MEDIENSPIEGEL 2.10.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo)
- Reitschule bietet mehr: Abschied vom Holzross
- Antifa-Abendspaziergang: SVP will gleiche Rechte
- Rote Falken: Schnuppernachmittag
- Lichtsorgen: Altstadt so unbeleuchtet wie Neubrückstrasse
- Centralweg: Nach den Stadttauben der Velokurierladen
- RaBe-Info 30.9. + 1.10.10
- Zivilstand Illegal: Scheinehenhatz + Handbuch
- Ausschaffungsinitiative: Sonderflug für Ospel, Blatter +
Tell
- Ausschaffungen: Der Fall Chur
- Drogen: Mohnanbau; Kokainhandel CH; Bignasca-Connection
- Tabak: Teufelskraut oder Göttergeschenk
- Pnos: Urner Obergericht bestätigt Verurteilung
- Thor Steinar BS: Rückzug aus Schaufenster
- Polizeitod: Untersuchungsrichter nicht im Ausstand
- 100 Jahre Volkshaus ZH: Lenin + die Toten Hosen
- Anti-Atom: Die Börsen + der Urankrieg; Atomlobbyistin
Leuthard; Endlager-Debatten; PR-Offensive
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REITSCHULE
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Sa 02.10.10
20.30 Uhr - Tojo - TITTANIC, die Achte Der
Quotenknüller! Frauenanteil auf der Bühne: 100%
21.00 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - Kald Mig Bare Axel (Nenn
mich einfach Axel) | Pia Bovin, Dänemark 2002
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session: LENZMAN (NL),
EVESON (UK) & RIYA (UK), Support: TS Zodiac, Rollin John &
Badboy MC " drumnbass
So 03.10.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im SLP,
bis 16.00 Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi-SunntIg:
Pünktchen & Anton, Österreich/D 1953
20.15 Uhr - Kino - Zusammen TATORT gucken
20.00 Uhr - Rössli - THE CHAP (UK) " rock,
electronica
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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BZ 2.10.10
Tojo Theater
Autorinnen in voller Fahrt
Tittanic, die Achte präsentiert drei Autorinnen mit
ihren heissesten Kolumnen und Lieblingstexten. Der repräsentative
Querschnitt ist garantiert: Esther Banz aus Zürich, Andrea Gerster
aus der Ostschweiz und die Lokalmatadorin Nicolette Kretz aus Bern. Und
weil die Welt nicht easylistening ist, sorgt die Songwriterin Nadja
Zela mit ihrem direkten und abgründigen Blues für passende
Musik. Ausserdem ist ein echter Hund mit dabei, wau! Programmiert und
angerichtet von Käpt'n Sandra Künzi.
pd
Heute, 20.30 Uhr, Tojo Theater in der Reitschule,
Neubrückstrasse 8, Bern.
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REITSCHULE BIETET MEHR
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Freitag, 1.10.10
Liebe Trauergemeinde:
Von den Festmachern erbaut, stand es seit Mitte Juli auf dem
Vorplatz des autonomen Kultur- und Begegnungszentrum Reitschule und
prägte die Zugaussicht auf den schönsten Schandfleck der
Stadt Bern. Mit uns jubelte es am 26.9. angesichts der 68,4 %
Nein-Stimmen gegen die Anti-Reitschule-Initiative. Nun hat es sich
lautstark verabschiedet, unser Rössli, und hat damit dem
Wagenplatz Zaffaraya etwa 15 Kubikmeter Winter-Brennholz beschert. Es
gibt also doch ein Leben nach dem Tod... :-)
http://www.youtube.com/watch?v=X__IQCzyAgU
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ANTIFA-ABENDSPAZIERGANG
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Blick 2.10.10
5 Dinge... die Sie heute wissen müssen
Gibts wieder Randale?
In Bern wird der 10. antifaschistische Abendspaziergang
(Start um 20 Uhr) durchgeführt.
Bekanntgabe der Preisträger des Zurich Film Festival.
Das Zunfthaus zur Zimmerleuten wird wiedereröffnet.
Das 850-jährige Zürcher Gebäude ist 2007 abgebrannt. Der
Wiederaufbau kostete 17,5 Millionen Franken.
Der erste Aids-Tote bei den Hollywood-Stars. Vor 25 Jahren
starb Rock Hudson ("Bettgeflüster", "Giganten").
Noch einmal schlafen, dann findet in Zürich die 15.
Volksmusik & Schlager Gala statt. Es hat noch Tickets.
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Blick am Abend 1.10.10
Unterbrüche wegen Demo
BERN
Weil der Antifaschistische Abendspaziergang von morgen
Samstag nicht bewilligt ist, ist unklar, wo der Demozug
durchführt. Bernmobil rechnet zwischen 20 und 22 Uhr mit
Unterbrüchen auf dem ganzen Netz der Innenstadt.
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Bund 1.10.10
SVP will gleiche Rechte wie die Antifa
SVP-Stadtrat Thomas Weil fordert den Gemeinderat zur
allgemeinen Einführung einer pragmatischen Bewilligungspraxis auf.
Mit der gestern eingereichten Motion nimmt er Bezug auf Aussagen des
Polizeiinspektorates, wonach der zehnte antifaschistische
Abendspaziergang von nächstem Samstag auch ohne formelles Gesuch
bewilligt werde ("Bund" von gestern). "Die SVP begrüsst es, wenn
die Stadt Bern bürokratische Hürden abbauen will", hält
Weil im Vorstoss fest. Die Partei gehe davon aus, dass damit "der
Beginn einer unbürokratischen und bürgerfreundlichen
Verwaltung" initiiert werde.
Die pragmatische Bewilligungspraxis solle etwa "bei
Umbauten, Bewilligungen für Marktstände,
Marroniverkaufsstellen, Glacestände, Gastgewerbebewilligungen
sowie Durch- und Zufahrten in die Innenstadt" zur Anwendung kommen.
Zudem sollen alle Organisatoren von Kundgebungen in ihren Genuss
kommen. "Die Stadt darf nicht mit ungleichen Ellen messen",
begründet Weil das Anliegen. Die kulante Haltung der Stadt
gegenüber der Antifa habe viele Privatpersonen und Gewerbler vor
den Kopf gestossen. "Die Privilegierung einer Gruppierung der extremen
Linken ist heikel." Sie zeige, dass die rot-grün regierte Stadt
"erpressbar" sei und dass der Gemeinderat eine "Appeasement-Politik"
gegenüber dem Schwarzen Block betreibe. "Wir verlangen
Gleichbehandlung", sagt Weil. (bob)
--
Abendspaziergang dürfte Busse und Trams behindern
Aufgrund des antifaschistischen Abendspaziergangs sind am
Samstagabend zwischen 20 und 22 Uhr Unterbrüche und Behinderungen
auf dem Netz von Bernmobil möglich. Da der Abendspaziergang
voraussichtlich von der Heiliggeistkirche via Zytglogge und
Nydeggbrücke zurück zum Bahnhof führt, werden wohl
praktisch alle Innenstadt-Linien tangiert, teilen die Städtischen
Verkehrsbetriebe Bern mit. (pd)
---
20 Minuten 1.10.10
Antifa-Demo: Stadt sorgt für Empörung
BERN. Dass die Stadt derAntifa-Demo von sich auseine
Bewilligung erteilt hat, stösst bürgerlichenPolitikern sauer
auf: Siefordern Gleichbehandlung.
"Linksautonome geniessen eine Sonderbehandlung", so
SVP-Stadtrat Thomas Weil. Er ist empört, weil die Stadt den morgen
stattfindenden Antifa-Abendspaziergang wie bereits letztes Jahr
bewilligt hat, ohne dass die Organisatoren ein Gesuch eingereicht
hatten. Deshalb fordert er per Vorstoss: "Die Stadt soll diese
pragmatische Bewilligungspraxis auf Marktstände, das Gastgewerbe
und weitere Demos ausdehnen." Unterstützung gibt es teilweise von
FDP-Ratskollege Christoph Zimmermann: "Jede kleine Standaktion muss
eine Bewilligung einholen. Rechtlich ist es also nicht korrekt, diese
Demo anders zu behandeln."
Zwar wünscht sich auch Gastro-Bern-Präsidentin
Eveline Neeracher "gleich lange Spiesse für alle", sie räumt
aber ein: "Die Stadt ist kulant bei Bewilligungsgesuchen im
Gastgewerbe." Dem Vertreter der Marktfahrenden Dirk Kredtke leuchtet es
gar nicht erst ein, "was politische und kommerzielle Bewilligungen
miteinander zu tun haben sollen".
Die Demo-Initianten rätseln derweil über ihre
Sonderbehandlung. Im Internet schreiben sie von "Umarmungsversuchen der
Behörden". Doch Sicherheitsdirektor Reto Nause verteidigt den
Entscheid: "Dieses Vorgehen hat sich bewährt. Die letzte Demo ist
friedlich verlaufen."
Bigna Silberschmidt
--
ÖV wegen Demo eingeschränkt
BERN. Nicht nur die Stadt, sondern auch Trams und Busse
richten sich auf die Antifaschismus-Demo ein: Wie Bernmobil mitteilt,
kann es morgen Abend auf der Demo-Route zwischen 20 und 22 Uhr zu
Behinderungen und Unterbrüchen kommen. Es handle sich
voraussichtlich um die Strecke zwischen Heiliggeistkirche, Zytglogge
und Nydeggbrücke. ÖV-Benutzern empfiehlt Bernmobil, für
Fahrten ins Zentrum genug Zeit einzuberechnen.
---
BZ 1.10.10
Moment mal
SVP mal ironisch
Ohne danach gefragt zu haben, erhalten die Organisatoren
des Antifa-Abendspaziergangs eine Bewilligung. Sicherheitsdirektor Reto
Nause (CVP) erhofft sich von diesem "pragmatischen Weg" eine friedliche
Demo.
Nauses ungewöhnliches Vorgehen hinterlässt
Spuren in der Stadtpolitik: Die SVP-Polterer lassen sich vom
Pragmatismus anstecken und zu einem Stilwechsel hinreissen. Vorbei sind
die Zeiten, als sie Stadtratsdebatten aus Protest verliessen oder diese
mit Sinnlosanträgen bis tief in die Nacht verzögerten. Die
Volkspartei zieht neue Saiten auf - und kritisiert nun mittels feinster
Ironie.
In einer Motion begrüsst sie es, "wenn die
Behörden bürokratische Hürden abbauen". Damit aber
linksextreme Autonome keine Ausnahme bleiben, fordert die SVP: "Die
pragmatische Bewilligungspraxis soll ausgedehnt werden." Auch
Bewilligungen für Markt- und Glacestände,
Marronihäuschen, Zufahrten in die Innenstadt und
Fristverlängerungen bei der Einreichung von Steuererklärungen
sollen ohne Gesuche verteilt werden.
Wo führt das hin, wenn selbst die ernste SVP nicht
mehr vor Witzvorstössen zurückschreckt? Was kommt als
Nächstes? Ganz lustig würde es, wenn das Parlament die Motion
überweist. Als ironischen Protest gegen ironische Anträge.
Tobias Habegger
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ROTE FALKEN
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Indymedia 2.10.10
Schnuppernachmittag bei den Roten Falken am 23. Oktober 2010 ::
AutorIn : Rote Falken Bern: http://www.bern.rotefalken.ch
Transpi am 1. Mai 2010 in Bern
Die Falken fliegen wieder! Seit einem Jahr ist die Kinder- und
Jugendgruppe mit Ursprung in der ArbeiterInnen-Bewegung wieder in Bern
aktiv, das scheint die Runde gemacht zu haben. Aber um was geht es bei
den Falken genau? Alle Kinder, Jugendlichen und Eltern die Lust haben,
sich diese Sache einmal näher anzuschauen sind herzlich zum
Schnuppernachmittag der Roten Falken Bern am 23. Oktober eingeladen!
Bei den Roten Falken stehen Spiel, Spass und Solidarität an
erster Stelle. Besonders wichtig sind uns die Kinderrechte und die
Partizipation aller Gruppenmitglieder. Unser Anliegen ist es, den
Kindern und Jugendlichen zu zeigen, dass ihre Meinung zählt und
gefragt ist. Wir möchten nachhaltiges Denken, Selbstbestimmung und
Kreativität fördern. Im Falkenalltag haben wir die
Möglichkeit uns selbst zu sein, damit wir uns austoben
können, damit wir träumen können und damit wir zusammen
mit lauter Stimme unsere Forderung nach einer gerechteren Welt
vertreten können.
Die Gruppentreffen der Falken finden jeweils Samstags statt,
daneben gibt es viele weitere Aktivitäten wie Weekends, Pfingst-
und Sommerlager, den 1. Mai und den Tag der Kinderrechte.
Der Schnuppertag der Roten Falken Bern findet am Samstag, 23.
Oktober statt. Treffpunkt ist um 13.30 bei der Tramhaltestelle Bahnhof
(unter dem Baldachin). Kinder ab 6 Jahren, Eltern und auch Jugendliche,
die FalkenhelferInnen werden möchten sind herzlich eingeladen!
Anmeldung (fakultativ) per Mail an infos(ät)bern.rotefalken.ch.
Weitere Infos unter http://www.bern.rotefalken.ch
und http://www.rotefalken.ch
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LICHT-SORGEN
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BZ 2.10.10
Knatsch wegen zu wenig Licht in der Altstadt
Wegen der gedimmten und lückenhaften Beleuchtung in
der Berner Altstadt ist ein Streit ausgebrochen: Anwohner und
Geschäftsleute wollen aus Sicherheitsgründen helleres Licht
unter den Lauben. Diese Forderung passt dem Denkmalschützer
Jürg Keller jedoch gar nicht in den Kram. Er wehrt sich gegen
Festbeleuchtung mit Girlanden und hellen Lampen. "Es geht nicht, dass
die Altstadt zu einem hell erleuchteten Las Vegas verkommt", sagt er.
jsp
Seite 25
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Berner Altstadt
Die Denkmalpflege hats lieber düster
Streit wegen der Beleuchtung in der Berner Altstadt: Aus
Sicherheitsgründen fordern Geschäftsinhaber und Anwohner
hellere Lampen unter den Lauben. Doch der Denkmalschutz wehrt sich
gegen Zustände "wie in Las Vegas".
Die Berner Altstadtbewohner haben von den schlecht
beleuchteten Lauben längst die Nase voll: "Ich verlange, dass die
ungenügende Beleuchtungssituation bald ein Ende hat", sagt Jost
Troxler, Hotelier "Zum Goldenen Schlüssel" an der Rathausgasse.
"Weil die Deckenleuchten abmontiert wurden oder gar nicht brennen, ist
an vielen Stellen wegen der Dunkelheit die Sicherheit der Passanten
gefährdet", argumentiert der Hotelier.
