MEDIENSPIEGEL 23.10.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, Frauenraum, Rössli)
- Bollwerk: Basserie Bollwerk + Vinothek hören auf
- Rote Falken: Schnuppernachmittag
- RaBe-Info 19.-22.10.10
- SVP: Wasserfallen vs Fuchs & Hess
- Drogen: Vom Koks zum TV; Langstrasse ZH; 1% THC bald legal;
Management-Drogen; Dealerszene Genf; Milliarden-Umsätze
- Alkohol: Jugendstopp im Aperto
- Ausschaffungen: Verdoppelung; Fremdenfeindliche Tradition;
Widerstand; Kosten; Aktionstage Turin
- Antifa: Bündnis kein ruhiges Hinterland gegen den
rassistischen Konsens in Langenthal (30.10.10)
- Rechtsextremismus: Thor Steinar BS; Liechtenstein; SG-Riots
- Antisemitismus: Busse gegen Verschwörungstheorie
- Big Brother Video: Debatte im Stadtrat BE
- Big Brother Sport: Thuner AktionärInnen; Berner
Schüsse; SG-Greifer
- Police BE: Einheitspolizei; Gewalt gegen Uniformen
- Police BS: Gegen Saubannerzüge
- Police LU: Gewalt gegen Uniformen
- Police CH: Polizeischule Hitzkirch
- Big Brother: Verschlimmbesserung; Auch Unverdächtige
kriegen Fiche; Kino
- Squat Fribourg: Medienapéro
- Squat ZH: Hotelbesetzung
- Kulturoffensive LU: keine Nutzung der Zbinden-Druckerei
- Geneve bouge: Heisses Wochenende
- Bakunin: Minusio Tourist Guide
- Antisexismus: gegen Antifeminismus-Kongress
- Zwischengeschlecht: Menschenrechte subito
- Homohass: US-Fundis hetzen mit in Uganda
- Anti-Atom: Tiefenlager; Symbolantiatomkraft; Bern erneuerbar;
Beznau3; Verantwortungsfrage
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REITSCHULE
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So 24.10.10
Grosse Halle - ASIEN KULTUR 2010 Markt, Verpflegung &
Bühne...
20.00 Uhr - Rössli - Mywolf; Les comptes de korsakoff
Di 26.10.10
20.00 Uhr - Frauenraum - "WILLKOMMEN IM
PARADIES" Queer Refugees - Menschenrechte für verfolgte sexuelle
Minderheiten in der Schweiz?! Veranstaltung mit Queeramnesty
20.30 Uhr - Kino - Uncut - Warme Filme am Dienstag:
Ha-Sodot, The Secrets, Avi Nesher, ISR 2007
20.30 Uhr - Tojo - "Lustiger Dienstag 48" LuDi-Crew und
Gäste. Mehr als Variété!
Mi 27.10.10
19.30 Uhr - Rössli - "WILLKOMMEN IM PARADIES"
Kriminelle Ausländer oder kriminalisierte Ausländer?
Veranstaltung mit Solidarité sans Frontières
Do 28.10.10
20.30 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - La guerre est finie |
Mitko Panov, CH 2009
21.00 Uhr - Rössli - All Ship Shape
Fr 29.10.10
21.00 Uhr - Kino - "WILLKOMMEN IM PARADIES" &
"MUSLIM/A" - Ya Sharr Mout | Sabine Gisiger, Dok, CH 2008. In
Anwesenheit der Protagonisten Mahmout Turkmani & Michael Spahr
sowie der Regisseurin
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock & Midilux present:
MAX COOPER (UK) live, Live-Act tba & Racker (be) " techno, minimal,
house
Sa 30.10.10
19.30 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - Beirut, New Film, Disco |
Kurzfilme von Raed Yassin
20.30 Uhr - Tojo - "Also mich interessiert mein
Sexualleben mehr als der Israel-Palästina-Konflikt" ZhdK
Zürich.
21.00 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - Ya Sharr Mout | Sabine
Gisiger, Dok, CH 2008
22.00 Uhr - Dachstock - BAZE Plattentaufe "D' Party isch
verbi" & Support: tba & Afterparty! " hiphop, electronica
So 31.10.10
18.00 Uhr - Kino - "MUSLIM/A" - Allah Made Me Funny |
Musliminnen machen Standup-Comedy.
19.00 Uhr - Tojo - "Also mich interessiert mein
Sexualleben mehr als der Israel-Palästina-Konflikt" ZhdK
Zürich.
21.00 Uhr - Rössli - TROTTEL (HUN). " psychedelic,
folk, rock, electronica
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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Blick am Abend 22.10.10
Nightlife Tipp
Midnight Juggernauts (AUS)
Fr, 22 Uhr, Reitschule Dachstock, Neubrückstr. 8.
Das Trio Midnight Juggernauts stammt aus Melbourne in
Australien und klingt wie das rechtmässige Erbe der 70er-Band
Electric Light Orchestra. Bei den Midnight Juggernauts trifft Captain
Future auf Daft Punk und Dancefloor auf Bombast-Pop. Eine grossartige
Mischung, die der Band eine beachtliche Fangemeinde beschert hat.
usgang.ch
TOP Nicht verpassen!
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Bund 21.10.10
Sounds Midnight Juggernauts
Psychedelischer Radio-Pop
Zuweilen gestaltet sich das Leben ein ganzes Stück
leichter, wenn man auf einen prominenten Freundeskreis
zurückgreifen kann.
Die australische Gruppe Midnight Juggernauts könnte
sich künftig sämtliche Werbe-Anstrengungen sparen, weil Leute
wie der Amy-Winehouse-Erfinder Marc Ronson oder die französischen
Elektro-Fachgrössen von Justice diese Aufgabe bereits bestens
erledigen. Beide werden nicht müde, öffentlich zu verraten,
dass die Juggernauts als eine der bedeutendsten Inspirationsquellen
ihrer Musik zu betrachten seien, Letztere haben die Mannen aus
Melbourne gar kurzerhand auf ihre Welttournee eingeladen.
Kosmisches aus dem Synthesizer
Das Kunststück, das die Midnight Juggernauts bisher
so prächtig vollführten, besteht darin, ihren kosmischen
Synthie-Pop derart wohldosiert mit psychedelischen
Störgeräuschen zu unterfüttern, dass er einerseits
gerade noch im Radio gespielt werden kann (ausgenommen natürlich
im grössten Teil der helvetischen Radiostationen), und doch von
der hippen Indie-Dance-Klientel noch als heisse Ware gehandelt wird.
Mit klarem Kopf
Ihr neuestes Werk, das in diesen Wochen in die Läden
kommen soll, scheinen die Juggernauts hingegen mit etwas klarerem Kopf
eingespielt zu haben. An vielen Stellen dieses Albums tritt der Pop
ganz ungeschützt hervor, anstatt auf kunstvolle Verschleierung
setzen die Australier neuerdings auf grosse Synthie-Pop-Melodramatik,
wobei sie - etwa im Gegensatz zu ihren Lands- und Gesinnungsgenossen
von Empire of the Sun - ein nicht ganz so glückliches
Händchen beweisen. Doch was auf CD ein wenig verkrampft wirkt,
dürfte in der Liveumsetzung an Lockerheit und Dringlichkeit
gewinnen. Die Band gilt als einer der bestechendsten Elektro-Live-Acts
der Gegenwart. (ane)
Dachstock Reitschule Freitag, 22. Oktober, 22 Uhr.
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WoZ 21.10.10
Queer Refugees
Queer Refugees sind Flüchtlinge, die aufgrund ihrer
sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität in
ihrem Heimatland verfolgt werden. Im Fluchtland, zum Beispiel der
Schweiz, angekommen, sind sie oftmals erneuter Diskriminierung
ausgesetzt. Die Erfahrungen von Amnesty International (AI) zeigen, dass
die Schweiz zu wenig für den Schutz von Queer Refugees unternimmt.
Die AI-Sektion Queeramnesty setzt sich für deren Rechte und
Würde ein. Aktivist Innen von Queeramnesty berichten von ihrer
Tätigkeit und geben einen Überblick über die Lage der
Queer Refugees in der Schweiz.
Bern Frauenraum der Reitschule, Neubrück- strasse 8,
Di, 26. Oktober, 20 Uhr.
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Blick am Abend 21.10.10
Nightlife Tipp
Geoff Berner (CAN)
Donnerstag, 21 Uhr, Reitschule, Neubrückstrasse 8.
Der kanadische Sänger und Akkordeonspieler Geoff
Berner feiert seit vielen Jahren mit seiner eigenartigen Mixtur aus
Klezmer und Punk grosse Erfolge. Nebst seinen musikalischen
Fähigkeiten verfügt Geoff Berner, der nur selten eine
Bühne nüchtern betritt, über beeindruckende und
mitreissende Entertainer-Qualitäten.
usgang.ch
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BZ 19.10.10
Reitschule
Leben in den Nothilfezentren
Morgen Abend ab 19.30 Uhr veranstaltet das Kollektiv
"Bleiberecht für alle" im Rössli einen Themenabend zur
kantonalen Nothilfepraxis. Betroffene Menschen erzählen danach von
ihren Erfahrungen in den Berner Nothilfezentren. Die Veranstaltung ist
Teil der Reihe der Reitschule zur schweizerischen Migrationspolitik.pd
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kulturagenda.be 19.10.10
Midnight Juggernauts gastieren im Dachstock
Ein bisschen Indie, ein bisschen Electronica und ein bisschen
Synth-Pop, alles club-gerecht serviert. Seit 2004 machen Midnight
Juggernauts aus Melbourne gemeinsam Musik, 2007 beglückten sie als
Support von Justice die hippsten Tanzlokale in aller Welt. Nun
präsentieren die drei Australier im Dachstock ihr neustes
Werk, "The Crystal Axis".
