MEDIENSPIEGEL 20.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo, DS)
- Reitschule bietet mehr: Müslümpo; Erich vs Müslüm; Urnen-Zukunft; Massenauflauf; Polo Hofer-Song; Altern;
- Hanfklau durch Police BE: Fuchs hetzt gegen Zaffaraya
- RaBe-Info 20.9.10
- Big Brother Video: Städt. Videoreglement-Forderung
- Stadtrat 23.9.10
- Ei der Revolution: 400asa mobilisiert gegen Stadttheater
- Alkitreff in Biel: Szene auf Walserplatz muss weg
- Drogen: (il)legale Sucht kostet
- Hungerstreik ÖkoanarchistInnen: Indymedia-Feature
- Anti-Atom:; Krebsstudie; Grossdemo Berlin; Wellenberg; Aktienmärkte; Mühleberg2-Kosten; Uranconnection Frankreich-Niger

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REITSCHULE
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Mi 22.09.10
19.00 Uhr - SousLePont - Südafrika Spezialitäten
20.00 Uhr - Rössli - Rhododendron (BE)

Do 23.09.10
19.30 Uhr - Kino - Erklärung von Bern präsentiert: Water makes Money, CH/F, Leslie Franke, Herdolor Lorenz, Jean Luc Touly, Marc Laimé, Christiane Hansen und AQUATTAC
20.30 Uhr - Tojo - Plan B ist tot Das erste Musical von Sans Cible!
21.00 Uhr - Rössli - WINO (St. Vitus/The Obsessed/Spirit Caravan/Shrinebuilder/USA) Solo & Acoustic Tour, Support: Darsombra (USA) - Folk/Songwriting/Rock/Doom

Fr 24.09.10
20.30 Uhr - Tojo - Plan B ist tot Das erste Musical von Sans Cible!
21.00 Uhr - Frauenraum - Tanzbar mit DJ Piccolina, Standard und lateinamerikanische Tänze
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock & Midilux present: REDSHAPE & DRUMS live (Present/D), Mastra & Sonax 400 live, First Season (Bonzzaj/BE) - Techno, Minimal, House

Sa 25.09.10
20.00 Uhr - Frauenraum - Östrosteronia Part 1 "Trans dich glücklich", Gründungsparty Transgendernetzwerk Schweiz mit "n?importe quoi" & "Drumilia", danach Disco
20.30 Uhr - Tojo - Plan B ist tot Das erste Musical von Sans Cible!
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: CAUSE4CONCERN (C4C Rec/UK), Deejaymf (cryo.ch), VCA (Biotic Rec), Oliv (Loccomotion), Lewin (drumandbass.ch) - Drumnbass

So 26.09.10
0-24 Uhr - ganze Stadt - Abstimmungssonntag "NEIN" zur Anti-Reitschule-Initiative der jSVP - siehe Tagespresse und www.reitschulebietetmehr.ch
11.00 Uhr - SLP/Vorplatz - Abstimmungsfest Reitschule: Konzis & more
19.00 Uhr - Tojo - Plan B ist tot Das erste Musical von Sans Cible!
20.00 Uhr - Rössli - Ira lee & Mattr aka little eskimo jesus (Can/CH)

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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kulturstattbern.derbund.ch 20.9.10

Von Nicolette Kretz am Montag, den 20. September 2010, um 07:00 Uhr

Kulturbeutel 38/10

Frau Kretz empfiehlt:
Der neue Wurf vom Trio Kämpf/Lenz/Urweider "Alice im Ungerland” ab Mittwoch im Schlachthaus, zu dem Olifr Maurmann, Patrick Abt, Simon Hari und Greis die Musik machen, sowie der neue Wurf von den jungen Sens Cible "Plan B ist tot" ab Donnerstag im Tojo, zu dem z.B. Trummer, Evelinn Trouble, Valeska Steiner, Fabian Gutscher und Pascal Nater Musik beigesteuert haben.

(...)

Herr Sartorius empfiehlt:
Einen Besuch in einem städtischen Stimmlokal Ihrer Wahl. Die Öffnungszeiten finden Sie hier.
http://www.bern.ch/leben_in_bern/stadt/abstimmungen/info/lokale/

(...)

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Bund 20.9.10

Im roten Bereich

 Bonaparte im Dachstock: Knallbunt, endklug, todschick, arschcool. Da stellt sich die Frage: Ist das noch Unterhaltung oder schon Pornografie? Wahrscheinlich beides.

 Christoph Lenz

 Das war keine gute Idee mit dem Klebeband. Die Tänzerin hatte sich während des letzten Songs darin eingesponnen, von Kopf bis Fuss. Und als die Musiker nach dem Schlussakkord die Bühne verliessen, ist sie einfach vergessen gegangen. Blind, weil das Klebeband auch ihre Augen bedeckt, und mit nacktem Oberkörper steht sie auf ihrem Podest. Sie zuckt und zappelt, doch es ist hoffnungslos - hier kommt sie nicht mehr heil raus. Jetzt, da die Musik verstummt und die Freak-Show von Bonaparte beendet ist, sieht sie aus wie ein Tier, das aus einem heissen Traum in die kalte Realität gepurzelt ist: verloren, waidwund, wunderschön. Dann reisst sie sich ein Haarbüschel aus.

 So viel Drastik war selten. Bonaparte am Freitagabend im ausverkauften Dachstock der Reitschule, das ist eine Fasnacht auf Speed, ein Stelldichein der ADHS-Zombies, ein popkultureller Bilderorkan, kurzum: die totale Reizüberflutung. Knapp zwei Stunden dauert das Konzert. Genauso lange dreht diese Maschine im roten Bereich. Rast- und atemlos hopsen die sieben Musiker und Tänzer vom ersten bis zum allerletzten Takt über die Bühne. Alle paar Minuten schlüpfen sie in neue Rollen. Bald tragen sie Pferdeköpfe, Lampenschirme, Totenschädel und Computer auf ihren Häuptern. Bald hüllen sie sich in barocke Anzüge, in blütenweisse Seidenroben, in Affenkostüme. Und als die Garderobe gegen Ende nichts mehr hergibt, tragen sie halt nichts ausser Strapsen (die Männer), Spitzenhöschen oder einer Rohrverkleidung aus Aluminium.

 Eine Handvoll Ausrufezeichen

 Es ist ein unfassbares Durcheinander: Marina Abramovic dirigiert Mummenschanz, die SM-Domina singt am Kindergeburtstag aus dem proletarischen Liederbuch, und im Streichelzoo treffen sich die Tiere zur szenischen Lesung aus dem surrealistischen Manifest. Too much? Natürlich. Aber das ist erst der Anfang.

 Der Conférencier dieser grotesken Schau, der Berner Sänger Tobias Jundt, schleudert derweil nämlich seine Parolen ins Publikum: "Anti Anti", "Boycott Everything", "Rave Rave Rave" und so weiter. Jedes Gefühl ist total, Leerstellen gibt es nicht. Und wo sie sich zufällig auftun, hat der Sänger noch eine Handvoll Ausrufezeichen in der Hinterhand, um sie auszufüllen. Eine Ahnung von Jugendunruhen liegt in der Luft, aber auch ein Hauch Ballermann für Nachwuchsintellektuelle. Denn: So klug das immer klingt, vom "No, I'm Against It!" zum "Und die Hände in die Höhe" ist es nicht weit. Eigentlich nur eine Frage der Wortwahl.

 Und wo die Wörter nicht weiterhelfen, da gibt es immer noch Zeichen. Natürlich kennen sich Bonaparte auch hier bestens aus. So werden in dieser Supernova der Referenzen die Codes aus einigen Hundert Jahren Kulturgeschichte zusammengesampelt. Von der Pest bis zum digitalen Virus, von Beaudelaire bis Zappa, von Napoleon bis Che Guevara. Das Ergebnis: ein veritabler Kultur-Porno. Was dieser uns sagen will? Nichts, ausser: Party! Party! Party!

 Echtes Fleisch, echter Schweiss

 Aber diese Gedanken kommen erst später. Bei allem Kulturplunder - im Dachstock wird doch hauptsächlich das Stammhirn stimuliert, und zwar nach allen Regeln der Kunst. Die Band knallt ihren Elektro-Clash-Garage-Rock auch nach 110 Minuten noch satt und wuchtig aufs Parkett. Und die Sensation über diese sieben jungen, schönen, halb nackten Körper auf der Bühne hat sich noch immer nicht gelegt. Vielleicht ist dies die Essenz dieser Show und auch der Grund dafür, dass Bonaparte unlängst als beste Clubband im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet wurden: Wir haben alles schon gesehen - im Fernsehen und im Internet. Wie schockierend ist da das Erlebnis von echtem Schweiss, echtem Fleisch und echtem Schmerz. Wer am Ende noch steht, ist platt, leer und glücklich. So geht das: Katharsis heute.

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BZ 20.9.10

Bonaparte-Konzert

 Die totale Party im Dachstock

 Das Partyvolk war glücklich: Die Trashpunker von Bonaparte gönnten Füssen und Augen keine Minute Ruhe. Die Band um den Berner Tobias Jundt bot im Dachstock der Reitschule ein Konzert, perfekt wie ein Video auf MTV.

 Am Ende. Ausgekotzt. Der gross gewachsene, schlacksige Junge legt den lustigen rosaroten Pelzhut ab. Der Schweiss läuft ihm übers Gesicht. Das müde Mädchen schiebt sich die schwarze Augenbinde wie eine Sonnenbrille ins gekämmte blondierte Haar und sagt: "Geil!" Es ist nachts um viertel vor zwei, eben sind der kleine verrückte Herr und sein Zirkus von der Bühne abgetreten. Fast zwei Stunden lang hat er den tobenden Massen im Dachstock der Reitschule keine Ruhe gegönnt. Das Wort "Bath", das auf der Rückseite seiner Regentenjacke prangt, nähme man sich in diesem Moment gerne zu Herzen: Ein Bad hätten hier alle nötig.

 Der kleine Mann ist der Kopf von Bonaparte; ein Berner namens Tobias Jundt, der in Berlin lebt und vor wenigen Jahren eine Band gründete, die wilden, trashigen, unkonventionellen und farbigen Elektropunk macht. Eben jene Musik, auf die sich die Massen des vermeintlichen Untergrunds stürzen. Längst ist Bonaparte an der Oberfläche angekommen - das Konzert in Bern war schon seit einer Weile ausverkauft.

 Zum Trost jener, die leer ausgingen, gaben Bonaparte am frühen Abend ein Gratiskonzert in Berns Einkaufszone. Einige Stunden später sieht man Tobias Jundt, bemalt mit schwarzem Flecken rund ums Auge, am Zupacken. Der Bandleader packt beim Aufbau mit an. Der hat es in sich. Dem Konzept der Band - wechselnde Besetzungen, aufwendige Verkleidungen, aufreizende Tanzeinlagen und wilde Freakshows - ist Bonaparte auch mit wachsendem Erfolg treu geblieben.

 "Do you want to party?"

 Kurz vor zwölf ist es so weit: "Do you want to party with Bon-a-partee?", fragt ein Mensch mit Gitarre und einer riesigen Affenmaske. "Yeeesss!" Man will. Und wie. Das Mädchen im Publikum schiebt sich die Augenbinde über. Die Dragqueen auf der Bühne, in weissem Feenkostüm und weisser Mähne, zaubert Trauben aus ihrem Ausschnitt und füttert sie an die verzauberten Kerle in der ersten Reihe. Unter der weissen Perücke wird sich irgendwann eine wilde Kammfrisur zeigen. Der jetzt noch ins Monsterkostüm Gehüllte mutiert zum Pferd, Insekt, reitenden Kommandanten. Kein Ende in Sicht, immer ist da noch eine neue Verkleidung.

 Kaiser Bonaparte hält Hof

 Die visuellen Eindrücke sind gewaltig, das Auge kommt nicht mit, die Beine bewegen sich im Rhythmus der treibenden Beats, und Kaiser Bonaparte steht unbeeindruckt am Mikrofon und schreit dem Volk weitere Hymnen ins Ohr. "Anti Anti", "I Can't Dance" und "Blow It Up", alles einfach mitzusingende Hits des ersten Albums. "My Horse Likes You", "Computer in Love" - nicht minder leicht mitzugrölende Songs ab der neuen Scheibe. Dieses Konzert ist so perfekt und spannend wie ein Video auf MTV.

 Gesungen wird englisch, gesprochen gar nicht. Dass man in Bern ist, wird schliesslich bei der ersten Zugabe doch noch klar. "No, I'm against it", singt Bonaparte. Und lässt ein Kartonschild mit der Aufschrift "No on Sep. 26" auf der Bühne kreisen. Das Publikum tobt. Schliesslich endet der Zirkus, wie er begonnen hat. "Do you want to party with Bon-a-partee?" Na klar, etwas anderes ist ja gar nicht möglich.

 Marina Bolzli

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20 Minuten 20.9.10

Bonaparte: Trashige Freak-Show in Bern

 BERN. Einmal ist keinmal, muss sich die schräge Bonaparte-Truppe gedacht haben, als sie am letzten Freitag die Hauptstadt bespielte - und zwar gleich zweimal.