Hotelgast überfallen
Einer seiner Gäste wurde 20 Meter unterhalb seines
hell beleuchteten Hotels in einer solch finsteren Zone überfallen.
"Dort passte ein junger Mann der Frau ab, riss ihr die Handtasche aus
der Hand", schildert Troxler den Überfall. So schnell wie der Dieb
aufgetaucht war, so schnell konnte er flüchten. "Das Opfer hatte
alle Ausweise, Geld und persönliche Utensilien verloren - die Frau
war geschockt und traumatisiert", erzählt Troxler. Er ist
überzeugt: "Durch die Dunkelheit in der Altstadt wird auch die
Drogenkriminalität angekurbelt."
Bewohner haben Angst
Dass eine bessere Beleuchtung zumindest das subjektive
Sicherheitsempfinden beeinflusst, zeigte 2008 eine
Bevölkerungsumfrage der Polizei: Dort wurden als
"Störfaktoren" des Sicherheitsgefühls Bettler und Junkies vor
Verkehr und mangelnder Beleuchtung genannt. Eine andere Umfrage der
Vereinigten Altstadtleiste von letztem Frühjahr ergab, dass sich
nachts über die Hälfte der Altstadtbewohner unsicher
fühlen.
Schildbürgerstreich
Im Leist-Organ, der "Brunne Zytig", wird wegen der
schlechten Beleuchtungssituation in der Altstadt von einem
Schildbürgerstreich und von Unvermögen der Behörden
gesprochen. Dies, weil Energie Wasser Bern (EWB) im Frühling unter
den Lauben neue, helle Deckenlampen montiert hatte, um die
Beleuchtungslücken zwischen den einzelnen Laubenbögen zu
beheben. "Zur Freude der Bevölkerung, welche die schlecht
beleuchteten Stellen längst als Sicherheitsproblem erkannt
hatten", sagt Edi Franz, Präsident des
Brunngass-/Rathausgass-Leists.
Monteure zurückgepfiffen
Doch kaum waren die Lauben stärker beleuchtet, pfiff
der zuständige Mitarbeiter der Denkmalpflege, Jürg Keller,
die EWB-Monteure zurück. Grund: Er fürchtete, dass die
Stimmung in der Altstadt durch das helle Licht der Stromsparbirnen in
den Milchglas-Halbkugeln zerstört werde. Deshalb mussten die
EWB-Mitarbeiter auf Kellers Befehl rund 25 Lampen wieder abmontieren.
Mit dem Resultat, dass es unter den Lauben nun noch dunkler ist als
vorher. Das kann Hotelier Troxler nicht verstehen: "Eigentlich
müssten die Denkmalschützer daran interessiert sein, dass im
Altstadt-Unesco-Welterbe helle Lampen für mehr Sicherheit der
Bevölkerung sorgen."
Denkmalpfleger erklärt sich
Dies sieht Jürg Keller jedoch ganz anders: "Auch in
einer hell ausgeleuchteten Altstadt würden Überfälle
passieren." Nach seinen Worten können Überfälle nur
durch mehr Polizeipräsenz verhindert werden. Und er weist darauf
hin, dass das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung sehr
subjektiv sei.
Denkmalpfleger Keller erklärt, warum er die
EWB-Monteure zurückgepfiffen hat: "Es geht nicht, dass das
Unesco-Welterbe Berner Altstadt zu einem hell erleuchtete Las Vegas
verkommt." Er setze sich für eine harmonische Grundbeleuchtung
ein, welche die Stimmung in der Altstadt nicht zerstöre. Doch
genau dies tun die neuen Stromsparlampen, die ein viel weisseres Licht
ausstrahlen.
Keine Festbeleuchtung
Denkmalpfleger Keller hält fest, dass er keine
Festbeleuchtung durch Perlenketten, Girlanden und helle Lampen von
Privaten unter den Lauben dulden will. Denn: Die Laubengänge sind
auf Stadtgebiet und sollen deshalb nach einem mit EWB und Tiefbauamt
erarbeiteten Lichtkonzept harmonisch und einheitlich beleuchtet werden.
Immerhin ist für Keller klar: "Die Standorte der Lampen mit dem
Grundlicht sollen jetzt verdichtet werden, damit dunkle Zonen
möglichst eliminiert werden."
Nächstens Besichtigung
An einer Besichtigung mit den Leistvertretern will sich
Denkmalschützer Jürg Keller nächstens ein Bild über
die Beleuchtungssituation machen. "Dann soll das nach den Richtlinien
des Tiefbauamtes ausgearbeitete Lichtkonzept optimiert werden", sagt
Jürg Keller.
Für eine Verbesserung der Beleuchtungssituation will
sich an diesem Treffen Stephan Probst, Co-Präsident des Leists der
Unteren Stadt, einsetzen: "Ich werde für eine Beleuchtung
kämpfen, welche die Sicherheit der Bevölkerung verbessert."
Nause will Kompromiss
Für den Stadtberner Polizei- und Sicherheitsdirektor
Reto Nause muss ein "schlauer" Kompromiss gefunden werden. Für ihn
ist klar, dass die Altstadt nicht mit grellem, weissem Neonlicht
ausgeleuchtet werden kann, weil das nicht zu den Sandsteinfassaden
passt. "Doch die Sorgen und Ängste der Bevölkerung sowie ihr
subjektives Sicherheitsempfinden müssen unbedingt ernst genommen
werden."
Um Entreissdiebstähle zu reduzieren, brauche es das
Zusammenspiel von genügend Licht und Belebung. Als Beispiel nennt
er die Grosse Schanze, wo ein solches Mosaik diesen Sommer sehr
erfolgreich gewirkt hat. "Dort gingen die Überfälle dank mehr
Licht und der Belebung durch die City-Beach-Events drastisch
zurück." Nause weist darauf hin, dass die Polizeipräsenz
nicht verstärkt worden sei.
Jürg Spori
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Bund 2.10.10
Denkmalpflege: Lampen in Altstadt störten Rhythmus
Der Berner Denkmalpfleger erklärt, weshalb zu viel
Licht in der unteren Altstadt stört.
Bewohner der unteren Berner Altstadt klagen, dass einige
Laubenabschnitte in der Nacht zu wenig gut beleuchtet sind. Darunter
leide die Sicherheit. Zur Abhilfe installierte Energie Wasser Bern
(EWB) im letzten Winter neue Lampen, musste wenig später auf
Verlangen der Denkmalpflege an einigen Stellen aber wieder Lampen
entfernen. Nun sei es teilweise dunkler als vorher, sagen Anwohner
("Bund" von gestern).
Nachdem die städtische Denkmalpflege am Vortag nicht
für eine Stellungnahme erreichbar gewesen war, erklärte
gestern Denkmalpfleger Jean-Daniel Gross, weshalb die Lampen
beanstandet worden waren. Die Standorte für die neuen Lampen seien
gemeinsam mit EWB bestimmt worden. "Offenbar wurden aber nicht alle
Lampen so gesetzt wie abgemacht", sagte Gross. An einigen Stellen sei
der Rhythmus der Gebäudestruktur durch zu viele und falsch
platzierte Lampen beeinträchtigt worden. "Mehr als eine Leuchte
pro Laubenbogen ist im Allgemeinen zu viel", sagte Gross. Auch sollten
die Lampen nicht direkt an den Bögen angebracht werden, sondern am
besten mittig dazwischen, was nicht immer der Fall gewesen sei.
Neben der Anzahl und der Platzierung der Leuchten habe die
Denkmalpflege auch die Qualität des Lichts beanstandet, sagte
Gross. Neue Sparlampen hätten zum Teil eine "fabrikartige
Ambiance" verströmt. Bloss die Leuchtelemente zu ersetzen, sei
aber ein Leichtes gewesen, so Gross. Zudem gehe er davon aus, dass ein
Teil der abmontierten Lampen bereits alt war.
Für die Beschwerden der Anwohner habe er "grosses
Verständnis", sagte der Denkmalpfleger. Eine für alle gute
Lösung werde "auf jeden Fall" gefunden. (bro)
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Bund 1.10.10
Altstadtbewohner wünschen sich mehr Licht
Dunkle Lauben sorgen in der Berner Altstadt für
heisse Köpfe. Die Denkmalpflege hat bereits installierte
zusätzliche Lampen wieder abmontieren lassen.
Christian Brönnimann
Die kalte Jahreshälfte steht vor der Tür - und
mit ihr die kurzen Tage. Die dunklen Abende sind vielen Bewohnerinnen
und Bewohnern der unteren Altstadt ein Graus. Der Grund: Die
Beleuchtung der Lauben ist in einigen Abschnitten mehr schlecht als
recht. "Es gibt in der ganzen unteren Altstadt Laubenabschnitte, die in
der Nacht zu dunkel sind", sagt Edi Franz, Präsident des
Rathausgass-Brunngass-Leists. Das subjektive Sicherheitsempfinden sei
gestört. Als Beispiele nennt er die Postgasse oder die
Rathausgasse unterhalb des Hotel-Restaurants Goldener Schlüssel.
Dessen Pächter Jost Troxler bestätigt die
Situation. "Die dunkle Umgebung zieht Kriminelle an und verunsichert
die Hotelgäste", sagt er. Kürzlich sei einer Frau, die im
Hotel übernachtet hat, auf dem Heimweg die Handtasche entrissen
worden. "Wenn es so dunkel ist, kann man den Leuten in den Lauben
geradezu abpassen", sagt Troxler. Er habe in letzter Zeit auch vermehrt
beobachtet, wie in der Rathausgasse mit Drogen gedealt werde. Gerade am
letzten Dienstag habe er sieben mutmassliche Dealer in nächster
Umgebung des Hotels gezählt. Er verstehe nicht, dass die
Beleuchtungslücken ausgerechnet in der Rathausgasse so lange nicht
ausgemerzt würden.
"Schon bei zwei aufeinanderfolgenden Laubenbögen ohne
Lichtquelle haben wir ein Problem", sagt Edi Franz. Neue Lücken
entstünden zum Beispiel, wenn ein Geschäft aus einem
Altstadtlokal wegziehe und dadurch beleuchtete Schaukästen
verschwinden. Denn: Wenn neue Schaukästen hinzukommen, werden
bestehende Leuchten oft entfernt.
Denkmalpflege intervenierte
Pikant an der ganzen Geschichte ist, dass Energie Wasser
Bern (EWB), das im Auftrag der Stadt Bern für die Beleuchtung der
Altstadtgassen zuständig ist, eigentlich bereits im letzten Winter
für Abhilfe gesorgt und die bekannten Beleuchtungslücken
gefüllt hat. "Auf Geheiss der Denkmalpflege musste ein Teil der
zusätzlich installierten Lampen aber wieder abmontiert werden",
erklärt Edi Franz. EWB-Sprecherin Natalie Cartier bestätigt
diesen Sachverhalt. Der neu eingesetzte Lampentyp habe etwas helleres
Licht abgegeben als die älteren Modelle. Die Berner Denkmalpflege
habe beanstandet, dass nach der Aufstockung insgesamt zu viel Licht die
Lauben erhellt habe.
Gemäss Cartier hat EWB in der Aktion letzten Winter
88 neue Lampen installiert und 44 ältere Modelle durch neue Lampen
ersetzt. Nach der Intervention der Denkmalpflege hätten
ungefähr 25 der neuen Lampen wieder entfernt werden müssen.
Die Mehrkosten, die dadurch entstanden sind, kann Cartier nicht
beziffern. Sagen lasse sich einzig, dass eine neue Lampe inklusive
Montage auf circa 1600 Franken zu stehen komme. Aus Sicht von EWB sei
die Sicherheit der Bevölkerung das oberste Ziel, das durch
angemessene Beleuchtung erreicht werden soll, sagt Cartier.
Laut Leistpräsident Franz ist es seit der "gut
gemeinten aber teilweise misslungenen Aktion mit den neuen Lampen" an
einigen Stellen noch dunkler als zuvor. In einer gemeinsamen Begehung
im Verlauf dieses Monates soll nun eine Lösung für das
Problem gefunden werden.
Nause hat Verständnis
Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) hat
Verständnis für die Sorgen der Anwohner. Er sei bisher davon
ausgegangen, dass das Lichtproblem bereits gelöst worden sei, so
Nause. Über die Intervention der Denkmalpflege sei er nicht
informiert worden. "Nun müssen wir einen sinnvollen Kompromiss
finden, der für alle stimmt", sagt Nause. Es gebe auch aus seiner
Sicht tatsächlich Stellen in der Altstadt, die besser
ausgeleuchtet werden müssen. "Da braucht es mehr Licht als im
Moment. Die Lücken zu schliessen, ist sicherlich die richtige
Devise."
Die Denkmalpflege der Stadt Bern war gestern für eine
Stellungnahme nicht erreichbar.
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CENTRALWEG
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Bund 1.10.10
Der Pavillon auf der Brache am Centralweg ist da
Auf der Brache am Centralweg im Berner Lorrainequartier
tut sich etwas. Gestern ist der Pavillon angeliefert worden, den der im
Quartier beheimatete Velokurierladen Ende Oktober für knapp zwei
Jahre beziehen will ("Bund" vom 16. April). Das Gelände sorgte in
diesem Frühling durch eine Besetzung der Stadttauben für
Schlagzeilen.
Dass der 9 auf 21 Meter grosse Pavillon bereits auf der
Brache steht, erstaunt auf den ersten Blick. Denn die Baubewilligung
dafür ist noch nicht erteilt. Die Einsprachefrist läuft erst
am 18. Oktober ab. Solange der Pavillon nicht genutzt oder fest
installiert werde, sei das Vorgehen aber zulässig, sagt Annette
Hodel vom Bauinspektorat der Stadt Bern. Baumaterial zu lagern, sei
erlaubt. Verantwortlich für die Zwischennutzung der Brache, auf
der ab 2012 eine neue Überbauung realisiert werden soll, ist die
städtische Liegenschaftsverwaltung. "Alle elektrischen
Anschlüsse sowie die Wasserzufuhr und die Abwasserabfuhr sind noch
nicht installiert. Damit wird natürlich bis zum Ablauf der
Einsprachefrist zugewartet", schreibt Adjunktin Dagmar Boss auf
Anfrage. Die Suche nach einem geeigneten Pavillon habe lange gedauert.