Dachstock, Bern. Fr., 22.10., 22 Uhr
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BOLLWERK
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BZ 23.10.10
Zwei Betreiber stehen vor dem Aus
Hannah Einhaus
Bollwerk Der Wirt der Brasserie wirft das Handtuch, und
die Betreiberin der Vinothek neben der Drogenanlaufstelle sucht ein
neues Lokal. Der Ruf des Ortes ist so schädlich, dass sich ein
Betrieb an diesem Standort nicht lohnt.
Die Zukunft des Restaurants Brasserie Bollwerk sieht
finster aus. Das Lokal wird bis Ende Jahr nur noch über Mittag
geöffnet sein. Um 15 Uhr sind alle Tische aufgestuhlt. Der Wirt
Stefan Zingg wirft bereits in diesen Tagen das Handtuch und
eröffnet ein neues Lokal in der Unteren Altstadt. Über die
Zukunft des Lokals am Bollwerk laufen Verhandlungen. "Diese Ecke der
Stadt hat einen derart schlechten Ruf, dass keine Verbesserung in
Aussicht steht", sagt Zingg zu seiner Entscheidung. Drögeler,
Spritzen auf den Strassen, Gewalt auf der Schützenmatte - da
würden Gäste das Bollwerk meiden. ahren noch hegten, ist
verflogen. Trotz des schwierigen Umfelds waren sie damals noch bereit,
Herzblut in ihre Gastrobetriebe zu stecken. Um die Schützenmatte
zu beleben, spannten Flach und Zink.ahren noch hegten, ist verflogen.
Trotz des schwierigen Umfelds waren sie damals noch bereit, Herzblut in
ihre Gastrobetriebe zu stecken. Um die Schützenmatte zu beleben,
spannten Flach und Zink.
Optimismus verflogen
Während Zingg vor allem der Ruf des Quartiers zu
schaffen macht, erlebt Monika Flach von der Vinothek Taberna Vineria
die Drogenszene hautnah. Das Lokal an der Hodlerstrasse grenzt direkt
an die Anlaufstelle. "Wenn meine Gäste in den wärmeren
Jahreszeiten draussen vor dem Lokal rauchen, werden sie von
Drogenkonsumenten regelmässig belästigt und angebettelt",
beschreibt die Wirtin, die hier seit über vier Jahren Wein
ausschenkt. In den Sommermonaten musste sie im Durchschnitt einmal pro
Woche Ralph Heiniger, unser Mann fürs Grobe, rufen.
In den letzten ein, zwei Jahren hat die Anzahl von Fixern,
die im Haus nebenan verkehren, massiv zugenommen. Waren es früher
90 bis 100 Konsumentinnen und Konsumenten, sind es heute über 200,
die sich vor der Anlaufstelle versammeln, so Flachs Schätzung. Der
Optimismus, den sie und Zingg vor ein, zwei Jahren noch hegten, ist
verflogen. Trotz des schwierigen Umfelds waren sie damals noch bereit,
Herzblut in ihre Gastrobetriebe zu stecken. Um die Schützenmatte
zu beleben, spannten Flach und Zingg im Sommer 2009 zusammen, um
gemeinsam mit der Reitschule und anderen Betrieben ein Volksfest auf
die Beine zu stellen. Termin: 10 Oktober. Doch wenige Tage zuvor
platzte der Anlass. Weitere Bemühungen, am gleichen Strick zu
ziehen und gegen den schlechten Ruf ein Zeichen zu setzen, scheiterten.
Kritik an den Gemeinderat
Für die blamable Situation verantwortlich ist nach
Auffassung von Flach und Zingg die städtische Politik. "Seit
Jahren plädieren wir für eine zweite Drogenanlaufstelle. Wir
haben regelmässig Kontakt mit Pinto, die machen ihren Job so gut
sie können", sagt sie, Erwartungen funktioniert das einfach nicht
in unmittelbarer Nähe von Drogenabhängigen." Erwartungen
funktioniert das einfach nicht in unmittelbarer Nähe von
Drogenabhängigen." Wegweisungen von Pinto oder der Polizei sind
nach ihren Beschreibungen eine Sysiphus-Arbeit. Ralph ist unser Mann
fürs Grobe. Nach zehn Minuten stehen die Abhängigen wieder am
genau gleichen Ort wie vor der Kontrolle. "Mit einer zweiten
Anlaufstelle würde der ganze Auflauf hier reduziert", ist die
Betreiberin der Weinbar überzeugt. An Bemühungen hat es nicht
gefehlt. Briefe an den Stadtpräsidenten Tscchäppät und
Sozialdirektorin Edith Olibet zeigten keine Wirkung.
"Wir wollen unseren Gästen Genuss und Entspannung
anbieten", sagt Monika Flach. "Entgegen unseren früheren,
optimistischen Erwartungen funktioniert das einfach nicht in
unmittelbarer Nähe von Drogenabhängigen." Für sie ist
der geplanten Wegzug von der Schützenmatte weg und weg nur noch
eine Frage der Zeit.
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ROTE FALKEN
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Indymedia 20.10.10
23.10. Schnuppernachmittag bei den Roten Falken Bern ::
AutorIn : Rote Falken Bern: http://www.bern.rotefalken.ch
Die Falken fliegen wieder! Seit einem Jahr ist die Kinder- und
Jugendgruppe mit Ursprung in der ArbeiterInnen-Bewegung wieder in Bern
aktiv, das scheint die Runde gemacht zu haben. Aber um was geht es bei
den Falken genau? Alle Kinder, Jugendlichen und Eltern die Lust haben,
sich diese Sache einmal näher anzuschauen sind herzlich zum
Schnuppernachmittag der Roten Falken Bern am 23. Oktober eingeladen!
Bei den Roten Falken stehen Spiel, Spass und Solidarität an
erster Stelle. Besonders wichtig sind uns die Kinderrechte und die
Partizipation aller Gruppenmitglieder. Unser Anliegen ist es, den
Kindern und Jugendlichen zu zeigen, dass ihre Meinung zählt und
gefragt ist. Wir möchten nachhaltiges Denken, Selbstbestimmung und
Kreativität fördern. Im Falkenalltag haben wir die
Möglichkeit uns selbst zu sein, damit wir uns austoben
können, damit wir träumen können und damit wir alle
zusammen mit lauter Stimme unsere Forderung nach einer gerechteren Welt
vertreten können.
Die Gruppentreffen der Falken finden jeweils Samstags statt,
daneben gibt es viele weitere Aktivitäten wie Weekends, Pfingst-
und Sommerlager, den 1. Mai und den Tag der Kinderrechte.
Der Schnuppertag der Roten Falken Bern findet am Samstag, 23.
Oktober statt. Treffpunkt ist um 13.30 bei der Tramhaltestelle Bahnhof
(unter dem Baldachin). Kinder ab 6 Jahren, Eltern und auch Jugendliche,
die FalkenhelferInnen werden möchten sind herzlich eingeladen!
Anmeldung (fakultativ) per Mail an infos(at)bern.rotefalken.ch
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RABE-INFO
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Fr. 22. Oktober 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_22._Oktober_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_22._Oktober_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2022.%20Oktober%202010
- In der Matte entsteht ein neues berndeutsches Theater
- Öl-Bohrungen gefährden indigene Gemeinschaften in
Bolivien
- Kultfilm "We feed the world"
Links:
http://www.theatermatte.ch
http://www.we-feed-the-world.at
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Do. 21. Oktober 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_21._Oktober_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_21._Oktober_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2021.%20Oktober%202010
- Neuer Verfassungsartikel geplant: Schweiz soll
Ernährungssouveränität verankern
- Aufstand gegen Rentenreform: Analyse der Proteste in Frankreich
- Kriegerische Stimmung im Libanon: Erlebnisbericht aus dem
Vielvölkerstaat
Links:
http://www.uniterre.ch/DE/Aktuell/Aktuell.html
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Mi. 20. Oktober 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_20._Oktober_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_20._Oktober_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2020.%20Oktober%202010
- Schweiz erhält viel Lob für die Umsetzung der
Pressefreiheit
- Kurdisch verboten: Carlo Sommargua berichtet von einem
Schauprozess in der Türkei
- Lokale Märkte neu beleben: Senegalesische Landwirtschaft
braucht mehr Selbstbestimmung
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Di. 19. Oktober 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_19._Oktober_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_19._Oktober_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2019.%20Oktober%202010
- UNO-Biodiversitätsgipfel Nagoya - Schweizer NGO-Vertreter
an der Konferenz zur Biopiraterie
- 151 kurdische Politiker und Aktivisten vor Gericht - ein
Prozess in der Türkei
- Serie: Hunger und Ernährung - Die Situation in Bangladesh
und Sri Lanka
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SVP
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BZ 21.10.10
Wasserfallen:
"Unter meinem Niveau"
Nach seinem Austritt aus der SVP traf sich Peter
Wasserfallen gestern mit SVP-Hardliner Erich Hess zum
Streitgespräch.
In diesem Leben werden Stadtrat Peter Wasserfallen und
Grossrat Erich Hess keine Freunde mehr. Peter Wasserfallen ist aus der
SVP ausgetreten (wir berichteten). Die Gründe dafür
hätten Namen: Erich Hess und Thomas Fuchs. Diese beiden
würden das Geschehen diktieren und der Partei ihren Willen
aufzwingen, behauptet Wasserfallen. Gestern trafen sich Hess und
Wasserfallen für Telebärn zu einem Streitgespräch. Und
da flogen die Fetzen.
