MEDIENSPIEGEL 29.9.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino, GH, DS)
- Reitschule bietet mehr: info8 + tink
- Antifa-Abendspaziergang: SVP vs Stadt; Bewilligungsflut; Rabiatisten-Konzi
- Zaffaraya: SVP-Hetze
- Party-People: Höchstens eine Busse
- RaBe-Info 28.+29.9.10
- Police BE: Segway-mobil
- Drogen: Outdoorhanf-Boom
- Rechtsextrem: Minarett-Demo
- Thor Steinar: Powe Zone Basel
- Widerstand: Buch von Heidi Zuber
- Antisemitismus: UBS-Le-Corbusier-Debakel
- Squat Fribourg: Industriegasse besetzt
- Strafbar: Illegale Bars in LU
- Privatisierung: Sicherheitsdienste in Zug
- No Border Camp Brüssel 2010
- Chile: 80 Tage Mapuche-Hungerstreik
- Anti-Atom: Endlager, Atom-Ausstieg BE; Benken; Urankrieg

----------------------
REITSCHULE
----------------------

Mi 29.09.10
19.00 Uhr - SousLePont - Bärner Spezialitäten
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne!

Do 30.09.10
21.00 Uhr - Frauenraum - "Die Körper der Multitude", Lesung mit dem Autor Robert Foltin
22.00 Uhr - Rössli - Midilux & Rössli present: Heu, Stroh und Hafer: Pixelpunks -live (Glücksscherben/ZH); Bertel Gee (HLM/BE); Racker (Midilux, Festmacher/BE)

Fr 01.10.10
19.00 Uhr - Kino - Zyklus "Muslim/a. Die vielen Gesichter des Islam" - Eröffnungsanlass mit Apèro
20.00 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - Auf meine Art! Junge Muslime | Kurzfilme
22.00 Uhr - Frauenraum - POPSHOP "women only"
22.00 Uhr - Dachstock - 22-PISTEPIRKKO (FIN) & DOLLHOUSE (SWE), Support: DJ Brother Pantichrist. " rock, garage, soul

Sa 02.10.10
20.30 Uhr - Tojo - TITTANIC, die Achte Der Quotenknüller! Frauenanteil auf der Bühne: 100%
21.00 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - Kald Mig Bare Axel (Nenn mich einfach Axel) | Pia Bovin, Dänemark 2002
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session: LENZMAN (NL), EVESON (UK) & RIYA (UK), Support: TS Zodiac, Rollin John & Badboy MC " drumnbass

So 03.10.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im SLP, bis 16.00 Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi-SunntIg: Pünktchen & Anton, Österreich/D 1953
20.15 Uhr - Kino - Zusammen TATORT gucken
20.00 Uhr - Rössli - THE CHAP (UK) " rock, electronica

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

---

kulturagenda.be 28.9.10

"Der Islam ist nicht einfach gut oder schlecht"

Im Oktober präsentieren die fünf Berner Programmkinos einen Zyklus zum Thema Islam. Zusammen mit dem Verein tuos beleuchten sie in Filmen und Diskussionen die vielen Gesichter der Weltreligion.

Vor gut zehn Monaten hat das Schweizer Stimmvolk die Initiative "Gegen den Bau von Minaretten" angenommen. Die Überraschung und Empörung bei den Gegnern der Initiative war gross. Einige von ihnen formierten sich kurz nach der Abstimmung zum Verein tuos - für eine tolerante und offene Schweiz. "Wir wollen aktiv etwas gegen das vorherrschende negative Image des Islam tun und so zu einem differenzierten Bild in der Gesellschaft beitragen", erläutert Stefanie Arnold, Religionswissenschaftlerin und Projektleiterin bei tuos. Nach einer ersten Aktion diesen Frühling, in Form einer Unterschriftensammlung, steht nun also mit "Label: Muslim/a: Die vielen Gesichter des Islam" das zweite Projekt an.

Den Islam nicht verklären

Für die Durchführung des Film- und Diskussionszyklus fand man den idealen Partner in "Das andere Kino Bern". Dahinter stecken die fünf Berner Programmkinos Cinématte, Kellerkino, Kino Kunstmuseum, Lichtspiel und das Kino in der Reitschule.
Während eines Monats werden rund 40 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 23 Ländern gezeigt. Alle beschäftigen sich mit dem Islam. Dabei gehe es nicht darum, diese Glaubensrichtung zu verklären, sagt Arnold: "Wie alle andern Religionen ist auch der Islam nicht einfach gut oder schlecht. Entscheidend ist, was die einzelnen Gläubigen daraus machen - und da gibt es sowohl Positives als auch Negatives."
Den Fokus haben die Organisatoren auf die fünf Themenfelder Diaspora, religiöse Praxis, junge Muslime, Frauen und Brücken gelegt. Es sind Filme darunter, die bereits in den hiesigen Kinos zu sehen waren, und andere, die es bisher noch nicht in die Schweiz geschafft haben.

Diskussion mit Amira Hafner-Al Jabaji

Eröffnet wird der Zyklus am 1. Oktober im Kino in der Reitschule mit einer Rolle Kurzfilme über junge Musliminnen und Muslime. Weiter gehts zum Beispiel im Kino Kunstmuseum mit dem marokkanischen Roadmovie "Le grand voyage" (2., 3., und 4.10.) aus dem Jahr 2004. Regisseur Ismaël Ferroukhi erzählt darin die Geschichte eines jungen Franzosen mit marokkanischen Wurzeln, der seinen Vater auf die traditionelle Pilgerreise nach Mekka begleiten muss. Der Konflikt zwischen dem in Traditionen verhafteten Vater und dem jungen, westlich denkenden Sohn ist vorprogrammiert.
Wenns um den Islam geht, gibt nebst Terrorismus und Extremismus die Stellung der Frau am meisten zu reden. Polygamie und Kopftuch sind für Nichtmuslime Zeichen der Unterdrückung. Die US-amerikanische Filmemacherin Brigid Maher porträtiert in "Veiled Voices" (8.10., Cinématte) drei Frauen, die definitiv nicht ins Klischee passen. Es sind religiöse Führerinnen aus dem Libanon, Ägypten und Syrien. Sie geniessen ein hohes Ansehen und haben einen grossen Einfluss in ihrer Glaubensgemeinschaft. Eine der Porträtierten ist die geschiedene Ghina Hammoud. Sie leitet ein islamisches Zentrum in Beirut, wo sie unter anderem Frauen berät, die sich scheiden lassen wollen.
Nach dem Film findet in der Cinématte eine öffentliche Diskussionsrunde statt mit geladenen Gästen - unter ihnen die Islamwissenschaftlerin Amira Hafner-Al Jabaji. Vorgesehen sind auch weitere Gesprächsrunden, womit dem Austausch eine wichtige Funktion zukommt.

Simone Tanner

\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \

Kellerkino, Kino Cinématte, Kino Kunstmuseum, Lichtspiel und Kino in der Reitschule, Bern. 1. bis 31.10.
Programm: http://www.dasanderekino.ch

---

kulturagenda.be 28.9.10

Feilschen am Flohmarkt in der Reitschule

Berner Flohmarktliebhaber tragen den Termin jeweils dick ein in ihrer Agenda. Der erste Sonntag im Monat ist für den Reitschul-Flohmarkt reserviert. Wer in fremden Klamotten wühlen und Bücherkisten nach Schätzen durchforsten will, muss früh aus den Federn. Die besten Schnäppchen sind oft vor 10 Uhr weg.
Grosse Halle und Vorplatz der Reitschule, Bern. So., 3.10., ab 8 Uhr

---

kulturagenda.be 28.9.10

Rock ohne Schickschnack

Die amerikanische Noise-Rock-Band Shellac zelebriert den Minimalismus, in Musik und Kommunikation. Im Dachstock spielt die Formation um Gitarrist und Sänger Steve Albini eines ihrer seltenen Konzerte.

"Shellac wird irgendwann zwischen jetzt und der Zukunft wieder eine LP veröffentlichen", lässt die Plattenfirma Touch-and-Go verlauten. Seit der Veröffentlichung ihres letzten Albums, "Excellent Italian Greyhound", sind mittlerweile über drei Jahre ins Land gezogen. Informationen zur Chicagoer Band sind rar. Ähnlich rar sind die Konzerte des Trios. Dazu schreibt das Label, Shellac gehe weiterhin "sporadisch und in entspanntem Rhythmus auf Tournee". So reduziert Kommunikationsstil und Tourneeplan, so minimalistisch ist auch die Musik von Shellac. Noise Rock ohne Schnickschnack, dafür mit treibenden Rhythmen und repetitiven Riffs und gewürzt mit skurrilen, bisweilen auch sarkastischen Songtexten. Gegründet wurde die Band 1992 von Sänger und Gitarrist Steve Albini, einem der bedeutendsten Toningenieure der amerikanischen Indie-Szene. Quasi als Freizeitprojekt für ihn und seine beiden Mitstreiter, Todd Trainer (Schlagzeug) und Bob Weston (Bass). Daraus wurde ernsthafte Musik - mit viel freier Zeit zwischen den Auftritten.

Lukas Tinguely

---

Dachstock, Bern. Di., 5.10., 20.30 Uhr
http://www.dachstock.ch

-----------------------------------------------
REITSCHULE BIETET MEHR
-----------------------------------------------

Bund 29.9.10

Leserbrief Deutliches Ja zur Reitschule, diverse Artikel im "Bund"

 Ein bereichernder Teil der Stadt Bern

 Einst hatte Herr Erich Hess Kulturschaffende als Taugenichtse und Tagediebe bezeichnet. Es sind diese Leute, die einen starken, kreativen Abstimmungskampf geführt haben und souverän siegreich waren.

 Die Attraktivität und Schönheit der Stadt Bern verdanken wir der kulturellen Vielfalt - da, wo Lebendigkeit ist, da ist Kultur. Die Reitschule ist und bleibt ein schöner Fleck in Bern. Es fällt schon furchtbar schwer und tut ein bisschen weh im Kopf, wenn ein "täupelender" Lastwagenfahrer aus der JSVP nicht akzeptieren will, dass die Reitschule ein bereichernder Teil der kulturellen Vielfalt ist in dieser Stadt. Sonst nehmen doch die SVPler die Volksanliegen so wahnsinnig ernst.

 Simon Tauber Bern

---

Bund 28.9.10

Reitschule Die Bernerinnen und Berner haben sich für die Erhaltung des alternativen Kulturzentrums entschieden, "Bund" vom 27. September

 Die Reitschüler(innen) sitzen fest im Sattel - wen erstaunts?

 Wer die Diskussion um die Reitschule verfolgt hat, den vermag das deutliche Abstimmungsresultat wenig zu erstaunen: Die platte Argumentation der rechtsbürgerlichen Befürworter(innen) der Reitschule-Initiative hat dem Kulturzentrum ein Popularitätshoch verschafft. Bereits das Abstimmungsfest vom 18. September vermittelte eindrücklich die Solidarität der Berner(innen) mit ihrem "Schandfleck".

 Für Nicht-Berner(innen) ist das Erfolgsrezept des Phänomens "Reitschule" nicht auf Anhieb erfassbar. Darum sei es hier in einem kurzen Satz zusammengefasst: Die Reitschule steht für eine andere Grundhaltung. Es ist eine Haltung des grundlegenden Respekts, frei von bürgerlich-autoritärer Prägung.

 Der eigentliche Grund für die anhaltenden Attacken aus dem rechtsbürgerlichen Spektrum ist der Umstand, dass die Reitschule-Betreiber(innen) beharrlich an ihren Grundwerten festhalten und diese Schritt für Schritt umsetzen.

 Dadurch wird die Reitschule zum Tatbeweis eines erfolgreichen Wirtschaftens jenseits marktwirtschaftlicher Esoterik. Sie beschreibt einen erfolgreichen Balanceakt zwischen der Abhängigkeit von staatlichen Fördergeldern und dem Abdriften in eine privatwirtschaftliche Verkommerzialisierung, die den sicheren Tod des Kulturzentrums bedeuten würde. Damit wird sie zum Modell einer Wirtschaftsweise der Zukunft, wie sie mittlerweile auch von namhaften liberalen Ökonom(innen) (Hans Christoph Binswanger, Elinor Ostrom) propagiert wird: eine Mischung aus gezielten staatlichen Investitionen und einem weitgehend genossenschaftlich organisierten Privatsektor. Der freie Markt bildet in einem solchen System die Ausnahme (z. B. Flohmarkt), nicht die Regel. Zudem führt der hohe Grad an Selbstbestimmung zu einer entsprechend hohen Identifikation der Arbeitenden und letztlich zu einer hohen Lebensqualität fernab von Statussymbolen und materiellem Klimbim.

 Lässt sich das Modell "Reitschule" auch auf andere gesellschaftliche Ebenen zu übertragen, könnte es eventuell gelingen, noch einmal die Kurve zu kratzen - bevor der neoliberale wirtschaftspolitische Aberglauben die Ressourcen dieses Planeten endgültig ruiniert hat.

Stephen Sonntag, Bern

---

info8.ch 28.9.10
http://www.info8.ch/themen/magazin/themen/reitschule-wohin-28-09-2010

Reitschule wohin?

Dienstag, den 28. September 2010 um 09:48 Uhr christian.huber@info8.ch

Am Abstimmungssonntag vom 26. September 2010 hat nebst den zahllosen kantonalen und regionalen Abstimmungen eine lokale Angelegenheit für besonderen politischen Zündstoff gesorgt. In der Stadt Bern hat mit der JSVP bereits zum 5. Mal eine bürgerliche Partei eine Volksinitiative zur Erschwerung der Tätigkeiten des autonomen Kulturzentrums Reitschule lanciert. Der Souverän hat diese Absichten zum 5. Mal in Folge verworfen.
 
Reitschule als ewiges Politikum

Die JSVP hat unter Grossrat Erich J. Hess eine Initiative lanciert, laut welcher die Reitschule als Kulturzentrum geschlossen und in einer Versteigerung an den Meistbietenden verkauft werden sollte. Dieses Vorhaben hat die Stadtberner Bevölkerung mit einem Nein-Stimmenanteil von 68,4 % jäh gestoppt. Doch statt klein beizugeben plant Hess, nun auf kantonaler Ebene gegen die Reitschule vorzugehen. Wie sich die Junge SVP Bern eine solche Initiative genau vorstellt, bleibt offen - auf eine Anfrage von Info8.ch hat Hess leider nicht reagiert.
 
Pompös geführter Abstimmungskampf

Bereits im Voraus war den meisten Abstimmungsbeobachtern klar, dass der neuerliche Versuch des bürgerlichen Lagers, das Jugendzentrum zu schliessen, beim Volk nicht auf fruchtbaren Boden fallen wird. Dazu beigetragen hat wahrscheinlich auch die gross angelegte Abstimmungskampagne der Befürworter. Flugblätter, Kleber, eine Webseite und Plakate waren hierbei erst der Anfang. Zusätzlich wurde eine Solidaritäts-CD mit verschiedensten Interpreten aus der ganzen Schweiz lanciert, welche aufgrund des einschlagenden Erfolges sogar nachgepresst werden musste. Ausserdem haben Aktivisten auf dem Vorplatz der Reithalle ein ca. 5 Meter hohes hölzernes trojanisches Pferd gebaut, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Zusätzlich wurde mit verschiedenen Anlässen und Konzerten gegen die Initiative geworben. Die Welle ging soweit, dass sich sogar Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) öffentlich für den Erhalt der Reithalle ausgesprochen hatte.
 
Woher stammen die Reitschule-Gelder?

Im Vorfeld der Abstimmung haben die Organisatoren der Reitschule nicht bekannt gegeben, wie viel sie sich den Abstimmungskampf kosten liessen. Sie haben lediglich darauf verwiesen, dass alle Künstler ehrenamtlich für das Projekt arbeiteten. Nichtsdestotrotz muss aufgrund der Komplexität und Fülle der Werbeaktionen davon ausgegangen werden, dass die Nein-Kampagne ein Vielfaches von dem gekostet hatte, was die Pro-Seite um Erich Hess investierte. Auf dieser Seite wurde ein höchst flauer Abstimmungskampf mit ein paar Broschüren und vereinzelten Zeitungsinseraten geführt, welcher sich gemäss "Berner Zeitung" mit knapp 20‘000.- Franken zu Buche geschlagen habe. Da die Reitschule einen staatlich subventionierten Betrieb verkörpert, welcher jährlich einen kulturellen Unterstützungsbeitrag von 660‘000.- Franken erhält, drängt sich die Frage, ob die Kampagne der Befürworter aus diesen Geldern finanziert wurde, geradezu auf - was die Verantwortlichen allerdings vehement bestreiten. Der gesamte Wahlkampf sei von Privatpersonen und privaten Organisationen finanziert worden. Eine gewisse Transparenz über diesen Sachverhalt wird wohl spätestens dann herrschen, wenn der Vollversammlung der Reitschule, welche basisdemokratisch geführt wird, die endgültige Abrechnung präsentiert wird. Dies sollte noch in diesem Herbst passieren.
 