 Am frühen Freitagabend lockten Bonaparte gut hundert Fans und Schaulustige ins Berner Ryffligässli: Auf der Terrasse des Fizzen gaben die Trash-Punker ein kurzes, aber sehr eindruckvolles Intermezzo. Wer nicht wusste, dass es sich dabei um die hippe Berliner Band um den Berner Tobias Jundt handelt, muss gemeint haben, ein Zirkus ziehe durch die Stadt. Denn ausgefallene Outfits und Kostüme waren Programm. Neben der Band - in Napoleonjacken und Plüschmützen - turnten etliche Artisten in ausgefallenen und zumeist sehr knappen Kostümen über die Terrasse.

 Gute fünf Stunden später stand die gesamte Truppe erneut auf der Bühne - im Berner Dachstock. Wer vom Gratiskonzert im Ryffligässli schon beeindruckt war, dürfte später im Dachstock wohl nicht mehr aus dem Staunen herausgekommen sein. Was sich da auf der Bühne abspielte, war nicht einfach nur ein schräger Gig - es war die reinste Freak-Show. Eine barbusige Artistin, ein König im Leopardentanga, eine zerlumpte Marie Antoinette und viele andere skurrile Gestalten belagerten zwei Stunden lang die Bühne, während die Bonaparte-Jungs der pogenden Menge einheizten. Ausgesprochen sehenswert!  

Maja Hornik

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Telebärn 18.9.10

Bonaparte in Bern
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/bonaparte-in-bern/c=84713&s=1027360

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REITSCHULE BIETET MEHR
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kulturstattbern.derbund.ch 20.9.10

Von Gisela Feuz am Montag, den 20. September 2010, um 12:18 Uhr

Müslüms Po-Wackelung

Offenbar war am Samstag ganz Bern auf den Beinen. Auch der Dachstock, wo sich im Rahmen von "Reitschule beatet mehr" verschiedene Musiker aus Bern sich für die Abstimmung vom nächsten Wochenende ins Zeug legten, meldete ausverkauftes Haus. (Stimmmaterial ausgefüllt und abgeschickt? Nicht? Dann wirds höchste Zeit!) Gemäss Statusmeldung der Veranstalterin lief alles glatt und genau so, wie es sollte. Etwa so wie Müslüms Po-Wackelung. An der gibt's nämlich auch nichts auszusetzen.


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Bund 20.9.10

Leserbrief Abstimmung über den Verkauf der Reitschule, diverse Artikel im "Bund"

 Die Reitschule ist ein Stück Bern

 Ich bin schon einiges älter als die meisten Reitschule-Besucher/innen. Als ich vor 20 Jahren zum ersten Mal, noch relativ jung, dieses Kulturzentrum besuchte, war ich magisch angezogen von der Freiheit, von der chaotischen Schönheit, von der Vielfalt der Angebote. Ich habe mich sofort verliebt in diesen Ort, wo man sein kann, wie man ist. Wo bitte ist das heute sonst noch möglich?

 Die Konzerte im Dachstock haben mich jedes Mal restlos überzeugt. Der Ort ist so liebevoll eingerichtet. An der Bar nur lachende, freundliche Gesichter, im Sous le Pont ganz feines Essen, im Theater Leckerbissen der freien Kulturschaffenden, im Frauenraum Stille und Musse, und dann einmal im Monat der Flohmarkt - wer könnte sich diesem Zauber von Kunterbuntem entziehen?

 In der Reitschule trifft sich der Arzt, der Manager mit den Freaks, den Suchenden, den Kreativen, dort ist es egal, wer man ist, man geniesst zusammen das So-Sein. Immer wenn ich mit dem Zug heimfahre, an der Reitschule vorbei, komme ich wirklich heim, in meine Stadt mit meiner Reitschule. Es ist selbstverständlich, dass die Reitschule so bleibt, wie sie ist. Immer im Wandel, immer zeitgenössisch.

 Marianna Mackay, Bern

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Aargauer Zeitung 20.9.10

Ein neuer Anlauf zur Schliessung

 Die Berner Reitschule soll geschlossen und verkauft werden, findet die SVP. Kulturschaffende wehren sich

 Barbara Spycher, Bern

 Am 26.September stimmt die Stadt Bern über die SVP-Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" ab. Das alternative Kulturzentrum soll an den Meistbietenden versteigert werden, weil es "ein Hort von Gewalttätern und Drogendealern" sei. Ob daraus ein Badetempel, ein Einkaufszentrum oder ein Bürogebäude entstehen soll, lassen die Initianten offen. Ausser SVP und FDP lehnen sämtliche Berner Parteien, inklusive CVP, BDP und EVP, das Anliegen ab: Die kulturellen Freiräume jenseits von Konsum und Kommerz seien wichtig für Bern. Die bürgerlichen Parteien sehen aber Verbesserungspotenzial bei den basisdemokratischen Strukturen der Reitschule: Die Stadt brauche klare Ansprechpartner.

 Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass die Initiative angenommen werden könnte. In den vier bisherigen Umnutzungs- und Kreditabstimmungen hat sich das rot-grüne Bern stets hinter das 23-jährige Kulturzentrum gestellt. Im Sommer haben rund 20 Kulturschaffende von Züri West bis Stiller Has eine CD zur Unterstützung der Reitschule herausgegeben. Kultstatus erreichte daraus Müslüms Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?", der sich an den Jung- SVP-Politiker Erich Hess richtet, einen der Hauptexponenten der Initianten.

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"Warum wosch du dMissständ nid gseh?"

 Erich Hess will die Berner Reitschule an den Meistbietenden versteigern

 SVP-Jungspund Erich Hess teilt gerne mit dem verbalen Zweihänder aus - nun wird er selber Zielscheibe eines Songs.

 Erich Hess hat etwas geschafft, was nur wenigen gelingt: Ihm ist ein Song gewidmet worden. Fast 300000 haben auf Youtube bereits geschaut, wie Müslüm tanzt und singt: "Erich, warum bisch du nid ehrlich? Erich, warum bisch du immer so aggressiv?" Das Lied spielt auf die Aussagen des Jung-SVP-Politikers Hess an, wonach die Berner Reitschule ein Hort von Terroristen, Krawallbrüdern und Dealern sei. Deshalb will Hess das alternative Kulturzentrum an den Meistbietenden versteigern.

 Hess nimmt es gelassen, dass er von Müslüm verhöhnt wird. Es gelte freie Meinungsäusserung. Jedoch sei die Frage falsch gestellt: "Mir wird privat oft vorgeworfen, ich sei zu direkt und zu ehrlich." Die Frage müsse lauten: "Erich, warum bisch du so ehrlich?"

 Hess fällt oft mit verbalen Grenzüberschreitungen auf. Das Berner Kulturzentrum Progr bezeichnete er als "Haus voller Taugenichtse und Tagediebe", Asylbewerber hat er schon mit Ameisen verglichen.

 Im persönlichen Gespräch ist Hess höflich und bleibt selbst im schicken Nadelstreifenanzug sich selber: ein 29-jähriger Lastwagenfahrer und Politiker, im Emmental aufgewachsen, der Alphorn, Schwyzerörgeli, Hackbrett und Fahnenschwingen anderen kulturellen Darbietungen vorzieht. In der Politik geht es rasch aufwärts mit Hess: Die letzten sieben Jahre hat er im Berner Stadtparlament politisiert, jetzt wurde er ins Kantonsparlament gewählt. Seit zweieinhalb Jahren ist er Präsident der Jungen SVP Schweiz. Als solcher hat er auch schon die Mutterpartei in die Knie gezwungen. Die SVP-Spitze hatte sich gegen das Referendum gegen die EU-Personenfreizügigkeit ausgesprochen, also sammelte Hess mit der Jungen SVP die nötigen Unterschriften. Im Abstimmungskampf schwenkte die Mutterpartei dann auf seine Linie ein.

 Mit der Abstimmung über die Reitschule dürfte er keinen Erfolg haben. "Ist diese Initiative Zwängerei oder Selbstprofilierung, Herr Hess?" - "Weder noch", meint der Initiant. Aber die Zustände in der Reitschule seien unhaltbar. Würde sie geschlossen, "wird Bern nicht zu einer kulturellen Wüste", findet Hess. Und fragt Müslüm zurück: "Warum wosch du dMissständ nid gseh?" (spy)

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"Warum bisch du nid ehrlich?"

 Kult-Türke Müslüm setzt sich mit ganzen "Herzeli" für die Reitschule ein

 Sein Solidaritätssong für die Reitschule hat Müslüm zum nationalen Durchbruch verholfen. Sein Erfinder Semih Yavsaner ist überrumpelt.

 Nur die Augen erinnern an Müslüm. Der Schnauz ist weg, das rosa Jacket ist einem schwarzen gewichen, und wenn er spricht, ist sein Berndeutsch akzentfrei. Semih Yavsaner (30) ist der Erfinder und Interpret von Müslüm, der es in wenigen Wochen zu Kultstatus brachte. Dabei war Müslüms erstes Lied "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" als Testlauf gedacht. Es erschien auf der CD gegen die Reitschule-Schliessungs-Initiative und zielt auf deren Initianten, SVP-Mann Erich Hess. Müslüms musikalischer Durchbruch war erst für Weihnachten vorgesehen.

 Doch dann kam alles anders: Müslüm, der Türke mit Akzent, farbigen Klamotten und grossem "Herzeli", singt sich in die Herzen der Schweizer. Knapp 320000-mal wurde der Song auf Youtube bereits angeklickt. Yavsaner wurde vom Hype überrumpelt, von den Anfragen von Journalisten und linken Parteien, die Müslüm für politische Anliegen gewinnen möchten. Doch Yavsaner will nicht, dass Müslüm eine "Marionette für SVP-unfreundliche Kampagnen" wird. Müslüm soll die Leute stattdessen zu Weihnachten mit Müslüms Hauptsorge "Wo isch de Liebe gebliebe?" beglücken.

 Bis zur Abstimmung am 26. September aber engagiert sich Müslüm noch für die Reitschule. Das alternative Kulturzentrum ist Yavsaner ein echtes Anliegen. "In unserer Gesellschaft ist vieles so gleichförmig - die Reitschule ist ein wichtiger Gegenpol."

 Was antwortet Yavsaner auf Erich Hess' Frage, warum er die Missstände in der Reitschule nicht sehen wolle? Yavsaner genervt: "Welche Missstände?" Müslüm hingegen antwortet gelassen: "Zersch studiere, denn schubladisiere." Wieder übernimmt Yavsaner: Wenn man Hess von "Terroristen" sprechen höre und die Reitschule nur von aussen sehe, passe sie in diese Schublade. Aber: "Schaut zweimal hin, macht euch ein eigenes Bild." Er stört sich an diesem "Schubladendenken" der SVP. Bei der Reitschule, aber auch bei Kampagnen gegen Ausländer. Das verletze die Gefühle vieler Ausländer, weiss Yavsaner. Er ist auf dem Papier selber einer, hat keinen Schweizer Pass, obwohl er in Bern aufgewachsen ist. "Aber hey, wir lieben dieses Land genau gleich und geben uns Mühe, etwas beizutragen." (spy)

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20 Minuten 20.9.10

Gesagt

 "Das alternative Kulturzentrum Reitschule ist ein kreativer Pool, in dem immer wieder Neues entstehen kann, eine sprudelnde Quelle von Ideen."

 Polo Hofer

 Im "Sonntag" zur Initiative für die Abschaffung der Reitschule.

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swissinfo.ch 19.9.10
http://www.swissinfo.ch/ger/politik_schweiz/abstimmungen/Zukunft_der_Berner_Reitschule_an_der_Urne.html?cid=28360214

Zukunft der Berner Reitschule an der Urne

swissinfo

 Ein rechtsfreier Raum oder ein Hort der alternativen Kultur? Die Reitschule polarisiert und belebt seit zwanzig Jahren die politische Debatte. Am 26. September ist das Stadtberner Stimmvolk einmal mehr aufgerufen, über die Zukunft des autonomen Kulturzentrums abzustimmen.

 Langsam fährt der Zug von Osten über den Bahnviadukt dem Berner Bahnhof entgegen. Die Reitschule, oder auch Reithalle genannt, entgeht kaum den Blicken der Passagiere.Das imposante Gebäude mit den Türmchen und dem atypischen Fachwerk ist von oben bis unten mit Graffiti vollgesprayt.Ein Relikt aus der Vergangenheit - an der Fassade, über dem unvermeidlichen Berner Bären mit herausgestreckter Zunge, ist die Jahrzahl 1897 in Stein gemeisselt und erinnert an die blühende Zeit der ehrwürdigen Berner Reitschule.Die ursprünglichen Betreiber verliessen nach und nach das Gebäude. Anfang der 1980er-Jahre wurde es zum ersten Mal besetzt, im Sog der Zürcher Opernhauskrawalle vom Sommer 1980, als die Jugendlichen dort für ein alternatives Kulturzentrum kämpften.Die Behörden liessen 1982 die Reitschule räumen, 1987 jedoch wurde sie definitiv besetzt und entwickelte sich in der Folge zu einem der wichtigsten alternativen Kulturzentren des Landes.