"Du machst keine konstruktive Politik", sagte der
äusserst echauffierte Peter Wasserfallen zu seinem ehemaligen
Parteikollegen Erich Hess. "Nichts als Wadenbeissen, Trötzelen und
Obstruktion. Das ist unter meinem Niveau." Hess, der bisweilen nicht
mit Provokationen geizt, blieb am Anfang ganz ruhig. "Ich vertrete
unsere Wähler. Ich mache genau die Politik, für welche die
Stadtberner SVP steht." Ausserdem bedaure er es, dass sie sich nun vor
laufender Kamera streiten müssten, sagte Hess. "Ich habe Dir doch
schon vor langem angeboten, dich mit mir an einen Tisch zu setzen."
Wasserfallen konterte: "Mit Dir an einem Tisch zu reden bringt nichts."
Der gemässigte Flügel werde systematisch untergraben, so
Wasserfallen. Hess meinte daraufhin, dass die Partei demokratisch
organisiert sei. "Es kann ja nicht mein Fehler sein, dass du bei der
Nomination für die Nationalratswahlen von den 48 Anwesenden keine
einzige Stimme erhalten hast." Peter Wasserfallen meinte, dass das
Wahlprozedere so angelegt wurde, um ihm zu schaden.
Wenn er so empfinde, dann sei es ja besser, wenn er die
SVP verlasse, sagte Hess. "Dir weint keiner eine Träne nach."
Für die Kamera reichten sich die beiden am Schluss die Hand. Aber
wirklich nur für die Kamera.
rah
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BZ 20.10.10
Stadtrat
Peter Wasserfallen kehrt der SVP frustriert den Rücken
Drei Jahre lang war Peter Wasserfallen Mitglied der SVP.
Am Sonntag trat er unter Getöse wieder aus. Die Partei
fördere einseitig rechte Populisten. Parteipräsident Peter
Bernasconi widerspricht: Der Ausgleich sei ihm wichtig.
"Ich werde im Stadtrat ab sofort einen Sitzplatz zwischen
der FDP und der GFL belegen", sagt Stadtrat Peter Wasserfallen. Der
Bruder von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen und der Sohn des
verstorbenen Gemeinderats Kurt Wasserfallen hat die Nase voll und
beendet das Gastspiel bei der SVP. Er kehrt ihr nach nur drei Jahren
den Rücken: "Allein Polemik und Obstruktion zählen",
kritisiert er und setzt noch einen oben drauf: "Die SVP verkommt zu
einer Fuchs-Hess-Partei." Posten würden abgekartet vergeben.
Parteipräsident Peter Bernasconi bezeichnet er als "Staffage".
Niemand halte Erich Hess und Thomas Fuchs die Stange: "Hess führt
uns vor und erhält dafür noch eine Belohnung", sagt
Wasserfallen in Anspielung auf dessen Lavieren mit dem Doppelmandat im
Stadtrat und im Grossen Rat.
Unerfüllte Ambitionen
Das Fass zum Überlaufen brachte, dass Wasserfallen
bei der Nomination für die Nationalratswahlen 2011 nicht
berücksichtigt wurde. In der Stadtsektion erhielt er im August
keine einzige Stimme, und letzten Mittwoch machte die Kantonalpartei
dann Nägel mit Köpfen: Die SVP Stadt Bern stellt - die beiden
Grossräte Thomas Fuchs und Erich Hess. Wasserfallen macht denn
auch keinen Hehl daraus, dass er frustriert geht. Nun will er erst
einmal parteilos politisieren. Erste Fühler hat er aber in
Richtung FDP ausgestreckt: "Ich werde das Gespräch mit der
Fraktion suchen." Von dort tönt es positiv: "Die Türen stehen
offen", sagt deren Chef Bernhard Eicher. Eine Option wäre für
Wasserfallen auch die BDP. Von dort äussert sich Co-Fraktionschef
Kurt Hirsbrunner aber reservierter.
Roland Jakob, der das Fraktionspräsidium im Sommer
von Erich Hess übernommen hat, bedauert den brüsken Abgang:
"Er deckt das gemässigtere Segment der SVP ab." Dessen
enttäuschte Ambitionen bei den Grossratswahlen, dem
Fraktionspräsidium, in der Parteileitung und nun zuletzt für
die Nationalratswahlen führt er aber nicht auf einseitige
Förderung, sondern auf die häufige Absenz von Wasserfallen
zurück. Dieser habe bei den wichtigen Sitzungen jeweils gefehlt.
"Wasserfallen fehlte die Geduld", stellt Jakob fest. Dieser kontert, er
sei jeweils in seiner Funktion als Hauptmann im Militär
unabkömmlich gewesen.
Statt zehn wird die SVP-plus-Fraktion künftig nur
noch neun Sitze haben. Weil man unter seiner Leitung weniger polemisch
auftreten wolle, werde der Einfluss der SVP nicht abnehmen, ist Jakob
überzeugt: Da und dort werde die SVP viel mehr wieder für
Allianzen interessant sein.
Präsident bleibt gelassen
Parteipräsident Bernasconi nimmt die Vorwürfe
gelassen: "Peter Wasserfallen reagiert zuweilen empfindlich. Es
fällt ihm manchmal schwer, sich richtig einzuordnen", sagt er. Die
Nominationen seien korrekt abgelaufen. Es stimme auch nicht, dass die
Parteileitung sich von Fuchs und Hess die Agenda diktieren lasse: "Wir
drängten darauf, dass Hess den Ehrenkodex einhält und sein
Stadtratsmandat abgibt, nachdem er in den Grossen Rat gewählt
worden ist."
Als Präsident sei er daran interessiert, dass die
verschiedenen Flügel innerhalb der Partei unter einem Dach Platz
fänden: "Für das kämpfe ich auch. Die Bäume wachsen
auf der rechten Seite nicht einfach in den Himmel", betont Bernasconi.
Unbestritten sei aber, dass die Partei von Politikern vom Schlage
Fuchs' und Hess' auch profitiere. Trotzdem finde der von Jakob
angekündigte Wechsel im politischen Stil der Stadtpartei statt.
Allein Wasserfallen fehlte der Glauben.
Christoph Aebischer
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Blick am Abend 19.10.10
Stadtrat Peter Wasserfallen tritt aus der SVP aus
BERN
Am Wochenende sei der Entscheid gefallen, sagt Peter
Wasserfallen. "Die SVP betreibt nur noch Obstruktionspolitik",
erklärt der 30-jährige Historiker frustriert. Immer
öfter habe er sich privat oder als Hauptmann im Militär
rechtfertigen müssen, warum er da noch mitmache. "Die Berner SVP
könnte man auch in Fuchs-Hess-Partei umtaufen. Alle anderen haben
nichts mehr zu melden. Aber auch auf nationaler Ebene hat die SVP
ausser Trotzreaktionen nichts mehr zu bieten." Vorläufig bleibt
Wasserfallen als Parteiloser im Stadtrat. Ob er in die Fraktion der BDP
wechselt oder in jene der FDP, lässt er momentan offen. Sein
Bruder Christian politisiert als Nationalrat erfolgreich für die
FDP. Auch Kurt, der verstorbene Vater der beiden, war ein
Aushängeschild der Berner FDP. Bernhard Eicher, Fraktionschef der
FDP im Berner Stadtparlament, signalisierte gegenüber Blick am
Abend vorsorglich schon einmal Gesprächsbereitschaft: "Bei uns
sind die Türen offen." pp
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Bund 19.10.10
Berner Stadtrat Peter Wasserfallen tritt frustriert aus SVP aus
"Die SVP bietet in der Stadt Bern nur noch Obstruktions-
und Showpolitik." Dies sagte gestern Abend Peter Wasserfallen auf
Anfrage. Zuvor hatte Roland Jakob, Präsident der
SVP-Stadtratsfraktion, in einem Communiqué bekannt gegeben,
Wasserfallen sei aus der SVP ausgetreten. Über die Gründe war
darin nichts zu erfahren.
Peter Wasserfallen sitzt seit Anfang 2009 für die SVP
im Berner Stadtparlament. Er bestätigte gestern seinen Austritt
aus Partei und Fraktion. Der Entscheid sei am Wochenende gefallen.
Zunächst werde er als Parteiloser im Stadtrat weitermachen.
Welcher Partei er sich anschliessen wolle - der FDP oder der BDP -,
werde er später entscheiden.
Der 30-jährige Historiker ist der Bruder von
FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen und der Sohn des verstorbenen
FDP-Gemeinderats und Nationalrats Kurt Wasserfallen. Zu Beginn habe er
noch versucht, der Stadt-SVP einen etwas anderen Drall zu verleihen,
sagte Peter Wasserfallen gestern. Er habe sich dafür einsetzen
wollen, dass Themen seriös angegangen werden, dass die Fraktion
wieder ernst genommen werde. "Das wird sie schon lange nicht mehr
richtig", sagte er. "Sie betreibt einen Riesenaufwand, aber erreicht
nichts."
Bei den Nominationen abgeblitzt
Seine Bemühungen seien wirkungslos geblieben, sagte
Wasserfallen gestern. Ausserdem habe sich die Stadtpartei zunehmend auf
zwei Personen ausgerichtet - auf die Grossräte Erich Hess und
Thomas Fuchs. Ersterer war bis diesen Sommer im Stadtrat
SVP-Fraktionschef. Wasserfallen hätte gern das
Fraktionspräsidium oder zumindest das Vizepräsidium
übernommen. In beiden Fällen wurde er aber übergangen,
wie er gestern einräumte. Bei der Nomination für die
Nationalratswahlen schliesslich erhielt er keine einzige Stimme. Das
habe ihn frustriert. Aber es sei nicht nur das: Mittlerweile sei es ihm
"auch zu blöd, was die Partei auf anderen Ebenen bietet". Als
Privatperson und als Hauptmann müsse er sich in seinem Umfeld des
Öfteren für die Politik der SVP rechtfertigen.
