MEDIENSPIEGEL 27.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, Rössli)
- Reitschule bietet mehr: 68,4% reiten heiter weiter für den
schönsten Schandfleck
- RaBe-Info 27.9.10
- Party People: die Autonomen sind schuld
- Alkitreff Biel: Abbruch ohne Alternativen
- Alkohol: der teurere Suff kann Leben retten
- Drogen: Outdoor-Hanf-Boom; Dealszene Lausanne
- Rassimus: GLP-Rausschmiss; Newsportal-Amok
- Rechtsextrem: Minarett-Sturm Langenthal
- Big Brother Sport: Fan-Kunde; Bewegungsaktive Kameras;
Hooliganjagd-Test
- Ausschaffung: NZZ entdeckt Dr. Alois Stocher
- Antisemitismus: UBS im braunen Fahrwasser
- Squat Fribourg: Indusriestrasse 24 + 26 besetzt
- Marco Camenisch: (Knast-)Biographie
- Nestlé: Morddrohungen gegen Gewerkschafter
- Anti-Atom: NW für Atomstrom + gegen Wellenberg; Urankrieg
Frankreich vs Al-Kaida
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REITSCHULE
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Di 28.09.10
20.30 Uhr - Kino - Uncut - Warme Filme am Dienstag,
siehe Tagespresse
Mi 29.09.10
19.00 Uhr - SousLePont - Bärner Spezialitäten
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne!
Do 30.09.10
21.00 Uhr - Frauenraum - "Die Körper der
Multitude", Lesung mit dem Autor Robert Foltin
22.00 Uhr - Rössli - Midilux & Rössli
present: Heu, Stroh und Hafer: Pixelpunks -live
(Glücksscherben/ZH); Bertel Gee (HLM/BE); Racker (Midilux,
Festmacher/BE)
Fr 01.10.10
19.00 Uhr - Kino - Zyklus "Muslim/a. Die vielen
Gesichter des Islam" - Eröffnungsanlass mit Apèro
20.00 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - Auf meine Art! Junge
Muslime | Kurzfilme
22.00 Uhr - Frauenraum - POPSHOP "women only"
22.00 Uhr - Dachstock - 22-PISTEPIRKKO (FIN) &
DOLLHOUSE (SWE), Support: DJ Brother Pantichrist. " rock, garage, soul
Sa 02.10.10
20.30 Uhr - Tojo - TITTANIC, die Achte Der
Quotenknüller! Frauenanteil auf der Bühne: 100%
21.00 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - Kald Mig Bare Axel (Nenn
mich einfach Axel) | Pia Bovin, Dänemark 2002
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session: LENZMAN (NL),
EVESON (UK) & RIYA (UK), Support: TS Zodiac, Rollin John &
Badboy MC " drumnbass
So 03.10.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im SLP,
bis 16.00 Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi-SunntIg:
Pünktchen & Anton, Österreich/D 1953
20.15 Uhr - Kino - Zusammen TATORT gucken
20.00 Uhr - Rössli - THE CHAP (UK) " rock,
electronica
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Von Roland Fischer am Montag, den 27. September 2010, um 07:00 Uhr
Kulturbeutel 39/10
(...)
Signora Pergoletti empfiehlt
voller Vorfreude: 22 Pistepirkko, am Freitag in der Reitschule. Eine
der coolsten Indie-Bands aller Zeiten, absolut Kult! Sowie PENG! Palast
mit "Götter der Stadt oder Die 120 Tage von Sodom", ab Mittwoch im
Schlachthaus - ziemlich sicher eine Entdeckung.
Herr Sartorius empfiehlt:
22 Pistepirkko, auch unbedingt! Eine wirbelnde
Deutsch-Englische-Pop-Entdeckung dürfte dann am Sonntag im
Rössli The Chap sein.
(...)
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REITSCHULE BIETET MEHR
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Bund 27.9.10
Das autonome Kulturzentrum "reitet heiter weiter"
Die Reitschule wird nicht verkauft. Die Stadtberner und
-bernerinnen lehnen die Initiative mit 68,4 Prozent ab.
Rahel Bucher
Noch nie hat sich das Stadtberner Stimmvolk so deutlich für
den Erhalt des autonomen Kulturzentrums Reitschule ausgesprochen wie
gestern. Die rechtsbürgerliche Initiative "Schliessung und Verkauf
der Reitschule" wurde mit 68,4 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Die
Freude bei den "Reitschülern" und ihren Sympathisanten war
dementsprechend gross. Unter dem Motto "Reiten heiter weiter" feierten
sie gestern den Abstimmungserfolg auf dem Vorplatz. Auch
Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) war begeistert:
"Das Resultat ist eine klare Absage an eine populistische und
jugendfeindliche Initiative", sagte er. Die Stimmbevölkerung habe
damit ein klares Bekenntnis zu Toleranz und kultureller Vielfalt
abgelegt.
Obwohl unzufrieden mit der Abstimmungsniederlage, zeigte sich der
Präsident des Initiativkomitees und SVP-Grossrat Erich Hess
gestern optimistisch. "Ich fühle mich ermutigt, gegen den
rechtsfreien Raum inmitten der Stadt Bern weiter anzukämpfen."
Darum plant er, einen weiteren Vorstoss im Grossen Rat einzureichen. —
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Reitschüler sitzen fest im Sattel
Zum fünften Mal innerhalb von zwanzig Jahren haben sich die
Bernerinnen und Berner für den Erhalt des alternativen
Kulturzentrums Reithalle entschieden - gestern so deutlich wie noch nie.
Rahel Bucher
Mit einer Mehrheit von 68,4 Prozent Nein- gegenüber 31,6
Prozent Ja-Stimmen hat die Stadtberner Bevölkerung gestern der
rechtsbürgerlichen Initiative "Schliessung und Verkauf der
Reitschule" eine klare Absage erteilt. Zum fünften Mal hat sie
sich damit an der Urne für das autonome Kulturzentrum
ausgesprochen. Dementsprechend gross war die Freude bei all den
Menschen, die am Sonntag auf dem Vorplatz der Reitschule dem
Abstimmungsresultat entgegengefiebert hatten. "Ich freue mich so fest.
Unsere spontane Kultur, die aus dem Herzen kommt, wird in Bern
geschätzt", kommentierte etwa Lilo Spahr vom Kino der Reitschule
den Ausgang der Abstimmung. Um der kollektiven Freude noch mehr
Ausdruck zu verleihen, entschieden die Reitschüler kurzerhand,
während 68,4 Minuten Freibier zu verteilen.
Die wunden Punkte
Auch der Gemeinderat, der sich von Anfang an gegen die Initiative
ausgesprochen hatte, zeigte sich gestern Nachmittag erfreut. "Das
Resultat ist eine klare Absage an eine populistische und
jugendfeindliche Initiative", sagte Stadtpräsident Alexander
Tschäppät (SP). Die Bernerinnen und Berner hätten damit
ein klares Bekenntnis zu Toleranz und kultureller Vielfalt abgelegt.
Er thematisierte aber auch die wunden Punkte rund um die
Reitschule; so etwa Gewalt und Demonstrationen. Das Ja zur Reitschule
dürfe nicht mit einem Ja zum Chaos und zur Nichtbeachtung von
Regeln verwechselt werden, sagte er. Dementsprechend äusserte
Tschäppät die Hoffnung, dass der antifaschistische
Abendspaziergang vom kommenden Samstagabend friedlich verlaufe - auch
um das Resultat zu honorieren. Das wünscht sich auch Agnes Hofmann
von der Mediengruppe der Reitschule. "Der Spaziergang soll ein
kräftiges, aber friedliches Zeichen setzen." Schlussendlich
könne sich die Reithalle selber lieb sein, indem sie
möglichst wenig Angriffsfläche biete, sagte Initiant und
SVP-Grossrat Erich Hess zum Thema Demonstration und Gewalt.
Bestes Resultat für Reitschule
Zusammen mit den rechtsbürgerlichen Unterstützern aus
SVP und FDP forderte er, die Reitschule bis Ende 2011 zu schliessen und
an den Meistbietenden zu verkaufen. Unter dem Deckmantel des
kulturellen Angebots werde in der Reitschule Extremismus, Drogenhandel
und Kriminalität gefördert, argumentierten die
Initiativ-Befürworter. Ihr Anliegen blieb chancenlos: mit 25 122
gegen 11 610 Stimmen. Für das gute Resultat dürften auch das
Engagement und die Aktionen des Nein-Komitees "Reitschule bietet mehr"
beigetragen haben. Zudem wurde der Abstimmungskampf für die
Reitschule von Kulturschaffenden wie Züri West und Patent Ochsner
unterstützt. Geprägt hat den Abstimmungskampf aber vor allem
Müslüm. Mit dem Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?"
eroberte der Berner Komiker Semih Yavsaner die Hitparade. Auf Youtube
verzeichnet sein Videoclip über 363 000 Klicks - Müslüm
ist durch das Lied schweizweit bekannt geworden.
Zum vierten Mal wurde nun eine Abstimmung über eine
Anti-Reitschule-Initiative abgelehnt. Doch noch nie war die Ablehnung
so hoch wie dieses Mal. 1990 wurde der Abbruch der Reitschule mit 57,6
Prozent abgelehnt. Die Initiative zur Umnutzung der Reitschule in ein
Einkaufszentrum erlitt im Jahr 2000 mit einer Zweidrittelmehrheit
Schiffbruch, und zur Initiative "Keine Sonderrechte für die
Reitschule" sagten 65 Prozent der Stimmenden Nein. Den aktuellen
Abstimmungsausgang wertete Lilo Spahr gestern als grossen Erfolg: "Die
Kultur der Reithalle ist erwünscht und wird von der
Öffentlichkeit getragen."
Vorstoss im Grossen Rat
Anders beurteilte das Erich Hess. Die Reitschule möge zwar
in der Stadt Unterstützung geniessen, je weiter man aufs Land
hinausgehe, desto stärker nehme diese aber ab. Obwohl unzufrieden
mit der Abstimmungsniederlage, zeigte sich Hess gestern optimistisch.
"Ich fühle mich ermutigt, gegen den rechtsfreien Raum inmitten der
Stadt Bern weiter anzukämpfen." Darum plant er, einen weiteren
Vorstoss im Grossen Rat einzureichen.
Noch immer hält auch das trojanische Pferd vor der
Reitschule Stellung. Es hat den Abstimmungskampf unbeschadet
überstanden - und ist dabei auch zum Symbol geworden für eine
Reitschule, die nun "heiter weiter reitet". Das überdimensionale
Holzpferd hingegen wird am kommenden Freitag abgebaut.
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Kommentar
Die Reitschule bietet weiterhin mehr
Rahel Bucher
Zum fünften Mal hat sich die Stimmbevölkerung für
die Weiterführung der Reitschule ausgesprochen. Damit setzt sie
ein klares Zeichen für kulturelle Lebendigkeit sowie für
einen Ort, an dem man sich vergleichsweise frei von gesellschaftlichen
Zwängen bewegen kann. Mit ihrer basisdemokratischen Organisation
steht die Reitschule in der Schweiz alleine da. Andere Kulturzentren
wie die Rote Fabrik in Zürich oder die Kaserne in Basel - die auch
aus der autonomen Szene hervorgegangen sind - haben längst eine
professionelle Organisation. Obwohl die Reitschule quer in der
Landschaft steht, haben sich die Berner so deutlich wie noch nie
für sie ausgesprochen. Dank ihrer Organisationsform kann in der
Reitschule jeder mitmachen, der will. Dadurch können immer wieder
neue Menschen - auch Jugendliche oder Randgruppen - an der Gestaltung
des Kulturprogramms mitwirken. Neben den Chancen bietet die Reitschule
aber auch Angriffsfläche. Denn es bleibt eine Tatsache, dass sie
nicht nur am kulturellen Programm, sondern auch an der Sicherheitsfrage
gemessen wird. Dabei wird oft übersehen, dass Probleme wie Gewalt
und Drogendeal auf dem Vorplatz nicht direkt mit der Reitschule zu tun
haben. Der nächste Prüfstein dürfte der
antifaschistische Abendspaziergang werden, der nächsten Samstag
stattfindet. Für die Reitschule ist zu hoffen, dass dieser nicht
in einen Gewaltexzess ausartet. Langfristig gesehen sind aber auch die
Gäste gefordert, die Reitschule nicht als Ort zu missbrauchen, an
dem man machen kann, was man will. Denn damit provozieren sie
Schlagzeilen und weitere Schliessungsbegehren. Auch soll die Reitschule
nicht zum "normalen" Kulturbetrieb mit Leitung und professionellem
Sicherheitsdienst werden. Das wäre schade. Denn die Reitschule
bietet nicht nur kulturell mehr, sondern auch gesellschaftlich. Nicht
zuletzt ist sie einer der letzten Orte in Bern, die auch
marginalisierten Menschen offen stehen. Damit trägt sie zur
Bereicherung des Stadtlebens und zum sozialen Frieden in Bern bei.
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BZ 27.9.10
Die Reitschule bleibt der "schönste Schandfleck"
68,8 Prozent der Stadtberner haben sich hinter die Reitschule
gestellt. Doch SVP-Grossrat Hess will weiter dagegen kämpfen.
Zum fünften Mal hat das Stadtberner Stimmvolk gestern Ja
gesagt zum alternativen Kulturzentrum Reitschule. Die Initiative
"Schliessung und Verkauf der Reitschule" von SVP-Grossrat Erich Hess
wurde mit fast 70 Prozent Nein-Stimmen klar abgelehnt. Die
Stimmbeteiligung lag bei 47 Prozent.
Die Reitschule-Betreiber feierten das Abstimmungsergebnis mit
Konzerten und Freibier auf dem Vorplatz. In einer Medienmitteilung
bezeichneten sie die Reithalle als "den schönsten Schandfleck der
Stadt Bern". Dank der grossartigen Unterstützung von Hunderten von
Menschen im Abstimmungskampf habe sich die Reitschule weit über
die Grenzen der Hauptstadt hinaus als Wahrzeichen etabliert - "neben
dem Münster, dem Zytglogge, dem Bundeshaus oder dem
Bärenpark".
Reitschule-Gegner Erich Hess kündete derweil weiteren Widerstand
gegen die Reitschule an. Allerdings will er den politischen Kampf in
Zukunft auf kantonaler Ebene austragen. "Eine kantonale Abstimmung
hätten die Reitschule-Gegner gewonnen", sagte er überzeugt.
Er werde im Grossen Rat demnächst einen Anti-Reitschule-Vorstoss
einreichen.
Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP)
sagte, dass das jüngste Abstimmungsresultat eindeutiger
ausgefallen sei als jemals zuvor. "Je öfter Bernerinnen und Berner
über die Reithalle abstimmen, desto stärker fällt das
Bekenntnis der Bevölkerung aus."
tob
Seite 21
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Reitschul-Abstimmung
Reitschüler feiern mit Freibier
68 Minuten Freibier für 68 Prozent Nein-Stimmen. Mit viel
Jubel wurde das klare Resultat zur Schliessungsinitiative in der Berner
Reitschule gefeiert. Mittendrin im Freudentrubel: ein für einmal
ernsthafter Komiker Müslüm.
Noch bevor die Korken knallen, macht sich Freude breit auf dem
Vorplatz der Berner Reitschule. Als kurz nach 15 Uhr die ersten
Gerüchte übers Abstimmungsresultat die Runde machen, gehen
die Arme derer in die Luft, die sich in den letzten Wochen stark
gemacht haben für die oft geschmähte Kulturstätte. Alle
sind sie gekommen, um den Triumph zu feiern. Da ist der singende
Komiker Müslüm und grinst, da ist die junge Rapperin Steff la
Cheffe und lächelt, und da sind Hunderte von glücklichen
Bernerinnen und Bernern, die sich vom Champagner und der guten
Nachricht berieseln lassen. Mit klaren 68,4 Prozent hat das Stimmvolk
die Initiative zur Schliessung der Reitschule abgelehnt.
Singen für den Schandfleck
Zwei Stunden zuvor schwankte die Stimmung rund um den Stein des
Anstosses zwischen Anspannung und Heiterkeit. Während die Rapper
von Churchill auf der provisorischen Bühne voller Ironie den
"Schandfleck Reitschule" besingen, wird drinnen bei Kaffee und
Brötchen über die Abstimmung diskutiert. Was auffällt,
ist der grenzenlose Optimismus: Nicht, ob die Initiative abgelehnt
wird, beschäftigt die Leute, sondern, wie klar dies geschieht. Vor
dem Gebäude kann auf den Ausgang der Abstimmung gewettet werden:
Angenommen werden allerdings nur Angaben zwischen 50 und 100 Prozent
Nein-Stimmen. Positives Denken in seiner Vollendung.
Mit 66,6 liegt Tom Locher von der Mediengruppe der Reitschule im
Mittelfeld der Prognosen. "Wir sind alle mehr müde als
nervös", sagt er. Bei all dem Herzblut, das in die Reitschule
gesteckt worden sei, könne das Resultat nur positiv sein. Locher
ist seit 22 Jahren dabei und hat die bisherigen vier Initiativen gegen
"seine" Reitschule hautnah miterlebt. "Die Argumente der Gegner wurden
über die Jahre immer realitätsfremder. Heute geht es nur noch
um politische Karrieren und Stimmungsmache."
Müslüm für einmal ernst
Der Stimmungsmacher Nummer eins an diesem Sonntagnachmittag kommt
in Form einer kurzen Ansage: "Wir haben das Ergebnis", tönt es aus
den Lautsprechern. Der Jubel ist heftig, aber kurz: Die
Reitschul-Initiative wurde abgelehnt. Man hat es gehofft, man hat es
erwartet.
