti MC, Steff la Cheffe, Churchhill, Copy &
Paste feat. Bubi Rufener (Allschwil Posse), DJ Dannyramone
22.00 Uhr - Frauenraum - Electronic Floor mit
missBehaviour (Crash
Helmet Crew), Mastra, Berybeat live (Midilux), Brian Python
(Festmacher), Xylophee
22.00 Uhr - SousLePont - Lounge mit DJ Tomzoff
(70er/80er/90er/Mambo!)
So 19.09.10
20.00 Uhr - Grosse Halle - Glück - Reise nach Bhutan
Film und
Live-Musik, SMS from Shangri-La, Dieter Fahrer, CH 2009, Konzert und
Film: Susanna Dill, Regula Gerber, Mark Oberholzer, Gilbert Paeffgen,
Werner Wege Wüthrich
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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kulturstattbern.derbund 17.9.10
Von Gisela Feuz am Freitag, den 17. September 2010, um 05:47 Uhr
Indiedance im Rössli
Draussen auf dem Vorplatz bekam YB gestern am Flachbildschirm
mal
wieder aufs Dach, drinnen im Rössli waren Labrador City mit ihren
Instrumenten in den Startlöchern. Irgendetwas Richtung Pop
würde man machen, hat am Dienstag im Interview auf Radio RaBe der
Keyboarder, Gitarrist und Teilzeit-Bassist Marc verlauten lassen.
Lüpfiger Pop wars denn auch, was die vier Herren da fabrizierten.
Irgendwie klangs ein Bisschen nach Brooklyn und Vampire Weekend.
Einfach weniger hektisch und (zum Glück) ohne Worldmusic-Einschlag.
Im Anschluss bearbeitete eine Band ihre Instrumente, deren Namen
niemand vor Ort so richtig wusste, wie man ihn ausspricht.
"Vénetus Flos", Betonung auf dem ersten E? "Venétus
Flos", auf dem zweiten? Oder Englisch "Vinitös Flos"? Wie auch
immer. Die New Wave-Indiedance Hymnen des Trios gefielen und fuhren in
die Beine, der Sänger verblüffte mit sonorer Stimme und der
Keyboarder durch seine abenteurliche Hüftschwünge und
Verrenkungen. Die Herren sind noch jung, aber sie kommen gut. Bisschen
weniger Schwulst und dann wird das perfekt. Auf die kommende EP darf
man jedenfalls gespannt sein.
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BZ 16.9.10
Kino in der Reitschule, Bern
Ein Mord und ein Gast
Als letzten Film der Reihe "Tatort Reitschule" zeigt das
Kino in
der Reitschule den Kriminalfilm des Schweizer Regisseurs Markus
Imboden. Der Film dreht sich um den Polizeimeister Helge Vogt, der
zurück auf seine Heimatinsel Amrum kommt. Alles ist wie immer, die
Zeit scheint still zu stehen: Ruhiges Polizeirevier, Dorfkneipe, kleine
Liebelei mit der Wirtstochter Lona. Da öffnet sich die
Reviertür und vor Helge und seinem Vorgesetzten Heinz steht eine
blutüberströmte BKA-Beamtin. In Amrum gibt es einen
Mörder... Anschliessend an den Film ist der Regisseur Markus
Imboden zu Gast. Der Anlass wird moderiert von Elio Pellin.
pd
Heute, 19.30 Uhr, Kino in der Reitschule,
Neubrückstrasse 8,
Bern.
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WoZ 16.9.10
Film
Tatort Reitschule
Ende Monat stimmen die Stadtberner StimmbürgerInnen
einmal
mehr über die Zukunft des bald dreissigjährigen alternativen
Kulturbetriebs Reitschule ab. Ein Initiativkomitee um Erich Hess,
Präsident der Jungen SVP Kanton Bern, verlangt den Verkauf der
Reitschule an den Meistbietenden. Somit wird die Reitschule wieder
einmal zum Tatort politischer Interessen. Das Kino in der Reitschule
nimmt dies zum Anlass, mehrere Sonntagabendstreifen der Kultserie
"Tatort" sowie andere Krimis zu zeigen.
So ist etwa der hochgelobte und mit mehreren Preisen
ausgezeichnete TV-Kriminalfilm "Mörder auf Amrum" des Schweizer
Regisseurs Markus Imboden zu sehen. Darin steht der junge
Polizeimeister Helge Vogt, soeben aus den Ferien in Berlin auf seine
Heimatinsel Amrum zurückgekehrt, eines Tages einer
blutüberströmten Beamtin des Bundeskriminalamts
gegenüber. Nun ist es vorbei mit dem beschaulichen Provinz leben.
Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb nach der Erstausstrahlung im ZDF
vom vergangenen Januar: "Schaut man ‹Mörder auf Amrum›, zahlt man
die Fernsehgebühren wieder eine Weile ganz unverzagt." süs
"Mörder auf Amrum" in: Bern Reitschule, Do, 16.
September,
19.30 Uhr. Ab 21 Uhr Gespräch mit dem Regisseur Markus Imboden.
www.reitschule.ch
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Bund 16.9.10
Fünf Fragen an
Tobias Jundt
Der in Berlin wohnhafte Berner Musiker Tobias Jundt kehrt
am
Freitag, 17. September, als Bonaparte mit seinem neuen Album "My Horse
Likes You" und der ominösen Zirkusshow im Dachstock der Reitschule
ein. Das Konzert ist ausverkauft. Kurzfristig hat die Band für
denselben Abend ein Zusatzkonzert auf der Terrasse des
Fizzen-Kleidergeschäfts angekündigt. Konzertbeginn ist 18.30
Uhr. Weitere Daten in der Schweiz: Samstag, 18. September, Label
Suisse, Lausanne. Sowie: Donnerstag, 21. Oktober, Alte Börse,
Zürich.
Die Berlin-Frage ist unmöglich. Aber auch
unmöglich
auszulassen. Darum gleich zu Beginn: War Bonaparte nur dort
möglich?
Ja und nein. Die Bonaparte-Songs habe ich geschrieben,
bevor ich
mich in Berlin niederliess. Was mir jedoch fehlte, war ein
Nährboden, auf dem diese Stücke gedeihen konnten. Im Umfeld
der Berliner Bar 25 habe ich diesen gefunden. Hier konnte man zum
Beispiel einen ganzen Tag im barocken Mozart-Kostüm herumlaufen,
ohne dass jemand den Kopf nach einem umgedreht hätte. Alle, die da
waren, hatten eine ähnliche Geschichte wie ich. Sie waren nach
Berlin gekommen, weil sie irgendwas suchten, was sie zu Hause nicht
finden konnten. Jeder war ein Niemand, der aus dem Nichts kam. Das hat
sehr viel Energie freigesetzt.
Fühlten Sie sich eingeengt in der Schweiz?
In gewisser Weise ja. Ich brauchte mehr Freiraum, um mich
weiterentwickeln zu können. Aber das hat nichts mit der Schweiz zu
tun. Ganz egal, wo man sich befindet, man wird immer wieder in einer
Ecke stehen. Sollte es mir mit Berlin und Bonaparte irgendwann zu viel
werden, dann würde ich vielleicht nach Argentinien gehen oder auf
eine Alp. In letzter Zeit spüre ich, dass ich Bern und die Schweiz
immer stärker vermisse.
Verglichen mit heute: Was war besser, als Sie noch
musikalischer
Alleinunternehmer waren?
Eigentlich hat sich gegenüber früher gar nicht
viel
verändert. Ich bin immer noch Alleinunterhalter. Ich nehme meine
Songs immer noch in meinem Wohnzimmer auf, genau so, wie ich es
früher in meiner Wohnung über dem Café Parterre getan
habe. Auch die Art und Weise, wie ich Leute für Konzerte
hinzuziehe, ist gleich geblieben. Ausser dem Namen und dem Charakter,
der die Message transportiert, ist fast alles wie früher.
Wirklich? Sie spielen doch Konzerte auf der ganzen Welt.
Im Juli
waren sie gar auf dem Cover des deutschen Pop-Magazins "Spex"
abgebildet.
Ich war während meiner Zeit in Bern auch einmal auf
der
Titelseite des "Bund". Für einen Berner ist das dieselbe Ehre, wie
wenn man als Berliner Musiker auf dem Cover des "Spex" ist. Sicher, ich
komme heute mehr herum als früher, die Welt wird kleiner. Aber am
Ende des Tages geht es immer noch um dasselbe: Man muss Leidenschaft
haben, für das, was man tut. Und man muss Risiken auf sich nehmen,
um etwas Neues zu kreieren. Nur so kann Energie entstehen. Es wird
einem ja immer gesagt, wie man tönen soll, wenn man Erfolg haben
will, welche Klamotten man tragen soll und so weiter. Es dann doch so
zu machen, wie man es selbst möchte - das erfordert Mut und
Leidenschaft. Ich habe mich meiner Musik immer mit Fleisch und Blut und
Knochen verschrieben. Das ist das Einzige, worauf es ankommt.
Sie treten in Bern mit Ihrer Zirkus-Show auf. Da gibt es
Feuerspucker, Tierkostüme und nackte Haut. Bonaparte wurde auch
schon als bandgewordene Spassgesellschaft bezeichnet. Wo hört der
Spass auf?
Grundsätzlich wird unsere Sprache meist richtig
verstanden.
Aber vor zwei Jahren gab es da so einen Vorfall mit einer meiner
Tänzerinnen. Sie entblösste sich während des Konzerts
und zauberte eine mehrere Meter lange Girlande aus ihrer, hmm, Vagina
hervor. Am nächsten Abend in Paris hat sie glücklicherweise
auf diesen Teil der Show verzichtet. Ich meine: Okay, es war vom
anatomischen Standpunkt her schon spannend. Aber man musste das ja
nicht unbedingt wiederholen. (len)
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Bund 16.9.10
Abstimmungsfest
Ein bisschen Spass muss sein
Die Reitschule rührt vor der Abstimmung am 26.
September
noch einmal die Werbetrommel für sich selber - am Abstimmungsfest.
Da gibts Film in der Grossen Halle, Avantgarde-Jonglage im
Tojo-Theater, Disco im Frauenraum und vor allem die Taufe der
Abstimmungs-CD "Reitschule beatet mehr" im Dachstock, mit
Humor-Guerillero Müslüm (Bild), The Monsters, Baze, Copy
& Paste, Kutti MC, Tomazobi und anderen. (reg)
Reitschule Samstag, 18. Sept., ab 16 Uhr.
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Bund 16.9.10
Film & Musik
Im Land des Bruttosozialglücks
Bhutan ist das Land, wo der Begriff des
"Bruttosozialglücks"
erfunden wurde. Wie es sich mit diesem Glück verhält,
versuchten die Filmemacher Dieter Fahrer und Lisa Röösli
sowie einige Schweizer Musiker auf einer Reise herauszufinden. Das
Resultat ist der Film "SMS from Shangri-La", der in der Grossen Halle
der Reitschule mit musikalischer Begleitung gezeigt wird. (reg)
Reitschule Grosse Halle Sonntag, 19. September, 20 Uhr.
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(ST)REITSCHULE
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Bund 16.9.10
Vornehme Zurückhaltung oder "krasse Selbstzensur"?
Das Schweizer Radio lässt einen Bericht über ein
Theaterstück in der Reitschule fallen - und eckt dort an.
Patricia Götti
Michael Röhrenbach vom Reitschul-Theater Tojo ist
empört: "Krasse Selbstzensur" und eine "Beschränkung der
Pressefreiheit" sei das, was sich das "Regionaljournal Bern" des
Schweizer Radios DRS geleistet habe, schreibt der
Tojo-Presseverantwortliche in einer E-Mail an den "Bund". Grund seines
Ärgers: Das "Regionaljournal" hatte Anfang September kurzfristig
entschieden, doch nicht über die Theaterproduktion "Kurtli VII" zu
berichten, die Anfang September im Tojo gastierte.
Ursprünglich hatte eine Radioredaktorin beim Tojo ihr
Interesse an einem Bericht angemeldet, worauf dieses ihr Kontakte zu
der Theatergruppe Kurtli vermittelte. Das "Regionaljournal"
begründete Röhrenbach die Absage damit, in der Zeit vor der
Abstimmung über die Reitschule vom 26. September nichts über
das autonome Kulturzentrum berichten zu wollen, um sich nicht dem
Vorwurf der Parteinahme auszusetzen.
Reichlich harmlos, aber . . .
"Nicht nachvollziehbar" sei diese Begründung, die von
einer
"seltsamen Angst" zeuge, sagt Röhrenbach auf Anfrage. Der Sender
gebe offenbar zum Vornherein vor möglichen bürgerlichen
Vorwürfen klein bei. Das Stück sei "total apolitisch", und
die Theatergruppe von Reitschule und Tojo "völlig unabhängig".
Es könne nicht sein, dass ein
öffentlich-rechtlicher
Sender bis zum 26. September nicht über Veranstaltungen in der
Reitschule berichte. Normalerweise seien Tojo-Veranstaltungen
regelmässig Thema im "Regionaljournal".
In der Tat mutet das Stück der Theatergruppe Kurtli,
eine
"Trash-Revue", reichlich harmlos an: Alles dreht sich darin laut
Pressetext um das Oberthema "das verflixte Siebte" - vom belasteten
siebten Beziehungsjahr bis zu den sieben Todsünden und der
Tatsache, dass "Kurtli" seit 2002 in seiner siebten Produktion
erscheint.
. . . Inhalt nicht entscheidend
Der Inhalt des Stücks war aber gar nicht relevant
für
den Entscheid des "Regionaljournals", nicht über die Produktion zu
berichten, wie Peter Brandenberger, Leiter der Regionalredaktion
Bern/Freiburg/Wallis, auf Anfrage sagt. Er selbst traf den Entscheid
zuhanden der internen Planungssitzung. Ausschlag hätten die
publizistischen Leitlinien von SR DRS gegeben, die allgemein "besondere
Sorgfalt" verlangten in der Berichterstattung über Themen, die mit
bevorstehenden Abstimmungen und Wahlen in Zusammenhang gebracht werden
könnten. Brandenberger: "Ich befand den Zeitpunkt für zu
heikel, um über das Stück zu berichten." Stattdessen habe
sich sein Team letzte Woche auf eine Abstimmungsvorschau konzentriert.
Das "Regionaljournal" muss laut seinem Redaktionsleiter
aus der
Fülle von kulturellen Veranstaltungen eine rigide Auswahl treffen
- zwei bis drei Themen pro Woche. Zum Zug kämen meist Berner
Eigenproduktionen, Gastspiele seien dagegen seltene Ausnahmen. Es habe
keinen zwingenden Grund gegeben, gerade jetzt über das Stück
zu berichten. Die Kurtli-Theatergruppe sei zudem schon zum wiederholten
Mal in Bern aufgetreten. Es stimme überdies nicht, dass das
"Regionaljournal" regelmässig über Produktionen im Tojo
berichte, sagt Brandenberger: "Auf jeden Fall ist es weniger als einmal
im Jahr." Dass schliesslich vor der Planungssitzung schon
Abklärungen getroffen würden, sei normal, sagt er.
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Blick am Abend 15.9.10
Theater sauer auf DRS
VORWURF
Selbstzensur oder Sorgfaltspflicht? Das Tojo-Theater und
Radio
DRS sind im Clinch.
Elf Tage vor der Abstimmung über den Verkauf der
Reitschule
liegen die Nerven in der Stadt Bern blank. Die Betreiber des
Tojo-Theaters in der Reithalle werfen dem Re gionaljournal Bern von SR
DRS vor, es betreibe Selbstzensur und "schweige aus Vorsicht". Die
Handlungsweise stehe in Widerspruch zum Leitbild. Was ist passiert?
Das Regionaljournal plante einen Beitrag über das
Tojo-Theater und die Gruppe Kurtli VII, die Anfang September in Bern
gastierte. Die Kulturredaktion hatte schon erste Kontakte
geknüpft. Aufgrund der bevorstehenden Reithallen-Abstimmung
verzichtete das Regionaljournal dann aber auf einen Bericht über
das Theater.
Peter Brandenberger, Leiter des Regionaljournals
verteidigt darum
den Entscheid. "Wir haben eine ausgewogene Abstimmungsvorschau
gesendet. Wir halten uns an unsere publizistischen Leitlinien." Darin
steht: Kurz vor Wahlen und Abstimmungen sind die Regeln der Fairness
und der Vielfalt besonders eng zu interpretieren. Und: Es besteht eine
erhöhte Sorgfaltspflicht. pp
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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 17.9.10
Meinungen
Leserbrief Abstimmung über den Verkauf der
Reitschule,
diverse Artikel im "Bund"
Garant des sozialen Friedens
Es scheint leider neuerdings zum guten Ton zu
gehören, sich
darüber Gedanken zu machen, wer sich noch in einer Innenstadt
aufhalten darf und wer nicht. Diese Tendenz ist leider nicht auf die
Stadt Bern beschränkt, aber hier sicher zuletzt verstärkt zu
spüren.
Der erneute Versuch, die sehr zentral gelegene Reitschule
loszuwerden, passt hier sehr genau ins Bild: Wäre die Reitschule
nicht so nahe am Bahnhof, sondern vielleicht irgendwo in Bethlehem (was
ja zumindest metaphorisch irgendwie noch passend wäre), würde
die Diskussion mit Sicherheit auch nicht alle paar Jahre geführt.
Um es deutlicher zu machen: Die Reitschule ist nicht ein
Luxus,
den sich Bern leistet - sie ist mitunter ein Garant des sozialen
Friedens. Im Unterschied zu all den kommerziell ausgerichteten
Angeboten der Innenstadt macht sich die Reitschule keine Gedanken
darüber, ob jemand einer abstrusen Kleiderordnung entsprechend
daherkommt oder ob er oder sie vielleicht einer gerade nicht so
beliebten ethnischen Gruppe angehört - die Reitschule nimmt jede
und jeden, so wie sie sind. Dies allein macht sie schon zu einer
unterstützens- und schützenswürdigen Institution.
Dass die Reitschule dabei auch noch ein erstklassiges
Programm an
alternativer Kultur in allen möglichen Sparten von Musik über
Film und Literatur bietet, macht sie zu einem Juwel, auf das die Stadt
Bern stolz sein darf. Oder anders gesagt: Die Reitschule ist (gerade
aus der Optik einer anderen Stadt betrachtet) viel weniger "Stein des
Anstosses" oder "Elend", sondern vielmehr ein bedeutender Puzzlestein,
der zu einem urbanen und auch zu einem "sicheren und sauberen" Bern
unverzichtbar dazugehört.
Dagmar Lorenz, IG Rote Fabrik Zürich
---
saiten.ch/ostblog 16.9.10
Pedro Lenz goes Rap & Kellerbühne
16.09.2010, 19:12 Uhr
In Bern veranstaltet die Partei mit den streng dafür immer
tiptop
gestrählten Volkswahnsinnigen und Milliardärs-Bekniern die
etwa 827. Abstimmung zum Kulturzentrum Reitschule (grob
geschätzt). Dieses Mal soll die Reitschule - grandiose Idee
übrigens - einfach dem Meistbietenden verkauft werden. Das
wiederum lässt die Berner Kultur zusammenstehen und spiegelt sich
in einer schönen Musik-Produktion: Die CD "Reitschule beatet mehr"
besteht nicht nur aus dem allseits bekannten
türkisch-schweizerischen Secondo-Gassenhauer von Müslüm
(Erich, warum bisch du nid Ehrlich?), sie vereinigt von Steff la Cheffe
über Reverend Beat Man, Patent Ochsner, Züri West, Sophie
Hunger, Stiller Has und Kutti MC ganz viele. Herausragend ist für
uns jedoch der rappende Pedro Lenz, der mit Paed Conca in "Dr Buebli
Troum" die politisch bewegten Kleingeister aufs Korn nimmt und ihre
Versteigerungsidee konsequent zu Ende denkt: "Nein, an eine Koranschule
(auf dem Gelände der Reitschule) hatten wir eigentlich nicht
gedacht..."
---
NZZ 16.9.10
Spiegelfechterei um eine Reithalle
Bern stimmt zum fünften Mal über das Kulturhaus
ab -
mit kalkulierbarem Ausgang
Wie der Schalttag im Februar kehrt in Bern alle paar Jahre
die
Reithalle-Debatte wieder. Nun müssen die Berner erneut abstimmen.
Doch die Auseinandersetzung über das Kulturzentrum liefert die
nötigen Impulse für die Stadt nicht mehr.
Daniel Gerny, Bern
Blickt man, von Zürich herkommend, unmittelbar vor
der
Einfahrt in den Berner Bahnhof auf die Uhr, die zur rechten Seite des
Zuges im Hof der Berner Reitschule (oder Reithalle) angebracht ist,
bleiben die Zeiger zuweilen stehen, hüpfen dann sprunghaft
vorwärts, um unvermittelt erneut zu stoppen oder in die
entgegengesetzte Richtung zu springen. Zufällig und wild wirbeln
die Zeiger auf dem Zifferblatt, das jenem einer Bahnhofsuhr gleicht, in
alle Richtungen. Es ist unmöglich, sich zu vergewissern, ob der
Zug, in dem man sitzt, pünktlich einfährt. Die Reithalle-Uhr,
ein Stück computergesteuerter Kunst am Bau, ist eine
augenzwinkernde Provokation an einem Ort, an dem Sekunden sonst eine
harte Währung sind.
"Schandfleck" im Mittelalter
Zu Frechheiten aber haben die Bernerinnen und Berner
keinen
leichten Zugang, und die Uhr ist nicht die einzige und keineswegs die
schwerwiegendste aller Provokationen auf dem Areal der Reithalle. Die
Fassade des Gebäudes, das Ende des 19. Jahrhunderts als Pferdehof
erbaut und in den 1980er Jahren im Zuge der Jugendunruhen besetzt
wurde, ist versprayt und macht auf viele, die nicht der Szene
angehören, einen abschreckenden Eindruck. Drogenhandel und Gewalt
sind ein ständiges und von den Betreibern der Reithalle, der
"IKuR" (Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule), lange
unterschätztes Thema, auch wenn diese weder das eine noch das
andere tolerieren.
Über Grundsatzfragen entscheidet wie zu alten
Besetzungszeiten die Vollversammlung, interne Abläufe sind daher
für Aussenstehende schwer nachvollziehbar, und die Verhandlungen
zwischen den Betreibern und der Stadt, die zum Betrieb jährlich
rund 600 000 Franken beisteuert, sind mühsam. In Bern aber, das
sein städtebaulich mittelalterliches Gesicht äusserlich bis
heute beinahe mit der Konsequenz eines Briefmarkensammlers bewahrt und
wo zeitgenössische Eingriffe die Ausnahme bleiben, stellt ein
solches Kuriosum, von den Gegnern zum Schandfleck der Stadt geadelt,
einen augenfälligen Störfaktor dar. Bereits zum fünften
Mal in den letzten zwanzig Jahren stimmen die Bernerinnen und Berner am
26. September über die Reithalle als Kulturzentrum ab. Ein Komitee
unter Führung des jungen SVP-Haudegens Erich Hess verlangt per
Initiative die Veräusserung des Gebäudes an den
Meistbietenden.
BDP und Grüne vereint
Dazu, was auf dem Areal anstelle des Kulturzentrums
entstehen
soll, haben die Initianten keine konkrete Vorstellung. Denkbar sei
alles - ein Kino, Büros, ein neues Kulturzentrum, eine Markthalle,
ein Hallenbad. Es ist nicht untypisch für die wiederkehrenden
Auseinandersetzungen über die Reitschule, dass sie sich kaum darum
drehen, was im Innern geschieht. Zwar kann das Haus nicht für sich
in Anspruch nehmen, die breite Bevölkerung anzusprechen, doch als
Teil des städtischen Lebens stellt das alternative Kulturangebot
mit Theater, Kino, Begegnungsorten und Beizen für die mittelgrosse
Stadt keineswegs einen Luxus dar. Die Reithalle liefert ein Programm,
das sich über die Alternativszene hinaus etabliert hat, teilweise
nationale Beachtung findet und bisweilen sogar von jenen geschätzt
wird, die die Institution in Frage stellen.
Das führt dazu, dass die Akzeptanz des Kulturzentrums
grösser ist, als dies das Abstimmungs-Stakkato vermuten liesse: In
allen vier bisherigen Abstimmungen wurde die Reithalle gestützt,
und es gibt wenig Anhaltspunkte dafür, dass sich dies diesmal
ändert. Im städtischen Parlament, dem Stadtrat, fing die
SVP-Initiative eine kräftige Niederlage ein, wobei sich auch die
FDP, die nun im Abstimmungskampf für ein Ja wirbt, gespalten
zeigte. Ausser von den Sozialdemokraten und den Grünen wird die
Initiative auch von der CVP und der BDP abgelehnt. Eine Ablehnung darf
deshalb als ebenso sicher gelten wie die Prognose, dass die Bernerinnen
und Berner auch diesen Herbst nicht zum letzten Mal über die
Reithalle abstimmen werden.
"Müslüm" contra Erich
Inzwischen entwickelt sich die Auseinandersetzung zum
ritualhaften Scheingefecht, das den Blick auf wesentlichere Fragen in
der Hauptstadt verstellt. Bern und seine Region sind drauf und dran,
den Anschluss an die übrigen Schweizer Städte und
Metropolitanräume zu verlieren, woran nicht die Reithalle Schuld
trägt, sondern viel eher der Mangel an Gestaltungswillen und
-möglichkeiten. Wohl sind die Sicherheitsdefizite, die die
Diskussion um die Reithalle massgeblich prägen, ein
ernstzunehmendes Problem, doch als Grundlage für seriöse
Debatten über die kulturelle Zukunft einer selbstbewussten Stadt
sind sie eine Nummer zu klein. Umgekehrt erscheint das Beharren der
Reithalle-Anhänger auf alten Strukturen und einem liebevoll
gepflegten Anarcho-Image, das bewusst an die
Achtziger-Jahre-Besetzungen erinnert, bisweilen als etwas angestaubtes
und kalkulierbares Revoluzzertum, das inzwischen von den meisten
Bernerinnen und Bernern durchschaut wird und seinerseits an Potenzial
verliert.
Es passt nicht schlecht zu dieser Pseudo-Kulturdebatte,
dass im
Abstimmungskampf vor allem ein massenhaft abgerufener You-Tube-Film aus
der Reitschule-Küche für Aufmerksamkeit sorgt, in welchem ein
etwas vertrottelter und überbunt gezeichneter Secondo mit Namen
"Müslüm" mit seinem Song ("Erich, warum bisch du nid
ehrlich?") den ebenfalls nicht durch übermässigen Scharfsinn
auffallenden Anti-Reithalle-Initianten Erich Hess veräppelt. Das
Comedy-Video ist nicht schlecht gemacht und just so konstruiert, dass
sich die Generation Facebook - ob Befürworter oder Gegner des
Kulturzentrums - amüsieren kann oder sich zumindest nicht
übermässig ärgern muss. Die Bernerinnen und Berner aber
wären auf Frechheiten angewiesen, die ihrer Stadt wieder etwas
wert- und wirkungsvollere Impulse lieferten.
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vorwaerts.ch 14.9.10
Reithalle hat viel zu beaten
14.09.2010
Immer wieder geht›s gegen die Reitschule: in den Medien, im
Stadtrat,
und etwa alle fünf Jahre kommt das ganze noch vors Volk.
Mittlerweile das fünfte Mal darf es sich dazu äussern. Bisher
ist das Urteil immer positiv ausgefallen und die mittels Initiativen
oder Referendum erfolgten Angriffe sind abgewehrt worden, meistens mit
respektablem Vorsprung. Nur einmal wurde es knapp, als es um das neue
Dach ging, also nicht um die Existenz.
"Terroristen"
Diesmal hat sich Erich Hess, profilierungssüchtiger
(j)SVP-Parlamentarier (Stadt- und mittlerweile auch noch Grossrat),
folgendes auf die Fahnen geschrieben: Die Reitschule, von ihm auch
gerne als ein von "Terroristen" bevölkerter "Schandfleck"
bezeichnet, soll an den Meistbietenden verkauft werden. Diesen
drohenden Ausverkauf lassen sich die ReitschülerInnen nicht bieten.
Während sich vom Kollektiv David Böhner,
stellvertretend
für andere, an der Pressekonferenz im Frauenraum zur
Sampler-Veröffentlichung über die andauernd zu führenden
Abstimmungskämpfe nervt, scheinen diese doch von Mal zu Mal
engagierter und origineller geführt zu werden, was auch das
Trojanische Pferd auf dem Vorplatz, aus welchem zum Beispiel
Fussballmatchs wie Fenerbahçe-YB projiziert wurden und die
Fülle des Angebots an farbigen Bekundungsmöglichkeiten
(Badetücher, T-Shirts, Fahnen), alle versehen mit zwei
(selbst)zufriedenen Rössern mit Schwanzflosse, beweist.
Furzideen wie Hallenbad, Museum, Einkaufszentrum und so weiter
hat Hess
auf Lager für das Gebäude, welches zum Inventar der
nationalen Kulturgüter gehört. Doch die Reitschule bietet
mehr: Konzert, Theater, Kino, Bar, Restaurant, Politik,
Selbstverwaltung (neben dem Erwähnten auch Druckerei,
Holzwerkstatt), Infoladen und vieles andere. Ohne Reithalle wäre
Bern nicht Bern. Sie gehört dazu. Gäbe es sie nicht,
müsste man sie erfinden, beziehungsweise besetzen, wie anno 1987.
Kuno Lauener von Züri West war an vorderster Front dabei beim
"Einbruch", kurz bevor 1000 Leute dort feierten, sich im Rahmen der
sogenannten Straf-Bars die Reitschule zurückholten und die halbe
Schweiz sich damit solidarisierte. Deshalb war auch er - mit zwei
seiner Bandkollegen (die nach seinem Statement, das mit "Hopp
Reitschule! Hopp Züri West! Hopp YB!" schloss, nicht mehr viel
beizufügen hatten) - an der CD-Vernissage des prominent
bestückten Solisamplers zur Abstimmung "Reitschule beatet mehr"
anwesend.
"Erich, warum bisch du nid ehrlich?"
Nachdem es schon zwei Bücher zum 10- und 20-jährigen
Jubiläum der Institution gab, ist dies der erste Tonträger
der Reithalle. Über zwei Drittel der Stücke sind bisher
unveröffentlicht und die Namen lesen sich wie das Who is Who der
(vor allem Berner) Musikszene: Neben Züri West sind dies unter
anderem Sophie Hunger, Tomazobi, Reverend Beat Man, Churchhill und
Steff la Cheffe, die mit neuem Material aufwarten. Stiller Has, Patent
Ochsner, die Tight Finks oder die Kummerbuben steuerten ebenfalls Songs
bei. Insgesamt waren es 22 KünstlerInnen, die aufgeboten wurden zu
"beaten". Sogar Lou Reed ist drauf, wenn auch nur gecovert, mit neuem
berndeutschen Text von Züri West. Für Furore sorgte der Song
"Erich, warum bisch du nid ehrlich?" von Müslüm. Der lustige
Videoclip und die klare, aber wegen Akzents nicht klar
verständliche Botschaft machten das Stück zum Hit und rief
sogar Hess‘ Mentor Thomas Fuchs auf den Plan, der mit Busse drohte und
für seine Meinung ebenso viel Platz einforderte, da es sich um
Abstimmungspropaganda handle. Dies, nachdem schon Hess fast
täglich in der Presse seinen Senf als "Opfer" dazu geben durfte.
Während sich auf der Seite der Initianten vor allem einer
aus der
parlamentarischen extremen Rechten inszeniert, schmücken hinter
Müslüm viele mehrheitsfähige KünstlerInnen den
Sampler und zeigen, dass die Reitschule in der Mitte der Gesellschaft
angekommen ist, auch wenn sie als Sündenbock für viele
Probleme der Stadt herhalten muss und des linken Extremismus bezichtigt
wird. Ihnen allen bedeutet die Kultur in Bern sehr viel, und damit auch
die Reithalle, die eine wichtige Rolle, auch über die Stadtgrenzen
hinaus, zwischen den Generationen und zwischen den verschiedenen
Subkulturen spielt.
Hier haben viele ihre Karriere begonnen und beglücken noch
heute
das autonome Kulturzentrum mit ihrer Anwesenheit, gehören teils
fast zum Inventar. Viele verknüpfen auch selber Kultur mit
Politik, wie zum Beispiel die junge Rapperin und Beatboxerin Steff la
Cheffe, die ihre ersten Anläufe hier machte und auch immer wieder
an politischen Anlässen auftritt. Für sie gehört das
einfach zusammen. So hat sie sich nicht nur musikalisch, sondern mit
einigen andern auch organisatorisch am Sampler beteiligt. Und schon
ihre Mutter stand für die Reitschule ein, auf der Strasse.
Damit auch die nächste Generation noch von der Reitschule
in
bewährter Weise profitieren kann: Ja zur Reitschule und ein
entschiedenes, lautes hoffentlich letztes Nein zur städtischen
Initiative und zur Hess-Zwängerei!
Aus dem aktuellen vorwärts
---
Reitschule-Beiträge auf freie-radios.org
http://www.freie-radios.net/portal/suche.php?such=true&end_monat=12&end_jahr=2020&ssu=1&query=reitschule
http://www.freie-radios.net/portal/suche.php?such=true&query=reithalle&redaktion=0&art=0&serie=0&sprache=0&radio=0&autor=&beg_monat=01&beg_jahr=1970&end_monat=12&end_jahr=2010&Submit=Suche+starten
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ALTERNATIVKULTUR
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Landbote 17.9.10
Spagat zwischen Tradition und Moderne
Fabian Eberhard
Was vor 30 Jahren als illegaler Rebellenbetrieb begann,
zählt heute zu den grössten alternativen Kulturzentren
Europas und erfreut sich einer breiten Akzeptanz. Eine
Standortbestimmung mit Silvia Hofer vom Vorstand der Roten Fabrik.
Vom gesellschaftskritischen Ansatz der Roten Fabrik ist im
aktuellen Jubiläumsprogramm nichts zu spüren. Ist dieser
über die Jahre verloren gegangen?
Silvia Hofer: Nein, sicherlich nicht. Vielleicht gehen wir
heute
einfach subtiler mit politischen und gesellschaftlichen Themen um.
Dafür brauchen wir kein Jubiläumsprogramm oder Transparente
wie in den Achtzigern. Gesellschaftspolitische Entwicklungen werden
aber immer noch kritisch hinterfragt und die Auseinandersetzung gesucht.
Einigen geht das zu wenig weit. Unbekannte haben im
letzten Jahr
aus Protest alle Aussenwände des Kulturzentrums weiss
übermalt.
Wir sind offen für Kritik und begrüssen
Diskussionen.
Ich persönlich habe mich über diese Aktion gefreut, weil ich
es wichtig finde, dass man sich mit der Fabrik im "Jetzt"
auseinandersetzt. Von den "Weissmalern" war aber nie eine Aussprache
erwünscht. Es gibt leider wenig konstruktive Kritik.
Unterscheidet sich die Fabrik denn überhaupt noch von
der
grossen Masse der vielen Zürcher Clubs?
Ja das tut sie. Für viele Leute ist die Fabrik ein
Ort der
Zuflucht, ohne Schickimicki, ein Ort mit immer noch sehr tiefen
Eintrittspreisen, wo Menschen Freiräume vorfinden, um ihre eigenen
Ideen zu verwirklichen.
Im Konzept der Fabrik nehmen Sie klar Stellung gegen
Rassismus,
Sexismus und Gewalt. Mit Sizzla stand kürzlich ein umstrittener
Reggae-Interpret auf der Bühne, der in Vergangenheit immer wieder
öffentlich zu Gewalt gegen Homosexuelle aufrief. Sind die
Konzeptvorsätze nur noch leere Worthülsen?
Rassismus, Sexismus und Gewalt haben definitiv keinen Platz bei
uns.
Sizzla ist ein umstrittener Künstler und wir haben dies auch zum
Thema gemacht. Im Vorfeld haben wir ein Podiumsgespräch
organisiert, an dem dies öffentlich diskutiert wurde.