 Fünfte Abstimmung

 Sei diesem Datum ist die Reitschule in der Bundeshauptstadt immer wieder Gegenstand polarisierender Debatten. In den 23 Jahren des Bestehens der Reitschule wurde die Berner Bevölkerung bereits vier Mal über die Zukunft des Kulturzentrums zur Urne gerufen. Jedes Mal ist die Abstimmung zu Gunsten der Reitschule ausgefallen.Am 26. September müssen die Berner und Bernerinnen über die von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) lancierte Initiative, die eine Schliessung und den Verkauf der Liegenschaft an bester Lage in Bern verlangt, abstimmen. Für die Gegner ist die Reitschule nichts weiter als eine Refugium für Krawallbrüder der extremen Linken und Drogenhändler.Den Kampf gegen diesen "rechtsfreien" Raum führt Erich Hess, 29 Jahre, Präsident der jungen SVP. Er stammt aus dem Emmental und macht keinen Hehl aus seiner Vorliebe für Alphorn, Schwyzerörgeli und Fahnenschwingen.Die Reitschule soll nach seinem Willen und jenem der Initianten dem Meistbietenden verkauft werden. Die zukünftige Nutzung bleibt jedoch unerwähnt - ein Schwimmbad, ein Einkaufszentrum, Büros?Die SVP wird in ihrem Kampf durch die lokale Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) unterstützt, die über Jahre vom bekannten Mitglied Kurt Wasserfallen geprägt war.Der ehemalige Berner Polizeichef und eifrige Verfechter der "Null-Toleranz" starb 2006. Er war der Erzfeind der Antifaschisten, die beschuldigt wurden, die Reitschule als Basis für ihre gewalttätigen Ausschreitungen zu missbrauchen.

 Lokale Spannungen

 Der bernische Sicherheitsdirektor, der Christlichdemokrat Reto Nause, lässt jedoch in der Lokalpresse verlauten, es gebe keinen Grund zur Beunruhigung: "Die Zeit, als die gewalttätigen Demonstranten die Reitschule als Rückzugsort benutzten, gehört seit zwei Jahren der Vergangenheit an", betont er.Der Dialog zwischen der Berner Polizei und den Betreibern der Reitschule, die ständig von "polizeilicher Provokation" sprachen, habe sich in den letzten Jahren verbessert, so Tom Locher, Mitglied der Mediengruppe der Reitschule.Marco Giugni, Politologe an der Universität Genf, stellt fest, dass die Spannungen im Zusammenhang mit autonomen Zentren oft einen konjunkturellen Hintergrund haben und mit der lokalen Politik verbunden sind. "In Genf hat der Druck der Behörden zu heftigen Konflikten mit den Hausbesetzern und dem alternativen Milieu geführt."Nüchtern betrachtet haben die meisten alternativen Zentren seit dreissig Jahren einen Prozess der Institutionalisierung durchlaufen. "Die Hauptsorgen fokussieren sich eher auf betriebliche Probleme als auf die politische Mobilisierung", so Marco Giugni.Als treffendes Beispiel erwähnt Tom Locher die Einführung eines ausgeklügelten Schlüsselsystems: "Vor zwanzig Jahren konnte jeder in der Reitschule herumspazieren, wie es ihm beliebte."

 Drogenabhängige

 "Seit dem Aufkommen der Antiglobalisierungs-Bewegung Ende der 1990er-Jahre konnte rund um die Zentren eine politische Remobilisierung festgestellt werden", unterstreicht Marco Giugni. Die Anti-WEF-Demonstrationen in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre endeten regelmässig in einem Chaos rund um die Reithalle.Doch nicht nur die politischen Aktivitäten führten zu Kontroversen, sondern auch der Vorwurf, die Reithalle sei ein Zufluchtsort für den Drogenhandel und -konsum.Der Mord an einem Drogenhändler vor der Reitschule im August 2008 provozierte eine heftige Diskussion in der Hauptstadt. Zu dieser Zeit nahmen die Drogenabhängigen den Vorplatz des Kulturzentrums in Beschlag und trugen zum "katastrophalen Bild der Institution" bei, erklärt Tom Locher."Wir waren Opfer von Entscheidungen der Stadtregierung, die die Drogenabhängigen aus dem Stadtzentrum verjagt hatten", so Tom Locher weiter.Dank einem ständigen Dialog mit den Drogenabhängigen und der Rückeroberung des öffentlichen Raums vor der Reithalle, wo heute eine Bar betrieben wird und Konzerte stattfinden, konnte das Problem eingedämmt werden, was sogar von den Behörden anerkannt wird.

 Führungen

 In dieser Stadt, die seit 20 Jahren von einer rot-grünen Mehrheit regiert wird, sind die Chancen für einen Erfolg der SVP-Initiative am 26. September eher gering. "Die Reitschule ist zu einem Ausgehort geworden, der von mehreren Generationen von Bernerinnen und Bernern geschätzt wird", erklärt Tom Locher.Daher organisierte die Reitschule im Vorfeld der Abstimmung Führungen mit dem Ziel, die verschiedenen kulturellen Angebote besser bekannt zu machen. Dazu gehören Kino, Theater, eine Bibliothek mit umfangreicher antifaschistischer, antisexistischer und anarchistischer Literatur - und die Spezialitäten wie etwa der "Frauenraum", ein Konzertraum von Frauen nur für Frauen.Und schliesslich ist da noch der "Dachstock", der grosse Konzertsaal direkt unter den Dachbalken der alten Reitschule, dessen Ruf weit über die Hauptstadt hinaus geht.

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AUTONOME ZENTREN

Die meisten autonomen Kulturzentren entstanden in den 1980er-Jahren als Folge der Jugendunruhen, die sich gegen das damalige Kulturestablishment richteten.

Die heftigsten Demonstrationen gab es im Sommer 1980 in Zürich, als die jungen Leute ein autonomes Jugendzentrum (AJZ) forderten und sich erbitterte Kämpfe mit der Polizei lieferten.

Diese Jugendunruhen führten zu einem Umdenken in der Kulturpolitik der Stadt Zürich, die sich mehr öffnete: Am 25. Oktober 1980 öffnete die Rote Fabrik als erstes autonomes Kulturzentrum der Stadt ihre Tore.

Anschliessend wurde in mehreren Schweiz Städten der Ruf nach autonomen Zentren laut, die auch bewilligt wurden, ganz nach dem Vorbild der Kaserne Basel und der Berner Reithalle.

Die Protestbewegung dehnte sich auch auf die Westschweiz aus: Unter dem Slogan "Lôzane bouge" gab es während zweier Jahren (1980-81) Demonstrationen, bei denen es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Lausanner Ordnungskräften kam.

Das AJZ Biel ist das älteste selbstverwaltete Jugendzentrum, das immer noch in Betrieb ist: Es entstand aus der 68er-Bewegung und befindet sich in der Kuppel des ehemaligen Gaswerks der Stadt, wie zahlreiche andere alternative Kulturzentren in der Schweiz auch.
REITSCHULE ODER REITHALLE

Das Gebäude der Reitschule (auch Reithalle genannt) wurde 1897 errichtet und diente zuerst als Reitschule und dann bis in die 1980er-Jahre als Lagerraum.

Zwischen 1981 bis 1982 entstand aus der Reitschule zum ersten Mal ein Kulturzentrum, bevor sie wieder geräumt wurde.

Nach der Zwangsräumung des Zelt- und Wagendorfes "Zaffaraya" 1987 wurde die Reitschule im gleichen Jahr wieder besetzt und nicht mehr "hergegeben".

Die Reitschule ist eines der wichtigsten autonomen Kulturzentren der Schweiz: Sie verfügt über ein Kino, ein Theater, eine Druckerei, eine Schreinerei, verschiedene Bars und Konzertsäle sowie eine grosse Mehrzweckhalle.

Das Kulturzentrum wird als Hauptort des politischen Protestes der extremen Linken betrachtet. Die Kritiker beschuldigen die Betreiber, sich nicht genügend von der antifaschistischen Bewegung und der Gewalt zu distanzieren, die am Rande von Demonstrationen in der Hauptstadt immer wieder vorkommt.

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Links

* Reitschule Bern
http://www.reitschule.ch/reitschule/index.shtml
* Initiative zur Schliessung der Reitschule
http://www.reitschulinitiative.ch/index.htm
* swissworld.org: Jugendunruhen der 1980er-Jahre
http://www.swissworld.org/de/geschichte/20_jahrhundert/jugendunruhen_der_1980er_jahre/

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Zum Thema

* 31.05.2010
Im heissen Sommer 1980, als Zürich brannte
http://www.swissinfo.ch/ger/gesellschaft/Im_heissen_Sommer_1980,_als_Zuerich_brannte.html?cid=8968762
* 06.04.2008
Mai 68: Vor 40 Jahren auch in der Schweiz
http://www.swissinfo.ch/ger/Home/Archiv/Mai_68:_Vor_40_Jahren_auch_in_der_Schweiz.html?cid=6549054

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Fotogalerien

Bewegte Zeiten, bewegende Bilder

Zürich, Sommer 1980: Bewegende Bilder aus bewegten Zeiten von Olivia Heussler.
http://www.swissinfo.ch/ger/multimedia/fotogalerie/Bewegte_Zeiten,_bewegende_Bilder.html?cid=8997852

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furiousclarity.de 19.9.10
http://www.furiousclarity.de/?p=2738

Massenauflauf in Bern: Das Abstimmungsfest am 18.09. in und vor der Reitschule

Reitschule Bern

Auf dem Vorplatz der Reitschule steppt um Mitternacht der Bär. Die Tickets, die im Vorverkauf erhältlich gewesen sind, gingen schneller weg, als man "SVP? Ach nee!” sagen konnte. Auch die zweihundert Karten an der Abendkasse verpuffen aufgrund einer unglaublichen Nachfrage innerhalb von wenigen Minuten.

Im Dachstock findet seit 22 Uhr das Abstimmungsfest "Reitschule bietet mehr” mit TOMAZOBI, THE MONSTERS, MANI PORNO, BAZE und vielen anderen statt. Auch das Sous le Pont und das TOJO-Theater platzen aus allen Nähten. Das Thekenpersonal an der Bar auf dem Vorplatz stößt an seine Grenzen. Bereits um ein Uhr gibt es draußen keine Getränke mehr.

Bereits acht Tage vor der Abstimmung der "Anti-Reitschule-Initiative” gehen die Berner auf die Straßen, um ihre Solidarität mit diesem einzigartigen Ort zu bekunden. Wenn alle Sympathisanten nächsten Sonntag wählen gehen, sollte der Plan von der SVP ein weiteres Mal mit einem gewaltigen "Nein!” durchkreuzt werden.

Die Stimmung ist fabelhaft. Lange herrschte hier nicht mehr ein solches Treiben in dieser Größenordnung. Selbst die Kneipen in der Umgebung sind voll. Um den Alkoholpegel halten oder steigern zu können, weichen viele aus, die sich keinen Eintritt mehr in die Reitschule verschaffe können. Die "IndieZone”-Party im ISC ist vermutlich aus diesem Grund ebenfalls ausverkauft, weshalb sich ein Gang ins Lorrainequartier anbietet. Der Stadtteil hat fatalerweise seine Kantsteine hochgeklappt. Die Bewohner sind alle ausgeflogen und dem Ruf der Reitschule gefolgt: Das Du Nord hat geschlossen. Das Café Kairo hat geschlossen. Die Brasserie Lorraine hat geschlossen. Trost gibt ein türkisches Lokal, in dem noch Bier und Börek verkauft werden.

Um zwei Uhr erhält man im ISC wieder Einlass. Der Club feiert in diesem Jahr seinen 40sten Geburtstag. Happy Birthday auch von uns! Die Sängerin von THE MONOFONES legt die üblichen Indieperlen auf. Viele Typen tanzen um eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Frauen tollpatschig herum. Das Publikum ist an diesem Abend ist überwiegend jung und uninteressant. Jeder, der etwas auf sich hält und sich früh genug um Tickets gekümmert hat, ist in der Reitschule. Schließlich ist dieser Ort unverzichtbar und bietet mehr…

"…mehr Kultur, mehr Kino, mehr Musik, mehr Theater,
mehr Auseinandersetzung für eine bessere Welt und
mehr Utopien sowieso!”

Also:
NEIN zur Reitschule-Initiative am 26. September 2010!

Wir sehen uns beim Brunch.

(Christoph Parkinson)

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Sonntag 19.9.10

"Nonsens kann jeden Sinn annehmen"

 Polo Hofer und Balts Nill greifen mit dem einst verschollenen Song "Früehlig" in den Abstimmungskampf um die Reitschule ein

von Stefan Künzli

 "Das ist nun schon die vierte oder fünfte Abstimmung über die Reitschule", wettert Polo Hofer und spricht von einer "Zwängerei". Es gehe den Initianten um den Berner SVP-Grossrat Erich Hess nur um populistische Stimmungsmache. Denn die Initiative sei absolut chancenlos. Für Polo ist das alternative Kulturzentrum "ein kreativer Pool, in dem immer wieder Neues entstehen kann, eine sprudelnde Quelle von Ideen". "Ich bin total für die Reitschule und widme ihr deshalb den Song ‹Mir sy gäge Früelig›." Ein Song mit einigem Hitpotenzial.

 "Es wird Früehlig, bliib gschiider im Huus, duss isch es gfährlech, dBöim schlö uus."

 "Es wird Früehlig und mir si degäge, mer si für Schnee, für Iis u für Räge."

 "Mir schiesse mit Iiswürflel gäge dSunne, no het de Früehlig nid gwunne."

 "Mir sy gäge Früehlig, dä schadet nume, dä Früehlig", singt Polo in dem Song, indem er die "populistischen Betonköpfe und notorischen Neinsager um Initiant Hess erkennt.

 Dabei war der ebenso absurde wie originelle, dadaistische Text eigentlich nicht fürdie Abstimmung um die Reitschule bestimmt. Er stammt auch nicht von Hofer, sondern von einem gewissen Ueli Balsiger. Besser bekannt als Balts Nill, bis 2005 die andere Hälfte von Stiller Has und danach Reden-Schreiber von Moritz Leuenberger im Präsidialjahr. Und vor allem: Der Song wurde schon 1983 aufgenommen, war aber verschollen und vergessen.