Der Aufwand dafür sei unterschätzt worden, und es sei dabei
"sicherlich Zeit verloren gegangen, die heute den Zeitplan sehr eng
erscheinen lässt", schreibt Boss. (bro)
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RABE-INFO
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Fr. 1. Oktober 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_1._Oktober_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_1._Oktober_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%201.%20Oktober%202010
- 20 Jahre Deutsche Einheit - Ein Gespräch mit dem letzten
Ministerpräsidenten der DDR
- Label Muslim/Muslima - Filme werfen differenzierten Blick auf
den Islam
- Urbane Safari - letzter Teil: Rabenvögel
Links:
http://www.dasanderekino.ch
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Do. 30. September 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_30._September_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_30._September_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2030.%20September%202010
- Unersichungsbericht bestätigt Folter in brasilianischen
Gefängnissen
- LGBT Konferenz soll in Bern stattfinden, dafür fehlt
bisher das Geld
- Unterwegs mit dem Wildhüter der Stadt Bern
Links:
http://ilga.org
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ZIVILSTAND ILLEGAL
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St. Galler Tagblatt 2.10.10
Mehr Schein als Sein?
An die 1000 Scheinehen werden pro Jahr in der Schweiz
geschlossen. In Appenzell Ausserrhoden löst der Verdacht einer
Scheinehe in knapp einem Dutzend Fällen nähere
Abklärungen aus. Ein vertiefter Blick in den Kanton.
Christa Wüthrich
Hat der pensionierte Nachbar seine junge ausländische
Ehefrau wirklich aus Liebe geheiratet? Wohnt das
afrikanisch-schweizerische Paar im Quartier nur per forma zusammen? Und
was ist mit der Ehe zwischen Asylsuchenden und Schweizern? Alles nur
gespielt? "Um eine Scheinehe zu beweisen, braucht es nicht vage
Verdächtigungen, sondern klare Indizien", betont Lars Thoma,
Leiter des Ausserrhoder Amtes für Bürgerrecht und Zivilstand.
Eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft muss nicht aus Liebe
geschlossen werden, um legal zu sein. Sicherheitsdenken,
Familientraditionen, Pflichtbewusstsein oder das Einsparen von Steuern
können Heiratsgründe sein. Um Scheinehen handelt es sich
dabei noch lange nicht. Erst wenn durch eine Hochzeit das
Ausländerrecht umgangen wird und das Paar nicht die Absicht hat,
zusammenzuleben, kann man von einer Scheinheirat sprechen.
Geforderte Transparenz
Laut Schätzungen des Bundesamtes für Migration
werden in der Schweiz jährlich an die 1000 Scheinehen geschlossen.
In Appenzell Ausserrhoden erfolgten im vergangenen Jahr, basierend auf
dem Verdacht einer Scheinehe, in zehn Fällen Abklärungen
durch die Zivilstandsbehörden. Bei einem solchen Vorgehen
müssen mehrere Aspekte konkret auf eine Scheinhochzeit hinweisen:
zum Beispiel gefälschte Papiere, ein abgelehntes Asylverfahren,
ein immenser Altersunterschied oder das Fehlen jeglicher
Möglichkeit, sich verbal zu verständigen. Wer nun denkt, dass
sich die Zivilstandsbeamten im Falle eines Scheinehe-Verdachts in
emsige Detektive verwandeln, irrt. Verdeckte Recherchen, geheime
Befragungen der Nachbarn oder gar überraschende Hausbesuche, um
die Anzahl der Zahnbürsten im heimischen Badezimmer zu
prüfen, gehören nicht zur Recherchestrategie der Beamten.
Gefordert ist Transparenz. "Unser Ziel ist es nicht, Ehen zu
verhindern, sondern Ehen zu schliessen. Das Paar wird direkt mit dem
Verdacht der Scheinehe konfrontiert und aufgefordert, diesen mit Fakten
zu entkräften. Gleichzeitig sammelt der Beamte Informationen zum
Paar - sei es in Zusammenarbeit mit dem Amt für Migration, mit den
Behörden oder mittels Migrationsinformationssystem", erklärt
Lars Thoma.
Langwierige Recherchen
Die Nachforschungen können im Einzelfall mehrere
Monate in Anspruch nehmen. Denn die Richtigkeit einer Geburtsurkunde
aus dem Südsudan zu bestätigen, erfordert Zeit. Um eine
binationale, in Kenia geschlossene Ehe anzuerkennen, sind
Hintergrundinformationen nötig. In solchen Fällen wird die
Schweizer Botschaft im entsprechenden Land eingeschaltet. Die
Botschaftsangestellten beschaffen die Informationen und führen
auch die Gespräche mit den im Ausland lebenden Verlobten. So kann
bei Bedarf zeitgleich ein Verhör mit beiden Partnern geführt
werden - zwar auf verschiedenen Kontinenten, aber mit identischen
Fragen. Zusätzlich überprüft und beglaubigt der Kanton
in Zusammenarbeit mit den Schweizer Botschaften pro Jahr an die 120
Ehen, die von Ausserrhoder Bürgern im Ausland geschlossen wurden.
Auch dabei könnte es sich um Scheinhochzeiten handeln.
Anderer Kanton, neue Chance
Mit Blick auf die Scheinehe-Verfahren, die 2009 vom Kanton
getätigt wurden, haben sich die Nachforschungen gelohnt: Der
Verdacht hat sich in keinem der Fälle erhärtet. Wird der
Verdacht jedoch bestätigt, wird den Heiratswilligen die
Eheschliessung verweigert. Das abgewiesene Paar kann sein Glück in
einem anderen Kanton versuchen. "Betreffend dem Thema Scheinhochzeit,
einer entsprechenden Kooperation zwischen den Kantonen sowie der
Erhebung von Zahlen stehen wir am Anfang", analysiert Lars Thoma die
Situation. "Denn erst durch das 2008 eingeführte neue
Ausländergesetz wurden Zivilstandesbeamte ermächtigt, eine
Eheschliessung abzulehnen." Eine neu gegründete Ostschweizer
Arbeitsgruppe (vertreten sind die Kantone TG, SG, GL, SH, AI und AR)
fokussiert sich nun auf das Sammeln von Informationen, das Nutzen von
Synergien und den Austausch von Erfahrungen.
Die nächste rechtliche Änderung steht Anfang
2011 an. Ausgelöst durch eine parlamentarische Initiative von
SVP-Nationalrat Toni Brunner werden ab Januar 2011 Personen, die keine
gültigen Aufenthaltspapiere besitzen, in der Schweiz nicht mehr
heiraten können. Abgewiesenen Asylsuchenden sowie Sans-Papiers
wird somit das Recht der Eheschliessung in der Schweiz abgesprochen.
"Viel wird sich betreffend Scheinehen durch diese Neuerung nicht
ändern. Denn heiratswillige Sans-Papiers und abgewiesene
Asylbewerber mit abgelaufener Ausreisefrist sind die Ausnahme. Das neue
Gesetz zwingt Betroffene zu einer Heirat im Ausland, was die Aufdeckung
von Scheinehen für die schweizerischen Zivilstandsbehörden
nicht unbedingt einfacher macht."
--
Die Frage nach der Verhältnismässigkeit
Das neue "Handbuch zum Migrationsrecht" erklärt nicht nur
die Rechtslage bei Scheinehen, sondern bietet auch einen Überblick
über das geltende Ausländergesetz in der Schweiz.
Von A wie Asylrecht bis Z wie Zweckbindung: Das
kürzlich erschienene "Handbuch zum Migrationsrecht" erklärt
das Schweizer Ausländerrecht verständlich. Das Autoren-Trio,
bestehend aus den Rechtsanwälten Marc Spescha, Antonia Kerland und
Peter Bolzli, thematisiert in seinem Werk nicht nur Bewilligungsarten,
Zwangsmassnahmen und Strafbestimmungen, sondern auch die Problematik
der Scheinehen - nicht ohne kritischen Unterton!
Mit Verhältnismässigkeit…
Denn sollen die für 2011 geplanten
Rechtsänderungen umgesetzt werden (s. Kasten), muss dies in
Übereinstimmung mit dem Grund- und Menschenrecht auf Ehe
geschehen. "Eine Eheschliessung der betroffenen Personenkategorien
(Sans-Papiers und Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere) darf
in der Schweiz also nicht pauschal verweigert oder übermässig
erschwert werden", bringen es die drei Buchautoren auf den Punkt. Wie
dies in der Praxis umgesetzt werden soll, erklärte
Justizministerin Evelyn Widmer-Schlumpf während einer
Parlamentsdebatte: "Bei der Anwendung im Einzelfall soll auch dem
Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung getragen werden,
damit nicht unüberwindbare Hindernisse für das Eingehen einer
Ehe oder Eingetragen einer Partnerschaft geschaffen werden."
…und Fragenkatalog
Die Paare, welche von den Behörden mit dem Verdacht
auf eine Scheinehe konfrontiert werden, müssen sich heute einer
Vielzahl von Fragen stellen. Wie dieser Fragenkatalog aussehen kann,
zeigt das neue Migrations-Handbuch auf. Zu finden ist die Frageliste
"Vorbereitung zur Heirat", mit welcher das Thurgauer Migrationsamt 2008
versuchte, einen Scheinehe-Verdachtsfall zu klären, sowie eine
Auswahl an Fragen, welche das Aargauer Migrationsamt vergangenes Jahr
in einem Einzelfall verwendete (Auszug der Fragen siehe Kasten). Ob
diese Fragen wirklich den echten Willen eines Paares zur Eheschliessung
beweisen oder dazu führen, dass eine Scheinehe aufgedeckt wird,
bleibt jedoch höchst fraglich. (wü)
--
Fragebogen gegen Scheinehen?
Beispiele der vom Thurgauer oder Aargauer Migrationsamt
verwendeten Fragen, um den Verdacht einer Scheinehe zu entkräften:
Wann (Tag, Monat, Jahr) und wo haben Sie Ihren
zukünftigen Ehepartner kennengelernt (genaue Angaben)? Wie kam es
zum Treffen? Wie ging das Kennenlernen vor sich? Wie oft haben Sie sich
anschliessend getroffen? Wurde die Bekanntschaft durch einen Dritten
vermittelt? Wenn ja, durch wen? Was fanden Sie an Ihrem
zukünftigen Ehegatten so interessant, dass die Beziehung
aufrechterhalten wurde? Von wem kam der Vorschlag, sich wieder zu
treffen? Wer hatte die Idee zu heiraten? Wie viele Male waren Sie bei
Ihrem zukünftigen Ehepartner im Heimatland? Wie viele Male war Ihr
zukünftiger Ehegatte bei Ihnen in der Schweiz? Wer kommt für
den gemeinsamen Lebensunterhalt auf? Wie stellen Sie sich die
gemeinsame Zukunft vor? Was sagen Sie zum Altersunterschied? Wie sehen
Sie diesen in Zukunft? Sollte Ihr zukünftiger Ehegatte keine
Einreise- und Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz erhalten,
wären Sie bereit, im Heimatland des Partners zu leben? (wü)
"Handbuch zum Migrationsrecht" 2010. Marc Spescha, Antonia
Kerland, Peter Bolzli; Orell-Füssli-Verlag, Zürich.
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AUSSCHAFFUNGS-INITIATIVE
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20 Minuten 1.10.10
Abstimmung: Linke wollen Ospel und Blatter ausschaffen
BERN. Die Linke provoziert mit einer Plakatkampagne zur
Ausschaffungsinitiative: Marcel Ospel, Sepp Blatter und auch Wilhelm
Tell seien kriminell - und müssten raus aus der Schweiz.
Am 28. November stimmt die Schweiz über die
Ausschaffungsinitiative ab. Ausländer, die schwere Delikte gegen
Leib und Leben, Sozialhilfemissbrauch, Drogenhandel oder Einbruch
begehen, sollen laut dem Willen der SVP ausgeschafft werden. Der
Gegenvorschlag sieht vor, Ausländer konsequent auszuweisen, wenn
sie zu mindestens zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurden.
Nun greift die Alternative Liste (AL) mit einer gewagten
Plakatkampagne in den Abstimmungskampf ein: Fifa-Boss Sepp Blatter soll
wegen "Beteiligung an krimineller Organisation", Ex-UBS-Chef Marcel
Ospel wegen "arglistiger Vermögensvermehrung" und Wilhelm Tell
wegen "Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte" ausgeschafft
werden. Aufgehängt werden sollen mehrere Hundert Plakate in der
Deutschschweiz. "Jugos hängt man, Abzocker lässt man laufen",
sagt AL-Vorstandsmitglied Niklaus Scherr. Man wolle zeigen, dass auch
waschechte Eidgenossen Dreck am Stecken hätten - obwohl diese
natürlich nicht ausgeschafft werden könnten. Die Kampagne
solle aber auch zum Schmunzeln anregen. Scherr: "Der SVP-Liebling Tell
war selbst eine Art Terrorist - das ist ein Tritt an deren Schienbein."
Die Plakatkampagne könnte ehrverletzend sein, sagt
Ivan Schultheiss, Geschäftsführer des
Aussenwerbungsunternehmens APG. "Im Falle einer Reservation würden
wir den Inhalt juristisch prüfen und womöglich den jeweiligen
Städten vorlegen." Ospel und Blatter konnten für eine
Stellungnahme nicht erreicht werden. nm/dp
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AUSSCHAFFUNGEN
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Rundschau 29.9.10
Kontroverse um Ausschaffung
Augenzeugen berichteten von wüsten Szenen: Die Eltern von
vier kleinen Kindern sollen gefesselt, mit Gesichtsmasken versehen und
in einen Bus geworfen worden sein. Danach hat der Kanton
Graubünden die sechsköpfige Familie nach Syrien ausfliegen
lassen. Ein Untersuchungsbericht kommt nun zum Schluss: Die
Behörden haben korrekt gehandelt. Amnesty International aber
hält an ihrer Kritik fest.
http://videoportal.sf.tv/video?id=a651e637-febb-4f46-9f00-2e321e46c60e
* Dossier "Asyl in der Schweiz"
http://www.sf.tv/sfwissen/dossier.php?docid=17387&navpath=pol/inl
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DROGEN
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NZZ 2.10.10
Gemischte Bilanz im Kampf gegen Mohnanbau
Die Opiumproduktion in Afghanistan hat sich laut der Uno
halbiert, doch die Grösse der Anbaufläche blieb konstant
Trotz millionenschweren Drogenbekämpfungsprogrammen
ist der Mohnanbau in Afghanistan 2010 nicht nachhaltig
zurückgegangen. Wegen einer Krankheit brach die Opium-Ernte zwar
um fast die Hälfte ein, die Anbaufläche blieb aber gleich
gross.