Auf dem Weg zum salonfähigen Kulturbetrieb

Seit 29 Jahren wird in der alten Berner Reitschule nun ein Kulturbetrieb geführt. Anfänglich ein von Krawallmachern besetztes Haus, hat sie sich mit den Jahren zu einem mehr oder weniger der Umgebung angepassten Lokal entwickelt. So ist es Anzugträgern heutzutage auch ohne Weiteres möglich, die Reitschule gefahrlos zu betreten. Im Gegensatz zu früher treten im Dachstock - der Konzertbühne des Hauses - je länger je mehr auch kommerzielle Künstler auf. Mit Erfolg: Im vergangenen Jahr konnten die Betreiber 75‘000 Eintritte verzeichnen. Hingegen gibt es auch immer wieder Rückschläge. Die jährlich veranstalteten sog. "Antifaschistischen Abendspaziergänge", welche regelmässig zu Krawallen und Ausschreitungen in ganz Bern führen, starten jeweils von der Reitschule aus, welche als deren Besammlungs- und Rückzugshort gilt.
 
Drogenszene nicht im Griff

Wer bedenkt, dass für kommendes Wochenende (2. Oktober 2010) nächstmalig ein solche Demo geplant ist, für welchen notabene aus Prinzip nie eine Bewilligung eingeholt wird, kann durchaus von politischem Kalkül der Reitschule-Betreiber ausgehen. Wie die Abstimmung wohl ausgegangen wäre, wäre dieser Spaziergang einen Monat früher angesetzt gewesen und wieder in einem Chaos gemündet? Auch die Drogenszene rund um die Reithalle ist nicht unter Kontrolle. So können zu jeder Uhrzeit mutmassliche Dealer angetroffen werden, welche unter der Eisenbahnbrücke im Schatten der Dunkelheit auf Kundschaft warten. Da die umliegenden Grundstücke jedoch nicht zur Reitschule selbst gehören, sind hier auch die Behörden gefordert, hart durchzugreifen.
 
Längst nicht nur linke Besucher

Die Ausrichtung der Reithalle tendiert dabei weiterhin in Richtung gesellschaftlicher Anpassung. So sind es längst nicht nur mehr "linke" Jugendliche, welche den Weg in die Reithalle finden. Das Angebot an Anlässen ist derart verbreitert worden, dass sich ein immer vielschichtigeres Spektrum an Personen dafür begeistern kann. Spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem die Reitschule-Betreiber einen Örgeliabend organisieren, sollte sich wohl auch Erich Hess Gedanken darüber machen, ob es wirklich notwendig ist, die Reitschule weiterhin zu bekämpfen.

---

tink.ch 27.9.10
http://www.tink.ch/new/article/2010/09/27/bern-sagt-ja-zur-halle-und-hat-eine-neue-briefmarke/

Bern sagt Ja zur "Halle" und hat eine neue Briefmarke

Bern sagt zum fünften Mal Ja zum alternativen Kulturzentrum Reitschule. Mit vergleichsweise hoher Stimmbeteiligung lehnten die Berner die Verkaufs-Initiative am Sonntag deutlich ab. Die Betreiber der Reitschule fassen das Nein auch als Ja zur Kultur und als Vertrauensbeweis der Stadtberner Bevölkerung auf.

Matthias Strasser

Ein Hallenbad oder ein Einkaufszentrum sollte auf dem Areal der heutigen Reitschule dereinst entstehen. Dies zumindest wollte die junge SVP mit der Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden" erreichen. Dass das Gebäude in der Berner Innenstadt unter Denkmalschutz steht, haben die Initianten um Erich Hess dabei nicht bedacht.

Jeder zweite stimmte Nein

So weit liess es das Stadtberner Stimmvolk aber gar nicht erst kommen. 68,4 Prozent haben am Sonntag Nein gestimmt. Die Stimmbeteiligung lag mit 47,1 Prozent relativ hoch. Bis weit ins bürgerliche Lager hinein haben sich die Parteien hinter die Reitschule gestellt. Es war deshalb zu erwarten, dass die Initiative deutlich abgelehnt wird.

Die Stimmung auf dem Vorplatz der Reitschule war am Sonntagnachmittag entsprechend gelöst. Dieses Resultat sei "ein Stoss ans Schienbein der politischen Rechten" des Initiativkomitees, frohlockte etwa Tom Locher von der Mediengruppe der Reitschule. Und weiter: "Ein Nein zu dieser Initiative ist auch ein Ja zur Kultur". Johannah Pärli vom Restaurant "Sous le Pont" war dennoch etwas enttäuscht: "Ich hätte schon auf mindestens 70 Prozent getippt", sagte sie. Die Selbstverständlichkeit, mit welchem die Reitschülerinnen und Reitschüler das Nein zur Kenntnis nehmen, zeigt auf, wie sehr sie an ihren Sieg geglaubt haben.

Reitschule salonfähig?

Ein Grossteil der Kulturschaffenden hat sich für die Reitschule eingesetzt. Tomazobi, Pedro Lenz und Kutti MC sind nur drei Namen unter den vielen Musikern, die einen Track zur CD "Reitschule beatet mehr" beigesteuert haben. Und Rapper Müslüm hat mit seinem Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich" bewiesen, dass die Reitschule mit viel kreativer Energie nicht bloss die Herzen der Reitschulbesucher, sondern auch die Hitparade erstürmen kann.

Tatsache ist auch, dass ein Grossteil der Berner Jugend viel Freizeit in der "Halle", wie das Gebäude umgangssprachlich genannt wird, verbringt. Es sind nicht mehr nur die linken Querulanten und Weltverbesserer der 80er-Jahre, die in der Reitschule ein- und ausgehen. Der Dachstock ist heute eines der beliebtesten Konzertlokale der Stadt.

Gewitzter Abstimmungskampf

Dem Komitee ist es gelungen, mit einem gewitzten Abstimmungskampf der Bevölkerung den Wert der Reitschule darzulegen. Mit dem Slogan "Preis: 1x Nein" und extra angefertigten Briefmarken für die briefliche Stimmabgabe wurde gerade jener Generation der Urnengang nahegelegt, die zwar gerne Kultur konsumiert, jedoch nicht gerade für grosses Interesse an der Politik bekannt ist.

Pressesprecher Tom Locher betonte nach Bekanntgabe des Resultats am Sonntag, dass man für den Abstimmungskampf "keinen Rappen" Subventionsgelder verwendet habe. Man habe die benötigte Summe unter anderem aus dem Erlös der verkauften Abstimmungs-CDs gewonnen.

Fünftes Vertrauensvotum

Nach dem vergangenen Wochenende ist klar: Die Bevölkerung hat der Reitschule erneut ihr Vertrauen bewiesen. Der Slogan "Die Reitschule gehört eben auch zu Bern" hat sich nach der fünften Abstimmung einmal mehr als wahr herausgestellt.

In der Reitschule bleibt also vorerst alles beim Alten. Neu gestaltet werden soll hingegen bald das Areal Schützenmatte. Im Gespräch sind etwa Überbauungen des Parkplatzes und des Eilgutbahnhofs mit Universitätsgebäuden. Zudem soll die Beleuchtung des Areals optimiert werden. Klar ist: Weder ein Einkaufszentrum, noch ein Hallenbad wird auf dem Gelände entstehen.

---

tink.ch 20.9.10
http://www.tink.ch/new/article/2010/09/27/zuschlag-fuer-den-meistbeatenden/

Zuschlag für den Meistbeatenden

An wen geht die Reitschule: An den Meistbietenden oder an den Meistbeatenden? Darüber entscheiden die Stadtberner Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an diesem Wochenende. Es wird Zeit, dass man ein klares Zeichen setzt. Nur so können weitere Reitschulhatzen vermieden werden.

Claudio Dulio

Mit olympischer Regelmässigkeit steht die Zukunft der vermutlich umstrittensten Kulturinstitution, wo es in der Schweiz je hez giz, in den Händen des Berner Wahlvolks - zum bereits fünften Mal in zwanzig Jahren. Mit geübter Routine fuhren die Reitschülerinnen und Reitschüler denn auch eine bunte und äusserst originelle Abstimmungskampagne hoch, in der sie aufzeigen, wie viel die Reitschule kulturell bietet und musikalisch beatet. Unterstützt werden sie dabei nicht nur von den Linken, sondern ebenso von zahlreichen Vertretern des bürgerlich-konservativen Lagers. Bisher standen die Hauptstädter immer klar hinter ihrer "Halle". Auch 2010 wird das Votum vermutlich gleich ausfallen. Und trotzdem: Die Initiative hängt wie ein Damoklesschwert über der Reitschule. Ein einziges Ja genügt und schon bald würden vermutlich Bagger dem Kulturzentrum den Garaus machen. Dies erklärt wohl unter anderem die Hartnäckigkeit der Initiativ-Befürworter.

Ihre Argumente haben sich in den vergangen 30 Jahren nicht oder kaum verändert: Die Reitschule sei ein "Schandfleck" für die Stadt, so das Ja-Komitee, bestehend aus Vertretern aus SVP und FDP. Rund um die Anlage würden Drogenhandel und Kleinkriminalität florieren; das Gebäude böte bei Demonstrationen linksextremen Aktivisten Obhut; die Reitschule sei ein rechtsfreier Raum, in dem selbst Polizisten gewaltsam angegangen würden; und schliesslich habe das Kulturzentrum die städtischen Subventionen nicht verdient, denn gute Kunst sei nur solche, die sich selbst finanziere, so Initiant und SVP-Stadtrat Erich Hess.

Wandel durchgemacht

Wer so argumentiert, hat scheinbar schon lange nicht mehr die graffiti-bedeckten Gefilde der Reitschule betreten. Denn Tatsache ist: Die Institution ist schon lange aus ihrer Rolle des wildwüchsigen Autonomenzentrums herausgewachsen, die sie noch in den Achtzigerjahren trug. Die Reitschule lernte es, ihre wilden Pferde (bis zu einem gewissen Grad) im Zaum zu halten. Insbesondere seit 2004, als die Stadt und die Reitschulbetreiber einen Leistungsvertrag vereinbarten, gibt man sich grosse Mühe, die Schattenseiten der Halle auszuleuchten.

Mit respektablem Erfolg: Die Drogenszene vor dem Gebäude und auf der Schützenmatte ist dank dem hauseigenen Sicherheitsdienst fast gänzlich verschwunden, auch wird viel weniger geklaut als bisher. Die Interessensgemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur), die basisdemokratisch organisierte Betriebsleitung, hat sich wiederholt von den oft gewaltsam agierenden Aktivistengruppierungen distanziert. Und auch die Müllberge vor der Schule - bedingt durch die riesigen Besucherzuläufe an den Wochenenden - gehören der Vergangenheit an. Bestes Beispiel: Als sich drei Jung-Freisinnige 2008 an einem Sonntagmorgen für ein Wahlplakat mit Besen in den Händen vor der Reitschule ablichten wollten, standen sie vor dem Problem, dass der Vorplatz bereits blitzeblank saubergefegt worden war.

Vergleich erlaubt

Auch das kulturelle Angebot des Kulturzentrums braucht keinen Vergleich mit ähnlichen Institutionen zu scheuen. Die Reitschule bietet unter ihrem Dach eine andernorts nicht anzutreffende Vielfalt: Musik und Theater, Essen und Bars, Kino und Sport - ein El Dorado für Kulturinteressierte und Partypeople. Wie die Berner Zeitung jüngst vorrechnete, stellt die Reitschule diejenige Kulturinstitution dieser Grösse in der Stadt Bern dar, die jährlich den kleinsten Verlust einfährt. Konkret: Bei einem jährlichen Subventionsvolumen von 665‘765 Franken weist sie einen Eigenfinanzierungsgrad von klar über 50 Prozent auf. Das Theater "Tojo" deckt gar 73,2 Prozent seiner Kosten. Zum Vergleich: Die Dampfzentrale kommt hier auf einen Wert von 44 Prozent, das Stadttheater gar nur auf 21,5 Prozent. Wäre der Erich ein bisschen mehr ehrlich, müsste er zuerst die Daseinsberechtigung aller Institutionen der Berner Hochkultur hinterfragen, bevor er die Reitschule attackiert.

Eine Hassliebe

Seit dem Minarett-Debakel wagen sich die Abstimmungsprognostikerinnen und -prognostiker nicht mehr allzu weit auf die Äste hinaus mit ihren Voraussagen. Kaum jemand erwartet ein Ja zur hessigen Vorlage. Doch mit vorgehaltener Hand gesteht man: Man weiss ja nie. Es bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnis den einen oder anderen zusätzlich an die Urne lockt.

Ich bin überzeugt: Bern steht auch heute zu ihrer Reitschule. Die Zuneigung vieler fusst allerdings weniger auf echtem Einverständnis für das Kulturschaffen der Halle. Es ist eine Hassliebe: Für einen grossen Teil des ordnungsliebenden Stadtbürgertums ist es ein Zugeständnis gegenüber einer in ihren Augen unberechenbaren, doch äusserst kreativen Alternativszene. Man gibt ihr Raum sich zu entfalten (und auszutoben); handkehrum konzentriert sich das anarchistische Moment auf einen einzigen Flecken, statt sich über die ganze Stadt auszubreiten. Und auch wenn man nicht selber die Angebote der Reitschule nutzt, so zeigt man sich doch bis zu einem gewissen Grad stolz auf deren Ausstrahlung auf die ganze Schweiz und über deren Grenzen hinaus. Dies erklärt auch, weshalb die Bürgerlichen die Verkaufsgegner so breit unterstützen.

Schliessung ist keine Lösung

Die Schliessung der Reitschule würde keine Probleme lösen. Sie würde diese höchstens verlagern oder gar neue schaffen. Wenn es das Angebot der Reitschule nicht mehr gäbe, so bestünde weiterhin eine ungeminderte Nachfrage danach. Und Hand aufs Herz: Die Stadt Bern hat nun mal nicht die kulturellen Kapazitäten, einen solch grossen Einschnitt abzufedern. Bei einer Schliessung müsste man folglich nicht nur mit dem Zorn der ideologischen Reitschülerinnen und -reitschüler rechnen, sondern ebenso mit dem Frust hunderter Jugendlicher, die gelegentlich im Dachstock tanzen, im Sous Le Pont essen und trinken oder im Flohmi shoppen gehen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Initiative nicht nur abgelehnt, sondern regelrecht abgeschmettert wird. Es kann nicht sein, dass aufmersamkeitsgeile Rechtspopulisten hessischer und fuchser Couleur sich in regelmässigen Abständen auf Kosten einer gut verankerten Kulturinstitution zu profilieren versuchen. Nur ein klares Nein könnte dem einen Riegel schieben.

---------------------------------------------------
ANTIFA-ABENDSPAZIERGANG
---------------------------------------------------

Bund 29.9.10

Antifa-Umzug: SVP macht Stadt für Schäden verantwortlich

 Die Organisatoren des antifaschistischen Abendspaziergangs von nächstem Samstag müssen kein Gesuch für ihren Umzug stellen. Bei den sogenannten Antifaschisten (Antifa) träten die Behörden von sich aus in Kontakt mit den Organisatoren, sagt Marc Heeb vom Polizeiinspektorat der Stadt Bern. Per Mail erhielten die Behörden alle notwendigen Informationen über Route, Sicherheitsdienst und Kontaktpersonen. Heeb räumt ein, dass diese "pragmatische Bewilligungspraxis" einzig bei der Antifa angewandt werde. SVP-Grossrat Erich Hess wittert darin aber einen Verstoss gegen das Stadtberner Kundgebungsreglement. Falls es am Samstag zu Ausschreitungen komme, sei der Gemeinderat für allfällige Sachschäden verantwortlich, sagt Hess. (bob) - Seite 19

--

Organisatoren des Antifa-Spaziergangs müssen kein Demo-Gesuch stellen

 Die SVP spricht von "Ungleichbehandlung". Sie will den Berner Gemeinderat für allfällige Sachschäden verantwortlich machen.

 Bernhard Ott

 Am nächsten Samstag marschiert Berns Trüpplein der selbst ernannten "Antifaschisten" zum zehnten Mal durch die Innenstadt. In den letzten Jahren musste das Bündnis alle gegen rechts gar kein Gesuch mehr für die Durchführung des Abendspaziergangs stellen. "Bei den sogenannten Antifaschisten verfolgen wir eine pragmatische Bewilligungspraxis", bestätigt Marc Heeb vom Stadtberner Polizeiinspektorat einen Bericht in der "Berner Zeitung". Als Bewilligungsbehörde sei seine Stelle per Mail "im Dialog" mit den Organisatoren. Das Polizeiinspektorat habe von sich aus den Kontakt mit den Organisatoren gesucht. Dabei handle es sich um eine "langjährige Praxis", die er 2008 von der einstigen Stadtpolizei übernommen habe, sagt Heeb.