 Wiederentdeckt wurde "Früehlig" von Polos Sound-Engineer Eric Merz im Rahmen einer Rettungsaktion für Songmaterial der SchmetterBand. Wie Merz erklärt, wurde ein Grossteil der Songs nämlich auf Bändern aufgenommen, die sich mit der Zeit selber zerstören. Um die Songs für die Nachwelt zu erhalten, ist Merz ins Archiv gestiegen. Dabei ist er auf den "Früelig" gestossen.

 Die Geschichte des Songs begann aber noch früher: in der Mitte der 70er-Jahre. Balts Nill erinnert sich an seine "Jugendsünden" als Philosophiestudent und Journalist: "Mit meinem Freund Michael Massini verfasste ich ab und zu Flugblätter. Wir druckten sie und verschickten sie zum Teil per Post an irgendwelche Leute - natürlich ohne Absender -, warfen sie auf unseren nächtlichen Streifzügen in Briefkästen oder klemmten sie unter Autoscheibenwischer."

 "Es waren in erster Linie Nonsens- und Blödeltexte, die die Leute verwirren sollten", meint Nill. Die Texte waren aber klar politisch motiviert, wie auch das Flugblatt "Der Frühling kommt", das um 1976 entstanden sein muss. "Aber wir machten uns über beide politischen Seiten lustig: die rechten kalten Krieger und ihre Sprache sowie die linken Flugblattschreiber, die in unseren Augen sowieso immer zu spät kamen", erklärt Nill.

 Zum Songtext wurde "Der Frühling" erst 1983. Für einen Wettbewerb von DRS3 übersetzte Nill den Text in die Mundart, packte ihn in Strophen, verschickte die Rohfassung anonym an den Sender - und gewann. Polo hat den Song darauf mit seiner Band (Carlo Schuster, Peter Schaller, Mauro Zompicchiatti, Thomas Wild, Hape Brüggemann) vertont. "Eine historische Aufnahme, denn es ist der erste Song der SchmetterBand", so Hofer.

 Doch dann gab es Zoff. Nill und seine Chaostruppe Caduta Massi (die Vorläuferband von Stiller Has) wollten den Song selber aufnehmen. Die Band löste sich aber zuvor auf. Der Song ging vergessen, bis ihn Merz wieder aufstöberte.

 Damals, in den frühen 80er-Jahren, bekam der Song "eigentlich unbeabsichtigt" eine politische Stossrichtung. "Er passte in die 80er-Bewegung mit seinem ‹Weg mit dem Packeis›-Groove der Bewegten." Das Flugblatt, das ja einige Jahre zuvor geschrieben worden war, hat den Stil vorweggenommen, der in der 80er-Bewegung aktuell wurde.

 "Wunderbar, wie sich dieser Nonsens dem Zeitgeist anpassen und wie ein Chamäleon die Farbe wechseln kann", freut sich Nill. Gerade durch den Klimawandel werde der Song gegen den Frühling und die wärmende Sonne "wieder topaktuell". "Er erlebt den dritten Frühling", sagt Nill. Aber natürlich könne er auch im Abstimmungskampf für die Berner Reitschule eingesetzt werden. "So ist das mit dem Nonsens", erklärt Nill, "der kann jeden Sinn annehmen."

 Polo Hofer: Mir sy gäge Früelig, SoundService. Erscheint am 20. Sept. als Download-Single. Polo Hofer: Rimix, SoundService. 16 neu gemischte und restaurierte Archiv-Songs. Erscheint am 1. Okt.

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http://itunes.apple.com/ch/album/mir-sy-gaege-frueelig-rimix/id393780978

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BZ 18.9.10

BERN, BABY, BURN

 Früher, als ich noch jedes Wochenende zweimal in den Ausgang ging (liebes Leben, ist diese Phase wirklich vorbei?), war ich auch jedes Wochenende in der Reitschule. Deshalb werde ich auch ein kräftiges I love Reitschule in die Urne werfen.

 Für Jugendliche ist das nämlich ein tipptopper Ort. Nicht nur wegen der Musik im Dachstock. Und weil halt alle dort sind. Und weil man dort so viel raucht und trinkt und küsst und konsumiert und sich dabei schön antikapitalistisch fühlen kann.

 Sondern ein wenig auch, weil Erwachsene die Reitschule blöd und/oder gefährlich finden. Dann müssen Jugendliche grad extra hin, das ist quasi ihr Job.

 Heute bin ich nur noch selten in der Reitschule. (Eben, das Alter!) Neulich am Flohmarkt. Es gab Ramsch und Kettensägen. Und ein Gspänli erzählte mir: Wenn man dort sein Zeug verkaufen will, muss man am Morgen um 4 Uhr vor dem Tor stehen und ellbögeln wie verruckt, damit man einen guten Verkaufsplatz bekommt.

 "Basiskapitalismus", nannte sie das. Uiuiui!

 Sarah Pfäffli (28, sarah.pfaeffli@bernerzeitung.ch) und Fabian Sommer schreiben hier abwechslungsweise weiss auf schwarz, wos in ihrer Stadt echt brennt. Sie aus Bern, er aus Biel.

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HANFKLAU
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20min.ch 20.9.10
http://www.20min.ch/news/bern/story/War-Hanf-als-Medizin-gedacht--12924118

Zaffaraya-Plantage in Bern

War Hanf als Medizin gedacht?

von Patrick Marbach - Nachdem ihre Hanfplantage aufgeflogen ist, wehren sich die Zaffarayaner: "Das Cannabis haben wir zum Teil aus medizinischen Gründen angebaut."

"Wir haben es mit waschechten Dealern zu tun", erklärte SVP-Grossrat Thomas Fuchs, als er die Polizei auf den Fall ansetzte (20 Minuten berichtete). "Diese Anschuldigungen sind aus der Luft gegriffen", nervt sich Zaffaraya-Bewohnerin K. A.* "Niemals haben wir mit Drogen Geld gemacht."

Das Cannabis sei zum Grossteil für den medizinischen Gebrauch vorgesehen gewesen. K. A. leidet unter Multipler Sklerose. "Nur dank Cannabis bin ich arbeitsfähig und nicht auf Unterstützung angewiesen." Auf ärztliche Empfehlung hin habe sie sich mit weiteren MS- und Krebspatientinnen zur Selbsttherapie entschlossen und den Hanf gepflanzt. "Weil wir befürchteten, dass uns ein Teil gestohlen wird, haben wir es bei der angebauten Menge übertrieben", räumt K. A. ein. Und natürlich hätten sich auch andere Zaffarayaner am Hanf bedient.

80 Kilo nasse Stauden hat die Polizei im Hüttendorf sichergestellt. Rund ein Viertel der Menge wäre getrocknet zum Rauchen geblieben. "Mit dem Cannabis, das letzte Woche im Wankdorf und in Bremgarten beschlagnahmt wurde, haben die Zaffarayaner nichts zu tun", versichert K. A.

*Name der Redaktion bekann

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Hanf als Medizin

Cannabis kann Symptome der Multiplen Sklerose lindern. Wissenschaftliche Studien belegen therapeutische Effekte bei Schmerzen, Spastik und Schlaf­störungen. In der Schweiz darf aber kein Arzt Cannabis verschreiben. Betroffene behelfen sich deshalb mit Hanfprodukten, die illegal und schwer zu dosieren sind.

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20 Minuten 20.9.10
http://www.20min.ch/news/bern/story/Kiloweise-Hanf-angebaut-und-gebunkert--25541393

Zaffaraya: Kiloweise Hanf angebaut und gebunkert?

 BERN. Fast 200 Kilogramm Hanf hat die Kapo Bern sichergestellt. Brisant: Der grösste Teil stammt offenbar aus der Hüttensiedlung Zaffaraya.

 Zweimal hat die Kantonspolizei Bern letzte Woche bei Outdoor-Hanfplantagen zugeschlagen und insgesamt fast 200 Kilogramm der Droge sichergestellt. Die "Beute" wurde sogleich vernichtet. Was die Polizei nicht bekannt gab, war der Fundort von rund 160 der 200 Kilogramm: im und neben dem Hüttendorf Zaffaraya, beim Neufeld-Zubringer.

 "Ein Skandal", schimpft SVP-Grossrat Thomas Fuchs, der die Hanfplantage der Polizei bereits vor gut zwei Wochen gemeldet hatte - "ohne dass diese reagierte". Erst nach einer privaten Anzeige sei gehandelt worden.

 Die Kapo schweigt dazu: "Details geben wir nicht bekannt", so Sprecher Stefan von Below gestern in "Sonntag". Wie kommuniziert werde, habe der Untersuchungsrichter entschieden. Fuchs hingegen hat einen schweren Verdacht: "Hier werden Kriminelle absichtlich geschützt." Schliesslich gehe es in diesem Fall nicht mehr um eine kleine Balkonplantage, sondern um Hanf im Wert von rund einer halben Million Franken. "Wir haben es mit waschechten Dealern zu tun."

 Die restlichen rund 40 sichergestellten Kilogramm Hanf stammen aus Bremgarten.  NJ

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Sonntag 19.9.10

Hanf-Razzia war im Zaffaraya

BERN 80 Kilogramm Hanfpflanzen und 76 Kilogramm Hanfstauden fand die Berner Kantonspolizei bei einer Razzia vor wenigen Tagen. Das hat sie kommuniziert. Was sie jedoch verschwieg: Der Hanf wurde im Zaffaraya-Dorf sichergestellt. "Mir erzählte jemand, dort gebe es eine grosse Hanfplantage", sagt SVP-Grossrat Thomas Fuchs. Er habe die Kantonspolizei informiert, doch es sei nichts geschehen. "Dann erstattete eine Privatperson Anzeige." Das Zaffaraya ist ein Gelände für "selbstbestimmtes Wohnen und Leben" in Bern. Was die Polizei im Zaffaraya gefunden habe, "übertraf alles, was sie erwartete". Das ist brisant, nur eine Woche vor der Abstimmung über die SVP-Initiative, welche die Schliessung und den Verkauf des umstrittenen Berner Kulturzentrums Reitschule an den Meistbietenden fordert. Denn im Zaffaraya verkehre eine "ähnliche Klientel" wie in der Reithalle, sagt Fuchs. Auf Anfrage will die Berner Kantonspolizei nichts dazu sagen, wo der Hanf gefunden wurde. "Details geben wir nicht bekannt", sagt Sprecher Stefan von Below. Der Untersuchungsrichter habe entschieden, dass so kommuniziert werde. Wegen der Abstimmung in einer Woche? Von Below: "Dazu äussere ich mich nicht." Thomas Fuchs findet dafür nur ein Wort: "Unglaublich." (att)
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BZ 18.9.10

200 Kilo Hanf vernichtet

 An drei Orten in Bern und Bremgarten hat die Kantonspolizei grosse Mengen Hanf sichergestellt und vernichten lassen.

 Ende August und Anfang September hatte die Kantonspolizei Bern Hinweise aus der Bevölkerung bekommen, dass an der Berner Neubrückstrasse im Raum Park & Ride Neufeld, beim Wankdorf und in Bremgarten Hanfplantagen gefunden werden könnten. Die daraufhin eingeleiteten Ermittlungen hätten dann dazu geführt, dass in den letzten Tagen verschiedene Hausdurchsuchungen vorgenommen worden seien, teilte die Kantonspolizei gestern mit.

 In einem Garten in Bremgarten konnten 30 Kilogramm nasse Hanfpflanzen und 10 Kilo getrocknete Pflanzen sichergestellt werden. Im Raum Park & Ride Neufeld, wo sich auch die alternative Siedlung Zaffaraya befindet, wurden zwölf Kehrichtsäcke mit Hanfpflanzen (rund 80 Kilogramm) beschlagnahmt, im Gebiet Wankdorf waren es 76 Kilogramm Hanfstauden, schreibt die Polizei. Die Hanfpflanzen seien vernichtet worden, und weitere Ermittlungen seien im Gang. Wo genau der Hanf sichergestellt wurde, wollte die Polizei auf Anfrage nicht sagen.
 pd/mm

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police.be 17.9.10

Bern und Bremgarten: Hanfpflanzen sichergestellt

17. September 2010

pkb. Die Kantonspolizei Bern hat in den letzten Tagen in Bern und Bremgarten Hanfpflanzen in grösserem Umfang sicherstellen können. Sie wurden der Vernichtung zugeführt.

Ende August und Anfang September 2010 hatte die Kantonspolizei Bern nach eigenen Feststellungen und Hinweisen aus der Bevölkerung Erkenntnisse erhalten, wonach an der Neubrückstrasse im Raum P+R Neufeld und Wankdorf in Bern und in Bremgarten, Hanfplantagen angetroffen werden können.

Die daraufhin eingeleiteten Ermittlungen der Kantonspolizei Bern haben dann dazu geführt, dass in den letzten Tagen verschiedene Hausdurchsuchungen vorgenommen wurden. In einem Garten in Bremgarten konnten insgesamt 30 kg nasse Hanfpflanzen und 10 kg getrocknete Pflanzen sichergestellt werden; im Raum P+R Neufeld betrug die Sicherstellung zwölf Kehrichtsäcke mit Hanfpflanzen (rund 80 Kilogramm) und im Gebiet Wankdorf 76 Kilogramm Hanfstauden.

Die Hanfpflanzen wurden der Vernichtung zugeführt.