Viele der heutigen Verantwortlichen waren während den
Anfangszeiten nicht aktiv dabei. Inwieweit ist die Rote Fabrik noch von
ihrer Entstehungsgeschichte geprägt?
Wir sind seit den Anfängen basisdemokratisch
organisiert.
Und genau diese Betriebsstruktur prägt unseren Alltag immer noch
stark. Auch die Begegnung mit Künstlern oder Mitarbeitern aus dem
"Ziegel oh Lac", die seit Beginn auf diesem Areal arbeiten, prägen
uns "Neue". Aufgrund der Geschichte ist es manchmal aber schwierig,
Veränderungen vorzunehmen. Von aussen kommt schnell der Vorwurf,
dass die Fabrik nicht mehr so ist, wie sie früher einmal war. Aber
die Fabrik muss sich ändern, weil sich auch die Zeit geändert
hat. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass dieser Ort die
Stimmungen der jeweiligen Zeit aufnimmt.
Wo ordnen sie die Rote Fabrik heute in der Zürcher
Kulturlandschaft ein?
Uns einzuordnen ist gar nicht so einfach, und das ist gut
so. Wir
sind ein Mehrspartenhaus und innerhalb der jeweiligen Sparten offen
für die verschiedensten Kunstformen. Wir sind ein Ort, der
Freiräume bietet für die Jugend, für Kulturliebhaber und
für Künstler. Das weite Spektrum innerhalb des Programmes und
das Areal, mit all seinen Menschen, ist in der Stadt Zürich
einzigartig.
Finanziell war die Fabrik immer wieder in Schieflage. Wie
sieht
das zurzeit aus?
Früher wurde tatsächlich manchmal über die
Verhältnisse gelebt. Vor fünf Jahren wurden dann die
Strukturen angepasst und Sparmassnahmen getroffen. Vieles wurde
professionalisiert. Seither sind wir wieder auf Kurs und schreiben
schwarze Zahlen.
Diese Anpassungen fallen tatsächlich auf. So weigerte
man
sich früher, Sponsoren zu engagieren. Das hat sich mittlerweile
geändert. Eine weitere Entwicklung, die vielen sauer
aufstösst.
Auch heute versuchen wir noch, möglichst ohne
Sponsoring
auszukommen. Wenn wir aber darauf angewiesen sind, haben wir klare
Richtlinien. Voraussetzung ist beispielsweise, dass die Firmen sozial
gerechte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen bieten. Zudem
vermeiden wir Unternehmen aus Bereichen wie Tabak und Alkohol oder
Versicherungen und Banken.
Wo sehen Sie die Fabrik in 30 Jahren?
Ich bin überzeugt, dass sie auch in der Zukunft ein
wichtiger Ort innerhalb der Stadt Zürich sein wird. Das Areal als
Begegnungsort mit einem riesigen Kulturangebot sucht seinesgleichen und
wir alle müssen dafür sorgen, dass dies auch in 30 Jahren
noch der Fall sein wird.
INTERVIEW: FABIAN EBERHARD
--
Die Rote Fabrik wird erwachsen
Fabian Eberhard
Eigentlich hatte die Stadt Zürich die ausgediente
Seidenweberei und spätere Fernmeldetechnikfabrik Anfang der
Siebzigerjahre gekauft, um sie wegen der geplanten Verbreiterung der
angrenzenden Seestrasse abreissen zu lassen. 1977 wurde dieser Plan
aber durch eine Volksabstimmung verhindert. Drei Jahre später
wurde die Interessengemeinschaft Rote Fabrik (IGRF) gegründet, die
vorerst illegal Feste und Konzerte veranstaltete.
Auf Druck der Jugendbewegung und nach einem heissen Sommer
voller
gewalttätiger Auseinandersetzungen, öffnete die Rote Fabrik
im Herbst 1980 ihre Tore für sieben provisorische Betriebsjahre.
Musik und Theater bildeten das Schwergewicht der Aktivitäten und
allbekannt war das "autonome Veloflicken". Manche freie Theatergruppen,
die in der Szene zunehmenden Einfluss gewannen, gaben in der Roten
Fabrik ihr Debüt. 1981 wurde die Rote Fabrik unter Denkmalschutz
gestellt und 1985 das Restaurant Ziegel oh Lac und die Shedhalle
eröffnet. 1987 anerkannte das Zürcher Stimmvolk die Rote
Fabrik als subventioniertes Kultur-, Freizeit- und Bildungszentrum.
Dieses Wochenende feiert die IG Rote Fabrik ihren 30.
Geburtstag.
Das bedeutet vor allem 30 Jahre Vermittlung und Förderung von
zeitgenössischer und kritischer Kultur fernab des Mainstreams.
Heute wird der Betrieb von 16 Angestellten geführt, die
Hälfte davon sind Frauen und alle arbeiten für den gleichen
Lohn. Diverse Arbeitsgruppen mit über 100 Mitgliedern gestalten
das Programm mit und organisieren rund 300 Veranstaltungen pro Jahr.
Der finanzielle Aufwand der IG Rote Fabrik beträgt 3,7 Millionen
Franken jährlich. Die Stadt subventioniert den Kulturbetrieb mit
2,4 Millionen. Die restlichen finanziellen Mittel setzen sich aus
Mitgliederbeiträgen, den Einnahmen aus den Veranstaltungen,
Spenden und den Mieteinnahmen zusammen. (feb)
Jubiläumsfeier: 30 Jahre sind genug!
"Die Rote Fabrik macht die Luken dicht!", heisst es in
einer
Mitteilung, welche das Kulturzentrum kürzlich verbreitete. Nicht
länger werde hier auf Kosten der Allgemeinheit eine Utopie
zelebriert, die schon seit den Achtzigerjahren überholt sei. In
einer Gesellschaft, in der jedes Individuum nur noch für sich
alleine stehe, brauche es auch keine Alternative wie die Rote Fabrik
mehr.
Doch keine Angst. Schnell wird klar, dass dieses Schreiben
nur
eine gewohnt provokative Ankündigung für das Festivalprogramm
zum 30-jährigen Jubiläum des alternativen Kulturzentrums ist.
Mit einem breit gefächerten, kostenlosen Angebot an Konzerten,
Theatern, Filmen und Kunstinstallationen feiert die Rote Fabrik dieses
Wochenende ihren runden Geburtstag. Gespannt sein darf man vor allem
auf die künstlerische Intervention "30 Jahre sind genug" von
Michael Meier und Christoph Franz, die laut Ankündigung das
gesamte Gelände in den Ausnahmezustand versetzen wird. (feb)
Programm: www.rotefabrik.ch
---
Tagesanzeiger 16.9.10
Die etwas andere Kultur
Die Rote Fabrik in Zürich feiert dieses Wochenende
ihren 30.
Geburtstag. Die Berner Reitschule steht vor der fünften
Abstimmung. Obwohl beide Kulturzentren basisdemokratisch betrieben
werden, unterscheiden sie sich klar. Die Rote Fabrik bietet Kultur an,
wie sie auch anderswo zu haben ist, sehr viel Alternatives ist nicht
mehr auszumachen. Der Vorwurf steht im Raum, das Programm der Roten
Fabrik sei profillos geworden, weil viel zu viel hineingepackt werde.
Im "züritipp" widerspricht Fränzi Keller von der
Betriebsgruppe: Die Rote Fabrik habe als öffentlich
subventionierter Mehrspartenbetrieb "geradezu die Aufgabe, für ein
möglichst breites Publikum ein möglichst vielfältiges
Programm zu bieten".
Dafür zahlt die Reitschule für ihre Renitenz
einen
beträchtlichen Preis. Weil es ihr schwerfällt, sich von
Gewaltbereiten in den eigenen Reihen zu distanzieren, wird sie jedes
Mal mitverantwortlich gemacht, wenn eine Demonstration in der Stadt
Bern eskaliert. (jmb./cf.)
Rote Fabrik und Reitschule
Analyse: Die alternative Kultur ist heute keine
Alternative mehr.
- Seite 9
Bericht: Zu Besuch in der Berner Reitschule, dem
integrierten
Feindbild. - Seite 27
Roundtable-Gespräch: Wie soll es in der Roten Fabrik
weitergehen? - züritipp
--
Tagesanzeiger 16.9.10
30 Jahre Rote Fabrik Weshalb die alternative Kultur inzwischen
keine
Alternative mehr ist.
Marschhalt in der Institution
Von Christoph Fellmann
Die Rote Fabrik ist 30 Jahre alt. 1980 vom jungen,
alternativen
Zürich erstritten, ist das Kulturzentrum heute fest etabliert. Sie
habe sich, schrieben ihre Betreiber einmal, "zum
prestigeträchtigen Vorzeigeobjekt weltstädtisch gemeinter
Kulturpolitik" entwickelt. Ja, man könnte sogar sagen, der
spöttische Unterton sei das Letzte, was noch an die alternative
Vergangenheit dieses Kulturzentrums erinnere.
Denn die alternative Kultur hat sich in den letzten zehn
Jahren
bis zur Unkenntlichkeit verändert. Ihre Inhalte sind längst
Allgemeingut, und in einem modernen Kulturangebot ist nicht die
Alternative gefragt, sondern das "Anything goes". Das hat auch
politische Gründe: Im Aufbruch der 80er-Jahre war vom Punk
über den Bluesrocker bis zum freischaffenden Kindertheater alles
irgendwie politisch, weil ein Teil der selbst ernannten Gegenkultur.
Die ist nach 1989 untergegangen, auch weil sie in ihren neuen
Kulturzentren bald zu sehr vom bürgerlichen Staat abhängig
war, um im Ernst noch dagegen sein zu können. Auch das
"Alternative" wird heute meist als "Indie" übersetzt, notabene
einem Marketingbegriff der Musikbranche. Er passt schon, bedeutet er
doch, sich postmodern in Szenen zu organisieren und sich politisch den
Rücken frei zu halten.
Die Rote Fabrik und ähnliche Kulturzentren arbeiten
heute
pragmatisch mit den Behörden zusammen, und ideologisches Denken
ist dem kreativen Milieu mittlerweile fremd. Und umso attraktiver ist
sein junges, urbanes, flexibles Image. Für die Sponsoringmillionen
der Privatwirtschaft, aber auch für die Städte. Diese
erkennen in der Kulturszene den Motor einer potenten
"Kreativwirtschaft", den es im Standortwettbewerb zu fördern und
vermarkten gilt.
Geld gegen Professionalität
Der Einzug ins urbane Establishment wurde der alternativen
Kultur
aber nicht geschenkt. Staat und Wirtschaft erwarten im Gegenzug, dass
die Kulturleute ihre Häuser professionell führen, dass sie
mit Globalbudgets und Businessplänen zu hantieren wissen. Anders
als der Luzerner Südpol, die Basler Kaserne oder das Zürcher
Theater Spektakel wird die Rote Fabrik zwar immer noch durch ein
Kollektiv und nicht durch einen Intendanten geführt. Aber auch
hier erwartet die Stadt für jährlich 2,4 Millionen Franken
mehr als "nur" ein gutes Programm. Die Behörden
überprüfen auch "Projektmanagement",
"Eigenwirtschaftlichkeit" und den "Einfluss auf die
Standortqualität".
Was ist also übrig von der alternativen Kultur? Wo
findet
man noch eine Kultur, die man so nennen könnte? Überall dort,
wo eine künstlerische Leistung zu neu, zu sperrig oder zu wenig
spektakulär ist, um auf dem Radar der Sponsoren und
Standortpromotoren aufzutauchen. Dort zudem, wo Künstler noch
nicht professionell genug sind, um in die etablierten Häuser
eingelassen zu werden. Seit in Luzern die alte Boa geschlossen und
durch den professioneller geführten Südpol ersetzt ist,
hört man auf der Strasse den Ruf nach niederschwelligem,
experimentellem Freiraum. Es ist ein Echo auf die Achtzigerjahre.
Die alternative Kultur, die in den 80ern den Marsch in die
Institutionen angetreten hat, ist und bleibt dort gut aufgehoben. Die
alternative Kultur von heute aber, das ist die, die noch nicht
etabliert genug ist für die alternativen Kulturhäuser von
gestern. Sie erneuert sich mit jeder Generation und in wechselnden
Pionierzonen. Sie braucht keine Häuser, die 30 Jahre alt werden.
Mehr zum Thema: Seite 27 und "züritipp"
--
Das integrierte Feindbild
Die Berner Reitschule beschert der Stadt immer wieder
Ärger.
In zehn Tagen wird über die weitere Existenz des Kulturzentrums
abgestimmt. Besuch in einer Institution, in der endlos diskutiert, aber
auch hart gearbeitet wird.
Von Jean-Martin Büttner, Bern
Wochensitzung im Dachstock der Berner Reitschule, ein
Dutzend
Männer und vier Frauen sitzen am Holztisch und arbeiten sich durch
die Traktandenliste. Die überlaute Musik der Piratenbar gibt zu
reden und der Abfall vor dem Kino. Dann wird die Gage einer
amerikanischen Band neu verhandelt. Und man macht ab, wer zu welcher
nächsten Sitzung muss und wer bis spätnachts die Garderobe
hütet.
Polizisten heissen hier Bullen und der interne
Sicherheitsdienst
Wellness-Truppe; junge Besucher sind Kiddies, Bier geht als Alk durch
und Betreiber als Reitschüler. Doch das Vokabular täuscht, es
geht sachlich zu und zügig vorwärts. Nur manchmal reden alle
durcheinander, dazwischen wird gelacht. Draussen rauscht der
Autoverkehr, über der Brücke gleiten die Züge aus dem
Hauptbahnhof.
"Die Reitschule bietet mehr", versprechen die
Reitschüler,
laden die Bevölkerung zu Führungen ein, bieten Musiker zum
solidarischen Mitsingen auf und lassen sich vom Establishment aus
Politik und Kultur unterstützen. Dem alternativen Kulturzentrum
steht nämlich eine weitere Abstimmung bevor, wie immer von rechts
lanciert. Für ihre Gegner war, ist und bleibt die Reitschule ein
Schandfleck der Stadt (siehe Kasten).
Das Dorf
Dass das Zentrum auch etwas bietet, bezweifeln in Bern nur
wenige. Die Reitschüler sprechen von 75 000 bezahlten
Eintritten und gegen 50 000 weiteren Besuchen pro Jahr.
Konzerte werden abgehalten, Theateraufführungen und Filme gezeigt,
Tanzabende, Flohmärkte, Yoga-Kurse und Weiteres angeboten. Das
Restaurant Sous le Pont serviert Spezialitäten aus aller Welt, die
Druckerei druckt, der Infoladen informiert, die Holzwerkstatt
sägt, der Politladen politisiert. Man kann hier gemeinsam "Tatort"
schauen oder ein Fussballspiel auf der Grossleinwand.
Das Kulturzentrum funktioniere wie ein Dorf mit vielen
Gästen, sagen die Leute hier. Oder wie es die langjährige
Reitschülerin Agnes Hofmann formuliert: "Die Reitschule ist das,
was wir alle aus ihr machen." Was sie damit meint, präzisiert die
Autorin Ariane von Graffenried: "Hier kann jeder etwas ausprobieren,
mit dem er anderswo keine Chance hätte." Also auch nicht in der
Roten Fabrik in Zürich, mit der die Reitschule übrigens kaum
Kontakte pflegt.
Die kulturelle Vielfalt ist grösser als die soziale
Durchmischung. Die Reitschule solidarisiert sich mit armen
Ausländern, wird aber fast nur von Schweizern betrieben. Sie
verbreitet den Klassenkampf, hat sich aber als Projekt der Mittelklasse
etabliert und bekommt bei Abstimmungen am wenigsten Zuspruch aus dem
Arbeiterquartier Bethlehem. "Wir sind die Stachel im fetten Fleisch der
Stadt", sagt der 24-jährige Yannick Spindler, der vor fünf
Jahren hier begann. Dabei sind die meisten hier dem Fleisch
entsprungen, das sie einstacheln möchten: Die Reitschule ist das
integrierte Feindbild von Bern.
Das Geld
Auch beim Geld geht es schweizerisch zu. Man arbeitet
sparsam,
die Buchhaltung gilt als vorbildlich. Das Zentrum bekommt Subventionen
von der Stadt, nicht ganz 666 000 Franken pro Jahr, weist
aber eine Eigenfinanzierung von über 50 Prozent aus. Zum
Vergleich: Das Berner Stadttheater erhält fast 24 Millionen
Franken, deckt aber knapp ein Fünftel seiner Kosten.
So billig zu wirtschaften, ist ohne die Gratisarbeit nicht
zu
schaffen, die viele hier verrichten. Das hat den zusätzlichen
Vorteil, dass sich das Personal laufend verjüngt. Die meisten
machen hier zwei bis vier Jahre mit und ziehen dann weiter. Dazwischen
haben sie gelernt zu debattieren, zu überzeugen und zu
organisieren, Projekte erst auf- und dann durchzuziehen. Die Reitschule
funktioniert auch als soziales Laboratorium, sie fördert
Kulturmanager-Kompetenzen, ganz ohne Studium und Abschluss.
Das alles gibt in Bern auch wenig zu reden, dafür
zwei immer
wieder genannte Probleme: die Drogenszene vor der Reitschule und die
gewaltbereiten Demonstranten in ihrer Mitte. Häufig tauchen Dealer
und ihre Kunden vor dem Kulturzentrum auf oder stehen in der Beiz herum.
Dafür könnten sie nichts, halten
Reitschüler
dagegen. "Ich arbeite hier seit 15 Jahren", sagt etwa Sabine Ruch vom
Dachstock; und sie verspüre keinerlei Lust, "für die Probleme
dieser Stadt den Privatbullen zu spielen." Egal wie barsch man die
Dealer und ihre Konsumenten wegweise, sie kämen immer wieder. Die
Reitschule liege zentral, ausserdem sei die Anlaufstelle für
Süchtige gleich auf der anderen Seite. Das wiederum lässt
Barbara Mühlheim nicht gelten: Die grüne Politikerin leitet
die heroingestützte Behandlung in Bern und kritisiert, die
Reitschule müsse "konsequenter gegen die Drogenszene vorgehen,
statt immer anderen die Schuld dafür zu geben".
Die Knallköpfe
Unklar bleibt auch das Verhältnis zur
Gewaltbereitschaft in
den eigenen Reihen. Wenn einer in Bern Kultur mache, sang einst Kuno
Lauener von Züri West, komme meistens nur die Polizei. Das war in
den Achtzigerjahren, als die Berner Band regelmässig in der
Reitschule aufspielte und die Kultur mit Tränengas benebelt wurde.
Dass aber die Reitschule die Polizei bis heute nicht
losgeworden
ist, hat sie sich auch selber zuzuschreiben. Man verurteilt zwar die
Ausschreitungen an Demonstrationen, will sich aber nicht von ihren
Adepten distanzieren. Das merkt man der Antwort von Agnes Hofmann an,
der langjährigen Reitschülerin: Sie windet sich ins
Umständliche. Einerseits wolle man, dass sich "auch
antirassistische und antifaschistische Bewegungen bei uns treffen
können", sagt sie, ganz der korrekten Terminologie verpflichtet.
Der Preis dafür sei halt, "dass wir uns manchmal mit ein paar
jungen Männern herumschlagen", denen die Botschaft einer
Demonstration weniger bedeute als das Gewaltspektakel. "Wir finden die
Knallköpfe bei uns genauso blöd wie die bei der Polizei." Es
gehe aber darum, solidarisch zu sein "und unsere Anliegen nicht zu
verraten".
Die Frage ist nur, wer hier wen verrät. Am heftigsten
wird
die Reitschule immer dann kritisiert, wenn eine Demo in Bern
knallkopfmässig eskaliert. Zum Beispiel kurz vor den letzten
Nationalratswahlen, als eine Gegendemo zur SVP ausser Kontrolle geriet
und der Hauptstadt weltweite Schlagzeilen bescherte. Zum letzten Mal
kam der sogenannte antifaschistische Abendspaziergang vor knapp zwei
Jahren vom Weg ab, zwei Monate nach der letzten Abstimmung zur
Reitschule. Kein Zufall, dass das nächste linke Stadtwandern
wieder erst nach der Abstimmung abgehalten wird.
Der Waschküchenplan
Trotzdem verbreitet Reto Nause (CVP), der Stadtberner
Polizeichef, ungetrübten Optimismus. Die letzten Jahre über
sei es ruhig geblieben, sagt er, der Kontakt zwischen Reitschule und
Polizei habe sich spürbar verbessert. Zudem löst die
Reitschule ihre Binnenprobleme mit einem hauseigenen Sicherheitsdienst.
Das sind zwei Dutzend Männer, die sich vor einem Jahr gruppierten,
eine Ausbildung durchlaufen haben und bei Alkoholexzessen, Streit und
Schlägereien eingreifen. Fast alles lasse sich mit Worten
klären, sagt Friedrich Stucki vom Wellness-Team. Die Polizei
hätten sie jedenfalls noch nie rufen müssen.
Zurück in den Dachstock, wo die Gruppe dem Ende der
Traktandenliste entgegenredet. Unter "Varia" bespricht sie das Problem
der gemeinsam genutzten Waschmaschine. Am Schluss der gründlichen
Debatte beschliesst das Kollektiv, einen Waschplan zu erstellen.
Darüber habe man heute am längsten geredet, sagt einer. Alle
lachen. Niemand scheint überrascht.
Weitere Artikel auf Seite 9 und im "züritipp".
--
Die fünfte Abstimmung
Reitschule soll verkauft werden
In zehn Tagen stimmt die Stadt Bern zum fünften Mal
innert
zwanzig Jahren über die Reitschule ab - und zum fünften Mal
dürfte diese die Abstimmung gewinnen. Die Initianten der SVP
verlangen diesmal, die Reitschule zu schliessen und dem Meistbietenden
zu verkaufen. Wer das sein wird, ist ihnen egal, es könnten sogar
die Reitschüler sein.
Überraschende Hilfe bekommt die SVP vom Stadtberner
Freisinn. Ihre Fraktion habe Stimmfreigabe beschlossen, sagt
Parteipräsidentin Dana Dolores, "doch dann ist die Diskussion
ausgeartet"; die geballte Frustration der Parteibasis habe sich bei der
Reitschule entladen. Am meisten stört die Gegner, dass das
Kulturzentrum zwar Subventionen beziehe, sich aber nicht genügend
von Drogen und Gewalt distanziere. (jmb)
---
Züritipp 16.9.10
Roundtable: 30 Jahre Rote Fabrik
"DIE REVOLUTION SCHLÄGT ZURÜCK"
"30 Jahre sind genug!", verkündet die Rote Fabrik aus
Anlass
ihres diesjährigen Jubiläums. Ist das vielleicht sogar wahr?
Worin liegt in der Eventstadt Zürich heute die Aufgabe eines
alternativen Kulturzentrums? Zwei Ehemalige und eine Fabriklerin der
Gegenwart suchen nach Antworten.
Gesprächsleitung: Corina Freudiger, Philippe Zweifel.
Bilder: Dominique Meienberg
Zum Jubiläum will sich die Rote Fabrik selber
abschaffen.
Die Ironie dieses Gags kann man auch überlesen: Braucht es die
Fabrik wirklich noch?
Christoph Bürge: Ja, aber nur, wenn sie sich vom
Mainstream
abzugrenzen weiss.
Fränzi Keller: Die Fabrik ist inihrer kulturellen
Vielfalt
nach wie vor einzigartig. Ausserdem wird hier unabhängig von
Gewinnüberlegungen noch Neues ausprobiert. Aktuell etwa im
Medienstudio Dock 18.
In anderen Bereichen ist man weniger experimentierfreudig.
So
spielen hier Bands, die auch im Abart oder im X-tra auftreten.
Richard Wolff: Im Musikbereich gibt es heute
Überschneidungen mit dem Mainstream. Aber auf der konzeptionellen
Ebene unterscheidet sich die Rote Fabrik nach wie vor von anderen
Orten. Wo sonst finden kritische, politische Veranstaltungen zu
Ernährungsfragen, Globalisierung, Überwachungsstaat statt?
Um aktuelle politische Themen scheint man aber einen Bogen
zu
machen. Die Bankenkrise wurde zum Beispiel nicht aufgegriffen.
Keller: Doch, die Bankenkrise wurde in der
Fabrikgesprächsreihe thematisiert.
Wolff: Und der in ein Minarett verwandelte Fabrikkamin war
doch
eine tolle Aktion . . .
Bürge: Allerdings mehr Reaktion als Aktion. Generell
spüre ich heute zu wenig, dass die Fabrik einen Schritt vor den
anderen ist. Man packt heute sehr viel ins Programm, was zu einer
gewissen Profillosigkeit führt.
Richard Wolff: Die Konkurrenz ist in allen Bereichen gross
geworden, in der Musik, bei Partys, beim Off-Theater, bei Informations-
und Diskussionsveranstaltungen. Das war in den Anfängen anders.
Wir hatten in vielen Bereichen ein Quasi-Monopol und konnten damit
rechnen, fast einmal pro Monat die Titelseite des "züritipps" zu
bekommen.
Keller: Heute ist Zürich eine Eventstadt. Für
das
Publikum ist die Fabrik ein Ort unter vielen.
Die Rote Fabrik wird basisdemokratisch geführt.
Könnte
ein Intendantensystem die Wahrnehmung gegen aussen verbessern?
Wolff: Das steht immer wieder zur Debatte. Doch die
Vielfalt der
Fabrik beruht auch auf der Basisdemokratie und darauf, dass sich
verschiedene Gruppen einbringen können.
Bürge: Mit 17 Mitgliedern ist Basisdemokratie
allerdings ein
hartes Brot. Wir waren 1987 zu 8 in der Betriebsgruppe - und das war
schon eine Herausforderung.
Keller: Wir sitzen heute nicht mehr jeden Dienstag, nur
noch
zweimal pro Monat. Ausserdem delegieren wir mehr. Zum Vorwurf der
Profillosigkeit: Ich finde nicht, dass sich die Fabrik auf Nischen
konzentrieren sollte. Als öffentlich subventionierter
Mehrspartenbetrieb hat sie geradezu die Aufgabe, für ein
möglichst breites Publikum ein möglichst vielfältiges
Programm zu bieten.
Man hört immer wieder, dass sich in der Leitung eine
gewisse
Trägheit eingestellt habe. Wie lange bleiben die
Betriebs-mitglieder der Roten Fabrik im Schnitt?
Bürge: Bei uns waren es 1 ½ bis 3 Jahre. Wobei
man
sich von hinten und vorne gleichzeitig angezündet und lichterloh
für die Sache gebrannt hat. Was auch nötig ist, wenn man sich
wirklich für etwas einsetzen will.
Wolff: "Durchlauferhitzer" nannten wir das.
Brennt das Feuer auch heute noch?
Keller: Klar. Ich bin auch dafür, dass man nicht ewig
hier
arbeitet. Heute bleiben die Leute unterschiedlich lange hier, im
Durchschnitt sind es etwa 5 bis 6 Jahre.
Das klingt für gewisse Leute nach Sesselkleberei. Vor
einem
Jahr malten Aktivisten die Rote Fabrik weiss an, weil sie sie als Teil
des Kultur- establishments sehen.
Wolff: Ich fand das eine gelungene Aktion. Debatten und
ein
grundlegendes Infragestellen sind immer willkommen. Allerdings
vermisste ich dann die eigentliche Debatte.
Keller: Persönlich habe ich mich über die Aktion
amüsiert. Innerhalb der Roten Fabrik wurde die Weissmalerei aber
verschieden aufgenommen. Einige waren total empört,andere fanden
es kreativ.
Wolff: Manchmal klagen meine Jungs, dass die Fabrik zu
teuer sei,
dass der Zugang fehle. Dann sage ich einerseits, dass das zum Teil
stimmt, dass aber anderseits die heutigen Kids auch ihre eigenen
Strukturen aufbauen müssen! Die permanente Revolution in der
Fabrik zu verlangen, ist ein Widerspruch in sich.
Ist der Begriff "Alternativkultur" für die Fabrik
überhaupt noch zutreffend?
Bürge: Ich finde, der Begriff hat ausgedient. Er
stammt aus
einer Zeit, in der es reichte, in einem Lokal ein Konzert zu
veranstalten, wo noch nie ein Konzert stattgefunden hat.
Wolff: Bereits 1986 stellte man diese Frage -
"Alternativkultur"
kommt wahrscheinlich von den 68ern. Heute ist der Begriff weitgehend
sinnentleert, weil er längst vom Mainstream usurpiert worden ist.
"Alternativ" ist allerdings immer noch auf der Homepage
der
Fabrik zu finden . . .
Bürge: Würde ich streichen. Nur weil es im WC
Graffiti
hat, ist ein Ort nicht alternativ.
Wie definiert sich denn ein alternatives Kulturzentrum
heute?
Bürge: Eine mögliche Definition wäre "ein
Kulturbetrieb, der nicht gewinnmaximierend ausgerichtet ist".
Keller: Das ist bei der Fabrik der Fall. Auch die
Eintrittspreise
sind immer wieder ein Thema. Doch grosse Konzerte haben heute ihren
Preis, die Gagen sind insbesondere in Zürich sehr hoch im
internationalen Vergleich. Und wir sind immer noch günstig: Wo
sonst in Zürich siehst du zum Beispiel M.I.A. für 35 Franken?
Aber persönlich wünsche ich mir auch mehr kleinere
Veranstaltungen für wenig Geld.
Bürge: Wenn man subventioniert ist, muss man
natürlich
günstigere Preise haben als andere Veranstalter. Bloss:
Schätzen das die Leute überhaupt noch? Die Bereitschaft zu
zahlen, vor allem in der Schweiz und in Zürich, ist enorm und
nicht nachvollziehbar.
Man kann sich also nicht einmal mehr über die
Preispolitik
abgrenzen?
Bürge: Der Helsinki-Klub und das El Lokal fahren
einen
solchen Kurs. Die unterscheiden sich vom Restangebot. Oft ist das aber
nur dankeiner günstigen Zwischennutzung des Lokals realisierbar.
Wolff: Doch, mit den Preisen unten reinfahren fände
ich
heute "alternativ". Konzerte für fünf Franken! Bürge: Da
kommen mir die M-Budget-Partys in den Sinn, die bloss ein paar Franken
Eintritt kosteten. Warum hat man dieses Feld derMigros überlassen?
Das Konzept - natürlich ohne dröge DJs - hätte
hervorragend in die Rote Fabrik gepasst. Gerade in einem Umfeld, in
demdie Preise ins Absurde steigen. Wir hätten uns damals gegen
diesen Preiswahnsinn gewehrt.
Was haltet ihr von Aktionen wie Shantytown oder der
Hardturmbesetzung?
Wolff: Das war schon beeindruckend, vor allem auch wegen
der
generalstabsmässigen Organisation. Aber nicht mit der Aufgabe
einer Roten Fabrik vergleichbar. Die Leute in der Besetzerszene
arbeiten gratis. Die "Brotäktschen" im Hardturmstadion wurde
wochen- und monatelang vorbereitet und fand dann an einem
Wochenende statt. Aber so etwas passiert auch nicht jede Woche,
vielleicht einmal pro Jahr oder alle zwei Jahre. Die Fabrik ist eine
Institution, die Angestellte hat und Löhne bezahlt.
Keller: Und deswegen hat sie eine Kontinuität, die
solche
Aktionen nicht bieten können: Wir ziehen pro Jahr 60 000 Besucher
an: Offensichtlich wird die Fabrik seit Jahrzehnten als das
geschätzt, was sie ist.
Wolff: Genau. Die Atmosphäre ist immer noch gut, der
Sound
super. Ich war kürzlich am Patti-Smith-Konzert. Es war wundervoll,
der Ort am See ist europaweit einzigartig. Das subversiv-politische
Angebot wird eher von den besetzten Häusern abgedeckt. Da
läuft jeden Abend irgendwo irgendwas, an der Hönggi, in der
Friesi, der Binz und so weiter.
Erwartet die Stadt als Besitzerin der Fabrik eigentlich
volle
Säle?
Keller: Nein, selbstverständlich nicht, das hat ja
nichts
damit zu tun, wem das Gelände gehört. Im Unterschied zu den
Künstlerateliers. Ein viel gehörter Vorwurf ist, dass in den
Ateliers die ewig gleichen Leute sitzen. Das mag so sein - darauf haben
wir aber nur wenig Einfluss, da von den 60 Ateliers auf dem
Gelände nur fünf von uns verwaltet werden, der Rest von der
Stadt.
Wolff: Nach innen besteht eine grosse Autonomie, man
arbeitet
immer noch selbstbestimmt - dass man sich das bewahrt hat, ist für
mich ein riesiger Erfolg. Wer vielleicht ein Interesse an vollen
Sälen hat, ist der Ziegel oh Lac. Denn das Restaurant hat bei
Konzerten das Ausschankmonopol. Zwar ist der Ziegel ein
eigenständiger Betrieb, er hat aber Mitsprache im Fabrikrat. Kann
schon sein, dass es dann mal heisst: Jetzt macht nicht nur
Kleinproduktionen, sondern Konzerte, die Leute bringen!
Bei der Minarett-Aktion war es die Stadt, die Einspruch
erhob . .
.
Wolff: Da hätte man tatsächlich nicht nachgeben
dürfen.
Keller: Wir haben auch nicht nachgegeben! Entgegen der
Behauptung, dass hier eine Vermittlung stattfand, musste die Stadt das
Minarett mit einem Kran eigenmächtig herunterholen. Der politische
Druck war wohl zu gross.
So wie beim Kiffverbot im Ziegel?
WolfF: Der Ziegel ist keine Untergrundbar. Man
erfüllt
schliesslich auch die Hygienebestimmungen und hat gesetzeskonforme
Fluchtwege.
Bürge: Man muss auch schauen, wofür man
kämpft:
Ist kiffen heute wirklich einen Aufstand wert? Früher war es
einfacher, sich konstruktiv an Verboten zu reiben.
Wolff: Genau. Die Deregulierung im Beizenbereich geht zum
grossen
Teil auf die Rote Fabrik zurück. Auch das Tanzverbot am Karfreitag
und an anderen gesetzlichen Feiertagen hat man hier zuerst und
konsequent gebrochen. Auch das Aufbrechen der Polizeistunde ist zu
einem grossen Teil das Verdienst der Roten Fabrik.
Bürge: Es ging stets darum, ein neues
Lebensgefühl zu
kreieren. Damals war das der 24-Stunden-Nonstop-Betrieb. Im Sinne eines
neuen Lebensgefühls würde ich heute ironischerweise das
Gegenteil propagieren: Tage der Ruhe. Die Liberalisierungsrevolution
schlägt zurück.
--
DAS JUBILÄUMSFEST
Zu ihrem 30. Geburtstag verwandelt sich die Fabrik drei
Tage lang
in einen Erlebnispark: Das Musikbüro sorgt für KONZERTE u. a.
von Little Dragon, Jamaica, Science Fiction Theater oder The Maccabees,
das Fabriktheater zeigt PERFORMANCES von Pascal Grau, Miguel Gutierrez
oder Laura Kalauz. Für die Kinder gibts "The Wizard of Oz" von
Kolypan, und die Erwachsenen erwartet das Splätterlitheater mit
viel Blut. Für KUNST rund um die Shedhalle sorgen Damian Jurt,
Georg Keller und andere, während Christian Ratti durch das Areal
führt. Ums Literarische kümmern sich Ruth Schweikert und
andere Autoren mit LESUNGEN in den Ateliers. Eine fabrikeigene
RADIOSTATION geht auf Sendung (96,9 MHZ), das Medien-studio Dock18
dokumentiert 72 Stunden lang das Geschehen, und am Sonntag gibts auf
dem FLOHMI Dinge aus der Fabrik zu kaufen. Und mittendrin skandiert die
Gruppe Seh-Tank: "30 Jahre sind genug!"