 Der stellvertretende Polizeiinspektor räumt ein, dass dieses Vorgehen einzig bei der Antifa angewandt wird. Einen Präzedenzfall befürchtet er aber nicht. "Grundsätzlich muss nach wie vor für jede Kundgebung ein Gesuch eingereicht werden." Im Fall der Antifa sei aber das Ziel entscheidend und nicht der Weg. Durch die "pragmatische Bewilligungspraxis" erhielten die Behörden alle notwendigen Informationen über Kundgebungsroute, Sicherheitsdienst und Kontaktpersonen. "Wir machen inhaltlich keine Abstriche. Wenn der Dialog nicht zustande kommt, gibt es auch keine Bewilligung", sagt Heeb.

 "Eine absolute Frechheit"

 Für den Berner SVP-Grossrat Erich Hess ist die "pragmatische Bewilligungspraxis" eine "absolute Frechheit" und ein Ausdruck von "Ungleichbehandlung". Gemäss Artikel vier des Kundgebungsreglements sei es die Pflicht aller Veranstalter, ein Gesuch für eine Demonstration einzureichen. Vor drei Jahren habe sich die SVP Schweiz "alle Mühe" gegeben, um sämtliche Unterlagen für die Durchführung des durch Gegendemonstranten vereitelten Umzuges durch die Berner Innenstadt einzureichen. Für die "linken Chaoten" des Antifa-Umzugs gälten in der rot-grünen Stadt Bern aber andere Regeln. Eine allfällige rechtliche Anfechtung der "pragmatischen Bewilligungspraxis" macht Hess vom Ausgang der Demonstration ab. Der Gemeinderat müsse jedenfalls die Verantwortung für allfällige Sachschäden übernehmen, da er die Bewilligung für einen Umzug erteilt habe, für den gar kein Gesuch gestellt worden sei. Dieses Vorgehen sei fahrlässig. "Rein rechtlich waren die Voraussetzungen für eine Bewilligung gar nicht erfüllt", sagt Hess.

 Nause nimmt Antifa in die Pflicht

 Das Polizeiinspektorat werde den Umzug voraussichtlich bewilligen, weil es "keine Anzeichen für eine gewollte Eskalation" gebe, sagt Gemeinderat Reto Nause (CVP). Die "pragmatische Bewilligungspraxis" habe mit dazu beigetragen, dass es in den letzten zwei, drei Jahren nicht mehr zu Ausschreitungen an Kundgebungen gekommen sei. "Ohne Bewilligung wäre die Wahrscheinlichkeit für Sachschäden viel grösser, und Erich Hess würde den Gemeinderat erst recht dafür verantwortlich machen." Natürlich stehe die Stadt nächsten Samstag in der Verantwortung. Dies gelte aber in gleichem oder gar noch grösserem Ausmass auch für die Organisatoren der Kundgebung. Mit dem Nein des Volkes zur Anti-Reitschule-Initiative habe dieses der Reitschule und der darin verkehrenden Antifa das Vertrauen ausgesprochen. "Die Antifa ist nun aufgefordert, dieses Vertrauen nicht zu missbrauchen", sagt Nause.

 Polizeiliches Lob für Antifa

 Heeb hat gar lobende Worte für die Organisatoren des antifaschistischen Umzugs übrig. "Bei der Antifa ist das Verantwortungsbewusstsein vorhanden. Sie ist gut organisiert, verfügt über einen eigenen Ordnungsdienst und sogar über eine eigene Sanität." Im Zeitalter von Facebook sei es zudem üblich, dass die Polizei auf Aufrufe zu Kundgebungen und Veranstaltungen in sozialen Netzwerken aktiv reagiere und mit den Organisatoren Kontakt aufnehme. In der Stadt Sankt Gallen würden die Behörden gar via Twitter mit Veranstaltern in Kontakt treten. Im Unterschied zu den Organisatoren des Antifa-Umzugs verfügten Individuen, die via Facebook zu einem Botellón oder zu einem Gummiboot-Weltrekordversuch auf der Aare aufriefen, aber über wenig Verantwortungsbewusstsein. "Diese Leute machen sich kaum Gedanken über Fragen der Sicherheit oder der Abfallentsorgung", sagt Heeb.

---

BZ 28.9.10

10.Antifaschistischer Abendspaziergang

 Stadt bewilligt "pragmatisch"

 Die Berner Stadtbehörden werden den 10. antifaschistischen Abendspaziergang vom Samstag voraussichtlich bewilligen - obschon kein Gesuch eingereicht worden ist. Dieser "pragmatische Weg" habe sich bewährt.

 Mit dem deutlichen Bekenntnis zur Reitschule hat das Berner Stimmvolk ein Zeichen gesetzt. "Am kommenden Samstag ist es nun an den Reitschülerinnen und Reitschülern zu beweisen, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist", sagt der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause.

 Die Jubiläumsausgabe des antifaschistischen Abendspaziergangs steht auf dem Programm, organisiert vom "Bündnis Alle gegen Rechts", unterstützt und beworben von der Reitschule. Die letzten beiden Auflagen gingen friedlich über die Bühne, in Erinnerung sind aber auch "Abendspaziergänger", die in Bern Sachschäden in Höhe von Hunderttausenden von Franken zurückliessen und sich mit der Polizei Strassenschlachten lieferten. Letztmals im Jahr 2006.

 "Pragmatischer Weg"

 Mit solch wüsten Szenen rechnet am Samstag niemand: "Wir hoffen, dass es friedlich bleibt, denn die Zeichen stehen nicht auf Konfrontation", sagt Sicherheitsdirektor Nause. Vonseiten der Stadt tue man alles dafür, damit es nicht zu einer Eskalation komme. Damit erklärt sich auch, weshalb die Stadt den Antifa-Spaziergang voraussichtlich bewilligt, obschon von den Organisatoren gar kein Gesuch eingereicht worden ist. "Wir gehen einen pragmatischen Weg, der sich in den letzten zwei Jahren bewährt hat", sagt Nause.

 Das "Gesuch" prüfen und die Bewilligung erteilen muss das städtische Polizeiinspektorat. "Wie schon bei den letzten beiden Spaziergängen stehe ich in Kontakt mit den Veranstaltern", sagt Marc Heeb, stellvertretender Polizeiinspektor. Er habe vom "Bündnis Alle gegen Rechts" alle nötigen Angaben erhalten. Noch müssten einige Details geklärt werden. Aber: "Aus unserer Sicht spricht nichts gegen eine Bewilligung", sagt Heeb.

 Route durch die Innenstadt

 Der Antifa-Spaziergang soll um 20 Uhr bei der Heiliggeistkirche starten und via Innenstadt und Altstadt zurück zur Schützenmatte führen, wo die Kundgebung gegen 22 Uhr endet. Hier kommt die Reitschule ins Spiel.

 Sie stand jeweils in der Kritik, wenn sich gewalttätige Demonstranten in die Reitschule zurückziehen konnten. Wie gehen die Reitschul-Betreiber mit möglichen Ausschreitungen um? "Wichtigstes Ziel wird auch diesen Samstag sein, dass alle Gäste und Betreiberinnen bei ihrem Besuch respektive ihrer Arbeit in der Reitschule gesund bleiben", schreibt die Mediengruppe. "Wir fordern von allen Beteiligten den Respekt gegenüber der körperlichen und psychischen Integrität unserer Mitmenschen." Falls während oder nach dem Spaziergang Teilnehmende in die Reitschule kämen, "würden wir sie nicht kollektiv als gewalttätig diffamieren".

 Die Reitschüler betonen weiter, dass sie seit mehreren Jahren während der Öffnungszeiten "immer über das sogenannte Kontakttelefon in Kontakt mit den Behörden" seien. Die Reitschule werde sich "an die Abmachungen aus der Vereinbarung (…) halten". Bei Problemen das grosse Tor zu schliessen, sehen die Betreiber "noch immer nicht als selig machende Lösung". Neben der Tatsache, dass man sich als offenes Haus verstehe, sei es auch aus Sicherheitsgründen nicht möglich, Fluchttüren verschlossen zu halten.

 Polizei "präsent"

 Vonseiten der Stadt rechnet man für den Abendspaziergang mit "einigen Hundert" Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Keine Schätzungen wollte die Polizei vornehmen, welche am Samstag in der Stadt "präsent" sein wird, wie es Nause ausdrückt. Der Auftrag der Stadt ist klar: Die Polizei soll sich im Hintergrund halten. Nause: "Falls es zu Sachbeschädigungen käme, müsste sie natürlich einschreiten."

Mirjam Messerli

--

 Die Route

 Innenstadt und Altstadt

 Noch hat die Stadt den antifaschistischen Abendspaziergang nicht bewilligt, wird es aber voraussichtlich tun (Haupttext). Er soll um 20 Uhr bei der Heiliggeistkirche starten und um 22 Uhr auf der Schützenmatte enden. Die geplante Route: Spitalgasse, Marktgasse, Kramgasse, Gerechtigkeitsgasse, Junkerngasse, Kreuzgasse, Rathausgasse, Kornhausplatz, Amthausgasse, Bärenplatz, Waisenhausplatz, Speichergasse.
 mm

--

 "Mehr Polizei in der Reitschule"

 Nach der Abstimmungsschlappe will Erich Hess auf kantonaler Ebene gegen die Reitschule vorgehen. Der Kanton winkt ab.

 Eine kantonale Abstimmung hätten die Reitschul-Gegner gewonnen. Diese Überzeugung vertrat Initiant Erich Hess am Sonntag, als die Stadtberner Bevölkerung seine Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule" mit fast 70 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt hatte (Ausgabe von gestern). Deshalb will der SVP-Grossrat den "Schandfleck Reitschule" nun auf kantonaler Ebene bekämpfen und demnächst im Grossen Rat einen "Anti-Reitschule-Vorstoss" einreichen.

 Erst Demo abwarten

 Denn für Hess ist klar: "Die Drogenprobleme und der rechtsfreie Raum in der Reitschule müssen beseitigt werden." Was genau er im Kantonsparlament fordern will, weiss Hess derzeit noch nicht. Auch wolle er erst einmal abwarten, wie der antifaschistische Abendspaziergang vom Samstag verlaufe, so Hess. "Ich könnte mir aber vorstellen, vom Regierungsrat zu fordern, dass er die Polizei anweist, in der Reitschule öfter Razzien durchzuführen."

 Die Reitschule-Verantwortlichen reagieren darauf gelassen. "Warten wir ab, was das konkret sein wird. Danach werden wir in gewohnter und bewährter basisdemokratischer Form darüber befinden, wie wir vorgehen wollen", schreiben sie per E-Mail.

 Kanton hält sich raus

 Tatsächlich dürfte es Erich Hess schwer haben, die Reitschule auf kantonaler Ebene zu bekämpfen. Das Gebäude, in dem sich das Kulturzentrum befindet, gehört der Stadt. Diese ist laut Peter Furrer, Generalsekretär der kantonalen Polizei- und Militärdirektion, auf ihrem Gebiet selber für die Sicherheit zuständig. "Es ist nicht am Kanton, in der Stadt Sicherheitspolitik zu machen." Die Reitschule sei ein städtisches Thema, bei dem sich der Kanton nicht einmischen könne. Dass das Kulturzentrum ein rechtsfreier Raum ist, bezweifelt Furrer: "Wenn die Polizei von Amtes wegen aktiv werden muss, dann tut sie das - ohne regierungsrätlichen Auftrag und auch in der Reitschule."
 as

---

Indymedia 28.9.10

Konzert nach Antifa-Abendspaziergang in Bern am 2.Okt

AutorIn : BagR

Berner Reitschule Nach dem Spaziergang spielen die Rabiatisten auf: http://www.rabiatisten.ch/

Diesen Samstag ist es endlich so weit; heraus zum 10. Antifaschistischen Abendspaziergang in Bern!
Und damit ihr danach nicht gleich ins Bett müsst, findet im Anschluss an den Abendspaziergang im Innenhof der Reitschule ein Konzert der Rabbiatisten statt. Für Speis und Trank ist natürlich gesorgt!

Also, bis am 02. Oktober vor der Heiliggeistkirche um 20:00 Uhr.
Auf ein starkes Zeichen gegen Staat, Kapital und Faschismus! Antikapitalistisch Vorangehen, statt der Welt beim Untergang zusehen!

-----------------------
ZAFFARAYA
------------------------

20 Minuten 28.9.10

 SVP-Bühler: Weg mit Zaffaraya

 BERN. Nachdem die Kantonspolizei Bern im Hüttendorf Zaffaraya beim Neufeld-Zubringer 80 Kilogramm Hanf beschlagnahmt hat (20 Minuten berichtete), wird die Politik nun aktiv. SVP-Stadtrat Peter Bühler fordert in einer Motion, dass das Experiment Zaffaraya für gescheitert erklärt wird. Er will vom Gemeinderat unter anderem, dass dieser beim Bund die Aufhebung des Standorts Neufeld-Zubringer als "alternatives Bauprojekt" verlangt. Weiter sollen sämtliche Unterstützungsleistungen für das Projekt Zaffaraya gestrichen werden. Die Bewohner sollen das Gelände selber aufräumen und möglichst bald verlassen.

---

bern.ch 23.9.10

Motion Fraktion SVPplus (Peter Bühler, SVP): Die alternative Hüttensiedlung Zaffaraya ist nichts weiter als eine Drogenanbau- und Drogendealerorganisation! Experiment gescheitert - Schluss und weg damit! (eingereicht 23.9.10)

Seit nun mehr gut 30 Jahren wird das "Projekt" Zaffaraya von den Behörden geduldet. Ohne Folgen wurden Gesetzesübertretungen, Häuserbesetzungen und Randale einfach hingenommen. Der zuständigen Regierung fehlte es an Mut zu handeln - man liess die alternative Wohnform zu, ja man unterstützte sie sogar, wo immer es ging. Wenn einmal ein Mitglied der Stadtregierung handeln und durchgreifen wollte, wurde es vom Gesamtgemeinderat überstimmt und zurückgepfiffen. Statt zu handeln zog es die Regierung vor zu reden und "verhätschelte" die "Zaffarayas" noch. Wenn ein Platz von ihnen gefordert wurde, kein Problem, man griff ein und sorgte dafür, dass ihnen etwas Passendes zugewiesen wurde. Als der alte Platz aufgehoben wurde, setzte sich die Regierung sofort für "Zaffinteressen" ein und man gab dem Hüttendorf einen neuen Standplatz. Obwohl der heutige Standort illegal ist, da er in einer Bauverbotszone liegt und keine gültige Baubewilligung vorliegt.

Die ganze Szene wird von oben geschützt und verhätschelt. Sonderwünsche etc. wurden ohne Bedingungen erfüllt. Man wollte ja keinen Ärger. Und nun wird die Quittung präsentiert. Es wurden auch wahre Hanfplantagen geduldet und auf Meldungen aus der Politik wurde nicht reagiert. Erst nachdem Anzeigen eingereicht wurden, reagierte die Polizei. Gut 160 Kilogramm Hanf wurden neben dem Neufeld-Zubringer - quasi mitten in der Stadt - beschlagnahmt. Von einem fälschlicherweise geduldeten, aber ebenfalls verbotenen Eigenbedarf kann hier nicht mehr die Rede sein, Ernten, Handeln und Verkaufen trifft es wohl eher. Wer es immer noch nicht wahrhaben will: Die Zaffarayas dealen, und dies nicht im kleinen Rahmen. Der Gesamtwert des beschlagnahmten Hanfs wird auf gut ein halbe bis eine Million Franken geschätzt.

Will der Gemeinderat nun wieder nur zuschauen und abwarten? Da dies zu erwarten ist, wird der Gemeinderat aufgefordert,

1.    dass sämtliche Unterstützung, (auch unentgeltliche Arbeit) für das Projekt "Zaffaraya" ersatzlos gestrichen wird

2.    dass das Projekt "Zaffaraya" gesamthaft als gescheitert betrachtet wird

3.    dass der Gemeinderat beim Bund vorstellig wird und sich dafür einsetzt, dass der Standort beim Neufeld-Zubringer als "alternatives Bauprojekt" aufgehoben wird

4.    dass der Gemeinderat dafür sorgt, dass die "Zaffarayas" den Standort beim Neufeld-Zubringer sauber und aufgeräumt verlassen

5.    dass der Gemeinderat beim Bund vorstellig wird und sich dafür einsetzt, dass der Standort beim Neufeld-Zubringer anderweitig genutzt wird.