Andrea Spalinger, Delhi
Das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) zieht
in seinem diesjährigen Bericht zum Mohnanbau in Afghanistan eine
gemischte Bilanz. Die Produktion von Rohopium fiel 2010 im Vergleich
zum Vorjahr zwar um 48 Prozent auf 3600 Tonnen. Der Rückgang ist
aber auf den Befall der Mohnfelder im Süden mit einer Krankheit
zurückzuführen. Die Anbaufläche, die ausschlaggebend
ist, wurde im Vergleich zum Vorjahr nicht kleiner, sondern stagniert
bei 123 000 Hektaren. Auch die Zahl der Haushalte, die vom Mohnanbau
leben, blieb mit knapp 250 000 etwa gleich gross wie 2009.
Millionenschwere Programme
Der "Afghan Opium Survey" des UNODC basiert auf
Luftaufnahmen und Befragungen von Bauern, Sicherheitskräften und
Drogenbekämpfern in den verschiedenen Provinzen. Afghanistan
produziert rund 90 Prozent des Rohopiums - aus dem Heroin hergestellt
wird - weltweit. In den letzten Jahren war der Mohnanbau am Hindukusch
kontinuierlich zurückgegangen.
Der jüngste Bericht ist deshalb ziemlich
ernüchternd und stellt einen schweren Rückschlag für die
Nato und ihre zivilen Partner in Afghanistan dar. Nicht zuletzt, weil
auch 2010 wieder Hunderttausende von Dollars in
Drogenbekämpfungsprogramme geflossen sind. Allein die USA haben im
laufenden Fiskaljahr 250 Millionen Dollar ausgegeben, um Mohnfelder zu
zerstören und Bauern mit Subventionen dazu zu bewegen, auf anderes
Saatgut umzustellen. Offensichtlich ohne grossen Erfolg. Auch die
Zerstörung von Mohnfeldern war 2010 mit 2316 Hektaren so gering
wie nie seit Beginn der Überwachung durch das UNODC 2005.
Die meisten Bauern in Afghanistan sind bitterarm und
können mit ihrem winzigen und kargen Stück Land kaum ihre
Familien ernähren. Verständlicherweise bauen sie deshalb
jenes Saatgut an, das den grössten Gewinn verspricht. Zwischen
2005 und 2009 ist der Marktpreis von Rohopium stetig gesunken und der
Mohnanbau entsprechend zurückgegangen. Der Produktionseinbruch in
diesem Jahr hat jedoch zu einem starken Anstieg des Opiumpreises
geführt und dürfte deshalb eine kontraproduktive Wirkung auf
die Drogenbekämpfungsbemühungen haben.
Hatten die Bauern 2009 noch 64 Dollar pro Kilogramm
Rohopium bekommen, liegt der Preis heute bei 169 Dollar. Die Einnahmen
der Landwirte aus dem 2010 produzierten Opium sind damit trotz
deutlichem Ernterückgang um 40 Prozent auf über 600 Millionen
Dollar gestiegen.
Die höheren Opiumpreise dürften laut dem
jüngsten Uno-Bericht viele Bauern ermuntern, in der kommenden
Saison Mohn anzubauen, nicht zuletzt solche, die in den letzten Jahren
damit aufgehört hatten. Die Aussaat beginnt in Südafghanistan
(wo das meiste Opium produziert wird) im Dezember. Im Frühjahr
nächsten Jahres dürfte sich entsprechend abzeichnen, ob die
Anbauflächen tatsächlich zunehmen. Sämtliche Experten
erwarten einen deutlichen Zuwachs, vor allem auch deshalb, weil der
Preis von Weizen, dem wichtigsten Nahrungsmittel im Land, derzeit auf
einem absoluten Tief liegt.
Vor allem im Süden angebaut
Fast 98 Prozent des Mohns werden laut dem Uno-Bericht in
neun Provinzen im Süden und Westen Afghanistans angebaut,
über welche die Regierung kaum Kontrolle hat. Helmand und Kandahar
liegen mit grossem Abstand an der Spitze der Drogenproduzenten. Helmand
allein produzierte in diesem Jahr über die Hälfte des Opiums
im ganzen Land. Ein kleiner Lichtblick ist, dass die 20 Provinzen, die
vor zwei Jahren für "Mohn-frei" erklärt worden waren, dies
auch geblieben sind.
Laut der UNODC macht die regionale Konzentration des
Mohnanbaus deutlich, dass zwischen Drogenanbau und schlechter
Sicherheitslage ein enger Zusammenhang besteht. In den Provinzen, wo
weder die afghanische Regierung noch internationale Hilfsorganisationen
präsent seien, blühe der Mohn, heisst es in dem Bericht.
Durch den Drogenhandel füllten lokale Milizenführer,
ehemalige Warlords, Verbrechersyndikate und die Taliban ihre
Kriegskassen. Westliche Diplomaten schätzen, dass die
Aufständischen 100 Millionen Dollar jährlich am
Drogengeschäft verdienen.
Der Chef des UNODC, Juri Fedotow, betonte bei der
Präsentation des "Afghan Opium Survey" in Wien, der Mohnanbau
könne einzig durch die Schaffung von mehr politischer
Stabilität und Sicherheit in Afghanistan gestoppt werden. Solange
in weiten Teilen des Landes Krieg herrsche, werde man das Drogenproblem
nicht in den Griff bekommen. Fedotow rief die internationale
Gemeinschaft dazu auf, alles in ihren Möglichkeiten Stehende zu
tun, um den Rechtsstaat und die afghanischen Sicherheitskräfte zu
stärken. Ausserdem müssten die Entwicklungsbemühungen
verstärkt werden, damit es sich die Bauern auch leisten
könnten, etwas anderes als Mohn anzubauen.
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Tagesanzeiger 1.10.10
Voll mit Kokain
Nigerianische Dealer dominieren den Kokainhandel
schweizweit. Lose organisiert, sind sie schwer zu fassen.
Von Stefan Hohler
"Kontrolle in Asylunterkunft", "Bodypacker verhaftet",
"Kokain sichergestellt", "Kügelidealer festgenommen" -
regelmässig berichtet die Polizei über Verhaftungen und
Razzien in der Kokainszene, und fast immer spielen Nigerianer dabei
eine Rolle. Innerhalb weniger Jahre ist es nigerianischen Dealern
gelungen, den Kokainhandel nicht nur in der Stadt Zürich, sondern
auch schweizweit zu dominieren. Ein Phänomen, das eng mit der
Zunahme afrikanischer Asylbewerber zusammenhängt, wie Beat Rhyner,
Fahndungschef der Stadtpolizei Zürich, feststellt. Seit Mitte der
Neunzigerjahre als Kügelidealer im Strassenhandel aktiv, mischen
sie zunehmend auch im Drogentransport und -schmuggel mit. Das Bundesamt
für Polizei schätzt, dass 25 bis 40 Prozent des aus
Lateinamerika stammenden Kokains via Westafrika nach Westeuropa
geschmuggelt werden. Die Mehrheit der Dealer stamme aus Nigeria. Eine
Minderheit komme aus Sierra Leone, Guinea, Gambia und der
Elfenbeinküste.
Laut Beat Rhyner hat es die Polizei in den letzten Jahren
vermehrt mit Afrikanern mit der Aufenthaltsbewilligung B oder der
Niederlassungsbewilligung C zu tun. Diese Bewilligungen haben sie oft
durch Heirat mit einer Schweizerin oder einer Frau mit C-Bewilligung
erlangt. Ein ähnliches Phänomen habe man zuvor bei
Dominikanern in Zürich beobachtet. Nach der Räumung der
offenen Drogenszene am Letten im Frühling 1995 hatten die
Dominikaner die Libanesen aus dem Kokainhandel verdrängt. Sie sind
der Polizei zufolge auch heute noch gross im Geschäft. Sie
"mischeln" aber nicht mehr im Strassenhandel mit. Inzwischen sind sie
eine Hierarchiestufe aufgestiegen und importieren Drogen im grossen
Stil in die Schweiz.
Im Gegensatz zu den Westafrikanern waren die Dominikaner
aber nicht als Asylbewerber in die Schweiz gereist, sondern mit einem
Touristenvisum. Viele von ihnen erhielten durch Heirat die Aufenthalts-
oder Niederlassungsbewilligung oder wurden sogar eingebürgert.
Erleichtert wurde der Zuzug der Dominikaner dadurch, dass viele Frauen
aus der Dominikanischen Republik bereits als Prostituierte hier lebten
und mit Schweizern verheiratet waren.
Geschickte Manipulatoren
Die nigerianischen Dealer ihrerseits zeichnen sich den
Ermittlern zufolge durch grosses Manipulationsvermögen aus und
wissen die Gutgläubigkeit ihrer Partnerinnen auszunützen.
Viele Schweizer Frauen fallen auf ihre zuvorkommende Art und ihren
Charme hinein. Dies illustriert der Fall eines 37-jährigen
Nigerianers, dem die Aargauer Kantonspolizei auf die Spur gekommen ist:
Der Mann ist in den Neunzigerjahren als Asylbewerber eingereist, seit
zwölf Jahren mit einer Schweizerin verheiratet und inzwischen
eingebürgert. Er arbeitet als Lagerist, sie ist IV-Rentnerin: Sie
kommen gemeinsam auf offiziell 8500 Franken monatlich und bewohnen mit
den beiden Kindern ein Einfamilienhaus.
Der Mann führt aber ein Doppelleben. Neben der Arbeit
organisiert er ein Drogengeschäft im grossen Stil und fungiert als
"Brückenkopf" für den Kanton Aargau. Den Handel mit 3,8
Kilogramm Kokain hat die Polizei ihm nachgewiesen. Zudem soll er 1,4
Kilogramm Kokain aus den Niederlanden importiert und über 110 000
Franken gewaschen haben. Der Mann wurde zu einer siebenjährigen
Freiheitsstrafe verurteilt. Die Frau hatte laut Polizei von seinem
Drogenhandel keine Ahnung und war bei der Verhaftung völlig
überrascht gewesen. Der Mann hatte ihr vorgemacht, die
unzähligen Treffen und Telefonate mit Landsmännern
hätten mit seiner Nebentätigkeit im Autoexport zu tun.
Die Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung gibt den
Männern die Möglichkeit, sich in ganz Europa frei zu bewegen
und auch im Zwischenhandel aktiv zu sein. Hilfreich ist dabei, dass es
in fast allen europäischen Ländern Auswanderer-Gemeinschaften
aus Nigeria gibt, dem mit rund 150 Millionen Einwohnern
bevölkerungsreichsten Land Afrikas. Das ermöglicht es den
Dealern, sich im eigenen Umfeld zu bewegen und kriminell zu
organisieren.
Nicht nur in Europa, auch in vielen afrikanischen
Ländern, in Südamerika (Brasilien, Venezuela) und der Karibik
(Niederländische Antillen, Surinam) sind nigerianische
Drogenbanden aktiv. Im vergangenen November ist im Norden Malis eine
ausgebrannte Boeing 707 gefunden worden, die laut dem Bundesamt
für Polizei dazu gedient hatte, tonnenweise Kokain von Venezuela
nach Westafrika zu transportieren.
Kuriere aus Osteuropa
Die Dealernetze betreiben ein internationales
Kuriersystem, das in der Lage ist, grosse Mengen Kokain in die Schweiz
zu liefern. Sie verändern die Schmuggelrouten und
Vertriebskanäle ständig und setzen immer wieder andere
Kuriere ein. Die Drogen werden häufig auf dem Luftweg in die
Schweiz geschmuggelt. Oft durch sogenannte Bodypacker, die das Kokain
in Fingerlingen schlucken. Daneben gelangen grosse Mengen Kokain auf
Schiffen nach Europa, wo die Drogen dann mit Autos und der Bahn
weiterverteilt werden: Die Niederlande (Rotterdam, Amsterdam) und
Spanien sind die beiden wichtigsten europäischen Drehscheiben.
Seit Mitte 2009 stellt die Polizei in der Schweiz eine
neue Transportstrategie fest: Die westafrikanischen Netzwerke setzten
vermehrt Kuriere aus dem Balkan oder Osteuropa ein. Hintergrund dieser
Entwicklung sind die vermehrten Kontrollen und Verhaftungen
afrikanischer Dealer. "Westafrikanische Drogenhändler bekundeten
in der Folge Schwierigkeiten, aus Afrika stammende Personen für
den Kurierdienst mit dem Ziel Schweiz zu rekrutieren", schreibt das
Bundesamt für Polizei im Jahresbericht 2009. Insbesondere
Nigerianer würden es ablehnen, die gefährlichen Kurierfahrten
zu unternehmen.
Die Nigerianer sind ausgezeichnete Händler, das
bestätigen alle Fachleute, die sich mit dem Kokainhandel
beschäftigen. Die Dealer sind flexibel und haben keine
Berührungsängste, mit anderen Volksgruppen zusammenzuspannen,
wenn es dem Geschäft dient.
In Netzwerken organisiert
Im Gegensatz zu den Albanern, die den Heroinhandel in der
Schweiz dominieren, haben die nigerianischen Drogendealer flache
Hierarchien und sind nicht clanmässig organisiert. Sie haben
Netzwerkstrukturen, die sich immer wieder neu formieren. Sie arbeiten
also nicht in straff geführten Banden.
Diese Organisationsstruktur erschwert die Strafverfolgung.
Deshalb arbeiten die kantonalen Polizeikorps seit Frühjahr 2009
unter der Federführung des Bundesamtes für Polizei unter dem
Projekttitel "Cola" eng zusammen. Die Arbeit ist aufwendig, die Kosten
sind hoch: Allein der Kanton Aargau hat im letzten Jahr für
Telefonkontrollen und Übersetzungen - die nigerianischen Dealer
sprechen Igbo, eine Sprache, die nur wenige Dolmetscher kennen - rund
1,2 Millionen Franken ausgegeben. Nur schon die Identität der
beteiligten Personen zweifelsfrei festzustellen, ist schwierig.
Kokain ist heute in der Schweiz nach Cannabis die am
häufigsten konsumierte illegale Droge. Tendenz steigend - im
Gegensatz zum Heroin, wo der Konsum stabil bis abnehmend ist. Im
letzten Jahr haben Polizei und Zoll landesweit 560
Kilogramm Kokain sichergestellt: ein neuer Rekord. Kokain wird
praktisch überall verkauft, in Clubs, Restaurants oder
Privatwohnungen, wobei in der Stadt Zürich nur ein kleiner Teil
von Strassenhändlern im Langstrassenquartier feilgeboten wird. Der
Gassenpreis für ein Gramm Kokain beträgt 50 bis
100 Franken. Ein Kügeli, wie es an der Langstrasse
verkauft wird, kostet zwischen 20 und 50 Franken.
Bignascas Stoff, Seite 16
--
Erhielt Bignasca den Stoff von der 'Ndrangheta?
Der Präsident der Lega dei Ticinesi soll einem Kurier
der Mafia in sieben Monaten ein Kilo Kokain abgekauft haben. "Die
spinnen", sagt er zu diesen Vorwürfen.