Weitere Ermittlungen sind im Gang.

Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland
(pf)

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RABE-INFO
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Mo. 20. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_20._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_20._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2020.%20September%202010
- Tag des Studienbeginns: Organisationen und Parteien buhlen um die Gunst der Studentinnen und Studenten
- Kopf der Woche: die Künstlerin Chantal Michel und ihr Märchenschloss

Links:
http://www.uniaktuell.unibe.ch/content/news/2010/was_bei_studienbeginn_vom_kindheitstraum_bleibt
http://www.chantalmichel.ch

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BIG BROTHER VIDEO
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Bund 18.9.10

Stadtratskommission für Videoreglement

 Stadt Bern - Der Gemeinderat soll in der Stadt Bern Überwachungskameras installieren dürfen. Dieser Ansicht ist die vorberatende Stadtratskommission für Finanzen, Sicherheit und Umwelt (FSU). Die FSU hat dem Videoreglement, das der Gemeinderat vorgeschlagen hatte, in ihrer Sitzung vom 13. September mehrheitlich zugestimmt, wie die FSU in einer Medienmitteilung bekannt gibt. Der Stadtrat wird am 21. Oktober über das Videoreglement befinden. Gegen die Vorlage könnte zudem ein Referendum ergriffen werden.

 Die FSU knüpft ihre Zustimmung allerdings an Bedingungen. Drei Jahre nach der Inbetriebnahme müsse der Gemeinderat nachweisen, dass die Überwachungskameras die öffentliche Sicherheit auch tatsächlich verbessern. Kann er dies nicht, müssen die Kameras wieder entfernt werden. Zudem müsse er eine Liste der Kameras publizieren, die auch Angaben über die Betriebszeit und das Aufnahmefeld der Kameras enthält. Eine Minderheit der FSU will Überwachungen in Echtzeit nur bei Massenveranstaltungen zulassen. (st)

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STADTRAT
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Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 23. September 2010 14.00 Uhr und 16.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus

NEUE LISTE///Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich (Besuchertribüne)////// Im Rahmen der Stadtratssitzung findet von 1530 bis 16.15 eine Debatte des Kinderparlaments statt

Traktanden

(...)

8. Dringliche Interpellation Luzius Theiler, Regula Fischer (GPB-DA): Gitterzaun zwischen Stadion Wankdorf und S-Bahnstation: Mehr oder weniger Sicherheit? (SUE: Nause) 10.000209
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000209/gdbDownload
 
(...)

10. Kleine Anfrage Fraktion FDP (Philippe Müller, FDP): Wildwest-Kapitalismus vor der Reitschule? (SUE: Nause) verschoben vom 16.09.2010 10.000203
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000203/gdbDownload

(...)

 
12. Motion Fraktion GB/JA! (Stéphanie Penher/Natalie Imboden, GB): Bollwerk, Schützenmatte und Zugangsachsen besser beleuchten (TVS: Rytz) verschoben vom 09.09.2010 09.000386
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/09.000386/gdbDownload
 
13. Motion Fraktion GB/JA! (Cristina Anliker-Mansour, GB/Rahel Ruch, JA!): Keine sexistische und rassistische Werbung in der Stadt Bern (TVS: Rytz) verschoben vom 09.09.2010 09.000387
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/09.000387/gdbDownload

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EI DER REVOLUTION
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Bund 18.9.10

Das Ei der Revolution

 Theater ist lustig: Die Gruppe 400asa fordert in ihrem Stück "La Cérémonie" das Publikum auf, das Stadttheater mit Eiern zu bewerfen. Dann kommt die Polizei und findet das nicht besonders spassig.

 Pia Strickler

 Das Ziel heisst Stadttheater Bern. Dort, so verspricht eine eilends verschickte Pressemitteilung von 400asa, werde jedem Zuschauer die Möglichkeit gegeben, seiner Haltung dem altehrwürdigen Kulturtempel gegenüber einen sehr physischen und persönlichen Ausdruck zu verleihen. Es wird auch gleich verraten, wie: mit Eiern, die in einem "rituellen Akt an die Fassaden des Stadttheaters geschmissen werden können - oder auch nicht". Eine revolutionäre Geste soll es werden, und zwar gegen bürgerliche Kultur, gegen das konservativ konzipierte Stadttheater, gegen die Feudalstruktur - oder so ähnlich.

 Chabrol am Zürichberg

 Die mobile Theaterperformance (unter der Regie von Samuel Schwarz) startet im Keller des Schlachthaus-Theaters. Eine Kaugummi kauende Brünette kündigt ein Kasperlitheater an. Gespielt wird die Kurzfassung von Claude Chabrols Film "La Cérémonie", der Inspirations- und Titelquelle des Abends. Die Geschichte rund um eine reiche Familie und ihr Dienstmädchen spielt nun am Zürichberg, die Handpuppen und ihre menschlichen Stimmen sind herrlich karikierend, und selbst ob des blutigen Endes amüsiert man sich gut.

 Während die Familiengeschichte läuft, werden die Besucher nach und nach auf einen Audiorundgang geschickt. Nun sind Wartezeiten nicht zu vermeiden: ein dramaturgischer Tiefpunkt. Aber schliesslich hält man dann doch einen Walkman in Händen, die Play-Taste darf gedrückt werden. Ein Rundgang durch Berns Altstadt beginnt. Der Stimme auf dem Tonband folgend, wird man durch Gassen und Lauben geschleust. Die Beschreibungen sind präzis und lassen einen die eine oder andere Entdeckung machen. Übrigens ist es nicht irgendjemand, der den Weg weist: Man hat es mit einem der fünf Protagonisten aus Chabrols Film zu tun. Aber Melinda zum Beispiel ist jetzt nicht mehr einfach die Tochter aus gutem Hause, sie ist nun auch Teil eines chinesisch-schweizerischen Kulturprojekts. Wie im Film ist sie ungewollt schwanger, diesmal von einem chinesischen Künstlerkollegen. Fazit: Dumm gelaufen für Melinda, aber irgendwie auch ein bisschen langweilig, diese Gesichte.

 Saubere Fassaden

 Irgendwann kommt man an einem Korb mit Eiern vorbei. Man solle eins mitnehmen und gut aufbewahren - die Revolution wird kommen! Endlich dirigiert einen die Stimme zum Stadttheater. Jetzt darf werfen, wer will. Am Boden liegen ein paar Eierschalen - man muss schon fast eingeweiht sein in die subversiven Pläne, um sie zu sehen. An der Fassade hängen Transparente, die zum Entern des Stadttheaters aufrufen. Ein paar Polizisten spielen jetzt übrigens auch mit - oder sind die echt?

 Im Foyer des "bürgerlichen Kulturhauses" wird "La Cérémonie" fortgesetzt. Imperialismuskritik, brechtsche Theatertheorie und chinesische Dramen bekommt man nun vorgesetzt. Der Abend schleppt sich von einem dramaturgischen Taucher zum nächsten. Aber alles wird mit grossem schauspielerischen Einsatz und Charme dargeboten. Tuchfühlung mit den Akteuren ist garantiert. Die Präsenz der jungen Truppe beeindruckt - und doch wartet man insgeheim auf den finalen Knall, der diesem irgendwie überflüssigen Treiben ein Ende setzt. Mehr als ein paar Proteinspuren an der Fassade des altehrwürdigen Kulturtempels und eine vermutlich kurz gehaltenen Notiz in einem Polizeibericht - jawohl, die Polizisten waren tatsächlich echt - bleiben nicht übrig.

 Die Vorstellung heute Samstagabend ist ausverkauft.

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BZ 18.9.10

Performance von 400asa

 "Und jetzt wirf das Ei"

 Ein perfekter Theaterabend: Die Gruppe 400asa um Samuel Schwarz kritisiert in ihrer Theaterperformance "La Cérémonie" die Zweiklassengesellschaft. Und schafft dabei den Spagat zwischen intellektuell und volksnah.

 Das Ei liegt versteckt unter einem Busch im Pärkchen vor dem Stadttheater. Dahin gelockt hat mich Gilles, der mich seit einer halben Stunde begleitet. Gilles ist der Sohn der reichen Familie Lelievre, die im Verlaufe des heutigen Abends vom Dienstmädchen Sophie und deren Freundin Jeanne ermordet werden wird. Der Kampf gegen die Zweiklassengesellschaft ist angelaufen.

 Kasperlitheater

 Er hat um halb neun im Keller des Schlachthaus-Theaters begonnen, wo Schauspielerinnen der Gruppe 400asa ein Kasperlitheater aufführen. Sie spielen "La Cérémonie" nach, den Film des eben verstorbenen Regisseurs Claude Chabrol. Besagte Familie Lelievre symbolisiert darin das Bürgertum, das Dienstmädchen Sophie die unterdrückte Klasse. Doch das ist nur der Ausgangspunkt: Raffiniert verweben 400asa von da an Gesellschaftskritik und Kulturpolitik und kritisieren die angeblich imperialistische Arroganz von Kulturhäusern und Förderstellen

 Das wird dem Publikum schön vor Augen geführt, wenn die chinesischen Gäste zu exotischen Einlagen verkommen. Besonders brisant in diesem Zusammenhang ist, dass 400asa dieses Projekt im Rahmen eines Kulturaustauschs von Pro Helvetia mit China realisieren konnte. Der Showdown passiert im Stadttheater, nachdem die Zuschauer auf sich alleine gestellt per Audioguide durch die Stadt geführt worden sind.

 Polizei rückt an

 Ich entdecke neue Winkel von Bern, während Gilles mir von seiner Leidenschaft für Musik erzählt. Mir ist unheimlich zumute, als ich eine dunkle Treppe nehmen soll, und ich weiss nicht, ob der Mann, der einsam auf einer Parkbank sitzt und einen Joint raucht, zur Inszenierung gehört. Schliesslich stehe ich mit dem rohen Ei in der Hand vor dem Stadttheater. Hier drin befinde sich das Bürgertum, raunt Gilles in meine Ohren. "Und jetzt wirf das Ei jetzt", sagt er. Hypnotisiert gehorche ich und ignoriere den Polizeibeamten, der sich neben den Eingang des altehrwürdigen Hauses gestellt hat.

 Marina Bolzli

 Die letzte Vorstellung von "La Cérémonie" heute Abend ist ausverkauft.

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kulturstattbern.derbund.ch 17.9.10

Von Roland Fischer am Freitag, den 17. September 2010, um 19:14 Uhr

Dochnoch-Eklat

Kurz vermeldet: Gestern gab es doch noch richtiges Theater rund ums Theater und die Biennale. Eier flogen gegen die Fassade des Stadttheaters, von den Balkonen oben wurde mit kalten Wassergüssen geantwortet - ein Heidenspass. Bis die Polizei aufkreuzte und vom Radau und der Bar Rage oben im Foyer offenbar so beeindruckt war, dass sie nichts weniger als eine Besetzungsaktion von Linksaktivisten witterte.

Dem Vernehmen nach vermochten die Biennale-Verantwortlichen die Ordnungshüter mit Müh und Not davon abzuhalten, gleich das ganze Haus zu räumen. Ärger gab das Ganze natürlich trotzdem. Wer den ganzen Trubel verursacht hat? Die (notabene mit der neuesten Produktion "La Ceremonie" von der Biennale eingeladene) Theatergruppe 400asa, deren Chef Samuel Schwarz ja das Stadttheater ohnehin am liebsten usurpieren möchte. Und weil es bis zur richtigen Theaterrevolution wohl noch ein Weilchen hin ist, stachelt er seine Zuschauer inzwischen mal zum Eierschmeissen an. "Lustvoll-politisches Hauptstadttheater" (Eigenwerbung 400asa)? Zum Schenkelklopfen.

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ALKITREFF BIEL
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BZ 18.9.10

Biel

 Alkitreff muss weg

 Ende dieses Monats wird der Alkitreff am Bieler Walserplatz verschwinden. Die Stadt reagiert damit auf mehrere Beschwerden.

 Der Alkitreff am Walserplatz in Biel wird per Ende September endgültig geschlossen. Ab 2003 begannen alkoholabhängige Randständige damit, einen Treffpunkt für sich zusammenzuzimmern. Eine Bewilligung dafür gab es nicht. Hinter dem Bieler Bahnhof entstand ein abenteuerlich anmutendes Barackenensemble. Die Stadt hatte über lange Zeit beide Augen zugedrückt, und wenn es keine Klagen gegeben hätte, dann wären sie den Alkis womöglich weiterhin gut gesinnt.

 Aber die Randständigen sollen die öffentliche Ordnung gestört haben. Das hat verschiedene Beschwerden ausgelöst. Bei der unmittelbar neben dem Alkitreff ansässigen Wirtschaftsförderung löste das Treiben der Randständigen besonderes Missfallen aus. Schliesslich soll die Organisation Investoren den Standort Biel schmackhaft machen. Der Gemeinderat beschloss jedenfalls, den Treff zu schliessen und die Bauten zu entfernen.

 Der zuständige Gemeinderat, Pierre-Yves Moeschler (PSR), bedauert, dass bislang kein neuer Ort für die rund 50 alkoholabhängigen Menschen gefunden wurde. "Es fehlen uns strukturelle und finanzielle Mittel", sagt Moeschler. "Wir werden aber Lösungen finden", ergänzt der Sozialdirektor.
 BT

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DROGEN
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Bund 18.9.10

Die Frage

 Welche Sucht kommt am teuersten zu stehen?