Roland Jakob, seit Ende August Chef der jetzt noch
neunköpfigen Stadtratsfraktion SVP plus, sagte gestern Abend,
Wasserfallen sei in entscheidenden Momenten - wie der
Nominationsversammlung - nicht dabei gewesen. Am Ende entscheide halt
die Basis. Und wenn diese sich gegen einen entscheide, "dann muss man
damit leben - oder einen anderen Weg gehen". Es sei schade für
Wasserfallen, sagte Jakob. "Manchmal muss man etwas Geduld haben - und
die hat ihm ein bisschen gefehlt." (db)
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DROGEN
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Bund 23.10.10
Im Profil Der 35-jährige Nigerianer Emanuel Mark Bamidele
bekam eine zweite Chance.
Vom Kokain-Deal zum TV-Mann
Timo Kollbrunner
"In meiner ersten Nacht in der Schweiz, im Asylheim,
wachte ich auf, weil ich Männer sprechen hörte. Sie waren
damit beschäftigt, Geld und weisse Kügelchen zu zählen.
"Wir machen Business in der Stadt", sagten sie, "wenn du willst, kommst
du morgen mit." Ich hatte einen Franken und fünfzig Rappen im
Sack, und ich dachte: Ich will auch Business machen. So wurde ich
Drogendealer. Mir war nicht bewusst, was ich damit anrichte, dass
Drogen Leben zerstören. Es war die erste Option, die sich mir bot,
und es schien keine Alternativen zu geben."
"Weisst du, wie das ist, die ersten hundert Franken in den
Händen zu halten? Diese schöne blaue Note? Weisst du, was du
damit in Nigeria kaufen kannst? Ich habe meine erste Hunderternote in
ein Buch gelegt, damit sie nicht verknittert. Und dann wollte ich die
nächsten hundert. Ich habe mich in das Geld verliebt. Ich ging
aus, ich kaufte Kleider - ich habe immer alles gleich wieder
ausgegeben. Das allermeiste Geld, das Dealer verdienen, bleibt in der
Schweiz."
"Dealen ist ein Fluch. Wenn du einmal drinsteckst,
könnten sie dir einen Job bei der UBS anbieten, du würdest
weiterdealen. Du bist zu beschäftigt, um Alternativen zu sehen. Du
willst immer mehr. Wenn du im Ozean schwimmst und Durst hast, und dir
jemand sagt, du sollst nicht trinken: Hörst du auf ihn? Dealen
tötet dein Potenzial. Du bist ständig im Stress: Wo ist die
Polizei? Wo kriege ich Nachschub? Du kannst nicht mehr entspannt einen
Kaffee trinken. Als ich dealte, hatte ich keine Ahnung, dass ich zu dem
fähig bin, was ich heute mache. Wenn du dealst, ist Dealen dein
Leben."
"Im September 2000 wurde ich ausgeschafft, die
nächsten drei Jahre lebte ich in Nigeria. Weil meine Frau
Schweizerin ist, konnte ich 2003 zurückkehren. Wir haben zwei
Söhne, ich habe an der Fachhochschule Elektro- und
Kommunikationstechnik studiert, ich habe Deutsch gelernt, habe mir
selbst Wissen angeeignet. Ich lebe jetzt hier meinen Traum: Meine
Mission ist es, einen Beitrag zur Integration der Afrikaner in der
Schweiz zu leisten. Ich möchte gegen ihr negatives Image antreten.
Dafür habe ich vor vier Jahren African Mirror TV gegründet.
Im Internet findet man das Programm unter www.africanmirror.org. Wir
besuchen Veranstaltungen von Migranten, Integrationsanlässe,
Feste, Demonstrationen. Wir decken jene Anlässe ab, die das
übrige Fernsehen nicht bringt. Wir machen Fernsehen von der Basis."
"Ich möchte meine Erfahrungen einbringen, möchte
helfen, das Problem mit afrikanischen Dealern in den Griff zu kriegen.
Nicht als Informant für die Behörden, auf keinen Fall, aber
als Kenner. Ich weiss, wie das Geschäft läuft, ich war Teil
davon. Ich habe mich mit Alard du Bois-Reymond, dem Direktor des
Bundesamts für Migration, getroffen. Ihm gefällt mein
Vorschlag, eine DVD zu realisieren, die wir ankommenden Asylbewerbern
zeigen können. Wir müssen die jungen Männer
aufklären, ihnen bewusst machen, welche Leiden Drogen bereiten,
dass sie die Ausschaffung riskieren, wenn sie dealen. Die Unwissenheit
ist das eine Problem, das andere sind fehlende Alternativen. Wir
müssen diesen Menschen Jobs geben."
"African Mirror TV bekommt immer mehr Aufträge.
Derzeit entwickeln wir etwa den Fernsehsender der Aids-Hilfe Bern. Aber
unsere Ressourcen sind beschränkt. Die Postproduktion mache ich
alleine. Ich benötige dringend motivierte Leute, zum Beispiel
jemanden, der mir hilft, Beiträge zu editieren. Gerne auch einen
Asylbewerber: Das wäre allemal eine bessere Beschäftigung,
als zu dealen. Vorläufig ist unser Kanal nur im Internet zu
empfangen. Ich träume davon, dass die Schweizer dereinst zu Hause
auf dem Sofa nicht nur SF schauen oder RTL, sondern auch African Mirror
TV".
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Basler Zeitung 23.10.10
Der ewige Kampf des Mr. Langstrasse
Rolf Vieli bändigte die Zürcher Drogenszene -
doch jetzt bedrohen Zuhälter aus Osteuropa erneut den Kreis 4
TIMM EUGSTER, Zürich
Rolf Vieli (64) hat im Auftrag des Polizeidepartements
Junkies und Dealer in die Schranken gewiesen und so die Grundlage
für den Wandel zum Zürcher Trendquartier Kreis 4 gelegt. Doch
jetzt etablieren sich neue und im Wesen brutalere Milieufiguren. Das
Porträt eines Rastlosen.
Er könnte sich underdressed vorkommen, wie er in
seiner alten Jacke und dem praktischen Daypack-Rucksack am Tresen der
Volkshaus-Bar steht, zwischen all diesen Züri-In-People mit ihrer
sorgfältig assortierten Garderobe. Tut er aber nicht. Schliesslich
krabbelte Rolf Vieli hier als Baby zwischen den Tischen herum, als die
meisten der heutigen Gäste noch nicht einmal geboren waren - und
das Volkshaus noch als alkoholfreie Gaststätte vom Frauenverein
geführt wurde. "Damals stank es hier immer nach Milch", erinnert
sich der 64-Jährige.
Lebenslinien. Vieli ist ein Kind des
Langstrassenquartiers. Nach der Schule macht er eine KV-Lehre,
rebelliert als 68er gegen die kleinbürgerlich-gewerkschaftliche
Enge seines Milieus, gründet das 1.-Mai-Komitee gegen die
"reaktionäre Gewerkschaftsführung" mit - und gibt den
Austritt, als gewaltbereite Gruppen einsteigen. "Wollt ihr ein AJZ oder
wollt ihr Krawall?", ruft er der unruhigen 80er-Jugend per Megafon ins
Gewissen - worauf diese Demo tatsächlich friedlich bleibt.
Vieli, der schmächtige Vegetarier und Sammler
indischer Ganesh-Figuren, setzt sich durch. Mit seiner unbändigen
Debattierlust und mit seiner unerschütterlichen Überzeugung,
dass er das Richtige tut. Auch wenn er in seinen Jahren als Stadtammann
und Betreibungsbeamter für den Kreis 4 Wohnungen zwangsräumen
und vernachlässigte Kinder bei ihren Müttern abholen muss.
Sumpfgebiet
In den 90er-Jahren nehmen Drogenszene und Milieu überhand,
das Quartier versinkt in Dreck, Chaos und Gewalt. Der Druck der
Bevölkerung wird so gross, dass die damalige Polizeivorsteherin
Esther Maurer zu einem unkonventionellen Mittel greift: Sie ernennt
Rolf Vieli 2001 zum Mr. Langstrasse - zum Aushängeschild ihrer
sozialdemokratischen Ordnungs- und Aufwertungspolitik. Vieli wird ihr
im Polizeidepartement direkt unterstellt: Da hat er wenig direkte
Kompetenzen, aber umso mehr Einfluss.
Die Verwandlung, die das Quartier in seiner Amtszeit als
Mr. Langstrasse durchgemacht hat, zeigt sich für Vieli just hier
im neu designten Volkshaus mit seiner kunstvollen Neonlichtinstallation
an der Decke. Er sieht darin einen Vorboten der Zukunft eines
"lebendigen, lebens- und auch liebenswerten Quartiers, in dem weder
Randständige noch Yuppies dominieren". Klar, es sei schade, dass
kaum noch Arme und nur noch wenige Ausländer im Volkshaus
verkehrten, räumt er ein. Doch die Mischung ist trotzdem
interessant: An der Bar lümmelt gerade ein Trüppchen Soldaten
herum - daneben steht der noch immer langhaarige ehemalige
GSoA-Vordenker Andi Gross.
Paradies
Jetzt will Vieli die Bäckeranlage vorzeigen, den Ort, den
er in ein "kleines Paradies" zu verwandeln versprach. Ausgelacht habe
man ihn damals, als das Pärklein mit unzähligen Junkies und
Dealern fast schon ein zweiter Letten war. Warum sollte dieser Mr.