Bern, 23. September 2010

Motion Fraktion SVPplus (Peter Bühler, SVP), Manfred Blaser, Roland Jakob, Ueli Jaisli, Rudolf Friedli, Simon Glauser, Robert Meyer

--------------------------
PARTY-PEOPLE
---------------------------

bernerzeitung.ch 28.9.10

Höchstens eine Busse für Partys im Wald

Berner Zeitung / Peter Steiger

 Die Veranstalter der lauten Musikpartys in den Wäldern rund um Bern haben von der Polizei nicht viel zu befürchten.

 Die Organisatoren von Musikpartys im Wald seien rücksichtslos, kritisierte Leserbriefschreiber Thomas Welti. Sie würden sich nicht um die Anwohner kümmern und Gesetze verletzen. Die Polizei müsse handeln. Die Diskussion angestossen hat ein Raubüberfall bei einer solchen Veranstaltung. Mitte September verletzten sechs Männer im Grauholz einen Partybesucher. "Wir handeln verhältnismässig", sagt Polizeisprecher Stefan von Below. Beim beschriebenen Vorfall war die Polizei vor Ort. Die Patrouille versuche, die Organisatoren in die Pflicht zu nehmen. Unter anderem wenn sie gegen das Gastwirtschaftsgesetz verstossen oder wenn Abfall liegen bleibt, müssten sie mit Bussen rechnen, so von Below. Sechs bis acht Mal im Jahr rücke die Polizei zu solchen Veranstaltungen aus. Ausser beim Überfall im Grauholz habe man sich noch nie um schwere Delikte kümmern müssen.

----------------------
RABE-INFO
----------------------

Mi. 29. September 2010

- Tauchgang in die Realität - ein Film über Anhörungen vor dem Untersuchungsrichter
- Rentner können Rentner mieten: Geschäftsidee mit Hintergedanken
- Urbane Safari: Schlangen, Molche und andere Reptilien und Amphibien

Links:
http://www.kellerkino.ch
http://www.rentarentner.ch
http://www.bern.ch/stadtverwaltung/tvs/stadtgaertnerei/veranstaltungen/wildnisbern

---

Di. 28. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_28._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_28._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2028.%20September%202010
- Europäische Sozialcharta: Schweiz steht im Abseits
- Gefährlicher Montag: warum zu Wochenbeginn die meisten Unfälle passieren
- Urbane Safari: auf der Schleimspur der Schnecken in der Stadt

Links:
http://www.sozialcharta.ch/home.php
http://www.suva.ch/home/unternehmen/medien/news/unfallstatistik-achtung-vor-dem-montagmorgen-/medienmitteilungen.htm
http://www.bern.ch/stadtverwaltung/tvs/stadtgaertnerei/veranstaltungen/wildnisbern

--------------------
POLICE BE
--------------------

BZ 29.9.10

Polizei testet Segways

 Die Berner Kantonspolizei testet zurzeit ein neues Fortbewegungsmittel: Sie sorgt auf sogenannten Segways für Ordnung.

 Es ist nicht so, dass die Berner Kantonspolizisten neuerdings mit Elektromotorrollern Verbrecher jagen würden. Dazu wären die Segways, die mit höchstens 15 Stundenkilometern laufen, unter Umständen dann doch nicht schnell genug. Aber für den Patrouillendienst in Quartieren oder für die Begleitung bei Umzügen könnten sie sich durchaus eignen, auch weil sie den Polizisten dank der erhöhten Position zu einem besseren Überblick verhelfen. Als Milchbauern am Montag in Bern demonstrierten, waren Polizistinnen und Polizisten auf Segways zur Stelle.

 12 Tage im Test

 Während zwölf Tagen testet die Berner Kantonspolizei die aus England stammenden Minitransporter. Wenn die Erfahrungen positiv ausfallen, "ist es möglich, dass wir künftig auch Segways einsetzen", sagte Peter Hirter von der Mobilen Polizei Bern gegenüber "20 Minuten".

 Nicht ungefährlich

 Der Fahrer steht auf der zwischen zwei Rädern angebrachten Plattform und hält sich an der Lenkstange fest. Er steuert, beschleunigt und bremst das Gerät ausschliesslich durch die Gewichtsverlagerung. Segways seien "gut kontrollierbar", sagt Hirter.

 Doch ganz so ungefährlich sind die Roller offenbar nicht. Vergangenen Sonntag ist ihr Hersteller, der 62-jährige Brite Jimi Heselden, auf seinem Anwesen in der Grafschaft Yorkshire tödlich verunglückt. Er soll mit einer geländegängigen Testversion unterwegs gewesen sein, als er vom Weg abkam und über eine mehrere Meter hohe Klippe hinunterstürzte.
 sgs

---

Telebärn 28.9.10

Polizisten testen Segways
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/polizisten-testen-segways/c=84713&s=1034868

---

20 Minuten 28.9.10

Berner Polizei bald mit Segways im Einsatz?

 BERN. Als erstes Polizeikorps der Deutschschweiz testet die Kapo Bern Segways für ihre Patrouillen. Gestern überwachte sie auf den zweirädrigen Elektro-Flitzern bereits eine Demo. Peter Hirter von der Mobilen Polizei ist begeistert: "Die Gefährte sind sehr flink und wendig." Allerdings gibt es auch kritische Stimmen: Die SP befürchtet eine Gefahr für Passanten.

--

Berner Polizisten sind begeistert von Segways

 BERN. Berner Polizisten könnten bald mit Segways durch die Stadt flitzen. Zurzeit wird ein Einsatz der Elektromotorroller getestet - mit ersten positiven Erfahrungen.

 Neuerdings düst die Kapo mit Segways durch Berns Strassen. In einer zwölftägigen Testphase stellt sie die Funktionstüchtigkeit der Mini-Transporter für den Patrouillendienst auf die Probe. "Die Gefährte sind sehr wendig und sicher", sagt Peter Hirter von der Mobilen Polizei Bern. Zudem verhelfe die erhöhte Position zu einem guten Überblick - "ideal also für Quartierkontrollen oder Umzugsbegleitungen". Auch die Bevölkerung zeigt Freude. "Mir haben schon viele Leute zugewinkt", so Astrid Bohnenblust, Verkehrspolizistin und Segway-Testerin. Nach der Pilotphase wertet die Kapo die Erfahrungen aus. "Sind sie positiv, ist es möglich, dass wir künftig auch Segways einsetzen", so Hirter.

 "Ganz schön daneben" findet SP-Stadträtin Gisela Vollmer diese Idee. "Die Fahrzeuge behindern und gefährden die Passanten." Hirter weiss aber: "Segways dürfen nur auf Strassen benutzt werden." Die erlaubten 15 km/h seien zudem gut kontrollierbar. Weil das Lenken aber gewöhnungsbedürftig ist, empfiehlt die Beratungsstelle für Unfallverhütung, vor der ersten Fahrt auf einer abgesperrten Fläche zu üben."

 Bei der Stapo Zürich hat sich indes Inlineskating als neues Transportmittel bewährt. "Wir sind aber sehr gespannt auf die Erfahrungen aus Bern", so Sprecherin Judith Hödl.  

Bigna Silberschmidt

--

 Segway-Chef stürzt zu Tode

 LEEDS (GB). Der Besitzer der Firma Segway, Jimi Heselden (62), ist am Sonntag mit einem seiner Gefährte in den Tod gestürzt: Der Multi-Millionär erkundete mit einer geländegängigen Testversion des Segway sein Anwesen in der Grafschaft Yorkshire, als er vom Weg abkam und über eine mehr als neun Meter hohe Klippe fuhr. Ein Passant fand seine Leiche später unterhalb der Felswand im Fluss Wharfe. Dass die Hightech-Roller gefährlich sein können, haben auch Crashtests in Deutschland ergeben. Demnach muten sich ungeübte Lenker zu schnell zu viel zu - und dies, obwohl vor allem Vollbremsungen sehr viel Können erfordern.

---

BZ 28.9.10

Fundgrube

 Gestern begleitete eine Polizistin per Segway eine Bauerndemonstration durch die Berner Innenstadt. Die elektrischen Stehroller würden diese Woche getestet, heisst es bei der Kantonspolizei. Zur Kontrolle des ruhenden Verkehrs oder zur Umzugsbegleitung könne das Gefährt durchaus nützlich sein. Ganz ungefährlich ist es aber offenbar nicht: Vergangenen Sonntag verunglückte der britische Hersteller Jimi Heselden mit einem Segway tödlich (vgl. Seite 30). (rw)

----------------
DROGEN
----------------

20 Minuten 28.9.10

Erntezeit: Outdoor-Hanf boomt im Kanton Bern

 BERN. Anscheinend haben die Berner genug vom Industriehanf: Immer mehr bauen sich ihren eigenen Outdoor-Hanf an.

 "Wir stellen eine Tendenz fest, dass der Selbstanbau von Hanf zunimmt", sagt Stefan von Below, Sprecher der Berner Kantonspolizei. Seit Ende Juli seien rund zehn Outdoor-Pflanzungen aufgeflogen. "Meist handelt es sich um kleinere Plantagen von rund 30 Pflanzen. Oft werden diese entdeckt, weil Passanten oder Polizisten den Geruch wahrnehmen oder die Pflanzen erkennen", sagt von Below. Die meisten Anbauorte seien getarnt, etwa in Maisfeldern oder an Waldrändern. "Wir suchen aber nicht aus der Luft nach Hanffeldern, das wäre unverhältnismässig."

 Für Hanf-Experte Peter Brugger ist klar, warum der Outdoor-Selbstanbau zunimmt. "Die Leute wollen natürlichen Hanf und nicht dieses Industriezeug." Sabina Geissbühler von der Vereinigung Eltern gegen Drogen will nun, dass der Nationalrat das Bundesamt für Gesundheit in die Pflicht nimmt: "Es muss endlich klarstellen, dass auch der Anbau von Hanf verboten ist. Die Bevölkerung ist einfach verunsichert."  

Nora Camenisch/nj

----------------------------
RECHTSEXTREM
----------------------------

BZ 28.9.10

Langenthal

 Minarett: Nun doch keine Demo

 Die Facebook-Gruppe hat die Demonstration gegen den Bau des Minaretts in Langenthal schon wieder abgeblasen.

 Offenbar war es nur Schaumschlägerei: Die geplante Demo der Minarettgegner vor der Langenthaler Moschee vom Samstag ist abgesagt. Lanciert worden war die Aktion letzte Woche über die Internetplattform Facebook, in der Gruppe "Stopp dem Minarett in Langenthal" (wir berichteten).

 Status quo: Kein Gesuch

 Jetzt vermeldete der Gruppengründer, der sich auf Facebook "Adrian Burri" nennt, den Rückzug. Es genüge ihm, dass die Medien Interesse gezeigt hätten, schreibt er. Er habe mehr erreicht, "als man mit einer sicher nur kleinen Demo je hätte erreichen können".

 Für den Langenthaler Stadtpräsidenten Thomas Rufener (SVP) ist der Widerruf der Demo nicht weiter verwunderlich: Auf Facebook habe man seine Meinung schnell mit ein paar Klicks kundgetan. Was aber offenbar nicht heisse, dass sie am nächsten Tag noch gelten müsse. Bis gestern Mittag jedenfalls ist bei der Stadt kein Gesuch um eine Demo eingegangen.

 Demonstriert die Pnos?

 Aber es könnte noch eines kommen: Die rechtsextreme Partei national orientierter Schweizer (Pnos) hat in der Zeitung "Sonntag" angekündigt, dass sie sich überlege, eine Demo gegen den Bau des Minaretts durchzuführen. Ob es die Partei ernst meint, ist unklar. Sprecher Dominic Lüthard war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

 Der Streit ums Minarett in Langenthal ist letzte Woche wieder entfacht, weil der Kanton die Beschwerde gegen das Minarett abgewiesen hatte. Somit be-kam die islamische Glaubensgemeinschaft grünes Licht für den Bau ihres Moscheeturms. Die Gegner kündigten allerdings postwendend an, sie würden den Entscheid an die nächste Instanz weiterziehen.

 Dominik Balmer

---

NLZ 28.9.10

Komitee will bis vors Bundesgericht

 Minarett

Christoph Reichmuth

 Der Bundesrat sagt nichts mehr zur Langenthaler Minarett-Debatte. Jetzt wollen die Minarett-Gegner die Muslime zum freiwilligen Verzicht überreden.

 Um seinen Gemütszustand war es gestern nicht zum Besten bestellt. SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer schimpfte gegen die Landesregierung, als gäbe es kein Morgen. Das Wort "Skandal" fiel mehr als nur einmal.

 Was war geschehen? Soeben hatte der Zürcher die bundesrätliche Antwort auf seinen Vorstoss bezüglich des Langenthaler Minaretts erhalten. Schlüer forderte den Bundesrat zu einem "Machtwort" auf, das Minarett in Langenthal dürfe angesichts des Volksneins zum Bau von Minaretten nicht errichtet werden. Doch die zuständige Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf tat ihm diesen Gefallen nicht: "Der Bundesrat hat keinen Anlass und auch keine Kompetenz, sich in ein laufendes Rechtsmittelverfahren einzumischen oder dazu Stellung zu nehmen." Die Minarett-Gegner hätten die Möglichkeit, gegen den Minarett-Bau vor dem bernischen Verwaltungsgericht Beschwerde einzulegen. "Es gibt kein Gerichtsurteil, das über einen Volksentscheid zu stellen ist", polterte Schlüer.

 Komitee will an nächste Instanz

 Wie dem auch sei: Dass sich demnächst weitere Richter mit dem umstrittenen Minarett-Bau befassen müssen, steht so gut wie fest: Das Komitee "Stopp Minarett Langenthal" will den Fall ans Verwaltungsgericht weiterziehen, bestätigt Komitee-Sprecher Daniel Zingg. Es sei denn, die Islamische Glaubensgemeinschaft Langenthal verzichtet freiwillig auf den Bau des Gebetsturmes. Zingg: "Wir wollen mit Mutalip Karaademi, dem Präsidenten der Glaubensgemeinschaft, diese Woche zusammensitzen. Es wäre nichts als anständig, wenn die Muslime auf ihr Minarett verzichten würden." Ob sich Karaademi überhaupt auf eine Aussprache einlassen wird, ist offen: Der Präsident der Glaubensgemeinschaft sowie ihr Jurist Daniel Kettiger waren für eine Stellungnahme gestern nicht erreichbar. Zingg gibt sich kämpferisch: "Wir ziehen so lange vor Gericht, bis wir gewonnen haben." Demnach sei auch ein Weiterzug ans Bundesgericht denkbar. Ob das Komitee dabei von der SVP finanziell unterstützt wird, ist unklar. Minarett-Gegner Ulrich Schlüer: "Das Geld haben wir momentan auch nicht." Und weiter: "Es ist per se unerträglich, dass man sich in Geldnot begeben muss, um einen Abstimmungssieg zu vertreten."

 Gericht muss abwägen

 Wie die Chancen für die Minarett-Gegner vor Gericht stehen, ist laut Staatsrechtsexperten schwer einzuschätzen. Sebastian Heselhaus, Völkerrechtler an der Universität Luzern, sieht die Vorteile tendenziell bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Das Minarett-Verbot sei ein politisch-symbolischer Akt, durch den niemand konkret geschützt werde. Müsse die Glaubensgemeinschaft hingegen auf den Bau des Minaretts verzichten, komme dies einer konkreten Einbusse gleich. "Das Gericht muss nun abwägen, ob das öffentliche Interesse gegen das Minarett grösser ist als das Vertrauen, das man den Muslimen durch die erstinstanzliche Baubewilligung erteilt hat."

 Komitee distanziert sich von Demo

 Derweil mobilisieren Minarett-Gegner via Facebook zu einer Demonstration am Samstag in Langenthal. Verschiedenen Medienberichten zufolge könnten hinter dem Aufruf Rechtsextreme stecken. Komitee-Sprecher Zingg betont: "Wir distanzieren uns von diesem Aufruf. Damit haben wir nichts zu tun."

 Christoph Reichmuth

 christoph.reichmuth@neue-lz.ch

--

 Volksnein kam viel später

 Entscheid

 cr. Die islamische Glaubensgemeinschaft Langenthal darf ihr geplantes Minarett realisieren. Dies hat die Berner Baudirektion vergangene Woche entschieden. Sie wies Beschwerden von Anwohnern gegen die Errichtung eines Turms auf dem islamischen Kultur- und Begegnungszentrum mit der Begründung zurück, die Stadt Langenthal habe die Baubewilligung am 30. Juni 2009 erteilt. Das Schweizer Stimmvolk sprach das Minarettverbot aber erst fünf Monate später aus. Das Minarett-verbot sei laut Baudirektion deshalb nicht mehr auf das Projekt in Langenthal anwendbar.