Kurz darauf die nächste gute Nachricht: 68 Minuten Freibier
für alle, das Fest ist eröffnet. "Wir haben zusammen ein
Zeichen gesetzt", sagt ein glücklicher Semih Yavsaner. Der
Erschaffer der Kultfigur Müslüm hat mit viel Witz das Seinige
zum Erfolg beigetragen. Heute jedoch bleibt er ernst: "Das Stimmvolk
habe sich von seiner besten Seite gezeigt. Bern ist offensichtlich eine
kulturliebende Stadt."
Christian Zeier
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Erich Hess will weiter kämpfen
Erich Hess (SVP) geht nun auf kantonaler Ebene gegen die
Reitschule vor. Ein Vorstoss im grossen Rat sei bereits geplant.
Entweder konnte er seine Enttäuschung gut verbergen, oder
Erich Hess nahm die Abstimmungsniederlage tatsächlich
äusserst gelassen entgegen. Noch bevor er die Resultate seiner
Reitschul-Initiative erfahren hatte, schlich der SVP-Grossrat durch die
Gänge des Stadtberner Regierungsgebäudes, den Erlacherhof.
Dort verkündete er lächelnd, dass er sowieso nicht an den
Erfolg glaube, da Dreiviertel der Berner linksgrün ticken. "Ich
freue mich, dass das Ausländerstimmrecht abgelehnt wurde." Das sei
wichtiger als die Reitschulschliessung.
"Schlafe heute schlecht"
Kurz darauf wurden die städtischen Resultate bekannt: 68,4
Prozent sprachen sich gegen den Verkauf der Reitschule aus. Erich Hess
gab Interviews, er ging von Radiomikrofon zu Fernsehkamera. Und dann,
nach einer Weile, gab er doch noch den Enttäuschten. "Ich schlafe
heute mit einem schlechten Gefühl ein, weil mir klar wurde, dass
nicht für alle die gleichen Rechte gelten." Sein Kampf gegen den
Schandfleck werde weitergehen. Nicht auf städtischer Ebene zwar,
"das macht keinen Sinn", aber von jetzt an im ganzen Kanton Bern. "Denn
eine kantonale Abstimmung hätten wir gewonnen." Er reiche
demnächst einen Anti-Reitschule-Vorstoss ein, sagte SVP-Grossrat
Hess.
Tschäppät möchte singen
Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP)
reagierte gewohnt euphorisch aufs Abstimmungsresultat. Am liebsten
würde er vor Freude etwas vorsingen, sagte er vor den Medien. Er
sei "mehr als stolz" aufs Berner Stimmvolk. "Es hat einer
populistischen und jugendfeindlichen Initiative eine Absage erteilt."
Bereits vier Mal hätten sich die Berner an der Urne zur Zukunft
des alternativen Kulturzentrums geäussert. Das jüngste
Resultat ist laut Tschäppät auch das klarste. "Je öfters
in Bern über die Reithalle abgestimmt wird, desto stärker
fällt das Bekenntniss der Bevölkerung aus."
GB-Stadtrat Hasim Sancar sagte: "Die Reitschule ist sichtbar und
unverzichtbar." Und Flavia Wasserfallen, Präsidentin der SP Stadt
Bern, zog einen Vergleich zum Fussball: "Das Stimmvolk hat einen
Weitschuss im hohen Eck versenkt. Jetzt stehts 5:0 für die
Reithalle."
"Manchmal ein Ärgernis"
Zu den 31,6 Prozent Stimmbürgern, welche die Reitschule
schliessen möchten, sagte Wasserfallen: "Das sind genau jene
Leute, die noch nie dort waren." Etwas differenzierter drückte
sich der Stadtpräsident aus: "Die Reitschule ist manchmal auch ein
Ärgernis." Tschäppät appellierte an die Organisatoren
des Antifaschistischen Abendspaziergangs, der nächstes Wochenende
in Bern stattfindet: "Ich wünsche mir eine gewaltfreie Demo - als
Gegenleistung an die Stimmbürger für ihr Vertrauen."
Tobias Habegger
Abstimmungsresultat: Initiative "Schliessung und Verkauf der
Reitschule": 31,6 % Ja (11 610 Stimmen), 68,4 % Nein (25 122),
Stimmbeteiligung: 47,1 %.
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KOMMENTAR
Versprechen einhalten
Tobias Habegger
An der Legitimation der Reitschule gibts nach diesem
Abstimmungsresultat absolut gar nichts mehr zu rütteln. Die
Solidarität mit dem wohl beliebtesten Schandfleck der Schweiz ist
riesig. Weitere Schliessungsinitiativen wären zumindest
mittelfristig eine Farce.
Doch Initiant Erich Hess (SVP) will nun auf kantonaler Ebene den
Kampf gegen das alternative Kulturzentrum weiterführen. Das ist
sein Coming-out als schlechter Verlierer. Zudem ist dieser Plan absurd:
Das Gebäude gehört der Stadt. Soll dieses durch den Kanton
enteignet werden?
Die Reitschulbetreiber feiern ihren Sieg mit Freibier. Sobald der
Kater ausgeschlafen ist, stehen sie jedoch in der Pflicht. Denn bei
aller Liebe zur "Halle" wollen die meisten Bernerinnen und Berner eine
Reitschule, die sich von gewalttätigen Demochaoten distanziert und
die Probleme auf dem Vorplatz ernst nimmt. Mehr als je zuvor haben die
Betreiber im Abstimmungskampf den Willen demonstriert, sich gegen die
Probleme in ihrem Dunstkreis zu wehren. An diesem Versprechen werden
sie nun gemessen, wie Politiker nach einem Wahlkampf.
tobias.habegger@bernerzeitung.ch
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20 Minuten 27.9.10
Berner Stimmvolk demütigt die Gegner der Reitschule
BERN. Gestern feierten Hunderte Reitschule-Sympathisanten ihren
Sieg: Das Stadtberner Stimmvolk sprach sich deutlich gegen die
Schliessungs-Initiative aus.
"Je mehr man die Reitschule abschaffen will, desto klarer
bekennen sich die Berner zur kulturellen Vielfalt und Toleranz", freut
sich Stadtpräsident Alexander Tschäppät. Bei einer
Stimmbeteiligung von 47 Prozent schickte das Volk die Vorlage mit 68,4
Prozent Nein-Stimmen noch deutlicher bachab, als die drei bisherigen
reitschulefeindlichen Initiativen. "Auf dieses Resultat können wir
stolz sein", so Tschäppät. "Hoffentlich begreifen jetzt auch
die Letzten, dass die Reitschule zu Bern gehört."
So schlecht sei das Abstimmungsergebnis für die SVP gar
nicht, findet hingegen der unterlegene Initiant Erich Hess: "Wir haben
weit über unser Wählerpotenzial hinaus Stimmbürger
mobilisiert." Überdies habe die Initiative bewirkt, dass es im
Umfeld der Reitschule kaum mehr zu Gewalttätigkeiten gekommen sei.
"Sollte sich dies wieder ändern, werden wir sofort aktiv", droht
der Grossrat - allenfalls auch auf kantonaler Ebene. Denn: "Die
Reitschule ist und bleibt weit über die Stadt hinaus ein
Ärgernis."
Ausgelassen feierten die Reitschule-Sympathisanten ihren Sieg mit
einem kleinen Festival auf dem Vorplatz des Kulturzentrums. In
Anlehnung an seinen Abstimmungs-Song triumphierte Semih Yavsaner, alias
Müslüm: "Siehst du Erich: Ehrlich währt am
längsten!"
Patrick Marbach
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Langenthaler Tagblatt 27.9.10
Die Reitschule bleibt ein Kulturzentrum
Bruno Utz
Bern Die Reitschule wird nicht verkauft: Die Initiative der
Stadtberner SVP scheiterte beim Stimmvolk kläglich.
Auch der fünfte Anlauf, dem alternativen Stadtberner
Kulturzentrum Reitschule den Garaus zu machen, blieb erfolglos. Mit
25122 Nein-Stimmen schickten gestern die Berner die Volksinitiative der
SVP "Schliessung und Verkauf der Reitschule" bachab. Ein Ja hatten
lediglich 11610 Stimmberechtigte in die Urne gelegt. Bei einer
Beteiligung von 47,1 Prozent fand das rechtsbürgerliche Ansinnen
bei gut 30 Prozent der Stimmenden Sukkurs. Initiant Erich Hess
reagierte gelassen: "Die SVP hat in der Stadt Bern einen
Wähleranteil von zwölf Prozent. Wir konnten also weit
über unsere Parteigrenzen hinaus mobilisieren. So gesehen ist das
kein schlechtes Resultat."
Das sei doch Schönfärberei, liess Hess nicht gelten.
"Der Gemeinderat streute dem Volk Sand in die Augen, dass in und um die
Reithalle keine Probleme bestünden. Das ist nicht der Fall. Die
Reithalle ist und bleibt ein rechtsfreier Raum. Das dürfen wir
nicht akzeptieren." Hess, der mittlerweile vom Stadtrat in den Grossen
Rat aufgestiegen ist, versprach, er bleibe am Ball: "Ich werde dort
versuchen, die Reitschule mit Vorstössen zu kantonalisieren."
Bekenntnis zum Kulturbetrieb
"Die Bernerinnen und Berner stehen hinter dem Kulturangebot der
Reitschule", so kommentierte Stadtpräsident Alexander
Tschäppät den Entscheid: "Sie anerkennen, dass hinter dem
Kulturbetrieb viel Engagement von Freiwilligen steckt, die ein
facettenreiches Angebot für viele verschiedene Gruppen auf die
Beine stellen." Das Nein-Komitee, ihm gehörten alle politischen
Parteien mit Ausnahme von SVP und FDP an, argumentierte, die Reitschule
gehöre zu Bern wie der Bärenpark und der Zytglogge.
Kulturschaffende wie Pedro Lenz, Züri West, Patent Ochsner und
Stiller Haas engagierten sich im Abstimmungskampf. Für Aufsehen
sorgte der Kult-Türke Müslüm mit seinem Rapp "Erich,
Warum bisch Du nid Ehrlich?". Weit über 300000-mal wurde der Song
auf youtube angeklickt.
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Tagesanzeiger 27.9.10
70 Prozent der Berner wollen die Reitschule nicht verkaufen
Bereits zum fünften Mal hat sich Bern zum alternativen
Kulturzentrum bekannt. Die Gegner geben aber nicht auf.
Von Jean-Martin Büttner, Bern
Bereits Stunden vor der Bekanntgabe des Resultats feiern die
Reitschüler, wie sie sich nennen, ihren Sieg. Die Zahlen sollten
ihnen später recht geben. Und zwar noch deutlicher als erwartet:
Nur gerade 31,6 Prozent haben für die Initiative der Stadtberner
SVP gestimmt, die das alternative Kulturzentrum an den Meistbietenden
verkaufen wollte.
Andersherum gesagt: Fast 70 Prozent der Stimmenden wollen, dass
die Reitschule bleibt, wie sie ist. Ein Kulturzentrum, das etwas
Subventionen erhält, aber auch in einen Leistungsvertrag mit der
Stadt eingebunden ist, wozu der regelmässige Kontakt mit der
Polizei gehört. "Wir haben auf ein klares Resultat gehofft", sagt
Lea Bill als Sprecherin der Reitschule, "dass es so deutlich
ausgefallen ist, macht uns sehr froh."
SVP will Kantonsabstimmung
Es ist nicht das erste Mal, dass die Reitschüler feiern
dürfen. Bereits fünfmal hat die Stadtberner Bevölkerung
zu ihren Gunsten entschieden. So klar wie gestern ist das Resultat
allerdings noch nie ausgefallen. Selbst im bürgerlichen Quartier
Kirchenfeld sind die rechtsbürgerlichen Gegner der Reitschule sehr
klar unterlegen.
Sie geben aber dennoch nicht auf. Weil in der Stadt Bern drei
Viertel links stimmen würden, sagt der Initiant Erich Hess von der
Jungen SVP, wolle er es jetzt über eine kantonale Abstimmung
versuchen. Der "rechtsfreie Raum" der Berner Reitschule, argumentiert
er, schade dem Ruf des ganzen Kantons und nicht nur der Stadt. Hess
wird im Grossen Rat den dazugehörigen Vorstoss einreichen.
Das kümmert die Berner Stadtregierung nicht. Deren
Präsident, Alexander Tschäppät von der SP, solidarisiert
sich vielmehr mit den Reitschülern. Er sei stolz auf seine Stadt,
sagt er. Sie habe sich "klar gegen eine populistische, jugend- und
kulturfeindliche Initiative ausgesprochen". Die Reitschule sei
"für alle Jugendlichen und ihre Eltern wichtig", so
Tschäppät.
Hinterfragen und provozieren
Tatsächlich: Die Reitschule hat sich in ihrer langen
Geschichte als Projekt der Mittelklasse etabliert. Ihre Benutzer
entstammen mehrheitlich den gesellschaftlichen Kreisen, die sie mit
ihrer kantigen Rhetorik attackieren.
Offen bleibt, wie der sogenannte antifaschistische Spaziergang
vom nächsten Samstag ablaufen wird. Kritiker warfen der Reitschule
vor, sich nicht genügend von den gewaltbereiten Kräften in
ihren Reihen distanziert zu haben. Tschäppät und auch die
ehemalige Polizeidirektorin Barbara Hayoz nehmen die Reitschule in
Schutz: Die letzten beiden Demonstrationen seien friedlich verlaufen.
Aber der Stadtpräsident sagt auch, das Abstimmungsergebnis sei
eine "Verpflichtung für die Benutzer". Es brauche eine Jugend,
"die hinterfragt, demonstriert und provoziert" - im Rahmen des
Rechtsstaates.
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Tagesschau 26.9.10
Nachrichten Inland
Die Vorlage für ein Ausländerstimmrecht in den Kantonen Bern
und Basel-Stadt wurde vom Stimmvolk abgelehnt / Die Bahnlinie zwischen
Zürich und Winterthur wird nicht ausgebaut. Das Zürcher
Stimmvolk hat die Vorlage nicht angenommen / Im Kanton Nidwalden wurde
die "Initiative für einen schrittweisen Ausstieg aus der
Atomenergie" abgelehnt / Mit über 68 Prozent sagte das
Berner-Stimmvolk nein zum Verkauf der Berner Reitschule
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=3fd4e528-074b-469e-b252-6a1db071d603
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Schweiz Aktuell 26.9.10
Abstimmungsstudio vom 26.09.2010
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=1c0ba346-4d55-414a-b110-14b50315fd1f
(ab 12:35)
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Telebärn 26.9.10
Reitschule wird nicht verkauft
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/reitschule-wird-nicht-verkauft/c=84713&s=1033323
---
DRS Regionaljournal 26.9.10
Berner Reitschule bleibt ein Kulturzentrum
Gut zwei Drittel der Stadtberner Stimmenden erteilen der Initiative
"Schliessung und Verkauf der Reitschule!" eine Abfuhr. Damit bleibt das
Kulturzentrum Reitschule, was es ist.
Die Reitschule in Bern wird nicht verkauft (Keystone)
Die Initiative der Jungen SVP, welche die Berner Reitschule an den
Meistbietenden verkaufen wollte, wurde mit 25'122 Nein (68,4 %) zu
11'610 Ja abgelehnt. Der Stadtteil Bümpliz hat als einziger die
Initiative angenommen.
Damit hat das Berner Stimmvolk zum 5. Mal eine Initiative abgelehnt,
welche die Existenz der Reitschule in Frage stellte. Initiant Erich
Hess (SVP) glaubt, dass die Initiative auf kantonaler Ebene angenommen
worden wäre. (haee)
Audio-Beiträge:
Bericht mit Reaktionen von Abstimmungsverlierer Erich Hess (SVP) und
-gewinnerin Rahel Ruch (Förderverein Reitschule)
rtsp://a651.v23910e.c23910.g.vr.akamaistream.net/ondemand/7/651/23910/4c9f702d/audio.drs.ch/Regionaljournale/Bern/2010/09/100926_reitschule_prokontra.mp3
Interview mit Stadtpräsident Alexander Tschäppät: Er
hofft, dass die Reitschul-Gegner nun aufgeben, und will den Dialog mit
den Reitschul-Betreibern weiterführen.
rtsp://a90.v23910e.c23910.g.vr.akamaistream.net/ondemand/7/90/23910/4c9f691a/audio.drs.ch/Regionaljournale/Bern/2010/09/100926_intitschaeppaet.mp3
Kommentar von Stadt Bern-Redaktor Michael Sahli
rtsp://a633.v23910e.c23910.g.vr.akamaistream.net/ondemand/7/633/23910/4c9f7ba4/audio.drs.ch/Regionaljournale/Bern/2010/09/100926_reitschule_kommentar.mp3
Verantwortlich für diesen Beitrag:
Michael Sahli
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kulturstattbern.derbund.ch 26.9.10
http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/blog/2010/09/26/heiter-weiter-reiten/
Von Gisela Feuz am Sonntag, den 26. September 2010, um 17:44 Uhr
Heiter weiter reiten
Mit deutlichen 68,4% wurde die SVP-Initiative aus dem Hause Hess und
Co. für die Versteigerung der Reitschule an den Meistbietenden
abgelehnt, sprich: Die Reitschule bleibt,was sie ist und das ist auch
gut so! Momentan wird dort ordentlich das 5:0 gefeiert und es ist zu
hoffen, dass das rechtsbürgerliche Kindergarten-Gezwänge nun
endlich ein Ende hat.
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bernerzeitung.ch 26.9.10
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Als-das-Resultat-bekannt-wurde-knallten-die-ChampagnerKorken/story/30889208
Als das Resultat bekannt wurde, knallten die Champagner-Korken
Tanja Kammermann
Hunderte Berner verfolgten die Abstimmung zur die Schliessung der
Reitschule direkt beim Kulturzentrum. Unter den Besuchern befanden sich
auch Prominente wie Müslüm und der Berner Schauspieler
Nathanael Schär.