Langstrasse das schaffen, was mit anderen städtischen Projekten
nicht gelungen war? Vieli wusste: Sollte nicht der letzte Funken
Hoffung im Quartier erlöschen, musste er Erfolg haben. Die Anlage
wurde geräumt, eingezäunt, instand gestellt und Wochen
später mit einem Fest, 75 dauerpräsenten Polizisten und einem
Café mit Kulturbetrieb wieder geöffnet. Und
tatsächlich: Heute ist die Bäckeranlage - unterdessen mit
Quartierzentrum bestückt - ein grünes Paradies, wo hippe
Familien ihre Babys im Gras krabbeln lassen, und die paar übrig
gebliebenen Polytoxikomanen finden sie irgendwie urban und in Ordnung.
Dubiose Gestalten
Ein schwarzer Offroader stoppt, die Scheibe surrt, der Fahrer
ruft eine Frage heraus. Es geht um ein Formular. Vieli nähert sich
keinen Zentimeter, sondern gibt ihm zu verstehen, er solle ihn anrufen.
"Früher hat dieser Mann Dinge getan, die fürs Quartier gar
nicht gut waren. Jetzt betreibt er ein anständiges Restaurant." Im
Gespräch versuche er, Milieufiguren zu überzeugen, "dass ihre
Zeit abgelaufen ist". Das nütze auch. Viele veränderten sich
auch, weil sie älter werden und ein normales Leben führen
wollen. Auf der Piazza Cella sitzen derweil die Newcomer der
Zuhälterszene auf den biergetränkten Bänklein der
Strassenkreuzung und checken permanent die Lage: Osteuropäer, die
bereits den Strassenstrich unten am Sihlquai beherrschen und die jetzt
jede Chance packen, rund um die Langstrasse Häuser und Wohnungen
zu mieten. "Sie sind entschlossen, hier die Herrschaft zu
übernehmen", bemerkt Vieli trocken.
Geldgierige Hausbesitzer
Er zeigt auf eine frisch renovierte Fassade. "Dieses Haus war
früher unglaublich versifft - und trotzdem kostete ein Zimmerchen
über 2000 Franken." Solche Mietzinsen, wie sie in anderen
Liegenschaften weiterhin verlangt werden, könnten sich nur
ungarische Menschenhändler leisten, deren Prostituierte ihren
ganzen Verdienst abgeben müssen. Wegen solcher Geldgier der
Hausbesitzer komme es zu einer Verdrängung der integrierten, legal
arbeitenden Prostituierten, redet sich Vieli ins Feuer: "Sie machen
sich damit nicht im juristischen, aber im ethischen Sinn zu Komplizen."
In diesem Fall ging die Geschichte für Vieli gut aus: Obwohl der
Besitzer horrende Mieten abzockte, ging er pleite - das Haus wurde
zwangsversteigert. Für die Gant lud Vieli einen Investor seines
Vertrauens ein. Dieser kaufte es. Neue Mietwohnungen entstanden. Im
Gegenzug versprach er, dass die Polizei die Dealer in der Umgebung
rigoros bekämpft.
Ab 1975 kauften die damaligen Milieukönige in wenigen
Jahren Dutzende von Häusern und verdrängten so Teile der
Bevölkerung. "Es geht ganz schnell", warnt Vieli, "und ein
Quartier kippt." Die neuen Milieufiguren hält Vieli für sehr
gefährlich: "Sie sind extrem gewalttätig." Verletzen sie ein
Mädchen, lässt es sich in der Apotheke rasch einen Verband
machen - zum Arzt traut es sich nicht, geschweige denn zur Polizei.
Diese versuche zwar, mit Kontrollen die Regeln durchzusetzen - doch sei
sie vielfach überfordert.
Am liebsten würde Vieli mit dem grossen Portemonnaie
einfahren. 20 Millionen Franken hatte seine Partei gefordert, als er
anfing: Damit hätte die Stadt ein halbes Dutzend
"Schlüsselliegenschaften" kaufen können. "Dann hätte es
auf einen Schlag viel weniger Milieufiguren hier", so Vieli. Für
private Investoren, argumentierte er, seien die Preise viel zu hoch -
es sei denn, sie mischen selbst im Sexgewerbe mit. Doch das war selbst
dem linken Stadtrat und Parlament zu viel Staatsintervention. Gekauft
hat die Stadt schliesslich als "symbolischen Akt" ein einziges
Gebäude: jenes mit der Bar Rossi, wo nun verliebte
Studi-Pärchen zu entspannten Trip-Hop-Klängen rumhängen.
Rund 25 Lokale würde Mr. Langstrasse am liebsten
schliessen, weil sie das Quartier enorm belasteten. "Theoretisch kann
man ein Haus als Tatwaffe beschlagnahmen", sagt Vieli - faktisch aber
seien die Hürden so hoch, dass es nie dazu kommt. Das bringt den
Macher manchmal fast zur Verzweiflung. Vor allem weil der
24-Stunden-Betrieb von Gastgewerbe und Shops in den letzten Jahren zu
einem deutlichen Anstieg von nächtlichem Lärm, Streit und
Gewalt geführt hat. "Der Mythos Langstrasse besagt, dass man hier
alles darf, was man bei sich zu Hause in der Agglo nie tun würde",
ärgert sich Vieli.
Yuppies und Wohnpreise
Vor der Gleisunterführung tummelt sich ein letzter Rest
"trümmliger" Junkies. An einer Hauswand wirbt "Primus Property"
für "Urban Home - Leben im Kreis 4". Eine
Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung direkt an der Eisenbahnhauptachse kostet
fast eine Million Franken. "Yuppies", hat jemand auf das Schild
gekritzelt.
Vieli selbst wohnt in Zürich-Affoltern, weil er sich
keine Wohnung im Kreis 4 oder 5 leisten könnte. Dies vor allem
auch im Hinblick auf seine Rente nach der Pensionierung.
Derweil mieten und kaufen die - gut verdienenden -
Zuhälter aus dem Osten, was sie in die Finger kriegen. Damit sie
noch mehr Frauen nach Zürich holen können. Frauen wie die,
die auch in dieser Dienstagnacht am Sihlquai mit leerem Blick darauf
warten, bis ein Freier anhält und mit ihnen auf einem
Quartierparkplatz oder in einem Vorgarten verschwindet.
Linksalternative warnen bereits, die Quartierbevölkerung werde
nach dem Seefeld jetzt auch aus dem hip gewordenen Langstrassenquartier
verdrängt - in Rolf Vieli und seiner Aufwertungspolitik sehen sie
den Schuldigen. Was diesen gewaltig nervt. "Wegen Drogen, Prostitution
und Gewalt", sagt er, "sind weit mehr Leute vertrieben worden, als in
den nächsten Jahrzehnten wegen sogenannter Gentrifizierung
verdrängt werden."
Immobilieninteresse
Anders als Linksalternative freut sich Vieli über jede
Galerie, die ein neues Publikum anzieht und das "subjektive
Sicherheitsgefühl" erhöhe. Und er freut sich, dass mit
Sunrise und Interdiscount grosse Ketten die Langstrasse entdeckt haben:
"Das zeigt, dass das Interesse an der Strasse steigt - sie darf bloss
nicht zu einer 08/15-Einkaufsstrasse verkommen." Gerne hätte Vieli
auch einen Blumen- oder Käseladen in der Langstrasse. Doch
für solches Kleingewerbe seien die Mieten oft zu teuer.
Kurz bevor die Langstrasse in den Limmatplatz mündet,
biegt Vieli in ein Seitensträsschen ab und betritt das "Shaba",
eine mit warmem Licht und harmonischen Klängen erfüllte
New-Age-Oase. Sein Freund, der indische Wirt Sani Abdul, strahlt und
öffnet gleich ein paar Flaschen Mineralwasser. Ein Pionier sei
Abdul gewesen, lobt Vieli. "Oh Gott, es war wirklich schlimm, als wir
anfingen!", stimmt dieser ein: "Gäste aus den reichen Seegemeinden
bekamen Panik, als sie unsere Adresse vernahmen." Zu seinem Freund sagt
er: "Die Leute sollten dir dankbar sein. Ohne deinen Kampf hätten
wir nie diesen Standard erreicht im Quartier." Das hört Vieli
gerne.
Problem Strassenstrich
Doch bevor er kommendes Jahr in Pension geht, ist noch ein
gewaltiges Problem zu lösen: Die "extreme Dynamik" am
Strassenstrich am Sihlquai. "Die rechtlosesten Frauen ziehen die
schlimmsten Freier an, die glauben, sie könnten sich alles
erlauben", so Vieli. Lange hätten die Behörden zu wenig
hingeschaut, wie jedes Jahr mehr Frauen aus dem Osten in die Schweiz
und speziell nach Zürich eingeschleppt wurden. "Jetzt", sagt
Vieli, "müssen wir Regeln aufstellen und durchsetzen." Konkreter
kann er nicht werden - sein neuer Chef Daniel Leupi will erst
informieren, wenn er noch vor Ende Jahr eine neue
Prostitutionsgewerbe-Verordnung vorstellen kann.
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Bund 20.10.10
Bund will hochprozentigeren Cannabis erlauben
Hanf soll neu 1 Prozent THC enthalten dürfen. Damit
wäre die Schweiz deutlich grosszügiger als die EU.
Fabian Renz
Hanf ist mehr als nur der Stoff, aus dem Kifferträume
sind: Die Pflanze mit dem anrüchigen Ruf wird auch für Seile,
Kleider, Kosmetika, Öl und vieles Unverdächtige mehr
verwendet. Aus diesem Grund ist Hanfanbau in der Schweiz unter
bestimmten Bedingungen erlaubt - die nun nach den Vorstellungen des
Bundesamts für Gesundheit (BAG) grosszügiger ausgestaltet
werden sollen. Gemäss einem gestern öffentlich gemachten
Verordnungsentwurf dürfte eine Cannabispflanze künftig bis zu
1 Prozent an THC enthalten, jener Substanz, auf der die Rauschwirkung
eines Joints oder Haschguetsli beruht. Heute gilt eine Limite von 0,3
Prozent.