---------------------------
THOR STEINAR
----------------------------

Basler Zeitung 29.9.10

Briefe

 Kleider werden von Neonazis vertrieben

 Unbekannte bekämpfen Laden/ Ein neues Geschäft im Kleinbasel wird wegen der Kleidermarken angefeindet; BaZ 24. 9. 10

 Anonyme Aufrufe sind kontraproduktiv, mit bedeutend mehr Zivilcourage gingen die Jusos aus Mecklenburg-Vorpommern mit der Aktion "Endstation Rechts" vor. Sie verkauften Shirts mit der Marke Storch Heinar. Ein Storch, der an "Froschfleisch-Intoleranz" leidet und mit Stahlhelm und Hitlerbart ausgerüstet ist. Zu hoffen ist, dass die Basler Polizei nicht nur die Schreiber des anonymen Briefes "weiter im Auge behält", sondern auch die Käuferschaft der Thor-Steinar-Kleider. Diese werden in der Schweiz primär per Internet von einem Aktivisten der neonazistischen Hammerskin-Szene vertrieben. Laut der deutschen Tagespresse hat der Deutsche Verfassungsschutz daran gar keine Freude. Das ursprüngliche Logo von Thor Steinar war eine Binderune. Der eine Teil steht in der nordischen Mythologie für Kampf und Aktion. Sie wurde per Gericht verboten. Das neue Logo ähnelt nun der norwegischen Flagge so sehr, dass der norwegische Staat 2008 Anzeige gegen die Firma erstattete. Der demokratische Staat Norwegen wolle nicht, dass Neonazis ihre Flagge für Werbezwecke missbrauchen. Man sollte sich also nicht durch naive Aussagen von Steinar-Verkäufern blenden lassen - die Kleider sind vor allem in der rechtsextremen Szene sehr beliebt und werden bewusst getragen. Dass auch "Menschen mit Migrationshintergrund" hier einkaufen, ist keine Rechtfertigung, nur der Beweis, dass auch Nichtschweizer rechtsextremes Gedankengut pflegen. In dieser Hinsicht ist man international.

Brigitta Gerber, Basel, Grossrätin Grünes Bündnis

---

20 Minuten 28.9.10

Wegen Kleidern: Angriff auf Shop

 BASEL. Lorenzo Zanolari (50) und Benjamin Winzeler (28) verkaufen in ihrem neuen Laden Power Zone Basel an der Feldbergstrasse Kampfsportartikel und Kleider von Marken wie etwa Pro Violence und Thor Steinar. Dafür werden sie beschimpft und bedroht; der Laden wurde mit Farbe beschmiert. "Uns wird vorgeworfen, wir seien Neonazis", empört sich Geschäftsleiter Zanolari. Die Kleider seien beste Qualität und sollen keineswegs eine Identifikation mit Rechtsextremismus darstellen.

 Eine anonyme Gruppierung fordert die Schliessung dieses Ladens. Ebenfalls im Shop angebotene Marken wie Lonsdale und Everlast wollten in Zukunft keine Bestellungen von Power Zone Basel mehr entgegennehmen, wie die Gruppierung gestern mitteilte. Die beiden Marken distanzieren sich somit bereits vom neuen Basler Kleiderladen. lo

--------------------------
WIDERSTAND
--------------------------

BZ 28.9.10

Ostermundigen

 Heidi Zuber erzählt

 "I bsinne mi" heisst das Büchlein mit den berndeutschen Geschichten von Heidi Zuber aus Ostermundigen.

 Geboren ist Heidi Zuber in Biglen. Seit Jahrzehnten lebt sie aber im Waldheim bei Ostermundigen. Bekannt wurde Heidi Zuber, weil sie mit ihrem Mann, dem Arzt Peter Zuber, Flüchtlingen, Drogensüchtigen und Sterbenden Unterschlupf bot. Damals, in den 1980er-Jahren, begann sie zu schreiben. Zuerst Tagebuch, später berndeutsche Geschichten. Diese publizierten zuerst kirchliche Zeitschriften. Jetzt ist beim Blaukreuz-Verlag Heidi Zubers erstes Buch erschienen: "I bsinne mi".

 In den Geschichten ist der Tod allgegenwärtig. Es ist spürbar, dass die Autorin selber Schweres erlebt hat. Trotzdem bestechen die Erzählungen durch ihre Heiterkeit und ihren Humor. In urchigem Berndeutsch beschreibt Heidi Zuber das Leben mit allen seinen Facetten.
 lfc

 "I bsinne mi" von Heidi Zuber. Blaukreuz-Verlag Bern. 14 Franken. Im Buchhandel und bei Paperlapap, Ostermundigen.

-------------------------------
ANTISEMITISMUS
-------------------------------

Tagesanzeiger 29.9.10

Le-Corbusier-Platz in Zürich: Stadtrat prüft andere Namensgebung

 In der neuen Grossüberbauung bei der Sihlpost soll ein Platz dem umstrittenen Neuenburger Architekten die Ehre erweisen — dieser Plan stösst nun zunehmend auf Widerstand.

 Von Daniel Schneebeli

 Zürich - Die UBS kippte Anfang Woche den Architekten Le Corbusier aus ihrer Imagekampagne (TA von gestern). Die Gesellschaft Schweiz-Israel hatte zuvor dagegen protestiert, dass die grösste Schweizer Bank mit einem Antisemiten werbe. Doch mit ihrem Verzicht auf Le   Corbusier hat die Bank nun auch die Stadt Zürich in Zugzwang gebracht. Denn der Stadtrat hatte vor drei Jahren beschlossen, an prominentester Lage zwischen Sihlpost und Hauptbahnhof einen neuen Platz nach dem Städteplaner zu benennen. Der Le-Corbusier-Platz wird Teil der Überbauung Stadtraum HB mit der Europaallee sein und kommt vor die neue Pädagogische Hochschule zu liegen.

 Die meisten Politiker haben die Brisanz der Platz-Benennung im Jahr 2007 nicht erkannt, oder der Stadtratsentscheid ist ihnen damals entgangen wie etwa der SP-Gemeinderätin Christine Seidler. Sie hat vor kurzem mit einer Interpellation zur Bührle-Kunstsammlung eine Debatte im Stadtparlament über Nazi-Raubkunst ausgelöst. Für die Raumplanerin Seidler geht es nicht an, dass die Stadt Zürich Le Corbusier ein Denkmal setzt. "Bei allem Respekt, aber das kann sich Zürich nicht leisten", sagt Seidler. Der Stadtrat müsse nun Verantwortung übernehmen und den Platz anders benennen.

 So absolut sagt es Kantonsrat Markus Bischoff (Alternative Liste) nicht. Er war vor einigen Jahren - damals noch als Gemeinderat - aktiv geworden wegen eines anderen Antisemiten: Jacob Burckhardt. Nach dem Kulturhistoriker ist in Zürich eine Strasse benannt. Bischoff verlangte damals, der Stadtrat müsse die Geschichte Burckhardts transparent machen. Im aktuellen Fall erinnert Bischoff daran, dass die Wertehaltung Le Corbusiers unter den europäischen Intellektuellen seiner Zeit "Mainstream" war.

 Dennoch ist für Bischoff die Platzbenennung heikel. Auch er empfiehlt eine Änderung des Namens, hält aber eine andere Idee für besser: Den Lebenslauf des Architekten und Möbeldesigners mit allen Sonnen- und Schattenseiten auf einer Tafel am Platz anzuschlagen. "Das hätte wahrscheinlich mehr Wirkung als eine Umbenennung", glaubt Bischoff.

 Lieber Wilhelm Tell ehren

 Für Michael Baumer, FDP-Präsident der Stadt Zürich, wäre eine Begründung der Namensgebung angezeigt. Man dürfe nicht vergessen, dass Le Corbusier nicht nur ein Hitler-Verehrer, sondern auch ein genialer Architekt gewesen sei. Dass der Platz-Name erst jetzt zu reden gibt, führt Baumer darauf zurück, dass er 2007 in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. Weniger Mühe mit dem Namen hat SVP-Gemeinderat und Fraktionschef Mauro Tuena. "Mich stört wesentlich mehr, dass die zentrale Strasse im Stadtraum HB Europaallee getauft wurde." In einem Vorstoss hat er eine Umbenennung in Wilhelm-Tell-Allee gefordert. Sein Anliegen ist noch hängig.

 Leupi will über die Bücher

 Die Sekretärin der Strassenbenennungskommission der Stadt Zürich, Charlotte Koch, weist darauf hin, dass der Entscheid einvernehmlich mit den SBB getroffen worden sei. Dennoch hat die aktuelle Kontroverse etwas ausgelöst. Polizeivorsteher Daniel Leupi (Grüne) liess gestern ausrichten, an der Oktober-Sitzung der Strassenbenennungskommission werde der Name überprüft. Es wäre in der Schweiz nicht der erste Le-Corbusier-Platz. Bern hat einen, und in Genf gibt es eine "Rue Le Corbusier".

 Hintergrund Seite 8

--

Der böse Le Corbusier

 Die UBS hat eine Kampagne mit ihm gestoppt. Verlangt wird sogar, dass sein Konterfei von der Zehnernote verschwindet. Ist der berühmte Schweizer Architekt wirklich untragbar? Von Stanislaus von Moos*

 Wie beruhigend wäre es doch, wenn Persönlichkeiten, welche die Sehgewohnheiten ihrer Zeit auf neue Grundlagen gestellt haben, sich beim Small Talk an den Kodex der politischen Korrektheit hielten. Leider verhält es sich in der realen Welt nicht so. Eine dumme Bemerkung hier, eine politische Fehleinschätzung dort, beides zur falschen Zeit, und schon spricht sich herum, dass einer ein "Hitler-Bewunderer" war und "die Juden verachtete".

 Diesmal traf es den 1965 verstorbenen Le Corbusier, genauer, die UBS, der offenbar entgangen war, dass Le Corbusier in der Schweiz heute im Giftschrank steht. Warum? Weil die Hauszeitschrift des SIA, des führenden Schweizer Verbands der Ingenieure und Architekten, ihrem Publikum vor fünf Jahren ein paar üble Details aus der Vita des Architekten enthüllt hat, der 1987 als Charles-Edouard Jeanneret in La Chaux-de-Fonds geboren war ("Le Corbusier à Vichy", Tracés, 11, 2005). "Die Weltwoche" verstieg sich daraufhin zu Behauptungen, die den Boden der Realität weit hinter sich liessen, und Daniel de Roulet, der Verfasser der SIA-Postille, forderte gar, die Schweizerische Nationalbank solle die Zehnfrankennote mit Le Corbusiers Konterfei einstampfen.

 Merkwürdig: Die "Sensation" hinterliess damals zwar einen bitteren Nachgeschmack in der Fachwelt und einen unübersehbaren Flecken auf dem öffentlichen Ansehen des "Jahrhundertarchitekten", aber damit hatte es sein Bewenden. Die Karawane zog weiter.

 Visionen entwickelt

 Die wirklichen Herausforderungen, die vom Namen Le Corbusier ausgehen, so schien man zu ahnen, liegen anderswo: Wie sollen sich Menschen im Durcheinander der technischen Zivilisation einrichten? Was muss getan werden, um die Städte wieder an ihre natürlichen Lebensgrundlagen anzubinden? Braucht es überhaupt Architekten, um entsprechende Modelle zu entwickeln?

 Das Nachdenken zu alledem beruht bis heute auf Argumenten und Kriterien, die Le Corbusier in die Welt gesetzt hat, allerdings nicht er allein. Vieles davon ist inzwischen von der Geschichte eingeholt und manches auch überholt worden. Geblieben aber sind die vom Architekten über die Jahrzehnte hinweg gestalteten Artefakte: kleine, bis ins intimste Detail ausgetüftelte Wohnhäuser in La Chaux-de-Fonds und am Genfersee, Villen und Ateliers in Paris und Umgebung, ein Schweizer Studentenhaus, auf das die Eidgenossenschaft mit Recht stolz ist, aber auch ein Hospiz der Heilsarmee, der Sitz eines riesigen Gewerkschaftsgebäudes in Moskau, eine Wallfahrtskapelle in den Vogesen, eine Klosterschule bei Lyon, ein Komplex von Regierungsgebäuden in Indien.

 Mit jedem dieser Werke wurde die Natur der Aufgabe neu bestimmt und ein plastischer Archetypus für die jeweils gewählte Konstruktionsart geprägt: traditioneller Mauerbau, Betonskelett, Stahl und Glas, dann wieder Backstein und Sichtbeton. Von Mal zu Mal in gesteigerter Form wurde so das Letzte an Plastizität und Ausdrucksgewalt aus der Architektur herausgeholt. Im Rückblick kann man an diesen Bauten die grossen Themen der visuellen Kultur des 20. Jahrhunderts ablesen. Ausserdem kann man verfolgen, wie sich in der Person Le Corbusiers ein uralter Typus des Künstler-Architekten in neuer Form herausgebildet hat, teils unter explizitem Rückbezug auf Michelangelo oder Borromini - ein Vorgang, der das heutige Starsystem der Architektur vorwegnimmt.

 Muss von einem solchen Architekten erwartet werden, dass er die Weltlage im Zweiten Weltkrieg anders oder vernünftiger einschätzt, als es damals ein beträchtlicher Teil seiner Landsleute tat, unter anderem auch ein Teil der Regierung (von der Nationalbank selbst und ihrem nicht ganz lupenreinen Gold zu schweigen)?

 Es trifft leider zu und wurde auch schon mehrfach nachgezeichnet, zuletzt und mit voyeuristischer Detailfreude durch Nicholas Fox Webber im 2008 erschienen Buch "Le Corbusier. A Life": Le Corbusier wäre um der Realisierung seiner Ideen willen bereit gewesen, fast jeden Pakt mit dem Teufel zu schliessen. So gesehen verhält es sich nicht grundsätzlich anders als im Falle eines Waffenlieferanten aus Oerlikon, mit dem Unterschied, dass es dabei um Wohnbau ging und nicht um Kriegsgerät.

 Nähe zur Macht gesucht

 Das macht aus den Bankiers, Unternehmern und Industriekapitänen, deren Gesellschaft Le Corbusier sein Leben lang suchte (von Raoul La Roche über Gabriel Voisin, Henri Frugès, Tomàs Bat'a, John D. Rockefeller bis hin zu Raoul Dautry und Adriano Olivetti), allerdings noch keine Räuberbande. Und aus seinem wichtigsten Bauherrn, Jawaharlal Nehru in Indien (für den er in den Fünfzigerjahren die Stadt Chandigarh entwarf) auch keinen asiatischen Hitler. Wer Le Corbusier heute zum "Antisemiten" und "Hitler-Bewunderer" erklärt, macht es sich zu einfach. Das zeigt ein Auszug aus einem Aufsatz, den er am 15. Dezember 1938 verfasste, zu einem Zeitpunkt, da angeblich kaum jemand das Drama auf der Weltbühne kommen sah:

 Das Schicksal von sechs Millionen Juden, die zwischen dem Rhein und Dagestan und zwischen der Ägäis und dem Baltischen Meer einem wachsenden Druck und einem oft unerträglichen Rassenhass und wirtschaftlicher Not ausgesetzt sind, ist heute eines der grössten Probleme der Epoche. Es geht nicht nur um Hilfeleistung. Es geht um internationale Politik. Schon 1896 sagte Theodor Herzl: "Die jüdische Frage ist eine Pestbeule auf dem Körper der europäischen Zivilisation, an der Europa zugrundegehen wird - es wäre dann, sie würde daran genesen.

 Es genügt, sich zu vergegenwärtigen, wie direkt der Antisemitismus mit der pangermanischen Propaganda und die Judenverfolgungen mit den Kriegsvorbereitungen zusammenhängen, um sich zu vergegenwärtigen, wie unmittelbar die Gefahr ist, die in diesen Worten zum Ausdruck kommt. ( . . . ) Die Juden sind die ersten, aber sie werden mitnichten die letzten und die einzigen Opfer der Leidenschaften sein, die durch diesen Rassenhass entfesselt werden.

 Diese Einsicht ändert nichts daran: Le Corbusier hätte auch für Mussolini gebaut, um dem drohenden Kriegsdesaster mithilfe von Architektur vorzubeugen, und wenn es hätte sein müssen wohl auch für Hitler. Von Aufträgen war in all den Jahren jedoch keine Spur.

 Zum Paradox Le Corbusier gehört die Tatsache, dass seine autoritären politischen Neigungen nirgends so viel Misstrauen weckten wie gerade im Umfeld autoritärer Regimes. Die Mehrheit seiner Bauherrn gehörte zum Milieu einer aufgeklärten industriellen Elite. Und seine Mitarbeiter und Mitstreiter waren fast alle politisch links engagiert, gerade die engsten unter ihnen wie sein Vetter Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand. Mussolini dachte 1934 jedenfalls nicht daran, den in Paris residierenden Schweizer Ambassador der Architekturmoderne zu der erbetenen Privataudienz zu empfangen. General Pétain liess den Architekten zwar während immerhin 18 Monaten in Vichy weibeln, sah aber davon ab, ihm irgendwelche Kompetenzen zu erteilen. Im Juli 1942 brach der Architekt die Übung endlich ab: "Adieu, liebes beschissenes Vichy! Ich schüttle den Staub von meinen Stiefeln bis zum letzten Körnchen."