Zürich, Rote Fabrik, Seestr. Fr 17.9., 18 Uhr bis So
19.9.,
18 Uhr Detailliertes Programm: www.rotefabrik.ch
--
DIE ROTE FABRIK
1972 erwarb die Stadt Zürich die Rote Fabrik, um sie
abzureissen und die Seestrasse zu verbreitern. 1977 verhinderte eine
Volksabstimmung diesen Plan. 1980 veranstaltete die
Interessengemeinschaft Rote Fabrik (IGRF) zuerst illegal Feste und nahm
dann im Herbst - auch auf Druck der Jugendbewegung ("Leben in die Tote
Fabrik!") - den provisorischen Betrieb auf. 1987 stimmten die
Zürcher dem Kulturzentrum Rote Fabrik zu. Heute wird es von 17
Angestellten geführt, von denen mehr als die Hälfte Frauen
sind und die alle für den gleichen Lohn arbeiten. Das Programm
umfasst Musik-, Theater- und Konzeptveranstaltungen. Daneben gibt es
die Bereiche Dock18, Fabrikzeitung, Bewegungsraum, Fabrikvideo. Das
Restaurant Ziegel oh Lac und der Kunstraum Shedhalle sind
eigenständig. Die Rote Fabrik beherbergt 60 Ateliers und sechs
Proberäume. Der finanzielle Aufwand beträgt 3,7 Millionen
Franken pro Jahr bei Subventionen von 2,4 Millionen Franken.
CHRISTOPH BÜRGE
Christoph Bürge (48) war zwischen 1985 und 1987
Mitglied in
der Betriebsgruppe, und da im Bereich Musik tätig. Danacharbeitete
er als Koch-Stagiaire, Aufnahmeleiter und Regieassistent, bevor er 1992
zum Schweizer Fernsehen kam. Es folgten Aufgaben als TV-Manager bei TV
3 und osteuropäischen Privatfernsehstationen. Heute leitet
Bürge eine TV- und New-Media-Produktionsfirma. Für die Fabrik
der Zukunft wünscht er sich "ein nach aussen besser wahrnehmbares
Profil".
RICHARD WOLFF
Richard Wolff (53) war zwischen 1985 und 1987 Mitglied der
Betriebsgruppe, wo er den Bereich Konzept aufbaute. Es folgten drei
Jahre als Vorstandsmitglied. Der Geograf und Stadtsoziologe ist heute
Partner im Inura Zürich Institut für Stadtforschung und
Dozent für Stadtentwicklung an der Zürcher Hochschule
für Angewandte Wissenschaften in Winterthur. Er ist heute noch
Mitglied des Bereichs Konzept und wünscht sich, "dass in der
Fabrik die Selbstverwaltung bestehen bleibt".
Fränzi Keller
Fränzi Keller (29) hat Geschichte und Gender Studies
studiert, bevor sie 2007 Bühnentechnikerin in der Roten Fabrik
wurde. Sie ist Mitglied der Betriebsgruppe und wünscht sich, "dass
die Fabrik ein ort der Experimente bleibt".
---
20 Minuten 16.9.10
Rote Fabrik
Die Rote Fabrik feiert am Wochenende ihr 30-jähriges
Bestehen. Aus diesem Anlass wurden alle Fenster der Fabrik verrammelt.
"30 Jahre sind genug" - die Rote Fabrik mache die Luken dicht, heisst
es auf der Homepage des Kulturlokals. Allerdings gibt es beim
Jubiläumsfestival in der "geschlossenen" Fabrik ein reichhaltiges
Programm.
---
Limmattaler Zeitung 15.9.10
Happy Birthday, Rote Fabrik
Zürichs vielfältiges Kulturzentrum mit Wurzeln
in der
80er-Revolte feiert 30.Geburtstag
Mit einem dreitägigen Fest feiert die Rote Fabrik am
kommenden Wochenende ihr 30-jähriges Bestehen. Ein Rückblick
auf ihre bewegte Geschichte, die erstaunliche Resultate hervorbrachte.
Matthias Scharrer
Eigentlich sollte die Fabrik einem Strassenprojekt
weichen.
Deshalb kaufte die Stadt Zürich Anfang der 1970er-Jahre die
frühere Seidenspinnerei am Seeufer im beschaulichen Stadtteil
Wollishofen. Dann kam jedoch alles ganz anders. Und aus der
Seidenfabrik wurde die Rote Fabrik, die "Mutter aller Kulturzentren",
wie sie Zürichs Ex-Kulturchef Jean-Pierre Hoby im Katalog zur
Jubiläumsausstellung (siehe Fussnote) nennt.
"Die tote Fabrik muss leben"
Doch der Reihe nach. 1973 lancierte die lokale SP eine
Initiative
für den Erhalt der Fabrik. Statt einer Strasse Platz zu machen,
sollte sie zu einem Kulturzentrum werden. Vier Jahre später nahmen
die Stadtzürcher Stimmberechtigten die Vorlage an. Der Stadtrat
hatte es allerdings nicht eilig mit ihrer Umsetzung. Der damalige Stapi
Sigmund Widmer war der Ansicht, Rockmusik sei keine Kultur und brauche
auch keinen Platz in städtischen Institutionen.
Das sah die Zürcher Jugend anders. Räume
für ihre
Kultur, ihre Musik, waren Mangelware. Am 30.Mai 1980 riss ihr der
Geduldsfaden: Es kam zum Opernhauskrawall, der Geburtsstunde der
Zürcher "Bewegung". Steine flogen, und die Polizei prügelte
auf Demonstranten ein. Sie trugen Plakate mit Parolen wie "Lasst uns
die Rote Fabrik" oder "Die tote Fabrik muss leben". "Rock als Revolte"
hiess eine Gruppierung, die die "Bewegung" lancierte, indem sie
Rockkonzerte veranstaltete - auch in der Roten Fabrik.
Sandi Paucic, heute Rektor der F+F Schule für Kunst
und
Mediendesign, beschreibt die damalige Stimmung: "Ich war im
Frühling 1980 als Winterthurer Kantischüler zum ersten Mal
und vor allem zum Zweck in die Rote Fabrik angereist, um mir jene aus
der Nähe anzuschauen, die Zürich zum Brennen gebracht hatten.
Ich erinnere mich an einen von Zigaretten- und Marihuanarauch
vernebelten Abend in düsterer, noch provisorischer Beleuchtung,
jedoch voller aufregender Eindrücke, und mit Musik, die ich im
Winterthurer Jugendhaus noch nie gehört hatte, dazu knisternde
Vollversammlungs-Stimmung. Ich trug das Gefühl nach Hause, man
könne die Welt vielleicht doch verändern."
Ein neues Kulturverständnis
Nun, die Welt veränderten Zürichs Jugendunruhen
nicht.
Dafür halfen sie dem Stadtrat auf die Sprünge, sodass das
Kulturzentrum Rote Fabrik 1980 provisorisch eröffnet wurde. Sieben
Jahre später stimmten die Stadtzürcher in einer weiteren
Abstimmung einem dauerhaften Betrieb zu.
Corine Mauch, heute Stadtpräsidentin von Zürich,
meint
rückblickend: "Die damaligen gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen und die Aufnahme eines Versuchsbetriebs in der
Roten Fabrik markieren das Entstehen eines neuen
Kulturverständnisses." Sie sieht darin "den Beginn einer
Kulturpolitik, die diesen Namen auch verdient".
Heute könnte man die Rote Fabrik als schon beinahe
klassisches Mehrspartenhaus mit den Schwerpunkten Musik, Theater und
Kunst bezeichnen. Und würde ihr damit doch nicht gerecht. Zwar
leistet sie auf diesen Gebieten seit nunmehr drei Jahrzehnten Grosses:
Rockbands wie Nirvana und die Red Hot Chilli Peppers spielten hier,
kurz bevor sie Weltstars wurden. Theatergrössen wie Christoph
Marthaler und Heiner Goebbels inszenierten im Gemäuer aus roten
Ziegeln. Und die Ateliers der Roten Fabrik bilden ein Stück weit
das Rückgrat der Zürcher Kunstszene.
Doch was die Fabrik und ihre Macher speziell macht, ist
gerade
ihr spartenübergreifendes Kulturverständnis.
Geistesgrössen wie Pierre Bourdieu und Noam Chomsky fanden in der
früheren Seidenfabrik, die einst einer Strasse weichen sollten,
ebenso ihr Publikum wie Rock-Bands und Techno-DJs.
Jubiläumsfest mit breit gefächertem Programm
Entsprechend breit gefächert ist das Programm zum
Jubiläumsfest, das am kommenden Wochenende von Freitag bis Sonntag
in der Roten Fabrik steigt. Es reicht von Konzerten über Theater,
Film, Performances und Lesungen bis hin zum Flohmarkt. Happy Birthday,
Rote Fabrik!
Zitate stammen aus dem Ausstellungskatalog
"Jubiläumsmappe
30 Jahre Rote Fabrik - aus dem Druckatelier des Künstlervereins".
Die Ausstellung von Druckgrafiken, die Künstler in Ateliers der
Roten Fabrik zum Jubiläum schufen, läuft noch bis 3.Oktober
im Museum Bärengasse in Zürich.
---
WoZ 16.9.10
Fest
Dreissig Jahre Rote Fabrik
Die Festivitäten zum dreissigjährigen Bestehen
des
Kulturzentrums Rote Fabrik in Zürich werden - in Analogie zum
Alpsegen - mit einem Fabriksegen eröffnet. Hans X. Hagen
verkündet ihn über ein Megafon vom zentralen Hochkamin aus.
Mehr zu reden gab schon im Vorfeld der Slogan "30 Jahre sind genug!",
der aus der Fabrik heraus verbreitet wurde. Er ist nicht ganz ernst zu
nehmen, denn ein weiterer lautet: "Achtung Zukunft!"
Darauf bereiten unter anderen Tim & Puma Mimi vor. Das
Zürich-Tokio-Duo pflegt einen kreativen Dialog auf der
elektronisch-gesanglichen Ebene. Fabienne Hadorn und Gustavo Nanez
lassen den "Zauberer von Oz" als Puppenmusical auferstehen, und die
musikalischen Künstler Ian Anüll, Luigi Archetti und Marc
Zeier sind mit ihrem mobilen Plattenladen unterwegs. Ganz neu in ihrem
Angebot: eine Schallplatte mit frisch montierten akustischen
Impressionen von Soundchecks und Konzerten aus der Fabrikgeschichte.
Das ist aber längst nicht alles. Für weitere
Überraschungen ist gesorgt - und das Jubiläumsprogramm erst
noch gratis zu geniessen. ibo
"30 Jahre sind genug!" in: Zürich Rote Fabrik, Fr,
17., bis
So, 19. September. www.rotefabrik.ch
---
20 Minuten 16.9.10
Rote Fabrik
Die Rote Fabrik feiert am Wochenende ihr 30-jähriges
Bestehen. Aus diesem Anlass wurden alle Fenster der Fabrik verrammelt.
"30 Jahre sind genug" - die Rote Fabrik mache die Luken dicht, heisst
es auf der Homepage des Kulturlokals. Allerdings gibt es beim
Jubiläumsfestival in der "geschlossenen" Fabrik ein reichhaltiges
Programm.
---
Zürichsee-Zeitung 16.9.10
Rote Fabrik Zürichs Kulturzentrum mit Wurzeln in der
1980er-Bewegung feiert den 30. Geburtstag
Erfolgreiche Revolte für die Kultur
Mit einem dreitägigen Fest feiert die Rote Fabrik am
kommenden Wochenende ihr 30-jähriges Bestehen. Ein Rückblick
auf ihre bewegte Geschichte, die erstaunliche Resultate hervorbrachte.
Matthias Scharrer
Eigentlich sollte die Fabrik einem Strassenprojekt
weichen.
Deshalb kaufte die Stadt Zürich Anfang der 1970er-Jahre die
frühere Seidenspinnerei am Seeufer im beschaulichen Stadtteil
Wollishofen. Dann kam jedoch alles ganz anders. Und aus der
Seidenfabrik wurde die Rote Fabrik, die "Mutter aller Kulturzentren",
wie sie Zürichs Ex-Kulturchef Jean-Pierre Hoby im Katalog zur
Jubiläumsausstellung nennt.
Doch der Reihe nach. 1973 lancierte die lokale SP eine
Initiative
für den Erhalt der Fabrik. Statt einer Strasse Platz zu machen,
sollte sie zu einem Kulturzentrum werden. Vier Jahre später nahmen
die Stadtzürcher Stimmberechtigten die Vorlage an. Der Stadtrat
hatte es allerdings nicht eilig mit ihrer Umsetzung. Der damalige Stapi
Sigmund Widmer war der Ansicht, Rockmusik sei keine Kultur und brauche
auch keinen Platz in städtischen Institutionen.
"Die Tote Fabrik muss leben"
Das sah die Zürcher Jugend anders. Räume
für ihre
Kultur, ihre Musik waren Mangelware. Am 30. Mai 1980 riss ihr der
Geduldsfaden: Es kam zum Opernhauskrawall, der Geburtsstunde der
Zürcher "Bewegung". Steine flogen, und die Polizei prügelte
auf Demonstranten ein. Sie trugen Plakate mit Parolen wie "Lasst uns
die Rote Fabrik" oder "Die Tote Fabrik muss leben". "Rock als Revolte"
hiess eine Gruppierung, die die "Bewegung" lancierte, indem sie
Rockkonzerte veranstaltete - auch in der Roten Fabrik.
Ein neues Kulturverständnis
Sandi Paucic, heute Rektor der F+F Schule für Kunst
und
Mediendesign, beschreibt die damalige Stimmung: "Ich war im
Frühling 1980 als Winterthurer Kanti-Schüler zum ersten Mal
und vor allem zum Zweck in die Rote Fabrik angereist, um mir jene aus
der Nähe anzuschauen, die Zürich zum Brennen gebracht hatten.
Ich erinnere mich an einen von Zigaretten- und Marihuanarauch
vernebelten Abend in düsterer, noch provisorischer Beleuchtung,
jedoch voller aufregender Eindrücke und mit Musik, die ich im
Winterthurer Jugendhaus noch nie gehört hatte, dazu knisternde
Vollversammlungs-Stimmung. Ich trug das Gefühl nach Hause, man
könne die Welt vielleicht doch verändern."
Nun, die Welt veränderten Zürichs Jugendunruhen
nicht.
Dafür halfen sie dem Stadtrat auf die Sprünge, sodass das
Kulturzentrum Rote Fabrik 1980 provisorisch eröffnet wurde. Sieben
Jahre später stimmten die Stadtzürcher in einer weiteren
Abstimmung einem dauerhaften Betrieb zu.
Corine Mauch, heute Stadtpräsidentin von Zürich,
meint
rückblickend: "Die damaligen gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen und die Aufnahme eines Versuchsbetriebs in der
Roten Fabrik markieren das Entstehen eines neuen
Kulturverständnisses." Sie sieht darin "den Beginn einer
Kulturpolitik, die diesen Namen auch verdient".
Heute könnte man die Rote Fabrik als schon beinahe
klassisches Mehrspartenhaus mit den Schwerpunkten Musik, Theater und
Kunst bezeichnen. Und würde ihr damit doch nicht gerecht. Zwar
leistet sie auf diesen Gebieten seit nunmehr drei Jahrzehnten Grosses:
Rockbands wie Nirvana und die Red Hot Chilli Peppers spielten hier,
kurz bevor sie Weltstars wurden. Theatergrössen wie Christoph
Marthaler und Heiner Goebbels inszenierten im Gemäuer aus roten
Ziegeln. Und die Ateliers der Roten Fabrik bilden ein Stück weit
das Rückgrat der Zürcher Kunstszene. Doch was die Fabrik und
ihre Macher speziell macht, ist gerade ihr spartenübergreifendes
Kulturverständnis. Geistesgrössen wie Pierre Bourdieu und
Noam Chomsky fanden in der früheren Seidenfabrik, die einst einer
Strasse weichen sollte, ebenso ihr Publikum wie Rockbands und
Techno-DJs.
Breit gefächertes Programm
Entsprechend breit gefächert ist das Programm zum
Jubiläumsfest, das am kommenden Wochenende von Freitag bis Sonntag
in der Roten Fabrik steigt. Es reicht von Konzerten über Theater,
Film, Performances und Lesungen bis hin zum Flohmarkt. Happy Birthday,
Rote Fabrik!
Die Zitate stammen aus dem Ausstellungskatalog
"Jubiläumsmappe 30 Jahre Rote Fabrik".
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BOLLWERK
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Bund 15.9.10
Cinemastar
Aus dem ehemaligen Kino wird kein Kulturlokal
Aus dem ehemaligen Kino Cinemastar am Bollwerk, das Ende
Mai
seine Türen geschlossen hat, wird kein Kulturlokal. Dies hat die
Gruppe Kulturwerk gestern Abend auf Facebook vermeldet. Die
Eigentümer wollten kein Kulturlokal, liessen sie verlauten. Unter
dem Namen Kulturwerk haben sich junge Berner zusammengeschlossen,
welche das ehemalige Quinnie-Kino und die dazugehörige, beliebte
Bar als Kulturlokal erhalten wollten. Aus dem Kinosaal hätte ein
Konzertraum werden sollen. (jäg)
---
BZ 15.9.10
Bollwerk
Neuer Stern am Berner Clubhimmel
Le Ciel öffnet am Bollwerk Ende Oktober die Pforten.
Clubbetreiber Jan Kamarys will internationale Acts nach Bern bringen.
"Adore" und "All Eyes on me" gehören der
Vergangenheit an,
Le Ciel verheisst die Zukunft. Jan Kamarys, der bisher im Du
Théâtre Partys organisierte, eröffnet Ende Oktober am
Bollwerk 31 seinen eigenen Club. Er hat vor, die Szene mit
internationalen Acts für Erwachsene aufzumischen: "Ich
will die Stadt wecken und Stars nach Bern bringen." Zugang hat, wer
21-jährig oder älter ist. Denn für diese Klientel gebe
es zu wenig.
Er muss es wissen. Fünf Jahre lang veranstaltete der
27-jährige Kamarys an der Seite von Remo Neuhaus Partys und half
mit, den Ruf des heutigen "Düdü" aufzubauen. Als Booker hat
er Tamer Atar alias DJ Cut Supreme verpflichtet, der an Partys im
Liquid auflegt. Musikalisch setzt Kamarys auf Vielfalt: House, Rock, R
'n' B werde auf dem Programm stehen.
Die Baubewilligung des Regierungsstatthalteramts
Bern-Mittelland
für die Lounge-Bar liegt seit Anfang dieser Woche vor, wie Kamarys
und das Statthalteramt bestätigen. Der Club werde jeweils
donnerstags, freitags und samstags ab 22.30 bis 3.30 Uhr geöffnet
sein, ergänzt Kamarys. Das zweistöckige Lokal fasst rund 200
Personen. "Klein, aber fein" soll Le Ciel sein.
Kamarys legt in der ehemaligen Bar Bermuda selber Hand an.
Der
Umbau gibt noch einiges zu tun. Bei vielen Geschäftsbetreibern
geniesst das Bollwerk nicht den besten Ruf. Für Kamarys, der in
Seedorf noch einen Fashion Market betreibt, ist der Standort geradezu
ideal: "Parkplätze gibts gleich nebenan, der Bahnhof ist nah und
die Ausgehmeile Aarbergergasse ebenfalls."
cab
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ZAFFARAYA
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BZ 15.9.10
Zaffaraya
Anzeige wäre möglich
Die ausgelassene Party in der alternativen Wohnsiedlung
Zaffaraya
vom 31. Juli könnte ein Nachspiel haben. In der Fragestunde des
Grossen Rates sagte der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg
Käser, die Stadt könnte gegen die Verantwortlichen Anzeige
erstatten. Vonseiten des Kantons sei dies nicht gemacht worden.
Zahlreiche Bewohner aus Bremgarten und Herrenschwanden
hatten
sich über den Lärm beschwert, der vom Zaffaraya-Fest bis in
die frühen Morgenstunden zu hören gewesen war. Das Fest
mittels grossen Polizeieinsatzes zu beenden, wäre aber
unverhältnismässig gewesen, beantwortete Käser eine
entsprechende Anfrage von SVP-Grossrat Thomas Fuchs.
mm
---------------------
RABE-INFO
---------------------
Fr. 17. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_17._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_17._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2017.%20September%202010
- Die Schweiz in der Pflicht: NGOs fordern mehr Effort zum
erreichen
der Milleniumsziele
- Entwicklungshilfe auf Japanisch: mit falschen Versprechen
Migranten
anlocken
- Begleitschutz in Bern: WuShi Kämpfer am Bahnhof
Links:
http://www.alliancesud.ch/de/ep/eza/millenniumsziele-auf-zum-schlusspurt
http://www.tai-chi.ch/deutsch/d_home.html
---
Do. 16. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_16._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_16._September_2010.mp3&song_title=###TITLE###
- Wegweisendes Bundesgerichtsurteil: Transgender Menschen
müssen
nicht mehr zwingend 2 Jahre in Beratung, bevor Krankenkasse
geschlechtsangleichende Operation übernimmt
- Analyse zur Ausschaffungsinitiative: Beobachtungsstelle
für
Asyl- und Ausländer befürchtet Gesetzesverschärfung-
auch beim Gegenvorschlag
- WOZ in neuem Kleid: Überarbeitetes Layout, neue
Blattdramaturgie, mehr Raum für Bilder und Synergien
Links:
http://www.transgender-network.ch
http://www.beobachtungsstelle.ch/fileadmin/user_upload/pdf_divers/Berichte/Analyse%20Initiative_def.pdf
http://www.woz.ch
---
Mi. 15. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2015.%20September%202010
- Boykott von Andersdenkenden - SVP-Politiker will
Geschäfte
strafen, die nicht seine Meinung teilen
- Jeder Mensch ist ein Künstler - Soziale Plastik (Teil 2)
- Sponsorenlauf der anderen Art - Velokuriere radeln für
Afrika
nach Paris
Links:
http://www.soziale-plastik.ch
http://www.baselparissuperschnell.ch
http://www.velosfuerafrika.ch
---------------------------
KINOLEBEN BE
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WoZ 16.9.10
Kino Lichtspiel
Noch surren die Projektoren
Einst wurden hier Kakaobohnen geröstet. Seit zehn
Jahren
stapelt sich im alten Fabrikgebäude in Bern Ausserholligen
Material aus der hundertjährigen Kinogeschichte. Doch die Zukunft
des Kinos Lichtspiel und seiner Filmsammlung ist ungewiss. Von Silvia
Süess (Text) und Ursula Häne (Foto)
"Herzlich willkommen zum ‹Lichtspiel›-Sonntag Nummer 525."
David
Landolf steht vor der Leinwand und begrüsst die
Gäste - wie jeden Sonntagabend seit zehn Jahren im
Kino Lichtspiel. Das Publikum sitzt in orangen Kinosesseln, inmitten
eines grossen Lagerraums, umgeben von Projektoren, Filmrollen, Kameras
und anderen Filmutensilien aus über hundert Jahren Kinogeschichte.
Noch wissen die anwesenden Cinéphilen nicht, was ihnen heute
geboten wird: Der Sonntagabend im "Lichtspiel" ist eine Wundertüte
- aus dem hauseigenen Archiv zeigt Landolf Musikclips, Wochenschauen,
Trailer und Kurzfilme. Nach einer kurzen Einführung ins Programm
des Abends geht Landolf nach hinten im Saal, das Licht geht aus, der
Projektor an, und sein leises Surren füllt den Raum.
Das Kino Lichtspiel in Bern ist einzigartig in der
Schweiz.
Untergebracht ist es in den ehemaligen Lagerhallen der
Schokoladenfabrik Tobler in Bern Ausserholligen. Die Fabrik wurde in
den zwanziger Jahren gebaut und liegt heute zwischen
Bremgartenfriedhof, Güterbahnhof und der städtischen
Kehrichtverbrennungsanlage. Hier wurden bis in die fünfziger Jahre
Kakaobohnen gelagert, später auch geröstet - bis das
Unternehmen in den achtziger Jahren nach Bern Brünnen zog und dann
die Stadt Bern die Liegenschaft übernahm.
Noch heute sticht beim Eintreten der Duft von
geröstetem
Kakao in die Nase, dabei befindet sich hier auf tausend Quadratmetern
inzwischen eine beträchtliche Menge an Material aus der
hundertjährigen Kinogeschichte. Projektoren sind in Reih und Glied
aufgestellt, Filmplakate zieren die Wände, auf Gestellen stapeln
sich Filmrollen - und im hinteren von zwei Räumen hat sich das
Kino eingenistet.
Kurz vor der Räumung gerettet
Tagsüber sind die roten Vorhänge
zurückgezogen,
und die Fensterfront mit Blick auf die Bahngeleise lässt die Sonne
ins Haus. David Landolf steht hinter einer Bar und schaut sich um. Als
er diese Sammlung übernahm, sah es noch ganz anders aus. Hier
hatte der Kinotechniker und Sammler Walter A. Ritschard sein Reich
aufgebaut. Ritschard hatte jahrzehntelang Filmvorführungen
organisiert und Landkinos technisch betreut. 1980 zog der Filmbesessene
mit seinem Material in die Fabrikhallen ein. Als er 1998 starb, hatte
er über 10 000 Objekte gesammelt.
"Ich hatte Ritschard durch meine Arbeit als Operateur im
Kino
Kunstmuseum kennengelernt und war fasziniert von ihm", sagt Landolf.
Der studierte Elektroingenieur ist seit seiner Jugend ein grosser
Filmlieb haber. "Als Ritschard starb, waren die Erben überfordert
mit dem Material. Sie wollten verkaufen, aber es hat sich niemand
dafür interessiert." Da Ritschard seit längerem die Miete
nicht mehr bezahlt hatte, drohte die Räumung, womit das ganze
kulturelle Erbe versteigert oder entsorgt worden wäre - für
Landolf eine Horrorvorstellung. Er nahm mit den Erben und der Stadt
Kontakt auf, unterbreitete ihnen seine Pläne und rettete wenige
Tage vor dem Räumungstermin die Sammlung: Landolf beglich die
Mietschulden und erhielt die Nutzungsrechte für den
Ritschard-Bestand.
Darauf begann die Knochenarbeit: "Gemeinsam mit Freunden
räumten wir drei Monate lang nur auf", sagt Landolf. "Unser Ziel
war es, möglichst schnell ein Kino einzurichten. Das Material war
ja da, und wir wollten die Öffentlichkeit am Ort und an der
Sammlung teilhaben lassen."
Im August 2000 war es so weit: Der erste
"Lichtspiel"-Sonntag
fand statt. Zu sehen war eine kleine Auswahl von jenen Filmen aus
Ritschards Archiv, die das Team um Landolf bereits visioniert hatte.
Die Filmvorführungen am Sonntagabend etablierten sich schnell:
"Die Idee dieses Abends besteht unter anderem darin, dass wir aus
unserem einzigartigen Bestand schöpfen." Seit Landolfs Team das
"Lichtspiel" betreibt, ist der Bestand auf über 14 000 Filmrollen
angewachsen. Firmen und Filmverleiher, aber auch Privatpersonen
übergeben dem "Lichtspiel" Filmrollen. Das Material wird vor Ort
visioniert, in einer öffentlich zugänglichen Datenbank
erfasst und in einem Kühlraum gelagert.
Es gibt viel zu tun im "Lichtspiel", und so surrt der
Projektor
nicht nur am Abend. Auch tagsüber ist hier Hochbetrieb: An einem
Projektor sitzt ein Zivildienstler und visioniert Filme, am Computer
arbeitet eine der wenigen Festangestellten, nimmt Telefone entgegen und
kümmert sich um die Filmprogrammation, einmal pro Woche reparieren
in der Werkstatt vier Pensionierte Filmprojektoren. Zwischendurch
betritt ein Mann das "Lichtspiel", der alte Super-8-Filme auf DVD
überspielt haben möchte.
"Wir sind eine Schnittstelle für alles, was mit
Filmproduktion zu tun hat, und wir haben das Bestreben, alles sicht-
und erlebbar zu machen - den Film selbst wie auch die Technik",
erklärt Landolf.
Oswalt Kolle persönlich
Diese Ambition hat ihren Preis. "Es steckt viel Fronarbeit
im
‹Lichtspiel›", so Landolf. Die Stadt Bern unterstützt die
Institution jährlich mit 30 000 Franken. Ungefähr so viel
beträgt auch die Miete, die an die Stadt bezahlt wird, was das
Ganze zu einem Nullsummenspiel macht. Ausserdem finanziert sich das
"Lichtspiel" über die Kollekten und die Bareinnahmen der
öffentlichen Veranstaltungen, über die Vermietung des Raums
für Privatanlässe und über Mitgliederbeiträge -
seit Herbst 2000 ist das "Lichtspiel" ein Verein.
Trotz der Unterfinanzierung hat Landolf in den zehn Jahren
seine
Leidenschaft für das Projekt nicht verloren. Positive Reaktionen
und schöne Erinnerungen an spezielle Anlässe spornen ihn
immer wieder zum Weiter machen an. Unvergesslich sei zum Beispiel das
Programm mit den Oswalt-Kolle-Filmen im Jahr 2001 gewesen. "Wir hatten
Trailer von Kolles Aufklärungsfilmen aus den sechziger und
siebziger Jahren in unserer Sammlung und kamen so auf die Idee, eine
Filmreihe zu organisieren", so Landolf. Die Reihe wurde ein
Riesenerfolg, das "Lichtspiel" von ZuschauerInnen überrannt - an
einem Abend war Oswalt Kolle sogar persönlich im "Lichtspiel"
anwesend.
Mittlerweile hat das Kino Lichtspiel ein vielfältiges
Filmprogramm, zeigt Filme zur Filmgeschichte, programmiert in
Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Institutionen thematische
Filmreihen und veranstaltet Volkshochschulkurse. Das Angebot ist
variabel - fix ist einzig der Sonntagabend.
Doch auch dieser hat ein Ende. Nach zwei
vierzigminütigen
Filmblöcken verstummt der Projektor, das Licht geht an, die
ZuschauerInnen räkeln sich in den Sesseln. An der Bar trifft man
sich noch, plaudert über den einen oder anderen Kurzfilm, bevor
man sich auf den Heimweg macht.
Vor dem Ausgang steht ein oranger säulenartiger
Apparat mit
Guckloch und der Aufschrift: "Dieser Kinoautomat zeigt Ihnen fremde
Schicksale, ferne Länder, Mensch und Tier, Tagesneuigkeiten etc.,
die mit sprühender Lebendigkeit an Ihrem Auge vor überziehen.
Ein Wurf 20 Cts." Genau das bietet auch das "Lichtspiel" jeden Sonntag.
Wir kommen wieder.
Jeden Sonntag: Filme aus dem Archiv (Bar ab 19 Uhr, Filme
ab 20
Uhr). Sa, 18. September, ab 14 Uhr: Fantoche - Best of for Kids. So,
19. September, 20 Uhr: Lichtspiel-Sonntag Nr. 526.
http://www.lichtspiel.ch
--
"Lichtspiel", wie weiter?
Die Zukunft des "Lichtspiels" ist ungewiss: Im Jahr 2012
wird die
benachbarte Kehrichtverbrennungsanlage geschlossen, und das 22 000
Quadratmeter grosse Fabrikareal, in dem sich das "Lichtspiel" befindet,
wird neu gestaltet.
Die Stadt möchte achtzig Prozent des Areals für
Wohnungen nutzen. Voraussichtlich im Frühling 2011 stimmt das
Stadtberner Stimmvolk über eine Umzonung der Industrie- in eine
Wohnzone ab, danach soll ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben
werden.
Ob die Liegenschaft, in der das "Lichtspiel" untergebracht
ist,
stehen bleibt oder einem Neubau weichen muss, ist noch unklar. Für
das "Lichtspiel" gibt es drei Zukunftsvarianten: Es kann im sanierten
Gebäude bleiben, es wird im Neubau unterkommen - oder es muss ein
neuer Standort gefunden werden.
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BIG BROTHER VIDEO
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BZ 17.9.10
Ein Ja zu Kameras
Ein weiterer Schritt zu Big Brother: Die vorberatende
Kommission
beantragt dem Stadtrat die Annahme des Videoreglements.
Das im vergangenen Juli verabschiedete städtische
Videoreglement gibt dem Berner Gemeinderat das Recht,
Überwachungskameras im öffentlichen Raum zu installieren.
Noch fehlt der Segen des Stadtrates, damit das Reglement in Kraft
tritt. Doch eine erste Hürde hat das von Reto Nauses (CVP)
Sicherheitsdirektion verfasste Papier bereits genommen: Die
vorberatende Kommission für Finanzen, Sicherheit und Umwelt (FSU)
empfiehlt das Reglement zur Annahme. Der Entscheid des Parlaments soll
am 21. Oktober fallen.
Allerdings koppelt die FSU Forderungen an die Zustimmung.
Sie
verlangt vom Gemeinderat einen ersten Evaluationsbericht nach bereits
drei Jahren. Falls die Wirksamkeit der Kameras nicht nachgewiesen wird,
sollen diese entfernt werden. Eine Minderheit der Kommission beantragt,
dass das Parlament über die Überwachungsstandorte
entscheidet. Zudem soll eine Echtzeitüberwachung nur bei
Massenveranstaltungen möglich sein.
tob
---
20 Minuten 17.9.10
Kommission sagt Ja zu Kameras
BERN. Die zuständige Kommission des Stadtrats
empfiehlt dem
Berner Parlament, das geplante Reglement zur Videoüberwachung
anzunehmen. Gleichzeitig beantragt sie jedoch einige Änderungen am
Reglementstext. So verlangen etwa einzelne Mitglieder, dass nicht
einfach der Gemeinderat entscheiden dürfen soll, wo die
Videoanlagen aufgestellt werden, sondern die Parlamentarier. Vorgesehen
im Reglement ist ein Mitspracherecht des Stadtrats erst ab Kosten von
300 000 Franken. Im Text müsse ausserdem stehen, dass
Live-Überwachungen nur bei Massenveranstaltungen möglich sind.
---
Telebärn 16.9.10
Streitpunkt Videoüberwachung
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/streitpunkt-videouberwachung/c=84713&s=1025399
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DEMORECHT BURGDORF
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BZ 15.9.10
Burgdorf
Ein Handbuch für die Sicherheit in der Stadt
Zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt soll Burgdorf
ein
Polizeireglement erhalten. Bald liegt es vor dem Stadtrat.
Die Verantwortlichen der Stadt Burgdorf standen vor einem
Dilemma: Am 8. März 2009 hatte die Partei National Orientierter
Schweizer (Pnos) zu einer grossen Demonstration in die Emmestadt
geladen. Welche Spielregeln bei einem solchen Anlass gelten und wie
dabei Recht und Ordnung durchzusetzen sind - die Linke hatte massiven
Widerstand gegen das Treffen angekündigt -, wusste in Burgdorf
kein Mensch. "Uns fehlt ein Polizeireglement", klagten die
zuständigen Stellen. Dieser Mangel soll behoben werden. Der
Gemeinderat legt dem Parlament am 20. September ein Polizeireglement
zur Genehmigung vor.
"Mehr Transparenz"
Falls der Stadtrat Ja zu der Vorlage sagt, könne der
Gemeinderat "die Transparenz darüber erhöhen, was in der
Stadt unter ‹Sicherheit und Ordnung› zu verstehen ist", schreibt die
Stadtregierung in ihrer Botschaft. Es würde, zum Beispiel,
Klarheit herrschen im Umgang mit "Personengruppen, die in aller
Öffentlichkeit übermässig Alkohol oder Drogen
konsumieren", Fahrenden, die öffentliche Parkflächen ohne
Bewilligung als Standflächen zweckentfremden, oder Jugendliche,
die an öffentlichen Veranstaltungen dem Kampftrinken frönen.
In all diesen Fällen kann die Stadt auch ohne
Reglement
eingreifen. Mit dem 20 Seiten starken Dokument würden die
Massstäbe zum Handeln aber "demokratisch besser abgestützt".
Allen Beteiligten sei zum Vornherein klar, wie sich die Stadt in
welchem Fall verhalten werde.