Das BAG begründet die vorgeschlagene Neuerung mit
"mehr Rechtssicherheit". Der Hintergrund: Immer wieder kommen
Hanfbauern vor Gericht, weil ihr zu legalen Zwecken angebautes Kraut
bei Tests zu hochprozentig abschneidet. Dabei liegt ein THC-Gehalt von
beispielsweise 0,7 Prozent weit unter jenem von echtem Drogenhanf (bis
zu 30 Prozent). Ein weiterer Vorteil der Grenzwerterhöhung liegt
laut BAG darin, dass es weniger Fehldiagnosen bei den THC-Proben geben
würde.
Die 1-Prozent-Grenze mache in der Tat Sinn, meint der mit
der Materie gut vertraute St. Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob. Je
nach Klima des Anbaugebiets könne es vorkommen, dass der
THC-Gehalt einer Hanfpflanze auch entgegen den Absichten des Bauern die
geltende Limite von 0,3 Prozent übersteige. Umgekehrt müsse
die zulässige Obergrenze aber deutlich unter 3 Prozent liegen.
Denn ab diesem Wert beginne Cannabis seine psychoaktive Wirkung zu
entfalten, sagt Hansjakob. Der vom BAG geplante Grenzwert von 1 Prozent
trage beiden Überlegungen Rechnung.
Juristischer Kniff
Dennoch dürfte die Lockerung für Kontroversen
sorgen. Bei Gegnern der Drogenlegalisierung und teilweise auch in
Polizeikreisen werden die Pläne des Bundes schon aus Prinzip
abgelehnt, wie erste Reaktionen gestern zeigten. Vor allem aber scheint
die vorgesehene Obergrenze den Bestimmungen des neuen
Betäubungsmittelgesetzes zuwiderzulaufen. Dieses verlangt eine
Orientierung an internationalen Standards - und die EU schreibt
für legalen Faserhanf eine THC-Obergrenze von 0,2 Prozent vor.
Das BAG behilft sich hier mit einem juristischen Kniff:
Die geplante 1-Prozent-Marke definiere nicht die Obergrenze von
Faserhanf, sondern die Untergrenze von Drogenhanf. Ob diese
Argumentation überzeugt, wird die bis Ende November laufende
Vernehmlassung zeigen.
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Handelszeitung 20.10.10
Management
Wenn ohne Drogen nichts läuft
Manager und Sucht - Der Leistungsdruck in der Teppichetage
ist riesig. Wer unter dem Dauerstress zu leistungssteigernden Mitteln
greift, gerät rasch in eine gefährliche Spirale von
Abhängigkeit und Sucht. Erfahrungen eines Managers und
langjährigen Kokainkonsumenten.
Madeleine Stäubli-Roduner
Kokain hat mein Leben beinahe zerstört", sagt der
42-jährige Manager Markus B. (Name geändert). Er sitzt leicht
angespannt in einem Zürcher Lokal, fährt sich durch die Haare
und räuspert sich. Alles hatte doch so gut angefangen: Er stieg
nach Fachhochschulstudium und MBA in einem Finanzinstitut in Frankfurt
ein und rasch auf, heiratete mit 30 und war mit 35 Eigenheimbesitzer
und Vater zweier Kinder. Da seine beruflichen Perspektiven in der
Schweiz besser aussahen, liess er sich nach Zürich versetzen, wo
seine Karriere steil anstieg. Er jettete wöchentlich zwischen der
Schweiz und Grossbritannien, spulte abends sein Marathon-Lauftraining
ab und managte an Wochenenden die Wettkampfeinsätze seiner
sportbegeisterten Kinder.
Nach einer langen Sitzung am Londoner Firmensitz bot ihm
ein englischer Kollege beim Bier im Pub einen "kleinen Aufsteller" an,
da er "so müde aussehe" - gratis, natürlich. Nachdem sich
Markus B. seine erste Linie gezogen hatte, fühlte er sich
augenblicklich leichter und besser. An diesem Abend machte es ihm
nichts aus, noch schnell heimzufliegen, ein paar Kilometer durch den
Wald zu laufen und die Präsentation vom nächsten Tag
vorzubereiten. Die Kollegen staunten über seine riskanten
Vorschläge, seine Frau über seine Energie.
Der Anfang des Abstiegs
"Das war der Anfang meines Abstiegs", sagt Markus B. und
runzelt die Stirn. Zwar passt der gediegene Anzug immer noch perfekt,
das Lächeln wirkt souverän. Aber eben ist er aus einem
dreimonatigen Aufenthalt in einer Privatklinik zurückgekehrt, wo
er sich einer Behandlung mit Gesprächen, Körpertherapie und
Psychopharmaka unterzog. "Ob ich es auf Dauer wirklich schaffe, weiss
ich noch nicht", sagt er leise. "Der Druck im Job ist riesig, und ganz
aussteigen will und kann ich nicht - schon meiner Familie zuliebe, die
zwar von mir kaum etwas hat, aber wenigstens über das Geld
verfügen kann. Und daran hat sie sich natürlich gewöhnt."
Dass Manager aus dem mittleren und oberen Management
zunehmend Kokain, Aufputsch-, Beruhigungsmittel und Alkohol
konsumieren, ist bekannt. Der Leistungsdruck in allen möglichen
Lebensbereichen steigt seit Jahren rapide an - und immer mehr Menschen
greifen immer hemmungsloser zu Seelentröstern und
Stimmungsaufhellern.
"Seit etwa sechs, sieben Jahren hat der Verkauf von
Antidepressiva und Beruhigungsmitteln deutlich zugenommen", sagt Metin
San, Apother in der Zürcher Bellevue-Apotheke. Eine eindeutige
Korrelation zur Finanzkrise sieht er dabei nicht, aber er stellt fest:
"Während der Krise, als das Burn-Out-Syndrom in den Medien stark
thematisiert wurde, kauften viele Frauen für ihre Männer
rezeptfrei Beruhigungsmittel." Da man die Konsumenten nicht nach ihren
Berufen frage, sei es schwierig, die Entwicklung des Konsums in
einzelnen Branchen zu verfolgen.
Auch das Bundesamt für Gesundheit betont, dass sich
die heute verfügbaren Studien nicht auf die Ebene des
Individualkonsums übersetzen lassen. "Das heisst, sie geben
Auskunft über die Menge, die verfügbar ist und wahrscheinlich
konsumiert wird, aber nicht über die Verbreitung", sagt
Mediensprecherin Mona Neidhart. "Mit anderen Worten: Die effektive Zahl
von Kokainkonsumierenden kann nur eingekreist werden. Wobei vorweg
gesagt werden muss, dass in Bezug auf das höhere Management kaum
Aussagen belegt werden können, sondern meist nur Annahmen
vorliegen. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Kokainkonsum in
bestimmten Milieus gehäuft auftritt: Im traditionellen
Drogenmilieu, im Night-Life-Milieu und bei gut integrierten Personen in
Stressberufen. Diese Auflistung ist nicht abschliessend, und gerade bei
Letzteren ist die Frage nach den Ursachen des Konsums nicht
geklärt."
Die Tendenz, für jedes Problem eine Pille
einzuwerfen, zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und
Altersstufen: Was Kiffen für den 16-Jährigen auf dem
Dorfplatz, Ecstasy für den 20-jährigen Clubbesucher, Epo
für den Radprofi und Crack für den Drogenjunkie, sind Prozac,
Viagra, Rohypnol und Kokain als Mut- und Muntermacher für
gestresste Manager.
Was da geschluckt, gesnifft, geraucht, geschnüffelt
und gespritzt wird, birgt Risiken. Deren Gefahrenpotenzial wird in der
Öffentlichkeit oft heruntergespielt und verharmlost. Man hat
seinen Konsum im Griff, glauben schon Jugendliche - und davon sind
erfolgsverwöhnte und topdisziplinierte Manager erst recht
überzeugt.
"Bei jeder Linie dachte ich: Das ist die letzte", sinniert
Markus B. Doch statt aufzuhören, musste er seine Dosis laufend
erhöhen, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Bald brauchte er ein
Gramm täglich, um sein berufliches und sportliches
Marathonprogramm überhaupt absolvieren zu können.
Körperliche Nebenwirkungen liessen nicht auf sich warten: "Ich
hatte Bluthochdruck und häufig Nasenbluten. Ausserdem ass und
schlief ich viel zu wenig, daher brauchte ich den Stoff immer
dringender." Mindestens so schlimm waren die psychischen Folgen: "Wenn
die Wirkung nachliess, hatte ich oft Ängste, Schuldgefühle
gegenüber meiner Familie, war innerlich leer, fast depressiv."
Aus der Spirale von Dauerstress und Doping auszubrechen,
erweist sich als nahezu unmöglich. Sich nicht mehr aufzuputschen
hiesse, viel weniger zu leisten, was das Selbstwertgefühl eines
Kadermannes knicken würde. Die Familie aufklären? Sich bei
Kollegen outen? Eine Therapie anfangen? "Alles undenkbar", sagt Markus
B. "Mein Körper musste erst schlappmachen, bis ich selber den
Bruch vollzog." Eines Abends ging gar nichts mehr, Markus B. gestand
seiner Frau sein Doppelleben und liess sich krankschreiben. Burnout,
lautete die Diagnose gegenüber Konzern und Kollegen.