Von René Lenzin, Lugano
Giuliano Bignasca hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass
er früher regelmässig Kokain konsumierte. Der mittlerweile
65-jährige Präsident auf Lebzeiten der Lega dei Ticinesi ist
wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz auch zu
einer unbedingten Strafe von 30 Tagen verurteilt worden, die er in
Halbgefangenschaft abgesessen hat. Doch nun könnte Bignascas
Drogenkonsum eine neue Dimension erhalten.
Die Tessiner Tageszeitung "La Regione" berichtete gestern,
Bignasca habe in den 90er-Jahren Kokain von einem Drogenkurier der
kalabresischen 'Ndrangheta bezogen. Sie zitiert dabei aus Aussagen,
welcher dieser Kurier gegenüber den eidgenössischen
Ermittlungsbehörden gemacht haben soll. Im Zeitraum zwischen 1993
und 1997 habe er Bignasca insgesamt sieben Monate lang Kokain gebracht,
sagte der Kurier in zwei Verhören in den Jahren 2004 und 2005.
Immer donnerstags habe er 30 bis 50 Gramm geliefert, insgesamt wohl gut
1 Kilogramm.
Stimmen diese Aussagen, hätte Giuliano Bignasca
entweder pro Tag durchschnittlich fünf Gramm Kokain konsumiert
oder einen Teil der Drogen weitergegeben. Darauf angesprochen, sagt er,
er könne sich nicht mehr an alle Details aus dieser Zeit erinnern.
Aber sicher habe er nie so grosse Mengen konsumiert. Wer das behaupte,
sei schlicht verrückt. Und dann wiederholt er, was er bereits
früher gesagt hat: "Ich habe nie mit Drogen gehandelt."
Vergehen wäre verjährt
Bignasca will auch den besagten Drogenkurier nicht kennen.
Er bestätigt zwar die Berichte von "La Regione", wonach er von der
Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit 'Ndrangheta und Drogenhandel
vorgeladen worden ist. Die Ermittler hätten ihm verschiedene Fotos
gezeigt, doch er habe keine der darauf abgebildeten Personen erkannt.
Laut Bignasca hat diese Anhörung in den "ersten Jahren des
Jahrzehnts" stattgefunden, laut "La Regione" im Oktober 2005. Mit
rechtlichen Konsequenzen muss der umstrittene Tessiner Politiker nicht
rechnen, da ein allfälliges Vergehen verjährt wäre.
Bignasca wehrt sich
Bei den Ermittlungen, aus denen "La Regione" zitiert,
handelt es sich um den Fall "Quatur". Es geht um die mutmasslichen
Aktivitäten eines 'Ndrangheta-Clans in der Schweiz. Ausgelöst
worden sind die Ermittlungen durch den Zusammenbruch zweier
Finanzgesellschaften in Zürich, die der Mafia als Vehikel für
die Geldwäscherei gedient haben sollen. Im Sommer hat das
Untersuchungsrichteramt seinen Schlussbericht an die Bundesanwaltschaft
übergeben, die nun über eine Anklage vor dem
Bundesstrafgericht befinden muss. Mögliche Delikte sind
organisierte Kriminalität, Geldwäscherei, Drogen- und
Waffenhandel.
Mit solchen Dingen habe er nichts am Hut, betont Bignasca.
Er ist überzeugt, dass die Berichte von "La Regione" einen
politischen Hintergrund haben. Mattinonline.ch, die Website seiner
Sonntagszeitung "Il Mattino della Domenica", schrieb gestern von einer
"Pressekampagne, die darauf abzielt, Giuliano Bignasca wenige Monate
vor den kantonalen Wahlen zu diskreditieren".
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TABAK
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Beobachter 1.10.10
Teufelskraut oder Göttergeschenk
Kulturgeschichte Je nach Epoche galt Tabak als Werk des
Satans oder als göttliche Pflanze. Er war zugleich Droge der Armen
wie der Adeligen. Heute wird das ehemalige Symbol der Freiheit vor
allem als profanes Suchtmittel gesehen.
Text: Tatjana Stocker
Gefährlich war Rauchen schon immer: Als Rodrigo de
Jerez, ein Begleiter von Kolumbus, aus Mund und Nase qualmend aus
Amerika heimkehrte, wurde er umgehend in den Kerker geworfen. Die
Inquisition hielt ihn für einen Abgesandten des Teufels.
Die Spanier hatten nicht schlecht gestaunt, als sie nach
ihrer Landung in Amerika die Ureinwohner mit "glühenden Kohlen in
den Händen" sahen, "von wohlriechenden Kräutern in Brand
gehalten". Rauchen war aber nicht die einzige Methode der Indianer, um
dem Körper Nikotin zuzuführen: Sie tranken Tabaksaft oder
führten sich das Narkotikum gar mittels Klistier ein.
In Europa galt Tabak anfangs als sündiges
Teufelswerk, das Kirche und Obrigkeit vehement bekämpften. Papst
Urban VIII. belegte 1642 das Rauchen mit einem Bann, und für James
I., König von England und Schottland, war Tabakrauchen "die
grösste aller Sünden". Es schädige Gehirn und Lunge,
führe zu Müssiggang und zur Verschwendung, schrieb er bereits
1603 in einem höchstpersönlich verfassten Pamphlet.
Erstaunlicherweise sind in der Streitschrift des Königs schon alle
bis heute geltenden Argumente gegen das Rauchen aufgelistet. Auch die
Schädlichkeit des Passivrauchens wird von ihm bereits ins Feld
geführt.
Besonders brutal gingen die Herrscher im Osten gegen das
westliche Laster vor: 1634 erliess der russische Zar ein totales
Rauchverbot, Raucher wurden ausgepeitscht, ihre Nasen und Lippen
aufgeschnitten, bevor sie in die Verbannung geschickt wurden. Auf
Tabakhandel stand gar die Todesstrafe. Zur selben Zeit liess der
persische Schah Safi I. Rauchern flüssiges Blei in den Hals
giessen. In der Türkei wurden Tabak- und Kaffeehäuser
zerstört und Tausende Raucher gepfählt oder geköpft. Die
Verbreitung des Krauts konnten die drastischen Massnahmen und
drakonischen Strafen freilich nicht verhindern: Vom Ende des 16. bis
zum Anfang des 17. Jahrhunderts zieht der Tabakqualm bis in die letzten
Winkel des Globus.
Doch längst nicht allen Kulturen galt Tabak als
Teufelskraut: Die Maya verehrten ihn als gottähnlich, und die
Indianer Perus, die Tabakpflanzen bereits im dritten Jahrtausend vor
Christus anbauten, setzten das als heilig geltende Wunderkraut bei
rituellen Räucherungen ein. Noch heute spielt Tabak bei den
nordamerikanischen Indianern eine Rolle, etwa als Gastgeschenk.
Seinen botanischen Namen erhielt das
Nachtschattengewächs Nicotiana tabacum übrigens zu Ehren von
Jean Nicot (1530-1604), dem französischen Botschafter am
portugiesischen Hof, der das Kraut in Frankreich einführte. Nach
Nicot wurde im 19. Jahrhundert auch der wichtigste, chemisch isolierte
Wirkstoff der Tabakpflanze benannt: das Nikotin.
In der Schweiz wird Tabak seit der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts konsumiert. Das Wie hing nicht zuletzt von der
sozialen Stellung ab: Die Armen bedienten sich des Kautabaks, die
Soldaten, Studenten und "niederen Stände" pafften Pfeife, die
vornehme Gesellschaft des Rokoko aber griff zur Dose Schnupftabak.
Napoleon etwa soll sich jährlich nicht weniger als 80 Pfund Tabak
in die Nase gesteckt haben.
Tabakkonsum war in Europa immer schon eher männlich
besetzt. Das aufstrebende Bürgertum des 19. Jahrhunderts machte
Rauchen gänzlich zu einem männlichen Exklusivrecht. Nur
verruchte Weibsbilder wagten es noch, dieses Tabu zu verletzen;
rauchende Frauen wie die Tänzerin Lola Montez und die
Schriftstellerin George Sand signalisierten damit ihre
Aussenseiterstellung. Auch im Privaten herrschte eine strikte Trennung:
Wo die Hausfrau waltete, war eine rauchfreie Zone, im Herrenzimmer und
in der Bibliothek, wo die Männer unter sich waren, wurde indessen
tüchtig gequalmt.
Alltäglich machte das Rauchen erst die grosse
Neuerung im Tabakwarenmarkt: die Zigarette. Sie war leicht
zugänglich und schnell konsumierbar. Von Russland her verbreitete
sich die erst nur in Adelskreisen konsumierte Orientzigarette, ein
eigentliches Luxusprodukt - die Hülle war aus Seidenpapier, die
Schachteln waren mit Arabesken verziert - im Westen. Der starke Anstieg
des Zigarettenkonsums nahm jedoch erst mit den Weltkriegen seinen
Anfang.
"Mit dem Krieg änderte sich auch der Status der
Zigarette", schreibt der deutsche Suchtforscher Hasso Spode in einem
Beitrag zur Geschichte des Tabakgenusses in Europa. Ihr Hauch von Luxus
und Boudoir habe sich erst in den Schützengräben
verflüchtigt, der Glimmstängel sei zur Überlebenshilfe
geworden: Er habe geholfen, die Hölle zu ertragen, durchzuhalten.
Nach 1945 gierte Europa geradezu nach Nikotin: Die nach
dem Krieg eingeführten hellen Zigaretten hatten durchschlagenden
Erfolg. Der amerikanische, "blonde" Typ der Filterzigarette galt als
gesünder als herkömmliche Zigaretten und lief Pfeife und
Zigarre den Rang ab. Seither werden in Mitteleuropa über neun
Zehntel des Tabaks als Zigaretten konsumiert.
Die Schützengräben der beiden Weltkriege
markieren auch die Geburt des Mythos Zigarette - als Symbol einer
kleinen, eingeschworenen Gemeinschaft, die beim Rauchen Trost und
Zuspruch findet. Fortan durfte die Zigarette an keinem Lagerfeuer - man
denke an die berühmte Marlboro-Cowboy-Kampagne - mehr fehlen. Auf
der Leinwand steckten sich harte Kerle wie Humphrey Bogart oder Clint
Eastwood eine Zigarette an, sobald es galt, Kräfte zu sammeln,
Nerven zu stählen oder sich angesichts höchster Gefahr den
nötigen Mut einzuflössen. In romantischeren Situationen
wiederum gehörte die "Zigarette danach" in den Filmbetten
praktisch zum guten Ton.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts griffen
auch immer mehr Frauen und Jugendliche - die Werbung der boomenden
Zigarettenindustrie trug das Ihre dazu bei - zum Glimmstängel. Wer
rauchte, so die suggestive Botschaft, galt als cool, modern,
unabhängig. Dass die Emanzipation der Frau ihren symbolischen
Ausdruck in einer drastisch ansteigenden Zahl von Raucherinnen fand,
ist in diesem Zusammenhang wenig verwunderlich. Rauchen galt als
Ausdruck einer Befreiung von allen möglichen Zwängen - und
erreichte damit eine kulturpolitische wie kulturphilosophische
Dimension.
Unterdessen hat der Zeitgeist längst wieder gedreht.
Das immer detailliertere medizinische Wissen über die
Schädlichkeit des Tabakkonsums hat die gesellschaftliche Norm des
Rauchens ins Wanken gebracht. Der aus den USA stammende "Terry Report"
von 1964 über das erhöhte Lungenkrebsrisiko führte zu
einem Problembewusstsein, das auch in Europa einen Rückgang des
Rauchens, zumeist in den gebildeten Schichten, auslöste.
Dass das Gesundheitsbewusstsein heute sehr ausgeprägt
ist, zeigt sich auch darin, dass Raucher in den letzten Jahren fast
völlig von der Kinoleinwand verschwunden sind. Wer kann sich heute
noch einen kettenrauchenden Helden vorstellen? Alles deutet darauf hin,
dass die Kultur des Rauchens in den Industrieländern vermehrt
geächtet, der Tabak tabuisiert wird. Anders sieht es in den
Schwellenländern aus: Dort verzeichnet der Tabakkonsum immer noch
Wachstumsraten.
Vorreiter der westlichen Anti-Rauch-Kampagnen sind die
USA, wo der Kampf gegen das Rauchen seit über 40 Jahren
unerbittlich geführt wird. In der Öffentlichkeit kommen immer
mehr Rauchverbote zum Tragen, und bereits die Kinder lernen, dass
Zigaretten gesundheitsschädigend sind und sich ungünstig aufs
Wachstum auswirken.
Der Wertewandel hinterlässt Spuren in der
Gesellschaft: Tabak, einst mit Genuss assoziiert, wird heute vorwiegend
als schädliches Suchtmittel betrachtet, Rauchen mit Bildungsmangel
und niederen sozialen Schichten in Verbindung gebracht, Raucherinnen
und Raucher als Süchtige stigmatisiert.
Gesundheitspolitisch wird der Tabakkonsum auf der ganzen
Welt ein immer wichtigeres Thema. Fast drei Viertel der
europäischen Staaten haben bereits Rauchverbote oder
Einschränkungen beschlossen, und beinahe alle verbieten die
Aussenwerbung für Tabakprodukte. 28 europäische Länder
haben die Abgabe an Jugendliche untersagt.
Auch hierzulande haben Präventionsmassnahmen an
Gewicht gewonnen. Über 9000 Tabaktote und elf Milliarden Franken
soziale Kosten jährlich sind starke Argumente, um dem Tabak den
Kampf anzusagen. Bereits 2001 beschloss der Bundesrat ein nationales
Programm zur Tabakprävention (NPTP), das Informationskampagnen,
Regulierung von Markt und Werbung, Jugend- und Nichtraucherschutz sowie
Raucherentwöhnungshilfen umfasst. Seit 2003 werden entsprechende
Projekte über einen Tabakpräventionsfonds finanziert, der mit
einer Abgabe von 2,6 Rappen pro Packung Zigaretten gespeist wird.
Das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen trat im Mai
2010 in Kraft. "Passivrauchen schadet der Gesundheit. Es verursacht
Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma und Infektionen der
Atemwege", begründet das Bundesamt für Gesundheit das Gesetz.
Seither sind alle geschlossenen Räume, die mehreren Personen als
Arbeitsplatz dienen, rauchfrei; ebenfalls alle geschlossenen
Räume, die öffentlich zugänglich sind.
Verboten sind in der Schweiz auch die Werbung und das
Sponsoring für Tabakprodukte im Radio und im Fernsehen; bereits
zehn Kantone haben auf ihrem Territorium die Plakatwerbung für
Tabakprodukte untersagt.