Der Sonntagmorgen auf dem Vorplatz der Reitschule glich einem
Quartierfest. Familien mit Kindern, Jugendliche aber auch ältere
Semester waren bereits früh in die Innenstadt gekommen, um die
Abstimmungsresultate hier zu erfahren. Die Stimmung war gut, die
meisten schienen sich keine Sorgen um den Ausgang der Abstimmung zu
machen.
Aus Köniz angereist war auch Luise Schneider, 79 Jahre. Sie
ist eine linke Aktivistin der ersten Stunde: "Es gibt zu wenig
Lebensraum für junge Leute und nicht jeder kann sich den Eintritt
ins Stadttheater leisten, darum bin ich heute hier", sagte sie. Trotz
aller Zuversicht wurde die Stimmung kurz vor 15 Uhr doch etwas
angespannt. Die Betreiber der Reitschule wurden nervös und
begannen herumzurennen.
Dann kam das Zeichen vom Balkon der Reitschule, ein junger Mann
hielt zwei Daumen in die Höhe. Kurz darauf stand einer der
Sprecher der Reitschule auf der Bühne und verkündete, dass
68,4 Prozent der Berner und Bernerinnen Nein gesagt haben zur
Schliessung der Reitschule. Die Menge jubelte, Menschen umarmten sich
und klatschten in die Hände. Das ging noch minutenlang so weiter.
Müslüm feierte mit
Agnes Hofmann von der Mediengruppe der Reitschule strahlte,
entkorkte eine Champagnerflasche und füllte Gläser ihrer
Mistreiter. Sie hatte ein Nein erwartet und erklärte das klare
Resultat wie folgt: "Wir hatten eine tolle Kampagne und wir haben viele
gute Rückmeldungen aus der Bevölkerung erhalten. Jetzt wird
gefeiert."
Auch der Berner Schauspieler Nathanael Schär hatte das
Resultat erwartet: "Bern hat sich für seinen Kulturplatz
eingesetzt und es ist ein Boom an coolen Kulturprojekten entstanden",
sagte er
"Ehrlichkeit währt eben doch am längsten", sagte Semih
Yavsaner alias Müslüm. Damit spricht er seinen
Unterstützungssong für die Reitschule und gegen Erich Hess
mit dem Titel: "Erich warum bisch du nid ehrlich?" an. Mit dem Song und
dem Video auf Youtube wurde der Secondo aus Bern national bekannt.
--
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/ReitschuleNein-Erich-Hess-plant-Vorstoss-auf-kantonaler-Ebene/story/26992711
Reitschule-Nein: Erich Hess plant Vorstoss auf kantonaler Ebene
Anita Suter, Tanja Kammermann
Der SVP-Politiker und Initiant der Reitschul-Initiative
lässt sich vom Abstimmungsergebnis nicht abschrecken. Er plant nun
einen Vorstoss auf kantonaler Ebene zur Behebung dieses "rechtsfreien
Raums".
"Die Ausgangslage ist von Beginn weg sehr schwierig gewesen", so
die Reaktion von Erich Hess auf die Ablehnung (68 Prozent Nein-Stimmen)
seiner Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule". Drei
Viertel der Stadtberner Stimmbürger seien links, so der
SVP-Politiker. Die"linke Seite" habe den Stimmbürgern "Sand in die
Augen gestreut". Ans Aufgeben denkt Hess aber auch nach dieser vierten
Ablehnung einer Initiative gegen die Reitschule nicht.
"Auf kantonaler Ebene wäre die Initiative durchgekommen"
"Ich werde auf kantonaler Ebene einen Vorstoss einreichen",
äussert er sich gegenüber bernerzeitung.ch entschlossen.
Hätte die Abstimmung auf kantonaler Ebene stattgefunden, wäre
die Initiative angenommen worden, ist Hess überzeugt. Denn dieser
"rechtsfreie Raum" sei ein Reputationsproblem für den ganzen
Kanton, nicht nur die Stadt.
"Ja zum schönsten Schandfleck Berns"
Hocherfreut über das "Ja zum schönsten Schandfleck der
Stadt Bern" zeigen sich derweil die Verfechter der Reitschule. In einem
Communique äussern sich das Solidaritätskomitee Reitschule
bietet mehr, das Kultur- und Begegnungszentrum Reitschule Bern und die
Interessengemeinschaft Kulturraum Reit! Schule.
5:0 für die Reitschule
Nach dieser erneuten klaren Ablehnung der "Ideen einiger
restspopulistischer Scharfmacher" stehe es 5:0 für die Reitschule,
heisst es darin. Das Komitee bedankt sich für die
Unterstützung hunderter Menschen, welche einen Abstimmungskampf
weit über die Grenzen hinaus geführt hätten. Die
Reitschule sei mit viel Herzblut ein weiteres Mal erobert worden - und
werde auch weiter gegen "abstruse Forderungen jeder Art" verteidigt
werden.
Grünliberale fordern "verantwortliches Verhalten"
Auch die Grünliberalen der Stadt Bern zeigen sich mit dem
Resultat der Abstimmung zufrieden. Man sei erfreut, dass die Reitschule
ihre Rolle als innovative Kulturinstitution weiterhin ausüben
können, heisst es in einer Mitteilung. Von den
Reitschul-Betreibern wird ein "verantwortliches Verhalten" gefordert.
So sollen die Anstrengungen für die Sicherheit der Besucher weiter
verstärkt werden.
Auch CVP ermahnt zur Verantwortung
Ähnlich tönt es von Seiten der CVP: Die CVP Stadt Bern
sei erfreut darüber, dass die Abstimmung ganz im Sinne ihres
Leitsatzes "Kultur Ja - Krawalle Nein!" ausgegangen ist und die
Reitschul-Initiative deutlich abgelehnt wurde, heisst es in einem
Communiqué. Das Resultat sei als Ja zur Kulturstadt Bern zu
verstehen. Ein Appell an die Verantwortung der Betreiber, insbesondere
hinsichtlich der Gewalt- und Drogenproblematik wird auch hier klar
kommunziert.
--
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/684-Prozent-lehnen-ReitschulInitiative-ab--Tschaeppaet-ist-stolz/story/24575380
68,4 Prozent lehnen Reitschul-Initiative ab - Tschäppät ist
stolz
Anita Suter
Am Sonntagnachmittag ist klar: Die Initiative zur "Schliessung
und Verkauf der Reitschule" wurde abgelehnt. Stadtpräsident
Alexander Tschäppät äusserte sich vor Journalisten zu
den Abstimmungsresultaten.
Die grosse Frage wird gleich zu Beginn der Medienkonferenz
beantwortet; das Berner Volk hat sich gegen die Schliessung und den
Verkauf der Reitschule und für die Kreditaufstockung zur
Finanzierung der öffentlichen Räume im WankdorfCity
ausgesprochen. Dementsprechend zufrieden zeigten sich der Berner
Stadtpräsident Alexander Tschäppät und Finanzdirektorin
Barbara Hayoz an der um 15 Uhr einberufenen Medienkonferenz im
Erlacherhof.
Vertrauensbeweis für die Jugend
Die Reitschule sei Teil der Berner Jugendkultur, die Schliessung
sei nun zum vierten Mal abgelehnt worden, und zwar klarer denn je - die
Stadt bekenne sich immer mehr zur Reitschule, so Alexander
Tschäppät. Er sei stolz auf diese klare Aussage der
Stadtbernerinnen und Stadtberner. "Das alleine ist schon ein Resultat
zum singen", meinte der Stadtpräsident frohlockend. Er bezeichnete
das Resultat als klares Bekenntnis zu Toleranz und Vielfalt.
Das Resultat fiel denn auch klar aus; über 68 Prozent der
eingegangen Stimmen haben sich gegen die Initiative und somit für
die Reitschule ausgesprochen. Die Jugendlichen der Stadt dürften
das Resultat als Vertrauensbeweis verstehen, so der Stadtpräsident.
Ja zur Kreditaufstockung als "logische Folge"
Finanzdirektorin Barbara Hayoz zeigte sich erfreut über die
Befürwortung der Aufstockung des Kredits für WankdorfCity.
Damit habe sich das Berner Volk für die Schaffung von zahlreichen
Arbeitsplätzen ausgesprochen. Das heutige Resultat sieht sie als
eine logische Folge der bisherigen Entscheide bezüglich
WankdorfCity.
So wie es der Stadtrat wollte
Der Berner Stadtrat hatte sich im Vorfeld klar für den
WankdorfCity-Kredit und gegen die Initiative zur Schliessung der
Reitschule ausgesprochen.
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nzz.ch 26.9.10
Berner Reitschule wird nicht verkauft
(sda) Die Berner Reitschule wird nicht verkauft. Die
Stimmberechtigten haben eine Initiative der Jungen SVP mit einem
Nein-Stimmenanteil von 68,4 Prozent verworfen und sich somit zum
fünften Mal an der Urne hinter das alternative Kulturzentrum
gestellt.
Die rechtsbürgerlichen Initianten hatten gefordert, die
Reitschule beim Hauptbahnhof Bern bis Ende 2011 zu schliessen und an
den Meistbietenden zu verkaufen. Der neue Besitzer sollte das Areal
beispielsweise als Sporthalle, Kino, Schwimmbad oder Einkaufszentrum
nutzen.
Das Begehren blieb chancenlos. Mit 25'122 gegen 11'610 Stimmen
wurde die Vorlage verworfen. Das Volk folgte damit der
Abstimmungsempfehlung von Stadtregierung und Parlament. Die
Stimmbeteiligung betrug 47,1 Prozent.
Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) zeigte
sich erfreut über das Abstimmungsresultat. Die Bernerinnen und
Berner hätten der populistischen Initiative eine klare Absage
erteilt und ein Bekenntnis zur Reitschule sowie zu Toleranz und
kultureller Vielfalt abgelegt.
Zufrieden waren selbstredend auch die Reitschul-Betreiber. Nun
heisse es fünf zu null für das autonome Kultur- und
Begegnungszentrum, teilte die Interessengemeinschaft Kulturraum
Reitschule mit.
Erich Hess, treibende Kraft hinter der Initiative, wollte sich am
Sonntag nach verlorener Abstimmung noch nicht geschlagen geben. Er will
nun auf kantonaler Ebene weiter gegen die Reitschule kämpfen und
im Grossen Rat einen entsprechenden Vorstoss einreichen.
Es könne nicht angehen, dass mitten in der Stadt Bern ein
rechtsfreier Raum wie die Reitschule existiere, betonte Hess.
---
reitschule.ch 26.9.10
Kultur- und Begegnungszentrum Reitschule Bern
Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (IKuR)
Solidaritätskomitee "Reitschule bietet mehr"
Bernerinnen und Berner lehnen die Initiative "Schliessung und Verkauf
der Reitschule" ab und sagen JA zum schönsten Schandfleck der
Stadt Bern
Wir sagen "5:0" und "Merci vielmal"!
Bern, 26. September 2010
Sehr geehrte Medienschaffende
Hocherfreut nehmen wir Kenntnis von der Ablehnung der Initiative
"Schliessung und Verkauf der Reitschule".
Mit dem heutigen Abstimmungsresultat sagt die Stadtberner
Bevölkerung erneut deutlich Ja zur Reitschule und lehnt die
abstrusen Ideen einiger rechtspopulistischer Scharfmacher entschieden
ab.
Nach einer gewonnen Renovationskredit-Vorlage und vier abgelehnten
Anti-Reitschule-Initiativen in den letzten Jahrzehnten steht es somit
punkto Abstimmungen "5:0" für das autonome Kultur- und
Begegnungszentrum Reitschule!
Dank der grossartigen Unterstützung von Hunderten von Menschen im
Abstimmungskampf, konnte sich die Reitschule definitiv weit über
die Grenzen Berns hinaus als Wahrzeichen der Stadt Bern etablieren und
steht somit (zusammen mit Münster, Zytglogge, Bundeshaus,
Bärenpark und Baldachin) für eine Hauptstadt mit Herz(eli)
und für das andere Gesicht Berns.
In unseren Augen war die gescheiterte Initiative primär der
Versuch des Hauptinitianten, auf dem Rücken der Reitschule und auf
Kosten der SteuerzahlerInnen die politische Karriere zu festigen. Es
ist auch nicht das erste Mal, dass ein rechtskonservativer
Jungpolitiker die Reitschule in Frage stellt, um sich politisch zu
profilieren. Befremdend hingegen ist nach wie vor, wie skrupellos
demokratische Rechte und öffentliche Gelder zur persönlichen
Politkarriere "benutzt" werden können.
Die Reitschule und das Solidaritätskomitee "Reitschule bietet
mehr" danken allen HelferInnen, UnterstützerInnen und Gästen,
die es ermöglicht haben, diesen grossartigen, kreativen und
witzigen Abstimmungskampf zu führen und zusammen mit
Müslüm nicht nur alle Herzeli zu gewinnen, sondern sogar die
Hitparaden-Charts zu stürmen. Mit dem gebotenen Herzblut haben wir
die Reitschule - den schönsten Schandfleck der Stadt Bern - ein
weiteres Mal erobert. Und wir werden auch in Zukunft das bald
23-jährige autonome und selbstverwaltete Kultur- und
Begegnungszentrum gegen abstruse Forderungen jeder Art verteidigen.
Mit freundlichen Grüssen
Solidaritätskomitee "Reitschule bietet mehr"
Kultur- und Begegnungszentrum Reitschule Bern
Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (IKuR)
---
bern.ch 26.9.10
Abstimmungen 26.9.2010: Nein zur Reitschulinitiative - Ja zum Kredit
WankdorfCity
Mit einer deutlichen Nein-Mehrheit von 68,4 Prozent haben die
Stimmberechtigten der Initiative "Schliessung und Verkauf der
Reitschule" eine Abfuhr erteilt. Mit 70,2 Prozent Ja-Stimmen hiessen
die Stimmberechtigten hingegen die Kreditaufstockung für die
Gestaltung der Aussenräume im WankdorfCity gut. Die
Stimmbeteiligung lag bei 47,1 Prozent.
Ein weiteres Mal haben die Stadtberner Stimmberechtigten das Ansinnen
abgelehnt, die Reitschule einer anderen Nutzung zuzuführen. Die
Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" wurde lediglich von
31,6 Prozent der Stimmenden unterstützt (11'610 Ja-Stimmen/25'122
Nein-Stimmen) abgelehnt. Der Gemeinderat zeigte sich erfreut über
diesen Abstimmungsausgang. "Die Bernerinnen und Berner stehen hinter
dem Kulturangebot der Reitschule", sagte Stadtpräsident Alexander
Tschäppät. "Sie anerkennen, dass hinter dem Kulturbetrieb
viel Engagement von Freiwilligen steckt, die ein facettenreiches
Angebot für viele verschiedene Gruppen auf die Beine stellen."
Kreditaufstockung genehmigt
Die Kreditaufstockung zur Finanzierung der öffentlichen Räume
WankdorfCity wurde mit 70,2 Prozent Ja-Stimmen (24'068
Ja-Stimmen/10'196 Nein-Stimmen) vom Stimmvolk angenommen. Damit kann
der städtische Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik als
Grundeigentümer die Erschliessung und Gestaltung des Aussenraums
in WankdorfCity in Angriff nehmen.
Finanzdirektorin Barbara Hayoz interpretierte das Ja zum Kredit als Ja
zum Standort WankdorfCity: "Seit 2003 haben die Stimmberechtigten vier
Vorlagen im Zusammenhang mit der Entwicklung von WankdorfCity
befürwortet. Dieses Ja ist für mich die Bestätigung der
Politik des Gemeinderates und zeigt, dass die Stimmberechtigten der
Bedeutung des Entwicklungsschwerpunkts für die Stadt Rechnung
tragen". Das Ja sei zudem ein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Bern,
erklärte Barbara Hayoz weiter.
Hier geht es zu den detaillierten Resultaten.
http://www.bern.ch/leben_in_bern/stadt/abstimmungen/abstimmungsdaten/
Informationsdienst der Stadt Bern
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RABE-INFO
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Mo 27. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_27._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_27._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2027.%20September%202010
- Reitschule Initiative abgelehnt: Jubel in der Reitschule und beim
Stadtpräsidenten
- "Zämä läbä- zämä stimme" abgelehnt:
Stadt Bern setzt ein Zeichen
- ALV Revision angenommen: Abstimmung spaltet die Schweiz
- Jahr der Biodiversität: urbane Safari in der Wildnis Stadt
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PARTY-PEOPLE
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BZ 27.9.10
Leserbrief
Politik ist gefordert
Ausgabe vom 25. September
Interview mit Organisator von Waldpartys
Wie der "Organisator" selber zugibt, sind diese illegalen
Waldpartys der linken, autonomen Szene zuzurechnen. Wieder einmal nimmt
sich diese Gruppierung einen Freiraum, ohne sich um Gesetze und
Rücksichtnahme gegenüber Anwohnern zu kümmern. Genau wie
bei den Stadttauben, bei den Zaffarayanern und der Reithalle. Dem
steuerzahlenden Bürger werden Dreck und Kosten hinterlassen. Dass
man bei Behörden nicht um Gesuche nachfragt, hat wohl eher damit
zu tun, dass das ein etwas mühsamer Weg sein könnte und mit
Arbeit verbunden ist. Und dass man nicht mit seinem Namen hinstehen
kann, passt zu dieser Szene, die sich nur vermummt zeigen darf. Politik
und Polizei wären hier gefordert, diesem Treiben ein Ende zu
setzen. Ich fühle mich als normaler Bürger verschaukelt.
Thomas Welti, Stettlen
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ALKITREFF BIEL
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bielertagblatt.ch 27.9.10
Alkitreff: Die letzte Stunde schlägt
Gestern hat der Abbruch des Alkitreffs auf dem Walserplatz begonnen.