 7000 Briefe hinterlassen

 Das ist ihm nicht gelungen. Die Forschung hat gewisse schlimme weltpolitische Fehleinschätzungen und unzweideutige antisemitische Ausrutscher im Nachlass des kaum zu bremsenden Briefeschreibers gefunden. Seine Weltsicht war im kleinbürgerlichen Westschweizer Milieu, dem er entstammte, allerdings nicht ungewöhnlich, wie die noch vollmundigeren Kommentare in den Briefen von Mama Jeanneret an den Sohn beweisen.

 Streitereien und Prozesse mit den Bauherren der ersten von Le Corbusier erbauten Villen in La Chaux-de-Fonds - die meisten von ihnen jüdischer Herkunft - haben wenig dazu beigetragen, seine Vorurteile abzubauen. Sie haben den Architekten aber auch nicht daran gehindert, mit manchen dieser Bauherren eine lebenslange Freundschaft zu pflegen. Moralisch ist das alles höchst zweifelhaft, auch wenn seine Haltung in seinem Herkunftsland Staatsräson war (unter dem Titel "Neutralität") und in mancher Hinsicht weiterhin ist.

 Architektur und Städtebau, so wie Le Corbusier sie verstand, hatten die durchgreifende Obrigkeit zur Voraussetzung, und ein unkritisches Vertrauen in die Güte und Selbstlosigkeit von Väterchen Staat. Viel Druckerschwärze ist seiner etatistischen Neigung zu Recht gewidmet worden. Hinter alledem verbirgt sich Le Corbusiers Variante des helvetischen "Unbehagens im Kleinstaat", ein spezifisch schweizerischer Demokratieverdruss und, damit gepaart, eine Versuchung zur Grösse, wie sie nicht wenige Schweizer Intellektuelle von Conrad Ferdinand Meyer bis hin zu Max Frisch über kürzere oder längere Zeit befallen hat. Und doch: Wer einmal das kleine Häuschen seiner Eltern am Genfersee (1924), die Unité d'habitation in Marseille (1947-53) oder die Wallfahrtskapelle von Ronchamp (1950-55) besucht hat, der spürt auf Anhieb, warum Hitler, Mussolini und ihre Bürokraten letztlich nichts mit solchem Zeug zu tun haben wollten.

 * Stanislaus von Moos ist Kunsthistoriker und lehrte von 1983 bis 2005 an der Universität Zürich. Er ist Verfasser mehrerer Bücher über Le Corbusier.

---

NZZ 29.9.10

Wankender Gigant

 Mit der Nazi-Keule gegen Le Corbusier

 Roman Hollenstein · Le Corbusier war als Architekt eine Jahrhundertfigur. Seine Erkenntnisse haben der Baukunst ganz neue Wege gewiesen. Deshalb verdient er seinen Platz auf der Schweizer Zehn-Franken-Banknote. Doch wie viele grosse Künstler war auch er nicht frei von Schwächen und Widersprüchen. Dass seine totalitär anmutenden, vom Absolutismus eines Louis XIV beeinflussten städteplanerischen Visionen den modernen Städtebau auf Irrwege führten, darf man heute laut sagen. Selbst seine Anbiederung beim Vichy-Regime ist bekannt und in der Fachliteratur aufgearbeitet worden, auch wenn das die Öffentlichkeit lange kaum interessierte.

 Vichy und der Antisemitismus

 Seit einem Jahr jedoch schwingen vor allem deutschsprachige Medien die Nazi-Keule gegen Le Corbusier. Sie tun dabei so, als ob sie den Meister bei seinem unrühmlichen Tun auf frischer Tat ertappt hätten. Die Vichy-Zeit ist gewiss kein Ruhmesblatt in der Karriere des Schweizers, der wie viele seiner Kollegen glaubte, mit Hilfe von Diktatoren liessen sich grosse Würfe leichter realisieren. Auch Ludwig Mies van der Rohe war zur Zusammenarbeit mit einem Schreckensregime bereit, bis ihm das Scheitern seines Reichsbank-Entwurfs zeigte, dass Hitler eine ganz andere Architektur vorschwebte.

 Es war die Hoffnung auf die Realisierung seines megalomanen Traums von einem modernen Algier, die Le Corbusier in die Arme Pétains trieb. Seine Verblendung war so gross, dass er sich in einem Brief an seine Mutter vom Herbst 1940 sogar positiv über Hitlers geplante Neugestaltung Europas äusserte. Seine Anbiederungen trugen ihm aber nicht mehr ein als die Funktion eines städtebaulichen Beraters im Vichy-Régime, denn ein gnädiges Schicksal bewahrte ihn davor, bauen zu können. Ob er damals wirklich ein "rabiater Antisemit" war, wie der Architekturhistoriker Pierre Frey in der "Weltwoche" behauptete, muss noch genauer erforscht werden.

 Gegen die Juden gerichtete Äusserungen, die belegt sind, lassen Le Corbusier aber zumindest in der Gesellschaft grosser Architekten wie Frank Lloyd Wright oder Philip Johnson wiederfinden, die beide ihren Aversionen zum Trotz hochbedeutende Synagogen realisierten. Und Le Corbusiers erstes Hauptwerk, die Villa Schwob in La Chaux-de-Fonds, entstand im Auftrag eines jener Juden, die nach Meinung des Architekten "praktisch die gesamte ortsansässige Industrie geschluckt" hatten. Die Äusserung belegt, dass die Seuche des Antisemitismus auch intelligente Menschen befallen kann und dass sich hier - vielleicht - erstmals Le Corbusiers opportunistisches Karrierestreben manifestierte.

 Opportunistischer Künstler

 In diesen Tagen stehen Le Corbusiers Beziehungen zu Vichy und sein Antisemitismus erneut im Zentrum des Interesses. Streicht doch die UBS, wie eben bekanntgeworden ist, Le Corbusier aus ihrer neusten Imagekampagne, weil er sich mit Vertretern totalitärer Regime eingelassen habe. In diesem Zusammenhang ist nun auch die Schweizerische Nationalbank kritisiert worden, weil sie 1997 die Zehnernote Le Corbusier widmete und damit einen zum Antisemitismus neigenden Anhänger des Vichy-Regimes (der darüber hinaus für Stalin baute und bei Mussolini antichambrierte) ehrte. Die Nationalbank kann aber nicht einfach den Geldschein zurückziehen; und das ist derzeit auch nicht nötig. Denn die Details von Le Corbusiers Engagement in Vichy und seine Kenntnisse der politischen Situation (bis hin zur Deportation jüdischer Bürger) sind nicht wirklich aufgearbeitet. Bekannt ist hingegen, dass er seine Haltung stets nach dem Wind ausrichtete und sich schliesslich de Gaulle annäherte. Viel wichtiger ist es, die Diskussion um Le Corbusiers politischen Opportunismus zu führen und dabei einmal mehr zu erkennen, dass selbst Künstler, die die Welt massgeblich verändert haben, bei ihrem Drang nach Selbstverwirklichung vor Verirrungen nicht sicher sind.

---

Tagesanzeiger 29.9.10

Le Corbusier fliegt aus der UBS-Werbung

 ZÜRICH. Die UBS kippt Le Corbusier aus ihrer neuen Werbekampagne. Der Grund: antisemitisches Gedankengut des berühmten Schweizer Architekten. Eine Sprecherin bestätigte gegenüber dem "Tagesanzeiger": "Wir wollen mit unserer Werbung eine Botschaft an unsere Kunden senden und wir möchten nicht, dass diese in einer Kontroverse um Le Corbusier untergeht." Gemäss einer Briefauswahl und einer US-Biografie habe Le Corbusier Hitlers Krieg ohne moralische Bedenken und frei von menschlicher Regung begrüsst. Mit diesen Fakten konfrontiert, sagte die Bank noch am Sonntag: "Wir sehen keine ausreichenden Gründe, in unserer laufenden Kampagne auf ihn zu verzichten." Heute folgte die Kehrtwende: Le Corbusier verschwand von der Internetseite der UBS. Weiterhin jedoch wird das Porträt des Schweizer Künstlers, der auch als Städteplaner, Möbeldesigner und Maler weltberühmt wurde, die Zehn-Franken-Noten zieren.

---

Tagesanzeiger 28.9.10

Die Empörung wirkt: Die UBS zieht Le Corbusier aus dem Verkehr

 Der Vorwurf antisemitischen Gedankenguts lässt die UBS handeln. Die Bank kippt den berühmten Schweizer Architekten Le Corbusier aus ihrer neuen Werbekampagne.

 Von Bruno Schletti

 Man sei zum Schluss gekommen, dass sich Le Corbusier beim Versuch, seine städtebaulichen Vorstellungen und Visionen zu verwirklichen, auch mit Vertretern totalitärer Regimes eingelassen habe. Das liess die UBS gegenüber der "SonntagsZeitung" verlauten, um beizufügen: "Wir sehen dennoch keine ausreichenden Gründe, in unserer laufenden Kampagne auf ihn zu verzichten."

 Als das Sonntagsblatt gestern Montag ins Altpapier wanderte, verschwand Le Corbusier von der Internetsite der Bank. Kommunikationschef Michael Willi hatte die Notbremse gezogen. Und eine Sprecherin bestätigte: "Wir wollen mit unserer Werbung eine Botschaft an unsere Kunden senden und wir möchten nicht, dass diese in einer Kontroverse um Le Corbusier untergeht. Deshalb werden wir Le Corbusier nicht mehr in unserer Kampagne verwenden." Die öffentliche Empörung vor allem jüdischer Kreise zeitigte Wirkung.

 Le Corbusier wurde 1887 als Charles-Edouard Jeanneret in La Chaux-de-Fonds geboren. Als Architekt, Städteplaner, Möbeldesigner und Maler wurde er weltberühmt. Wenig bekannt ist einer breiteren Öffentlichkeit seine Nähe zum Antisemitismus. Nach der Eroberung Frankreichs durch Nazi-Deutschland bewegte sich Le Corbusier im nächsten Umfeld des Vichy-Regimes, das mit Hitler kooperierte. Gestützt auf eine 2002 veröffentlichte Briefauswahl und die 2008 in den USA erschienene Biografie von Nicholas Fox Weber schrieb die "Weltwoche" vor einem Jahr, Le Corbusier habe Hitlers Krieg "ohne moralische Bedenken und frei von jeder menschlichen Regung" begrüsst.

 Keine Scheu vor Diktatoren

 Unter Experten wird die Rolle Le Corbusiers als Theoretiker einer räumlichen Eugenik schon seit längerem diskutiert. Er war ein Verfechter städtebaulicher Grossprojekte. Schon in den Zwanzigerjahren verfolgte er etwa die Idee, Teile der historisch gewachsenen Pariser Innenstadt niederzuwalzen, um Platz für eine City von Wolkenkratzern zu schaffen. Le Corbusier liess sich von Visionen treiben, die sich in diktatorischem Umfeld besser umsetzen liessen als unter demokratischen Verhältnissen. Dazu passt, dass er auch bei Mussolini anklopfte und Pläne für Stalin entwarf.

 Im Gegensatz zur UBS kann die Nationalbank Le Corbusier nicht von heute auf morgen aus dem Verkehr ziehen. Dieser ziert nämlich seit 1997 die Zehnernote, die frühestens in drei Jahren ersetzt werden soll. 2012, wenn die neue Notenserie in Umlauf kommt, wird nämlich zuerst die Fünfzigernote ans Publikum abgegeben.

 Prägende Persönlichkeiten hätten immer Ecken und Kanten, sagt Nationalbank-Sprecher Werner Abegg zur Kritik an Le Corbusier. Es sei nicht Sinn und Zweck von Banknoten, solche Köpfe aus heutiger Sicht zu beurteilen. Auch beim Kulturhistoriker Jacob Burckhardt - auf der aktuellen Tausendernote porträtiert - beispielsweise seien in Briefwechseln "gewisse antisemitische Elemente" festgestellt worden. Und es habe auch Kritik an der Psychiatrie von Auguste Forel - auf der früheren Tausendernote abgebildet - gegeben. "Eine Note ist kein Gütesiegel für den Porträtierten", sagt Abegg, "sie würdigt sein Werk."

 Im Wissen darum, dass Le Corbusier mit Hitlers Nazi-Regime sympathisiert hat, ist ein Satz im Kurzbeschrieb der 10-Franken-Note auf der Internetsite der Nationalbank doch irritierend: "Im Mittelpunkt seines Schaffens steht immer der Mensch." Le Corbusier sei immer von der Frage ausgegangen, was der Mensch brauche, meint Abegg. Dabei habe er Ideen entwickelt, die man heute zum Teil nicht mehr teile.

-------------------------------
SQUAT FRIBOURG
--------------------------------

Freiburger Nachrichten 29.9.10

Gruppe besetzt Arbeiterhäuser in der Stadt

 Freiburg Zwei der über hundert Jahre alten Arbeiterhäuser an der Industriegasse in Freiburg werden seit Freitag besetzt. Plakate an den Hauswänden weisen darauf hin. Recherchen der FN haben ergeben, dass das sogenannte "Kollektiv Raie Manta" dahinter steht. Oberamtmann Carl-Alex Ridoré will mit der Gruppe Kontakt aufnehmen, wie er auf Anfrage der FN erklärte. Die Häuser unterhalb des Fri-Son stehen leer, bis die Firma Losinger sie im Rahmen eines grösseren Bauprojektes Anfang 2011 renovieren wird. ak

 Bericht Seite 2

--

Kollektiv besetzt Arbeiterhäuser in Freiburg

 "Maison occupée" steht auf dem Plakat, das an der Wand der Arbeiterhäuser an der Industriegasse in Freiburg hängt. Das "Kollektiv Raie Manta" besetzt die leer stehenden Gebäude, um dort kulturelle Aktivitäten durchzuführen.

 Karin Aebischer

 Freiburg "Nach einer langen Zeit ohne alternative Kultur und Lebensweisen in unserer kleinen Stadt Freiburg haben wir beschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und etwas aufzubauen", schreibt das "Kollektiv Raie Manta" auf indymedia.org, einem unabhängigen Internetportal. Seit vergangenem Freitag besetzt die Gruppe die leer stehenden Häuser an der Industriegasse 24 und 26. Gemäss Interneteintrag mit dem Ziel, dort verschiedene kulturelle Aktivitäten (Volksküche, Diskussionen, Infoladen) zu starten. Plakate weisen auf die Hausbesetzung hin. "Mi casa es tu casa, amigo" hängt am Balkon. Oberamtmann Carl-Alex Ridoré erklärte auf Anfrage der FN, dass er mit den Personen dieses Kollektivs noch nicht in Kontakt getreten sei. Fragen zur Hausbesetzung werde er erst danach beantworten.

 Renovation geplant

 Die Losinger Construction AG will die um die Ecke stehenden Gebäude der Wilhelm-Kaiser-Strasse 4 bis 10 abreissen und drei neue Wohnhäuser, ein Bürohaus und ein unterirdisches Parkhaus bauen (die FN berichteten). Die Arbeiterhäuser an der Industriegasse 24 bis 28 hingegen - die über hundert Jahre alt sind - bleiben bestehen. Sie sollen renoviert und umgebaut werden. Alejandro Segovia, Pressesprecher von Losinger, bestätigte diese Baupläne am Dienstag gegenüber den FN. Der Start für die Renovation der Fassade sowie des Innenraumes der Arbeiterhäuser sei auf Anfang 2011 angesetzt.

 Bis zu diesem Zeitpunkt ist gemäss Alejandro Segovia die Fenaco für diese Häuser zuständig. Dass diese etwas gegen die Besetzung unternehmen will, konnte er nicht bestätigen. Bei der Fenaco war für eine Stellungnahme niemand mehr erreichbar.

--------------------
STRAFBAR
-------------------

20 Minuten 29.9.10

Luzern: Illegale Bars immer beliebter

 LUZERN. In Luzern floriert die illegale Club-Szene. Die steigende Beliebtheit solcher Lokale bereitet den Betreibern jedoch nicht nur Vergnügen.

 Die 32-jährige Studentin Joëlle Perret schreibt ihre Bachelorarbeit an der Hochschule für soziale Arbeit Luzern über Zwischennutzungen brachliegender Areale. In Luzern hat sie die Entstehung eines kleinen illegalen Clubs untersucht. Perret: "Die Betreiber sind eine Gruppe von Freunden, die den Raum ursprünglich als Proberaum gemietet haben." Inzwischen finden dort aber regelmässig Konzerte und Partys statt. Fazit der Arbeit: Solche Räume haben grosses kulturelles Potenzial. "In Luzern fehlt jedoch die nötige Unterstützung der Stadt."