Schockbilder von Krebsgeschwüren oder faulendem
Zahnfleisch, wie sie seit Anfang 2010 in der Schweiz vorgeschrieben
sind, können Raucher zum Aufhören bewegen. Das halten
Experten für bewiesen. Eine vierjährige internationale Studie
mit 15 000 Rauchern hat ergeben, dass die Ekelfotos tatsächlich
abschrecken. Im internationalen Vergleich zeige sich, dass in den
Ländern, die die Bilder nutzten, die Bereitschaft der Raucher zum
Aufhören deutlich steige, so die Forscher in der 2007
veröffentlichten Untersuchung. Besonders wirksam seien Bilder von
echten Krebsgeschwüren.
So unbestritten die Bedeutung des Tabaks in der
Kulturgeschichte ist, so umstritten war immer sein Gebrauch - und ist
es noch heute: Entweder man schätzt oder verabscheut ihn. "Der
Tabak hat eine weltgeschichtliche Bedeutung. Jeder muss ihm das
zuerkennen, ganz einerlei, ob er ihn für gesund oder
schädlich hält, ihn liebt oder verabscheut", fasste Hoffmann
von Fallersleben 1855 diese Ambiguität zusammen.
Die Geschichte des Tabaks zeigt, dass der
gesellschaftliche Status des Rauchens grossen Schwankungen unterworfen
ist und sich die Formen des Konsums ständig weiterentwickeln.
Pfeife, Schnupftabakdose und Zigarre prägten ihre jeweiligen
Epochen wie die Zigarette das 20. Jahrhundert. Doch diese scheint im
21. Jahrhundert ein Kulturgut im Niedergang zu sein. Vielleicht erleben
wir bald eine Epoche der Nikotinkaugummis. Oder das Zeitalter der -
garantiert rauch- und emissionsfreien - E-Zigarette (siehe
"Alternative", Seite 23). Zumindest die Forderung nach dem Schutz vor
Passivrauchen wäre damit vom Tisch.
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PNOS
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BZ 2.10.10
Uri
Pnos-Mann verurteilt
Das Urner Obergericht hat gestern ein Urteil der
Vorinstanz gegen einen 31-jährigen Berner bestätigt, der auf
dem Rütli den Holocaust geleugnet hat. Der Mann, der Mitglied der
Partei national orientierter Schweizer (Pnos) ist, wurde zu einer
bedingten Geldstrafe von acht Tagessätzen à 100 Franken
sowie zu einer Busse von 200 Franken verurteilt. Ausserdem auferlegten
die Urner Richter dem Verurteilten die Kosten des Verfahrens in
Höhe von rund 4900 Franken.
sda
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THOR STEINAR
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Basler Zeitung 1.10.10
Umstrittenes Label ist weg
Kleiderladen reagiert auf Proteste und wirbt nicht mehr
mit "Thor Steinar"-Logo
Muriel Gnehm
Der Widerstand der anonymen Gruppe gegen das Geschäft
"Power Zone" im Kleinbasel dauert an. Die Inhaber kommen der Gruppe
einen ersten Schritt entgegen, um weitere Proteste zu vermeiden.
Ein zweites Flugblatt macht die Runde: Die Unbekannten,
die sich gegen den Laden "Power Zone" wehren (die BaZ berichtete), sind
wieder aktiv geworden. Nach dem Flyer mit dem Titel "Nazis in der
Nachbarschaft" ist ein Papier mit der Überschrift "‹Power Zone›,
Feldbergstrasse 3 - Bild dir deine Meinung" im Umlauf.
Die anonymen Verfasser stören sich an den
Kleidermarken "Thor Steinar" und "Pro Violence", die im Laden verkauft
werden und vor allem in der rechtsradikalen Szene beliebt sind: "Diese
Marken (ver-)kauft nur, wer sie kennt und weiss, was dahinter steht",
so der Wortlaut der Flugblätter.
Auch ist zu lesen, die Marken "Londsdale" und "Everlast" -
die ebenfalls im Laden angeboten werden - hätten zugesichert, ab
sofort keine neuen Bestellungen von "Power Zone" entgegenzunehmen. "Das
ist eine Fehlmeldung", sagt Geschäftsführer Benjamin
Winzeler. Eine Nachfrage bei ihren Importeuren habe ergeben, dass sie
weiterhin mit ihm zusammenarbeiteten.
Aufmerksam machen die Unbekannten zudem auf das alte Logo
von "Thor Steinar", das in Deutschland seit 2004 verboten ist und bis
gestern am Schaufenster prangte. Nun haben die Besitzer dieses aber
entfernt. "Wir möchten die Situation beruhigen und hoffen, dadurch
weitere Proteste und Gewalt vermeiden zu können", so Winzeler.
Er findet es schade, dass die Unbekannten aktiv wurden,
ohne das Gespräch mit ihm zu suchen. "Ich bin weder rechts noch
links. Mit mir kann man reden."
"Falsche Methode"
Diese Ansicht teilt auch der Szenekenner Samuel Althof von der
Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention: "Winzeler und sein
Geschäftspartner Lorenzo Zanolari gehören auf keinen Fall zur
rechtsextremen Szene." In ausführlichen Gesprächen mit den
beiden habe sich gezeigt, dass es keinerlei Anzeichen für eine
rechtsextreme Gesinnung gebe. "Auch mit den umstrittenen Marken
verbinden sie keine Ideologie, sie sind nur am Geschäft
interessiert." Althof kritisiert die Flugblatt-Aktionen:
"Vermeintlichen Extremismus mit Drohungen zu bekämpfen, halte ich
für die falsche Methode - und zwar auf der linken und rechten
Seite."
Dass der Laden zu einem Treffpunkt für Rechtsextreme
werden könnte, wie im Flugblatt beschrieben, betrachtet er als
unwahrscheinlich. "Es ist kein Café. Die Leute kommen, kaufen
ein und gehen wieder." Im Handelsregister ist unter dem Zweck der Firma
aber auch von "Events" die Rede. "Bis anhin ist noch nichts geplant",
sagt Winzeler. Er könne sich aber vorstellen, künftig
Kampfsport-Events zu organisieren.
Hinter den Flyern vermutet Althof Linksextreme: "Sie reden
deren Sprache." Dafür spricht ein ähnlicher Fall von 2005:
Damals stand der MIG-Shop am Leonhardsgraben wegen "Nazi-Klamotten" im
Fokus der Antifaschistischen Aktion. Diese streute ebenfalls Flyer -
worauf der Laden das umstrittene Label aus dem Sortiment nahm. Das ist
für Winzeler keine Option: "Jeder darf tragen, was er will. Es ist
legal, diese Kleider zu verkaufen."
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POLIZEITOD
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Freiburger Nachrichten 2.10.10
Thormann tritt nicht in Ausstand
Der Freiburger Untersuchungsrichter führt das
Strafverfahren rund um den Todesschuss eines Polizisten auf der A1
weiter.
Freiburg Im April wurden drei Luxusautos gestohlen. Bei
der Verfolgungsjagd baute die Polizei im Autobahntunnel Sévaz
eine Strassensperre auf. Als sich das eine Auto näherte, schoss
ein Waadtländer Polizist - und tötete den Beifahrer. Dessen
Zwillingsbruder wurde kurz darauf festgenommen; er wird
verdächtigt, am Diebstahl beteiligt gewesen zu sein.
Der Pflichtverteidiger des Zwillings verlangte,
Untersuchungsrichter Olivier Thormann habe in der Untersuchung um den
Todesschuss in den Ausstand zu treten; er könne nicht gleichzeitig
gegen seinen Klienten wegen Diebstahls ermitteln und den Fragen rund um
den Tod des Bruders seines Klienten nachgehen (die FN berichteten). Nun
teilt Markus Julmy, Vizepräsident des Untersuchungsrichteramts,
mit: "Das Begehren wurde nach eingehender Auseinandersetzung mit den
Argumenten der Gesuchsteller abgewiesen." Mehr Informationen gibt es
dazu nicht.
Amtsgeheimnis intakt
Ein anderer Anwalt des Zwillings hatte eine Strafanzeige
wegen Amtsgeheimnisverletzung eingereicht: Einige Medien müssten
Informationen aus amtlichen Quellen erhalten haben. Er habe weder bei
der freiburgischen Untersuchungsbehörde noch bei der
Kantonspolizei Unregelmässigkeiten entdeckt, teilt Julmy mit. Also
werde kein Verfahren eingeleitet. njb
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100 JAHRE VOLKSHAUS ZH
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NZZ 2.10.10
Lenin und die Toten Hosen
Ein Buch schildert die bunte Geschichte des 100-jährigen
Zürcher Volkshauses
Im Volkshaus mischt sich seit 1910 Politisches und
Populäres. Lenin sprach, Bertolt Brecht las vor. Chuck Berry und
die Toten Hosen heizten ein. Boxer, Stripper und Missionare zogen das
je eigene Publikum in ihren Bann.
Adi Kälin
"Hundert Jahre Volkshaus Zürich. Bewegung, Ort,
Geschichte". Der etwas biedere Titel führt in die Irre. Das von
Urs Kälin, Stefan Keller und Rebekka Wyler herausgegebene Buch ist
so abwechslungsreich, bunt und spannend wie die Geschichte des Hauses,
die darin geschildert wird. Und es hält auch für all jene,
die alles darüber zu wissen meinen, einige Überraschungen
bereit. Das beginnt schon bei der Schaffung des Volkshauses, das nicht
von unten erkämpft, sondern gewissermassen von oben geschenkt
wurde. Gemeinnützige Frauen und Sozialreformer wollten die
Arbeiter mit Bibliothek und alkoholfreiem Restaurant von der Strasse
und vom Alkohol weglocken.
Lausige "Beat-Brüder"
Die Arbeiterbewegung gewöhnte sich nur zögerlich
an den geschenkten Gaul, der manchem wie ein trojanisches Pferd
erscheinen mochte. Selbst 1928 noch, als der grosse Wahltriumph der
Linken das Rote Zürich einleitete, wurde nicht im Volkshaus,
sondern in der "Eintracht" am Neumarkt gefestet, weil man eben nicht
alkoholfrei, sondern "richtig feiern" wollte. General Ulrich Wille aber
bezeichnete das Volkshaus als "Gouvernementspalast der
Bolschewikiregierung". Er erwog gar, beim Landesstreik das Haus zu
beschlagnahmen. Lenin verkehrte am liebsten im "Weissen Schwan" am
Predigerplatz, sprach im Jahr 1917 aber auch zweimal im Volkshaus - das
erste Mal zweieinhalb Stunden und auf Russisch, dennoch berichtete das
"Volksrecht" in zwei Folgen darüber. Diese Reden sorgten 50 Jahre
später noch einmal für Gesprächsstoff. Der
Verwaltungsrat des Volkshauses diskutierte heftig darüber, ob man
eine Lenin-Gedenkplakette hängen lassen sollte oder nicht. Mit 8
zu 3 entschied man sich für Hängenlassen, nachdem versichert
worden war, dass die Plakette "abnehmbar" sei.
Das Volkshaus sollte immer ein Haus für alle und
alles sein, aber manchmal wundert man sich doch, was alles möglich
war. Erstaunlicherweise durfte etwa James Schwarzenbach seine zweite
Überfremdungsinitiative im Volkshaus präsentierten.
Dafür gab es nach dem Ungarn-Aufstand 1956 ein Jahre dauerndes
Hausverbot für die "russlandhörige PdA", und in den sechziger
Jahren stand in den Mietverträgen: "Betrunkene und
Beat-Brüder in lausiger Montur sind nicht einzulassen." Die
"Beat-Brüder" machten sich dann trotzdem breit - und später
die Rock- oder die Hip-Hop-Brüder. Es gibt kaum eine grosse Band,
die nicht mindestens einmal im Volkshaus auftrat - meist in einer Zeit
vor dem ganz grossen Durchbruch. Konzerte gaben etwa: Uriah Heep, Red
Hot Chili Peppers, Talking Heads, ZZ Top, AC/DC, Chuck Berry, Die Toten
Hosen, Metallica und viele andere. Daneben gab es
Unterhaltungsprogramme aller Art - von den Auftritten des
Arbeitermandolinenorchesters über Boxveranstaltungen bis zum
Männer-Striptease mit den Chippendales.
Zum Volkshaus gehörte von Beginn an der
Bäderbetrieb, der ein grosses Bedürfnis abdeckte. 1905 hatten
erst 7150 von 38 000 Zürcher Wohnungen ein Bad, und in Aussersihl
gab es in den meisten Wohnungen nicht einmal fliessendes Wasser. Ein
halbstündiges Bad kostete 40 Rappen, für 10 Rappen durfte 20
Minuten lang geduscht werden. Bis weit in die sechziger Jahre hinein
hielt man an den Bädern fest, dann wurden sie mit einer Sauna
ergänzt. Jetzt ist als nächste Entwicklungsstufe ein Hamam
geplant.
Alkohol als Tombolapreis
Das Alkoholverbot war ein Dauerthema. Schon 1930 versuchte
es der Turnverein Industriequartier so zu umgehen, dass Alkoholika als
Tombolapreise vergeben und dann gleich konsumiert wurden. Die Leitung
schritt ein und "hatte dadurch viele Unannehmlichkeiten zu bestehen",
wie es in einem Schreiben der Restaurantbetreiberin an die
Betriebskommission hiess. Später häuften sich Klagen, dass
"italienisch sprechende Vereine" das Alkoholverbot "schwer missachten".
Erst Ende der siebziger Jahre wurde das Verbot in den Sälen
gekippt - worauf der Frauenverein umgehend die Pacht kündigte. In
den folgenden Jahren scheiterten einige Ansätze zur Modernisierung
des Restaurants, bis es vor zwei Jahren von einem Team um Koni Frei
übernommen wurde, mit dem es sich seither zum beliebten Treffpunkt
im Quartier entwickelt hat.
Buchpremiere morgen Sonntag, 15 Uhr, Restaurant Volkshaus.
- Hundert Jahre Volkshaus Zürich. Bewegung, Ort, Geschichte. Hg.
von Urs Kälin, Stefan Keller, Rebekka Wyler. Verlag hier + jetzt.
128 S., Fr. 38.-.
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ANTI-ATOM
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Finanz und Wirtschaft 2.10.10
Börsen Europa-Uebersee
Der Rohstoffhunger hält an
Toronto Fester
Heinz Isler
(...)