Bis Ende Woche sollen alle Spuren getilgt sein. Wo die Menschen
unterkommen, ist nach wie vor ungewiss.
Gestern Morgen um elf Uhr auf dem Walserplatz: Sägen kreischen,
Balken krachen, Männer schwitzen. Stück um Stück
zerlegen sie den Alkitreff in seine Einzelteile. Eine riesige, gelbe
Mulde ist schon fast voller Holz, Metall, Matratzen, Wellblechteile.
Zehn Männer der Gad-Stiftung arbeiten im Auftrag der Stadt Biel
und unter der Leitung von Felix Pfäffli am Abbruch des Treffs.
Pfäffli steht inmitten seiner Leute, dirigiert, kommandiert
und packt auch selber mit an.
Nein, von den Alkis helfe keiner mit. Sei auch besser.
Versicherungstechnisch. Jim Klossner, der Leiter des Treffs, sei kurz
hier gewesen, aber gleich wieder gegangen. Pfäffli macht sich
Sorgen, wie es Ende Woche weiter geht. Dann sind die Männer der
Gad-Stiftung voraussichtlich mit ihrer Arbeit fertig, der Alkitreff
verschwunden. Eine inzwischen sieben Jahre alte Geschichte wird zu Ende
sein. Weg. Verschwunden. Aus dem Weg geräumt. Wie die Menschen,
die zum Treff gehörten. Die die selbstgezimmerte Baracke nach dem
Feierabend aufsuchten, um ein Bier unter Freunden zu trinken, und um
ein wenig Familie zu haben. Felix Pfäffli ist sicher, das ist zwar
das Ende des Alkitreffs. Aber nicht das Ende der Alkitreffbesucher.
"Die können sich ja nicht in Luft auflösen", sagt er, "die
werden sich halt irgendwo anders treffen". Und dort, ja dort werden sie
dann den Leuten gehörig auffallen, befürchtet er.
Mehr zum Thema im BT vom 28. September
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Bieler Alkitreff wird abgebaut
Das letzte Stündchen hat geschlagen. Das Alkitreff in Biel wird
abgebaut, ein schwarzer Tag für die Besucher und die Betreiber.
Alle Infos gibts im Audiofile von Canal3 (siehe Link unten).
Audio:
Bieler Alkitreff wird abgebaut
http://www.bielertagblatt.ch/News/Region/185701
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Schweiz Aktuell 24.9.10
Unerwünschter Alkoholiker-Treff
Es war ein Bieler Unikum: Der Aliktreff, von den Alkoholikern selbst
verwaltet, von den Behörden unterstützt, von den
Bevölkerung lange geduldet. Doch wegen Dreck- und Lärmklagen
reisst die Stadt den Alki-Treff ab. Die Betroffenen sind wütend.
http://videoportal.sf.tv/video?id=5c8cdb58-d5d7-48a7-8541-090000d7571e
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ALKOHOL
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St. Galler Tagblatt 27.9.10
Warum der Alkohol teuer sein muss
Werden Bier und Wein teurer, profitiert die ganze Gesellschaft:
Todesrate, Verbrechen, Erkrankungen und viele weitere Aspekte, die mit
Alkoholkonsum zusammenhängen, gehen zurück. Zu diesem
Ergebnis kommen US-Wissenschafter nach einer Auswertung von
fünfzig Studien, die sich mit Preissteigerungen bei alkoholischen
Getränken und deren gesellschaftlichen Auswirkungen
beschäftigten.
Gewichtige Nebenfolgen
Den Forschern zufolge verdeutlicht diese Analyse, dass ein
Preisanstieg beispielsweise durch höhere Alkoholsteuern nicht nur
das Trinken selbst reduziert, sondern auch die kostspieligen und
unangenehmen Folgen des Alkoholkonsums.
Für ihre Auswertung nutzten die Forscher Informationen aus
Studien der vergangenen fünfzig Jahre, die einen Zusammenhang
zwischen Alkoholpreisen und gesellschaftlichen Aspekten untersucht
hatten. Die Ergebnisse der einbezogenen Studien seien überraschend
einheitlich gewesen, erklären sie und liessen sich wie folgt
resümieren: Eine Verdoppelung der durchschnittlichen Alkoholsteuer
hätte 35 Prozent weniger alkoholbedingte Todesfälle zur
Folge, elf Prozent weniger tödliche Verkehrsunfälle und einen
Rückgang von 1,4 Prozent bei Verbrechen. Sogar die
Möglichkeit für einen Rückgang bei sexuell
übertragbaren Krankheiten um sechs Prozent leiten die Forscher aus
ihren Daten ab.
In vielen Ländern debattiert
Die Alkoholsteuer ist in vielen Ländern ein ständiger
Diskussionspunkt. Der Studienleiter Alexander Wagenaar kommt vor dem
Hintergrund der Ergebnisse aber zu einem eindeutigen Fazit: "Eine
simple Anpassung der Alkoholsteuer könnte Tausende von Leben
retten und dem Staat eine Menge Geld sparen."
Martin Vieweg
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DROGEN
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20min.ch 27.9.10
Bern
Erntezeit
Outdoor-Hanf boomt im Kanton Bern
von Nora Camenisch - Anscheinend haben die Berner genug vom
Industriehanf: Immer mehr bauen sich ihren eigenen Outdoor-Hanf an.
"Wir stellen eine Tendenz fest, dass der Selbstanbau von Hanf zunimmt",
sagt Stefan von Below, Sprecher der Berner Kantonspolizei. Seit Ende
Juli seien rund zehn Outdoor-Pflanzungen aufgeflogen. "Meist handelt es
sich um kleinere Plantagen von rund 30 Pflanzen. Oft werden diese
entdeckt, weil Passanten oder Polizisten den Geruch wahrnehmen oder die
Pflanzen erkennen", sagt von Below. Die meisten Anbau orte seien
getarnt, etwa in Mais feldern oder an Waldrändern. "Wir suchen
aber nicht aus der Luft nach Hanffeldern, das wäre
unverhältnismässig."
Für Hanf-Experte Peter Brugger ist klar, warum der
Outdoor-Selbstanbau zunimmt. "Die Leute wollen natürlichen Hanf
und nicht dieses Industriezeug." Sabina Geissbühler von der
Vereinigung Eltern gegen Drogen will nun, dass der Nationalrat das
Bundesamt für Gesundheit in die Pflicht nimmt: "Es muss endlich
klarstellen, dass auch der Anbau von Hanf verboten ist. Die
Bevölkerung ist einfach verunsichert."
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Le Matin 27.9.10
La cocaïne en solde
Drogue
Des mules de l'Est bon marché s'allient aux trafiquants
africains, ce qui fait baisser dramatiquement les prix. La police de
Lausanne met la pression sur les vendeurs.
Humbert
30 francs la boulette! Le prix d'un coup de "piquette" au bistro:
ce sont les soldes sur les marchés romands de la cocaïne,
tenus à une très large majorité par des Africains.
Car ces réseaux ont trouvé des mules bon marché
venant des pays de l'Est. Malgré le risque mortel, ces porteurs
n'hésitent pas à ingurgiter des centaines de grammes de
drogue. Ils peuvent gagner 4000 francs par trajet. Enquête sur ce
monde souterrain avec des agents de la police judiciaire de Lausanne.
Ils sont trois inspecteurs à parler avec passion d'un
métier qui les confronte à des dealers prêts
à toutes les combines pour se faire de l'argent. Le rôle
de la brigade antidrogue de Lausanne, qui compte 11 membres: remonter
les filières. Ils en démantèlent plus d'une
dizaine par année, arrêtant tout le groupe: les petits
vendeurs de rue, les grossistes, les big boss, en Amérique du
Sud, en Espagne ou aux Pays-Bas.
Mais aussitôt un réseau mis hors d'état de
nuire, une autre chaîne se constitue tout aussi vite.
"Ces trafiquants africains sont parfois recrutés sur place
pour venir en Suisse. Ils arrivent aussi par d'autres voies sans avoir
l'intention au départ de se livrer au trafic de drogue. Ils sont
sans papiers ou avec de faux documents et se fondent dans la nature.
C'est Pierre* qui parle. Vingt ans de terrain et une
expérience incontestable.
"Les dealers vivent dans des centres ou dans des appartements
sous-loués. Leur job: chercher des consommateurs. Ce sont eux
que l'on aperçoit le plus dans la rue, harponnant le client
potentiel. " C'est à eux que sont confrontés les deux
cents agents de police secours en uniforme.
Il s'agit pour la ville de Lausanne d'empêcher des zones de
non-droit de s'installer, de mettre une pression constante. Non pour
supprimer le trafic - mission impossible - mais pour le contenir.
Ces vendeurs, s'ils ne sont que du menu fretin, avec juste
quelques grammes, des portables et des billets de banque plus ou moins
bien cachés, gagnent pourtant bien leur vie. L'un d'entre eux
s'est fait un demi-million de francs dans la rue: il travaillait sept
jours sur sept. C'est un cas unique.
Note:* Prénom d'emprunt
--
L'argent repart par les bureaux de change
De toute évidence, ces vendeurs n'existeraient pas sans
des grossistes, la cible la plus impor-tante de la brigade des
stupéfiants. Ils importent directement la poudre de Madrid ou
d'Amsterdam. On ne parle là plus de grammes mais de kilos. Ces
grossistes sont dispensés de se rendre dans la rue: ils
travail-lent au bureau. Ce sont les reven-deurs qui les contactent et
viennent chercher les doses à écouler. Car ils se sont
constitué un fichier clients et changent de
téléphone portable à un rythme affolant pour
éviter les écoutes, par ailleurs rendues difficiles par
l'opacité sur la vraie identité du détenteur du
numéro.
Ils sont beaucoup plus difficiles à repérer que les
revendeurs qu'ils envoient dans la rue.
Tous ces trafics génèrent des centaines de milliers
de francs qui quittent la Suisse par des voies officielles mais non
soumises aux mêmes contrôles que ceux imposés aux
banques, commente un spécialiste qui tient à garder
l'anonymat. Et d'expliquer: c'est tout simplement par les bureaux de
change et de transfert de monnaie qui ont pignon sur rue que ces sommes
se déversent sur l'Afrique.
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RASSISMUS
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Sonntag 26.9.10
GLP schliesst höchsten Opfiker aus
Keine Entschuldigung für rassistische Äusserungen
Urs Wagner, der Gemeinderatspräsident der Zürcher
Gemeinde Opfikon, ist am Freitagabend wegen parteischädigenden
Verhaltens aus der Grünliberalen Partei des Kantons Zürich
ausgeschlossen worden. Grund dafür war die 1.-August-Rede von
Wagner und seine Weigerung, sich für seine Äusserungen zu
entschuldigen.
Die in der Rede zum Ausdruck gebrachten, teilweise rassistischen
Positionen seien nicht mit den grundlegenden Wertvorstellungen und
Leitlinien der Grünliberalen vereinbar, teilte die Kantonalpartei
mit. Zudem seien weitere Fakten bekannt geworden, welche für die
Grünliberalen nicht mit einem Parlamentsmandat und dem Mandat als
höchster Opfiker vereinbar seien, hiess es weiter, ohne dass die
Partei weitere Details nannte.
Der Mitteilung zufolge hat sich die Grünliberale Partei um
eine einvernehmliche Lösung bemüht. Offenbar haben die
Geschäftsleitung der Partei und die Lokalsektion versucht, der
schwierigen persönlichen Situation, in der sich Wagner zurzeit
befinde, gerecht zu werden. Trotz diesen Bemühungen im Rahmen von
persönlichen Gesprächen sei eine einvernehmliche Lösung
nicht möglich gewesen. Wagner habe eine klare Entschuldigung sowie
einen Rücktritt von seinem Amt als Gemeinderatspräsident und
Gemeinderat abgelehnt. Deshalb, so die Partei, sei dem Vorstand einzig
der Weg des Ausschlusses übrig geblieben.
Wagner hatte sich in seiner 1.-August-Rede unter anderem gegen
die Ansiedlung nicht weisser Menschen in der Schweiz ausgesprochen und
sich des Vokabulars von ultrarechten Verschwörungstheoretikern
bedient. (sda/az)
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Sonntag 26.9.10
Amok-Tiraden auf Newsportalen
Verbale Exzesse ersticken sachliche Diskussionen und zwingen
Online-Redaktionen zum Umdenken
Von Michael Walther
Es ist ein Volkssport, Kommentare auf den Newsseiten von
"Tages-Anzeiger", "20 Minuten", "Aargauer Zeitung" und "Tagesschau" zu
verfassen. Doch oft sind die Leserbeiträge rassistisch, sexistisch
oder diffamierend. Jetzt reagieren die Portale.
Es reicht, eine Meldung über den Gerichtsentscheid zum
Minarett von Langenthal zu publizieren - und schon gehts los. Auf den
Onlineseiten ergiessen sich Hasstiraden über die Muslime und
über die Behörden, die den Bau bewilligen. Auf "Blick.ch"
macht ein Leser seinem Unmut Luft und ruft offen zur Diskriminierung
von Moslems auf: "Nicht meckern, sondern handeln. (...) Bauplatz mit
Lastwagen blockieren, falsche Teile liefern (...) Und vor allem: in
Geschäften und Restaurants klipp und klar Muslims nicht mehr
bedienen." Eine Forderung, die im Vergleich zu anderen fast harmlos
wirkt. Denn die schlimmsten Beiträge sehen nur die Redaktoren -
und diese drücken auf die "Delete"-Taste.
"20 Minuten online" beispielsweise gibt ungefähr jeden
vierten Leserkommentar wegen der krassen Wortwahl nicht zur Publikation
frei. Und Rüdi Steiner, Online-Chef der "Aargauer Zeitung", sagt:
"Ungefähr 15 Prozent der Kommentare fallen durch, weil sie
beleidigend, rassistisch oder sexistisch sind."
Weil täglich Hunderte von Leserkommentaren geschrieben
werden, wird das Aussortieren zu einem Riesenaufwand. Eine volle
Arbeitsstelle wird bei "20 Minuten online" ausschliesslich für das
Durchsehen und Freischalten der Beiträge eingesetzt. Vorher
durchsucht ein Computerprogramm die Einträge auf Fluchwörter
und Beleidigungen. Bei Newsnetz, der Onlineredaktion des
"Tages-Anzeigers", arbeiten jeden Tag drei Personen in Heimarbeit
daran, die Leserkommentare auf verbale Exzesse zu durchforsten.
In Zukunft wollen die Redaktionen noch mehr dafür tun, dass
die Meinung ihrer Leser nicht unter einer Schlammlawine von
Beschimpfungen erstickt. Hansi Voigt, Chefredaktor bei "20 Minuten
online", setzt auf die Belohnung von vorbildlichen Nutzern: Er
möchte die Kommentare auf seiner Newsseite nach ihrer
Qualität ordnen. "Zuoberst sollen die besten Kommentare stehen,
und wer mit seinem richtigen Namen kommentiert, erhält besseren
Zugang".
Rolf Cavalli, Chefredaktor von "Blick.ch", denkt darüber
nach, bei Reizthemen einen Moderator einzusetzen. Bereits heute
können die Nutzer dort ihre Meinung zu den Artikeln nur noch
abgeben, wenn sie sich mit Name und E-Mail-Adresse registriert haben -
oder einen Facebook-Account besitzen. Dieselbe Politik verfolgt das
Schweizer Fernsehen. Damit es keine Schlammschlacht gibt, müssen
die Nutzer unter dem richtigen Namen schreiben - davon ist der
Medienwissenschafter Kurt Imhof überzeugt: "Anonymität macht
keinen Sinn. Sie führt nur dazu, dass sich die Leute in ihren
Eigenlogiken einmauern." Es sei ähnlich wie bei den Sprüchen
an WC-Wänden: "Man schliesst sich ein, pinkelt ins WC und an die
Wand."
Die verbalen Schmierereien in den Leserkommentaren bringen die
Redaktionen an ihre Kapazitätsgrenzen, sodass die
Kommentarfunktion nur selektiv angeboten wird. Grundsätzlich wolle
er zu jedem Thema eine Diskussion ermöglichen, sagt Hansi Voigt
von "20 Minuten online", "wenn aber thematisch absehbar ist, dass die
Leute die Kommentarmöglichkeit vorwiegend dafür nutzen, um
quasi ins Internet zu rülpsen, lassen wir es". So ging es letzte
Woche auch dem Schweizer Fernsehen: Bei der Meldung zum Minarett in
Langenthal wurde die Kommentarfunktion deaktiviert.
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RECHTSEXTREM
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Sonntag 26.9.10
Alt-Bundesrichter: Ja zu Minarett-Bau
Laut Giusep Nay wird das Bundesgericht die Baubewilli- gung in
Langenthal stützen
Trotz Verbot: Der Kanton Bern hat diese Woche entschieden, dass
die Baubeschwerde gegen das Minarett in Langenthal abgelehnt wird. Der
sechs Meter hohe Turm auf dem Dach des Islamischen Zentrums darf gebaut
werden. Die Bewilligung sei vor der Volksabstimmung erteilt worden,
begründet das Departement von Regierungsrätin Barbara Egger
(SP) diesen Entscheid.
Für Alt-Bundesgerichtspräsident Giusep Nay ist klar:
Das Bundesgericht wird nach ständiger Praxis den Berner Entscheid
stützen müssen: "Die Regeln sind für alle solche
Fälle die gleichen und grundsätzlich klar", sagt Nay. "Die
Baubewilligung ist wegen des neuen Rechts nicht plötzlich nichts
mehr wert." Neue gesetzliche Bestimmungen würden nur "in
Ausnahmefällen" rückwirkend angewandt, wenn das allgemeine
Wohl das gebiete: "Bauwillige planen und tätigen unter
Umständen sehr grosse Investitionen. Sie müssen daher auf das
geltende Recht vertrauen dürfen." Es gelte der Grundsatz "des
Vertrauensschutzes der Bauherren". Auch das Volk als Verfassungsgeber
könne diesen wichtigen Grundsatz der Bundesverfassung nicht in
einem Einzelfall missachten, "schon gar nicht mit einem die
Religionsfreiheit verletzenden Verbot", so Nay.