"Der Leistungsdruck auf die Top-Manager hat sicherlich
zugenommen", sagt Philippe Hertig, Chef von Egon Zehnder International
Schweiz. "Obwohl die sogenannte Work-Life-Balance bei den wenigsten
obersten Führungskräften gegeben ist, wird man sich
beispielsweise der Problematik eines Burnout immer bewusster und
unternimmt auch aktiv etwas dagegen."
Die innerbetrieblichen Kontrollmechanismen seien heute
stärker ausgeprägt als früher, aber auch die
Aufsichtsfunktion des Verwaltungsrates werde heute intensiver
wahrgenommen. Früher habe man in einer tabuisierten Gesellschaft
eher zur Flasche oder Tablette gegriffen, sagt Hertig. Dagegen seien
moderne Führungskräfte mit gesundheitsbewussten
Spitzensportlern vergleichbar, "die sich ihrer Verantwortung bewusst
sind und genau wissen, dass Alkohol und Drogen mit
überdurchschnittlicher Leistungserbringung nicht kompatibel sind".
Die Vermutung liegt nahe, dass es diesen "Typ
Spitzensportler" wohl gibt - aber eben auch dessen Gegenpart, der seine
Nöte allerdings unter Verschluss hält. Deutlich
pessimistischer als Hertig äussert sich etwa der deutsche
Soziologe Günter Amendt, der in der "Berliner Zeitung" schreibt:
"Kokain ist überall, wo in Hochgeschwindigkeit gearbeitet wird."
Und: "Der Treibstoff der New Economy ist Kokain."
Vernünftiges Selbstmanagement
Nicht jeder hat das Zeug zum sauberen Spitzensportler.
Vermutlich können - analog zum Sport - relativ wenige auf Dauer an
der Unternehmensspitze mithalten, ohne zu Doping zu greifen. Für
die anderen steht eine gesunde Selbsteinschätzung und ein
vernünftiges Selbstmanagement im Vordergrund. "Ich habe mich
überschätzt und überfordert", sagt Markus B. "Nun will
ich haushälterischer mit meinen Ressourcen umgehen." Künftig
will er mehr auf Ermüdungserscheinungen, körperliche Signale
und Anspannungen reagieren. Er lehnt sich zurück und sagt: "Das
ist ganz wichtig, denn wer einmal im Teufelskreis von Leistung und
Drogen steckt, kommt allein kaum mehr heraus."
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Therapie und Prävention
"Meist fängt es mit Schlafproblemen an"
Konsum Hat der Konsum von Kokain, Alkohol, Aufputsch- und
Beruhigungsmitteln in Chefetagen zugenommen? "Das kann man
epidemiologisch nicht belegen", sagt Professor Michael Soyka,
ärztlicher Direktor der Privatklinik Meiringen und bekannter
Suchtexperte. "Der klinische Eindruck ist aber schon so, speziell was
Psychostimulantien angeht." Diese konsumiere man vor allem, um
länger durchzuhalten, "wach" zu bleiben, auch zur Euphorisierung.
Als Ursache erwähnt Soyka die stark gewachsenen Ansprüche,
"insbesondere was die pausenlose Verfügbarkeit und die
Schnelligkeit von Entscheidungen angeht".
Therapie Elemente der Therapie sind laut Soyka
Entspannungsverfahren, Körpertherapie, Nonverbale Therapien,
evtuell Pharmaka zur Entzugsbehandlung, zur Therapie von Suchtverlangen
oder von komorbiden Störungen, zum Beispiel Depression. Die
Privatklinik Meiringen bietet die bei Managern gefragte
Kurzzeittherapie an.
Prävention Apotheker Metin San hält es für
zentral, dass Manager ihre Gefährdung erkennen und den
Teufelskreis von Überlastung und Medikamenten vermeiden: "Meist
fängt es damit an, dass gestresste Manager unter Schlafproblemen
leiden." Statt nur dieses Symptom zu bekämpfen - "ich will
unbedingt schlafen" -, sollten Betroffene die Ursachen erforschen, sich
Gedanken über das eigene Leben machen und mit Familie und Freunden
darüber sprechen. Ausserdem sollten gestresste Manager
körperlich für sich sorgen: Einen normalen Tagesrhythmus
finden, regelmässig essen, trinken, ausruhen, schlafen. In
sonnigeren Gebieten Licht tanken. Regelmässig und massvoll Sport
treiben, um Stress abzubauen.
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Tribune de Genève 20.10.10
Héro et coke en stock
De grosses quantités de drogue sont vendues chaque
jour à Genève. Etat des lieux (2/2)
Thierry Mertenat
Le physique de l'emploi. En taille et au poids. En
années d'expérience aussi. Avant de diriger la Brigade
des stups, l'inspecteur Olivier Peiry a fait ses kilomètres de
"voie publique" et de "maintien de l'ordre". A 49 ans, il connaît
par cœur les habitudes délinquantes de sa ville en
matière de trafic de stupéfiants. Deux heures
d'entretien, sans photographe. La tête qui parle ne veut pas
être vue.
Chaque drogue a ses trafiquants. Ils partagent la
même nationalité. Les Albanais tiennent le marché
de l'héroïne brune. Depuis quand en est-il ainsi?
Depuis toujours. Ils sont sans concurrence. Au
début des années 90, les trafiquants
d'héroïne venaient du Kosovo, des individus issus de
différentes ethnies albanaises. Parfaitement
intégrés - souvent mariés et détenteurs
d'un permis B - la plupart avaient un emploi à Genève.
Ceux qui mettaient la main à la poudre bossaient
déjà de manière clanique, par villages et par
familles. A l'époque, la téléphonie en
était encore à ses débuts. Ils allaient au contact
direct du client.
Et aujourd'hui, comment sont-ils organisés?
Par filières. Elles se sont multipliées et
disséminées sur tout le territoire genevois. Une centaine
de sites - actifs ou dormants - ont été
répertoriés par nos services. Cinq à six "plans",
pour reprendre notre jargon, tournent chaque semaine. Les Albanais qui
trafiquent sont patients, solides et très écolos. Nombre
d'entre eux sont des bergers: la nature ne leur fait pas peur. On en a
vu dormir en plein hiver sous le pont Butin. Lors des mises en fuite,
ils n'hésitent pas à sauter dans le Rhône et
à nager jusqu'à la rive d'en face. Ils sont
régulièrement approvisionnés dans les bois, ils
vendent dans les bois. La marchandise est livrée sur place: puck
durci d'héroïne d'un côté (en gros 200 g),
produit de coupage (caféine et paracétamol) de l'autre.
Ils se chargent eux-mêmes du mixage. A l'arrivée, un kilo
prêt à la vente. Dans leur bivouac improvisé, on
retrouve le matériel servant au conditionnement: balance,
sachets minigrip, fer à repasser, petits haltères servant
à concasser le produit et à le réduire en poudre.
En salle d'audition, comment se comporte "l'ouvrier"
interpellé?
Il ne donne rien, sinon l'heure, et elle est fausse. Sa
première arrestation lui sert en quelque sorte de bizutage dans
le milieu. Il n'est pas rare de le retrouver plus tard à un
échelon supérieur. C'est lui qui gère le plan. La
main-d'œuvre est inépuisable. Elle attend de l'autre
côté de la frontière (en France et en Italie
notamment). On passe notre temps à arrêter des
"primaires", des nouveaux trafiquants sans casier judiciaire. Il existe
des lieux d'embauche à Genève. Certains
établissements publics servent de points de rendez-vous. Un
gestionnaire de plan, qui a par exemple besoin de deux ouvriers, vient
les recruter pour la journée. Ces petites mains ne consomment
pas. Elles savent très bien ce qu'elles vendent.
A qui, justement, la drogue est-elle vendue?
Les toxicomanes à l'héroïne sont
à 80% des Français. Plus de 1000 d'entre eux sont
fichés chez nous. Ils viennent des Savoies, de l'Isère,
de l'Ain et du Doubs. Parfois de plus loin encore. Le minigrip de 5 g
coûte 150 francs à Genève, contre 250 euros
à Annecy, Chambéry, Grenoble ou Besançon. La
différence de prix paie largement les péages et le
transport. Les acheteurs font pot commun - plusieurs toxicomanes
financent le voyage et l'achat - repartent chez eux avec des
quantités qui dépassent souvent les 50 g. Les saisies se
font à la sortie, beaucoup plus rarement à
l'entrée du territoire cantonal. La drogue arrive par voie
terrestre, via l'est de la Suisse. Les 20% restants sont des
Confédérés, parmi lesquels on trouve
également les toxicomanes "genevois" qui alimentent le
sous-marché du trafic local. Dans le secteur de la gare, le
gramme se négocie à 30 francs. Il y a vingt ans, il se
vendait entre 500 et 600 francs sur la place du Molard.
A combien estimez-vous la quantité
d'héroïne vendue dans les parcs tout autour du centre-ville?
On fait des saisies régulières.
Récemment, deux Albanais ont été jugés aux
Assises pour 7 kilos d'héroïne et
80 kilos de produits de coupage. Une équipe peut
à elle seule écouler jusqu'à plus d'un kilo par
semaine. Sachant qu'elles sont une demi-douzaine à se partager
activement le marché, cela représente des
quantités considérables. Les Albanais se sentent bien
chez nous. La demande est forte, le milieu est plutôt tranquille
- sans pègre locale comme dans les cités
françaises - et les sanctions n'ont rien de dissuasif. Un
primaire se prend devant le juge une ordonnance de condamnation avec
sursis. S'il récidive dans les jours qui suivent, il se peut
qu'on ne lui casse pas le sursis, car il a deux semaines devant lui
pour faire recours. Deux semaines de travail dans les bois.
Le trafic de drogue est un délit permanent, mais le
plus souvent sans plaignant. Un handicap supplémentaire pour
l'enquêteur?