Kein "neues Recht"
Das Reglement sei auch dazu da, "Wichtiges von Unwichtigem
zu
unterscheiden" und "die Verhältnismässigkeit des
ortspolizeilichen Handelns zu wahren", teilt die Stadt mit. Darum,
"neues Recht" zu schaffen, gehe es nicht. Der Gemeinderat glaubt, dass
das Regelwerk Zuständigkeitsfragen zwischen dem städtischen
Ordnungsdienst und der Kantonspolizei klärt. Seit die Stadtpolizei
in die Kapo integriert wurde, hat der Ordnungsdienst keine
polizeilichen Kompetenzen mehr. Wofür und wie er nun eingesetzt
werden kann: Auch diese Frage soll das Reglement beantworten.
jho
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SECURITAS
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BZ 15.9.10
Berner Wirtschaftstage: Securitas AG
Sicherheit dank schönen Uniformen
Das Berner Bewachungsunternehmen Securitas ist schweizweit
die
Nummer eins. Am Wochenende öffnet es seine Türen.
Stolz posieren die Berner Mitarbeiter der Schweizerischen
Bewachungsgesellschaft im Gründungsjahr 1907 mit dem damaligen
Direktor: Damals wählte Securitas Uniformen aus, die denjenigen
von Polizei und Armee sehr nahekamen. Die Anzüge waren wie heute
blau, und auf der Brust prangte eine Pfeifenschnur, am Gurt hing ein
Bajonett. Im Gründungsjahr zählte die Firma 70 Mitarbeiter,
die pro Monat zwei freie Nächte zugut hatten.
Das rasche Wachstum
Bereits in den Anfangsjahren war das Wachstum unter der
Führung von Verwaltungsratspräsident Jakob Spreng stark: Ein
erster Meilenstein war der Auftrag der SBB, die das Unternehmen mit
nächtlichen Bewachungsaufgaben betrauten. Im Jahr 1914 erhielt das
Unternehmen den Auftrag, die Landesausstellung in Bern zu bewachen.
Das Unternehmen machte sich auch den technischen
Fortschritt
zunutze und gründete 1948 die auf Alarmanlagen spezialisierte
Tochterfirma Securiton. Heute ist Securitas immer noch in den gleichen
Geschäftsfeldern tätig, die Zentrale des Unternehmens
befindet sich indes seit 1967 in Zollikofen. Mittlerweile ist Securitas
zu einem Konzern geworden, der rund 6200 Mitarbeitende beschäftigt
- viele von ihnen in Teilzeit. Im vergangenen Jahr erzielte das
Unternehmen einen Umsatz von 372 Millionen Franken. Geführt wird
die Securitas-Gruppe von Hans Winzenried. Verwaltungsratspräsident
ist Samuel Spreng, ein Grosssohn des Firmengründers.
An den Berner Wirtschaftstagen am kommenden Wochenende
können die Besucher die Einsatzzentrale von Securitas in Bern
besichtigen.
sny
--
Die Berner Wirtschaftstage finden am 17. und 18. September
im
Rahmen des 150-Jahr-Jubiläums des Handels- und Industrievereins
des Kantons Bern statt. Die Firmen, ihre Besuchsangebote und das
Anmeldeformular sind unter www.bernerwirtschaftstage.ch abrufbar. Diese
Zeitung stellt im Vorfeld ausgewählte Firmen vor, die ihre
Türen öffnen.
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PNOS
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Tacheles 17.9.10
PNOS
Sprachrohr der rechten Szene
HANS STUTZ
Am ersten Samstag im September feierte die Partei national
orientierter Schweizer (PNOS) in Biel ihr zehnjähriges Bestehen.
Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg kann sich in der Schweiz eine
rechtsextreme Kleinpartei längere Zeit halten.
Rund 250 Personen füllten am 4. September den Saal
eines
Bieler Restaurants. Sie hörten neben zwei Liedermachern — beide
aus Deutschland - auch zwei Rednern zu, so auch Pascal Trost. Der
Aargauer, einst Mitglied der Freiheitspartei, dann der SVP, nun seit
drei Jahren PNOS-Mitglied, beklagte sich — gemäss des Berichts des
exklusiv zugelassenen Journalisten eines von einem Luzerner
JSVP-Exponenten gegründeten Infoportals —‚ dass er wegen seiner
Kritik am Schächten von "einflussreichen Kreisen als Antisemit"
gebrandmarkt worden sei, Erhellend der Kom~mentar eines deutschen
Kongressbesuchers, wonach "in unserer nationalsozialistischen Ideologie
andere Lebewesen eine wichtige Rolle" spielen würden.
Seit Jahren allerdings versucht die PNOS sich von ihrem
Nazi-Image zu befreien, allerdings ohne nachhaltigen Erfolg. Noch im
Januar 2009 wurden mehrere Mitglieder des PNOS-Bundesvorstands wegen
Rassendiskiminierung verurteilt, dies wegen des Parteiprogramms. Viele
PNOS-Exponenten sind denn auch bereits einschlägig vorbestraft,
auch wegen Angriffen auf missliebige Menschen. Die Partei wurde im
September 2000 von mehreren Exponenten der sogenannten "Blood and
Honour"-Skinheads gegründet und ist seit 2004 im Gemeindeparlament
von Langenthal vertreten. Sie ist heute das politische Sprachrohr der
an sich marginalen Rechtsextremistenszene der Deutschschweiz. Ende 2009
behauptete sie auf ihrer Homepage, sie hätte "mittlerweile
über 300 Mitglieder für die nationale Sache gewinnen
können". Diese Angabe lässt sich nicht überprüfen.
Klar ist aber: Sie hat heute Sektionen in den Kantonen Bern, Basel,
Schwyz und Luzern, dazu noch "Infoportale" im Aargau und im Kanton
Zürich.
Die Partei strebt einen "eidgenössischen Sozialismus"
an und
betont die sozialen Unterschiede in der Schweizer Geselischaft, Sie
kritisiert den Kapitalismus und gibt darauf nationalistische, teils
rassistische Antworten. In ihrem Parteiprogramm fordert sie das Verbot
von "geheimen Logen und Bünden" — bei den Frontisten der
dreissiger Jahre hiess dies Freimaurereiverbot. Sie verlangt die
"Abschaffung aller Parteien", die Einsetzung eines "Staatsoberhauptes",
dessen Stellung "gegenüber dem Bundesrat und dem Parlament
gestärkt" werden müsse. Auch soll die Regierung vom Volk auf
unbestimmte Zeit gewählt werden. Die PNOS schreibt von
"Volksgemeinschaft" und "biologisch gewachsenem Volk", was die Schweiz
allerdings nicht sei. Sie sieht die Schweiz als "kulturelle und
völkische Einheit" und fordert eine "Fremdenpolitik nach
ethnopluralistischen Grundsätzen".
Das bedeutet unter anderem, dass "kulturfremde
Ausländer"
das Bürgerrecht (und damit die politischen Rechte) nur "in
Ausnahmefällen" erhalten könnten. Sie kritisiert die
Menschenrechte als "universalistisch" und als "Ausdruck eines
widernatürlichen Menschheitsbegriffs", da sie "die Existenz von
Völkern und Kulturen" negieren würden. Im Klartext:
Ansichten, wie sie auch andere rechtsextreme Parteien Europas
verbreiten, die PNOS pflegt denn auch regelmässige Kontakte mit
anderen Parteien wie der deutschen NPD.
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SEMPACH
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Wilisauer Bote 17.9.10
Verzicht auf Marsch bleibt umstritten
Schlachtfeier Sempach | Kantonsrat befasst sich erneut mit
der
Neugestaltung
Der Kantonsrat möchte, dass an der Schlachtfeier von
Sempach
weiterhin ein Festzug auf das Schlachtfeld stattfindet, allerdings
nicht zu jedem Preis.
Das Kantonsparlament hat am Dienstag ein Postulat von
Marcel
Omlin (SVP Rothenburg) zur Sempacher Schlachtfeier teilweise
überwiesen. Grundsätzlich stellte sich bis auf die SVP das
Parlament hinter die von der Regierung angestossene Neukonzeption der
Feier. Die Kantonsregierung möchte auf den Marsch verzichten, weil
dieser nur noch unter grossen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt
werden konnte. Stattdessen sollen der Dialog und die Begegnung ins
Zentrum der Feier gestellt werden.
Der Kantonsrat beauftragte nun aber die Regierung, eine
Integration des Marsches in die neue Feier zu prüfen,
äusserte aber gleichzeitig Verständnis für die damit
verbundenen Schwierigkeiten. Heidi Frey-Neuenschwander (CVP, Sempach)
könnte sich deshalb eine neue Art Umzug vorstellen, etwa in Form
eines Sternmarschs.
Postulant Marcel Omlin hatte dem Regierungsrat
vorgeworfen, er
trage die alte Feier zu Grabe und plane einen "Judihui"- und
"Gschpörsch-mi"-Anlass. In dem vorgestellten Grobkonzept habe die
Tradition offenbar keinen Platz mehr. Die Geschichte müsse aber
nicht neu geschrieben werden.
In den letzten Jahren waren an der Schlachtfeier
Rechtsextreme
aufmarschiert, was linke Gegendemonstrationen provozierte. Der
Missbrauch dieses Ereignisses durch extreme Gruppierungen bedingte im
Jahre 2009 einen 300 000 Franken teuren Polizeieinsatz. Dieses Jahr
wurde deshalb statt einer Feier lediglich ein Gedenkgottesdienst
durchgeführt.sda/-art.
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STATISTIK & RASSISMUS
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WoZ 16.9.10
Und ausserdem
Der Afrikaner an und für sich
Von Dinu Gautier
Sie, Katia Murmann, sind Redaktorin des "Sonntags" und
haben eine
Rangliste unter dem Titel "Afrikaner sind die kriminellsten
Ausländer" veröffentlicht. Sie schlüsseln nach
Nationalität auf, wen die Polizei beschuldigt, gegen das
Strafgesetzbuch verstossen zu haben. Berücksichtigt werden 18- bis
34-jährige Männer. Der Lead Ihres Artikels lautet: "Neue
Statistik zeigt: Bürger von Angola, Nigeria und Algerien begehen
hierzulande bis zu sechsmal mehr Verbrechen als Schweizer." Erst im
Text erfährt man, dass es um relative Zahlen geht. Die absoluten
Zahlen sind weit weniger schlagzeilenträchtig: Insgesamt 190
Tatverdächtigen aus den drei Ländern stehen 11 777 aus der
Schweiz gegenüber.
"Nur wenn alle Fakten auf den Tisch kommen, kann nach
Lösungen gesucht werden", kommentieren Sie. Mal abgesehen davon,
dass Sie keine Anhaltspunkte für Problemursachen liefern (und die
zu kennen, wäre ja die Voraussetzung für eine
Lösungsfindung), ist das so eine Sache, welche Fakten man wie auf
Tische legt. So unterschlagen Sie, dass es sich hier um eine reine
Verdachtsstatistik handelt, die die Polizei "nach eigenem Ermessen"
führt, die also lediglich beweist, wen die Polizei für
Täter hält. Des Weiteren schreiben Sie wiederholt von durch
Ausländer begangene "Verbrechen". Verbrechen sind laut Gesetz
"Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind".
Ihre Tabelle listet aber alle Widerhandlungen gegen das Strafgesetzbuch
auf. Ähnlich suggestiv die Beispiele, die Sie kommentierend
für das "Problem mit kriminellen Afrikanern" heranziehen: Raub,
Körperverletzung und Vergewaltigung. Tatsächlich aber machen
allein die Diebstähle in der Kriminalstatistik das Siebzehnfache
der von Ihnen erwähnten drei Beispiele aus.
Ist es Ihnen, Frau Murmann, ob solch vielfältiger
Zuspitzungs- und Suggestionsmöglichkeiten im Umgang mit Zahlen
möglicherweise selber etwas ungemütlich geworden? "Auf keinen
Fall darf die Veröffentlichung der Statistik dazu führen,
dass alle Afrikaner hierzulande unter Generalverdacht stehen und ihnen
mit Misstrauen begegnet wird", raten Sie Ihren LeserInnen zum Schluss.
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DROGEN
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NZZ 17.9.10
Noch ein Weiterzug gegen die Anlaufstelle
Endlose Geschichte in Winterthur
flo. · Im Kampf gegen den Volksentscheid zur
Verlegung der
Winterthurer Anlaufstelle für Randständige an die
Zeughausstrasse lassen Exponenten des Quartiervereins
Wildbach-Langgasse kein Rechtsmittel aus. Sie ziehen eine Beschwerde
gegen die Gestaltung der städtischen Abstimmungszeitung vom
letzten November ans Bundesgericht weiter, wie dem "Landboten" vom
Donnerstag zu entnehmen ist. In dieser Sache haben sie bereits beim
Bezirksrat und anschliessend beim Verwaltungsgericht verloren. Parallel
dazu sind die Gegner des Anlaufstellen-Umzugs noch in ein weiteres
Rechtsverfahren involviert. Nachdem sie mit einer Einsprache gegen die
Baubewilligung bei der Baurekurskommission gescheitert waren, zogen sie
deren Entscheid vor wenigen Tagen ans Verwaltungsgericht weiter.
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Zürichsee-Zeitung 17.9.10
Anwohner vor Bundesgericht
Winterthur. Die Stadt Winterthur wird ihre
Drogen-Anlaufstelle
wohl so bald nicht an den neuen Standort verlegen können: Anwohner
wollen vor Bundesgericht die Abstimmung vom November 2009 für
ungültig erklären lassen. Deren Ansicht nach waren die
Abstimmungsunterlagen irreführend und fehlerhaft.
---
Freiburger Nachrichten 16.9.10
"Habe Sehnsucht, an der Gefahr zu lecken"
Michelle Nahlik war ein Teenager, dem alles gelang: Sie
schrieb
gute Noten, hatte Erfolg im Sport, war beliebt - und doch
verspürte sie eine innere Leere. Sie betäubte dieses
Gefühl mit Heroin. Nun hat sie ein Buch über ihre Zeit in der
Szene und ihren Ausstieg veröffentlicht.
Nicole Jegerlehner
Im Blutabnehmen ist die bio-medizinische Analytikerin
einsame
Spitze: Michelle Nahlik findet jede Vene auf Anhieb. "Das ist
wenigstens eine positive Folge meiner Drogenabhängigkeit." Die
38-Jährige erzählt in ihrem Buch (siehe Kasten), wie sie mit
17 Jahren zum ersten Mal Heroin spritzte - und wie sie danach das
Gefühl "dieser inneren Umarmung" immer wieder suchte. Seit gut
vierzehn Jahren hat sie nie mehr Heroin auf einem Löffel erhitzt,
um die Flüssigkeit danach mit der Spritze direkt in die Venen zu
schicken. Und trotzdem steigen noch heute sofort Bilder aus ihrer
Drogenzeit in ihr auf, wenn sie verbranntes Metall riecht.
"Nie wieder"
"Die Erinnerungen kommen hoch - aber sie wecken in mir
keine Lust
auf Drogen mehr." Heute hat Michelle Nahlik genügend Abstand zu
dieser dunklen Zeit, um zu wissen: "Nie wieder setze ich mir einen
Schuss." Diese Distanz hat ihr auch ermöglicht, das Buch über
ihre Heroinabhängigkeit zu schreiben.
Sie hatte ihre zwanzig Tagebücher mit dicht
beschriebenen
Seiten aus diesen acht Jahren wieder hervorgeholt. In jedem steht auf
der ersten Seite, dass nur sie dieses Buch lesen darf: "Diese Dinge
gehen niemanden etwas an." Auch falls sie sterben sollte, dürfe
niemand die Einträge lesen.
Ständig am Schreiben
"Ich will nie mehr Sugar nehmen. Ich fühle mich
beschissen,
schuldig, mies": das hat sie 1992 auf einem Zettel notiert und ihn
später ins Tagebuch gelegt. Michelle Nahlik hat ständig und
überall ihre Gefühle niedergeschrieben - auch wenn sie
kotzend in der Wohnung eines Junkies lag.
"Es hat lange gedauert, bis ich mit Hilfe den
Tagebucheinträge ein Buch schreiben konnte." Zwei Jahre lang hat
sie daran geschrieben, und immer wieder "emotionale Pausen" eingelegt:
Zu nahe gingen ihr die Gefühle, die ihr aus den Tagebuchseiten
entgegenschlugen. Um Distanz zu halten, benutzt sie im Buch einen
anderen Namen: Sie nennt sich Luana.
Jetzt, nach der Veröffentlichung des Buches,
fühlt sie
sich befreit. "Das allerletzte Geheimnis ist in die Freiheit gerannt",
sagt sie. Bis vor kurzem wussten nur ihre Eltern und Geschwister und
drei Freunde von ihrer früheren Abhängigkeit. "Das war auch
belastend - ich hatte immer Angst davor, dass jemand meine
Vergangenheit entdeckt und mich abstempelt."
Angst vor Reaktionen
Als der Blick im März kurz vor dem Erscheinen des
Buchs
über sie berichtete, getraute sie sich fast nicht an ihren
Arbeitsplatz, ins Labor im Spital Tafers: "Ich hatte Angst, dass die
Leute mich anders anschauen." Doch bisher hat sie nur positive
Reaktionen erhalten: Viele gratulierten ihr zu ihrem Mut und dazu, dass
sie den Ausstieg geschafft hat. "Und wenn nur ein Jugendlicher durch
mein Buch davon abgehalten wird, Drogen zu nehmen, habe ich mein Ziel
erreicht."
Die innere Umarmung
Michelle Nahlik gelang als Jugendliche alles: Sie hatte
gute
Noten, war bei den Kolleginnen beliebt, trieb erfolgreich Sport - und
doch verspürte sie eine innere Leere. "Ich habe Sehnsucht, an der
Gefahr zu lecken", vertraute sie als 17-Jährige ihrem Tagebuch an.
Und das tat sie auch: Als ein Dealer sie im Zug ansprach, folgte sie
ihm - und liess sich Heroin spritzen. Und sehnte sich danach immer
wieder nach diesem Gefühl der inneren Umarmung, Wärme und
Unverletzlichkeit. Auch wenn die Zeit zwischen zwei Flashs eine harte
war.
"Ich bin die Nächste"
Als Michelle Nahlik 21-jährig war, starb ihre beste
Freundin
an einer Überdosis Heroin. "Ich wusste: Ich bin die Nächste,
die stirbt." Einmal mehr wollte sie raus aus den Drogen - und diesmal
stand ihr ein alter Freund bei, der selber keine Drogen nahm. Michael
hat die Süchtige bei sich aufgenommen, hat den kalten Entzug mit
ihr durchlitten. Zusammen ist das Liebespaar nach Zürich gezogen.
Michelle Nahlik begann dort die Ausbildung zur medizinischen
Laborantin. Und schwitzte Blut, als die Studentinnen bei der
Hämatologielehrerin lernen sollten, Blut zu entnehmen. "Mir war,
als würde die Lehrerin sofort sehen, dass ich ein Ex-Junkie bin."
Doch nein - die Lehrerin lobte sie als Naturtalent.
"Ich fühle mich so leer"
In Zürich stürzte Michelle Nahlik noch einmal
ab.
"Egal, wie dreckig es mir danach geht und wie viel ich mich
übergebe, ich habe immer Lust darauf!!! Ich fühle mich so
leer!" schrieb sie in ihr Tagebuch. Als Michael sie verlässt,
spritzt sie sich eine Überdosis und landet im Spital. Dies ist der
Wendepunkt: Sie beschliesst, nach der Diplomverleihung alleine zu
verreisen. Dort, in der Wüste am Roten Meer, lernt sie das
arabische Wort Maktub kennen: Es steht für Schicksal. Oder auch:
"Alles, was geschehen wird, steht bereits in einem Buch geschrieben."
So empfindet Michelle Nahlik ihr Leben: Als eine vom Schicksal
besiegelte Verkettung.
"Hier nie abgestürzt"
"Ich bin aber selber dafür verantwortlich, dass ich
heroinabhängig wurde." Nach ihren Reisen entschied sie sich
bewusst für eine Arbeitsstelle ausserhalb von Thun, Bern und
Zürich - dort hätte zu viel sie an ihre Drogenzeit erinnert.
Heute lebt Michelle Nahlik in Villars-sur-Glâne und fühlt
sich wohl im Kanton Freiburg. "Freiburg ist die Stadt, in der ich nie
abgestürzt bin."
--
Das Buch: Mitten aus dem Leben eines süchtigen
Teenagers
Alles läuft wie am Schnürchen in Michelle
Nahliks
Leben: Sie schreibt gute Schulnoten, ist bei den Mitschülern
beliebt, bereitet ihren Eltern keine Probleme. Doch sie fühlt sich
nicht wohl in ihrer Haut, hört innere Schreie, die sie nicht
deuten kann. "Ich will raus aus meiner Haut!", schreibt sie in ihr
Tagebuch.
Und das macht die 17-Jährige: Was mit Schwänzen
und
einigen Haschzigaretten beginnt, endet in der Thuner und Berner
Drogenszene. Michelle ist süchtig nach Heroin. Die heute
38-Jährige erzählt in ihrem Buch "Das Maktub von Luana.
Sugar", wie sie als Teenager in die Sucht abglitt - und auch, wie sie
den Schritt aus der Drogenszene wieder schaffte.
Immer wieder zitiert sie aus ihren Tagebüchern, aus
denen
die seelische Not des Mädchens schreit. Die Leserinnen und Leser
bleiben manchmal etwas ratlos, weil das Umfeld die Drogensucht nicht
entdeckt - und auch ob der Naivität des Teenagers, der sich immer
wieder in bedrohliche Situationen bringt. Das ist vielleicht das, was
das Buch ausmacht: Es zeigt, wie verletzlich Jugendliche sind - und wie
schnell sie sich der Welt der Erwachsenen entziehen können. njb
Das Buch: Michelle Nahlik: "Das Maktub von Luana. Sugar.
Ein
Tagebuch". Erschienen 2010 beim Verlag elfundzehn; 268 Seiten, 36
Franken.
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Aargauer Zeitung 16.9.10
"Black Jesus" und das Kokain
Die "Holderbank-Connection" und andere Drogenbanden
beschäftigen Polizei und Justiz
Michael Spillmann
Sie wechseln ständig ihre Handys, ihre Gespräche
führen sie in der Igbo-Sprache und benützen für
Drogenbestellungen unverdächtige Ausdrücke wie "Filme" oder
"Mützen": Die Nigerianer dominieren den Kokainhandel - auch im
Aargau.
Ermittler und Justiz führen - nicht erst seit Beginn
der
landesweiten Operation "Cola" - einen aufwändigen und teuren
Kleinkrieg gegen die flexiblen Kokainnetzwerke. Die Fälle sind
meist kantonsübergreifend. Ist ein Dealer gefasst, dann rückt
der nächste nach. Steht ein Mitglied vor Gericht, stehen bereits
weitere Fälle in der Warteschlaufe.
So hatte das Bezirksgericht Lenzburg Anfang September
einen 23
Bundesordner umfassenden Fall von "Drahtziehern" behandelt. Die Richter
verurteilten schliesslich zwei Männer und eine Frau zu
mehrjährigen Freiheitsstrafen. Doch heute steht in Lenzburg
bereits der nächste Fall auf der Traktandenliste: Ein
27-jähriger Nigerianer muss sich wegen mehrfacher Widerhandlung
gegen das Betäubungsmittelgesetz verantworten.
Tarnen und verschleiern
Der Staatsanwalt fordert sieben Jahre Freiheitsstrafe. Der
Mann,
der zur "Holderbank-Connection" der dortigen Asylunterkunft
gehören soll, sitzt bereits seit Oktober 2008 hinter Gittern.
Die Anklage zeigt auf, wie der Nigerianer von der
Asylunterkunft
aus im Land herumreiste: nach Olten, nach Freiburg oder nach Bern, wo
er jeweils Kokain im Wert von mehreren tausend Franken umgeschlagen
haben soll.
Dank Telefonüberwachungen konnten die Ermittler
einige
Telefonate abhören. Seine Verbindungsleute trugen Tarnnamen wie
"Fernando", "Mazi" oder "Black Jesus". Wobei der Name "Black Jesus",
der schwarze Jesus, immer wieder fällt. Ob es sich dabei um einen
"dicken Fisch", einen Grosshändler, handelt oder nur um ein
Hirngespinst, um die Hintermänner zu schützen, konnte bislang
noch nicht beantwortet werden.
Ein Kilo Kokain geschluckt
Wie die Netzwerke aus Grosshändlern, die meist in
Holland
oder Spanien aktiv sind, Zwischen- und Strassenhändlern
funktionieren, zeigt sich auch bei der "Holderbank-Connection". Bereits
im Sommer 2009 war der Polizei ein Fang gelungen, als die Ermittler von
einer grösseren Kokainlieferung Wind bekommen hatten.
Rund ein Kilogramm Kokain sollte per Kurier - geschluckt
in Form
von 79 Fingerlingen - nach Holderbank gelangen. Der "Bodypacker" flog
von Malaga nach Paris, von dort reiste er mit dem Zug nach Bern. Ein
Asylbewerber der "Holderbank-Connection" sollte ihn in den Aargau
schleusen. Dort wäre der Stoff an die Strassenhändler
verkauft worden. Doch die Polizei war ihnen auf der Spur, in Brugg
klickten die Handschellen.
Michael Perler, der Chef der Bundeskriminalpolizei,
verglich den
Kampf gegen die Kokainhändler letzte Woche mit einer Pfütze.
"Wenn man den Fuss rausnimmt, fliesst das Wasser wieder zurück",
sagte er. Dies, da vor allem im unteren Teil der Hierarchie oft
Asylbewerber dealten, die auf ihre Ausweisung warten.
Jahrelang Doppelleben geführt
Es geht aber auch anders: Vor dem Bezirksgericht Aarau
stand
unlängst ein 36-jähriger Schweizer nigerianischer Herkunft.
Er, der vor zwölf Jahren eine Schweizerin geheiratet und mit ihr
in der Region gewohnt hatte, führte offenbar während Jahren
ein Doppelleben. Wie dem Urteil der Richter zu entnehmen ist, mischte
er neben seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter im grossen Stil im
Kokainhandel mit. Seiner Schweizer Frau gab er an, die unzähligen
Treffen und Telefonate mit Landsmännern hätten mit seiner
Tätigkeit im Autoexport zu tun.
Um einen Einzelfall handelt es sich dabei nicht. Der
zuständige Aarauer Bezirksamtmann Dieter Gautschi ermittelt
bereits gegen einen inhaftierten 34-jährigen Schweizer
westafrikanischer Herkunft.
"Ein schwerwiegender Fall", sagt Dieter Gautschi. Die
Kosten
für Dolmetscher und Telefonüberwachung hätten bereits
"viel Geld" verschlungen, die Untersuchung gestalte sich aufwändig.
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Landbote 16.9.10
Die Drogenhändler tricksen Polizei aus
Marisa Eggli
Winterthur - Die afrikanischen Drogenhändler, die im
Stadtpark Kokain verkaufen, wechseln immer wieder ihre Rollen und
kennen keine Hierarchien. Auch deshalb sei es sehr schwierig, einem
Einzelnen den Handel nachzuweisen, sagt Fritz Lehmann, Kommandant der
Winterthurer Stadtpolizei. Zudem sind die Händler gut organisiert
("Landbote" von gestern) und gewieft. So wissen sie beispielsweise
genau, wie sie Passanten gegen Polizisten aufbringen können, die
sie kontrollieren wollen: Sie schreien laut und beschuldigen die
Beamten, Rassisten zu sein. (meg)lSeite 11
--
"Banker kaufen kaum im Stadtpark"
Marisa Eggli
Die afrikanischen Drogenhändler, die sich seit drei
Monaten
im Stadtpark ausbreiten, verkaufen kleine Kokainkugeln. Ihre Kunden
seien Süchtige, die oft ganz verschiedene Drogen konsumierten,
sagt Polizeikommandant Fritz Lehmann.
Im Stadtpark floriert seit einigen Wochen ein neuer
Kokainhandel.
Warum löst ihn die Polizei nicht einfach auf?
Fritz Lehmann: Das können wir nicht. Für uns ist
vor
allem schwierig, dass wir das Netz dieser neuen Drogenhändler
nicht richtig erfassen und es folglich nicht zerstören können.
Weshalb?
Die Händler sind sehr flexibel und schlüpfen
ständig in neue Rollen. Mal ist einer Verkäufer, mal
Verteiler, mal Kassierer oder ganz einfach der Aufpasser, der vor den
Stadtpolizisten warnt. Es gibt unter diesen Händlern keine
Hierarchie mit einem klassischen Anführer, der seine Leute
dirigiert und die Fäden zusammenhält. Zudem schützen sie
sich sehr gut.
Schützen?
Sie haben viele Tricks auf Lager. Wenn sie zum Beispiel
von einer
Patrouille kontrolliert werden, kann es gut sein, dass einer laut zu
schreien anfängt. Er wehrt sich und beschimpft die
Stadtpolizisten, Rassisten zu sein. Gerade kürzlich hatten wir so
einen Fall am Bahnhof. Wir hatten einen Händler bereits eine Weile
beobachtet, wollten ihn kontrollieren und er schrie los.
Polizisten haben doch eine dicke Haut, das sollten sie
wegstecken
können.
Das Problem ist ein anderes. Wegen der Schreie und
Beschimpfungen
solidarisieren sich Passantinnen und Passanten mit den Afrikanern und
machen der Polizei die Arbeit schwer. Manchmal wird die Menge sogar
handgreiflich. Das stresst meine Leute sehr.
Personenkontrollen sind also schwierig. Was bleibt der
Polizei?
Nachdem uns das Bundesgericht diesen Frühling das
verdeckte
Ermitteln mit einem Urteil erschwert hat, arbeiten wir vermehrt mit
Druck. Wir tauchen immer wieder im Stadtpark auf, in Uniform oder
zivil, und wir beobachten den Handel von nah und fern. Wir wechseln
unsere Taktik ständig, weil auch die Händler ihre Strategie
laufend anpassen. Meine Ermittler beschäftigen sich also intensiv
mit dem Geschehen im Stadtpark.
Mit Erfolg?
Verdecktes Ermitteln wäre uns tatsächlich
lieber. So
müssen wir die Drogenhändler eigentlich in flagranti
erwischen, sonst kann man ihnen gar keine strafbare Handlung nachweisen.
Dafür muss man die Verdächtigen einfach lange
genug
beobachten.
Da sind wir schon beim nächsten Problem. Die
Drogenhändler wechseln nämlich immer wieder die Ortschaft.
Wir hatten schon Leute kontrolliert, die in Martigny oder
Delémont im Durchgangszentrum wohnen. Andere verkaufen mal in
Frauenfeld, mal in Winterthur oder St. Gallen.
Wenn es schwierig ist, die Händler zu kriegen, kann
man
nicht einfach die Käufer von ihnen fernhalten?
Das ist der Weg, der uns schliesslich bleibt. Aber wenn
wir einen
Süchtigen büssen, bestrafen wir in diesem Fall eigentlich den
Falschen und einen, der die Busse wahrscheinlich eh nicht zahlen kann.
Das ist eine weitere negative Folge des Bundesgerichtsurteils.
Wer sind denn diese Süchtigen?
Es sind sicher keine Banker, sondern Drogenkonsumenten,
die
Verschiedenes nehmen. Also beispielsweise kaufen sie eine Kugel Kokain
und spülen diese mit einer halben Flasche Wodka hinunter. Die
afrikanischen Händler bedienen den untersten Markt und verkaufen
meist bloss kleine Mengen.
Selbst konsumieren die Händler nicht?
Nein. Sie handeln nicht, um sich selbst Drogen leisten zu
können, sondern um Geld zu verdienen.
Kann ich mich im Park sicher fühlen?
Ja. Momentan verhalten sich die Drogenhändler nicht
aggressiv oder gar gewalttätig. lINTERVIEW: MARISA EGGLI
---
Weltwoche 16.9.10
Geschichten
Schnee aus Schwarzafrika
Die meisten Drogendealer in der Schweiz stammen aus
Nigeria.
Kriminelle Gruppen verfügen über langjährige Erfahrung
im internationalen Schmuggelgeschäft. Durch den steigenden
Kokainkonsum in Europa gewinnt Westafrika an Bedeutung als
Transitregion.
Von Kurt Pelda
Der 52-jährige Politiker Eme Zuru Ayortor brauchte
Geld,
denn er wollte ins Regionalparlament des nigerianischen Teilstaats Edo
einziehen. Darum schluckte der in den USA ausgebildete Pharmazeut
hundert Fingerlinge mit rund zwei Kilogramm Kokain. Er wollte das
weisse Pulver nach Deutschland schmuggeln. Dank seines Status hoffte er
die Kontrollen am Flughafen von Lagos umgehen zu können. Doch ein
Körperscanner setzte dem Traum vom schnellen Geld ein Ende. Unter
den Augen nigerianischer Drogenfahnder musste der Politiker die
Drogenbällchen auf der Toilette ausscheiden und wanderte dann ins
Gefängnis.
Die Episode zeigt, dass in Nigeria nicht nur arme Teufel
in die
Fänge der Narko-Mafia geraten. Der Staat, der zu den korruptesten
in Schwarzafrika zählt, ist von kriminellen Organisationen
unterwandert. Drogen stellen dabei nur einen Teil der
Untergrundwirtschaft dar. Stark sind nigerianische Netzwerke auch im
Diebstahl und im illegalen Export von Erdöl, bei
Finanzbetrügereien rund um den Globus und im Handel mit
Wirtschaftsflüchtlingen und Prostituierten. In der Schweizer
Kokainszene haben Banden aus der Dominikanischen Republik und aus
Westafrika die Nase vorne, wobei Nigerianer unter den Afrikanern
dominant sind, wie das Bundesamt für Polizei kürzlich
mitteilte.
Ähnlich verhält es sich beim organisierten
Verbrechen
in den USA: Von den Organisationen aus Afrika seien die nigerianischen
am wichtigsten, heisst es beim amerikanischen Federal Bureau of
Investigation (FBI). Am meisten Geld verdienten die nigerianischen
Netzwerke mit dem Heroin- und Kokainhandel. Sie gehörten weltweit
zu den aggressivsten und am schnellsten expandierenden kriminellen
Gruppen und operierten inzwischen in rund achtzig Ländern.
Das ist kein Zufall. Gründe für die
überragende
Rolle von Nigerianern im europäischen Kokainhandel gibt es viele:
Seit längerem zeichnet sich eine Trendwende beim Kokainmissbrauch
ab. Während die Bedeutung des US-Markts für die
südamerikanische Narko-Mafia abnimmt, legt der Konsum in Europa
zu. Damit ist eine Verlagerung der Schmuggelrouten verbunden. Ein immer
grösserer Teil des weissen Pulvers gelangt statt über den
zunehmend riskanten direkten Weg über den Atlantik mit Schiffen
und Flugzeugen zuerst nach Westafrika, wo die Drogen umgepackt und
zwischengelagert werden. Im November vor einem Jahr flog eine Boeing
727 mehrere Tonnen Kokain nach Mali, wo die Maschine auf einer
improvisierten Landepiste in der Sahara aufsetzte.
Geländefahrzeuge mit bewaffneten Eskorten brachten den Schnee
durch die Wüste nach Nordafrika, wo er dann in für Europa
bestimmten Schiffscontainern versteckt wurde.
Mit seinen schätzungsweise 150 Millionen Einwohnern
ist
Nigeria das mit Abstand bevölkerungsreichste Land des Kontinents
und die wirtschaftliche Drehscheibe Westafrikas. Nigeria ist nicht nur
einer der grössten Can- nabis-Produzenten des Kontinents, sondern
nimmt laut dem United Nations Office on Drugs and Crime auch beim
Opiat-Missbrauch einen Spitzenplatz innerhalb Afrikas ein.
Kooperation mit Kolumbianern
Nigerias Rolle als Transitland für Kokain und Heroin
geht
auf die starke Diaspora und den wachsenden Auswanderungsdruck nach dem
Ende des Erdölbooms in den achtziger Jahren zurück. Die
Schweizer Ermittlungsbehörden geben Unsummen dafür aus, um
mitgeschnittene Telefongespräche von Dealern nigerianischer
Herkunft aus der Igbo-Sprache übersetzen zu lassen. Die Igbo aber
sind schon seit vierzig Jahren ein Auswanderungsvolk. Das erklärt
sich aus dem Biafra-Krieg im Südosten Nigerias. Nachdem der
Sezessionskrieg 1970 verloren worden war, emigrierten viele Igbo,
Biafras dominierende Ethnie.