Die Initianten des Minarettverbots haben bereits
angekündigt, dass sie die Baubewilligung nicht auf sich sitzen
lassen. Sie wollen den Berner Entscheid bis vor Bundesgericht anfechten
und notfalls mit Sitzblockaden das Auffahren der Bagger verhindern.
Der Ton der Auseinandersetzung hat sich inzwischen
verschärft. Für nächsten Samstag ruft eine Gruppe mit
dem Namen "Stopp dem Minarett in Langenthal" auf der Internet-Plattform
Facebook zu einer Demonstration vor dem Islamischen Kulturzentrum auf.
Die Veranstalter fordern die Teilnehmer auf, sich zu vermummen.
Gleichzeitig nehmen sie Bezug auf einen Protestmarsch in Sempach, wo
2008 mehrere hundert Rechtsradikale demonstrierten.
Bisher haben sich 30 Personen für die Demo angemeldet,
darunter junge Männer, die auf Bildern mit kahlrasierten
Köpfen, Springerstiefeln und Schweizer Fahne posieren. Mit Willi
Frommenwiler hat auch ein ehemaliger Nationalratskandidat der
Freiheits-Partei seine Teilnahme zugesagt.
Neben dem Demo-Aufruf wurde eine Online-Petition gestartet, die
bisher gut 200 Personen unterschrieben haben. Lanciert wurde diese
Aktion gemäss "Berner Zeitung" von einem Mann, der Sympathien zur
rechtsextremen Szene hegen soll.
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) weiss von der geplanten
Demo in Langenthal, wie NDB-Sprecher Felix Endrich bestätigt.
Alles Weitere sei Sache der Berner Polizei. Die Gemeinde Langenthal hat
bisher keine Kenntnis vom geplanten Aufmarsch. Ein Bewilligungsgesuch
liege nicht vor, hiess es auf der Gemeindeverwaltung.
Auch die rechtsextreme Partei national orientierter Schweizer
(Pnos) macht gegen das bewilligte Minarett mobil. "Wir werden aktiv
gegen diese Entscheidung vorgehen. Ab nächster Woche führen
wir diverse Aktionen durch", sagt Pnos-Sprecher Dominic Lüthard
gegenüber dem "Sonntag". Zur Diskussion stehe auch eine
Demonstration: "Wir werden nächste Woche prüfen, ob wir ein
Demogesuch einreichen wollen."
Nadja Pastega
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BIG BROTHER SPORT
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nzz.ch 27.9.10
Fan-Dasein für Fortgeschrittene
Wie viel Liebe zum Club ist gesund?
Ein Modefan besucht Fussballspiele mit Sonnenschein und dem FC
Basel. Ein richtiger Fan steht auf der Tribüne gegen FC Vaduz bei
Minustemperaturen und würde nie ein Spiel verpassen. Ein richtiger
Fan, ein fanatischer Fan heisst dann auch nicht mehr Fan, sondern Ultra.
Claudia
Ein ‹a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Ultrà-Bewegung"›"Ultra"‹/a›
ist männlich, jung, der zwölfte Mann auf dem Platz, bastelt
fantasievolle Choreographien, singt gerne und laut thematisch auf
Fussball beschränkte Lieder, opfert seine Freizeit, seine Ferien
und seinen Lohn, um sein Team auf Schritt und Tritt zu begleiten. Nebst
Choreographien, Jahresabonnement und unzähligen Litern
Flüssigkeit muss auch ein entsprechendes Outfit ins Budget
eingerechnet werden. Gedeckt sind bis hierhin jedoch nur die
finanziellen Auslagen der Heimspiele. Regelmässig freuen sich SBB,
Busunternehmen und Easyjet über die Einnahmen, die durch die
Pilgerungen an Auswärtsmatchs generiert werden.
800 Fans an Bord
Um die Luft eines "Ultras" zu schnuppern, eignete sich der Europa
League Match der ‹a href="http://www.facebook.com/pages/BSC-Young-Boys/113169998710195?ref=ts"›BSC
Young Boys‹/a› gegen den VfB Stuttgart hervorragend. Die Fanklubs
organisierten für rund 800 Fans einen Extrazug, der Bern um 13.30
Uhr verliess und am nächsten Morgen um 6.00 Uhr früh wieder
zurückkam. Kein Umsteigen, keine Hotels, hinfahren, singen, Match
schauen, zurückfahren, eventuell ein Auge zutun und mehr singen.
So war es denn auch, jedoch nicht ganz so idyllisch. Die älteste
Zugkombination des SBB-Sortiments ratterte in fünf Stunden durch
die Schweiz und Süddeutschland. Im ersten Waggon war das
Bierlager, im letzten Waggon der rauchfreie Familienwagen und
dazwischen die gelb-schwarze Hölle. Trotz der 0:3-Niederlage war
die Stimmung am Match unbeschreiblich. Die oberste Maxime war, mehr
Stimmung als die VfB-Fans zu machen. Fernsehzuschauer, die den Match zu
Hause verfolgten, bestätigten, es habe wie im "Stade de Suisse"
geklungen. Der "Capo", der vorne mit einem Mikrophon als eine Art
Dirigent wirkt, trieb uns stimmlich zum Äussersten und ich habe
bloss wenige Minuten des Matchs gesehen, weil das Singen mich
völlig beschäftigte.
Schattenseite des Fussballs
Auswärtige Fans werden wie Schwerverbrecher behandelt, wohl
nicht zu Unrecht. Ein immenses Polizeiaufgebot zu Fuss, im Kastenwagen
und zu Pferd begleitete uns vom Bahnhof bis zum drei Kilometer
entfernten ‹a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Mercedes-Benz_Arena"›"Mercedes
Benz Arena"‹/a›. Jede Zuckung unsererseits wurde als Provokation
gewertet, wir standen unter ständiger Überwachung und die
Polizisten waren mit Videokameras ausgerüstet. Im Stadion wurden
nur noch alkoholfreie Getränke ausgeschenkt. Bis auf die
Zündung von Pyros kam es zu keinen gewalttätigen
Zwischenfällen. Die verbotenen Pyros werden den Club der Young
Boys teuer zu stehen kommen und die Feuerkörper, die bis zu 1'000
Grad heiss werden, können gefährlich sein. Doch immer wieder
befinde ich mich im ‹a href="http://www.youtube.com/watch?v=1MA26eM1baI"›Dilemma‹/a›,
ob ich die Zündung verurteilen soll oder nicht. Denn auf eine Art
und Weise sieht das Spiel mit dem Feuer und Licht wunderschön und
macht eine Choreographie, die meist sorgfältig ausgearbeitet ist,
erst speziell.
Ähnlich hin und her gerissen bin ich bei ‹a href="http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Die-gefaehrlichsten-Fans-der-Welt/story/22629828"›Fangruppierungen‹/a›.
Das Gruppengefühl und -zugehörigkeit ist schön, doch die
Gewaltbereitschaft ist dabei ein störendes Element. Hier kommen
ganz schnell archaische Reaktionen hoch, vor allem bei grossem
Alkoholeinfluss gerät das Blut allzu schnell in Wallung. Bei
Niederlagen setzt blitzartig diese Mir-ist-alles-egal-Haltung ein und
die meist männlichen, teils vermummten Fans treten alles klein,
was ihnen unter ihre Turnschuhe gerät. Oft geistert mir ein Bild
im Kopf herum, wenn kleine Jungs beim Spielen nicht verlieren
können, schmollen, stänkern, schreien und weinen. Haben diese
grossen Buben die Fähigkeit zu Verlieren nicht gelernt? Oder
gehört das zur wahren Liebe?
---
Spiegel 27.9.10
SICHERHEITSTECHNIK
Gefahr bunt markiert
Wo in einem Fußballstadion wird der Sicherheitsdienst
gerade gebraucht? Auf den Bildern normaler Überwachungskameras ist
das oft nur schwer auszumachen. Schlägereien oder Menschen, die
plötzlich versuchen, aufs Spielfeld zu rennen, gehen im
allgemeinen Durcheinander von Fahnen, Fans und La-Ola-Wellen leicht
unter. Deshalb hat jetzt das Fraunhofer-Institut für Angewandte
Informationstechnik in Sankt Augustin bei Bonn eine Software
entwickelt, die auf den Überwachungsbildern auffällige
Ereignisse gezielt erkennen und markieren kann. Dieses "Smart Eyes"
getaufte System, das mit einer festen und zwei beweglichen Kameras
arbeitet, analysiert zunächst die typischen - also
unproblematischen - Bewegungsmuster der jeweiligen Szenerie, etwa
Fahnenschwenken oder jubelnde Fans. Was sich davon abhebt, zum Beispiel
eine Prügelei oder ein Einzelner, der aus der Menge ausbricht,
markiert das System auf den Security-Monitoren dann farblich - und zwar
in Echtzeit. Sofort richten sich zudem die beiden beweglichen,
ultraschnellen Kameras auf das verdächtige Muster und liefern eine
Aufnahme in besonders hoher Auflösung.
---
Südostschweiz 26.9.10
Mit Kameras auf Hooliganjagd - Mini-Erfolg oder bloss Zufall?
Im Kampf gegen Chaoten und Gewalt an Spielen der Lakers setzt die
Polizei seit September auf neue Methoden. Die Strategie scheint
aufzugehen.
Von Roland Lieberherr
Rapperswil-Jona. - Krawalle zwischen Fangruppen, Pöbeleien
gegenüber der Polizei und Vandalenakte: Die Negativ-Schlagzeilen
rund um die Partien der Rapperswil-Jona Lakers überschatteten in
der Vergangenheit oft die sportlichen Aspekte.
Der ausufernden Gewalt will die Polizei einen Riegel schieben.
Eine Spezialeinheit der Kantonspolizei nimmt seit Neustem gewaltbereite
Fans direkt ins Visier: Mit mobilen Videokameras werden die
Krawallbrüder gefilmt. Geraten sie in den Fokus der Kamera,
können sie anhand der Schnappschüsse vor Ort verurteilt
werden.
Herauspicken und abführen
"Die Truppen ergreifen gezielt Unruhestifter und entfernen sie
aus der Gruppe", ergänzt Harald Düring. Der Leiter der
Sicherheitspolizei innerhalb der St. Galler Kantonspolizei koordiniert
die Spezialeinsätze. Er sieht bereits erste Erfolge seiner
Strategie.
So auch letzten Dienstag, beim Lakers-Match gegen Kloten, der im
Vorfeld als sehr riskant eingestuft worden war. Wie läuft ein
solcher Einsatz ab? Lassen sich die Chaoten so abschrecken? Die
"Südostschweiz" begleitete die Polizisten auf ihrer heiklen
Mission. Bericht Seite 3
--
Ein teures "Räuber- und Poli-Spiel"
Hält die neue Polizei-Taktik gegen gewaltbereite Hockeyfans,
was sie verspricht? Die "Südostschweiz" machte die Probe aufs
Exempel: am letzten Dienstag beim Hochrisikospiel zwischen den
Rapperswil-Jona Lakers und den Kloten Flyers.
Von Roland Lieberherr
Rapperswil-Jona. - Fangesänge, vermummte Gestalten,
fliegende Bierdosen - Fehlanzeige. Wo bleiben nur die Kloten-Fans?
19.15 Uhr am Bahnhof Rapperswil: In einer halben Stunde beginnt die
Partie. Bei Einsatzleiter Harald Düring laufen die Drähte
heiss, alle Informationsquellen werden angezapft. Er kontaktiert
Szenekenner, Bahnpolizei, die Beamten im Einsatz - vom harten Kern der
Flyers-Anhänger fehlt jede Spur. Ratlosigkeit macht sich breit:
Düring kaut auf seiner Unterlippe. Nervös? "Mitnichten. Es
macht stutzig, aber gehört dazu."
Das Katz- und Mausspiel ist in vollem Gang. "Räuber und
Gendarm - Level 3", so ein Beamter lakonisch. Noch haben die Fans das
Zepter in der Hand, versuchen die Polizei auszutricksen und die
Standorte der Truppen auszumachen. Düring zieht den Vergleich zum
Schach. "Ich muss den Einsatz lesen, stets zwei oder drei mögliche
Züge in petto haben und alle Eventualitäten abdecken." Mit
einem grossen Vorteil: "Wir wissen, dass sie zum Spiel wollen."
"Keine Ahnung, wo Fans stecken"
Plötzlich zieht er die rechte Augenbraue hoch, ein
Funkspruch von Bedeutung: Eine Gruppe marschiert von Jona her Richtung
Diners Club Arena. Etwa 30, vorwiegend junge Männer, meist in
Schwarz - vereinzelt blitzen unter ihren dunklen Jacken Schals und
Trikots in Klotens Vereinsfarben hervor. Die Gerüchteküche
brodelt: Will die Meute eine alte Rechnung mit Anhängern der Szene
Rappi begleichen, die sich im Restaurant "Lido" aufhalten? Oder ist es
gar ein Ablenkungsmanöver?
"Oft inszenieren sie kleine Scharmützel, um an anderen Orten
zuzuschlagen." Düring reagiert, eine Einsatz-Truppe ist vor Ort.
"Wir halten sie an der langen Leine." Heisst, die Polizei schleust die
Gruppe auf Umwegen am "Lido" vorbei zum Stadion. Die Fans machen keine
Anstalten auszuscheren. Unter den wachsamen Augen der Polizei erreichen
sie die Arena.
Die grosse Unbekannte bleibt. Wo ist der Hauptharst? Sechs
Bahnpolizisten stapfen kopfschüttelnd durch die Unterführung.
"Nichts." Auch im letzten Zug aus Kloten vor Matchbeginn keine
Anzeichen von den rund 200 erwarteten und als problematisch
eingestuften Gästefans. Kurios.
Gar der Fanbetreuer der Klotener runzelt die Stirn: "Keine
Ahnung, wo sie stecken." Haben sie sich mit der Szene Rappi
'verbrüdert' und boykottieren das Spiel? "Wäre
wünschenswert, aber atypisch." Düring traut der Stille nicht.
"Eher scheuen sie die video- überwachten Passagen. Möglich,
dass das neue Überwachungskonzept präventive Wirkung hat."
Wunschdenken, schiesst es mir durch den Kopf. Fühlt sich eher an
wie die Ruhe vor dem Sturm.
"Könnte ruhiger Abend werden"
19.45 Uhr - Spielbeginn. Gelassen blickt der Chef der
Sicherheitspolizei auf die Uhr. Funkkontakt zum privaten
Sicherheitsdienst im Stadion: "Alles im Lot, friedliche Stimmung",
lautet die Antwort. Rund 100 hartgesottene Kloten-Fans haben den Weg
ins Stadion gefunden. Angereist in kleinen Gruppen mit Pw.
"Ungewöhnliche Konstellation, aber gut so", sagt Düring. Er
beordert die Einsatzkräfte gestaffelt zur Verpflegung ins Stadion.
"Ein Teil des Dispositivs bleibt bestehen. Könnte sein, dass
die Kloten-Fans doch noch aufkreuzen und durch die Innenstadt ziehen."
Er verlasse sich oft auf sein Bauchgefühl, ergänzt
Düring. "Es kribbelt nicht, könnte ein ruhiger Abend werden",
so der Einsatzleiter und marschiert los. Er will sich im Stadion selbst
ein Bild der Lage verschaffen. Während des Spiels schreitet die
Polizei im Stadion nur im Notfall ein. Falls der private
Sicherheitsdienst in der Arena Hilfe braucht.
BFE-Truppen marschieren auf
Rückblende: 18.15 Uhr am Bahnhof Rapperswil. Die Polizei ist
gerüstet, die Dispositive sind erstellt, die möglichen
Szenarien wurden zuvor auf Papier durchgespielt. Es ist ein
Hochrisikospiel - die wüsten Krawalle zwischen den verfeindeten
Fangruppen vom letzten Herbst sind noch präsent.
Neben dem üblichen Polizei-Aufgebot ist das neue
Beweissicherungs- und Festnahmeelement (BFE) im Einsatz - erst zum
zweiten Mal bei einem Lakers-Match. Die rund 20-köpfige
Spezialeinheit bezieht Stellung rund um das Bahnhofareal und das
Stadion. Die "normalen" Kantonspolizisten bleiben vorerst unsichtbar -
halten sich bedeckt im Rückraum.
Ein eindrücklicher Aufmarsch. Ausgerüstet mit
Schutzwesten und -schildern, die Pistole im Halfter, Gummischrotwerfer
und Helm umgehängt, postieren sich die BFE-Truppen. Präsenz
markieren ohne zu provozieren, so das Motto. Eine Gratwanderung, die
Beamten mit fokussiertem Blick in Kampfmontur schrecken ab. Aber nur,
wenn sie massiert auftreten. "Die Schutzkleidung muss sein, rein aus
Sicherheitsgründen. Das zeigt die Erfahrung", ergänzt
Düring.
18.30 Uhr: Vereinzelte Lakers- und Klotenanhänger trudeln am
Bahnhof ein. Keine Anzeichen von Gewaltbereitschaft - im Gegenteil: Ein
junger Mann im Kloten-Shirt flachst mit den Polizisten. "Werde ich
jetzt gefilmt? Kann ich mich morgen auf YouTube sehen?" Keineswegs.