Uranabbau immer diffiziler
Im Uransektor überschlugen sich die Ereignisse: Im
Niger sind sieben Angestellte des französischen Atomkonzerns Areva
von der Terrororganisation Al Kaida entführt worden. Ein Drittel
der 58 Reaktoren Frankreichs wird derzeit mit Uran aus dem Niger
bestückt. Zudem hat die Regierung des australischen Northern
Territory dem Pamela-Angela-Uranprojekt von Cameco (+4,7% auf 28.60
kan. $) und Paladin Energy (-3,5% auf 3.54 kan. $) überraschend
die Unterstützung entzogen. Die Gebiete spielen eine
Schlüsselrolle in der Linderung der sich abzeichnenden Verknappung
der Uranbestände.
Denison Mines (+3,7% auf 1.68 kan. $) und Uranium One
(+7,1% auf 3.47 kan. $) kamen voran. Ur-Energy (+3,1% auf 1.01 kan. $)
besitzt zwei Uranvorkommen in Wyoming und soll gemäss
Gerüchten die Abbauerlaubnis in den nächsten Wochen erhalten.
Das Lost-Creek-Projekt könnte während sieben Jahren 7 Mio.
Pfund Uran zu Kosten unter 40 $ je Pfund fördern.
(...)
Heinz Isler, NBF International, Genf
---
Tagesanzeiger 2.10.10
Leuthard auch als Bundesrätin in der Atomlobby
Bis gestern stand die neue Energieministerin Leuthard auf
der Mitgliederliste des Nuklearforums. Konfrontiert mit TA-Recherchen,
gab sie ihren Austritt.
Von Hannes Nussbaumer
Das Nuklearforum Schweiz "fördert die friedliche
Nutzung und die weitere Entwicklung der Kernenergie in der Schweiz". So
steht es in den Statuten der Organisation, die früher
Schweizerische Vereinigung für Atomenergie geheissen hat. Das
Nuklearforum gilt als wichtigste und einflussreichste Lobbyorganisation
der Atomenergie-Promotoren. Laut aktuellem Verzeichnis
unterstützen über hundert Kollektiv- und über
vierhundert Einzelmitglieder das Forum und seine Anliegen. Gesteuert
wird die Organisation von der weltweit operierenden PR-Agentur
Burson-Marsteller.
Den bemerkenswertesten Namen auf der Mitgliederliste fand
man bis gestern auf Seite 6 unter dem Buchstaben L: "Frau D. Leuthard,
Bundesrätin, Rechtsanwältin, Muri AG." Dass die designierte
Energieministerin vor ihrer Bundesratszeit der Stromwirtschaft
nahegestanden ist, war bekannt. Doch herrschte bisher der Glaube, sie
habe nach ihrer Wahl in den Bundesrat die direkten Verbindungen zur
Atomlobby gekappt. So trat Leuthard - wie vorgeschrieben - aus dem
Verwaltungsrat der Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg (EGL)
zurück.
Muss dieses Bild nun korrigiert werden? Zeigt ihre
Mitgliedschaft in einem Forum, zu dessen Mitgliedern auch die
Kernkraftwerke Leibstadt und Gösgen sowie die grossen
Stromkonzerne gehören, dass Leuthards Wahl in die Regierung nichts
an ihrer Verbundenheit mit der Atomlobby geändert hat?
Erklärt sich daraus gar ihr Drang ins Umwelt-, Verkehrs- und
Energiedepartement?
Leuthard wusste von nichts
Es sei tatsächlich "etwas aussergewöhnlich",
dass eine Bundesrätin in einem solchen Mitgliederverzeichnis
firmiere, räumt Michael Schorer von Burson-Marsteller ein. Der
Grund sei, dass Leuthard von 2000 bis 2002 im Vorstand des
Nuklearforums mitgearbeitet und dann zum Dank die Ehrenmitgliedschaft
bekommen habe. "Sie ist daher 2002 automatisch im Mitgliederverzeichnis
verblieben." Dass die Aargauerin bis in die Gegenwart auf der Liste
blieb, lässt sich aber nicht allein mit Automatismen
erklären. Schliesslich wurde das Verzeichnis nach Leuthards Wahl
in die Landesregierung im Juni 2006 korrigiert: Hinter ihren Namen
setzte das Nuklearforum den Titel "Bundesrätin". Die
zuständigen Personen dürften bei dieser Gelegenheit auch
bewusst entschieden haben, die neue Magistratin auf der Liste zu
belassen. Ob man Leuthard in dieser Sache konsultiert habe, wisse er
nicht, sagt Michael Schorer. "Wir haben aber sicher nicht gegen ihren
Willen gehandelt."
Vom TA mit der Mitgliederliste konfrontiert, erklärt
Leuthards Sprecherin Annetta Bundi: "Es hat die Bundespräsidentin
überrascht, dass sie im Mitgliederverzeichnis aufgeführt
wird." Es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass ehemalige
Vorstandsmitglieder automatisch zu Ehrenmitgliedern ernannt und so auf
die Liste gelangen würden. Das Nuklearforum habe Leuthard in
dieser Sache nie konsultiert, betont Sprecherin Bundi. Und
ergänzt: "Die Bundespräsidentin hat das Forum darum gebeten,
aus dem Verzeichnis und als Mitglied gestrichen zu werden."
---
Oltner Tagblatt 2.10.10
Info über Plasmaofen
Kt. Solothurn Etwa 50 Politiker und Politikerinnen machten
bei einem Besuch des Zwischenlagers für radioaktive Abfälle
(Zwilag) in Würenlingen mit.
Initiiert wurde der Ausflug von AVES, Aktion für eine
vernünftige Energiepolitik Schweiz Kanton Solothurn. Die
Solothurner Politikerinnen und Politiker gewannen Einsichten in die
Behandlung und die Aufbewahrung radioaktiver Abfälle und zeigten
sich besonders vom Plasmaofen beeindruckt. In der Schweiz sind die
Verursacher radioaktiver Abfälle gemäss Gesetzgebung für
deren Entsorgung verantwortlich.
Darum haben die Schweizer Kernkraftwerkbetreiber die
radioaktiven Abfälle seit Beginn eingesammelt, von menschlichen
Lebensräumen getrennt aufbewahrt. Das Zwischenlager
Würenlingen (Zwilag) wurde geschaffen.
Allerdings stammen laut Angaben nur zwei Drittel der
Abfälle von den Kernkraftwerken. Ein Drittel stamme aus der
Medizin, der Forschung und der Industrie.
Da die radioaktiven Abfälle während
ungefähr vierzig Jahren Wärme an die Umwelt abgeben
würden, müssten sie an der Erdoberfläche sicher
zwischengelagert werden und sich abkühlen, bevor sie in einem
Tiefenlager aufbewahrt werden können, hiess es. Um das Volumen der
in einem Tiefenlager aufzubewahrenden Abfälle zu verringern,
werden laut Angaben die schwach- und mittelaktiven Abfälle im
weltweit einzigartigen Plasmaofen bei hohen Temperaturen von 1400°
Celsius verbrannt respektive geschmolzen und verglast.
Zwei Mal pro Jahr führe das ZWILAG mehrwöchige
Verbrennungskampagnen durch. Die AVES-Mitglieder hatten die
Möglichkeit, den Kontrollraum des Plasma-ofens zu besichtigen.
"Die AVES-Mitglieder konnten sich überzeugen, dass die
radioaktiven Abfälle im Zwilag von Experten sicher verarbeitet und
aufbewahrt werden, bis das Tiefenlager bereit steht", heisst es in
einem entsprechenden Communiqué. (mgt)
---
Aargauer Zeitung 1.10.10
Endlagerstudie sorgt für rote Köpfe
Niederamt Eine Studie über die wirtschaftlichen
Auswirkungen eines Atomendlagers am Jura-Südfuss stösst bei
den Gegnern einer solchen Anlage auf wenig Gegenliebe. Die von der
Fachhochschule Nordwestschweiz durchgeführte und vom Grenchner
Unternehmer und SVP-Kantonsrat Heinz Müller in Auftrag gegebene
Untersuchung kommt zum Schluss, dass ein geologisches Tiefenlager dem
Standort finanzielle Vorteile bringen würde.
Die wahrscheinliche Folge sei eine Senkung der
Steuerfüsse in den Gemeinden. Bauaufträge und Abgeltungen
brächten Geld für Investitionen in die lokale Infrastruktur,
was zusammen mit der Zentrumsnähe die Attraktivität der
Wohnregion zusätzlich erhöhen würde. Dies wiederum lasse
die Immobilienpreise ansteigen.
"Zumutung für das Niederamt"
"Solche Ratschläge aus 50 Kilometern Entfernung sind
eine Zumutung für das Niederamt", wettert SP-Kantonsrat Urs Huber
namens des Vereins Niederamt ohne Endlager. "Es käme ja auch
keinem Niederämter in den Sinn, mit einer privaten Studie beweisen
zu wollen, dass man den Flugplatz Grenchen schliessen soll", steht in
der Medienmitteilung weiter.
Vielmehr sei es endlich an der Zeit, so Huber, dass die
sozioökonomische Studie, die von der
Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt im Frühling 2009 in
Auftrag gegeben wurde, sofort veröffentlicht werde. Diese Studie
untersucht regionale Auswirkungen eines Atomkraftwerks (AKW)
Gösgen II und eines Tiefenlagers für radioaktive
Abfälle. Deren Resultate lägen den Gemeindepräsidien
vor. "Die Umfrage muss veröffentlicht werden, bevor noch mehr
selbst ernannte Retter des Niederamts aus der Ferne auftauchen."
Der Jura-Südfuss gilt als geologisch geeignet, um
schwach und mittelaktiven Atommüll zu lagern. Der Energiekonzern
Alpiq (vormals Atel) will im Niederamt zudem ein zweites AKW bauen.
(trö)
--
Die Frage nach dem Atommüll
Region Baden/Wettingen Ehrendingen und Freienwil liegen im
Perimeter für ein mögliches Atomendlager nördlich der
Lägern. Die anderen Gemeinden der Region dagegen nicht. "Das ist
eine zufällige Auswahl, die Endlageproblematik betrifft auch die
Leute, die südlich der Lägern wohnen", sagt der Ehrendinger
Gemeindeammann Renato Sinelli. Deshalb organisiert die Gemeinde
Ehrendingen einen Informationsabend für alle interessierten Leute.
"Wir haben dazu sowohl Befürworter als auch Gegner eingeladen",
sagt Sinelli. Michael Aebersold (Bundesamt für Energie), Piet
Zuidema (Nagra) und Sabine von Stockar (Schweizerische Energiestiftung,
SES) werden die Problematik vorstellen. Am anschliessenden
Podiumsgespräch werden neben den Referenten auch Felix Altorfer
(Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Ensi) und der
Badener Vizeammann Geri Müller (Nationalrat, Präsident SES)
teilnehmen. Den Abschluss wird eine Fragerunde bilden. (dm)
Informationsabend Montag, 18.Oktober, 20 Uhr, Turnhalle
Lägernbreite, Ehrendingen.
---
Thurgauer Zeitung 1.10.10
AKW-Gegner im Thurgau formieren sich
wid
Die Allianz "Nein zu neuen AKWs" hat im Thurgau einen
Stützpunkt gegründet. Er engagiert sich auch gegen das
Atomendlager im Weinland.
Diessenhofen - Der Abstimmungskampf über neue
Atomkraftwerke in der Schweiz wirft seine Schatten bis in den Thurgau
voraus. Gestern trat die Thurgauer Allianz "Nein zu neuen AKWs"
erstmals an die Öffentlichkeit. Darin vertreten sind die
Grünen und die SP mit ihren Jungparteien sowie EVP,
Grünliberale, WWF und Pro Natura. Bei der neuen Organisation
handelt es sich um einen Ableger der schweizerischen Allianz.
Ziel sei, nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in
den Regionen frühzeitig in den Meinungsbildungsprozess
einzugreifen, sagte Graziella Regazzoni, Geschäftsleiterin der
nationalen Dachorganisation. Die Allianz wird das Referendum ergreifen,
sobald der Bund wie vorgesehen den Entscheid für den Ersatz zweier
AKWs fällt. Die Volksabstimmung fände voraussichtlich 2014
oder 2015 statt.
Endlager redimensionieren
Der erste öffentliche Auftritt der Thurgauer Allianz
mit gelben Atommüllfässern in der Diessenhofer Altstadt fand
allerdings unter den wenigen Passanten kaum Beachtung. Der unbewilligte
Anlass musste nach Intervention der Stadtbehörden zudem vorzeitig
beendet werden.
Obwohl Diessenhofen nahe am möglichen Standort
für ein Atommüllendlager im Weinland liege, sei die
Bevölkerung für die Problematik zu wenig sensibilisiert,
sagte der Thurgauer Grünen-Präsident Urs Oberholzer, der auch
Präsident der Allianz im Kanton ist. Die Allianz wolle darum
Aufklärungsarbeit leisten. Konkrete politische Vorstösse
seien aber den Mitgliedorganisationen überlassen.
Die Allianz wendet sich nicht nur gegen den Bau neuer
Atomkraftwerke. Sie ist auch dagegen, dass Endlager für
Atommüll wie geplant gebaut werden. Die Lager müssten so
redimensioniert werden, dass sie nur den Müll aufnehmen
könnten, der bis zur Stilllegung der bestehenden AKWs anfallen,
forderte etwa GP-Kantonsrat und Pro-Natura-Präsident Toni Kappeler.
Der Atomausstieg sei sowohl technisch wie auch
wirtschaftlich möglich, hiess es weiter. Die Kosten für
Solarzellen würden weiter sinken, sagte GLP-Kantonsrat Thomas
Böhni. Solarstrom habe zudem keine Folgekosten, wie sie etwa mit
der Entsorgung von Atommüll anfalle. SP-Nationalrätin Edith
Graf-Litscher erinnerte zudem an den Uranabbau, der Mensch und Natur
schädige.
Mit der Allianz versucht bereits die zweite nationale
energiepolitische Organisation im Thurgau Fuss zu fassen. Bereits
gegründet ist die Regionalgruppe der Aktion für eine
vernünftige Energiepolitik Schweiz (Aves), die sich für den
bestehenden Strommix aus erneuerbaren Energien und Atomstrom einsetzt.
CHRISTOF WIDMER
---
St. Galler Tagblatt 1.10.10
AKW-Gegner formieren sich
Die Allianz "Nein zu neuen AKW" hat im Thurgau einen
Stützpunkt gegründet. Sie engagiert sich auch gegen das
Atomendlager im Weinland.
christof widmer
diessenhofen. Der Abstimmungskampf über neue
Atomkraftwerke wirft seine Schatten bis in den Thurgau voraus. Gestern
trat die Thurgauer Allianz "Nein zu neuen AKW" erstmals an die
Öffentlichkeit. Darin vertreten sind die Grünen und die SP
mit ihren Jungparteien sowie EVP, Grünliberale, WWF und Pro
Natura. Bei der neuen Organisation handelt es sich um einen Ableger der
schweizerischen Allianz.