Die nigerianische Diaspora in Europa, Nordamerika und
Asien hat
die Ausbreitung krimineller nigerianischer Netzwerke begünstigt.
So haben sich nigerianische Narko-Gangs, gemäss Angaben des FBI,
in Indien, Pakistan und Thailand den Zugang zu etwa neunzig Prozent der
weltweiten Heroinproduktion verschafft. Bevor die nigerianische Mafia
mit Kokain zu handeln begann, hatte sie also Erfahrungen mit dem
Heroinschmuggel gesammelt. Einen Brückenkopf für die
Netzwerke stellte dabei die Diaspora in Westafrika dar, denn viele
Drogenkuriere gelangen indirekt über andere westafrikanische
Staaten nach Europa.
Die immer grössere Zahl nigerianischer
Geschäftsleute
und Verbrecher entlang der westafrikanischen Küste war denn auch
einer der Gründe, warum die südamerikanische Kokainmafia mit
diesen gemeinsame Sache zu machen begann: Die Kolumbianer stützten
sich einfach auf die bereits lokal vorhandenen kriminellen Netzwerke.
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Landbote 15.9.10
Drogenhändler setzen sich im Stadtpark fest
Marisa Eggli
Direkt neben dem Sommertheater floriert seit rund drei
Monaten
ein neuer Drogenhandel. Laut Polizeistadtrat Michael Künzle (CVP)
verkaufen die Händler dort Kokain, arbeiten unauffällig und
sind "sehr gut organisiert".
winterthur - Der Drogenhandel, der sich seit dem
Frühsommer
im Stadtpark ausbreitet, "hat eine neue Dimension", sagt
Polizeistadtrat Michael Künzle: "Die Händler stammen meist
aus Afrika, sind gut vernetzt und arbeiten so unverdächtig wie
möglich." Um den Schein zu wahren, wird beispielsweise eine ganze
Familie mit dem Handel beschäftigt: Während der Vater mit dem
Kleinen auf der Wiese Fussball spielt, wird er beiläufig
angesprochen und kassiert Geld, dann schickt er den Käufer zur
Frau, die das Kokain aushändigt. Gehandelt werde am helllichten
Tag, bevorzugt am Nachmittag und frühen Abend. Und: Die
Händler warnen einander, sobald die Polizei im Stadtpark auftaucht.
Die neuen Drogenhändler hätten nichts mit der
Szene zu
tun, die sich früher beim Musikpavillon befand, so Künzle.
Diese habe sich nach der Auflösung im April 2008 zerstückelt.
Einige der ehemaligen Pavillonbesucher hätten sich in ihre
Wohnungen zurückgezogen und handelten vereinzelt in Stadtbussen.
Die Alkoholiker hingegen sitzen am Hauptbahnhof. "Gegen sie haben wir
nichts in der Hand."
Auch gegen die gewieften Kokainhändler im Stadtpark
kann die
Polizei weniger tun, als sie möchte. Nachdem das Bundesgericht im
März 2010 die Anforderungen für verdecktes Ermitteln
erhöht hat, müssen Polizisten meist offiziell auftreten. "Das
erschwert unsere Arbeit." Künzle setzt deshalb vor allem auf
häufige Personenkontrollen und das Beobachten des Treibens. Zudem
will er erreichen, dass sich Asylsuchende nicht mehr so weit von ihren
Durchgangszentren entfernen dürfen. "Dann kommen sie auch nicht
nach Winterthur."
Beobachtet wird der rege Handel im Park nicht nur von der
Polizei. Auch Sommertheater-Direktor Hans Heinrich Rüegg
stört sich daran und klagt über Probleme während der
grade abgeschlossenen Saison. (meg)lSeite 16
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NZZ 15.9.10
Neue Regeln für den Rausch
Bund erarbeitet Plan für umfassende Drogendebatte -
theoretische Einbettung umstrittener Verbote
Das Bundesamt für Gesundheit gleist eine neue
Suchtdebatte
auf, aus der auch neue Verbote resultieren könnten. Offen bleibt
die Frage der Liberalisierung von Cannabis.
Davide Scruzzi
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will in den
nächsten
Jahren einen umfassenden Meinungsbildungsprozess in der Drogenpolitik
"anstossen und moderieren". Im Frühjahr soll Bundesrat Didier
Burkhalter das genaue Vorgehen unterbreitet werden. Ziel von Markus
Jann, Chef der Sektion Drogen beim BAG, ist es, dass nun "der Funke"
nicht nur auf Suchtexperten, sondern auch auf andere wichtige
Politikbereiche wie Bildung und Wirtschaft überspringt, wie es in
der neuen Nummer der BAG-Fachpublikation "Spectra" heisst.
Fragwürdige Hanf-Regelung
Eine neue Runde im Meinungsbildungsprozess ist auch
nötig:
In den vergangenen Jahren hat sich hierzulande die Meinung von Experten
von den politischen Entscheidungen stark unterschieden. So
plädiert etwa die Eidgenössische Kommission für
Drogenfragen (EKDF) seit Jahren für eine Liberalisierung des
Cannabiskonsums, während dieser Prozess im Parlament 2004 gestoppt
wurde und die Hanfinitiative 2008 beim Volk durchfiel. Beim BAG betont
man, dass die neue Debatte ergebnisoffen geführt werden soll. Der
Bund will den Eindruck vermeiden, bereits eine neue politische
Stossrichtung vorzugeben. Ziel sei eine kohärente Drogenpolitik,
so das BAG.
Tatsächlich lässt sich der aktuelle
Grundlagenbericht
der EKDF und zwei weiterer Sucht-Kommissionen unter dem Titel
"Herausforderung Sucht", entgegen einigen Medienberichten, nur auf den
ersten Blick als Plädoyer für eine Liberalisierungs-Welle
lesen. So schlagen zwar die Autoren vor, sich von der vereinfachten
Unterscheidung in legale und illegale Drogen zu verabschieden, und es
wird die Widersprüchlichkeit der Kriminalisierung von
Cannabiskonsumenten im Vergleich zu Nutzern legaler Drogen
erwähnt. Durch den "Public-Health-Ansatz" wird aber der
suchtpolitische Handlungsrahmen erweitert: Es geht im Allgemeinen um
staatliche Interventionen, die auf Verbesserungen von Gesundheit,
Lebensverlängerung und Erhöhung der Lebensqualität
abzielen. Eher neu ist die Erweiterung der Drogenpolitik um
"substanzungebundene" Abhängigkeiten, wie die Spielsucht, und die
Akzentuierung der Medikamentensucht.
Untermauerung von Verboten
In der Vergangenheit besonders heftig umstrittene
Vorschläge
des BAG rund um abendliche Alkohol-Verkaufsverbote werden durch den
Bericht aufgewertet. So heisst es etwa mit Blick auf die entsprechenden
Proteste aus liberalen Kreisen und Branchenverbänden: "Vorschnell
wird die staatsbürgerliche Freiheit mit der Wahlfreiheit der
Konsumenten gleichgesetzt." Und weiter: "Der Zugang zu Alkohol rund um
die Uhr oder das Trinken auf öffentlichen Plätzen"
würden zu einer "grundlegenden Freiheit verklärt", so die
etwas fragwürdige Argumentation der Studie.
Für François van der Linde,
EKDF-Präsident und
leitender Herausgeber des Grundlagenberichts, geht es in der
Suchtpolitik nicht nur um Fragen der Selbstverantwortung und der
persönlichen Freiheit, sondern ebenso um eine Beurteilung eines
möglichen gesellschaftlichen und individuellen Schadens von
psychoaktiven Substanzen oder psychoaktiv wirksamen Verhaltensweisen
wie Glücksspielen.
Van der Linde plädiert für eine Straffreiheit
des
Konsums von Cannabis, aber auch härterer Drogen, bei
gleichzeitiger staatlicher Regulierung und Kontrolle der Märkte
sowie Prävention. Bei Alkohol oder Tabak könnten die
Überlegungen des Grundlagenberichts grundsätzlich auch dazu
führen, dass die Regulierungs- und Verbotsdichte noch
verstärkt werde, räumt van der Linde ein. Resultate der neuen
Debatte erwartet der Präventivmediziner in fünf bis zehn
Jahren.
Obwohl die Liberalisierung des Cannabiskonsums
schliesslich durch
"kulturell verankerte Werthaltungen" gestoppt worden sei, könne
man die bisherige Schweizer Drogenpolitik gesamthaft als Erfolg
betrachten. So habe mit der Annahme des Betäubungsmittelgesetzes
die Vier-Säulen-Politik und die Möglichkeit
heroingestützter Behandlungen gesetzlich festgeschrieben werden
können, sagt van der Linde. Das dabei erfolgte Umdenken sei durch
das Leid der offenen Drogenszenen hervorgerufen worden. Solche Faktoren
fehlten freilich für jetzige drogenpolitische Schritte, sagt van
der Linde.
Unbestritten ist, dass sowohl die Frage der
Hanf-Liberalisierung,
wie auch neue Verbote rund um Alkohol und Tabak weiterhin für
Konflikte sorgen werden. Zur Frage neuer Gesetze verweist das BAG denn
zu Recht auf die politischen Entscheidungsträger.
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pressetext.ch 15.9.10
Experte fordert Lizensierung von Cannabis
Erneuter Vorstoß für Hanf beim britischen
Forscher-Festival
Birmingham/Wien (pte/15.09.2010/13:50) - Gesetzgeber
sollten
ernstlich darüber nachdenken Cannabis zu lizensieren, fordert
Roger Pertwee, einer der prominentesten Drogenexperten
Großbritanniens, beim Festival der British Science Association http://www.britishscienceassociation.org
in Birmingham. Seiner Ansicht nach ist die Kriminalisierung von
Cannabis ineffektiv. Die Regierung beharrt hingegen auf Einhaltung der
derzeit geltenden Gesetze und will von einer Änderung nichts
wissen.
Pertwee will Cannabis allerdings nicht in Form von
Zigaretten
freigeben, da dies lungenschädigend sei. Vielmehr sieht der
Experte Cannabis-Produzenten aufgefordert, neue Verabreichungsformen
anzubieten. Ein weiterer Vorteil einer lizensierten Freigabe sei, dass
Cannabis dadurch sicherer wird. Pertwee tituliert eine solche
Lösung als "Schadensbegrenzung". Erst im Vorjahr scheiterte der
Vorstoß an einem Veto von David Nutt, dem obersten
Drogenbeauftragten der britischen Regierung.
Mediziner: Skeptisch gegenüber völliger Freigabe
"Eine generelle Freigabe von Cannabis würde mehr
Schwierigkeiten verursachen als man glaubt", meint der Mediziner Kurt
Blaas, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft "Cannabis als Medizin"
http://www.cannabismedizin.at im pressetext-Interview. Ein ganz
wesentlicher Punkt wäre die unbedingte Einhaltung des
Jugendschutzes, die eine Abgabe an unter 18-jährige verbietet.
Sinnvoll sei jedoch eine Lizensierung des Cannabis. Das bedeutet, dass
die Pflanzen kontrolliert angebaut werden müssen, um
sicherzustellen, dass sie frei von Pestiziden und Düngemitteln
sind und immer die gleiche Qualität haben.
"Eine Hanfpflanze liefert zwischen 40 und 60 verschiedene
Cannabinoide. Daher muss auch sichergestellt werden, welche dieser
Substanzen abgegeben werden", erklärt Blaas. "In der Medizin
werden derzeit Dronabinol und Cannabidiol angewendet." Eine weitere
Herausforderung ist die Frage der Abgabe. Dass man diese Substanzen
einfach im Lebensmittelhandel kaufen kann, hält Blaas für
nicht sinnvoll. Nur speziell lizensierte Einrichtungen wie etwa
Apotheken sollten damit beauftragt sein, Cannabis zu verkaufen.
Ärger über Verteufelung von Cannabis
"Natürlich ist auch darauf zu achten, dass es bei
Konsumenten zu keinen Anhäufungen von Cannabis-Produkten kommt",
argumentiert Blaas. Daher sei eine ärztliche Verschreibung von
kleinen Packungsgrößen eine gute Möglichkeit, dies zu
unterbinden. "Wir wollen das natürliche Cannabis für die
medizinische Anwendung fördern, denn dadurch ergibt sich eine
breite Behandlungspalette", erklärt der Mediziner.
Es sei nicht einzusehen, dass ein wertvolles Arzneimittel,
das in
medizinisch indizierten Dosen verabreicht, kaum Nebenwirkungen zeigt,
immer noch derart verteufelt wird. "Hanf wird von allen Seiten negativ
stigmatisiert", so der Arzt. "Selbst Hanfbauern, die Hanföl,
Hanfbier oder Hanfmehl herstellen, sind davon betroffen. Und das obwohl
die EU den Hanfanbau finanziell fördert."
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BZ 15.9.10
Drogenarzt Kehrsatz
Keine Kritik vom Kanton
Im Bulletin "Eltern gegen Drogen" kritisierte der Hausarzt
der
Drogenklinik Marchstei in Kehrsatz die aus seiner Sicht zu liberale
Drogenpolitik. Die Klinik passte daraufhin seinen Vertrag an (wir
berichteten).
Ob der kantonale Gesundheitsdirektor darüber
informiert sei
und was er zu unternehmen gedenke, wollte SVP-Grossrätin Sabina
Geissbühler gestern in der Fragestunde des Grossen Rates wissen.
"Es gibt aus aufsichtsrechtlicher Sicht keinen Handlungsbedarf",
betonte aber Regierungsrat Philippe Perrenoud (SP). Es stehe der
Institution frei, einen solchen Personalentscheid zu treffen.
mm
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ALKITREFF BIEL
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bielertagblatt.ch 16.9.10
Randständige bald ohne Alkitreff
Sieben Jahre lang waren die selbst gezimmerten Baracken hinter
dem
Bahnhof Biel Treffpunkt der Randständigen. Nun müssen diese
den Alkitreff verlassen.
sam/pl. Ende dieses Monats wird der Alkitreff am Bieler
Walserplatz
verschwinden. Ab 2003 begannen alkoholabhängige Randständige
damit, einen Treffpunkt für sich zusammenzuzimmern. Eine
Bewilligung dafür gab es nicht. Hinter dem Bieler Bahnhof entstand
ein abenteuerlich anmutendes Backenensemble. Die Stadt hatte über
lange Zeit beide Augen zugedrückt und, wenn es keine Klagen
gegeben hätte, dann wären sie den "Alkis" womöglich
weiterhin gut gesinnt. Aber die Randständigen sollen die
öffentliche Ordnung gestört haben. Das hat verschiedene
Beschwerden ausgelöst. Bei der unmittelbar neben dem Alkitreff
ansässigen Wirtschaftsförderung löste das Treiben der
Randständigen besonderes Missfallen aus. Schliesslich soll die
Organisation Investoren den Standort Biel schmackhaft machen. Der
Gemeinderat beschloss jedenfalls, den Treff zu schliessen und die
Bauten zu entfernen.
Der zuständige Gemeinderat, Pierre-Yves Moeschler (PSR)
bedauert,
dass bislang kein neuer Ort für die rund 50 alkoholabhängigen
Menschen gefunden wurde. "Es fehlen uns strukturelle und finanzielle
Mittel", sagt Moeschler. Nach der Vertreibung aus ihrem Paradies werden
die Nutzer des Alkitreffs also auf die Strasse verbannt. Aus der
Bevölkerung werden Befürchtungen über den Auftritt
Alkoholabhängiger im öffentlichen Raum laut.
Sicherheitsdirektorin Barbara Schwickert (Grüne) beruhigt: "Wir
überlassen die Randständigen nicht ihrem Schicksal." Die neue
Dienststelle Sicherheit - Intervention - Prävention (SIP) werde
mit diesen Personen Kontakt suchen und sie zur Einhaltung der
öffentlichen Ordnung anhalten. Die Gemeinderätin will
mögliche Gefahren nicht schönreden: "Es gibt ein gewisses
Risiko, dass diese Menschen bei anderen Gruppen auftauchen, zum
Beispiel in der Drogenszene. Wir wissen auch, dass es dann leicht zu
Streit kommen kann."
Pierre-Yves Moeschler teilt diese Bedenken nicht: "Es gibt keine
Hinweise darauf, dass es zu Raufereien oder Sachbeschädigungen
kommen könnte." Man werde die Entwicklung beobachten und wenn
nötig einschreiten. "Wir werden Lösungen finden",
ergänzt der Sozialdirektor.
Moeschler nicht gegen "Yucca"
Könnte man die Besucher des Alkitreffs an die Brasserie
Yucca
verweisen, wo die Drogenszene zuhause ist? "Ja, kurzfristig könnte
das eine Lösung sein", sagt Moeschler. "Schliesslich steht das
‹Yucca› nicht nur Drogenabhängigen sondern allen Gästen
offen."
Die Betroffenen vom Alkitreff haben klare Vorstellungen
über ihre
Zukunft: "Wir würden uns gerne auf dem Feldschlösschenareal
niederlassen", sagt ein Randständiger. Aber das
Feldschlösschenareal unterliegt den gleichen Bestimmungen wie der
Walserplatz. Es könne keine Baugenehmigung für Baracken
erteilt werden, sagt Rolf Iseli von der Baudirektion.
Das Schicksal der Alkis ist mit der Wegweisung vom Walserplatz
nicht
besiegelt. Die Stadtverwaltung hat eine Studie über die
Drogenpolitik in Auftrag gegeben. Die Stadtverantwortlichen wollen auch
für den künftigen Alkitreff eine Lösung im Lichte der
Ergebnisse dieser Studie finden.
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ALKVERBOT
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St. Galler Tagblatt 15.9.10
Nachgefragt
"Ein Verbot bringt rein gar nichts"
Gemäss Umfrage des Städteverbandes fänden
30 von
35 Schweizer Städten gesetzliche Grundlagen für zeitlich und
örtlich begrenztes Alkoholverbot im öffentlichen Raum
nützlich. Die Juso reagieren in der ganzen Schweiz mit
parlamentarischen Vorstössen. Der St. Galler
Juso-Stadtparlamentarier Pascal Kübli hat gestern eine Einfache
Anfrage zum Thema Alkoholverbot eingereicht.
Warum gelangen Sie mit einer Einfachen Anfrage an den
Stadtrat?
In der kürzlich in St. Gallen diskutierten Vorlage
zum
öffentlichen Raum steht unter dem Punkt "Alkoholkonsum", dass
rasch geprüft werden soll, ob weitergehende rechtliche Massnahmen
notwendig sind. Die Stadt Chur und ihr Alkoholverbot werden als
Beispiel für eine mögliche Stossrichtung genannt. Deshalb
befürchte ich, dass auch St. Gallen ein Verbot in Erwägung
zieht.
Was wollen Sie vom Stadtrat konkret wissen?
Ich möchte wissen, wie er sich in dieser
Städte-Umfrage
geäussert hat, wie er generell zu einem Alkoholverbot im
öffentlichen Raum steht und ob er eine solche Massnahme ins Auge
fasst. Zudem habe ich die Frage gestellt, ob er ein Verbot als
sinnvolles Instrument erachtet, um einem übermässigen
Alkoholkonsum entgegenzuwirken.
Wie ist Ihre Meinung zu einem Alkoholverbot?
Ein Verbot bringt gar nichts. Damit wird das Problem nicht
gelöst. Ich denke, Personen, die davon betroffen wären,
würden einfach an einem anderen Ort trinken.
Man spricht immer vom Reiz des Verbotenen. Denken Sie, ein
Verbot
würde den Alkoholkonsum von Jugendlichen fördern?
Das kann ich nicht beurteilen. Dass Jugendliche heute
generell
mehr trinken als früher, glaube ich allerdings nicht. Es
könnte höchstens sein, dass sie absichtlich dort trinken, wo
es nicht erlaubt ist. Aber das ist nur eine Vermutung von mir.
Mirjam Bächtold
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NOTSCHLAFSTELLE
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Tagesanzeiger 16.9.10
Stadt eröffnet neue Notpension für Randständige
Das Sozialprojekt soll ab Anfang 2011 die stark belegte
Notschlafstelle entlasten.
Von Martin Huber
Die neue Nachtpension richtet sich an Personen, die bisher
in der
Notschlafstelle Rosengartenstrasse über längere Zeit und
immer wieder übernachtet haben, wie der Stadtrat gestern Mittwoch
mitteilte. In den letzten Jahren sei die Belegung der 52
Betten stetig gestiegen. Dieses Jahr rechnet man mit einem Rekordwert
von rund 16 000 Übernachtungen. Hauptgrund für den Anstieg
sind eben diese Langzeitaufenthalter - vorab ältere, sozial
desintegrierte Personen und solche mit schweren psychischen Problemen
ohne Krankheitseinsicht, wie es in der Mitteilung heisst.
Die Tendenz zum Daueraufenthalt in der Notschlafstelle ist
laut
Stadtrat unbefriedigend: Die Einrichtung sei nicht darauf ausgerichtet,
Personen langfristig zu beherbergen und zu betreuen. Zudem wirke sich
ein Daueraufenthalt für die Betroffenen ungünstig in Bezug
auf eine Verbesserung ihrer Situation aus.
Stillschweigen zum Standort
Um die Notschlafstelle zu entlasten, wird nun
voraussichtlich
Anfang 2011 die Nachtpension eröffnet und in einem
zweijährigen Pilotbetrieb getestet. Wo der Versuchsbetrieb startet
werde, geben die Sozialen Einrichtungen und Betriebe noch nicht
bekannt. "Zuerst wollen wir die Anwohner informieren", sagt Sprecherin
Barbara Strebel. Immerhin verrät sie, dass die Nachtpension in
einer bestehenden Sozialeinrichtung untergebracht werden soll, weshalb
sie keinen Widerstand von Anwohnern erwartet.
Die Nachtpension wird rund 25 Schlafplätze in Einzel-
und
Zweierzimmern umfassen, deren Monatsmiete 1100 bis 1400 Franken
betragen soll. Für die Betreuung werden ständig
Sozialarbeiter im Haus anwesend sein. Hauptziel des für
Zürich neuartigen Angebots ist es, die Gesamtsituation der
Betroffenen zu stabilisieren und sie an eine bestehende Wohn- und
Therapieeinrichtung zu vermitteln. Der Aufwand für den
zweijährigen Versuchsbetrieb beläuft sich auf 920 000
Franken. Da es sich bei den meisten Betroffenen um IV-Rentner sowie
Sozialhilfebezüger handelt, kann die Stadt den Aufenthalt
weiterverrechnen, was ihr Einnahmen von 540 000 Franken beschert.
Sollte sich die Nachtpension bewähren, könne der Gemeinderat
nach Ablauf des Versuchs über die definitive Einführung
entscheiden, schreibt der Stadtrat in seiner Mitteilung.
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OBDACHLOS SG
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Schweiz Aktuell 16.9.10
Obdachlose Teenager
In den meisten Schweizer Städten nimmt die Zahl junger
Obdachloser
zu. "Schweiz aktuell" mit einer Reportage aus der St. Galler
Notschlafstelle UFO. Zudem: Jugendforscherin Annegret Wigger im
Interview.
http://videoportal.sf.tv/video?id=ad76b9aa-184e-496d-81ee-ace9ec0ef802
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GASSENARBEIT LU
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NLZ 16.9.10
Gassenarbeit direkt auf dem Busperron 2
Luzern
Barbara Inglin
Seit einem Jahr sind die Gassenarbeiter wieder auf den
Strassen
präsent. Sie helfen Randständigen, doch manchmal sind sie
selber machtlos.
Barbara Inglin
barbara.inglin@neue-lz.ch
Am Busperron 2 am Luzerner Bahnhof treffen sich die
Randständigen - die Luzerner Drogenszene. Auch Rolf Notter und
sein Team sind hier an mehreren Abenden pro Woche unterwegs. Die
Gassenarbeiter stellen sich dann einfach zu den Leuten, hören zu.
Ganze Lebensgeschichten erfahren sie, das Neuste aus der Drogenszene,
wie die Abhängigen tagtäglich an ihre Grenzen stossen, alles
schrecklich finden und doch nicht vom Stoff wegkommen.
Rolf Notter ist Sozialarbeiter und Leiter des Teams
Gassenarbeit.
Seit einem Jahr ist sein Team wieder auf den Luzerner Strassen, besucht
und berät die Klienten direkt vor Ort, statt wie bis anhin nur im
Büro an der Murbacherstrasse. Das Projekt heisst "Aufsuchende
Sozialarbeit" - und es zeigt bereits Wirkung: 48 Personen konnten
für eine längerfristige Sozialberatung gewonnen werden, sechs
Personen konnten in ein Methadon-Programm oder zu einer Therapie
motiviert und vermittelt werden, für zwei Personen wurde eine
Einkommensverwaltung übernommen.
"Es sind kleine Schritte"
"Diese Leute wären nie von alleine für eine
Beratung in
unser Büro gekommen, wir hätten sie schlicht nicht erreicht",
sagt Notter. "Und häufig sind es gerade diese Personen, die unsere
Unterstützung am nötigsten haben." Trotzdem sei es schwierig,
von einem Erfolg zu sprechen: "Es sind kleine Schritte, die sie
vorwärtsmachen."
Erst letzthin habe er einen Mann davon überzeugt,
sich
für eine Arbeitsstelle zu melden, Sozialhilfe zu beantragen und
den Alkoholentzug einzuleiten. Am Montag sollte der Termin für den
Entzug vereinbart werden, stattdessen kam ein Anruf: Der Mann mache nun
doch nicht mit. Notter nimmt das gelassen: "Er hat seine Bussen
abbezahlt und muss darum nicht ins Gefängnis. Das ist schon ein
kleiner Erfolg für uns."
Wohnungsnot ist grosses Thema
"Wir haben keinen ordnungspolitischen Auftrag wie die
Polizei
oder die Gruppe Sicherheit, Intervention, Prävention (SIP).
Deshalb ist das Vertrauen in uns viel grösser, die Leute
können einfach einmal frei erzählen", sagt Notter. Denn
selbst unter den Randständigen sei das Misstrauen häufig
gross.
Ein wichtiges Thema auf der Gasse sei die Wohnungsnot.
Seit
Luzern zur Studentenstadt geworden ist, werden billige Wohnungen immer
knapper. "Unsere Leute haben im Normalfall Einträge im
Betreibungsregister, sind vorbestraft und haben keine Arbeit. Da ist es
fast unmöglich, eine Wohnung zu finden", so Notter.
Ohne Arbeit kein Entzug
Ein weiteres grosses Problem ist, dass die Süchtigen
kaum
Aussicht auf Arbeit haben - selbst nach dem Entzug nicht. "Es ist
schwierig, Leute zu einem Entzug zu motivieren, wenn sie danach keine
Perspektive sehen", sagt der Seelsorger und frühere
Gassenarbeit-Geschäftsführer Sepp Riedener. "Hier
müssten mehr Angebote geschaffen werden."
Bei der Wohnungs- und Arbeitssuche können die
Sozialarbeiter
in den meisten Fällen nicht weiterhelfen. "Wir können
zuhören, vielleicht einmal ein Wohnungsinserat mitbringen, aber
unternehmen können wir wenig", sagt Rolf Notter. Aktiv werden die
Sozialarbeiter in anderen Bereichen: Wenn es um den Ausstieg aus den
Drogen geht, um therapeutische Massnahmen, aber auch um die
Geldverwaltung.
Die Leute, die Notter und sein Team aufsuchen, sind
zwischen 16
und 60 Jahren alt. Eine Gruppe von rund dreissig Personen ist es
jeweils, in wechselnder Zusammensetzung. Sie nehmen Drogen, meist ein
Mix aus Heroin, Kokain, Medikamenten und Alkohol. Sie kennen sich
untereinander, räumen manchmal die Bierdosen auf dem Perron 2 weg,
damit sie nicht weggewiesen werden. Tauchen "Neue" auf, sagen sie:
"Melde dich doch einmal bei Rolf, Renate oder Mathias", den
Sozialarbeitern der Gassenarbeit. Die Geschichten ähneln sich:
Heimkarrieren, Kleinkriminalität, mit 18 erstmals im
Gefängnis. "Es sind meist Leute, die nie eine Chance hatten im
Leben", sagt Notter.
"Mein Leben begann mit dem Tod"
So wie Claudia S. "Schreib, mein Leben begann mit dem
Tod", sagt
sie. "Der Tod hat meine Familie ausgelöscht, bevor ich fähig
war, selber zu leben." Nach dem Tod der Mutter blieb nur der Vater
übrig, "der Teufel persönlich"; er missbraucht seine Tochter
jahrelang. Sie kommt ins Kinderheim. Dieses wird später "wegen
schlechter Führung" geschlossen. Claudia S. wird nach Zürich
in ein Töchterheim geschickt, wo sie in den jungen Frauen eine Art
Ersatzfamilie findet.
"Dort habe ich es gelernt. Wie man Heroin zubereitet und
einnimmt." Anfangs eine gute Erfahrung, doch dann kommt die Sucht.
Claudia S. haut ab und landet schliesslich in Luzern, lebt auf der
Gasse, in besetzten Häusern, geht anschaffen, lebt von einem Tag
zum nächsten. Hier kommt sie auch in Kontakt mit der Gassenarbeit.
"Damals habe ich gar nicht gemerkt, was sie für mich
getan
haben", sagt sie. "Doch jetzt bin ich sehr dankbar, dass jemand da war
zum Reden und dass mir jemand bei der Geldverwaltung geholfen hat."
Heute ist Claudia S. in einem Methadonprogramm, 45 Jahre alt und
"glücklich, überlebt zu haben". Bei der Gassenarbeit schaut
sie immer noch regelmässig vorbei. "Ich brauche die, und die
brauchen mich", sagt sie und lacht. "Und vielleicht helfen sie mir
jetzt auch noch, eine Arbeit zu finden."
--
Offene Drogenszene machte das Elend sichtbar
bin.Gassenarbeit Die Gassenarbeit Luzern feiert dieses
Wochenende
das 25-Jahr-Jubiläum. 1985 hat sich aus der kirchlichen
Jugendarbeit ein spezielles Angebot für Drogensüchtige
entwickelt. Die Gassenarbeiter suchten die Betroffenen damals direkt
vor Ort auf. Sepp Riedener, Initiant und ehemaliger
Geschäftsführer der Gassenarbeit, erinnert sich: "Die
Probleme auf der Gasse lagen damals auf der Hand: Es fehlte an Arbeit,
medizinischer Betreuung, Essen und Wohngelegenheiten. Doch im Gegensatz
zu heute nahmen viele ausschliesslich Heroin zu sich. Das machte den
Ausstieg leichter, da nur eine Sucht behandelt werden musste." Ein
Gramm Heroin habe damals rund 700 Franken gekostet, heute ist es noch
ein Zehntel davon. "Ein Süchtiger braucht zwei Schüsse pro
Tag, damals also rund 1400 Franken. Die Szene war darum geprägt
von Kriminalität, Prostitution und Dealen." Auch habe es damals
eine offene Drogenszene gegeben. "Unter der Egg und in der Eisengasse
wurde gefixt."
Vor 15 Jahren folgte der Rückzug
1995 wurde die "Aufsuchende Sozialarbeit" beendet, die
Gassenarbeiter zogen sich in die Büros an der Murbacherstrasse
zurück. Grund war die verschärfte Drogensituation, die offene
Szene sollte nicht noch unterstützt werden. Fortan mussten die
Süchtigen also selber den ersten Schritt machen, um zu einer
Beratung zu kommen.
Am 1. September 2009 wurde nun die aufsuchende
Gassenarbeit
wiederaufgenommen - vorerst als auf zwei Jahre beschränktes
Pilotprojekt. Riedener, der vor zwei Jahren als
Geschäftsführer zurückgetreten ist und heute als
Seelsorger arbeitet, ist zuversichtlich, dass das Projekt danach
weitergeführt wird. Die Luzerner Regierung hat bereits vor zwei
Jahren Zustimmung signalisiert.
Der Verein kirchliche Gassenarbeit beschäftigt heute
rund 40
Mitarbeitende. Träger des Vereins sind die
römisch-katholische und die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde
von Stadt und Kanton Luzern sowie die christkatholische
Kirchgemeinschaft Stadt Luzern. Neben dem Team Gassenarbeit, welches
zusätzlich neben Sozialberatung und Einkommensverwaltung ein
80-Prozent-Pensum für die aufsuchende Sozialarbeit zur
Verfügung stellt, gibt es weitere Angebote:
Gassechuchi:Aufenthaltsort mit warmen Mahlzeiten, Beratung
und
Begleitung bei Alltagsproblemen.
Ambulatorium:Hygienische und medizinische Grundversorgung.
Paradiesgässli: Beratung und Begleiten von Eltern mit
Suchtproblemen und von Kindern und Jugendlichen.
Seelsorge:Begleitung von Menschen, die von Sucht, Armut,
Obdachlosigkeit usw. betroffen sind.
Kontakt- und Anlaufstelle:Ermöglicht
Drogenabhängigen,
mitgebrachte Drogen unter hygienischen und stressfreien Bedingungen zu
konsumieren.
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Gassenarbeit feiert 25-Jahr-Jubiläum
Die Feier zum Jubiläum "25 Jahre Gassenarbeit Luzern"
findet
morgen Samstag in der Matthäuskirche an der Hertensteinstrasse in
Luzern statt. Der Anlass beginnt um 16 Uhr, dauert bis 17.30 Uhr und
ist öffentlich. Programm:
Rückblick auf 25 Jahre Gassenarbeit durch Sepp
Riedener;
Vernissage des Buches "Verwundete Engel - Begegnung mit
Menschen
am Rand" von Fridolin Wyss und Sepp Riedener mit Lesung;
Grusswort von Sozialdirektor Ruedi Meier;
Musikalische Unterhaltung durch Klienten der Gassenarbeit;
Apéro serviert von der Gassechuchi.
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ÖV-COPS
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sf.tv 16.9.10
Zürcher ÖV will mit neuem Sicherheitsdienst für
mehr
Sicherheit sorgen
sf/godc
"Hände weg von den Zug-Chefs", skandierten die
Demonstranten
in rot-weissen Westen. Gegen 100 Zugbegleiter und Mitglieder der
Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) haben am Mittwoch vor dem Sitz
des Zürcher Verkehrsverbundes in Oerlikon gegen den Entscheid
protestiert, bis Ende 2011 die Zugbegleitung durch einen neuen
Sicherheitsdienst zu ersetzen. Etwa 250 sogenannte Zug-Chefs verlieren
damit ihren bisherigen Aufgabenbereich.
"Weg mit dem unsinnigen ZVV-Sicherheitskonzept", stand auf
einem
Transparent der Zugbegleiter. Aber welches neue Konzept?
Seit 2004 patrouillieren die Zugbegleiter, sogenannte
Zug-Chefs
ab 21 Uhr zu zweit in den S-Bahnen des Zürcher Verkehrsverbundes
(ZVV). Ab 2011 soll die Funktion der Zugs-Chefs abgeschafft und
dafür Sicherheitspersonal im Schichtbetrieb eingesetzt werden.
Neues Bundesgesetz zur Sicherheit
Der Grund dafür ist das neue Sicherheitskonzept des
ZVV.
Laut diesem sollen Transportpolizei, Kontroll- und ein neuer
Sicherheitsdienst zusammenarbeiten, um besser gegen Aggressionen
vorgehen zu können.
Möglich wurde der neu erschaffene "Sicherheitsdienst"
erst
durch das neue "Bundesgesetz über den Sicherheitsdienst der
Transportunternehmen" (BGST).
Mit In-Kraft-Setzung des neuen Bundesgesetzes per 1.
Januar 2011
wird auch das neue Sicherheitskonzept schrittweise umgesetzt.
Securitas-Angestellte
"Auf jeder Linie wird mindestens einmal pro Abend eine
Patrouille
unterwegs sein", sagte ZVV-Mediensprecherin, Beatrice Henes,
gegenüber der Zeitung "Zürichsee" am Dienstag.