Besteht kein Verdacht auf strafbare Handlungen, werden die Bilder nach
100 Tagen ungesehen gelöscht.
Im Fokus der Videokameras
Das Novum, das neue Konzept gegen Hooligans, hat sich in der
Fanszene rasch herumgesprochen. Die BFE-Truppen sind mit mobilen
Kameras im Einsatz, nehmen gewaltbereite Fans gezielt ins Visier und
picken diese aus der Masse heraus. Die Bilder der mobilen Kameras
liefern stichfeste Beweise: Straffällige Unruhestifter werden noch
vor Ort vom Untersuchungsrichter im Schnellverfahren verurteilt.
So passiert vor zwei Wochen beim Lakers-Heimspiel gegen Zug.
BFE-Beamte holten einen 19-jährigen Zuger Provokateur mit
Gesichtsstrumpf aus der Menge. Es wurde ein teurer Ausflug für den
jungen Mann: 800 Franken Busse (Verstoss gegen das Vermummungsverbot)
und 450 Franken Verfahrenskosten. Unterdessen wurden noch zwei weitere
Zuger Fans dank Videobeweisen verzeigt. Harte Sanktionen als
Warnsignale für Nachahmer. "Mal sehen, ob der erwartete Effekt
bereits heute eintrifft", so Düring.
Flächenbrand verhindern
21 Uhr vor der Diners Club Arena: Das Spiel läuft, der
Szenekenner der Kloten Flyers gönnt sich eine Rauchpause. Er ist
kein "Undercover"-Agent, gehört zum Korps der Kapo Zürich.
"Mit einigen Kontakten zum Fan-Kern. Aber ohne heissen Draht zu den
Rädelsführern", betont er. Das sei unmöglich.
Schliesslich kennt man sich gegenseitig. Im Stadion gibt er den
Anhängern den Tarif bekannt. "Sie müssen wissen, was erlaubt
ist und wo die Toleranzgrenze aufhört."
Inzwischen sind BFE-Truppen und übrige Kantonspolizisten
verpflegt. 22 Uhr, das Ende des Spiels naht. Bei der Lagebesprechung an
geheimer Stätte in Stadionnähe instruiert Düring die
Truppenführer. "Die Taktik wird leicht angepasst. Besonderes
Augenmerk gilt jenen ultraorientierten Kloten-Fans, die mit dem Auto
kamen." Oberste Devise: Die Publikumsströme gezielt zum Bahnhof
und den Parkplätzen zu lenken. Das "Lido" sichern und bei
Eskalationen einen Flächenbrand verhindern.
Die BFE-Truppen beziehen Stellung, reihen sich nebeneinander auf,
die Blicke konzentriert auf den Stadionausgang gerichtet. Helme auf,
Kameras an. Kurze Verzögerung: Der Match geht in die
Verlängerung. "Positiv, beide Teams haben schon einen Punkt. Das
senkt den Aggressionspegel", so Düring. Er ist stets über die
Ereignisse im Stadion auf dem Laufenden. Dann ist es so weit. 22.20
Uhr: Erste Zuschauer strömen aus dem Stadion. Das Gros
verhält sich unauffällig, lamentiert lautstark über die
Partie. Einzelne verlassen enttäuscht das Gelände und lassen
ihren Frust an den Polizisten aus. "Scheiss-Bullen. Völlig
übertrieben, dieser Aufmarsch", zischt ein bärtiger Mann im
Vorbeigehen. "Ich will nicht gefilmt werden, macht sofort die Kameras
aus", schnauzt ein Jugendlicher einen Beamten an. Ruhig, aber bestimmt
gibt dieser Auskunft über den Video-Einsatz. Es braucht keine
Intervention. Kollegen halten den Jugendlichen zurück, er zieht
mürrisch von dannen.
"Übertriebener Polizeiaufmarsch"
Es bleibt bei verbalen Attacken. Keine Pöbelei, kein
Vandalismus - weder Fäuste noch Flaschen fliegen. Gesittet
schlendern die Zuschauer zu ihren Autos oder Richtung Bahnhof.
Düring begleitet den Tross, scherzt mit einigen Anhängern
über das Spiel.
Um 22.40 Uhr ist der Spuk vorbei. Die Gästefans verschwinden
in den Zügen, die Parkplätze sind leer. Die Kameras und das
rigorose Eingreifen beim Saisonauftakt haben ihre Wirkung offenbar
nicht verfehlt. "Im Wissen, dass sie überwacht werden, haben die
Fans ihr Verhalten angepasst", schätzt Düring. Vorerst, denn
solch ruhige Abende sind selten. Und auf sein Bauchgefühl ist
Verlass. "Einmalig. Ein gelungener Einsatz dank disziplinierten Fans."
Résumé: Eine Ausnahmesituation der positiven Art.
Auch mein Puls sinkt. War es das? Insgesamt sorgten über 100
Einsatzkräfte für den sicheren Ablauf rund um das Spiel.
Beeindruckend und irgendwie bedauerlich. Ein immenser und kostspieliger
Aufwand, der aber wohl leider notwendig ist.
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AUSSCHAFFUNG
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NZZ am Sonntag 26.9.10
Classe politique
(...)
Dr. Alois Stocher, Kunstfigur, nennt im Internet die Probleme der
Schweiz beim Namen. Als Initiant der "Organisation zur Lösung der
Ausländerfrage" (OLAF) haut Stocher, der seine wahre
Identität nicht preisgeben will, jedoch der linksintellektuellen
Zürcher Szene entstammen dürfte, in einer aufwendigen
Persiflage die Ausländerpolitik der SVP in die Pfanne. Die Gefahr
gehe nämlich nicht - wie von der SVP behauptet - vom "kriminellen
Ausländer" aus. Nein, die wahre Bedrohung sei der
"Schein-Schweizer". Der Ausländer also, der sich kaum vom "reinen
Schweizer" unterscheiden lasse. Unter http://www.volksbefreiung.ch
können besorgte Bürger die "fremden Fötzel" zur
Ausschaffung vorschlagen.
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ANTI-SEMITISMUS
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Sonntagszeitung 26.9.10
UBS-Kampagne verärgert Juden
Image-Werbung mit Antisemit Le Corbusier
Zürich In ihrer neuen Image-Kampagne setzt die UBS auch auf
den Architekten, Möbeldesigner und Maler Le Corbusier - ohne die
Vergangenheit des Meisters durchleuchtet zu haben. Deshalb ist ihr
entgangen, dass Le Corbusier Hitler bewunderte und die Juden
verachtete. Die Gesellschaft Schweiz-Israel reagiert entsetzt. Die
Zentralpräsidentin, Alt-Nationalrätin Vreni
Müller-Hemmi, verlangt, dass Le Corbusier umgehend aus der
Kampagne entfernt wird. Entrüstet zeigt sich auch Yves Kugelmann,
Chefredaktor der jüdischen Wochenzeitung "Tachles": Le Corbusier
einzuspannen, sei "zynisch und dumm". Seite 55
--
Entrüstung über UBS-Kampagne
Die Grossbank will ihre Vergangenheit aufarbeiten und baut
ausgerechnet auf den Antisemiten Le Corbusier
von Victor Weber
Zürich Auch das noch: In ihrer neuen Kampagne setzt die UBS
auf einen Mann, der Hitler bewunderte und Juden verachtete. Es handelt
sich um den 1965 verstorbenen Architekten, Möbeldesigner und Maler
Le Corbusier. Am 31. Oktober 1940 schrieb er seiner Mutter, was Hitler
leisten könne, nämlich "sein Leben mit einem grossartigen
Werk krönen: der Neugestaltung Europas". Der Architekturhistoriker
Pierre Frey, Professor der ETH Lausanne, schreibt: "Le Corbusier war
ein radikaler Theoretiker einer räumlichen Eugenik und ein
rabiater Antisemit (...) Le Corbusier hätte, ohne mit der Wimper
zu zucken, auch für Hitler gebaut." Ganz anders verhielt sich sein
Cousin und ehemaliger Geschäftspartner Pierre Jeanneret: Er
schloss sich der Résistance an.
Vreni Müller-Hemmi, Zentralpräsidentin der Gesellschaft
Schweiz-Israel und ehemalige Nationalrätin, ist entrüstet:
"Es ist unbegreiflich, dass die UBS Le Corbusier als beispielhafte
Schweizer Persönlichkeit für diese Imagekampagne
ausgewählt hat." Sie erwartet von der Grossbank, dass sie den
Architekten umgehend aus ihrer Kampagne entfernt und so "zu einem
differenzierten Bild Le Corbusiers" beitrage.
Klartext spricht auch Yves Kugelmann, Chefredaktor der
jüdischen Wochenzeitung "Tachles": "Die UBS will aus der
Vergangenheit einfach nicht lernen. Spätestens seit der
Holocaust-Debatte um die nachrichtenlosen Konti müsste die UBS
grösste Sensibilität im Umgang mit der jüngeren
Geschichte an den Tag legen. Le Corbusier mit diesem Slogan als
Identifikationsfigur für die Bank auftreten zu lassen, ist
schlicht zynisch und dumm."
Anstatt das Vertrauen der jüdischen Kundschaft zurück-
zugewinnen, stosse sie diese vor den Kopf. "Denn unter den an die USA
herausgegebenen Daten von 4450 Kunden figurieren gemäss
Medienberichten nicht wenige Kunden mit Holocaust-Vergangenheit, welche
die UBS mit eigenwilligen Methoden und dem Verweis auf das
Bankgeheimnis angelockt oder gehalten haben soll", so Kugelmann.
Verantwortlich für Städtebau in den zerstörten
Gebieten
Offensichtlich war sich die UBS nicht bewusst, dass Le Corbusier
eine unrühmliche Vergangenheit hatte, als sie beschloss, auch ihn
für einen positiven Image-Transfer einzusetzen. Dabei
verkündet sie in ihrer Kampagne: "Weil wir Vergangenes aufarbeiten
und mit Zuversicht in die Zukunft blicken wollen. Wir wollen in jeder
Beziehung überzeugen."
Den Kopf darob schüttelt der Architekt und Schriftsteller
Daniel de Roulet: "Le Corbusier ist ein gutes Beispiel für die
UBS, die sich um ihre Vergangenheit kümmern will. Er kann der UBS
zeigen, wie man das macht, die Geschichte zu retuschieren." De Roulet
hat in Vichy über Le Corbusiers Kollaboration mit nazifreundlichen
Marschall Pétain recherchiert. "Le Corbu" war dort zum
"Verantwortlichen für Städtebau in den zerstörten
Gebieten Frankreichs" ernannt worden.
"Eine vertiefte Abklärung schien nicht notwendig"
Nicole Poëll, Präsidentin der Plattform Liberale Juden
der Schweiz, hebt einen anderen Aspekt hervor: "Schockierend ist auch,
dass Le Corbusier in Vichy seine Schweizer Herkunft vertuschte. Wie
soll die UBS just mit einer solchen Figur in der Schweiz das verlorene
Vertrauen zurückgewinnen?"
Erklärtermassen ist die UBS davon ausgegangen, dass eine
Persönlichkeit, die auf dem 10-Franken-Schein abgebildet ist,
unproblematisch ist. Dabei ist Le Corbusiers Verstrickung mit
totalitären Systemen in Fachpublikationen und in
Publikumszeitschriften wie "Cicero" oder "Weltwoche" ausgeleuchtet
worden. Selbst Wikipedia gibt darüber Aufschluss. Dazu bemerkt der
Historiker Daniel Gerson, Leiter der Nationalfonds-Studie "Schweizer
Judentum im Wandel": "Die UBS hat sich wohl vom Glanz der Ikone Le
Corbusier blenden lassen und die Checkliste nicht durchgearbeitet, die
einen vor solchen Fallstricken bewahren soll."
Und was meint die UBS zum Ganzen? Hier ihre Stellungnahme: "Bei
einer Persönlichkeit, welche auf der Schweizer 10er- Note geehrt
wird und die auch im Auftrag der UNO gearbeitet hat, schien eine
vertiefte Abklärung nicht zwingend notwendig. Es gab deshalb auch
keine kontroversen Diskussionen innerhalb von UBS oder mit der Agentur.
Nachdem wir verschiedene Quellen konsultiert haben, kommen wir zum
Schluss, dass Le Corbusier sich beim Versuch, seine
städtebaulichen Vorstellungen und Visionen zu verwirklichen, auch
mit Vertretern totalitärer Regimes einliess. Dies macht seine
Persönlichkeit aus heutiger Sicht umstrittener, als uns lieb ist,
aber wir sehen dennoch keine ausreichenden Gründe, in unserer
laufenden Kampagne auf ihn zu verzichten. Genauso wie Design- und
Architekturmuseen seine Werke weiterhin ausstellen."
Museum of Modern Art liess Ausstellungsprojekt fallen
Es gibt aber auch Ausnahmen: Das renommierte New Yorker Museum of
Modern Art liess ein Ausstellungsprojekt fallen, weil sich die Pariser
Le-Corbusier-Stiftung weigerte, belastende Dokumente
herauszurücken. Die Peinlichkeit, dass Le Corbusiers Konterfei die
10er-Note ziert, hatte die "Weltwoche" vor einem Jahr aufgegriffen. Die
Nationalbank richtete ihr aus: "Zu Charakter und Vergangenheit von Le
Corbusier geben wir keine Stellungnahme ab."
Aufschlussreich ist die Erklärung des Publizisten Daniel de
Roulet: "Nach dem Krieg sagte Le Corbusier, er sei politisch neutral.
Und so konnte er auch auf unseren 10-Franken-Noten abgebildet werden.
Einer seiner Cousins sass im Direktorium der Schweizerischen
Nationalbank." Das Problem sei aber "nicht der grosse Architekt Le
Corbusier, das Problem ist die Unbedarftheit der UBS in Sachen Kultur."
Werbeagentur darf sich nicht zu der Kampagne äussern
Betrübt darob ist ein ehemaliger Topshot der Finanzbranche:
"Ich finde es unglücklich, dass nach der unrühmlichen
Affäre um die nachrichtenlosen Gelder nun eine Schweizer Grossbank
auf den Antisemiten Le Corbusier setzt."
Sauer auf die UBS scheint ein anderer Botschafter der
Imagekampagne zu sein, der dreifache Oscarpreisträger und
Filmregisseur Arthur Cohn: Über seine Assistentin lässt er
ausrichten, "dass in allen Kontakten mit ihm im Zusammenhang mit dem
Werbespot eine Sequenz mit Le Corbusier in keiner Weise erwähnt
wurde. Herr Cohn war über die Teilnahme von Ursula Andress,
Bernhard Russi und Zoë Jenny, die mit ihm befreundet ist,
orientiert."
Für die Kampagne hat das Finanzinstitut die Werbeagentur
Publicis beigezogen. Auf Geheiss der UBS darf sie sich nicht dazu
äussern. Offen bleibt, wer auf die Idee verfiel, auf Le Corbusier
zu bauen.
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SQUAT FRIBOURG
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Indymedia 27.9.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/09/77745.shtml
(mit Fotos)
Neu Haus besetzt in Freiburg ::
AutorIn : Kollektiv Raie Manta
Neu Haus besetzt in Freiburg
Nach einer langen Zeit ohne alternative Kultur und Lebensweisen in
unserer kleinen Stadt Fribourg, haben wir beschlossen die Dinge selbst
in die Hand zu nehmen und etwas aufzubauen.
Seit Freitag den 24 September haben wir leerstehende Häuser
besetzt und haben die Freude euch die Eröeffnung eines Squats an
der rue de l'industrie 24 und 26 mitzuteilen, mit Ziel verschiedene
kulturelle Aktivitäten zu eröffnen (wie Volksküchen,
Diskussionen, Bibliothek, Infoladen usw.)
Wir freuen uns über helfende Hände für die vielen
Arbeiten, die noch zu machen sind. Aber auch auf einen spontanen Besuch
seit ihr herzlich willkommen :-)
Kollektiv Raie Manta
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MARCO CAMENISCH
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Indymedia 27.9.10
Wer ist Marco Camenisch ::
AutorIn : reader
Marco Marco Camenisch wird am 21. Januar 1952 in der Schweiz, in
Schiers, einem Dorf in den Rhätischen Alpen im Kanton
Graubünden, geboren. Er begann sein politisches Engagement mit der
Unterstützung kämpfender Gefangener und ab 1978 schloss er
sich dem Kampf gegen Atomkraftwerke an.
Anfangs 1980 wird Marco wegen zwei Sprengstoffanschlägen
verhaftet: gegen einen Masten einer Hochspannungsleitung der
Elektrokonzerns NOK (einer der Konzerne, die damals in der Schweiz
Atomkraftwerke betrieben) und gegen Transformatoren und den
Richtstrahlmasten eines Elektro-Unterwerkes in Graubünden.
Das relativ harte Urteil von 10 Jahren war einerseits sicher auch
Ausdruck seines tiefen Verständnisses von dem, was auf dem Spiele
steht: die von der Energieindustrie selbst getätigte
ökologische Vernichtung als Teil der Zerstörungskraft des
Herrschaftssystems allgemein, das ebenfalls zu den erklärten
Zielen seines Kampfes gehörte. Der damalige "Normaltarif" in der
Schweiz wäre um die 4-6 Jahre gewesen und sogar die
reaktionäre Presse war über das Strafmass erstaunt, das
damals ungefähr dem für Tötung entsprach. Das relativ
harte Urteil ist aber auch und vor allem als repressive Angleichung zum
europäischen und allgemein internationalen Kontext mit starken
revolutionären Guerillabewegungen (Italien, Deutschland, usw.) und
der entsprechenden repressiven Verschärfungen der
bürgerlichen Repression zu sehen.