 Trotzdem erfreut sich der Club grosser Beliebtheit. "In letzter Zeit kommen immer mehr Leute", sagt einer der Mitbetreiber. Die niedrigen Preise und das kulturelle Angebot locken viele Partygänger an. "Das Bedürfnis nach Subkulturen ist in Luzern wohl sehr gross", sagt er. Dies bräche es aber mit sich, dass die Betreiber fast nonstop Getränke ausschenken und den Abend selbst gar nicht mehr geniessen könnten. Ähnliches sagt der Betreiber eines anderen illegalen Lokals: "Bei der letzten Party kamen so viele Besucher, dass wir nun überlegen werden, ob wir die Bar so weiterführen wollen."

 Ein Argument sind auch die rechtlichen Konsequenzen. "Falls die Polizei von einer illegalen Bar erfährt, wird diese sofort geräumt und gegen die Betreiber ein Strafverfahren eröffnet", so Simon Kopp, Sprecher der Luzerner Polizei.  

Matthias Giordano

------------------------------
PRIVATISIERUNG
------------------------------

NLZ 29.9.10

--

Die Sicherheit wird ausgebaut

 Stadt Zug

any.

 any. Die Sicherheit in der Stadt Zug soll verbessert werden. Das hat gestern das Parlament entschieden und einen Betrag von jährlich 220 000 Franken gesprochen - befristet auf zwei Jahre. Damit wird nun der Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten ausgebaut, um Ruhe und Ordnung in der Stadt sicherzustellen. Gleichzeitig wurde der Stadtrat dazu aufgefordert, beim Kanton eine zweite Patrouille der Zuger Polizei zu fordern, um die polizeiliche Präsenz in Zug zu verbessern.

 20

Die Stadt setzt auf Private

 Zug

Yvonne Anliker

 Das Parlament hat gestern über das Thema Sicherheit diskutiert. Und einen Entscheid gefällt, der nicht für lange gilt.

 Yvonne Anliker

 yvonne.anliker@neue-zz.ch

 Die Sicherheit in der Stadt Zug soll verbessert werden. Darüber waren sich die Mitglieder des Grossen Gemeinderats der Stadt Zug (GGR) an der gestrigen Sitzung einig, als sie den Sicherheitsbericht diskutierten, den der Stadtrat in Auftrag gegeben hatte. Nur über die Massnahmen, die dafür vorzusehen sind, darüber haben sie sich lange gestritten.

 Befristet auf zwei Jahre

 Schliesslich hat mit 19 zu 16 Stimmen der Antrag des Stadtrats, private Sicherheitsdienste vermehrt für Präventionsaufgaben einzusetzen, obsiegt. Das bedingt neu wiederkehrende Ausgaben von jährlich 220 000 Franken. Jedoch nur für die kommenden zwei Jahre. Zwar wollte auch der Stadtrat das Kreditbegehren zeitlich begrenzen - auf vier Jahre. Auf Antrag der SP hingegen entschied sich der Rat für die kürzere Laufzeit.

 Der Entscheid, vermehrt auf private Sicherheitsdienste zurückzugreifen, ist gegen den Willen vor allem von SVP und CVP gefallen. Die SVP plädierte dafür, nur Sicherheitsassistenten (SiAss) der Zuger Polizei einzusetzen - und zwar sowohl zur Aufrechterhaltung von Sicherheit, Ruhe und Ordnung als auch für vorgesehene Präventionsaufgaben; für 300 000 Franken jährlich. "Denn wir wollen das Gewaltmonopol des Staates nicht abgeben", sagte Gemeinderat Philip C. Brunner. Ähnlich argumentierte CVP-Gemeinderat Martin Eisenring. Die vom Stadtrat vorgesehene Massnahme reiche nicht aus, um die Sicherheit und Ordnung in der Stadt zu gewährleisten, sagte er. So forderte auch die CVP den Einsatz von SiAss, hingegen kombiniert mit privaten Sicherheitsdiensten. Die Fraktion wollte dafür jährlich insgesamt 420 000 Franken bewilligt haben.

 Sicherheitschef Andreas Bossard wehrte sich indes heftig dagegen, künftig SiAss einsetzen zu müssen, auch wenn dies andere Zuger Gemeinden längst tun. "Die Gemeinden sind für Ruhe und Ordnung zuständig, der Kanton für Ordnung und Sicherheit." An dieser Aufgabentrennung wolle die Stadt festhalten. "Die polizeiliche Sicherheit muss der Kanton gewährleisten", folgerte Bossard und wurde von Finanzchef Hans Christen unterstützt: "Wenn der Kanton die Polizeiaufgaben nicht erfüllt, dann ist es nicht die Aufgabe der Gemeinde, dafür einzuspringen." Aber genau dies geschehe mit dem Einsatz von SiAss, ergänzte Bossard.

 FDP-Fraktionschef Karl Kobelt pflichtete den beiden Stadträten bei, nahm dafür gleichzeitig auch ein Argument von CVP und SVP auf. Auch die FDP setze sich dafür ein, dass das Gewaltmonopol beim Staat bleiben müsse, denn die Sicherheit zu gewährleisten, sei eine der ersten und bedeutendsten Aufgaben des Staates. "Nun haben wir im Kanton Zug festgelegt: Sicherheit ist Sache des Kantons." Würden nun SiAss von der Stadt bestellt, würde diese klare Zuständigkeit verwässert.

 Stefan Hodel, Chef der Fraktion Alternative-CSP, plädierte ebenfalls dafür, dass der Kanton betreffend Sicherheit seine Pflichten gegenüber der Stadt zu erfüllen habe. Hingegen wollte seine Fraktion für Ruhe und Ordnung nicht auf private Sicherheitsdienste setzen, sondern forderte einen stadteigenen Ordnungsdienst - ähnlich einem Modell der Stadt Luzern. Dieser Antrag stiess zwar gestern im Rat nicht auf Anklang, doch wird es mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein, dass der GGR über das Thema eigener Ordnungsdienst diskutiert hat. Denn bereits ist ein Vorstoss angekündigt.

 Einer, der wohl bei der SP auf offene Ohren stossen könnte. Denn die Fraktion habe "ihre liebe Mühe mit der Privatisierung im Sicherheitsbereich", sagte Barbara Stäheli. Trotzdem, eigentlich verlange man, "dass Sicherheit und Ordnung vom Kanton zu gewährleisten ist, der hierzu auch die nötigen Ressourcen zu sprechen hat". Schliesslich unterstützte die SP jedoch trotzdem den Antrag des Stadtrats.

 Druck ausüben

 Einig hingegen waren sich wiederum alle GGR-Mitglieder darin, dass der Stadtrat beim Kanton vorstellig werden muss. Mit dem Ziel, dass unverzüglich eine zweite Patrouille der Zuger Polizei die Präsenz in der Stadt verbessert. Schliesslich segnete das Parlament die Vorlage mit 21 zu 14 Stimmen definitiv ab.

----------------------------------------------------
NO BORDER CAMP BRÜSSEL 2010
----------------------------------------------------

linksunten.indymedia.org 27.9.10

Berichterstattung zum No Border Camp in Brüssel 2010
http://linksunten.indymedia.org/de/node/25803

-------------
CHILE
---------------

Radio Corax (Halle) 29.9.10
http://www.freie-radios.net/mp3/20100929-80tagehung-36288.mp3

80 Tage Hungerstreik: Zur aktuellen Situation der Mapuche in Chile

Die Protestform des Hungerstreiks wurde stets mit dem Namen Mahatma Gandhi verbunden. Künftig könnte diese Form des sozialen Protests mit den etwa 30 Mapuche in Verbindung gebracht werden, die in Chile seit 80 Tagen die Nahrungsaufnahme verweigern. Sie wehren sich auf diese Weise gegen die Anwendung des sogenannten Terrorismusgesetzes auf Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Mapuche in Chile und fordern seine Abschaffung.
Nils Brock war in Temuco und ist mit Aktivisten vor Ort ins Gespräch gekommen, um sich über die aktuelle Situation einen Überblick zu verschaffen. Helen von Radio CORAX hat mit ihm gesprochen.

Ein Artikel über den Hungerstreik der Mapuche von Nils Brock ist in der aktuellen Ausgabe der Lateinamerika Nachrichten erschienen:
http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/3929.html_1285701687

---

lateinamerikanachrichten.de
http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/3929.html_1285701687

Ausgabe 435/436
Sept./Okt. 2010

Chile

Folter statt Dialog

Mapuche in Chiles Gefängnissen im Hungerstreik gegen Antiterrorgesetze

Der Hungerstreik von 32 Mapuchegefangenen in Chile geht weiter. Die Regierung versucht die Proteste zu brechen, anstatt den Forderungen für ein faires Verfahren entgegenzukommen.

"Im Hungerstreik sind unsere comuneros, weil sie der Staat gefangen hält”, skandiert eine Gruppe DemonstrantInnen neben dem U-Bahn-Eingang der Station Universidad de Chile. PassantInnen lassen sich manchmal einen Flyer in die Hand drücken, viele machen verschreckt einen Bogen. Der Grund für die abendliche Zusammenkunft am 1. September in einer der belebtesten Fußgängerzonen Santiagos ist so einfach wie bedrückend: Um ihrer Forderung nach einem fairen Prozess Gehör zu verleihen, machen 32 Mapuche-Indigene seit 52 Tagen in fünf Gefängnissen des Landes einen Hungerstreik. Doch niemand hört hin, vor allem die chilenischen Fernsehsender schweigen das Thema beharrlich tot. Stattdessen walzen sie die Story der eingeschlossenen Minenarbeiter zu einem nationalistisch-kitschigen Dokudrama aus.
"Die Situation der Gefangenen geht uns alle an”, spricht Rodrigo Guzmán energisch in sein Megaphon. "Wisst ihr, was es heißt, in Chile unter dem Anti-Terrorgesetz angeklagt zu werden? Das bedeutet: keine Einsicht in die Aktenlage zu haben; Untersuchungshaft von bis zu einem Jahr; die Zulassung anonymer Zeugen vor Gericht.” Für die inzwischen über Hundert Versammelten sind das keine Neuigkeiten. Auf mehreren Transparenten wird gefordert, die Anwendung des umstrittenen Gesetzes endlich auszusetzen.
Dieses juristische Relikt, dass seit der Militärdiktatur Pinochets (1973 bis 1990) Teil der chilenischen Rechtsprechung ist, sieht vor, dass Angeklagte von einem zivilen und einem Militärgericht für die gleiche Tat zwei Mal verurteilt werden können. Dies könnte bei den aktuellen Verfahren Haftstrafen von bis zu 103 Jahren bedeuten. Denn "die Mehrheit [der Gefangenen] wird bezichtigt, Verwaltungsgebäude und Wälder von Großgrundbesitzern angezündet zu haben, die das angestammte Land ihrer Vorfahren besetzen”, fasst ein Handzettel der Gruppe Waffen der Kritik den Konflikt zusammen.
Seit Ende der 1860er Jahre wurden während der euphemistisch "Befriedung der Araucanía” genannten Militärexpeditionen im Süden Chiles die Mapuchegemeinden um einen Großteil ihres Landes gebracht und in sogenannten reducciones angesiedelt. Und auch wenn die Behörde für indigene Entwicklung (CONADI) inzwischen hunderttausende Hektar Land an Mapuchefamilien übertragen hat, kritisieren viele der heute ungefähr 700.000 Mapuches diese staatlichen Zugeständnisse als unzureichend. Neben einer Kritik an der Qualität der übertragenen Böden, fordern viele Mapucheorganisationen auch mehr Selbstverwaltung und einen Stopp des aggressiven Anbaus von Nutzholz, der in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat.
Doch auch im Zeichen des anstehenden zweihundertjährigen Jubiläums der chilenischen Unabhängigkeit stellt sich die Regierung weder der historischen Verantwortung noch signalisiert sie Dialogbereitschaft. Stattdessen verkündete Präsident Sebastián Piñera nach seinem Amtsantritt zu Beginn des Jahres, die unter seiner Vorgängerregierung übertragenen Landtitel auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Seitdem schweigt seine Koalition neoliberaler und ultrarechter Kräfte beharrlich zu den Protesten in den Gefängnissen und auf den Straßen.
"Um die Regierenden endlich zum Dialog zu bewegen, haben sich heute zwei minderjährige Mapuche in der Jugendhaftanstalt CERECO in Chol-Chol dem Hungerstreik angeschlossen”, verkündet Sprecher Guzmán um kurz vor 20 Uhr in der Fußgängerzone. Kurz herrscht Stille, die Versammelten schauen sich um, dann bricht doch Beifall los und der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung. Inzwischen sind mehr als 3.000 Menschen unterwegs, "und damit locker die größte Demonstration für die Mapuche, die es je in Santiago gab”, freut sich eine Aktivistin von Mapuexpress. Diese alternative Nachrichtenagentur hatte Beschwerde beim Fernsehrat (CNTV) eingereicht, "wegen Vermeidung jeglicher Referenz an die Treffen der Gefangenensprechern mit der Menschenrechtskommission der Abgeordnetenkammer am 11. August". Im Fernsehen hat sich seit dem nicht viel getan, dafür erklärte sich Radio Universidad zum "einzigen elektronischen Medium, das kontinuierlich über den Hungerstreik berichtet.”
Am 2. September interviewte der Sender die Staatsanwältin des Obersten Gerichtshofes, Mónica Maldonado, zu den inhumanen Haftbedingungen der Mapuche, über die bis dato wenig bekannt war. "Abgedunkelte Strafzellen, in denen 23 Stunden am Tag völlige Dunkelheit herrscht, und nur eine Stunde Hofgang." So beschreibt Maldonado die Mittel, mit denen "Gendarme unter Billigung der Autoritäten” versuchen, den Hungerstreik zu brechen. "Diese Bedingungen verstoßen gegen die Anti-Folter-Konvention und auch gegen unsere eigene Verfassung”, gibt die Juristin zu.
Auf der Demonstration ist zu diesem Zeitpunkt noch nichts über die Foltervorwürfe bekannt. Trotzdem kreisen die Gespräche der Versammelten immer wieder um die Notwendigkeit, endlich Menschenrechtsorganisationen und internationalen Beobachtern Zugang zu den Gefangenen zu gewähren. Auf halber Strecke zum zentralen Platz Plaza de Armas ergreift erneut eine Sprecherin das Megaphon, steigt auf einen Treppenabsatz. "Wir fordern den Abzug aller Militärs, die nach dem Erdbeben als humanitäre Helfer in unsere Gemeinden gekommen sind. Die Regierung betreibt eine schleichende Militarisierung.” Auf der anderen Straßenseite zerrt ein Apotheker panisch die Metallgitter vor seinen Schaufenstern herunter. Das Rasseln wird von Sprechchören übertönt.
Oft fällt in den Unterhaltungen der Demonstrierenden auch der Name Michel Bachelets. Die ehemalige Präsidentin hält sich derzeit in Spanien auf, um einen Ehrendoktortitel der Internationalen Universität Menéndez Pelayo (UIMP) in Santander verliehen zu bekommen. Doch anstatt ihren Auftritt auf internationalem Parkett zu nutzen, antwortet auch Bachelet nur ausweichend auf Fragen zum Hungerstreik der Mapuche und Menschenrechtsverletzungen. "Als Ärztin sage ich Ihnen, dass verunreinigte Wunden, die nicht sauber sind, niemals heilen werden”, sagte Bachelet. Dass ausgerechnet sie es war, die im Jahr 2008 erstmals wieder das Anti-Terrorgesetz gegen Mapuche anwendete, obwohl sie zu ihrem Amtsantritt das Gegenteil versprochen hatte, erzürnt die Demonstrierenden immer wieder aufs Neue.
"So, noch 200 Meter, dann werden sie den Spuk hier mit Tränengas und Wasserwerfern auflösen", prophezeit Alexis, ein junger Student, als die Menschenmenge erneut Richtung Alameda abbiegt. "Alles, was jetzt noch folgt, ist längst ein Ritual”, nickt er mehreren Eltern hinterher, die mit ihren Kindern den Demonstrationszug verlassen. Alle warten auf den Angriff der Spezialeinheiten, die immer wieder an den Straßenecken auftauchen - hinter ihnen die aufnahmebereiten Fernsehkameras. Doch nichts passiert. Alexis, verabschiedet sich Richtung U-Bahn "Nicht mal die Straßenschlachten mit den üblichen Verdächtigen. Das heißt dann wohl erst recht keine Nachrichten morgen.”