Dafür werde eigens ein neuer Sicherheitsdienst
aufgebaut.
Diesem gehören laut Henes 250 Personen an, "voraussichtlich
Securitas-Angestellte". Zudem kümmerten sich künftig 140
Kontrolleure um Ticketkontrollen, so Henes weiter.
"Es geht darum, unser Personal besser zu schützen.
Wir haben
gesehen dass die Arbeitsbedingungen von Zug-Chefs nicht ideal sind",
sagte Thomas Kellenberger, ZVV-Mediensprecher, gegenüber
"tagesschau.sf.tv".
Alkoholisierte Gruppen
"Aggressionen gegen sie haben zwar nicht zugenommen, aber
wir
haben ein verändertes Verhalten bei Zuggästen festgestellt.
Wir denken hier einfach in die Zukunft", sagte Kellenberger weiter.
"Das bisherige System hat Schwächen. Denn immer
häufiger machen alkoholisierte Gruppen Probleme bei
Ticketkontrollen", sagte denn auch Henes gegenüber der
"Zürichsee-Zeitung". "Die Zug-Chefs sind für solche
Sicherheitsaufgaben nicht ausgebildet."
Keine Mehrkosten
Vielfach zögen sie sich daher zurück, was das
Schwarzfahren erleichtere. Von ihrer nun geplanten Abschaffung seien
220 Mitarbeiter betroffen.
"Kosten soll das neue Sicherheitskonzept nicht mehr als
das alte
aus dem Jahr 2004, aber auch nicht weniger", sagte Kellenberger.
Videoüberwachung, Telefonverbindung zur Bahnpolizei,
Sicherheitspolizei, Bahnpolizei, Kontrollen - die totale
Überwachung?
"Nein, überhaupt nicht", meint Kellenberger. Im
Gegenteil.
"Wenn sich Leute beklagen, dann eher weil sie sich mehr Sicherheit
wünschen, und nicht weniger." Im Übrigen seien Videokameras
hauptsächlich dazu da, um gegen Vandalismus vorzugehen.
Keine Entlassungen
Entlassen wird allerdings laut dem SBB-Sprecher Danile
Pallecchi
niemand. Dies verböte der SBB-Gesamtarbeitsvertrag. Ein schwacher
Trost für die Demonstranten: Viele seien auf eine Arbeit am Abend
angewiesen. Deshalb würden nicht wirklich gleichwertige Jobs
angeboten.
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SANS-PAPIERS
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WoZ 16.9.10
Sans-Papiers
Keine Lehre ist illegal
"Dafür kämpfen wir seit neun Jahren", sagt Anni
Lanz.
Der Sans-Papiers-Aktivistin ist die Freude und die Überraschung
deutlich anzuhören. Am Dienstag hat sich nach dem Nationalrat auch
der Ständerat knapp dafür ausgesprochen, jugendlichen
Sans-Papiers künftig eine Berufslehre zu ermöglichen. Niemand
weiss besser als Anni Lanz, dass - sobald es um Migrationspolitik geht
- Erfolge lange und hart erkämpft werden müssen. Bis zuletzt
haben sie und ihre MitstreiterInnen bei StänderätInnen
lobbyiert.
Tatkräftige Unterstützung kam von ungewohnter
Seite:
Peter Malama, Gewerbeverbandsdirektor und FDP-Nationalrat aus
Basel-Stadt, habe sich stark eingesetzt, sagt Lanz. "Der Mann hat
keinen Betonkopf, sondern Zivil courage. Er getraut sich, Positionen zu
vertreten, die nicht dem Mainstream entsprechen."
Peter Malama zur WOZ: "Es freut mich wahnsinnig, dass es
geklappt
hat." Von JournalistInnen werde er häufig gefragt, wieso er sich
für ein linkes Anliegen einsetze. "Dabei ist diese Haltung keine
Frage von links oder rechts, sondern eine der Gerechtigkeit." Drei
Hauptargumente hätten Gehör gefunden: Dass jugendliche
Sans-Papiers nicht verantwortlich für ihren illegalen Aufenthalt
sind, dass es laut Bundesverfassung ein Recht auf Bildung gibt und dass
jugendliche Sans-Papiers bereits heute Matur und Universität
abschliessen können, während ihnen eine Lehre verwehrt wird.
Nun ist es am Bundesrat, einen Gesetzesvorschlag
auszuarbeiten,
der dann wiederum vom Parlament verabschiedet werden muss. Angesichts
der knappen Abstimmungsresultate kann also noch nicht von einem
definitiven Erfolg gesprochen werden. Peter Malama fordert einen
straffen "Fahrplan", damit die Vorlage ins Parlament kommt, bevor sich
die Räte nach den Wahlen anders zusammensetzen. dig
---
Bund 15.9.10
Kinder von Sans-Papiers dürfen einen Beruf erlernen
Das Parlament zwingt den Bundesrat zu einer Änderung
des
Ausländergesetzes.
Markus Brotschi
Jährlich beenden in der Schweiz 300 bis 500 Kinder
von
papierlosen Eltern die obligatorische Schulzeit. Davon dürften 200
bis 400 die Voraussetzungen für eine Lehre erfüllen.
Allerdings machen heute nur wenige Kantone wie Genf, Waadt oder
Basel-Stadt eine Ausnahme, wenn Sans-Papiers einen Lehrbetrieb finden.
Laut Gesetz ist ihnen die Lehre verwehrt, Lehrbetriebe dürfen
ihnen keine Verträge geben. Gestattet ist Sans-Papiers dagegen der
Besuch weiterführender Schulen wie dem Gymnasium und sogar ein
Hochschulstudium.
Mit dieser paradoxen Rechtslage ist nun Schluss. Der
Ständerat hat sich gestern mit 23 zu 20 für die Zulassung zur
Lehre ausgesprochen. Einig waren sich alle, dass die Kinder der
illegalen Einwanderer keine Schuld an ihrer Situation haben. Für
Maximilian Reimann (SVP/AG) handelt es bei Sans-Papiers aber um
"Gesetzesbrecher". Um deren Kindern allenfalls eine Lehre zu
ermöglichen, gebe es die Härtefallregelung. Darauf verwiesen
auch einige CVP- und FDP-Vertreter.
Für die Mehrheit des Ständerates geht das Recht
auf
Ausbildung für Kinder vor. Die Härtefallregelung sei nicht
immer eine Lösung. Dies bestätigt der basel-städtische
Gewerbedirektor Peter Malama. Jugendliche schreckten davor zurück,
ein Härtefallgesuch zu stellen, weil sie und ihre Familien bei
einer Ablehnung die Ausweisung riskierten. FDP-Nationalrat Malama hatte
sich in der grossen Kammer für die Zulassung zur Lehre stark
gemacht. Wie im Nationalrat stimmten auch in der kleinen Kammer Linke
und Grüne für das Sans-Papiers-Anliegen, FDP und CVP waren
gespalten, die SVP dagegen. Christine Egerszegi (FDP/AG) wandte gegen
die Zulassung zur Lehre ein, dass das Problem nur um drei bis vier
Jahre verschoben werde.
Nach der Lehre hätten die Jugendlichen immer noch
keine
Aufenthaltsbewilligung. "Wir haben genügend Arbeits- und
Ausbildungsplätze, um diese Mädchen oder Knaben auszubilden,
damit sie später einem Beruf nachgehen können und nicht von
der Fürsorge leben müssen", entgegnete Helen Leumann
(FDP/LU). Ohne Lehrstelle drohten die Jugendlichen auf der Strasse zu
landen. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf warnte dagegen vor der
Signalwirkung, die von einer Regularisierung ausgehe.
Gewerbe reagiert ablehnend
Der Nationalrat hatte im März mit 93 zu 85 der
Sans-Papiers-Motion zugestimmt, die von Luc Barthassat (CVP/GE) stammt.
Der Bundesrat muss nun gegen seinen Willen das Ausländergesetz
ändern. Dass Sans-Papiers es auch künftig schwer haben
werden, zeigt die Reaktion des schweizerischen Gewerbeverbandes. Wenn
Arbeitgeber Lehrverträge mit illegal anwesenden Eltern
abschlössen, begäben sie sich weiter in eine rechtsfreie
Zone, sagte Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler. Anni Lanz,
Sekretärin der nationalen Sans-Papiers-Plattform, ist dagegen
überzeugt, dass die Arbeitgeber froh um diese Arbeitskräfte
sind. Papierlose seien meist hoch motiviert und gegenüber ihrem
Lehrbetrieb sehr loyal, sagt auch Malama. Für die Jugendlichen sei
die Berufslehre die einzige Chance, um eine Perspektive zu erhalten.
Für Malama darf der Lehrabschluss aber nicht automatisch zu einer
Aufenthaltsbewilligung führen. Eine Berufsausbildung eröffne
einem Sans-Papiers auch in seinem Heimatland bessere Chancen.
---
NZZ 15.9.10
Für Berufslehre auch ohne Aufenthaltsrecht
Der Ständerat überweist knapp die Motion
für
bessere Chancen von Sans-Papiers
Christoph Wehrli (CW)
Mit 23 zu 20 Stimmen hat der Ständerat eine Motion
überwiesen, die für Jugendliche ohne Aufenthaltsrecht einen
Zugang zu Berufslehren verlangt.
C. W. · Fast die Hälfte aller Mitglieder hat
sich am
Dienstag im Ständerat an der Debatte über die Frage
beteiligt, ob Sans-Papiers, einige hundert Jugendliche pro Jahr, nach
der auch für sie obligatorischen Schule das Recht erhalten sollen,
eine Lehre zu absolvieren. Die Mehrheit folgte schliesslich nicht dem
Bundesrat und der Kommissionsmehrheit (6 zu 5), sondern dem
Nationalrat, so dass die betreffende Motion von Luc Barthassat (cvp.,
Genf) nun verbindlich ist. Zwei weitere in die gleiche Richtung
zielende Vorstösse wurden mit 21 zu 20 und 22 zu 16 Stimmen
abgelehnt.
Gleichstellung mit Gymnasium
Die von der Linken bis in einen Teil der CVP hinein und zu
einzelnen Liberalen reichende Mehrheit möchte die Berufsbildung,
die mit einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, nicht anders
behandeln als weiterführende Schulen, die unabhängig vom
ausländerrechtlichen Status zugänglich sind. Die Jugendlichen
ohne Aufenthaltsrecht sollten eine für ihr späteres Leben
wichtige Chance erhalten, statt nach dem Schulabschluss ohne Anschluss
dazustehen und allenfalls gar auf die schiefe Bahn zu geraten. Eine
Lehre als Basis einer Erwerbstätigkeit sei auch wirtschaftlich
sinnvoller, als die vorangegangenen Investitionen in die Bildung
verfallen zu lassen.
Den Einwand, illegales Verhalten dürfe nicht belohnt
werden,
nahmen mehrere Votanten vorweg und hielten ihm entgegen, die papier-,
d. h. bewilligungslosen Kinder und Jugendlichen seien für ihre
Situation nicht selber verantwortlich. Bei dieser Gelegenheit hob man
auch hervor, dass viele zehntausend (erwachsene) Sans-Papiers
offenkundig Arbeitgeber finden.
Verweis auf Härtefallregelung
Die meisten Gegner einer solchen Öffnung wollten die
menschliche Seite der Angelegenheit nicht verkennen. Das Problem des
fehlenden Status, betonte Christine Egerszegi (Aargau, fdp.) als
Sprecherin der Kommission, würde aber durch eine Lehre nicht
gelöst, sondern nur um ein paar Jahre hinausgeschoben. Einen
wirklichen Ausweg biete hingegen eine Aufenthaltsbewilligung in
Härtefällen. Im Hinblick auf eine Lehre würden solche
Gesuche in der Regel gutgeheissen.
Unmündige könnten selber kein Gesuch stellen,
machten
wiederum die Befürworter der Vorstösse geltend, und die
Eltern scheuten oft das Risiko. Zudem werden die Dossiers zuerst von
den kantonalen Behörden geprüft, und zwar in recht
unterschiedlicher Art. Nach einer im Rat zitierten Statistik stammen
die an den Bund weitergeleiteten Fälle grösstenteils aus den
Kantonen Genf und Waadt.
Sie strebe eine Gleichbehandlung in den Kantonen an und
habe
daher die Kriterien für Härtefälle in einer Weisung
präzisiert, sagte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Sie
erinnerte daran, dass das Parlament kollektive Regelungen für
Sans-Papiers stets abgelehnt hat, und möchte am Prinzip der
Einzelfallprüfung festhalten.
Nach dem Nationalrat wollte nun auch der Ständerat
"Billigkeit und Gerechtigkeit" stärker gewichten als "formelle
Legalität" (Dick Marty). Letztere muss dennoch hergestellt werden,
indem der Bundesrat nun eine konkrete Gesetzesänderung vorzulegen
hat. Eine weitere Debatte hat sich das Parlament also nicht erspart -
und die SVP kündigte ohne Zögern ihr Referendum an.
---
NLZ 15.9.10
Sans-Papiers dürfen Berufslehre machen
Christoph Reichmuth
Bis zu 400 junge Sans-Papiers wollen jährlich eine
Lehre
machen. Das wird ihnen nun erlaubt. Die SVP ist empört.
Rund 150 000 Menschen ohne Papiere leben in der Schweiz,
darunter
etwa 10 000 junge Leute. 200 bis 400 von ihnen, so schätzt der
Schweizerische Städteverband, möchten nach der Schulzeit eine
Berufslehre anfangen - doch weil sie sich illegal in der Schweiz
aufhalten, fehlt ihnen dazu die Möglichkeit.
Diese Situation soll sich nun ändern, nachdem gestern
der
Ständerat - wie zuvor bereits die Grosse Kammer - eine
entsprechende Motion des Genfer Nationalrats Luc Barthassat mit 23 zu
20 Stimmen gutgeheissen hat. Das Parlament will jungen Papierlosen
ermöglichen, eine Berufslehre zu absolvieren.
Die Mehrheit im "Stöckli" vertritt die Ansicht, dass
die
gegenwärtige Situation für die jungen Papierlosen ungerecht
ist: Jugendliche ohne Aufenthaltsbewilligung können heute
studieren, nicht aber eine Berufslehre absolvieren. "Wir sind sehr froh
über diesen Entscheid. Es darf nicht sein, dass Jugendliche nach
der Schulzeit aufgrund fehlender Perspektiven in die Armut oder die
Kriminalität abrutschen", zeigte sich André Durrer von der
Caritas Schweiz in einer ersten Reaktion erleichtert.
"Sind wir wirklich so hart?"
Dem Anliegen Barthassats zum Durchbruch verholfen hat die
Ratslinke mit Hilfe von Teilen der Mitteparteien CVP und FDP. So meinte
etwa die Luzerner FDP-Ständerätin Helen Leumann: "Sind wir
wirklich so hart, dass wir diesen jungen Menschen keine Chancen geben?"
Die Menschlichkeit einer Gesellschaft bemesse sich daran, wie sie mit
den Schwächsten umgehe, fügte ihr Tessiner Parteikollege Dick
Marty hinzu. Und der Luzerner CVP-Vertreter im Ständerat, Konrad
Graber, ist überzeugt: "Diese jungen Menschen sind unverschuldet
in diese Lage geraten. Sie sollen auch von unserem Grundrecht auf eine
Ausbildung profitieren können." Eine einheitliche gesetzgeberische
Lösung sei nötig, so Graber weiter: "In den Kantonen besteht
zu dieser Frage bislang grosse Rechtsunsicherheit."
Lösung für Hess unbefriedigend
Der Obwaldner FDP-Ständerat Hans Hess hingegen hat
das
Anliegen gestern im Ständerat abgelehnt. Nicht, weil er für
die unbefriedigende Situation der jungen Sans-Papiers kein
Verständnis aufbringen würde. "Aber indem wir den
Sans-Papiers einfach ermöglichen, eine Lehre abzuschliessen, ohne
ihren Aufenthaltsstatus zu regeln, lösen wir das Problem nicht."
Kommts zur Volksabstimmung?
Hess' Vorschlag: Jenen gemäss Gesetz illegal hier
lebenden
jungen Menschen, die bereits die Schule absolvierten und eine
Lehrstelle nachweisen können, sollen eine offizielle
Aufenthaltsbewilligung erhalten. "Diese Leute brauchen einen
gesicherten Status. Ansonsten bleibt die Angst vor einer ungewissen
Zukunft auch dann bestehen, wenn wir ihnen eine Berufslehre
ermöglichen."
Für Empörung sorgt der gestrige Entscheid bei
der SVP.
Der Luzerner Nationalrat Felix Müri ist überzeugt: "Jetzt
heisst es überall: In die Schweiz kannst du illegal einreisen und
sogar noch eine Lehre machen. Das kanns ja nicht sein." Müris
Parteikollege im Ständerat, Maximilian Reimann Aargau, wählte
noch deutlichere Worte: "Sans-Papiers sind Gesetzesbrecher. Die Schweiz
darf nicht zu einem Hort illegaler Zuwanderer werden." Gegen eine
Änderung der heutigen Praxis sprach sich auch Justizministerin
Eveline Widmer-Schlumpf aus. Die Kantone hätten heute schon die
Möglichkeit, in Härtefällen den Status von Sans-Papiers
zu regeln, gab sie zu bedenken.
Nun muss der Bundesrat das Gesetz ändern. Der
Luzerner
CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger glaubt nicht an eine rasche
Lösung: "Ich bin sicher, dass diese Regelung eine
Verfassungsänderung benötigt. Das Volk wird das letzte Wort
haben."
Christoph Reichmuth
christoph.reichmuth@neue-lz.ch
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Le Temps 15.9.10
Les sénateurs ouvrent la voie de l'apprentissage aux
enfants de
"sans-papiers"
"Les enfants n'ont pas à payer pour le statut
d'illégalité de leurs parents", décide le Conseil
des Etats
Yves Petignat, Berne
Pour les jeunes sans-papiers, c'est une injustice qui
vient de
tomber. Grâce au revirement du Conseil des Etats. Jusqu'ici, les
jeunes sans statut légal pouvaient être scolarisés
à tous les niveaux, poursuivre des études au gymnase ou
à l'université, mais pas entamer d'apprentissage. Ce sera
le cas désormais. Mardi, après le Conseil national au
mois de mars dernier, la Chambre haute a accepté une motion du
conseiller national Luc Barthassat (PDC/GE) demandant au Conseil
fédéral d'organiser l'accès à
l'apprentissage pour les jeunes sans statut légal.
Alors que la gauche milite depuis longtemps pour cette
idée, c'est surtout l'appui du groupe
démocrate-chrétien qui a fait pencher la balance, avec le
renfort de la quasi-totalité des sénateurs romands et
quelques radicaux comme Felix Gutzwiller (ZH). Une majorité
trouve en effet injuste la différence de traitement entre les
jeunes sans statut légal: les uns peuvent poursuivre leurs
études dans le cadre scolaire alors que les autres sont
interdits d'apprentissage.
"Il s'agit simplement de trouver une solution pragmatique
pour
permettre aux patrons et aux entreprises d'engager ces jeunes tout en
restant dans la légalité", a expliqué
Jean-René Fournier (PDC/VS). Engager un jeune sans-papiers comme
apprenti, c'est jusqu'ici courir le risque d'être poursuivi pour
avoir engagé un travailleur "au noir" ou de ne pas être
couvert par les assurances.
Refuser la voie de l'apprentissage à ces jeunes,
"c'est
les marginaliser, les exclure socialement et les inciter à
choisir d'autres voies, comme celles du travail au noir ou de la petite
délinquance", a plaidé le radical neuchâtelois
Raphaël Comte. Pour le Vert genevois Robert Cramer, "on ne doit
pas faire payer aux enfants le statut d'illégalité dans
lequel se sont mis leurs parents."
L'Union des villes suisses, souvent confrontée
à
cette question, s'était aussi fortement engagée pour une
solution en faveur des jeunes sans statut légal en
démontrant qu'il n'était pas question de légaliser
tous les sans-papiers. Mais de trouver une solution juridique par la
simple modification d'une ordonnance d'application.
Du côté des opposants, les sénateurs
UDC ont
mis en garde contre le danger de transformer la Suisse en lieu
d'accueil pour les réfugiés illégaux ou de donner
un bonus à l'illégalité. Accepter l'entrée
en apprentissage des enfants de "sans-papiers" ne ferait que repousser
la décision de quelques années. Or,
précisément, la libérale-radicale
neuchâteloise Sylvie Perrinjaquet a déposé une
motion qui demande de régler le statut légal d'un jeune
sans-papiers possédant un diplôme de fin de formation
"tout en évitant toute tentative de régularisation
automatique des parents".
La solution, selon la conseillère
fédérale
Eveline Widmer-Schlumpf, passe par une régularisation comme "cas
de rigueur" pour lesquels les cantons sont compétents.
La motion n'a été adoptée que de
justesse,
par 23 voix contre 20, alors qu'une motion identique d'Antonio Hodgers
(Verts/GE), qui avait été acceptée très
facilement au Conseil national, était largement refusée
et que l'initiative du canton de Neuchâtel, poursuivant le
même but, a été repoussée d'une voix, 22
contre 21. La différence tient au fait qu'une initiative
cantonale adoptée par le parlement est transformée en
initiative parlementaire, ce qui aurait exigé que le parlement
légifère lui-même. Alors que la motion charge le
Conseil fédéral de rédiger le projet. Ce qui
permet de gagner beaucoup de temps.
--
"A quoi bon nous former si on nous renvoie après?"
Cynthia Gani
Sans-papiers, Tatiana reste sceptique sur l'avenir des jeunes
clandestins
Quand on lui annonce la décision du Conseil des
Etats,
Tatiana réagit au quart de tour: "C'est cool!" Cette jeune
sans-papiers brésilienne avait accepté de
témoigner dans Le Temps suite à l'adoption par le
parlement de deux motions réclamant que les clandestins aient
accès à l'apprentissage (LT du 12.03.2010). Elle
dénonçait sa propre situation, révoltée
d'être écartée de la légalité
malgré son parcours sans faute.
Mais très vite, Tatiana se rétracte:
l'étape
franchie par la Confédération est certes porteuse
d'espoir, mais surtout d'illusions. "Ils ouvrent la porte aux
sans-papiers, mais après, que vont-ils faire? Les renvoyer chez
eux?" Elle sait de quoi elle parle.
Agée de 22 ans, arrivée en Suisse il y a
huit ans,
Tatiana n'a toujours pas de permis. Même si ses parents paient
des impôts, des cotisations à l'AVS et au chômage,
auquel la famille n'a pourtant pas droit. La jeune femme a tout de
même réussi à décrocher un apprentissage
dans l'hôtellerie genevoise, qu'elle a terminé en mai.
"Lors des examens pour le certificat fédéral de
capacité, j'étais la seule sans-papiers." Une
fierté teintée d'amertume: même formée, elle
imagine mal les grands palaces genevois l'engager sans papiers.
Alors Tatiana attend. Et continue à croiser les
doigts:
"Le Syndicat interprofessionnel des travailleurs, qui gère le
dossier de ma famille, nous a dit que la procédure était
en cours de finalisation. J'espère que cela ne va pas durer
encore des années…"
Dans les villes de Genève et Lausanne, les
autorités avaient pris les devants en affirmant qu'elles
étaient prêtes à engager des apprentis sans papiers
alors que le débat était en cours à Berne.
Ministre genevois de l'Emploi, le radical François Longchamp
s'était fâché et avait prévenu qu'il
sanctionnerait la Ville de Genève le cas échéant
(LT du 8.3.2010).
Aujourd'hui, le magistrat, présidant de
l'exécutif
genevois, se déclare satisfait de l'avancée
fédérale: "Le canton appelait de ses vœux
l'élaboration par la Confédération de
critères factuels, comme la durée du séjour ou la
maîtrise de la langue." Il affirme par ailleurs que
l'accès à l'apprentissage devrait faciliter la
naturalisation des clandestins.
Dans le canton de Vaud, le Parti socialiste se
réjouit
pour sa part "d'une victoire importante pour tous les enfants de
Suisse, qui n'ont pas à faire les frais de la situation,
légale ou non, dans laquelle ils se trouvent."
--
Editorial. Prime aux apprentis sans papiers
François Modoux
Ce qui était impossible ne l'est plus. Le Conseil
fédéral est invité à trouver une solution
légale pour en finir avec la discrimination des adolescents sans
papiers. Ceux-ci doivent pouvoir suivre un apprentissage.
L'accès à la formation professionnelle leur était
jusqu'à présent interdit tandis que de jeunes
sans-papiers, après l'école obligatoire, suivent les
filières gymnasiales puis l'Université.
Les appels à l'équité sont venus de
Lausanne, Genève et Neuchâtel. Sensibles à cette
cause, des élus romands ont su rallier nombre de
collègues alémaniques issus des grandes villes. A Zurich,
Bâle ou Lucerne, des patrons ont aussi dit leur malaise face
à la mise à l'écart de mineurs qui ne sont
pourtant pas responsables de leur statut illégal.
Alors que les deux Conseils ont voté ces
dernières
années les durcissements du droit des étrangers, un vent
de bon sens a soufflé dans ce cas précis. Après le
National, les Etats ont reconnu qu'il y avait motif à assouplir
les règles. Belle leçon de pragmatisme, le pas franchi
hier l'a été en dépassant les habituels clivages
partisans.
La prime ainsi donnée aux mineurs sans papiers
prêts
à apprendre un métier donne un signal nouveau. Leur
intégration par le travail obtient une forme de reconnaissance.
Au contraire, cimenter le statu quo, par juridisme étroit, les
maintenait dans l'oisiveté et la marginalité.
Le parlement serait encore plus crédible s'il
acceptait de
faire miroiter à ces jeunes la perspective d'une
régularisation à condition que leur formation, une fois
réussie, leur assure une autonomie économique durable. La
régularisation par le travail reste pourtant un
épouvantail en Suisse. Il faut craindre que les limites des
contradictions que peut supporter l'Etat ne soient que
repoussées d'un cran. öPage 9
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AUSSCHAFFUNGEN
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Bund 16.9.10
Ausschaffungshaft: Gericht rügt Haftbedingungen in Bern
Nach Kritik des Verwaltungsgerichts an den Haftbedingungen
im
Regionalgefängnis Bern entliessen die Behörden eine
Kamerunerin aus der Ausschaffungshaft.
Stefan Wyler
Die heute 44-jährige Frau aus Kamerun hatte sich
anderthalb
Jahre illegal in der Schweiz aufgehalten, sie wurde ausgewiesen, reiste
aber wieder ein und wurde in Biel von der Polizei aufgegriffen. Am 6.
April 2010 setzte sie ein Haftrichter in Ausschaffungshaft, und am 2.
Juli verlängerte er die Haft bis zum 4. November, nachdem sich die
Frau geweigert hatte, einen für sie gebuchten Linienflug in ihre
Heimat anzutreten.
Die Frau, die im Regionalgefängnis Bern inhaftiert
war,
forderte darauf beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern ihre
Freilassung. Das Gericht hat nun in seinem - gestern
veröffentlichten - Urteil vom 6. August die Beschwerde abgewiesen.
Es hielt zwar die Verlängerung der Ausschaffungshaft für
grundsätzlich verhältnismässig, es übte aber
detaillierte Kritik an den Haftbedingungen im Regionalgefängnis
Bern und wies darum die Behörden an, die Frau in eine geeignete
Einrichtung zu verlegen oder freizulassen. Die Frau wurde aus der Haft
entlassen.
Einziger Zweck der Ausschaffungshaft, so erinnerte das
Gericht,
sei die Sicherstellung einer Ausweisung. Das Vollzugsregime müsse
sich von jenem für Untersuchungshäftlinge oder Strafgefangene
"wesentlich unterscheiden". Die Beschränkung der Freiheitsrechte
dürfe nicht über das hinausgehen, was zur Gewährleistung
des Haftzwecks erforderlich sei.
Spaziergang unter Stacheldraht
Das Verwaltungsgericht anerkannte zwar in seinem Urteil,
dass die
Haftbedingungen für Ausschaffungshäftlinge im
Regionalgefängnis Bern nach bundesgerichtlicher Kritik verbessert
worden seien; für Frauen und Männer existierten mittlerweile
Wohngruppen mit Aufenthaltsraum und freiem Zugang zum Telefon. Es
fehlten aber, so kritisierte das Gericht, "geeignete
Beschäftigungsmöglichkeiten", und Aufenthalte im Freien
beschränkten sich auf einen einstündigen Spaziergang in einem
kleinen, "von hohen Mauern umgebenen und mit Stacheldraht
überdeckten Spazierhof auf dem Dach des Gebäudes".
Der Vollzug der ausländerrechtlichen
Administrativhaft in
einer Wohngruppe des Regionalgefängnisses, folgerte das Gericht,
sei zwar am Anfang der Haftzeit "nicht als optimal, aber doch als
grundsätzlich gesetzes- und verfassungskonform" anzusehen,
insbesondere dann, wenn eine Beschäftigungsmöglichkeit
bestehe. Je länger die Haftzeit andauere, desto weniger
einschneidend aber hätten die Freiheitsbeschränkungen
auszufallen. Bei einer Haftdauer von vier Monaten jedenfalls, so fand
das Gericht, entspreche die Unterbringung von
Ausschaffungshäftlingen im Regionalgefängnis nicht mehr den
gesetzlichen Mindestanforderungen - weshalb es den Behörden die
Verlegung oder die Freilassung der Frau empfahl.
Keine speziellen Plätze für Frauen
Männer in Ausschaffungshaft durchlaufen laut den
Berner
Vollzugsbehörden in der Regel ein "dreistufiges Vollzugsregime":
Sie verbringen zuerst "kurze Zeit" in einer Mehrfachzelle, später
halten sie sich in einer Wohngruppe in einem Regionalgefängnis
auf. Spätestens nach acht bis zehn Wochen dann werden sie in den
Ausschaffungstrakt in der Strafanstalt Witzwil verlegt, wo sie mehr
Freiheiten geniessen. Für Frauen gibt es im Kanton Bern keine
vergleichbare Einrichtung. Sie verbrachten bisher die ganze
Ausschaffungshaft in der Wohngruppe des Regionalgefängnisses Bern.
Man werde für Frauen mit längerer
Ausschaffungshaft
aufgrund des Gerichtsurteils nun eine Lösung suchen müssen,
sagte gestern auf Anfrage Georges Caccivio, Stabschef im kantonalen Amt
für Freiheitsentzug für Betreuung. Eine solche liege aber
nicht einfach auf der Hand. So seien auch die Möglichkeiten
beschränkt, die Frauen in ausserkantonalen Anstalten
unterzubringen. Der Kanton Bern verfügt über rund 80
Plätze für die Ausschaffungshaft, derzeit sind fünf
Frauen inhaftiert - in der Wohngruppe des Regionalgefängnisses
Bern.
Gericht fordert explizite Regeln
Das Verwaltungsgericht hat die Berner Behörden in
seinem
Urteil auch in einem zweiten Punkt hart kritisiert. Die
ausländerrechtliche Administrativhaft, so erinnerte es, stelle
einen "schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte der betroffenen
Person" dar. Laut dem Bundesgericht seien deshalb "die wichtigsten mit
dem Haftvollzug verbundenen Freiheitsbeschränkungen auf Gesetzes-
oder mindestens Verordnungsstufe" zu regeln. Im Kanton Bern
bestünden aber, anders als in vielen anderen Kantonen, keine
entsprechenden Regeln. Der Kanton habe deshalb "ohne Verzug"
entsprechende Bestimmungen auszuarbeiten, forderte das
Verwaltungsgericht. Die Sache werde "in Kürze an die Hand genommen
und geregelt werden", sagte gestern Stabschef Caccivio.
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MIGRATION CONTROL
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Tagesanzeiger 17.9.10
Bürgerliche wollen den Zustrom aus Afrika und dem Balkan
bremsen
FDP, CVP und SVP planen, die Einwanderung aus
Nicht-EU-Staaten zu
erschweren. Die Schweizer Flüchtlingshilfe übt heftige Kritik
an den Vorschlägen.
Von Fabian Renz, Bern
Die Bevölkerung der Schweiz wächst und
wächst -
"zehnmal schneller, als es das Bundesamt für Statistik vor neun
Jahren prophezeit hat. Und mit entsprechend negativen Folgen für
Gesellschaft, Wirtschaft und Ökologie", warnt der Aargauer
FDP-Nationalrat Philipp Müller. Da der freie Personenverkehr mit
der EU vertraglich fixiert ist, bleibt für Müller nur ein
Sektor, in dem wirksame Gegenmassnahmen getroffen werden können:
bei der Immigration aus Ländern ausserhalb der Europäischen
Union (EU). "Jedes Jahr wandern über 40 000 Personen aus
Nicht-EU-Staaten in die Schweiz ein, vor allem aus Afrika und dem
Balkan. Trotzdem weigert sich Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf,
etwas gegen diesen massiven Zustrom zu unternehmen."
Unterstützt durch seine bürgerlichen Kollegen
aus der
Staatspolitischen Kommission (SPK) hat Müller das Heft darum
selbst in die Hand genommen. Am Mittwoch reichte er drei
parlamentarische Initiativen für ein verschärftes Asyl- und
Ausländerrecht ein - mit den Unterschriften aller FDP-, CVP- und
SVP-Vertreter aus der SPK. Konkret beinhalten die Initiativen folgende
Forderungen:
Niederlassungsbewilligung erst nach zehn Jahren:
Anerkannte
Flüchtlinge sollen statt wie heute fünf neu zehn Jahre warten
müssen, bis sie Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung
erhalten - so wie es für die als normale "Büezer"
eingewanderten Nicht-EU-Ausländer schon jetzt Voraussetzung ist.
Müller hält die Verschärfung für umso nötiger,
als eine Niederlassungsbewilligung auch einen Rechtsanspruch auf
Familiennachzug zur Folge habe.
Kein Flüchtlingsstatus für
Familienangehörige:
Künftig sollen Ehegatten und Kinder anerkannter Flüchtlinge
nicht mehr von einer automatischen Angleichung ihres Status
profitieren. Der Flüchtlingstitel führe dazu, dass
Familienangehörige auch bei schwerem Fehlverhalten nicht aus dem
Land gewiesen werden könnten, argumentiert Müller.
Familiennachzug nur bei gesicherten
Lebensverhältnissen:
Personen mit einer Niederlassungsbewilligung sollen ihre Familien nur
in die Schweiz nachziehen dürfen, wenn eine geeignete Wohnung
vorhanden ist und keine Sozialhilfe bezogen werden muss. Für
Jahresaufenthalter sei das schon heute Bedingung, gibt Müller zu
bedenken.
Ob diese Massnahmen die Einwanderung in der
gewünschten
Grössenordnung abbremsen würden, wagt der FDP-Nationalrat
nicht vorherzusagen. "Aber mit diesen Neuerungen hätten wir unser
Möglichstes getan." Denn klar ist für Müller auch: Noch
weiter gehende Verschärfungen, die mit der Europäischen
Menschenrechtskonvention kollidieren würden, kommen nicht infrage.
Bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe bezweifelt man indes die
Rechtmässigkeit der von Müller eingereichten
parlamentarischen Initiativen. Problematisch ist für Susanne Bolz,
die Chefjuristin der Organisation, etwa die Streichung des
Flüchtlingsstatus für die nächsten Familienmitglieder:
"Wenn ein politisch Verfolgter aus seinem Land flieht, haben seine
Angehörigen oft Racheakte zu befürchten - darum werden eben
auch sie als Flüchtlinge anerkannt."
Den Vorschlag, Flüchtlinge neu zehn Jahre lang auf
eine
Niederlassungsbewilligung warten zu lassen, wertet Bolz überdies
als Bruch mit der UNO-Flüchtlingskonvention. "Flüchtlinge
müssen gleich behandelt werden wie die bestgestellten
Ausländer im Land. In der Schweiz sind das die Einwanderer aus der
EU sowie ausländische Ehegatten von Schweizern - und für sie
alle gilt bezüglich Niederlassungsbewilligung eine Wartefrist von
nur fünf Jahren."