 Sucht kostet viel Geld. Am teuersten für die Gesellschaft sind die illegalen Drogen, die pro süchtige Person jährlich 135   000 Franken soziale Kosten verursachen. Alkoholiker kosten die Allgemeinheit 6800 Franken, der Tabakkonsum 2900 Franken. Mit 3000 Franken pro Kopf sind die Spielsüchtigen in den Casinos ähnlich teuer. Bei ihnen fallen die Kosten ins Gewicht, die durch häufigen Stellenwechsel, Absenzen, Suizide und Scheidungen verursacht werden. Da nur 20   000 Personen als spielsüchtig gelten, hält sich die Beanspruchung der Gesellschaft mit 60 Millionen Franken in Grenzen. Die Alkoholiker kosten das Land jährlich 7 Milliarden Franken, die Raucher 11 Milliarden, die Drogensüchtigen 4 Milliarden. (jä)

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HUNGERSTREIK
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Indymedia-Feature 17.9.10

Billy, Costa, Silvia und Marco - Hungerstreik in den Knästen ::  

((i)) - with a little help from our friends

Seit dem 10. September 2010 befinden sich vier revolutionäre ÖkoanarchistInnen in Knästen in der Schweiz im Hungerstreik. Billy, Costa, Silvia und Marco Camenisch schreiben in ihrer Erklärung, dass "[w]egen den umständehalber bestehenden Begrenzungen und Verzögerungen der Kommunikation, die unter uns drei in U-Haft sogar im totalen Kommunikationsverbot bestehen, ist die Abmachung und Organisierung dieser Initiative schwierig und vielleicht nur in der Folge werden ausführlichere auch individuelle Nachrichten, Bestätigungen und Erklärungen möglich sein. Aber als revolutionäre AnarchistInnen wollen wir von hier drinnen hiermit entschlossen unsere internationalistische solidarische Teilnahme jenseits jeglicher spezifischen Tendenz an den revolutionären Initiativen und Kämpfen drinnen und draussen gegen Repression, Knast, Isolation, Folter bekräftigen."

Silvia, Billy und Costa sitzen seit dem 15. April 2010 in Haft in der Schweiz, weil ihnen vorgeworfen wird einen Anschlag geplant zu haben. Bei einer Verkehrskontrolle wurden Sprengstoff und Gegenstände zum Bau von Sprengsätzen gefunden, sowie ein BekennerInnenschreiben, "das auf einen geplanten Anschlag auf das IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon ZH hinweist”. Marco Camenisch sitzt seit mehreren Jahren aufgrund seiner militanten Intervention in der Schweiz und Italien gegen die Atomindustrie.

Newswire Artikel: Soli-Knastspaziergang in Biel 10. September 2010 | Solidaritätstransparent "MARCO LIBERO" in Zürich | Hungerstreikerklärung x Marco, Silvia, Billy und Costa! | Sonntag 17.30 Marco Camenisch auf LoRa! | Farbanschlag auf Amt für Justizvollzug in Zürich | Hungerstreik: Flyer+Banner gegen Nano und Biotechnologien
[ hier klicken um mehr darüber zu lesen ]
http://ch.indymedia.org/de/2010/09/77495.shtml

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ANTI-ATOM
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Basler Zeitung 20.9.10

Schweizer Krebsstudie soll auch Deutsche berücksichtigen

 Die Waldshuter möchten in eine Untersuchung zum Krebsrisiko rund um AKW einbezogen werden

 Franziska Laur

 Die Schweizer sind dabei zu prüfen, ob Atomkraftwerke Kinder krank machen. Allerdings machen die Untersuchungen an der Grenze halt. Ein Fehler, sagen die Waldshuter.

 Wenn Rita Schwarzelühr-Sutter, Waldshuter SPD-Bundestagsabgeordnete, aus dem Fenster ihres Hauses blickt, so sieht sie die Dampffahne des AKW Leibstadt. Der Gedanke, ob das rund einen Kilometer entfernte Schweizer Kraftwerk schädigende Immissionen ausstösst, beschäftigt sie seit der Geburt ihrer Kinder: "Doch die Frage, ob es rund um die Schweizer AKW vermehrt Krebserkrankungen bei Kindern gibt, kann nur mit einer grenzüberschreitenden Studie beantwortet werden", sagt sie.

 In Deutschland wurde 2007 eine Studie zu diesem Thema publiziert. Die Resultate schockierten selbst die Projektleiter: Kleine Kinder, die in der Umgebung von Atomkraftwerken aufwachsen, haben ein doppelt so hohes Risiko, an Leukämie zu erkranken wie unbelastete Kinder. Allerdings konnten die Autoren keine gesicherten Aussagen über die Ursachen des vermehrten Auftretens der Krebserkrankungen machen.

 Eine ähnliche Studie namens Canupis läuft nun auch in der Schweiz. Die Resultate sollen in den nächsten Monaten vorgestellt werden. Doch trotz der Intervention der Waldshuter - auch Landrat Tilman Bollacher hat sich um den Einbezug bemüht - waren die Projektverantwortlichen nicht bereit, ihre Studie auszudehnen.

 Ruf nach mehr Daten. Ein Fehler, sagt Claudio Knüsli aus Basel. Er ist Onkologe und Präsident von PSR/IPPNW Schweiz, der ÄrztInnenorganisation für soziale Verantwortung und zur Abschaffung von Atomwaffen. Knüsli begrüsst zwar die Canupis-Studie sehr, hat jedoch Bedenken bezüglich ihrer statistischen Nachweiskraft. Er schätzt das Risiko eines falschen Resultats als "bedenklich hoch" ein. In der Schweiz sei die Bevölkerungszahl um ein Vielfaches tiefer als in Deutschland. "Die Schweiz ist zu klein, um das Krebsrisiko bei Kindern statistisch richtig zu erfassen", sagt Knüsli. Seiner Meinung nach müssten nicht nur Kinder, sondern auch Schwangere und die grenznahe Bevölkerung auf der deutschen Seite untersucht werden.

 Dies sieht auch Schwarzelühr-Sutter so: "Es braucht eine gewisse Datenbasis, und wenn man die nicht hat, so kann man keine aussagekräftige Studie erstellen."

 Martin Feller, Projektmanager der Canupis-Studie, weist diese Aussagen zurück: "Mit den uns zur Verfügung stehenden Daten können wir den gleichen Effekt wie in Deutschland auch bei uns in der Schweiz nachweisen", sagt Feller. Man habe die deutsche Grenzregion nicht einbeziehen können, weil innert absehbarer Zeit und zu finanziell vertretbaren Bedingungen kein vergleichbarer Datensatz zur Verfügung gestanden sei. Ausserdem sei die grenznahe deutsche Region in AKW-Nähe nicht dicht besiedelt.

 Dem widerspricht Schwarzelühr-Sutter aufs Schärfste: "Von Waldshut aus kann man ja in den Kühlturm des AKW Leibstadt spucken", sagt sie. Und in den beiden zusammenhängenden Städten Waldshut-Tiengen würden immerhin rund 20 000 Leute wohnen. Wenn das keine dichte Besiedelung sei. Sie zweifelt am Willen der Projektverantwortlichen, tatsächlich ein aussagekräftiges Resultat zu erhalten.

 Inmitten von AKW. Die Bedenken der Waldshuter Nachbarn sind verständlich in Anbetracht der Tatsache, dass mehrere nukleare Anlagen in ihrer Nähe liegen: Mit Leibstadt und Beznau I und II sind es drei der fünf Schweizer AKW. Auch die Forschungsanlagen des Paul-Scherrer-Instituts und Würenlingen mit dem Zwischenlager für Atommüll liegen nicht weit entfernt. "Nun kommen die potenziellen Standorte für ein Atommülllager in Grenznähe hinzu", sagt Schwarzelühr-Sutter. Vorerst bleibt ihr wenig anderes übrig, als weiterhin besorgte Blicke über die Grenze hinweg zu schicken.

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 Die Canupis-Studie

 Kinderkrebs. Um einen allfälligen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Kinderkrebs und dem Wohnort in der Nähe von Atomkraftwerken zu untersuchen, wird in der Schweiz vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern eine Studie durchgeführt. Diese Canupis-Studie wird 840 000 Franken kosten: je 210 000 Franken bezahlen die AKW-Betreiber und das Bundesamt für Gesundheit, 420 000 Franken die Krebsliga. Untersucht hat man in der Schweiz 2957 Kinder mit Jahrgang 1985 bis 2007, die jemals in ihrem Leben an Krebs erkrankt sind, darunter 981 an Leukämie. Da ein Prozent der Schweizer Bevölkerung im Umkreis von fünf Kilometern eines AKW wohnen, wäre es auffällig, wenn relevant mehr als 30 Kinder in dieser Umgebung an Krebs erkrankt sein sollten. Die Datensammlung wurde eben abgeschlossen, bis im Januar soll sie ausgewertet sein und vorgestellt werden.

 Zudem hat der Aargau die Anhörung zu einem Kredit für ein kantonales Krebsregister beendet. Gemäss dem Basler Onkologen Claudio Knüsli eine sinnvolle Sache, da man in dieser hoch industrialisierten Gegend potenziell krebserregende Einflüsse bisher nicht analysieren konnte. Die beiden Basel haben ein gemeinsames Krebsregister.  ffl

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Basler Zeitung 20.9.10

AKW-Gegner machen mobil

 Grossdemonstration in Berlin

 GEGEN LÄNGERE LAUFZEITEN. "Das ist ein sehr breiter Protest quer durch alle Generationen und Schichten", sagte Gesine Lötzsch, Chefin der Linkspartei, nachdem am Samstag in Berlin mehrere Zehntausend Personen gegen die geplante Verlängerung der AKW-Laufzeiten demonstriert hatten. Ihr Parteikollege Gregor Gysi erkannte in der Demonstration den "rebellischen Geist in der Bevölkerung". Vertreter der Linkspartei, der SPD und der Grünen hatten den Massenprotest unterstützt.

 Christian Lindner, Generalsekretär der regierenden FDP, warf SPD und Grünen im Gegenzug vor, mit den Ängsten der Menschen zu spielen. Die Organisatoren der Protestaktion sagten nach der Kundgebung, ihre Erwartungen an die Zahl der Teilnehmer seien übertroffen worden.  vo  > SEITEN 2, 9

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Die Anti-AKW-Bewegung meldet sich zurück

 Gegner der Atomkraft wollen die deutsche Regierung mit Protesten von längeren AKW-Laufzeiten abbringen

 BENEDIKT VOGEL, Berlin

 Einen "heissen Herbst" wollen die AKW-Gegner der Regierung Merkel bescheren. Bei der Grossdemonstration vom Samstag in Berlin gesellten sich junge Aktivisten zu den alten Anti-AKW-Kämpfen.

 Vor einem Jahr, kurz vor der Bundestagswahl vom 27. September 2009, demonstrierten in Berlin Zehntausende für die Stilllegung der deutschen Atomkraftwerke. Die Wahl brachte dann eine christlich-liberale Regierung an die Macht. Diese hat nun vor Kurzem beschlossen, die 17 deutschen AKW länger laufen zu lassen als bisher geplant, nämlich 44 statt 32 Jahre.

 MEnSCHENKETTE. Bereits im April waren rund 100 000 Menschen am Unterlauf der Elbe auf die Strasse gegangen und hatten dort mit einer 120 Kilometer langen Menschenkette gegen die damals schon absehbare Laufzeitverlängerung protestiert.

 Am Wochenende riefen die Anti-Atom-Aktivisten nun abermals zu einer Grossdemonstration gegen die unterdessen konkreten Regierungspläne für einen "Wiedereinstieg" in die Atomkraft. "Deutlich mehr als 30 000" (so die Schätzung der Polizei) bis 100 000 Personen (so die Veranstalter) marschierten am Samstag durch das Regierungsviertel in Berlin und bildeten dann eine Menschenkette um Reichstagsgebäude und Kanzleramt.

 Die Kundgebungsteilnehmer knüpften an die Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk Brokdorf (Schleswig-Holstein) oder die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf (Bayern) in den 70er- und 80er-Jahren an. Allgegenwärtig in Berlin war die rote Sonne mit dem Slogan "Atomkraft? Nein Danke". Andere Demonstranten münzten ihren T-Shirt-Slogan auf die aktuelle Regierung: "Schwarz-Geld Nein Danke".

 GEGEN GORLEBEN. Mit einem "ukrainischen Pilzrisotto" spielten die Kundgebungsteilnehmer auf den schweren Atomunfall von 1986 in Tschernobyl an. Unter den Teilnehmern waren auch viele Junge und Familien. Sie demonstrierten neben jenen, deren erste Anti-AKW-Demonstrationen schon 30 und mehr Jahre zurückliegen dürften.

 Ein Teil der Demonstranten war aus dem Wendland (Niedersachsen) mit Traktoren angereist. Sie sind gegen die Politik der Regierung, weil diese die zuvor sistierten Erkundungsarbeiten für ein Endlager in Gorleben wieder aufnehmen will. Passend dazu wurde vor dem Berliner Hauptbahnhof aus Konservendosen ein Atommülllager nachgestellt.

 OPPOSITION MACHT FRONT. Die Kundgebung in Berlin war auch ein Aufmarsch der politischen Opposition. Spitzenvertreter von SPD, Grünen und Linkspartei mischten sich unter die von Umwelt- und Anti-Atom-Organisationen organisierte Kundgebung. SPD und Grüne hatten den "Ausstieg" aus der Atomkraft, also die Beschränkung der Laufzeiten auf durchschnittlich 32 Jahre, im Jahr 2000 in ihrer gemeinsamen Regierung durchgesetzt.