Text: // Nils Brock
Ausgabe: Nummer 435/436 - September/Oktober 2010

Weitere Artikel zum Thema Chile:

* Zentralchile kämpft
http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/3870.html
* Göttliche Gerechtigkeit oder Entschädigungsgesetz?
http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/3854.html
* "Wir warten vergeblich auf Hilfe"
http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/3810.html
* "In Chile gibt es keine Zivilgesellschaft mehr"
http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/3812.html
* Risse in der Gesellschaft
http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/3811.html

---------------------
ANTI-ATOM
---------------------

bernerzeitung.ch 29.9.10

Atom-Endlager: Politiker bestellte Studie bei Fachhochschule Nordwestschweiz

sda / met

 Ein mögliches Tiefenlager für radioaktive Abfälle im Niederamt könnte der Standortregion finanzielle Vorteile bringen. Dies zeigt eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Auftrag eines Solothurner SVP-Politikers auf.

 Die Investitionen und Abgeltungen verbesserten die öffentlichen Finanzen der Standortgemeinden und ermöglichten Ausgaben für die Verbesserung der Infrastruktur sowie die Rückzahlung von Schulden, heisst es in der am Mittwoch in Olten SO präsentierten Studie. Auftraggeber ist SVP-Kantonalpräsident und Kantonsrat Heinz Müller.

 Studie: Baupreise steigen

 Gemäss Studie werden die Bauland- und Immobilienpreise unabhängig vom Bau eines Endlagers in den nächsten Jahren im Niederamt wohl steigen. Der Grund sei, dass die meisten Gemeinden in der Nähe der Zentren Olten und Aarau liegen würden.

 Die Verbindung von niedrigen Steuerfüssen und verbesserten Infrastruktureinrichtungen steigere jedoch die Attraktivität dieser Gemeinden. Dies habe wiederum einen grösseren Wohnungsbedarf und einen Anstieg der Immobilienpreise zur Folge.

 Die Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz fokussierte ausschliesslich auf die finanziellen Auswirkungen eines Endlagers. Sozioökonomische Faktoren wurden nicht betrachtet.

 Widerstand gegen das Atom-Endlager

 Der Jura-Südfuss gilt aus der Sicht der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) als möglicher Standort für ein Tiefenlager von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen.

 In der Region hat sich Widerstand gegen die Nagra-Pläne formiert. Das Niederamt sei mit dem AKW Gösgen in der Gemeinde Däniken bereits genug belastet, heisst es.

 Bei einer Prüfung der Nagra-Unterlagen war das Eidgenössische Nuklear-Sicherheitsinspektorat (ENSI) im Februar zum Schluss gekommen, dass der Jura-Südfuss und der Wellenberg (NW und OW) weniger geeignet seien.

 Mögliche Standorte für ein Tiefenlager sind gemäss Nagra auch Südranden (SH), Zürcher Weinland (ZH und TG), Nördlich Lägern (ZH und AG) sowie Bözberg (AG).

---

Langenthaler Tagblatt 29.9.10

Grüne "Energie-Kampagne"

 Im November befindet die Stadt Bern über den Atom-Ausstieg - bereits im Februar entscheiden die Stimmbürger des Kantons über die Haltung zum Rahmenbewilligungsgesuch für einen AKW-Neubau in Mühleberg. Ebenfalls in der ersten Jahreshälfte kommt die Volksinitiative "Bern erneuerbar" der Grünen zur Abstimmung; sie fordert den AKW-Ausstieg auf Kantonsebene. Zeitgleich wird übers neue Energiegesetz und den Volksvorschlag dazu entschieden. Zu all diesen Vorlagen lancieren die Grünen eine "Energie-Kampagne". Nebst Flyern, Inseraten und Aktionen gibts eine Vortragsreihe. Da tritt unter anderen Jürgen Trittin, Grünen-Fraktionschef in Deutschland, am 26. November in Bern auf. (sat)

---

Tribune de Genève 29.9.10

Opinion

 LA CONSTITUANTE SE PENCHE SUR LA QUESTION DU NUCLÉAIRE

Chaix Benjamin

 Les débats de la Constituante sur l'énergie, qui auront lieu lors de la plénière du jeudi   30 septembre, feront ressortir des divergences évidentes entre ceux qui tolèrent le nucléaire et ceux qui le rejettent en bloc. L'article   160 E de la Constitution actuelle, ajouté en 1986 suite à la votation "L'énergie notre affaire", épargne aux Genevois le risque de voisiner avec une centrale ou un dépôt de déchets. L'emploi de l'énergie nucléaire, lui, reste une nécessité qui divise, comme l'indiquent les textes ci-contre.

--

 Nucléaire: pour des solutions responsables
 
Hentsch Bénédict

 C'est bien connu, l'enferest pavé de bonnes intentions et en ce qui concerne la politique énergétique, on retrouve celles-ci bien ancrées aux quatre coins du paradis politique.

 Par exemple, qui est contre le développement durable?

 Qui ne voudrait voir le monde se développer autour de lui sans que cela ne provoque des dommages à l'environnement naturel ou social?

 Personne!

 Ainsi les énergies renouvelables procèdent des bonnes intentions et exercent un formidable pouvoir sur nos esprits, au point de nous aveugler.

 C'est cet aveuglement qui explique l'étrange comportement de Genève en matière de politique énergétique.

 Il est exigé de nos autorités qu'elles garantissent l'approvisionnement en énergie de notre canton, alors que, dans le même temps, elles doivent s'opposer par tous les moyens à tout ce qui touche de près ou de loin à l'énergie nucléaire (art 160E al. 5 de la Constitution genevoise actuelle).

 Les SIG importent pourtant une part importante de l'électricité consommée à Genève de France, pays dont l'électricité est essentiellement produite par des… centrales nucléaires.

 La production d'énergie a un coût économique, social et environnemental. Tout le monde est d'accord sur le fait que ce coût doit être diminué et que, si possible, la consommation doit être réduite.

 La vraie question est: modérément ou drastiquement? Progressivement ou brutalement?

 C'est sur ce point que des dissensions apparaissent. Pour certains (en gros pour la gauche et les Verts), il faut se diriger vers des réductions drastiques, pour d'autres, vers des réductions à la fois modérées et progressives.

 Ce désaccord a pour conséquence un débat sur le montant des investissements dans les énergies alternatives dont certains s'attendent à ce qu'elles remplacent un jour l'énergie nucléaire.

 Ce débat est loin d'être clair et ce ne sont pas les statistiques à qui on fait dire n'importe quoi qui nous départageront.

 En fait, il n'existe pas de consensus en la matière et le présupposer conduit à un manichéisme simpliste entre les bons écologistes et les mauvais libéraux (parce que sceptiques), manichéisme qui pourrait conduire à la rédaction d'un article constitutionnel visant la promotion d'un programme plutôt que d'un autre.

 Une telle promotion diviserait encore un peu plus la population et, surtout, interdirait tout débat démocratique sur la question de l'énergie

 La seule voie que nous pouvons suivre, en tant que constituants responsables, est celle de la formulation d'un cadre solide pour la prise en compte de nos divergences, avec l'espoir de les voir progressivement résolues et de laisser à ceux qui nous gouvernent la charge de nous proposer des solutions possibles et responsables pour notre génération et celle qui nous suivra.

--

 Non aux déchets légués à nos enfants

 Saurer Andreas

 A Genève,la consommationd'énergie se répartit grossièrement en des quarts équivalents entre l'électricité, le mazout, le gaz et le carburant pour les transports.

 En ce qui concerne l'électricité, son origine est exclusivement non nucléaire; 25% sont produits localement et 75% sont importés du reste de la Suisse et de la France.

 Toute l'électricité consommée à Genève est "labellisée" avec des certificats qui garantissent juridiquement une origine non nucléaire. En Suisse, 60% de l'électricité provient des centrales hydrauliques et 40% des centrales nucléaires.

 Dans les années à venir, nous devrons répondre à un double défi: l'augmentation de la consommation d'électricité et le vieillissement des centrales nucléaires. Nous serons donc contraints à la fois de trouver de nouvelles sources d'énergie électrique et d'accroître les économies d'énergie. La question de la pénurie ne se pose cependant pas dans l'immédiat. Selon un communiqué du 6   octobre 2009 de la Commission de l'environnement du Conseil des Etats, "les producteurs d'électricité considèrent que la question de la pénurie d'électricité est moins urgente qu'on ne le croyait". Ce problème ne sera donc d'actualité que dans une vingtaine d'années, vers 2030. Cependant, pour pouvoir y répondre, nous devons faire des choix dès maintenant. Rappelons quelques faits.

 • Concernant l'énergie nucléaire, le problème des déchets légués aux générations futures reste insoluble.

 • Le risque d'accident nucléaire est toujours possible, comme nous le rappelle l'accident récent à Mühleberg.

 • L'énergie nucléaire n'est pas bon marché. Si on tient compte des frais d'assurance, des frais du traitement des déchets, des coûts inhérents à la prospection du stockage et au démantèlement des centrales vieillissantes, le coût réel du kWh atteint 15 à 20 ct. en Allemagne et aux Etats-Unis, et non pas 5 ct. comme le prétend la France.

 • Selon l'Agence internationale de l'énergie, peu suspecte d'optimisme et de penchant écologiste, le prix du kWh solaire sera à parité avec les prix du réseau vers 2020, soit un prix situé entre 18 et 20 centimes pour les consommateurs suisses.

 • Les projets de production d'énergie renouvelable actuellement prévus en Suisse permettent une production supplémentaire d'environ 6000 gigaWh dans les dix ans à venir, l'équivalent de deux fois la consommation de Genève ou de la production de la nouvelle centrale nucléaire prévue à Mühleberg.

 Nous avons un choix politique à faire: soit le développement de l'énergie nucléaire en léguant les déchets radioactifs aux générations futures, soit investir dans les énergies renouvelables telles que le solaire, la géothermie et les éoliens.

 Ces derniers ne représentent qu'à peine 2% de toute l'électricité produite en Suisse par rapport à 10% en Allemagne. Notre potentiel d'exploitation dans ce domaine est donc énorme.

---

Blick am Abend 28.9.10

"Wir sind direkt betroffen"

 POLITAKTION

 Die Atomgegner im Thurgau formieren sich. Sie wollen kein Endlager in Benken.

 Die neu gegründete Thurgauer Allianz "Nein-zu-neuen-AKW" wehrt sich gegen das geplante Atom-Endlager in Benken ZH. "Wir sind vom Endlager unmittelbar betroffen", sagt der Sprecher Urs Oberholzer-Roth. Das thurgauische Diessenhofen sei nur wenige Kilometer davon entfernt. Deshalb müsse man nun ein Zeichen setzen gegen das geplante Tiefenlager, sagt der Präsident der Grünen Thurgau weiter. Ziel der Allianz sei es ausserdem, alle Atomenergie-kritischen Personen im Kanton Thurgau zu vernetzen. Am kommenden Donnerstag lädt die Gruppierung zur Gründung ein. Als Veranstaltungsort sei bewusst die Gemeinde Diessenhofen gewählt worden.

 Die Thurgauer Allianz fürchtet sich nicht nur um das Image des Kantons, sondern fordert schweizweit einen Ausstieg aus der Atomenergie. "Ob in Benken oder anderswo. Die atomaren Abfälle sind ein flächendeckendes Problem. Deshalb sagen wir Nein zu neuen AKW und Ja zu Strom aus erneuerbaren Energien", so Oberholzer-Roth. dst

---

Thurgauer Zeitung 28.9.10

Allianz gegen neue AKWs vor Gründung

 mgt

 Diessenhofen - Durch die Oberflächenbauten eines möglichen Atommüllagers in Benken wäre auch das Gemeindegebiet von Diessenhofen direkt betroffen. Deshalb wählt die Thurgauer-Allianz "Nein zu neuen AKWs" diesen Ort für ihre Gründungsveranstaltung aus. Die Bevölkerung ist eingeladen, übermorgen Donnerstag um 14.15 Uhr auf der Hauptstrasse in der Altstadt der öffentlichen Politaktion mit Resolution beizuwohnen, wie die Allianz in einer Mitteilung schreibt.

 Sechs Thurgauer Parteien und mehrere Verbände schliessen sich zusammen, um sich gemeinsam für den Ausstieg der Schweiz aus der Atomenergie einzusetzen. Die Allianz wehrt sich auch entschieden gegen die Nagra-Planung für ein atomares Endlager im benachbarten Benken. Es dürfe überhaupt kein Endlager gebaut werden, wenn nicht vorher der Ausstieg aus der hochriskanten und extrem teuren Atomenergie-Produktion beschlossen ist. Deshalb sind nicht nur Personen aus Diessenhofen, sondern alle Bewohnerinnen und Bewohner der gesamten Region eingeladen; denn Radioaktivität macht weder vor Gemeinde- noch vor Kantonsgrenzen halt. (tz)

---

St. Galler Tagblatt 28.9.10

Thurgauer sehen bei Benken rot

 ROMANSHORN. In Schaffhausen und Zürich treten die meisten politischen Kräfte bereits lautstark gegen den möglichen Tiefenlager-Standort Benken an. Im Thurgau haben die Grünen Widerstand gegen den Standort Benken angekündigt. Jetzt formiert sich eine Thurgauer Allianz "Nein-zu-neuen-AKW", die am Donnerstag in Diessenhofen zu einer öffentlichen Politaktion mit Resolution aufruft. Auf der Rednerliste sind Grüne, Junge Grüne, SP, Juso, Grünliberale, EVP sowie Vertreter der Umweltverbände Pro Natura, WWF. (red.)

---

NZZ 28.9.10

Paris sucht diplomatischen Weg

 Die in Niger entführten Franzosen sollen nach Mali verschleppt worden sein

 Die vor zehn Tagen in Niger entführten Mitarbeiter des französischen Konzerns Areva sollen nach Mali verschleppt worden sein. Laut Angaben aus Paris sind sie am Leben. Frankreich signalisiert Bereitschaft zu Verhandlungen mit den Islamisten.

 Manfred Rist, Paris

 Die französische Regierung scheint über Informationen zu verfügen, wonach die vor zehn Tagen in Niger entführten Mitarbeiter des Nuklearkonzerns Areva am Leben sind und von Islamisten ins benachbarte Mali unweit der algerischen Grenze verschleppt wurden. Die Gebirgszüge im nordöstlichen Zipfel des Landes gelten als Zufluchtsorte des Kaida-Ablegers al-Qaïda au Maghreb islamique. Offenbar um das Leben der Geiseln zu schonen, hat Paris bereits Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Obwohl sich noch niemand offiziell zu der Entführungsaktion bekannt hat, gilt als fast sicher, dass die Aktion auf das Konto einer islamistischen Extremistengruppe geht.

 Schnell hat sich damit die französische Regierung, die sich neben der eigenen Aufklärung auf offizielle malische Quellen stützt, auf eine diplomatische Lösung der Geiselaffäre eingestellt. Dies dürfte unter anderem mit der Einschätzung zu tun haben, dass eine Befreiungsaktion in dem den Entführern bestens bekannten und zudem schwer zugänglichen Gebiet kaum möglich ist.

 Die französische Luftwaffe, die den Luftraum über dem ehemals Französisch-Westafrika zugehörigen Mali benutzen darf, hat zwar in der nigrischen Hauptstadt Niamey einen Kommandoposten errichtet und ihre Aufklärungsflüge verstärkt. Aber der unglückliche Verlauf einer Befreiungsaktion im Juli, bei der die nach Mali verschleppte französische Geisel Michel Germaneau ums Leben kam und die ein dilettantisches Vorgehen des Geheimdienstes aufzeigte, scheint in Paris Wirkung zu zeigen. Damals hatte Frankreichs Regierung behauptet, sie habe weder Kontakte mit den Entführern gehabt, noch sei sie über Forderungen im Bild gewesen.

 Im neuen Fall geht es um mehr: Bei den Geiseln handelt es sich um Mitarbeiter des bei der Versorgung Frankreichs mit Uran federführenden Konzerns. Fünf von ihnen sind französische Staatsbürger, unter ihnen ein Ehepaar in einer Kaderposition. Aufgrund der Aufteilung der Sahelzone unter einem halben Dutzend islamistischer "Emire" gilt als sicher, dass erneut der 44-jährige Abelhamid Abou Zeid hinter der Verschleppung steht. Auf sein Geheiss wurden bereits etwa zwanzig Personen entführt, von denen zwei umgebracht wurden. Paris versucht abzuklären, ob es bloss um Geldforderungen geht, ob Einschränkungen der Tätigkeit Arevas verlangt werden oder ob gar politische Forderungen im Raum stehen.

 Das Geiseldrama fällt in eine Phase erhöhter Alarmbereitschaft in Frankreich. Das Dreiländereck im Herzen des früheren Kolonialgebiets steht seit über einem Jahr an der Spitze der Liste der Gebiete, wo laut dem Aussenministerium mit Entführungen gerechnet werden muss; Dutzende von Mitarbeitern der Firmen Areva und des Baukonzerns Vinci haben die Zone bereits verlassen.