Die Atomenergiepolitik in der Schweiz übernahm die
Organisationsform des US-Amerikanischen Manhattanprojekts und bereits
in den ersten Tagen nach Nagasaki und Hiroshima wurde Atomenergie
hierzulande zum breit diskutierten Thema. Es wurde die Propaganda des
dual use (militärisch-zivil) eingeläutet und "ein goldenes
Zeitalter, eine glorreiche Zeit menschlichen Fortschritts und
Wohlstandes im Zeichen der Atomenergie" verkündet. Ziel war aber
vorerst die "Schaffung einer schweizerischen Atombombe" wofür der
Bund ein Rahmenkredit in nie dagewesener Höhe für ein
Forschungsprojekt von 18 Millionen Franken beschloss, mit der
üblichen Verflechtung von Privatindustrien und staatlichen
Institutionen (Hochschulen), die wie ebenfalls, wie üblich,
eindeutig im Interesse der Wirtschaft funktionierte. BBC, Sulzer und
Escher-Wyss (Maschinenbauindustrie) gründeten 1946 die
Studienkommission Kernenergie und die Arbeitsgemeinschaft Kernreaktor,
wo später auch Motorcolumbus und Elektrowatt einstiegen. 1953
hatten sie ein Reaktorprojekt auf Papier und 1954 kaufte der Bund von
den USA 5 Tonnen Plutonium, da die USA damals als einziges Land
über Atomreaktoren verfügte. Im selben Jahr beschliessen die
grössten Atommultis der Schweiz den Bau eines
Versuchsatomkraftwerks. 1963 plant die NOK (Nordostschweizerische
Kraftwerke, jetzt in der Axpo) mit BBC und Westinghouse mit einem
amerikanischen Reaktor auf der Halbinsel Beznau des Flusses Aare ein
eigenes Kraftwerk zu bauen, das 1968 fertiggestellt wurde. Danach
wurden Beznau II (NOK), Mühleberg (BKW - Berner Kraftwerke) und in
Gösgen, Döniken und Leibstadt ebenfalls Kernkraftwerke (KKW)
gebaut. Mit der Beteiligung aller grossen Maschinenmultis der Schweiz
wurde 1960 der Bau eines Schweizerischen AKW in Lucens geplant,
wofür der Staat 50 Millionen Franken stellte, aber der Traum eines
eigenen Reaktors explodierte im unterirdischen Kraftwerk mit der
Explosion eines Brennstabes. Es war ein mit dem von Harrisburg
vergleichbarer Unfall.
Seit Mitte der `60er Jahre gab es, wie auch in Deutschland, in der
Bevölkerung breiten Widerstand gegen AKW (und industrielle
Grossprojekte allgemein) mit vielen BürgerInnenbewegungen und
militanten Sabotageaktionen, wie z. B. gezielte Anschläge gegen 9
Autos oder Ferienhäuser von Exponenten der Atomlobby. 1973 fand in
Olten die erste Grossdemo gegen AKWs mit über tausend Menschen und
einer Petition mit 16'000 Unterschriften statt. Im selben Jahr wird die
Gewaltfreie Aktion Kaiseraugst (GAK) gegründet. 1974 kam es zum
Brandanschlag auf die Planbaracke des AKW Verbois und auf eine
Transformatorenstation in Verbier. Im April 1975 gab es die erste,
sechs Tage dauernde, Baugeländebesetzung zur Verhinderung der
Bauarbeiten in Kaiseraugst. Danach wurde eine Grosskundgebung mit
15'000 Menschen abgehalten. Es wurden verschiedene Aktionen gegen
andere AKW-Projekte gegründet und weitere Grosskundgebungen und
Pfingstmärsche finden statt. Am 25.6.77 der erste
Besetzungsversuch von Gösgen, der durch einen brutalen
Polizeieinsatz beendet wurde, was zu Kundgebungen in verschiedenen
Städten führte. Es folgen etliche weitere
Anti-AKW-Anschläge des radikalen antikapitalistischem Flügels
(auch mit der Jugend- und StudentInnenrevolte der `60jahre
zusammenhängend), aber auch die Institutionalisierung der Bewegung
(Wählerstimmenfang, Abgrenzung von den "TerroristInnen").
Nichtsdestotrotz haben militante Aktionen immer Massenaktionen
ermutigt, begleitet oder vorweggenommen. Z. B. Anschläge gegen die
SBB (Schweizerische Bundesbahnen) waren der Auftakt zu
öffentlichen Blockadeaktionen. Und der Anschlag gegen den
Leibstadt-Transformator in Genf das Signal zur ein Jahr später
stattgefundenen Blockade des Ersatztrafos. Auch die Anschläge
gegen den Informationspavillon in Kaiseraugst und gegen Gösgen am
Tag nach der Erteilung der Betriebsbewilligungen erhielten die
Sympathie des Volkszornes. Zu den letzten Anschlägen zählen
die innerhalb einer Woche gefällten Meteomasten von Gösgen
und Graben.
Am 17. Dezember 1981 brach Marco Camenisch zusammen mit einigen
italienischen Mitgefangenen aus dem Gefängnis Regensdorf aus,
wobei ein Aufseher getötet und ein anderer verletzt wurde.
Während zehn Jahren lebt Marco Camenisch im Untergrund, setzt
seine antinukleare Aktivität und schreibt Artikel für die
anarchistische Presse. Dezember 1989: ein Zöllner an der
italienisch-schweizerischen Grenze wird getötet, und sofort
erklären die Medien und die Behörden Marco Camenisch zum
Täter. Marco Camenisch hat diese Anklage immer
zurückgewiesen. Die lange Flucht von zehn Jahren wurde am 5.
November 1991 durch eine gewöhnliche Ausweiskontrolle in der
toskanischen Provinz Massa unterbrochen. Die dumme Reaktion eines
Karabiniere auf Marcos gezogene Pistole hat einen Schusswechsel zur
Folge, ein Karabiniere wird verletzt, und Marco wird an beiden Beinen
angeschossen und, an der Flucht gehindert, verhaftet.
Er verweigert jegliche Zusammenarbeit mit der Justiz und wird im Mai
1992 für die Schiesserei mit den Carabinieri und für einen
Sprengstoffanschlag gegen einen Masten der Hochspannungsleitung La
Spezia-Acciaiolo, womit Atomstrom aus Frankreich importiert wird, zu 12
Jahren verurteilt. Was für den italienischen "Terrorismus-Tarif"
eine relativ gelinde Strafe war. Diese relative Vorsicht der lokalen
Behörden war der historischen und damaligen grossen Verwurzelung
des militanten Widerstandes in einer mit Nato-Militärbasen und
Kriegsindustrie voll gestopften Gegend zu verdanken. Z.B. wurde kurz
nach und am Ort seiner Verhaftung ein saisonal leer stehendes
Luxushotel mit dem Gebot nach Gewährleistung seiner Unversehrtheit
gesprengt. Historisch ist dort die starke ArbeiterInnen-
(Marmorindustrie) und Partisanenbewegung und Carrara als "Hochburg des
Anarchismus" bekannt. In der Gegend war auch eine starke Kolonne der
Brigate Rosse präsent, eine der wenigen wovon die Repression nur
wenige Militante aufdecken und verhaften konnte. In die Periode seiner
Verhaftung gehörten auch die Ökomilitanz und der sog.
"Ökoterrorismus" zu den einheimischen Volkswiderständen. So
die grossen Mobilisierungen gegen die Fabrik des Chemiemultis
Montedison in Marina di Carrara, der Anfang der `90iger Jahre mit einem
schlimmen Unfall das Gebiet massiv mit Dioxin und anderen Giften
verseucht hat. Oder der Widerstand gegen die verschiedenen im Gebiet
gebauten oder geplanten Abfallverbrennungsanlagen und gegen die
elektromagnetische Verseuchung durch die oben genannte
Hochspannungsleitung. Diese wurde von La Spezia durch Massa-Carrara und
die angrenzende Versilia bis nach Pisa und oft sehr nahe an
Häusern, Ortschaften und Gehöften gebaut. Ein
Verwaltungsgericht verfügte zwar deren "Ausschaltung" jedoch mit
den üblichen "Ausnahmebewilligungen" um sie trotzdem voll
betreiben zu können. Was zu wiederholten "Abschaltungen" durch
Mastensprengungen führte. Es gab Widerstand auf den Strassen und
militante Aktionen gegen die spekulative Räumung des historischen
Sitzes der AnarchistInnen im Zentrum Carraras, wo z.B. zwei gepanzerte
Geldtransporter der Sicherheitsfirma, die den geräumten Sitz
bewachte, auf dem Parkplatz vor dem Polizeipräsidium Carraras
gesprengt wurden. Dann gab es eine lange Reihe von gesprengten
Luxusferienvillas in Meeresnähe als Teil des Volkskampfes gegen
die touristisch-spekulative urbane Restrukturierung, die mit massivem
Wohnraumverlust und massenhaften Räumungsandrohungen für die
arbeitende Bevölkerung einhergingen.
Nach Verbüssung der Strafe wird Marco Camenisch im April 2002
für die acht verbleibenden Jahre seiner ersten Verurteilung sowie
für den Prozess wegen der Flucht und der Schiesserei am Zoll an
die Schweiz ausgeliefert. Von Mai 2002 bis 2004 dauert dann das
Verfahren gegen ihn und der Prozess - Anlass für eine breite
Solidaritätskampagne - wurde mit dem Freispruch in Sachen Tod des
Gefängnisaufsehers und mit der Verurteilung zu 17 Jahren für
den Tod des Zöllners abgeschlossen. Diese Verurteilung ist auf
fehlende "Reue" und seine entschlossene Bekennung zur offensichtlichste
immer dringenderen Notwendigkeit des revolutionären Umsturzes der
kapitalistisch-imperialistischen Weltordnung zurückzuführen.
Diese 17 Jahren "Zusatzstrafe" wurden unter Verletzung (im spezifischen
Fall) ihres eigenen Strafgesetzbuches ausgesprochen.
Im März 2007 muss die Strafe auf die im spezifischen Fall
juristisch mögliche Höchstbemessung von 8 Jahren herabgesetzt
werden, was insgesamt 30 Jahre Knast mit Strafende Mai 2018 bedeutet.
Im Gefängnis nimmt Marco trotzdem an den Kämpfen der sozialen
und politischen Gefangenen teil und vermittelt weiter die Notwendigkeit
des solidarischen Widerstandes gegen dieses Herrschaftssystem. Er
spielt eine aktive Rolle beim Zusammenbringen verschiedener
Kampfsituationen (anarchistische Zirkel, Kollektive von
UmweltschützerInnen und mit Gruppen, welche die Internationale
Rote Hilfe aufbauen) und im Aufbau von starken Beziehungen, von
Solidarität und Nähe. Auch dadurch haben sich um Marco, in
vielen Initiativen und solidarischen Momenten, verschiedene und
zahlreiche Situationen und Szenen nicht nur in Italien sondern auch auf
internationaler Ebene angenähert und mobilisiert. Darunter auch
viele GenossInnen, die ihn nicht nur wegen der Affinität des
Denkens gekannt haben, sondern die auch als FreundInnen, Geschwister
und LebensgefährtInnen mit ihm sowohl glückliche als auch
schwierige Zeiten geteilt haben.
In diesen Jahren stand Marco immer auf unserer Seite, denn trotz der
körperlichen Trennung lebt seine Anwesenheit in den Kämpfen
fort. Seine Stimme, sein Denken, seine anhaltende wichtige
Übersetzungsarbeit, seine vielen Beiträge und solidarischen
Hungerstreiks vermitteln eine Solidarität, die, mit einer fast
weltweiten Vernetzung der Kommunikation und praktischen
Solidarität mit revolutionären Gefangenen, frei von
ideologischer Abschottung und Dogmatismus ist.
Seine zahlreichen Texte trugen und tragen immer noch zum Wachstum und
zur Stärkung eines Verlaufes im Kampf gegen jede Form von
Unterdrückung und Ausbeutung zur Verteidigung von Mensch, Erde und
aller Lebewesen bei.
Er ist einer der GenossInnen, die sich ihrer Gefangenschaft und dem
Voranschreiten dieses Herrschaftssystems nie ergeben haben und nie
resignieren. Auch er hat seinen revolutionären Weg nie verleugnet,
und seine Kohärenz und Klarheit auch in einer Epoche der
armseligen menschlichen Beziehungen und politischen Substanz nie der
opportunistischen Beliebigkeit geopfert.
Und gerade all das möchte die Macht zerstören, nämlich
seine grünanarchistische und immer aufrechte Identität, die
Zuneigungen und das ganze weite Netz an internationalen Kontakten und
Beziehungen mit zahllosen und verschiedenen Kampfsituationen, die sich
um ihn herum gebildet haben.
Der sehr harte Preis, den Marco in all diesen Jahren bezahlt hat und
weiter zahlt, ist der Preis, den jene revolutionären Gefangenen in
allen Knästen der Welt bezahlen, die ihre Beherztheit im Kampf
gegen jegliche Herrschaft und Ausbeutung aufrechterhalten.
Er wäre schon seit einigen Jahren zu einigen gesetzlichen
Lockerungen wie Urlaubstage berechtigt. Diese werden ihm beharrlich
verweigert. Die Tatsache, dass er nicht abschwört, wird offen
geltend gemacht um diese Ablehnung zu rechtfertigen. Marco bezeichne
sich nach wie vor als Anarchist und vertrete die Meinung, dass die
Gesellschaft sich nach wie vor im Krieg befinde, so eine offizielle
Begründung der Behörden
Es wird dringend und notwendig, dass wir noch einmal zusammenstehen und
Kräfte sammeln, mit der Bewusstheit, dass nur weit reichende
internationale Mobilisierungen auf allen Ebenen des Kampfes zum Erfolg
führen und den nicht nur schweizerischen sondern international
gefahrenen Kurs der Vernichtung unserer gefangenen GenossInnen durch
Feindstrafrecht umkehren kann.
Marco und alle anderen müssen raus aus dem Knast! Und Marco und
alle anderen weltweit wieder frei unter uns zu fordern, heisst nach
dreissig Jahren immer noch und immer stärker und vereinter gegen
Herrschaft und Ausbeutung weiterzukämpfen.
http://rhi-sri.org/newsdetail.php?id=266&language=
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NESTLÉ
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Indymedia 27.9.10
Nestle: Morddrohungen gegen Gewerkschafter ::
AutorIn : reader
Wieder Morddrohungen gegen Gewerkschafter in Kolumbien. Und wieder ist
Nestle im Spiel.
Gefunden unter:
http://www.aufbau.org/index.php?option=com_content&task=view&id=880&Itemid=69
Flugblatt
http://ch.indymedia.org/media/2010/09//77756.pdf
Nestlé und Coca Cola sind dafür bekannt, mit anderen
Mitteln gegen kämpfende ArbeiterInnen und ihre Gewerkschaften
anzugehen. In Kolumbien morden Paramilitärs, um den Profit der
Multis aufrechzuerhalten.
So sind dort bisher ingesamt bereits 22 SINALTRAINAL-Mitglieder
ermordet worden. Davon waren 9 Coca-Cola-Arbeiter und 12
Nestlé-Arbeiter. So auch Luciano Romero vor fünf Jahren.
Über deren Schicksal hat KanalB einen Film
veröffentlicht: http://kanalb.org/clip.php?clipId=1357
Nun gibt es wieder erneute schwere Morddrohungen gegen Gewerkschafter
in Bugalagrande/Kolumbien. Die Hauptamtlichen und Aktiven der
Lebensmittelgewerkschaft SINALTRAINAL sollen samt ihren Familien
ausgelöscht werden. Die paramilitärische Organisation Aguilas
Negras kündigt an, die Gewerkschaft aus den
Nestlé-Niederlassungen zu vertreiben.
Um dies zu verhindern, ruft ein UnterstützerInnenkreis auf,
Protestschreiben an die Mail-Adressen der Verantwortlichen (auf dem
Flugblatt) zu schicken.
Weiter Informationen:
Flugblatt (PDF): http://www.aufbau.org/imags/stories/flugis/Soli_Nestle_sept2010.pdf
Stellungnahme von Javier Correa, dem Präsidenten von Sinaltrainal
über seine permanente Verfolgung: http://kanalb.org/clip.php?clipId=1371
Über die Arbeitsbedingungen bei Nestlé/Kolumbien: http://kanalb.org/clip.php?clipId=1358
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ANTI-ATOM
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Tagesanzeiger 27.9.10
Nidwalden gegen Wellenberg, aber weiter für Atomstrom
Die Nidwaldner verwarfen eine Volksinitiative, die ab 2039 ganz
auf erneuerbare Energien setzen wollte.
Von Erwin Haas, Luzern
Trotz ihres Widerstands gegen ein Endlager mit radioaktiven
Abfällen im Wellenberg: Die Nidwaldnerinnen und Nidwaldner wollen
weiterhin Atomstrom beziehen können. Sie haben gestern mit
wuchtigen 64 Prozent Nein eine Volksinitiative der SP abgelehnt, die
einen schrittweisen, aber gänzlichen Umstieg auf alternative
Energien verlangte.
Das Nidwaldner Volk folgte damit seiner Regierung. Diese hatte
nicht nur vor drei bis vier Mal höheren Strompreisen gewarnt. Sie
befürchtete auch Versorgungsengpässe, Nachteile für die
Volkswirtschaft sowie für das Elektrizitätswerk Nidwalden
(EWN). Der Landrat hatte sich mit 45 zu 8 Stimmen ebenfalls klar gegen
die Initiative gestellt.
"Glaubwürdigkeitsproblem"
Anders die Nidwaldner SP: Sie hält es für inkonsequent,
ein Endlager im Wellenberg abzulehnen und gleichzeitig weitere
Uranabfälle in Kauf zu nehmen. Das Nidwaldner Volk hat sich seit
1987 mehrmals gegen ein solches Lager ausgesprochen. Vor diesem
Hintergrund nicht auf Atomstrom zu verzichten und über das EWN
Beteiligungen an den Kernkraftwerken Gösgen und Leibstadt zu
halten, findet der Nidwaldner SP-Präsident Beat Ettlin
"widersprüchlich, inakzeptabel und unerträglich". Das
Abstimmungsresultat sei beschämend. "Damit haben wir ein
Glaubwürdigkeitsproblem", sagt Ettlin.