 "Angela Merkel wird merken, dass sich die Bürger nicht verschaukeln lassen", gab sich SPD-Parteichef Sigmar Gabriel kämpferisch. "Wer nachts vier Konzernbossen 100 Milliarden Euro schenkt und danach auch noch Geheimabsprachen über die Sicherheitsrabatte für alte Atommeiler trifft, der muss sich nicht wundern, wenn er die Menschen auf die Strasse treibt." SPD-Chef Gabriel spielte damit an auf die Zusatzerträge, welche die vier Atomkraftbetreiber Eon, RWE, Vattenfall und EnBW aufgrund der Laufzeitverlängerung einstreichen.

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Tageskommentar

 Schwarz-Grün nein danke

 BENEDIKT VOGEL, Berlin

 Wäre Angela Merkel am Samstag in ihrem Büro im Berliner Kanzleramt gewesen, hätte sie auf die Menschen hinunterblicken können, die im Regierungsviertel gegen ihre Energiepolitik protestierten. Doch die Kanzlerin konnte sich den Augenschein sparen. Denn ihre christlich-liberale Regierung hat bei dem Beschluss für längere AKW-Laufzeiten längst gewusst, dass sie die Leute auf die Strassen treiben wird. Der Wiedereinstieg in die Atomkraft ist in Deutschland nämlich alles andere als populär.

 Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zitierte vor zwei Wochen, als er die Regierungspläne vorstellte, eine Umfrage. Demnach befürworten gut vier von zehn Bundesbürgern längere Laufzeiten. Anders ausgedrückt: Die Regierung hat eine Mehrheit gegen sich.

 Grünen-Parteichefin Claudia Roth nannte die Regierungspolitik am Wochenende einen "Anschlag auf die Demokratie". Da nahm sie den Mund dann aber doch etwas voll. Die Wähler haben die atomfreundliche Regierung nun mal gewählt - in drei Jahren können sie sie wieder abwählen.

 Möglicherweise werden die politischen Folgen des Atomkurses schon viel früher sichtbar werden. Im nächsten Frühjahr wählt das Bundesland Baden-Württemberg einen neuen Landtag. Die Atomfrage dürfte mit darüber entscheiden, ob die schwarz-gelbe Regierung von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) in Stuttgart an der Macht bleibt.

 Die Oppositionsparteien SPD und Grüne haben mit dem Anti-AKW-Protest wieder ein einendes Thema gefunden. Der gemeinsame Kampf lässt die beiden Parteien, die den Atomausstieg 2000 beschlossen hatten und sich später zeitweilig auseinanderlebten, wieder näher zusammenrücken. Je mehr aber die Grünen wieder auf die SPD zugehen, desto mehr entfernen sie sich von der CDU, mit der sie in Hamburg regieren und die sie im Frühjahr bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen noch umworben hatten.

 Eine schwarz-grüne Koalitionsregierung in Stuttgart nach der Landtagswahl vom kommenden März rückt mit dem Anti-Atom-Protest ein Stück weiter in die Ferne. Zumal auch der Widerstand gegen das Bahnprojekt "Stuttgart 21" die alte Frontstellung zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün neu belebt.

 benedikt.vogel@baz.ch

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Zentralschweiz am Sonntag 19.9.10

Wellenberg/Stans

 Grüne rufen zum Boykott auf

 map. Für die Suche nach einem Tiefenlager für radioaktive Abfälle in der Schweiz wurden zahlreiche Berichte und Gutachten erstellt. Sechs Regionen kommen in Frage. Das Bundesamt für Energie (BFE) führt dazu Informationsveranstaltungen durch. Morgen Montag geht es um den Wellenberg. Der Info-Abend beginnt um 19 Uhr im Schulzentrum Turmatt in Stans.

 Gemeinsame Aktion

 Die Grünen Nidwalden fordern die Bevölkerung nun auf, die Info-Veranstaltung zu boykottieren. "In Nidwalden sind die Meinungen gemacht. Wir brauchen keine Partizipation, besonders, nachdem auch das Bundesamt für Energie zur Einsicht gekommen ist, dass der Wellenberg bei weitem nicht der beste Standort ist", betont Parteipräsident Norbert Furrer. Die Grünen rufen deshalb dazu auf, bei der Schulanlage Turmatt zu erscheinen, aber nicht an der Informationsveranstaltung teilzunehmen. "Wir führen diese Aktion zusammen mit anderen Organisationen durch. Das Bundesamt soll wissen, dass unsere Meinungen klar sind."

 Zur Erinnerung: Das Nidwaldner Volk hatte zweimal Nein dazu gesagt, radioaktive Abfälle im Wellenberg bei Wolfenschiessen zu lagern, letztmals an einer Urnenabstimmung im Jahr 2002.

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Finanz und Wirtschaft 18.9.10

Strombaisse bringt die BKW nicht aus der Ruhe

 Der Berner Versorger zeigt im Heimmarkt keine Schwäche - Abstimmung zu Mühleberg II rückt näher - Aktien erfordern Geduld

 Die Bernischen Kraftwerke BKW FMB Energie lassen im Heimmarkt die Muskeln spielen und lassen sich von der Baisse am europäischen Strommarkt nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Bald steht der grösste Schweizer Versorger aber vor einem schwerwiegenden Entscheid: Anfang 2011 stimmt der Kanton Bern darüber ab, ob das BKW-Kernkraftwerk Mühleberg ersetzt werden soll.

 Den ersten Testlauf müssen die BKW schon vorher absolvieren. Die Stadt Bern legt Ende November fest, ob und wie lange sie sich noch mit Strom aus Kernkraft versorgen will. Das betrifft die BKW zwar nicht direkt, zumal das Stadtwerk EWB dort für die Elektrizitätswirtschaft verantwortlich ist. Eine klare Absage an die Kernenergie hätte jedoch auch für die kantonale Abstimmung eine ungünstige Signalwirkung und könnte die Position der BKW in den zähen Standortverhandlungen mit Alpiq und Axpo schwächen.

 Obschon einiges auf dem Spiel steht, sollten Anleger einen kühlen Kopf bewahren, denn in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren können die BKW wohl weiterhin auf den diensterprobten Reaktor in Mühleberg zählen. Die zu Beginn der Siebzigerjahre ans Netz genommene Anlage hat Ende 2009 von den Behörden eine unbefristete Betriebsbewilligung erhalten und steuert nahezu 30% zur eigenen Stromproduktion des Unternehmens bei. Um sich abzusichern, haben sich die Berner zudem an einem grossen Steinkohlekraftwerk im norddeutschen Wilhelmshaven für 430 Mio. € beteiligt. Es soll 2012 den Betrieb aufnehmen und könnte die Stromproduktion des Reaktors in Mühleberg im Gesamtportfolio des Unternehmens zumindest teilweise ersetzen.

 Handel bekundet Mühe

 Robust ist auch das Resultat zum ersten Semester. Mit insgesamt gut 13 Mrd. Kilowattstunden (kWh) haben die BKW zwar etwas weniger Strom abgesetzt als in der Vorjahresperiode. Das gilt jedoch nicht für den Heimmarkt, wo die Nachfrage wegen der Konjunkturerholung leicht zugenommen hat. Das Vertriebsgeschäft in der Schweiz erweist sich damit als stabiler Pfeiler. Vor den schwierigen Bedingungen an den internationalen Märkten sind die BKW aber nicht gefeit: Im internationalen Grosshandel gingen die Einnahmen deutlich zurück, und das Geschäft mit Energiederivaten verfehlte knapp die Gewinnschwelle. Tiefere Preise und rückläufige Volumen hatten somit zur Folge, dass der konzernweite Umsatz 13% auf annähernd 1,6 Mrd. Fr. sank.

 Operativ ist davon erst auf den zweiten Blick etwas zu sehen. Das für die erbrachte Leistung massgebende Betriebsergebnis vor Abschreibungen und Amortisationen (Ebitda) hat sich leicht auf mehr als 260 Mio. Fr. verbessert, weil mit der Baisse am Strommarkt auch die Kosten zur Energiebeschaffung abgenommen haben. Zudem wurden 30 Mio. Fr. an Rückstellungen aufgelöst. Ohne diesen Einmaleffekt bewegt sich das Resultat etwa 10% unter dem Vorjahr und damit im Rahmen der Markterwartungen.

 Weniger aussagekräftig ist der Gewinn. Er wird sehr durch das Finanzergebnis geprägt, das wiederum abhängt von der Performance der staatlichen Reservefonds zur Stilllegung von Kernkraftwerken und zur Entsorgung nuklearer Abfälle. Weil die Finanzmärkte im ersten Semester anders als im Vorjahr mehr oder weniger seitwärts tendiert haben und Verschiebungen am Devisenmarkt den Eurobestand abwerteten, resultierte unter dem Strich ein 14% geringerer Gewinn von 134 Mio. Fr.

 Keine Neuigkeiten gibt es zum Aktienpaket, das die BKW diesen Sommer zusammen mit dem strategischen Partner Groupe E vom deutschen Grossaktionär Eon zurückgekauft haben. Es ist jedoch bekannt, dass die Berner ihre Eigenständigkeit behalten und sich vorzugsweise im Bereich Versorgung verstärken wollen (vgl. Interview mit CEO Kurt Rohrbach in FuW Nr. 53 vom 10. Juli). Um eine Lösung zu finden, hat die Führungsequipe nun noch rund ein Jahr Zeit.

 Prognose für Umsatz gesenkt

 Für 2010 rechnen die BKW nicht mehr damit, den Vorjahresumsatz von 3,6 Mrd. Fr. Umsatz zu erarbeiten. Bereits im Frühjahr wurde auf bereinigter Basis ein tieferer Ebitda als die 2009 erzielten rund 470 Mio. Fr. prognostiziert. Wir senken die Gewinnschätzung um 10 auf 240 Mio. Fr. oder 4.60 Fr. pro Titel. In den vergangenen Wochen haben die Aktien BKW im Gleichschritt mit anderen europäischen Versorgerwerten erneut schwächer tendiert und verkehren inzwischen deutlich unter 70 Fr. Für langfristig orientierte Investoren mit etwas Geduld eröffnet sich damit eine günstige Gelegenheit zum Einstieg.CG

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BZ 18.9.10

Strompreise

 Gasche wehrt sich

 BKW-Präsident Urs Gasche wehrt sich im Interview gegen den Vorwurf, die Strompreise der BKW seien zu hoch.

 "Wir kalkulieren die Preise so, wie sie aus unternehmerischer Sicht sein müssen." BKW-Präsident Urs Gasche findet nicht, dass sein Unternehmen die Strompreise zu hoch ansetzt. Vergleiche mit anderen Kantonen lässt Gasche so nicht gelten. Zudem streitet er im Interview ab, dass die BKW im Hintergrund ein verstecktes "Kässeli" speise, um in Mühleberg ein neues Atomkraftwerk zu finanzieren. Des Weiteren ist Gasche zuversichtlich, dass die Mehrheit der Berner Stimmberechtigten im Februar für den Bau eines neuen AKW in Mühleberg votieren wird.
 phm/sny

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BKW-Präsident Urs Gasche

 "Wir füttern kein AKW-Kässeli"

 Die Strompreise im Kanton Bern liegen deutlich über dem schweizerischen Durchschnitt. Der neue BKW-Präsident Urs Gasche nimmt Stellung und verneint, dass man mit hohen Strompreisen ein neues AKW vorfinanzieren wolle.

 Wann senkt die BKW die Strompreise?

 Urs Gasche: Wir kalkulieren die Preise so, wie sie aus unternehmerischer Sicht sein müssen. Diese Logik bestimmt auch den möglichen Zeitpunkt einer Senkung. Die Preise müssen einerseits konkurrenzfähig sein, gleichzeitig müssen sie es aber der BKW erlauben, die Investitionen in die Instandhaltung und Erneuerung der Anlagen zu finanzieren.

 Die Tatsache, dass die Preise über dem Schweizer Schnitt liegen und der Kanton Bern in fast allen Verbraucherkategorien zu den teuersten zählt, lässt Sie kalt?

 Fairerweise muss man den Vergleich mit der vergleichbaren Konkurrenz machen. Es ist ziemlich schwierig, die Strompreise in der Schweiz zu vergleichen. Vor allem weil die Netzkosten sehr unterschiedlich sind. Deshalb ist es für uns auch kein Ziel, mit der nicht vergleichbaren Konkurrenz gleichzuziehen.

 Die Preisstatistik zeigt aber, dass vergleichbare Kantone wie etwa Graubünden und Luzern, die ebenfalls abgelegene Regionen versorgen und grosse Netze betreiben müssen, tiefere Preise haben als der Kanton Bern.

 Ich kenne die Kalkulation und die Preispolitik der anderen Energieunternehmen nicht im Detail. In den anderen Kantonen gibt es andere Bedingungen und häufig Energie zu Vorzugspreisen im Zusammenhang mit den Konzessionen. Auch ein Vergleich mit der Axpo ist nicht zulässig. Die BKW ist ein börsenkotiertes Unternehmen, das zur Finanzierung der Versorgungssicherheit angemessene Erträge erwirtschaften und das Kapital verzinsen muss.

 Mit anderen Worten: Die Strompreise der BKW sind deshalb so hoch, weil die Aktionäre eine Dividende erwarten.