Referendum sicher
Ziel sei, nicht nur national, sondern auch in den Regionen
frühzeitig in den Meinungsbildungsprozess einzugreifen, sagte
Graziella Regazzoni, Geschäftsleiterin der nationalen
Dachorganisation. Die Allianz wird das Referendum ergreifen, sobald der
Bund den Entscheid für den Ersatz zweier AKW fällt. Die
Abstimmung fände 2014 oder 2015 statt.
Endlager redimensionieren
Der erste Auftritt der Thurgauer Allianz mit gelben
Atommüllfässern in der Diessenhofer Altstadt fand allerdings
unter den Passanten kaum Beachtung. Der unbewilligte Anlass musste nach
Intervention der Stadtbehörden zudem vorzeitig beendet werden.
Obwohl Diessenhofen nahe am möglichen Standort
für ein Atommüllendlager liege, sei die Bevölkerung zu
wenig sensibilisiert, sagte der Thurgauer Grünen-Präsident
Urs Oberholzer, der auch Präsident der Allianz im Kanton ist. Die
Allianz wolle darum Aufklärungsarbeit leisten.
Die Allianz wendet sich nicht nur gegen neue
Atomkraftwerke. Sie ist auch dagegen, dass Endlager für
Atommüll gebaut werden. Die Lager müssten so redimensioniert
werden, dass sie nur den Müll aufnehmen könnten, der bis zur
Stilllegung der bestehenden AKW anfallen, forderte GP-Kantonsrat Toni
Kappeler.
Ausstieg möglich
Der Atomausstieg sei technisch wie wirtschaftlich
möglich, hiess es weiter. Die Kosten für Solarzellen
würden weitersinken, sagte GLP-Kantonsrat Thomas Böhni.
Solarstrom habe zudem keine Folgekosten, wie sie mit der Entsorgung von
Atommüll anfallen. SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher
erinnerte an den Uranabbau, der Mensch und Natur schädige.
--
AKW-Gegner im Thurgau
Der Abstimmungskampf zu neuen Atomkraftwerken wirft seine
Schatten bis in den Thurgau voraus. Gestern trat die Thurgauer Allianz
"Nein zu neuen AKW" erstmals an die Öffentlichkeit. Darin
vertreten sind die Grünen und die SP mit ihren Jungparteien sowie
EVP, Grünliberale, WWF und Pro Natura. Bei der neuen Organisation
handelt es sich um einen Ableger der schweizerischen Allianz.
Die Allianz wird das Referendum ergreifen, sobald der Bund
den Entscheid für den Ersatz zweier AKW fällt. Die Abstimmung
fände 2014 oder 2015 statt. Die Allianz wendet sich nicht nur
gegen neue Atomkraftwerke. Sie ist auch dagegen, dass Endlager für
Atommüll gebaut werden. Die Lager müssten so redimensioniert
werden, dass sie nur den Müll aufnehmen könnten, der bis zur
Stilllegung der bestehenden AKW anfallen, forderte GP-Kantonsrat Toni
Kappeler. Der Atomausstieg sei technisch wie wirtschaftlich
möglich, sind die Mitglieder der Allianz überzeugt. (tz)
---
Beobachter 1.10.10
Die Atomlobby macht Dampf
Thomas Angeli
Die Schweizer Stromkonzerne wollen das Volk von der
Notwendigkeit neuer AKWs überzeugen. Die PR-Offensive kostet
Millionen - die wir über die Stromrechnung bezahlen.
Schreckenswörter tauchen manchmal aus dem Nichts auf.
"Tsunami" ist ein solches Wort. Oder "Stromlücke". Während es
sich beim Tsunami um eine tatsächliche Katastrophe handelte, wird
mit "Stromlücke" eine solche erst heraufbeschworen. Dennoch ist
die Karriere des Schlagworts bemerkenswert: 1702 Zeitungsartikel finden
sich dazu seit Anfang 2006 in der Schweizer Mediendatenbank. In den
sechs Jahren zuvor war der Ausdruck in bloss 122 Texten aufgetaucht.
Zufall oder nicht: Die Drohung, in der Schweiz würden
ohne neue Atomkraftwerke bald die Lichter ausgehen, verbreitete sich
ausgerechnet vom Zeitpunkt an, als das Nuklearforum, die Fach- und
Lobbyorganisation der Atombranche, seine Geschäftsstelle zu
Burson-Marsteller zügelte.
Seither organisiert der Schweizer Ableger der
fünftgrössten PR-Agentur der Welt für das Nuklearforum
Tagungen wie die "nuclea10" in Baden (Thema: "Rahmenbedingungen
für die Renaissance der Kernenergie"), reserviert
Internetadressen, die den Atombefürwortern ein Dorn im Auge sein
könnten (www.moratorium.ch, www.atomkraftwerke.ch), "betreut"
Politiker oder organisiert Medienreisen. Anfang September besuchte eine
Gruppe von 14 Journalisten auf Einladung des Forums während vier
Tagen die Baustelle des finnischen Reaktors Olkiluoto 3. "Le
nucléaire finnois comme modèle?" ("Finnische Kernenergie
als Vorbild?"), titelte kurz darauf "La Liberté".
Fragen zur Finanzierung sind tabu
Die Aktivitäten zielen auf einen wichtigen Termin:
2013 wird in der Schweiz über die Rahmenbewilligung für neue
Atomkraftwerke abgestimmt. Den Kampf für ein Ja lässt sich
die Atomwirtschaft etwas kosten. So weist die Jahresrechnung des
Nuklearforums einen respektablen Umsatz von 3,3 Millionen Franken aus.
2,7 Millionen davon stammen aus "Mitgliederbeiträgen und
ausserordentlichen Beiträgen". Eine stolze Summe für einen
Verein, dessen 419 Einzelmitglieder jährlich bloss 75 Franken
bezahlen und der auch seine 101 Kollektivmitglieder nicht
übermässig zur Kasse bittet. Die Suva etwa bezahlt ganze 380
Franken pro Jahr, der Stadtberner Energieversorger EWB 3100 Franken.
Rechnet man diese Zahlen hoch, so kommt man auf ordentliche Einnahmen
von maximal 300000 bis 400000 Franken - und somit auf vermeintlich
unerklärliche Einnahmen von mindestens 2,3 Millionen.
Des Rätsels Lösung liegt in den Statuten. Dort
ist festgehalten, dass die "wirtschaftlich leistungsfähigen
Kollektivmitglieder, namentlich die Betreiber der Schweizer
Kernkraftwerke", einen Sonderobolus zu entrichten haben. Somit bezahlen
die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten über ihre
Stromrechnung jedes Jahr über zwei Millionen Franken an das
Nuklearforum - und wissen es nicht.
Interessant ist das vor allem im Fall der BKW. Die Berner
Kantonsregierung musste 2007 auf eine Interpellation im Grossen Rat
("Finanzieren StrombezügerInnen ihre eigene Manipulation?") zu den
BKW-Beiträgen ans Nuklearforum Stellung nehmen. Die Antwort: "Der
Jahresbeitrag der BKW FMB Energie AG ans Nuklearforum beträgt Fr.
4500.-." Von weiteren Unterstützungsbeiträgen ans
Nuklearforum kein Wort.
Bei dieser Auskunft soll es nach dem Willen der BKW auch
bleiben: Man habe "keine Ergänzungen", erklärt Sprecher
Antonio Sommavilla auf Nachfrage. Auch Alpiq und Axpo wollen sich nicht
zur auffälligen Finanzierungspraxis beim Nuklearforum äussern
- und dessen Präsidentin Corina Eichenberger schon gar nicht. "Das
Nuklearforum Schweiz publiziert einen Jahresbericht und
veröffentlicht darüber hinaus keine Informationen zu
Vereinsinterna. Wir bitten um Verständnis", schreibt die Aargauer
FDP-Nationalrätin.
Doch nicht nur über das Nuklearforum fliesst Geld in
atomfreundliche Organisationen, auch die Nagra gibt sich
grosszügig. Die "Nationale Genossenschaft für die Lagerung
radioaktiver Abfälle" wird von den AKW-Betreibern und somit
indirekt von den Schweizer Stromkunden finanziert. Von diesem Geld
fliesst jährlich "eine namhafte Summe" an das Forum Vera
("Verantwortung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle").
Dessen Geschäftsführer, der Berner SP-Grossrat Markus Meyer,
räumt ein, dass der Verein ohne das Nagra-Geld seine
Aktivitäten reduzieren müsste. Neben der Nagra habe man noch
"drei weitere Kollektivmitglieder, die grössere Summen spenden",
erklärt Meyer. Welche das sind, will er nicht sagen.
Als scheinbar unabhängige Organisation, die bei der
Bevölkerung um Verständnis für den Bau eines atomaren
Endlagers wirbt, ist das Forum Vera für die AKW-Betreiber und
somit auch für die Nagra Gold wert. So organisiert der Verein
fleissig öffentliche Exkursionen zum Nagra-Felslabor im Jura oder
bietet Podiumsdiskussionen und Lehrerkurse an. Der letzte fand Ende
September im malerischen Schloss Hünigen bei Konolfingen statt.
Thema der abschliessenden Podiumsdiskussion: "Gibt es bei den
erneuerbaren Energien auch Abfälle?" "Es ist skandalös, dass
wir über unsere Stromrechnung solche Veranstaltungen
mitfinanzieren", meint dazu der Geschäftsleiter der atomkritischen
Schweizerischen Energie-Stiftung, Jürg Buri.
Bei der Atomlobby sitzt das Geld locker
Nicht darben müssen offensichtlich auch andere
Organisationen im Dunstkreis der Atomwirtschaft: Die Arbeitsgruppe
Christen und Energie (ACE) - in ihrem Vorstand sitzt unter anderem der
Luzerner CVP-Nationalrat Pius Segmüller - sowie das Forum Medizin
und Energie (FME) leben eindeutig über den üblichen
finanziellen Möglichkeiten kleiner Vereine. Beide nehmen für
die Führung ihrer Geschäftsstelle die Dienste der
Zürcher PR-Agentur Frey Communications in Anspruch. Deren
Geschäftsführer Daniel Frey sitzt als Aktuar auch in beiden
Vorständen. Das FME, das nach eigenen Angaben 200 Mitglieder hat,
die 30 Franken Jahresbeitrag bezahlen, publizierte zudem im Herbst 2009
eine Broschüre zum Thema "Kinderleukämie und Kernkraftwerke -
(K)ein Grund zur Sorge?" Wer das aufwendig gestaltete Werk, das nach
Ansicht von Atomkraftgegnern die Gefahren von AKWs verharmlost,
tatsächlich finanziert hat, will das FME nicht offenlegen.
Wie locker das Geld sitzt, wenn Atomkraft im Spiel ist,
zeigt auch das Beispiel der BKW. Das halbstaatliche bernische
Unternehmen machte im Herbst 2009 eine halbe Million Franken locker, um
im Kanton Waadt eine Konsultativabstimmung zu bekämpfen. In dieser
konnten sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger
darüber äussern, ob die Regierung zur Verlängerung der
Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg ja oder nein sagen
sollte.
Die Erfahrungen aus früheren Abstimmungen lassen
erahnen, dass auch 2013, wenn es an der Urne um die Rahmenbewilligungen
für zwei neue Atomkraftwerke geht, reichlich Geld für eine
Pro-Atom-Kampagne fliessen wird. Als es 2003 zwei atomkritische
Volksinitiativen zu bekämpfen galt, spannte das Nuklearforum (das
damals noch "Schweizerische Vereinigung für Atomenergie" hiess)
mit Economiesuisse zusammen. 15 Millionen Franken soll der
Wirtschaftsdachverband, bei dem Axpo-Chef Heinz Karrer im Vorstand
sitzt, in die Kampagne gesteckt haben - eine Zahl, die Economiesuisse
nie bestätigte.
Deren Präsident Gerold Bührer lässt jedoch
schon heute keinen Zweifel daran, dass sich sein Verband auch bei der
Abstimmung über die Rahmenbewilligungen für die neuen AKWs im
Jahr 2013 für die Option Atomkraft einsetzen wird. "Man kann es
drehen und wenden, wie man will", erklärte er Anfang September am
"Tag der Wirtschaft": "Am Ersatz der auslaufenden Kernkraftwerke
führt nichts vorbei."
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Hintergrund
Weibeln im Bundeshaus
Die Schweizer Stromwirtschaft ist auch im Bundeshaus gut
vernetzt. So sind rund 100 Parlamentarier Mitglied der Aktion für
eine vernünftige Energiepolitik (Aves). Ihr Präsident ist der
Zuger FDP-Ständerat Rolf Schweiger, der auch bei Vera
("Verantwortung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle") im
Vorstand sitzt. Ebenfalls knapp 100 Ratsmitglieder gehören der
Lobbyorganisation Energieforum an.
Auch die AKW-Betreiber selber sind gut vertreten: Rolf
Büttiker (FDP, SO) und Markus Zemp (CVP, AG) etwa sitzen im
Verwaltungsrat des AKWs Leibstadt. Die AKWs Beznau und Gösgen
werden durch Ständerat Philipp Stähelin (CVP, TG) vertreten.
Im Verwaltungsrat von Gösgen sitzt auch Pirmin Bischof (CVP, SO).
Der Glarner FDP-Ständerat Pankraz Freitag amtet als
Verwaltungsratsvizepräsident der Axpo Holding und als
Präsident der Nagra.
Wie wichtig eine Vertretung im Bundeshaus ist, zeigen zwei
Personalien des Nuklearforums: Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP,
BE) sitzt dort im Vorstand. Daneben präsidiert er die
Aves-Regionalgruppe Bern und weibelt im Forum Pro Mühleberg
für ein neues AKW im Kanton Bern. Seit 2009 ist Corina
Eichenberger (FDP, AG) Präsidentin des Forums. Im Nationalrat hat
sie sich bislang nicht durch energiepolitische Vorstösse
hervorgetan. Überraschend kam ihre Wahl für Jürg Buri
von der atomkritischen Energiestiftung dennoch nicht. "Die Atomlobby
hat festgestellt, dass Frauen und jüngere Menschen der Atomenergie
eher ablehnend gegenüberstehen. Im Hinblick auf die Abstimmung im
Jahr 2013 versucht man deshalb jetzt, auch diese Gruppen zu erreichen."
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Schweiz Aktuell 29.9.10
Millionen für Atom-Endlager
Ein Endlager für radioaktive Abfälle würde dem
solothurnischen Niederamt bis zu 766 Millionen Franken bringen. Dies
behauptet eine umstrittene Studie.
http://videoportal.sf.tv/video?id=ae292081-08d6-4901-a735-beaf831515f4