Dass sich nur jeder dritte Nidwaldner für den Ausstieg aus
der Atomenergie ausgesprochen habe, schreibt der SP-Präsident der
"haarsträubenden Argumentation" des gegnerischen Komitees zu: "Auf
den Abstimmungsplakaten operierte es wie in den 80er-Jahren mit
Ängsten der Bevölkerung, dass bei einem Ja sogar der Strom
rationiert werden könnte."
55 Prozent kommt aus AKW
Die bürgerlichen Parteien hingegen, welche die Initiative
bekämpft haben, sehen im deutlichen Resultat eine Bestätigung
der bisherigen Nidwaldner Energiepolitik. Das EWN, das 55 Prozent
seines Stroms aus Atomkraftwerken bezieht, biete in seinem "Regiomix"
bereits heute die Möglichkeit, Strom aus erneuerbaren Energien zu
beziehen. Das Angebot wird aber nur zu 0,2 Prozent genutzt und
entspricht laut der Regierung einem geringen Bedürfnis. Zudem habe
sich das Nidwaldner Stimmvolk nicht nur gegen das Endlager im
Wellenberg, sondern auch schon vier Mal gegen den Verzicht auf
Atomstrom ausgesprochen.
Als kleines Trostpflaster bleibt der SP die kürzliche
Ankündigung des EWN, nicht nur auf Atomkraft, sondern auch auf
erneuerbare Energien zu setzen. In den nächsten 15 Jahren will es
63 Millionen Franken in Nidwaldner Wasserkraftwerke, die Solaranlage im
Stanser Einkaufszentrum Länderpark und in Windkraftwerke in der
Nordsee investieren. Das anerkennt auch SP-Präsident Ettlin als
Schritt in die richtige Richtung.
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NLZ/Nidwaldner Zeitung 27.9.10
Atom-Ausstieg hat keine Chance
Nidwalden
om.
Die SP wollte, dass sich Nidwalden bis 2039 aus der Atomenergie
verabschiedet. Mit ihrer Forderung ist sie gestern beim Volk deutlich
abgeblitzt.
om. Die Nidwaldner Bevölkerung hat gestern ein klares
Bekenntnis zum Atomstrom abgelegt. Mit 7398 Nein zu 4159 Ja lehnten die
Stimmbürger die SP-Initiative "Für einen schrittweisen
Ausstieg aus der Atomenergie" deutlich ab. "Ich bin enttäuscht",
gab SP-Präsident Beat Ettlin unmittelbar nach Verkündung des
Resultats zu Protokoll. In sämtlichen elf Gemeinden - die
Stimmbeteiligung lag bei 39,4 Prozent - stiess die Vorlage auf wenig
Gegenliebe. Achtungserfolge erzielten die Linken einzig in Stans und
Dallenwil, wo sie einen Ja-Stimmen-Anteil zwischen 42 und 46 Prozent
erreichten.
"Ein erfreulicher Tag"
Erleichterung herrschte auf der Gegenseite, allen voran beim
Elektrizitätswerk Nidwalden. "Heute ist ein sehr erfreulicher Tag
für uns", hielt Verwaltungsratspräsident Silvio Boschian
fest. Mit dem Volksentscheid könne sich das EWN weiterhin alle
Optionen für die Stromversorgung offen halten. "Wir können in
Ruhe die Zukunft planen", so Boschian weiter. Diese sieht zwar
Investitionen in alternative Energien wie Wasserkraft vor. Die
zusätzliche Produktion reiche aber nur, um den zu erwartenden
Mehrverbrauch decken zu können. "Das EWN muss deshalb auch Energie
aus Kernkraftwerken zukaufen oder sich an solchen Anlagen beteiligen",
hiess es in einer Medienmitteilung.
Der Nidwaldner Volksentscheid wurde gestern auch vom Komitee
"Nein zur SP-Initiative", dem Vertreter der CVP, SVP, FDP sowie des
Gewerbeverbands angehören, und der Aktion für eine
vernünftige Energiepolitik Schweiz (Aves) begrüsst.
21
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Die Nidwaldner stehen zum Atomstrom
Abstimmung
Oliver Mattmann
Das EWN darf den Strombedarf auch in 30 Jahren mit einem Anteil
an Atomenergie decken. Die Initiative der SP, die das Gegenteil
verlangte, erlitt Schiffbruch.
Oliver Mattmann
oliver.mattmann@neue-nz.ch
Für die Nidwaldner ist und bleibt der Atomstrom eine
unverzichtbare Energiequelle. Mit 64 Prozent hat das Stimmvolk gestern
der SP-Initiative "Für einen schrittweisen Ausstieg aus der
Atomenergie" eine Abfuhr erteilt. Während die Bürgerlichen,
die Regierung und das Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN) das
Resultat mit Genugtuung zur Kenntnis nahmen, herrschte auf der Seite
der linken Parteien Ernüchterung. "Das Ergebnis ist
beschämend", verschaffte SP-Präsident Beat Ettlin seinem
Unmut Luft. "Nidwalden hat heute die grosse Chance verpasst, eine neue,
zukunftsweisende Energiepolitik aufzugleisen." Und
Grüne-Präsident Norbert Furrer doppelte nach: "Es sieht so
aus, als ob Nidwalden stehen geblieben ist."
In ihrer Volksinitiative hatten die Sozialdemokraten verlangt,
dass sich das EWN bis spätestens 2039 vom Atomstrom loslöst
und ab dann nur noch alternativen Strom, etwa aus Wasserkraftwerken
oder Windparkanlagen, anbietet. Wer Nein zum Wellenberg sage,
müsse konsequenterweise auch den Atomstrom ablehnen, monierte
Ettlin, einziger SP-Vertreter im Landrat. "Das heutige
Abstimmungsresultat hinterlässt ein Glaubwürdigkeitsproblem",
folgerte er und kritisierte im gleichen Atemzug den Abstimmungskampf
der Gegnerschaft. "Es wurde mit haarsträubenden Argumenten
operiert." Das Licht gehe aus, man müsse sich warm anziehen, wenn
man die Vorlage annehme, nannte Beat Ettlin einige Beispiele. Diese
"Angstmachersätze" entbehrten jeglicher Grundlage.
Das EWN wäre benachteiligt
Dies sah Ruedi Waser, Präsident der FDP Nidwalden, anders.
"Ich habe den Abstimmungskampf als fair erlebt." Es störte ihn
deshalb, dass die Linken nun "die Nidwaldner Stimmbevölkerung von
oben herab verurteilen". Den Ausgang der Abstimmung kommentierte er als
"vernünftigen Entscheid". Andernfalls wären die Strompreise
angestiegen, und die Standortattraktivität von Nidwalden
hätte gelitten, erklärte Waser. Ähnlich argumentierte
auch CVP-Präsident André Scherer. Eine Annahme der
Initiative hätte dem EWN im Hinblick auf die bevorstehende
Strommarktliberalisierung klare Wettbewerbsnachteile gebracht. Trotzdem
konnte er dem Begehren der SP auch Positives abgewinnen. "Es ist gut,
dass darüber diskutiert wurde. Und ich hoffe, dass das EWN
gleichwohl eine gewisse Verpflichtung aus der ganzen Abstimmung
ableitet."
"Wir würden sofort mitmachen"
Dies verneinten EWN-Direktor Christian Bircher und
Verwaltungsratspräsident Silvio Boschian nicht. Und anscheinend
hat "die Bevölkerung begriffen, dass wir bereits auf erneuerbare
Energien setzen, aber nicht ohne Atomstrom auskommen", sagte Boschian
zum Ergebnis. Energiedirektor Ueli Amstad hakte hier ein: "Es ist ja
nicht so, dass das EWN nichts macht." 63 Millionen Franken werden in
die alternative Energiegewinnung investiert. "Wenn wir in 30 Jahren
tatsächlich so weit sind, dass wir keinen Atomstrom mehr
benötigen, machen wir sofort mit", versicherte Direktor Bircher.
Allerdings würden die Pfeile in eine andere Richtung zeigen, gab
er mit Blick auf den steigenden Stromkonsum zu verstehen. "Das Umdenken
muss in den Köpfen der Leute stattfinden."
Die Initianten anerkennen zwar, dass das EWN ein "hohes Mass an
Mitteln aufwendet" (Boschian), um erneuerbare Energien zu fördern.
"Es ist ein Schritt in die richtige Richtung", so Beat Ettlin. Für
eine absolute Vorwärtsstrategie wirke der Atomstrom aber wie ein
"Bremsklotz". Auf jeden Fall werde man mit Argusaugen darauf schauen,
dass die vom EWN angekündigten Projekte auch realisiert werden.
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Aargauer Zeitung 27.9.10
Gegen Atomausstieg
Atomstrom Die Nidwaldner Stimmbürger, die sich gegen ein
Tiefenlager im eigenen Kanton wehren, haben eine Initiative für
einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie der SP abgelehnt.
Das Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN) darf weiterhin
Atomstrom ins Netz einspeisen und Beteiligungen an Kernkraftwerken
halten. Das Volk hat mit zu 7398 zu 4159 Stimmen die Initiative
"für einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie" der SP
abgelehnt. Das EWN versorgt den Grossteil Nidwaldens mit Strom. Mehr
als die Hälfte davon stammt aus Kernkraftwerken. Die Initiative
verlangte, dass das EWN ab Ende 2039 keinen Strom mehr aus
Atomkraftwerken beziehen und an diesen keine Beteiligungen mehr halten
darf.
Regierung warnte vor Preisanstieg
Mit dem Nein folgten die Stimmberechtigten (Beteiligung 39,44
Prozent) den Bedenken von Regierung und bürgerlichen Parteien.
Diese hatten vor einem enormen Preisanstieg gewarnt und erklärt,
dass es schwierig sei, den Atomstrom zu ersetzen.
Die Nidwaldner Stimmberechtigten hatten zwischen 1987 und 2002
viermal ihre ablehnende Haltung gegen ein Tiefenlager für
radioaktive Abfälle im Wellenberg zum Ausdruck gebracht.
Gemäss den Sozialdemokraten wäre es denn auch folgerichtig
gewesen, dem Bezug von Atomstrom eine Absage zu erteilen.
Nur gegen Tiefenlager im Kanton
Die Nidwaldner sind dem Atomstrom gegenüber aber weniger
kritisch eingestellt als gegenüber einem Tiefenlager im eigenen
Kanton. Tatsächlich hatten sie sich auch in eidgenössischen
Abstimmungen stets gegen einen Ausstieg aus der Atomenergie
ausgesprochen.
Das nächste Mal zum Wellenberg Stellung beziehen können
die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Nidwalden am 13.
Februar 2011. Dabei geht es um die Stellungnahme des Regierungsrates
zur aktuellen Standortsuche für ein Tiefenlager für
radioaktive Abfälle des Bundes. Der Nidwaldner Regierungsrat
spricht sich darin gegen ein Lager im Wellenberg aus. (sda)
---
NZZ am Sonntag 26.9.10
Kaida trifft Frankreichs Nerv
Geiselnahme in Niger gefährdet die Versorgung der AKW mit
Uran
Die Entführung von sieben Mitarbeitern des Atomkonzerns
Areva in Niger tangiert auch elementare französische Interessen.
Rund ein Drittel der 58 Atomreaktoren des Landes bezieht Uran aus dem
Staat.
Axel Veiel, Paris
Man darf Frankreichs Staatschef getrost beim Wort nehmen. "Wir
haben alle Kräfte mobilisiert, um die Geiseln zu befreien", hat
Nicolas Sarkozy im Ministerrat gesagt. Und auch wenn von den sieben
Mitarbeitern des französischen Atomkonzerns Areva am Samstag noch
jede Spur fehlte und es keinen Kontakt zu den Entführern von der
"Kaida im Islamischen Maghreb" gab: Der Präsident scheint
tatsächlich alle Hebel in Bewegung gesetzt zu haben.
Er hat Verteidigungsminister Hervé Morin vom Staatsbesuch
in Kanada vorzeitig nach Paris zurückbeordert und mit ihm, Premier
François Fillon und Innenminister Brice Hortefeux nun schon das
vierte Krisentreffen absolviert. Der Generalstabschef hat drei
Aufklärungsflugzeuge sowie 80 Soldaten, Techniker und Ingenieure
nach Niger geschickt, wo die in zwei Uranminen beschäftigten
Areva-Mitarbeiter - fünf Franzosen, ein Madagasse und ein Togolese
- in der Nacht zum 16. September verschleppt worden waren.
Tag für Tag steigen die mit modernstem Gerät
vollgestopften Maschinen in Nigers Hauptstadt Niamey auf und nehmen
Kurs auf den Osten Malis. Dort, wo die Sahara gebirgig ist und die
Temperaturen auf über 50 Grad klettern, sollen die Geiseln sein.
In dem im Norden an Algerien und im Osten an Niger grenzenden Ostzipfel
Malis sind die Entführer und ihre sieben Gefangenen jedenfalls
zuletzt gesehen worden. Ein Helikopter von Nigers Armee hatte die
Flüchtigen entdeckt, wie sie in einem Konvoi von Geländewagen
die Grenze nach Mali passierten.
Spezialeinheiten sind bereit
Längst dürfte auch das Sondereinsatzkommando im Osten
Malis eingetroffen sein, das die Areva-Mitarbeiter befreien soll. Wenn
so ein Coup jemandem zuzutrauen ist, dann einer dieser auf
Geiselbefreiung spezialisierten französischen Eliteeinheiten.
Fallschirmspringer zählen dazu, die nach Verlassen des Flugzeugs
bis zu 30 Kilometer weit durch die Luft segeln können, was die
Chance eröffnet, den durch keinerlei Motorengeräusche
gewarnten Feind zu überrumpeln. Offiziell wurde die Entsendung
dieser Einheiten bisher nicht bestätigt.
So gross der Aufwand allerdings auch ist, der Ertrag ist bis
jetzt gering. Noch wartet der Krisenstab darauf, dass sich Abou Zeid,
der Anführer der Geiselnehmer, überhaupt meldet. Der Emir
gilt als besonders brutal. In Frankreich ist er im April dieses Jahres
als Entführer des 78-jährigen Ingenieurs Michel Germaneau zu
traurigem Ruhm gelangt. Abou Zeids Forderungen waren damals vage
gewesen. Die Befreiung inhaftierter Gesinnungsgenossen hatte der
44-Jährige verlangt, ohne aber Namen zu nennen. Nachdem
französisches und mauretanisches Militär am 22. Juli einen
Stützpunkt der Kaida angegriffen hatten, gab Abou Zeid kurz darauf
die Hinrichtung der Geisel bekannt.
Für Frankreich steht allerdings derzeit noch viel mehr auf
dem Spiel als die Rettung der Geiseln. Die Verschleppung der
Areva-Mitarbeiter tangiert elementare Staatsinteressen, rührt an
den Nerv der Nation.
Fatale Abhängigkeit vom Uran
Was der Atomkonzern in den nigrischen Uranminen von Arlit zutage
fördert, ist der Brennstoff für Frankreichs Atomkraftwerke.
Rund ein Drittel der 58 Reaktoren, mit denen das Land 76 Prozent seines
Strombedarfs deckt, wird zurzeit mit Uran aus Niger bestückt.
Tendenz steigend. Eine weitere Mine soll hinzukommen, noch
grösser, noch ergiebiger als die bisherigen. Die Areva-Chefin Anne
Lauvergeon hat ihrem Konzern die auch von der chinesischen Konkurrenz
begehrten Schürfrechte für die neue Mine Imouraren gesichert.
1,2 Milliarden Euro will Lauvergeon dort investieren, 2013 soll die
Mine in Betrieb gehen.
Doch nun hat sich al-Kaida eingemischt. Der Konzern wiegelt die
mögliche Bedrohung durch gut in der Region vernetzte Terroristen
ab. Er verweist darauf, dass sämtliche französischen
Angestellten bereits in die Heimat oder zumindest in die angeblich
sichere Hauptstadt Niamey gebracht worden seien. Aber Zweifel bleiben.
"Man erzählt uns, wir seien in einer sicheren Zone", schreibt ein
Mitarbeiter aus Niamey. "Aber wenn wir die Kinder von der Schule
abholen, stehen da Panzerfahrzeuge der Armee, und im Stadtzentrum
bekommt man keinen Weissen mehr zu Gesicht."
Skeptisch stimmt ausserdem, wie leicht die Entführer in die
sowohl von Militärs als auch von privaten Sicherheitsdiensten
geschützte Minenstadt Arlit eindringen konnten. Augenzeugen
berichten von mindestens 30 Männern, teils Arabern, teils Tuareg,
die gegen zwei Uhr nachts mit fünf Geländewagen vorgefahren
seien. Keine 45 Minuten später waren sie mit ihren Geiseln
verschwunden. Niemand rührte sich, löste Alarm aus, machte
auch nur den Versuch, die Entführer aufzuhalten. Ohne Komplizen in
den Reihen der Sicherheitskräfte dürfte der Überfall
kaum möglich gewesen sein.
Aber Paris wird sich hüten, dies laut zu sagen und die
Regierung eines für Frankreich derart wichtigen
Rohstofflieferanten an den Pranger zu stellen. Zumal die ehemalige
Kolonialmacht weiss, dass sie in Niamey nicht nur Freunde hat. "Wir
sind nicht mehr die Eingeborenen, die das Mutterland um jeden Preis mit
Rohstoffen versorgen müssen", hat Nigers früherer
Kommunikationsminister jüngst zornig an Frankreichs Adresse
beschieden.