Bolz' Urteil über die bürgerlichen
Repressionspläne fällt in der Summe entsprechend
ungnädig aus: "Einmal mehr reiner Aktionismus".
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Beobachter 17.9.10
Das Tabu Zuwanderung
Gian Signorell
Noch nie sind so viele Menschen in die Schweiz
eingewandert wie
in den letzten Jahren. Die Bevölkerung ist beunruhigt - Politiker
und Fachleute sind in ideologische Grabenkämpfe verwickelt. Text:
Gian Signorell
Der Shootingstar der Grünen muss aufpassen, was er
sagt.
"Das Thema ist heikel. Es ist wichtig, dass ich die Worte so
wähle, dass sie nicht missverstanden werden", sagt Bastien Girod
heute. Er will nicht wieder in die gleiche Bredouille kommen wie im
letzten Herbst, als er von der eigenen Partei in die rechte Ecke
gestellt wurde.
Girod fordert, die Zuwanderung in die Schweiz sei zu
bremsen.
Andernfalls würden der Wohnungsmangel und die
Verkehrsengpässe auf Strasse und Schiene verschärft, die
sozial Schwachen in schlechtere Wohnlagen verdrängt und die
Erholungsräume noch stärker zerschnitten. Für diese
Forderung erntet er viel Zuspruch an der Basis, doch die Parteispitze
sieht es ganz anders. Grüne Migrationspolitik basiere auf
Solidarität, Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung, sagt der
Präsident der Grünen, Ueli Leuenberger, und stellt fest: "Die
Schweiz hat kein Problem mit der Zuwanderung."
Es kommen mehr Gutqualifizierte
Doch Zahlen können diesen Befund kaum stützen.
74600
Personen betrug im letzten Jahr der Bevölkerungszuwachs durch
Einwanderung. Das entspricht ungefähr einer Stadt von der
Grösse St. Gallens. Im Jahr 2008 wurde gar die bislang
höchste Nettozuwanderung erreicht: 98200 Personen. Damit kamen
etwa so viele Menschen in die Schweiz wie Winterthur, die
sechstgrösste Stadt des Landes, Einwohner zählt. Auch 2007
war die Einwanderungsbilanz mit 75500 Personen bereits hoch gewesen.
Die massive Zunahme bei der Zuwanderung der letzten Jahre
ist vor
allem ein Effekt der Personenfreizügigkeit. Das Abkommen trat 2002
in Kraft und ermöglicht es den Bürgern der EU, sich in der
Schweiz niederzulassen, wenn sie hier Arbeit gefunden haben. Umgekehrt
können Schweizer unter der gleichen Bedingung in der EU wohnen.
Vor allem der Wegfall der Kontingente, der zahlenmässigen
Beschränkung, im Jahr 2007 führte zu einem rapiden Anstieg
der Einwanderungszahlen.
Seit Mitte der neunziger Jahre hat sich der Bildungsstand
der
Einwanderer verschoben - zugunsten von Hochqualifizierten. Bei der
"alten" Zuwanderung verfügte vier Jahrzehnte lang rund die
Hälfte der neu einwandernden ausländischen
Vollzeiterwerbstätigen nicht über eine Berufsausbildung; nur
jeder Fünfte hatte einen Hochschulabschluss. Inzwischen hat sich
dieses Verhältnis beinahe umgekehrt: Fast 60 Prozent weisen einen
Hochschulabschluss auf, weniger als 20 Prozent sind ungelernt.
"Freizügigkeit hat Aufschwung ermöglicht"
Die Bundesverwaltung wird denn auch nicht müde, die
Personenfreizügigkeit als Erfolg darzustellen. "Das
Personenfreizügigkeitsabkommen hat die Zuwanderung von
Arbeitskräften in die Schweiz in den letzten acht Jahren
begünstigt und der Schweizer Volkswirtschaft einen
aussergewöhnlich starken Aufschwung ermöglicht", teilte das
Staatssekretariat für Wirtschaft im Mai mit. Die anhaltende
Zuwanderunghabe sich stabilisierend auf den Konsum und die
Bauinvestitionen ausgewirkt, Rezession und Beschäftigungseinbruch
in der Schweiz seien im Vergleich zu anderen Industrienationen moderat
ausgefallen.
Auch der Berner Thomas Straubhaar, der seit mehr als 20
Jahren im
Ausland lebt und heute an der Universität Hamburg eine Professur
für Volkswirtschaftslehre innehat, lobt die
Personenfreizügigkeit als "die beste Migrationspolitik". Wenn die
Grenzen offen seien und die Gewähr bestehe, wieder einreisen zu
dürfen, sei die Bereitschaft grösser, das Land bei einer
Rezession zu verlassen, so Straubhaar.
Bedenken zu den hohen Zuwanderungszahlen, wie sie sich
häufig in Internetforen und Leserbriefen äussern, wehrt Serge
Gaillard, Leiter der Direktion für Arbeit, ab: "Wenn wir eine
blühende Wirtschaft wollen, müssen wir auch die Zuwanderung
akzeptieren. Wirtschaftliches Wachstum ist ohne
Bevölkerungswachstum nicht möglich." Was Gaillard nicht sagt:
Die Produktivitätsgewinne müssen auch auf mehr Leute verteilt
werden. "Die Zahlen werden nie pro Kopf gerechnet. Der einzelne
Arbeitnehmer hat deswegen kaum mehr im Portemonnaie", kritisiert der
Freiburger Volkswirtschaftler Reiner Eichenberger.
Gaillard geht davon aus, dass bei einer weiteren
Konjunkturerholung in der nächsten Zeit zusätzlich rund 50000
Menschen pro Jahr in die Schweiz kommen werden. Eine Summe in der
Grössenordnung der Einwohnerzahl von Biel. Zieht die Konjunktur
stark an, dürfte es mehr werden.
Die Prognose fiel falsch aus
Wenn die Wirtschaft brummt, werden die problematischen
Seiten der
Personenfreizügigkeit gerne ausgeblendet. Etwa der Umstand, dass
sich die Bundesverwaltung vor Jahren schon einmal gründlich
verrechnet hat. "In Zeiten schwächerer Konjunktur wird die
Zuwanderung zurückgehen", versprach Volkswirtschaftsministerin
Doris Leuthard im Januar 2009, einen Monat vor der Abstimmung über
die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und
Bulgarien.
2009 schrumpfte die Schweizer Wirtschaft real um 1,9
Prozent. Es
handelt sich um den stärksten Einbruch seit der Erdölkrise
der siebziger Jahre. Zwar ging die Zuwanderung zurück, verharrte
jedoch auf hohem Niveau. Die Arbeitslosigkeit stieg in der ersten
Hälfte des Jahres stark an, bei kürzlich zugewanderten
Personen sogar überproportional. "Wir haben erwartet, dass die
Rückwanderung stärker ausfällt und mehr EU-Bürger
in ihre Länder zurückkehren, wenn sie arbeitslos werden. Da
haben wir uns getäuscht", musste Bundesrätin Doris Leuthard
eingestehen.
Der Irrtum erstaunt nicht, denn selbst Experten sind sich
über die Auswirkungen der Freizügigkeit nicht einig. Der
Bundesrat navigiert auf Sicht. "Die Auswirkungen der
Personenfreizügigkeit werden eigentlich gar nicht richtig
diskutiert. In der politischen Debatte dominiert Ideologie", sagt
Roland Aeppli von der Konjunkturforschungsstelle der ETH.
Zehn Millionen wollen in die Schweiz
Rechtssicherheit, sozialer Frieden, moderate Steuern,
tiefe
Arbeitslosigkeit, hoher Lebensstandard machen die Schweiz attraktiv
für Arbeitsuchende und internationale Unternehmen wie Google, Ebay
oder den Navigationsriesen Garmin. Das US-Umfrageinstitut Gallup hat
347000 Erwachsene in 148 Ländern über ihre
Auswanderungsträume befragt. Ergebnis: Hochgerechnet zehn
Millionen Menschen möchten gern in der Schweiz leben. Das
US-Magazin "Newsweek" zollte der Schweiz im August viel Lob und
wählte sie zum zweitbesten Land der Welt, in internationalen
Rankings der Lebensqualität erreichen Zürich und Genf
regelmässig Spitzenplätze.
"Die Welt hat die Schweiz entdeckt und gemerkt, dass sie
weltweit
der beste Standort ist", sagt Björn Johansson, Headhunter für
Topkader. Eine Folge davon: Viele Firmenchefs sind Ausländer.
Für Johansson ein Wettbewerbsvorteil: "Wir sind besser
gerüstet für die Globalisierung als die Deutschen, die
Franzosen oder die Engländer. Das verdanken wir dem
multikulturellen Topmanagement."
Volkswirtschaftler Straubhaar lobt den durch die
Zuwanderung
entstehenden "Alinghi-Effekt": "Da wird die Schweiz, die nicht einmal
ein Meer hat, plötzlich als Segelnation wahrgenommen. Und das
wegen einer Crew, in der keine Urschweizer dabei sind, in einer
Disziplin, die bei uns keine Tradition hat. Und was passiert? Weltweit
weht das Schweizer Fähnlein, die ETH forscht im Windkanal, eine
Bieler Firma entwickelt Segeltechnologie, es entstehen neue
Arbeitsplätze."
Doch der Erfolg hat auch Schattenseiten. Unmittelbarster
Effekt:
Druck auf die Miet- und Wohnpreise. Die Nationalbank-Ökonomen
Kathrin Degen und Andreas M. Fischer haben am Beispiel von
Einfamilienhäusern errechnet, dass ein Prozent Immigration das
Wohneigentum im Schnitt um 2,7 Prozent verteuert. Ein Effekt, mit dem
auch die Mieten steigen. Die Städte tragen dabei die Hauptlast.
Für Zürich heisst das: Wächst die Stadtbevölkerung
um 3650 Personen, steigt der Durchschnittszins einer
2000-Franken-Wohnung um mehr als 50 Franken (siehe Beobachter Nr. 17).
"30 Jahre lang Baustellen"
Gepaart mit dem steigenden Mobilitätsbedürfnis
sorgt
unter anderem die Zuwanderung für Staus auf den Strassen und
überfüllte Züge. Die Prognosen des Bundesamts für
Raumentwicklung rechnen für den Zeitabschnitt von 2000 bis 2030
mit einem Wachstum des motorisierten Individualverkehrs von knapp einem
Fünftel. Die SBB gehen bis 2030 von einem Nachfragewachstum von
deutlich mehr als 50 Prozent aus, in den grossen Agglomerationen wie
Zürich und Genf-Lausanne sogar von einem Spitzenwachstum von
über 100 Prozent. Investitionsbedarf allein für die Bahn:
geschätzte 20 Milliarden Franken.
Wie viel davon zuwanderungsbedingt ist, können die
SBB nicht
sagen: "Bevölkerungswachstum generell ist bei der Berechnung von
Nachfrageprognosen ein Faktor unter vielen, wie zum Beispiel
Mobilitätsverhalten, Wirtschaftswachstum, Raumplanung,
Bahnangebot, Angebot anderer Transportmittel und so weiter. Diese
Faktoren stehen zudem in steter Wechselwirkung zueinander", sagt ein
SBB-Sprecher.
Volkswirtschaftler Eichenberger warnt vor dramatischen
Veränderungen: dichtere Besiedlung, Landverschleiss, hohe
Investitionen in die Infrastruktur, Lärm und Stress wegen der
Verkehrsprobleme. "Natürlich können wir sagen, wir machen die
Schweiz fit für neun oder zehn Millionen Einwohner. Das bedeutet
aber auch, dass wir 30 Jahre lang praktisch permanent und fast
überall mit Baustellen und deren negativen Auswirkungen
konfrontiert werden."
Bei anhaltendem wirtschaftlichem Erfolg ist diese
Entwicklung
kaum mehr aufzuhalten. Mit dem Abschluss des
Freizügigkeitsabkommens hat die Politik die Möglichkeit der
Steuerung der EU-Einwanderung aus der Hand gegeben. Die Wirtschaft
diktiert. Im Falle von "grossen Verwerfungen", so Serge Gaillard vom
Staatssekretariat für Wirtschaft, bestünde die
Möglichkeit, "mit der EU zu reden".
Doch aktuell geht die EU genau in die entgegengesetzte
Richtung.
Die Schweiz muss mit der Forderung rechnen, die
Personenfreizügigkeit sei auf die EU-intern geltende
Unionsbürgerschaft auszudehnen. Unter anderem hätte das zur
Folge, dass nichterwerbstätige EU-Bürger Zugang zu
Sozialhilfe erhielten und der Familiennachzug erleichtert würde.
Bei der heutigen Regelung ist das anders: Nichterwerbstätige sowie
Selbständigerwerbende verlieren ihr Anwesenheitsrecht, wenn sie
der Fürsorge anheimfallen.
Und ein weiteres Problem bleibt vorerst ungelöst: die
Einwanderung aus Nicht-EU-, also aus Drittstaaten. "Wir haben in diesem
Bereich heute wieder genau so hohe Zahlen wie vor Einführung der
Personenfreizügigkeit im Jahr 2002", warnt der Aargauer
FDP-Nationalrat Philipp Müller.
"Direkte Einwanderung in den Sozialstaat"
Müller ortet vor allem Handlungsbedarf beim
Familiennachzug.
"Der macht über die Hälfte der Einwanderung aus Drittstaaten
aus." So würden mittlerweile Jahr für Jahr über 40000
Menschen aus Drittstaaten eine definitive Aufenthaltsbewilligung
erhallten, in vielen Fällen sei das gleichbedeutend mit der
"direkten Einwanderung in den Sozialstaat". Ein Grund dafür ist
eine spezielle Regelung im Asylbereich: Normalerweise erhält ein
Ausländer nach zehn Jahren eine Niederlassungsbewilligung.
Anerkannte Flüchtlinge hingegen werden schon nach fünf Jahren
niederlassungsberechtigt und erhalten Rechtsanspruch auf
Familiennachzug. Das stört Müller: "Sie können also ihre
Familie in die Schweiz holen, obwohl sie weder eine Wohnung haben noch
selber für ihre Familie aufkommen können."
Weil es teilweise auch zweifelhaft sei, ob es sich bei den
über den Familiennachzug eingereisten Personen wirklich um
Verwandte handle, fordert Müller nun, dass der Familiennachzug in
allen Fällen nur noch möglich sein soll, wenn er nicht zu
Sozialfällen führt.
Bei Justizministerin Widmer-Schlumpf ist Müller mit
seinen
Ideen aufgelaufen, jetzt versucht er es mittels Vorstössen im
Parlament. "Wir müssen etwas tun, sonst läuft die Situation
massiv aus dem Ruder. Korrigieren wir die Zahlen bei der
Drittstaaten-Einwanderung nicht massiv nach unten, wird das Volk die
Personenfreizügigkeit bei der nächsten Abstimmung versenken",
prophezeit Müller. n
Redaktionelle Mitarbeit: Susanne Loacker
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NO BORDER CAMP BRÜSSEL
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linksunten.indymedia.org 16.9.10
Enjoy Brussels! Einige Ideen...
Verfasst von: Autonome Gruppe "Schuman's dritte Symphonie”.
Enjoy Brussels! Einige Ideen...
enjoybrussels.noblogs.org - Text und praktische Infos zum No
Border
Camp in Brüssel (25. September - 3. Oktober)
I. EINLEITUNG
Dieser Text entstand aus praktischen Fragen im Zusammenhang mit
der
Austragung des ECOFIN-Treffens (europäische Finanzminister
versammeln sich vom 30. September bis 1. Oktober) und europäische
Gewerkschaftsdemo (am 29. September) während des No Border Camps
in Brüssel (25. September bis 3. Oktober). Während
Diskussionen, erfragten wir unsere Position im Bezug auf diesen Gipfel.
Unsere Überlegungen führten schnell zu "die” aktuelle Krise
und ihre soziale und politische Effekte, in der zwischenzeitlichen
Erhöhung rassistischer Politik und Verhaltensweisen, und soziale
Revolten und Massenbewegungen. Fragen über diese Effekte sind
schlussendlich, der zentrale Grund, dieses Textes, mit der letzten
September Woche als Hintergrund. Aus einer radikalen Position gegen
Grenzen und für die Freiheit der Bewegung schlagen wir hier mit
ein paar Ideen über die "No Border Bewegung”, über Relationen
zwischen antimigrations- und europäische ökonomische Politik
und über das aktuelle Aufblühen von Revolten vor. Ideen die
darauf abzielen zu überlegen, zu diskutieren … und zu agieren.
II. ÜBER UNSERE LIMITS
III. MIGRATIONEN IN DER ENTWICKLUNG DES ÖKONOMISCHEN UND
SICHEREN
EUROPAS
IV. ANGST UND PATRIOTISMUS IN ZEITEN DER "KRISE”
V. SOZIALE BEWEGUNGEN UND PERSPEKTIVEN
Als pdf (deutsch)
http://linksunten.indymedia.org/system/files/data/2010/09/1005252488.pdf
Artikel auf français, english, deutsch, español,
italiano
und praktische Infos auf: http://enjoybrussels.noblogs.org
Weitere interessante Links zum No Border Camp in Brüssel:
No Border Camp Brussels: http://noborderbxl.eu.org
Precarious United: http://www.precarious-united.eu/
Brussels Indymedia: http://bxl.indymedia.org
Enjoy Brussels! Einige Ideen... (PDF)
http://linksunten.indymedia.org/de/system/files/data/2010/09/1005252488.pdf
--
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actionlists
Verfasst von: anonym. Verfasst am: Do, 16.09.2010 - 12:31.
http://paris.indymedia.org/IMG/doc/LIST-en.doc
http://www.adequations.org/IMG/pdf/LobbyPlanet.pdf
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no prison
Verfasst von: no state. Verfasst am: Do, 16.09.2010 - 17:13.
Mobiclip: http://www.youtube.com/watch?v=TyFBndmaRL4
1. Okotober in Brüssel: Anarchistische Demonstration gegen
Abschiebelager und Knäste
Plakat: http://media.de.indymedia.org/media/2010/09//289902.pdf
Aufruf (vorerst nur auf fr): http://non-fides.fr/?Pour-un-monde-sans-centres-fermes
Auf nach Brüssel!
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Indymedia 16.9.10
Gegen Abschiebezentren!
Aufruf zur Demonstration am
1. Oktober 2010, 19:00 Gare du Midi - Brüssel http://ch.indymedia.org/de/2010/09/77515.shtml
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SEXWORK
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20 Minuten 15.9.10
Businessplan für Dirnen?
ZÜRICH. Zürcher Prostituierte sollen
womöglich
bald einen Businessplan vorlegen müssen und darin detailliert
Auskunft über ihre Arbeit geben. Rolf Vieli, Leiter des
städtischen Projekts Rotlicht, bestätigte gegenüber "10
vor 10", dass das Polizeidepartement dies prüfe.
"Grundsätzlich befürwortet das Projekt Rotlicht alles, was
mehr Transparenz ins Rotlichtmilieu bringt." In Bern arbeitet man
bereits seit einem Jahr damit: "Der Businessplan gibt uns Gewissheit,
dass die Frauen nicht von Zuhältern ausgenutzt werden", sagte
Alexander Ott, Chef der Berner Fremdenpolizei. Politiker widersprechen
allerdings: "Aus sprachlichen Gründen können die wenigsten
Dirnen einen solchen Plan erstellen- sie werden so in die
Illegalität gezwungen", sagte die Berner FDP-Grossrätin
Katrin Zumstein zu 20 Minuten.
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ANTI-FEMINISMUS
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20 Minuten 15.9.10
Antifeminismus-Treffen eine Angstreaktion der Männer?
ZÜRICH. Fünf namhafte Männerorganisationen
wagen
den Aufstand gegen die "Unterdrückung der Männer". Am ersten
internationalen Antifeminismus-Treffen beginnen sie ihren Kampf.
Nirgends hätten ledige Väter so wenig Rechte wie
in der
Schweiz, sagt Michael de Luigi von der Schweizer
Männerorganisation Mannschafft. Deshalb wird er am ersten
internationalen Antifeminismus-Treffen in Zürich teilnehmen. "Die
Feministinnen hocken noch immer an den Schaltstellen der Macht, vor
allem im so- zialen und familiären Bereich." Das Grundgesetz der
Gleichberechtigung von Mann und Frau werde mit Füssen getreten.
Mannschafft ist nur eine von fünf Männerorganisationen, die
am 30. Oktober am ersten internationalen Antifeminismus-Treffen
teilnehmen werden. Auch die IG geschiedener und getrennt lebender
Männer, die Männer menschlich, sozial und juristisch
unterstützt, ist dabei, sowie zwei weitere deutsche
Männerorganisationen.
Ins Leben gerufen wurde das Treffen von der IG
Antifeminismus.
Präsidiert wird diese von SVP-Mann René Kuhn, der einst als
"Frauen-Lästerer" für Schlagzeilen sorgte. "Ein grosser Teil
der Männer ist mit der heutigen übermässigen
Bevorteilung der Frauen und Diskriminierung der Männer nicht mehr
einverstanden", sagt Kuhn.
Für Rosmarie Zapfl, Präsidentin der
Frauenorganisation
Alliance F, ist das Antifeminismus-Treffen eine "Angstreaktion": "Es
gibt inzwischen so viele starke selbstbewusste Frauen. Dies
schüchtert viele Männer ein und verleitet sie zu solchen
Gegenaktionen."
Derweil hat das Restaurant Waid, wo das Treffen
stattfinden
sollte, den Initianten eine Absage erteilt. Laut Kuhn wird die Tagung
aber dennoch stattfinden: "Wir lassen uns von Feministen nicht den Mund
verbieten."
Désirée Pomper
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"Feministinnen sterben bald aus"
ZÜRICH. Alfredo Stüssi, Präsident der
Männerpartei, über den Beginn der Revolution entfremdeter
Väter.
Warum nimmt die Männerpartei am ersten
internationalen
Antifeminismus-Treffen teil?
Alfredo Stüssi: Der Feminismus ist seit den
60er-Jahren
ausgeartet. Mütter haben das Gefühl, Kinder gehörten nur
ihnen, und degradieren Väter zu Zahlungsmaschinen. Das Sorgerecht
und die Obhut wird meist den Müttern zugesprochen. Das
Bildungssystem bevorzugt Mädchen. Es muss endlich Schluss sein mit
der Männerdiskriminierung.
Initiant der Tagung ist ein SVP-Politiker. Politisieren
Sie auf
der gleichen Linie?
Nein, die Männerpartei politisiert in der Mitte. Es
muss uns
bewusst sein: Männer, die Opfer feministischer Auswüchse
werden, gibt es in allen Parteien.
Sie sagen das Ende der Feminismus-Ära voraus.
Die neue Frauengeneration ist viel offener und flexibler.
Es ist
nur eine Frage der Zeit, bis die Feministinnen aussterben. Jetzt
beginnt die Revolution der entfremdeten Väter. dp
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PUNK'S NOT DEAD
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Radio Dreyeckland (Freiburg) 16.9.10
Punk bleibt Punk - Eine europäische Bewegung?
Gibt es eine vernetzte Europäische Punk-Szene, wie
unterscheiden
sich die Lebenswelten von Ost- und Westeuropäischen Punks? Diese
Fragen stellt Viktoria Balon an Lucja Romanowska, die Autorin von
Fotobuch und Ausstellung
"Euch die Uhren - uns die Zeit: Straßenpunks 1999-2009".
Lucja Romanowska, geboren 1983 in Gdynia, Polen, dann nach
Deutschland
ausgewandert, hat beinahe 10 Jahre lang die Szene in Deutschland und
teilweise in Polen aus nächster Nähe miterlebt.
http://www.freie-radios.net/mp3/20100916-punkbleibt-36063.mp3
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ANTI-ATOM
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Tagesanzeiger 17.9.10
Nagra sucht Empfangsstandort für radioaktiven Abfall
Während zweier Wochen werden Experten für die
Lagerung
von radioaktiven Abfällen im Gebiet Nördlich Lägern
Feldbegehungen unternehmen. Vor Ort wollen sie einen Augenschein nehmen.
Von Manuela Moser
Unterland - Ab nächsten Montag werden Vertreter der
Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra)
das Gebiet Nördlich Lägern besuchen. "Unauffällig und
ohne Schriftzüge der Nagra" - wie Heinz Sager, Leiter
Kommunikation Nagra, an der gestrigen Pressekonferenz betonte. Vier bis
sechs Umweltfachleute und Ingenieure werden vor Ort einen Augenschein
über die tatsächlichen Begebenheiten derjenigen Region
nehmen, die unter den sechs möglichen Standorten für ein
Tiefenlager ist. Die Nagra-Vertreter werden dabei fotografieren,
Baugrund und Landschaftsbild einsehen und ihre eigenen Pläne -
entworfen am Pult - mit der Realität vergleichen. Es ergäben
sich immer andere Eindrücke, so Sager, wenn man tatsächlich
im Feld stehe. "Bei den Feldbegehungen werden keine Privatwege
betreten", betonte er. Ende dieses Monats werden die Nagra-Vertreter
ihre Arbeit abgeschlossen haben.
Umverpackung in Behälter
Ziel der Begehungen ist es, Standorte für den Bau von
Oberflächenanlagen zu prüfen. Bereits einen Monat nach dem
bundesrätlichen Entscheid im Sommer 2011 über die Gebiete,
welche im Auswahlverfahren für ein Tiefenlager bleiben, muss die
Nagra Vorschläge für Lager an der Oberfläche machen.
Diese oberirdischen Bauten werden die Empfangsanlagen der
künftigen Tiefenlager sein; dort werden die radioaktiven
Abfälle entgegengenommen und unter strengsten
Sicherheitsvorkehrungen in Behälter umverpackt. In diesen
Behältern werden sie dann mittels eines Tunnels in die Tiefe
versenkt. Im Gebiet Lägern Nord - oder einem der andern fünf
Standorte der Schweiz - sind zwei Tiefenlager geplant: eines für
hoch aktiven (HAA) und eines für mittel- bis schwach radioaktiven
Abfall (SMA). Also bräuchte es dementsprechend auch zwei - oder
falls sie zusammengelegt werden - eine Oberflächenanlage.
Ein solcher Bau nimmt fünf bis acht Hektar Land in
Anspruch.
Vorschriften über den Standort gibt es keine. Er kann siedlungsnah
im Industriegebiet genauso wie siedlungsfern versteckt an einem
Waldhang zu stehen kommen. "Wichtig ist", so betonte Susanne Haag,
Projektleiterin Raumplanung und Umweltverträglichkeit, "dass
überall die gleichen Sicherheitsmassstäbe gelten." In einer
solchen Empfangsanlage sei weltweit noch nie etwas passiert.
In der Schweiz wird heute radioaktiver Abfall aus den
fünf
Kernkraftwerken sowie aus Medizin, Industrie und Forschung bereits an
das Zwischenlager in Würenlingen AG geliefert. Laut der Nagra wird
die Bevölkerung wegen einer Oberflächenanlage keine Nachteile
haben: Es gibt weder Geruchs- noch übermässige
Geräuschemissionen. Auch eine Explosion ist undenkbar - hoch
radioaktiver Abfall ist nicht brennbar. Zudem sollten die Behälter
mit dem Material absolut dicht sein. "Und wenn im unwahrscheinlichen
Fall ein Behälter beim Transport doch umfällt und
aufspringt", so Sager, "dann spielt das klassische Strahlenszenario:
Der austretende Stoff wird sofort abgeschirmt." Er kann nicht bis ins
Dorf strahlen.
"Mit einer Oberflächenanlage erhält eine
Gemeinde ein
mittelgrosses Unternehmen", unterstreicht Sager die Vorteile. Rund 100
Arbeitsstellen würden geschaffen. Das geplante Besucherzentrum
bringt weitere Einnahmen.
Die betroffenen Gemeinden werden Vorschläge für
Standorte bringen können. Da sich im Gegensatz zum Tiefenlager ein
oberirdischer Bau an keine harten Kriterien halten muss, ist der
Standort flexibler. Er muss auch nicht direkt oberhalb des Tiefenlagers
sein, sondern kann im Umkreis von fünf Kilometern gebaut werden.
Die Abfälle werden dann über einen schrägen Tunnel in
die Tiefe geführt. Gebaut wird eine Oberflächenanlage wegen
des langwierigen Verfahrens allerdings frühestens 2040.
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Aargauer Zeitung 17.9.10
Ohne Oberanlage kein Tiefenlager
Die Nagra trifft im Rahmen der Feldbegehungen in
"Nördlich
Lägern" keine Vorentscheide
Die Nagra macht Feldbegehungen in den 6 Regionen, die als
Standorte für ein Tiefenlager zur Lagerung radioaktiver
Abfälle infrage kommen. Dabei sollen geeignete Standorte für
Oberflächenanlagen gefunden werden.
Andreas Bannwart
"Mit den Feldbegehungen verifizieren wir, was wir im
Büro
ausgearbeitet haben", sagt Susanne Haag, Verantwortliche für
Raumplanung und Umweltverträglichkeit der Nagra (Nationale
Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle). Die
Nagra hat die Aufgabe, dem Bundesrat konkrete Standorte für zwei
Oberflächenanlagen vorzuschlagen. Eine Anlage für hochaktive,
eine für mittel- bis schwachaktive Abfälle - oder kombiniert
in einer Anlage. Dort würden radioaktive Abfälle von
Kastorbehältern in Endlagerbehälter umverpackt und über
einen Tunnel ins Tiefenlager geführt. Die Verpackungsanlage hielte
dabei einem Flugzeugabsturz stand.
Gemeinden kommen zu Wort
In den Feldbegehungen vergleicht die Nagra zusammen mit
Ingenieuren und weiteren Fachpersonen ihre Standortpläne mit den
Gegebenheiten in den Regionen. Damit vertieft sie ihre Datengrundlage,
um diese ab Mitte 2011 den regionalen Interessengruppen als
Diskussionsgrundlage vorzulegen. "Ein Oberflächenlager soll
technisch umsetzbar und vernünftig sein; wir treffen keine
Vorentscheide", sagt Haag. Bei der Standortwahl für eine
Oberflächenanlage habe die Gemeinde zudem ein Mitspracherecht, was
beim Tiefenlager nicht der Fall sei. Der Standort eines Tiefenlagers
werde nicht automatisch auch Standort einer Oberflächenanlage,
unabhängig der Tunnellänge. Als Standorte wären brache
Industriegegenden und alte Abbaugebiete besonders begünstigt. Auch
Waldstücke, Hangfusslagen sowie Siedlungsgrenzen mit genügend
Fläche kämen infrage. Zu meiden sind Wohnzonen und
Schutzgebiete.
Begrenztes Sicherheitsrisiko
Unabhängig vom Standort erfüllt eine
Oberflächenanlage überall die gleichen Sicherheitskriterien.
Die Verantwortung dafür obliegt dem Eidgenössischen
Nuklear-Sicherheitsinspektorat (Ensi). Heinz Sager,
Kommunikationsleiter der Nagra, sieht für Anwohner kein besonderes
Risiko: "Kastorbehälter sind etwas vom Massivsten, was es gibt."
Dies hätten Tests mit Hitze, Druck und Aufschlag gezeigt. Zudem
sei hochaktiver Abfall weder brennbar noch könne er explodieren.
"Weltweit ist kein Fall bekannt von einem Kastorbehälter, aus dem
radioaktive Strahlung ausgetreten ist", führt Sager weiter aus.
Selbst im GAU-Fall (grösster anzunehmender Unfall) kann mit
erprobten Massnahmen eine Strahlenausbreitung verhindert werden.
Begehungen im September
Frühester Baubeginn für ein Tiefenlager ist
2040, erste
Abfälle könnten 5 Jahre später eingelagert werden. Ab
dann könnte alle 2 Monate ein Transport mit radioaktiven
Abfällen bei einer Oberflächenanlage ankommen. Die Begehungen
in "Nördlich Lägern" finden vom 20. September bis 1. Oktober
statt.
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Zofinger Tagblatt 17.9.10
Nagra beginnt mit Messungen in Riken
Murgenthal Hochsensible Messstation soll künftig
Erdbewegungen im Millimeterbereich aufzeichnen
Die Nationale Gesellschaft für Radioaktive
Abfälle
(Nagra) hat in Riken die erste ihrer neuen Messstationen für
Erdbewegungen in Betrieb genommen.
Corinne Wiesmann
Mitten im Gebiet Tannacker in Riken ragt sie über
zwei Meter
hoch gegen den Himmel. Der goldene Aufsatz ist schon von Weitem zu
sehen. Das Gerüst und der Stromkasten sind in dezentem Grün
gehalten, damit sie sich ins Landschaftsbild einfügen. Und
dennoch, die neue GNSS-Empfangsstation (Global Navigation Satelite
System) der Nagra fällt ins Auge. Auch wegen des schweren
Holzzauns, von dem sie umgeben ist. "Die Station in Murgenthal ist die
erste unserer neuen Messstationen, die wir in Betrieb nehmen konnten",
sagt Walter Gassler, Nagra-Projektleiter, bei einer Begehung vor Ort.
Sicherheitstechnische Gründe
Elf solcher Empfangsstationen der Nagra sind in der
Nordschweiz
und im angrenzenden Deutschland geplant. Sie sollen
Erdkrustenbewegungen und Erdkrustenverformungen im Bereich von weniger
als einem Millimeter pro Jahr aufzeichnen. Die neuen Stationen
ergänzen das bestehende Messnetz, das von Swisstopo (Bundesamt
für Landestopografie) bereits heute betrieben wird. "Wir betreiben
diese Stationen in erster Linie aus sicherheitstechnischen
Gründen", erklärt Walter Gassler. "Wir müssen wissen,
wie sich der Untergrund verhält, um damit Aussagen über die
Langzeitstabilität der vorgeschlagenen Tiefenlager-Standortgebiete
und deren weitere Umgebung zu gewinnen." Die Messungen könnten
darüber hinaus aber auch Daten über allgemeine geologische
Veränderungen liefern, welche in die Forschung einfliessen
würden, so der Projektleiter weiter.
25 Jahre Betriebszeit
Die Messstation in Murgenthal steht auf dem
Privatgrundstück
eines Bauern. Die Nagra zahlt dem Landwirt eine Entschädigung
für die Benützung seines Landes. Diese richtete sich nach
Massstäben des kantonalen Bauernverbandes. "Es ist aber trotzdem
nicht einfach, Eigentümer zu finden, die uns ihr Land zur
Verfügung stellen", sagt Gassler. "Umso glücklicher sind wir,
dass es hier in Murgenthal geklappt hat. Denn die Bedingungen an diesem
Standort sind optimal."
Vorerst soll die neue GNSS-Empfangsstation in Murgenthal,
die
keine Strahlungen aussendet wie etwa eine Mobilfunkantenne, für 25
Jahre betrieben werden. "Erste Trendmeldungen über die
Aktivitäten im Untergrund werden vermutlich in vier bis fünf
Jahren vorliegen", meint Walter Gassler.
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WoZ 16.9.10
Kinder, Leukämie, Akw
Schwangere, hütet euch vor AKWs!
Schweizer Atomanlagen geben beträchtliche Mengen
Tritium ab,
das Wasser radioaktiv macht. Dieses Tritium könnte der Grund sein,
weshalb Kinder, die in der Nähe von Atom anlagen leben,
häufiger an Leukämie erkranken als andere Kinder. Auch die
Strahlen schutzkommission fordert Abklärungen.
Von Susan Boos
Ian Fairlies Warnung ist deutlich: Frauen, die ein Kind
bekommen
möchten, sollten sich von Atomanlagen fernhalten - sonst riskieren
sie, dass ihr Kind an Leukämie erkrankt.
Fairlie lebt in London, ist Chemiker, bezeichnet sich als
unabhängiger Berater und gilt als ausgewiesener Nuklearexperte.
Ende August weilte er in Basel am Weltkongress der ÄrztInnen gegen
Atomkrieg (IPPNW).