 Das trifft nicht zu. Die Dividende war noch nie und ist nicht ausschlaggebend für die Strompreisgestaltung. Aber es ist bis zu einem gewissen Grad die Pflicht der BKW, sich so zu verhalten, wie es ein privates Unternehmen tut. Und dazu gehört die Ausschüttung einer Dividende an die Aktionäre.

 Macht allenfalls der Kanton als Hauptaktionär Druck, dass die Dividende möglichst hoch ausfällt?

 Nein. Im Gegenteil. Aus eigener Erfahrung als ehemaliger Finanzdirektor und Kantonsvertreter im Verwaltungsrat weiss ich, dass die Regierungsvertreter aus Kundensicht argumentieren und für tiefe Preise eintreten.

 Die BKW führt als Begründung immer wieder die hohen Netzkosten ins Feld. Diese Argumentation wirkt aber je länger, je mehr abgegriffen.

 Dieses Argument ist absolut stichhaltig. Vor allem wenn man einen Vergleich mit Stadtwerken wie der Berner EWB oder dem Zürcher EWZ anstellt. In einer Stadt haben Sie pro Kilometer Leitung viel mehr Kunden als auf dem Land, dadurch sind die Kosten pro Kilowattstunde dort deutlich tiefer.

 Was sagen Sie zum Vorwurf, die BKW nutze das Monopol aus und erziele deshalb hohe Gewinne wie im ersten Halbjahr 2010?

 Die BKW kommt aus einer Monopolsituation und bereitet sich auf die Strommarktöffnung vor. Von Missbrauch der früheren Monopolsituation kann nicht die Rede sein. Wir sind im Übrigen in der Preisfestlegung nicht völlig frei und unterstehen der Kontrolle der Eidgenössischen Elektrizitätskommission.

 Der Gewerbeverband geht mit den Stromkonzernen hart ins Gericht. Verbandspräsident Bruno Zuppiger verlangt angesichts der Gewinnreserven von drei Milliarden Franken, welche die BKW ausweist, tiefere Preise.

 Er spricht damit offensichtlich unser Eigenkapital an, was nichts mit Reserven zu tun hat. Die BKW hat eine Eigenkapitalquote von knapp 50 Prozent. Dank dieser Situation kann das Unternehmen gewisse Schwächephasen durchstehen und die nötigen Investitionen tätigen. Ich verstehe nicht, dass man der BKW vorwirft, dass sie gesund kapitalisiert ist. Erwartet Gewerbeverbandspräsident Bruno Zuppiger nun tatsächlich, dass die BKW zugunsten der Kundschaft ihre Substanz vernichtet? Ich verstehe seine Argumentation wirklich nicht.

 Haben Sie ihn kontaktiert?

 Nein. Ich kann nicht auf jede Aussage, die zur BKW gemacht wird, reagieren. Solche Kritik ist ein Teil des politischen Spiels. Als Politiker und neu gewählter Verbandspräsident muss er etwas machen, das seine Wählbarkeit erhöht. Mit seiner Forderung versucht er den Gewerblern aus dem Herzen zu sprechen.

 Es gibt auch Stimmen, die sagen, die BKW wolle über den Strompreis ihre Gewinnreserven aufstocken, um die Finanzierung des neuen AKW sicherzustellen.

 Unsere Zahlen sind öffentlich. Sie werden keinen Hinweis darauf finden, dass wir mehr Mittel äufnen, als sachgerecht ist. Darum ist es absurd, wenn man der BKW vorwirft, sie schraube den Strompreis heute in die Höhe, um ein verstecktes AKW-Kässeli zu füttern.

 Wobei die BKW natürlich schon darauf achtet, dass der Strompreis zu einer Steigerung des Eigenkapitals beiträgt.

 Dass wir mit 50 Prozent eine gesunde Eigenkapitaldecke haben und eine solche über die Jahre immer angestrebt haben, ist ja nicht neu. Selbstverständlich versuchen wir, in Kenntnis der unterschiedlichen Investitionsbedürfnisse - und dazu gehört womöglich der Bau eines neuen AKW -, finanzierungsfähig zu sein. Das ist für ein Unternehmen doch das Normalste auf der Welt. Was soll daran falsch sein?

 Befürchten Sie im Hinblick auf die vollständige Liberalisierung des Strommarkts nicht, dass viele BKW-Privatkunden zur günstigeren Konkurrenz abwandern?

 Wir haben keine Angst vor der Marktöffnung. Die Kunden wollen eine sichere und zuverlässige Stromversorgung, und das bietet die BKW.

 Der nächste wichtige Termin für die BKW ist der 13. Februar 2011. Dann stimmt der Kanton Bern über die Zukunft der Kernenergie ab. Wie wollen Sie die Berner dazu bringen, sich für Mühleberg II auszusprechen?

 Wir haben keine spezielle Kernkraftkampagne geplant. Wir informieren die Leute schon heute permanent, etwa über Broschüren, die der Stromrechnung beigelegt sind. Die Menschen müssen wissen, wie unsere Produktionsanlagen funktionieren und warum es die Kernkraft aus unserer Sicht braucht. Wir behalten uns zudem ausdrücklich vor, auf allfällige Missinformation der Kernkraftwerkgegner entsprechend zu reagieren, beispielsweise mit Inseraten.

 Wird die BKW dem Handels- und Industrieverein (HIV) Geld für die Pro-AKW-Kampagne bezahlen?

 Die BKW ist HIV-Mitglied und zahlt den entsprechenden Beitrag. Für Abstimmungspropaganda richten wir ihm aber keine finanzielle Unterstützung aus.

 Wäre die BKW existenziell gefährdet, falls sie künftig kein AKW mehr betreiben könnte?

 Ich behaupte, dass sich die Existenzfrage nicht stellen würde, auch wenn es für die BKW natürlich ein schwerer Rückschlag wäre: Als Arbeitgeber wären wir nicht mehr gleich interessant, weil mit Mühleberg ein Herzstück der BKW wegfallen würde. Und natürlich wäre es für die BKW als Unternehmen eine bessere Absicherung, wenn sie weiterhin ein eigenes Kernkraftwerk betreiben könnte, als wenn sie sich als Partner an einem anderen Werk beteiligen würde. Es wäre aber vor allem ein Rückschlag für den Wirtschaftskanton Bern, der im Standortwettbewerb geschwächt würde.

 Von aussen hat man den Eindruck, der Ausgang der Abstimmung vom 13. Februar sei offen. Wie zuversichtlich sind Sie?

 Sie haben recht, der Ausgang ist ungewiss. Ich bin aber optimistisch. Die Berner Stimmberechtigten haben sich in der Vergangenheit bei Abstimmungen in der Mehrheit stets für die Kernkraft ausgesprochen. Wenn es uns gelingt, den Leuten die Angst zu nehmen und aufzuzeigen, dass ohne Kernkraft ein grosser Teil des Strombedarfs nicht gedeckt werden kann, auch mit erneuerbaren Energieträgern nicht, dann haben wir, glaube ich, gute Chancen.

 Müsste die BKW angesichts der unsicheren Zukunft der Kernenergie nicht stärker in alternative Energien investieren?

 Im Kanton Bern haben wir bei allen Vorhaben Widerstände. Im Kanton Glarus wird in kürzester Zeit ein neues Speicherkraftwerk erstellt. Bei uns hätte die Wasserkraft auch noch Potenzial. Nur hagelt es hier immer gleich Einsprachen. Dasselbe gilt für andere Energieformen: Mit Geothermie haben wir keine Chance, und wenn wir Windprojekte wie jenes auf dem Mont Crosin ausbauen wollen, haben wir sofort Opposition. Und seltsamerweise kommt dieser Widerstand oft aus jener Ecke, die auch die Kernenergie ablehnt. Aber was bitte schön ist denn die Alternative?

 Interview: Philippe Müller  Stefan Schnyder

 Urs Gasche (55) ist seit dem 1. Juni Verwaltungsratspräsident des Energiekonzerns BKW. Zuvor war er neun Jahre lang Finanzdirektor des Kantons Bern.

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NZZ 18.9.10

Frankreichs Uranindustrie in Niger in Bedrängnis

 Dreiste Entführung von mehreren Mitarbeitern des Areva-Konzerns im unsicheren Grenzgebiet zu Mali und Algerien

 Im Uranabbaugebiet im Norden Nigers sind sieben Mitarbeiter der französischen Areva entführt worden. Die Täter werden unter islamistischen Extremisten und Tuareg-Rebellen vermutet.

 mhf. Buipe (Ghana) · Eine Gruppe von Entführern hat in der Nacht auf Donnerstag in Arlit, rund 850 Kilometer nordöstlich der nigrischen Hauptstadt Niamey, einen Wohntrakt des französischen Areva-Konzerns überfallen und sieben ausländische Mitarbeiter, unter ihnen fünf Franzosen, entführt. Bei den Opfern handelt es sich um Angestellte der Areva sowie der französischen Bauunternehmung Satom, die für Areva Auftragsarbeiten durchführt. Die Bewohner der Bergbaustadt, die als Hochrisikogebiet gilt, werden angeblich von dreihundert einheimischen Gendarmen beschützt. Dass der dreiste Überfall von etwa dreissig Bewaffneten dennoch gelang, lässt darauf schliessen, dass diese vor Ort über Komplizen verfügten.

 Banditen und Terroristen

 Laut Angaben der französischen Agentur AFP flüchteten die Täter ins Grenzgebiet von Niger, Mali und Algerien. Nach Angaben aus Niamey sind die Täter unter der Gruppe al-Qaïda au Maghreb islamique (AQMI) zu suchen. Aber auch Banditen oder ehemalige Tuareg-Rebellen könnten dahinterstecken. Die Unterscheidungen unter den Gruppen von Gesetzlosen zerfliessen in dem Gebiet wie der Wüstensand. Seit 2008 landeten in nunmehr neun Fällen insgesamt neunundzwanzig entführte westliche Ausländer in den Händen von AQMI, unter ihnen elf Touristen und achtzehn ansässige Angestellte von Firmen oder Organisationen. Zwei Geiseln wurden ermordet, zuletzt im Juli Michel Germaneau, ein französischer Entwicklungshelfer. Die meisten Entführten kamen gegen Zahlung eines Lösegelds frei. Im Fall Germaneau hatte Frankreich eine militärische Befreiungsaktion gewagt, die jedoch scheiterte - laut Sicherheitsexperten, weil Paris mit Mauretanien kooperierte und naiv Informationen ausgetauscht hatte. Kurz nach der Aktion im Norden Malis ermordete AQMI die Geisel und drohte Paris mit Angriffen auf dessen Interessen.

 Widerstand der Tuareg

 Frankreich ist in Niger besonders verletzlich, weil der staatliche Konzern Areva, der weltgrösste Hersteller von Uranbrennelementen, den wachsenden Bedarf an Atomstrom mit Uran aus Niger decken will. 2013 soll im Air-Gebiet die Imouraren-Mine eröffnet werden, dannzumal die weltweit zweitgrösste Uranmine. Auf einer Fläche von der doppelten Grösse der Schweiz hat Niger auch Konzessionen an chinesische, indische, kanadische und südafrikanische Uranunternehmen vergeben.

 Das Abbaugebiet durchschneidet das Siedlungsgebiet der Tuareg. Laut Umweltschützern sind wegen der Uranminen 70 Prozent des Grundwassers, die Lebensgrundlage der Tuareg-Nomaden, aufgebraucht. Neue Wasservorkommen müssten mit Pipelines herbeigeschafft werden. Eine Greenpeace-Studie vom April weist in der Umgebung von Arlit gesundheitsschädigende Mengen von Radioaktivität im Sand und im Wasser nach. Areva behauptet dagegen, internationale Normen einzuhalten. Die Uranminen waren 2007 Anlass für einen Aufstand der Tuareg, der 2009 nur vordergründig mit einem Abkommen beendet wurde.

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Rückschlag für Areva in Niger

 Entführung im Versorgungsgebiet

Manfred Rist (rt)

 rt. Paris · Noch tappt man im Dunkeln bezüglich der Entführung von sieben Mitarbeitern des Nuklearkonzerns Areva in Niger, doch in Paris stellt man sich darauf ein, dass die Sache einen politischen Hintergrund hat. Bei fünf der Areva-Angestellten handelt es sich um französische Staatsbürger. Aus historischen Gründen und aufgrund der starken wirtschaftlichen Präsenz des Landes in diesem Gebiet stehen Franzosen seit geraumer Zeit im Visier von Kaida-Ablegern in Afrika.

 Die Entführung stellt auch die global grösste staatliche Kernkraftgruppe vor Probleme, und sie wirft ein Licht auf die zentrale Bedeutung von Niger im Dispositiv der Unternehmung und die Uranversorgung im Allgemeinen: Areva baut dort seit 42 Jahren in zwei Minen Uran im Umfang von 8600 t pro Jahr ab. Zudem hat Areva Investitionen im Umfang von 1,2 Mrd. € an einem dritten Standort (Imouraren) geplant. Dort sollen ab dem Jahr 2013 jährlich 5000 t Uran gefördert werden, womit das schwarzafrikanische Land hinter Kanada und vor Kasachstan zum weltweit zweitgrössten Uranproduzenten aufsteigen würde.

 Für die Gruppe Areva, die einen Umsatz von rund 14 Mrd. € erzielt, ist die Versorgung mit Uran wegen der vertikalen Integration der Gruppe zentral. Im vergangenen Jahr wurde mit der nigrischen Regierung ein neuer Schlüssel zur Verteilung der Einnahmen und zur Förderung von Entwicklungshilfeprojekten ausgehandelt.