Fairlie liefert eine plausible Erklärung, weshalb
Kinder,
die in der Nähe von Atomkraftwerken aufwachsen, ein doppelt so
hohes Risiko haben, an Leukämie zu erkranken, wie Kinder, die
weiter weg leben. Die deutsche Kinderkrebsstudie Kikk hat dies vor zwei
Jahren eindeutig belegt. Eine ähnliche Untersuchung, die
sogenannte Canupis-Studie, läuft zurzeit in der Schweiz. Sie ist
allerdings höchst umstritten, da die Schweiz zu klein ist, um
wissenschaftlich relevante Daten zu liefern - die AKW-Seite dürfte
die Studie allerdings dazu benützen, zu behaupten, die Meiler
seien ungefährlich (siehe WOZ Nr. 48/09).
Hauptgefahr während der Revision
Bei der Kikk-Studie konnten die AKW-Betreiber dies nie
behaupten,
weil die Resultate zu eindeutig waren. Aber trotzdem heisst es, die
Leukämiefälle hätten mit den Atomanlagen nichts zu tun,
weil diese im Normalbetrieb wenig Radioaktivität abgeben
würden.
"Falsch!", sagt Fairlie im Gespräch mit der WOZ. Der
Hauptübeltäter ist seiner Meinung nach das Tritium. Das
ist radioaktiver Wasserstoff, dessen Atome so winzig sind, dass sie
durch Beton und Stahl gehen. Tritium entsteht in allen fünf
Schweizer Reaktoren, aber auch in den Forschungsanlagen des
Paul-Scherrer-Instituts (PSI) nördlich von Baden oder im
Verbrennungsofen des Zwischenlagers, das in unmittelbarer Nähe des
PSI am Ufer der Aare liegt. Das Unangenehme an Tritium: Es setzt sich
in normalen Wassermolekülen gerne an die Stelle von
nichtradioaktiven Wasserstoffato men - wodurch das Wasser selbst
radioaktiv wird. Nehmen Menschen Tritium durch Essen, Trinken oder
Atmen auf, dann baut es der Körper in die Zellen ein.
"Gefährlich ist es vor allem während der
Revision",
sagt Fairlie, "einmal im Jahr müssen sie in den Atomkraftwerken
den Reaktordeckel öffnen, um die Brennstäbe zu wechseln. In
diesem Moment entweicht viel Tritium, denn es gibt keine
Möglichkeit, den Stoff zurückzuhalten." Die normale
Hintergrundstrahlung in der Umgebungsluft liegt bei einem AKW bei etwa
fünf Becquerel pro Liter, sagt Fairlie: "Während der kurzen
Spitzenbelastung, wenn der Reaktordeckel geöffnet wird, kann sie
fünf Millionen Becquerel betragen, ist also um den Faktor von
einer Million erhöht." Hält sich nun eine Frau, die erst
kurze Zeit schwanger ist, in diesem Moment in der Nähe des
Atomkraftwerks auf und der Wind weht vom AKW in ihre Richtung, kann es
für den Embryo riskant werden. "Kurz nach der Befruchtung sind die
Zellen am strahlenempfindlichsten, weil sie sich sehr schnell teilen",
sagt Fairlie. Diese frühen Schädigungen lösen vermutlich
später die Leukämie aus.
"Es besteht Abklärungsbedarf"
Einmal im Monat misst das Bundesamt für Gesundheit an
verschiedenen Stellen die radioaktive Belastung. Sybille Estier, die
für das Mess programm zuständig ist, meinte gegenüber
der WOZ: In der Umgebung der AKW könnten sie jeweils keinen
Tritium-Anstieg registrieren - wenn aber im Zwischenlager radioaktives
Material verbrannt werde, würden sie dies bei ihren Messungen
sehen.
Bei den Atomkraftwerken geht der gröss te Teil des
Tritiums
über die Abwässer in die Aare respektive den Rhein. Besonders
viel lassen Gösgen, Beznau und Leibstadt raus - sie erreichen
heute zwischen 15 und 21 Prozent der erlaubten Limiten.
Wobei diese Limiten sehr willkürlich erscheinen: Das
AKW
Gösgen darf zum Beispiel 3,5-mal mehr radioaktives Wasser ablassen
als das AKW Leibstadt. Würde für Gösgen dieselbe Limite
gelten wie für Leibstadt, wäre es schon bald an der Grenze
des Erlaubten. Am meisten darf übrigens der Verbrennungsofen in
Würenlingen abgeben - und zwar in die Luft, was die
Bevölkerung eigentlich alarmieren müsste.
Die Eidgenössische Kommission für Strahlenschutz
und
Überwachung (KSR) treibt das radioaktive Wasser ebenfalls um. Im
KSR-Jahresbericht heisst es: "Insbesondere wirft das organisch
gebundene Tritium einige Fragen bezüglich Toxizität und
Mobilität auf."
André Herrmann, bis vor kurzem Kantonschemiker von
Basel-Stadt, ist Präsident der KSR. Er meint, Ian Fairlies These
sei nicht abwegig, auch wenn es noch andere mögliche
Erklärungen für die erhöhte Leukämierate bei
Kindern gebe. "Es besteht in jüngster Zeit tatsächlich ein
erhöhtes Interesse an Tritium", auch in der Schweiz gebe es
Abklärungsbedarf: "Wir möchten genauer wissen, wo es vorkommt
und welche Konsequenzen es haben kann." Herrmann beeilt sich,
anzufügen: Was nicht heissen müsse, dass es gefährlich
sei, man wolle es einfach aus wissenschaftlichem Interesse wissen. Es
gebe zudem in verschiedenen Flüssen Altlas ten aus der
Uhrenindustrie (sie verwendete das Material für
Leuchtzifferblätter), die man auch untersuchen müsse, um
festzustellen, wie viel Tritium in den Flussbetten liege, woher es
stamme und ob es in die Nahrungskette gelange.
Im Ausland ist die Diskussion schon weiter. Im Juli
publizierte
die französische Strahlenschutzbehörde ASN einen Bericht, der
vermutet, das Risiko von Tritium sei bis heute unterschätzt worden
- weshalb die ASN eindringlich weitere Forschung verlangt. Eine
unabhängige Expertengruppe hat schon 2007 im Auftrag der
staatlichen britischen Health Protection Agency eine Untersuchung
veröffent licht, die zum Schluss kommt, Tritium sei doppelt so
gefährlich wie bislang angenommen, und gefährdet seien vor
allem Embryonen.
Zu hohe Grenzwerte
Der Präsident der IPPNW Schweiz, der Basler Onkologe
Claudio
Knüsli, kritisiert denn auch, dass die Strahlenschutzbehörden
von Grenzwerten ausgehen, die sich auf einen sogenannten
"Referenz-Mann" beziehen. Aufgrund von dessen Grösse, Gewicht und
Konstitution wurde hochgerechnet, wie viel radioaktive Belastung ein
Mensch angeblich vertragen kann, und daraus hat man dann die Grenzwerte
abgeleitet. Diese theoretische Annahme kann niemals einem Embryo
gerecht werden, da dieser um ein Vielfaches empfindlicher auf
radioaktive Strahlung reagiert als Erwachsene. Deshalb fordert IPPNW,
den "Referenz-Mann" durch einen "Referenz-Embryo" zu ersetzen, womit
die Strahlenschutzlimiten deutlich gesenkt werden müssten.
--
Kikk und Canupis
Die deutsche Kinderkrebs-Studie Kikk lieferte folgende
Resultate:
Kinder, die im Umkreis von fünf Kilometern um ein Atomkraftwerk
(AKW) leben, haben im Vergleich zu unbelasteten Kindern ein doppelt so
hohes Risiko, an Leukämie zu erkranken; das erhöhte Risiko
lässt sich bis zu einem Umkreis von fünfzig Kilometern
feststellen, nimmt aber mit wachsender Distanz ab; ganz kleine Kinder
sind wesentlich gefährdeter.
Die Schweizer Kinderkrebsstudie Canupis wurde im Herbst
2008
gestartet, 2011 sollen erste Resultate vorliegen. Die Studie kos tet
840 000 Franken; je 210 000 Franken bezahlen die AKW-BetreiberInnen,
den Rest der Bund und die Krebsliga. SB
---
20 Minuten 16.9.10
Greenpeace: AKWs schlecht gegen Angriffe geschützt
BERLIN. Die deutschen Atomkraftwerke sind gemäss
Greenpeace
durch tragbare Waffensysteme bedroht. Gilt das auch für die
Schweizer Anlagen?
Nach einer Studie der Umweltorganisation sind
Atomkraftwerke
nicht nur durch gezielte Flugzeugabstürze, sondern auch durch
Terroranschläge mit panzerbrechenden Waffen gefährdet. Beim
Beschuss mit sehr durchschlagskräftigen tragbaren Waffensystemen
könnte es zu einer Kernschmelze und einer Verstrahlung der
Umgebung binnen weniger Stunden kommen, erklärte die Organisation
in Berlin. Bis zu einem Drittel der Fläche Deutschlands
könnte kontaminiert werden.
Diese Gefahr besteht gemäss Greenpeace Schweiz auch
hierzulande. "Die Schweizer Atommeiler sind punkto Bauweise mit den
deutschen absolut vergleichbar. Wir müssen also nach dieser Studie
davon ausgehen, dass auch unsere AKWs stärker durch terroristische
Angriffe bedroht sind als bisher angenommen", so Sprecherin Sibylle
Zollinger.
Greenpeace hatte eine Studie zu einer speziellen
panzerbrechenden
Waffe erarbeiten lassen, der russischen Panzerabwehrlenkwaffe AT-14
Kornet-E. Sie ist den Angaben zufolge seit 1994 auf dem Markt. Damit
seien bis zu einem Meter Stahl und bis zu drei Metern Stahlbeton zu
durchschlagen. Die Betonhülle sei bei älteren deutschen
Atomkraftwerken jedoch nur 60 Zentimeter bis einen Meter dick, bei
neueren 1,80 bis zwei Meter. Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital
meinte: "Es ist vollkommen ausser Zweifel, dass jeder Reaktor in
Deutschland sich mit Zielwaffen zerstören lässt."
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Bund 16.9.10
Die starke Rückkehr der Atomenergie
"Atomkraft? Nein danke": Der Slogan war gestern. Heute
brummt die
Atomenergie weltweit. Selbst Länder wie Schweden fordern den
Ausstieg vom Ausstieg.
Alain Zucker
An der ETH beginnt der Aufschwung langsam. Den ersten
Masterstudiengang für Nuklearingenieure haben 11 Kandidaten
abgeschlossen, den zweiten 13, und im dritten, der jetzt dann beginnt,
könnten es 16 werden. Doch ihre Aussichten, dereinst einen guten
Job zu finden, sind ausgezeichnet. Die totgesagte Kernenergie erlebt
weltweit eine Renaissance, und weil die Ausbildung von Atomingenieuren
in Westeuropa wegen unsicherer Aussichten lange vernachlässigt
wurde, sind sie gesuchte Leute.
Dass Deutschland diese Woche beschlossen hat, die
Laufzeiten
seiner Atomkraftwerke zu verlängern, ist nur eine Randerscheinung
des globalen Atombooms. 59 Atommeiler sind weltweit im Bau, darunter
die ersten, die zur dritten Generation gehören, und das Uran
effizienter, also mit weniger Abfall, in Strom umwandeln sollen. 500
weitere sind gemäss dem Branchenverband World Nuclear Association
in Planung oder vorgesehen und sollen bis 2030 betriebsbereit sein. Die
Unternehmensberatung Arthur D. Little erwartet bis 2030 ein
jährliches Wachstum von durchschnittlich zehn Prozent bei der
Inbetriebnahme neuer Reaktoren - die meisten davon in
Schwellenländern wie China, Indien und Russland.
Aber auch in Westeuropa, wo der Widerstand gegen die
Atomkraft
eine ganze Generation politisierte, zeichnet sich ein Umdenken ab.
Einige der heutigen Kernkraftwerke nähern sich dem Ende ihrer
Lebenszeit, und bisher können die erneuerbaren Energien die
drohende Stromlücke nicht füllen. Grossbritannien hat deshalb
den Bau acht neuer Atommeiler beschlossen, Polen will überhaupt
erst einsteigen, und in Schweden und in Italien propagieren die
Regierungen den Ausstieg vom Ausstieg.
"Heute werden mehr Atommeiler gebaut als je zuvor in den
vergangenen 20 Jahren", sagt Hans-Holger Rogner von der Internationalen
Atomenergiebehörde (IAEA). Die erste Generation wurde vor 40 bis
60 Jahren gebaut, doch seit die zweite Generation in Betrieb ist, blieb
die Zahl der Kernkraftwerke stabil - 441 Reaktoren sind es heute. Ihr
Anteil an der globalen Stromproduktion liegt bei 15 Prozent. Am
höchsten ist er in Westeuropa. Da liegt die Schweiz mit 40 Prozent
im vorderen Mittelfeld. Auf Platz eins liegt Frankreich (75%).
Schlusslicht ist China, das erst 2 Prozent seiner Elektrizität
nuklear gewinnt.
Womit klar ist, wo das grosse Wachstumspotenzial liegt.
Von den
48 neuen Anlagen der vergangenen Dekade stehen 36 in Asien. China
allein baut derzeit 24 neue und will den Atomstrom in zehn Jahren
verachtfachen. Konkurrenz machen den Asiaten die Russen, die zehn
Meiler bauen und den Nuklearanteil beim Strom auf 30 Prozent verdoppeln
wollen. "Zu Öl und Gas gibt es nur eine starke Alternative - das
ist die Atomenergie", sagt der russische Regierungschef Wladimir Putin.
Atomenergie als Energieträger der Zukunft? Die World
Nuclear
Association geht in ihrem Szenario für das laufende Jahrhundert
mindestens von einer Verfünffachung der heutigen nuklearen
Produktion aus. Doch die Voraussagen der Industrie sind insofern mit
Vorsicht zu geniessen, als unklar ist, ob all die Reaktoren, die in
Westeuropa in den nächsten Dekaden vom Netz gehen, wirklich
ersetzt werden. Das hängt vor allem von den politischen
Rahmenbedingungen ab, die zum wichtigsten Risikofaktor geworden sind
für die vier grossen Baukonsortien der Branche:
Toshiba-Westinghouse, die französische Areva, GE-Hitachi und die
russische Rosatom, die mit Siemens kooperiert. Immerhin kosten Planung
und Bau eines neuen Reaktors mehrere Milliarden Franken und dauern
über zehn Jahre.
Doch während Atomkraftgegner für Westeuropa und
die USA
noch immer darauf hoffen können, dass sich der Anteil der
Kernkraft verringern wird, lässt die explodierende
Energienachfrage Ländern in anderen Weltgegenden keine Wahl. Der
globale Elektrizitätsbedarf wird gemäss IAEA bis 2030 um 50
bis 75 Prozent steigen, vornehmlich wegen des Wachstums in den
Schwellenländern. Die Kernkraft ist dabei nur einer der
Energieträger, die dazu beitragen sollen, dieses Wachstum zu
bewältigen - bis heute übrigens in einem viel geringeren
Ausmass als die Kohle. Sofern die Schwellenländer überhaupt
gewillt sind, etwas gegen den Klimawandel zu tun, setzen sie auf
Atomkraft, um ihre Abhängigkeit von der Kohle und damit die
C02-Emissionen zu reduzieren.
Atomkraft als grüne Technologie: Dies muss allen, die
sich
einst während der Anti-AKW-Proteste an Eisenbahnschienen anketten
liessen, als Ironie der Geschichte erscheinen. Doch heute gilt
Atomstrom auch bei vielen Finanzanlagen als umweltfreundliche
Investition. Und Horst-Michael Prasser, Professor für
Kernenergiesysteme an der ETH Zürich, erklärt den Erfolg der
Kernenergie unter anderem mit der "Ökobilanz, die unter dem Strich
gut ist".
Vergessen ist heute die Katastrophe von Tschernobyl, als
nach
einer Kernschmelze weite Teile der heutigen Ukraine, aber auch
Weissrusslands und Russlands radioaktiv verseucht wurden. Weil es in
etwa 14 000 Erfahrungsjahren nur zu zwei Unfällen mit
Zerstörung des Reaktorkerns kam, spricht die Atombranche heute von
einem "Restrisiko" - und das ist positiv gemeint. So liefern
Sicherheitsanalysen der Hersteller bei Kraftwerken, die heute gebaut
werden, Wahrscheinlichkeiten einer Kernschmelze pro Anlage von weniger
als ein Mal in einer Million Jahre. Das heisst, dass ein solcher
Reaktor mit 99,99-prozentiger Sicherheit keinen Störfall haben
sollte. Und wenn, müssten die neuen Technologien die
Radioaktivität im Reaktorgebäude einschliessen.
Reicht das Uran?
Gleichzeitig tüfteln die Atomforscher an einer neuen
Generation von Reaktoren, die frühestens ab 2030 ihren Betrieb
aufnehmen können. Sie sollen den Brennstoff effizienter nutzen und
vor allem die Mengen der langlebigen Bestandteile im hochaktiven Abfall
reduzieren, der in geologischen Tieflagern entsorgt wird (vgl. Beitrag
links).
"Atomkraft? Nein danke!": Der Slogan war gestern. Heute
brummt
die Atomindustrie - trotz jahrzehntelangen Kampfs westeuropäischer
Atomkraftgegner. Ihnen bleibt die Hoffnung, dass sie nochmals gegen
ihre Regierungen mobilisieren können, die neuen Gefallen am
Atomstrom gefunden haben. Immerhin prophezeien Experten wie der
Naturwissenschaftler Daniel B. Botkin, dass dem Boom der Treibstoff
ausgehen könnte. Nimmt man nur die geschätzten Uranvorkommen,
die man zu den jetzigen Preisen für abbaubar hält, reicht der
Vorrat beim heutigen Verbrauch und der heutigen Technologie (die jedoch
immer effizienter wird) nur noch 250 Jahre.
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NLZ 16.9.10
Nidwalden
Verbannt Volk den AKW-Strom?
Oliver Mattmann
Der Kanton soll spätestens ab 2039 ohne Kernenergie
auskommen. Die SP hält dies für machbar. Die Gegner erheben
aber im Minimum zwei Mahnfinger.
Oliver Mattmann
oliver.mattmann@neue-nz.ch
Der grosse Nidwaldner Stromversorger, das
Elektrizitätswerk
(EWN) in Oberdorf, deckt heute den Bedarf der Nidwaldner zu 54 Prozent
mit Kernenergie ab. Diese Zahl soll ganz auf null gesenkt werden, und
zwar bis spätestens im Jahr 2039. So will es die SP Nidwalden in
ihrer Volksinitiative für einen schrittweisen Ausstieg aus der
Atomenergie, über die das Volk am 26. September abstimmt.
Wie stark das Begehren in der Bevölkerung Anklang
findet,
ist unklar. 296 Stimmberechtigte hatten bei der Unterschriftensammlung
die Initiative unterstützt. Auf politischer Ebene erhalten die
Sozialdemokraten lediglich von den Grünen Rückendeckung, die
grossen Parteien FDP, CVP und SVP haben eine deutliche Nein-Parole
herausgegeben.
Behauptung kontra Behauptung
Und dennoch: Die Gegner der Initiative scheinen sich ihrer
Sache
nicht sicher zu sein. Jedenfalls haben sie ein überparteiliches
Komitee ins Leben gerufen, um ihre Argumente gegen die Vorlage unters
Stimmvolk zu bringen. Und Vertreter des EWN machen bei jeder
Gelegenheit - so etwa bei den Parteiversammlungen der CVP und der FDP -
mit aller Deutlichkeit beliebt, ein Nein in die Urne zu legen.
Andernfalls würde der Strompreis massiv ansteigen und das
Elektrizitätswerk Nidwalden mittelfristig in seiner Existenz
bedroht. Diese Aussagen decken sich überhaupt nicht mit der
Sichtweise der SP. Zwar dürften die Preise generell ansteigen,
prognostiziert auch SP-Präsident Beat Ettlin. "Die Behauptung, der
Strom werde schlagartig drei- bis viermal teurer, ist aber blosse
Polemik." Er ist überzeugt, dass erneuerbare Energien wie zum
Beispiel Windstrom laufend neue Marktanteile hinzugewinnen werden. Sie
würden für stabile Strompreise sorgen, da es keine
Preissteigerungen infolge schwindender Ressourcen gäbe.
Demgegenüber hält EWN-Direktor Christian Bircher aber fest:
"Es ist bekannt, dass die Uranvorräte für den Betrieb der
Kernkraftwerke weltweit für mehr als 150 Jahre reichen. Die
Schweizer Kernkraftwerke zählen zu den sichersten und
erfolgreichsten der Welt."
Strategie nicht zukunftsgerichtet
Die Gegner der Initiative befürchten, dass es
für das
EWN im liberalisierten Strommarkt schwierig sein wird, sich mit
"atomfreiem, aber teurem Strom" zu behaupten. Die SP hält jedoch
fest: "Die Strategie des EWN ist nicht zukunftsgerichtet. Es braucht
jetzt ein Umdenken in den Köpfen der Verantwortlichen." Anstatt
sich an Kernkraftwerken zu beteiligen, müsse eine neue
Beteiligungspolitik an Windkraftwerken oder Solarkraftwerken Einzug
halten.
Ob Abstimmungstaktik dahinter- steckt oder nicht: Das EWN
hat
kürzlich bekannt gegeben, dass man sich an einem Windpark in der
Nordsee beteiligen wolle. Zudem seien Projekte für 63 Millionen
Franken im Bereich erneuerbarer Energie aufgegleist worden, sagt
Direktor Bircher. Trotzdem: "Die Zukunft ohne Kernenergie ist ein
Luftschloss", schreibt das Nein-Komitee. Windturbinen,
Fotovoltaikanlagen und Kleinkraftwasserwerke könnten einen Beitrag
zur Deckung des Strombedarfs erbringen, ein gänzlicher Ersatz
für Kernenergie werden sie aber nie sein. Ob dies das Stimmvolk
auch so sieht, wird sich am 26. September zeigen.
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NZZ 15.9.10
Atomausstieg im Kleinen
Nidwaldner stimmen über die Beteiligungs- und
Bezugsverhältnisse des kantonalen Elektrizitätswerks ab
Bis zum nationalen Urnengang über neue AKW dauert es
noch
mindestens drei Jahre. Schon jetzt stehen aber in mehreren Kantonen
Urnengänge zur Kernenergie bevor - nächste Woche in Nidwalden.
Martin Merki, Stans
Er ist der einzige Parlamentarier der SP in Nidwalden und
sagt:
"Unsere Chancen sind intakt." Der 40-jährige Landrat Beat Ettlin
hat zusammen mit seiner kleinen Partei und "ähnlich gesinnten
Organisationen" 300 Unterschriften für eine
Atomausstiegs-Initiative gesammelt, über die am 26. September in
Nidwalden abgestimmt wird.
Wellenberg-Pläne
Durch die Atomendlager-Geschichte im Wellenberg bekommt
das Thema
eine besondere Note. 1995 hatte der Kanton ein Endlager mit 52 Prozent
Nein abgelehnt. 2002 schmetterte er mit 57 Prozent das Gesuch der Nagra
für den Bau eines Sondierstollens ab. Darauf zog sich die Nagra
aus dem Engelberger Tal zurück und entsorgte ihre
Wellenberg-Pläne - um sie einige Jahre später wieder aufs
Tapet zu bringen. "Wer Nein sagt zum Endlager, müsste konsequent
sein und auch Nein zur Atomenergie sagen", findet Ettlin, und er hofft,
dass ein Teil der Wellenberg-Gegner zu Atomgegnern mutiert.
Auch national wird die Abstimmung beachtet. Nidwalden
wäre
bei einem Ja der erste ländliche Kanton, der den Ausstieg aus der
Atomenergie beschliessen würde. "Ein Ja hätte Signalwirkung
für die ganze Schweiz", sagt Jürg Buri, Präsident der
nationalen Allianz "Nein zu neuen AKW". Der Entscheid in Nidwalden
werde mit Spannung erwartet. Er läute eine Runde von ähnlich
gelagerten Abstimmungen in anderen Kantonen ein: Im kommenden Jahr
stehen kantonale Abstimmungen über Rahmenbewilligungsgesuche
für neue Atomkraftwerke an, etwa in Bern (siehe Zusatztext).
In den nächsten 30 Jahren, so die Nidwaldner
Initianten,
soll der Halbkanton schrittweise aus der Atomenergie aussteigen. Das
Elektrizitätswerk, ganz in kantonalem Besitz, müsste dann
seine Unterbeteiligung an Gösgen und Leibstadt abstossen, auf den
Ankauf von weiteren Kernenergiebeteiligungen und auf den Bezug von
Strom aus Kernkraftwerken verzichten. Das EW, sagt dessen Direktor
Christian Bircher, würde bei einem Ja "mittelfristig kaputtgehen",
weil über 50 Prozent des EW-Stroms aus Atomkraftwerken stammten,
im Winter seien es 80 Prozent. Das kleine Bannalp-Werk, seit 1934 in
Betrieb, liefere nur einen Anteil von 12 Prozent an die Stromversorgung
des Kantons. Der Vergleich mit Obwalden sei deshalb nicht
zulässig, weil Obwalden dank dem Lungerer Werk und weiteren
Wasserkraftwerken die gesamte Energie in Form von Wasserkraft erbringen
könne.
Geeinte Bürgerliche
Die Meinungen bei den Parteien sind gemacht. Die FDP hat
einstimmig Nein gesagt zur Initiative, die SVP empfiehlt bei einer
Gegenstimme ein Nein, und die CVP fasste mit 48 Ja zu 47 Nein bei 10
Enthaltungen ebenfalls die Nein-Parole. Ein Gegenkomitee mit Vertretern
der drei Parteien hat sich gebildet, angeführt von Ständerat
Paul Niederberger.
Die Positionierung der bürgerlichen Parteien sei
ernüchternd, sagt Ettlin. Grüne und SP sagen Ja zur
Initiative. Das Thema kocht auf kleinerer Flamme als das
Atommülllager. Es gibt Leserbriefe und einige kleine Inserate zur
Initiative, sowohl pro wie contra. Ettlin schätzt, dass beide
Lager höchstens 5000 bis 10 000 Franken für ihre Kampagnen
einsetzen, was nicht sehr viel sei. Das EW beteilige sich nicht
finanziell an der Gegenkampagne, sagt Direktor Christian Bircher. Auf
Anfrage nehme er an Veranstaltungen von Parteien und anderen
Organisationen teil und äussere seine Meinung.
--
Abstimmungen mit diffusen Wirkungen
dsc. · Es ist eine erklärte Strategie der
AKW-Gegner,
nicht bis zur entscheidenden eidgenössischen Abstimmung über
die Rahmenbewilligungsgesuche für neue Atomkraftwerke zu warten,
sondern die Auseinandersetzung früh in die Kantone und Gemeinden
zu tragen, wo auch bürgerliche Politiker bisweilen die Optik der
nationalen Versorgung in den Hintergrund stellen und im Rahmen
energiepolitischer Kompromisse keinen klaren Widerstand gegen
Atomausstiegs-Vorlagen an den Tag legen. Dies war 2008 in der Stadt
Zürich zu beobachten. Das Volk stimmte damals gegen neue
AKW-Beteiligungen (die bestehenden laufen in den nächsten 40
Jahren aus). Weitere kantonale und städtische Vorstösse
verlangen ähnliche langfristige Einschränkungen. So kommen
etwa im November in der Stadt St. Gallen mehrere Vorlagen zum Thema
Atomstrom und Geothermie vors Volk.
Mit der Strommarktliberalisierung können aber die
Kunden
selber den Lieferanten und damit auch die Herkunft ihres Stroms
wählen. Die entsprechenden Volksentscheide betreffen also nur die
Zukunftsstrategien der kantonalen und kommunalen
Elektrizitätswerke, deren weitere Rolle im Strommarkt in vielen
Fällen ohnehin unklar ist.
Eine ebenfalls schwer abzuschätzende Signalwirkung
haben die
Urnengänge für die kantonalen Stellungnahmen zu den
Rahmenbewilligungsgesuchen für neue AKW. In knapp neun Kantonen
sind Anfang 2011 dazu Urnengänge zu erwarten. Am spannendsten
dürfte die Abstimmung im Kanton Bern sein, die wohl am 13. Februar
stattfindet. Denn dort befindet sich mit Mühleberg auch ein
möglicher Standort eines neuen AKW. Für das Verfahren des
Bundes sind diese Konsultativabstimmungen nicht verbindlich,
entscheidend bleibt die eidgenössische Referendumsabstimmung, die
nach 2013 zu erwarten ist.
---
NLZ 15.9.10
Wird Atomstrom ein Auslaufmodell?
om. Die Abstimmung weckt im Vorfeld Emotionen. Am 26.
September
entscheiden die Nidwaldner Stimmberechtigten über die
SP-Volksinitiative "Für einen schrittweisen Ausstieg aus der
Atomenergie". Die politischen Positionen sind dabei klar bezogen. Nur
die Grünen bringen Sympathien für das Begehren der
Sozialdemokraten auf, hingegen lehnen FDP, CVP und SVP die Forderung,
dass das Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN) spätestens ab 2039
gänzlich ohne Atomstrom auskommen soll, klar und deutlich ab.
"Es braucht ein Umdenken"
Landrat und Regierungsrat beantragen dem Stimmvolk
ebenfalls, die
SP-Initiative nicht zu unterstützen. Der Verzicht auf Kernenergie
hätte schwer- wiegende Auswirkungen auf die Energieversorgung des
Kantons, auf die Volkswirtschaft und auf das EWN-Unternehmen, heisst es
in der Abstimmungsbotschaft. Die Initianten erachten den Ausstieg
jedoch als machbar und halten fest: "Es braucht jetzt ein Umdenken in
den Köpfen der Verantwortlichen."
Im "Pro und Contra" unserer Zeitung geben wir einem
Befürworter und einem Gegner der Vorlage Platz für ihre
Argumente. Für die SP nimmt Vorstandsmitglied Thomas Welte
Stellung, auf der Seite der Gegner legt Heinz Metz, Vorstandsmitglied
der FDP Nidwalden, seine Sichtweise dar.
Pro
Der einzige Weg
Thomas Welte, Vorstand SP Nidwalden
Der schrittweise Ausstieg aus der Atomenergie ist der
einzig
vernünftige Weg für die Zukunft. Wir haben es in den
vergangenen dreissig Jahren verpasst, die Weichen frühzeitig und
entschlossen in Richtung effizientere Nutzung von Energie und massive
Förderung erneuerbarer Energien zu stellen. Darum ist es jetzt
höchste Zeit, in Nidwalden die Weichen richtig zu stellen. Wie
dies vor uns Zürich, Bern, Basel und teilweise Neuenburg bereits
beschlossen haben. Nach den Jahren des Stillstands ist jetzt ein
energie- und klimapolitischer Massnahmenschub angesagt.
Wir seien Fantasten,meinen die einen, andere sehen gar
unsere
Wirtschaft in Gefahr. Am originellsten ist die Aussage, dass mit einem
Ausstieg unsere Abhängigkeit vom Ausland zunehmen würde.
Tatsächlich ist es so, dass bereits heute die Technologie so weit
fortgeschritten ist, dass ein grosser Teil des Atomstroms ersetzt
werden könnte. Unsere Initiative verlangt den Ausstieg nicht
sofort, sondern erst in 30 Jahren, ist also noch reichlich Zeit.
Hätte übrigens Nero damals nicht Rom, sondern ein paar
Uranstäbe abgefackelt, müssten wir heute noch die Asche
bewachen. Und bezüglich Abhängigkeit vom Ausland: Wir haben
das Wissen um Sonnenkollektoren, Fotovoltaik oder auch Wasserkraftwerke
zu planen. Einheimisches Gewerbe profitiert so direkt. Wenn wir aber
auf Atomkraftwerke setzen, fehlt uns dieses Wissen, ausländische
Experten planen und realisieren, und aus Russland wird das aufbereitete
Uran geliefert. Nur den Abfall dürfen wir selber behalten. Es gibt
übrigens weltweit noch kein funktionierendes Endlager - nur so am
Rande.
Den Anspruch,"eigenen Strom" zu produzieren, wie vom EWN
immer
wieder proklamiert, ist etwas weit hergeholt. Warum Atomstrom von den
AKWs Gösgen und Leibstadt, an denen wir zu einem kleinen Teil
beteiligt sind, "eigen", also quasi Nidwaldner Strom sein soll, ist mir
nicht klar. Absurd ist es allemal, oder haben Sie schon mal "eigenes"
Benzin getankt? Der heutige Strommarkt findet in Europa statt. Auch die
Schweiz mischt da kräftig mit, und in Zukunft wird sich das nicht
ändern. Im Gegenteil, intelligente Stromnetze werden den
Energiefluss noch mehr koordinieren, als dies ohnehin schon der Fall
ist. Damit wird noch mehr möglich, was schon begonnen hat: Strom
dort zu produzieren, wo es Sinn macht, damit er überall zur
Verfügung steht. Darum sollten wir jetzt den richtigen Weg
einschlagen, weg von unberechenbaren fremdgebauten Atomkraftwerken hin
zu berechenbaren und selber produzierten erneuerbaren Energiequellen.
Mit einem Strahlen im Gesicht und nicht auf verstrahltem Boden.
Contra
Initiative schadet dem Kanton
Heinz Metz, Vorstand FDP Nidwalden
Die Initiative "Ausstieg aus der Kernenergie" schadet dem
Kanton
Nidwalden. Deshalb empfehle ich, die SP-Initiative abzulehnen. Eine
Annahme der Initiative würde zu steigenden Strompreisen
führen und die Standortattraktivität des Kantons wesentlich
beeinträchtigen. Ich bin überzeugt, dass Nidwalden für
eine sichere, wirtschaftliche und umweltfreundliche Stromversorgung
neben den erneuerbaren Energien auch weiterhin die zuverlässige
Kernenergie braucht.
Die Stromversorgungim Kanton Nidwalden basiert aus einem
Mix von
rund 35 Prozent Wasserkraft, 64 Prozent Kernenergie und aus knapp 1
Prozent weiterer erneuerbarer Energien, wie beispielsweise der
Solarenergie. Der Kanton Nidwalden hat damit eine CO2-freie,
zuverlässige und wirtschaftliche Stromversorgung. Zwar sollen neue
Technologien wie Solar-, Wind- oder Biomassenenergie marktgerecht
gefördert werden und als Ergänzung einer gesicherten
Stromversorgung dienen. Die Kernenergie ist und bleibt aber ein
wichtiger Pfeiler, auf den nicht verzichtet werden kann.
Die kantonseigenen Kraftwerksbeteiligungen sind für
eine
stabile und günstige Stromversorgung wichtig. Es drohen
Versorgungsengpässe, die für unsere Wirtschaft schädlich
wären. Die fehlende Kernenergie müsste bei anderen, teureren
Kraftwerken beschafft werden. Dies würde zwangsläufig zu
höheren Strompreisen für Haushalte, Gewerbe und Industrie
führen. Gerechnet wird mit drei- bis fünfmal höheren
Strompreisen.
Die Liberalisierungdes Strommarktes schreitet voran, und
unser
Elektrizitätswerk (EWN) muss sich in diesem neuen Marktumfeld
behaupten. Wir müssen dem EWN den nötigen unternehmerischen
Handlungsspielraum geben. Im liberalisierten Strommarkt wäre das
EWN mit seinem teuren Strom nicht wettbewerbsfähig, es wäre
in erhöhtem Masse von anderen Energieversorgern abhängig und
damit als eigenständiges Unternehmen bedroht. Damit stehen die
unabhängige kantonale Versorgung sowie rund 70 Arbeitsplätze
auf dem Spiel.
Der Widerstand der Nidwaldner Bevölkerung gegen ein
Tiefenlager für radioaktive Abfälle im Wellenberg darf nicht
mit einer Ablehnung der Kernenergie gleichgesetzt werden. Zurzeit
findet ein breites Auswahlverfahren statt. Dabei ist die spezielle
Situation Nidwalden mit den beiden Volksentscheiden von 1995 und 2002
zum Wellenberg zu respektieren. Gleichzeitig gibt es für den
Kanton Nidwalden keinen vernünftigen Grund, um in Zukunft auf die
wertvolle Kernenergie zu verzichten.