C'est là toute la difficulté juridique. Un
"tox" peut faire une bonne mise en cause: il reconnaît son
vendeur, à 20 reprises il lui a acheté 5 g. Son
témoignage doit être confirmé devant le juge, en
audience contradictoire. Si le toxicomane renonce à se
présenter, l'audition de police est pour ainsi dire caduque. On
en revient toujours au même constat: l'arsenal judiciaire existe,
les mesures de contraintes, en revanche, sont insuffisamment
appliquées. Si l'on pouvait infliger à nos clients
récurrents une peine de base de trois à six mois, puis
une période réelle de détention administrative,
dans le but qu'ils préparent leur départ, on aurait moins
de monde en prison, cela se redirait très vite dans le milieu et
calmerait d'autant les vocations délinquantes.
Des vocations qui sont aussi concernées par le
trafic de cocaïne. Que peut-on en dire?
Elle touche tous les âges, par ses prix
extrêmement compétitifs. De 400 francs la boulette, on est
tombé à 100 francs. La demi-boulette est, pour les jeunes
au petit budget, aussi accessible qu'un sachet d'herbe. Les
réseaux sont bien structurés. L'Afrique de l'Ouest sert
de lieu de passage; les mules, recrutées sur ce continent,
transitent par l'aéroport de Roissy. Des body packers qui
ingurgitent jusqu'à 150 ovules de 10 g chacune. S'y ajoutent
désormais des mules blanches en provenance de l'Europe de l'Est.
Les ressortissants sud-américains, enfin, sont également
sur les rangs. On a démantelé il y a quelque temps une
bande originaire de Saint-Domingue qui s'était mise à
arroser des boîtes hispanophones de la place. Sur les belles
affaires, les saisies réalisées sont similaires, en
quantité, à l'héroïne.
Et les drogues douces, figurent-elles dans vos
priorités répressives?
Il faut arrêter de parler de drogues douces. Cet
imaginaire appartient au passé. Le cannabis actuel "fusille" la
tête des jeunes qui le prennent. Le taux de THC - la substance
intoxicante de la marijuana - prend l'ascenseur. L'herbe suisse est
très réputée. Elle atteint des valeurs bien
au-delà de la norme légale. Des réseaux
organisés assurent la vente de la production locale.
Régulièrement, on démantèle des
laboratoires indoor, montés par des amateurs qui se
professionnalisent en allant sur Internet. Lampes au sodium, pompes
à eau, minuterie. Un gros investissement de départ,
rapidement rentable, pour autant que l'on évite inondation et
départ de feu. Les pompiers, parfois, nous
précèdent.
Où finissent les quantités de drogue saisies?
Elles transitent par le Palais de justice où elles
sont gardées sous scellés jusqu'à ce que l'affaire
soit jugée. Deux fois par année, on les brûle.
Plusieurs heures de manutention sous le contrôle du substitut.
Les jours et heures de convoyage, sous bonne escorte, sont, eux, tenus
secrets!
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Tribune de Genève 19.10.10
Délit de flagrant deal
Créée en 2002, la Task Force Drogue remplit
jour et nuit son rôle de "Voirie des stups" (1/2)
Thierry Mertenat
Créée en 2002, la Task Force Drogue assume
jour et nuit son rôle de voirie des stups.
Octobre indien. Soleil sur les quais. Fin de
matinée. Les "jardineux" sont au travail. Une dizaine entre le
Seujet et le parc de Saint-Jean. Biner les plates-bandes, fouiller les
bosquets, faire le poireau sous les arbres, ils savent. Drôle de
jardinage. Ceux-là ne sont pas salariés des Espaces
verts. Scènes ordinaires de deal au bord du Rhône. Les
enfants sortent de la proche école, les cravatés quittent
le bureau pour aller déjeuner en terrasse.
Que fait la police? Vieille rengaine. La police sue
à grosses gouttes en zone industrielle. Course à pied
collégiale. Préparation pour le prochain marathon de New
York? Pas vraiment. Un autre marathon attend ces joggeurs anonymes.
Leur vestiaire porte une enseigne à trois lettres qui n'a rien
de très sportif: TFD, pour Task Force Drogue. Les
présentations, au sortir de la douche, tiennent en une phrase:
"Nous, on est la Voirie des stups; on nettoie les rues. "
Le "nous" est assis autour de la table à l'heure de
la prise de travail. Dix hommes et une femme. Tous volontaires. "C'est
la plus belle brigade de la PJ", lâche l'un d'eux au moment de
s'équiper. Ses collègues partagent la même
énergie positive. Elle les rend inséparables.
Entraînements, réquisitions et repas en commun. Tous sont
formés à l'école du flagrant délit. C'est,
ici, leur raison d'être flic. Ils opèrent en bande, au
contact permanent du trafiquant et de son client.
Voir sans être vu
Retour sur les quais, en milieu d'après-midi.
Ça travaille dans le parc de Saint-Jean. Mise en place du
dispositif. Surplombant et panoramique. A la Task, on apprend à
regarder la ville sans être vu. L'œil du dispo est, ce
jour-là, féminin. Rien ne lui échappe. Une
transaction se prépare non loin d'un banc public, dans la partie
supérieure du parc. Le matériel embarqué permet de
communiquer en temps réel, de resserrer l'étau, de fermer
les chemins de fuite.
"Flag" en deux étapes. L'acheteur est
intercepté. Fouille corporelle, contrôle
d'identité. Il désigne l'homme qui lui a vendu sa dose.
Amende pour l'un, menottes pour l'autre. Dans sa bouche, cachées
sous la langue, trois boulettes de cocaïne. Il n'a pas eu le temps
de boire la gorgée d'eau destinée à faire
disparaître le produit de sa vente en l'avalant. Le dealer de rue
ne se sépare jamais de sa bouteille de PET. Buveur par
nécessité.
Taiseux par habitude. En salle d'audition, ses mots sont
rares derrière la table scellée. Il connaît le
mobilier. Un récidiviste qui collectionne les contraventions
pour détention de drogue, qui n'a toujours pas compris qu'il est
"interdit de zone". Figaro, dans sa version policière, pointe
les indésirables. "Pour nous, c'est une arme de plus, explique
le chef de brigade, Roger Imboden. Des Eaux-Vives à l'Usine, nos
récurrents se mettent en infraction administrative. Ils les
alignent. S'ils ont des impayées, on peut leur saisir le montant
disponible. L'argent, c'est le nerf de la guerre. Ça leur fait
mal de repartir les poches vides. Ils évitent d'avoir de grosses
sommes sur eux. "
Appât et souricière
La nuit est tombée sur Genève. Elle profite
à tout le monde. A la Task, on préfère
opérer dans l'obscurité. Retarder le moment de "se faire
lever", jouer de l'effet de surprise, "taper" le dealer en meute. C'est
parfois violent aux yeux de l'observateur. "Pour restreindre la
respiration, on applique le tranchant du poignet sur la glotte",
commente le professionnel de l'interpellation, formé aux arts
martiaux. Cette prise technique, entraînée
régulièrement, ne fait pas pour autant de lui un
étrangleur; elle vise à neutraliser le fuyard s'il n'y a
pas d'autre moyen et peut le contraindre à se défaire de
sa marchandise.
Les dealers se délocalisent
Il n'empêche: l'engagement est d'abord physique. Et
usant. "On a l'habitude de se battre, de se tordre dans tous les sens",
résume un inspecteur. Son épaule se souvient: deux
semaines d'arrêt de travail. Le goût du terrain raccourcit
les convalescences. Destination les Pâquis. Les dealers sont chez
eux ("Une vraie colonie de vacances"), leurs contradicteurs
également. Déploiement dans l'ombre. A chacun son
guetteur. Stratégie de l'appât et de la souricière.
Course à pied sans dossard: nouvelles interpellations, nouvelles
auditions, nouvelles saisies. Le prévenu donne une adresse: abri
de la Protection civile sur la Rive droite. Deux inspecteurs se font
désigner le dortoir. Ses affaires sont fouillées. Elles
se montrent moins bavardes que les poubelles du réfectoire. Des
chutes de papier film, des petits parachutes confectionnés pour
accueillir les doses de cocaïne, du cannabis glissé entre
deux pages de journal. A ses heures perdues, entre les rondes d'agents
de sécurité, ce sous-sol sert au conditionnement de la
drogue.
On la retrouve plus tard en sachets d'un demi-gramme
à Plainpalais, pour le prix de deux séances de
cinéma en 3D. Les dealers se délocalisent. De la rue de
Berne à l'avenue du Mail en passant par la place des
Volontaires. La plaine, investie depuis peu, élargit leur
territoire hors de la zone où ils sont interdits.
"Il faudrait se déguiser en crotte de chien pour
les poursuivre", note une jeune gendarme, pas découragée.
"Le deal est un délit continu", renchérit
son supérieur. La Task Force, créée en 2002 sous
l'ère Micheline Spoerri, sert justement à casser cette
dynamique. "Si nous n'étions pas présents sur le terrain,
le trafic prendrait de l'ampleur, les récidivistes seraient
encore plus nombreux", résument, d'une même voix
convaincue, les membres de cette brigade de rue.
A son palmarès, du 1er janvier au
30 septembre de cette année: 944 interpellations
pour 447 arrestations. Sept kilos 600 g d'héroïne, 825 g de
cocaïne, 929 g de marijuana saisis. Nerf de la guerre: 61 000
francs suisses et 25 000 euros en dépôt dans les coffres
du poste de police. Des saisies importantes qui dérangent le
marché. Pour le démanteler, c'est une autre affaire.
Celle de la brigade des stupéfiants. A suivre.
--
Chaque drogue a son ethnie
D'où viennent-ils, ces dealers "harcelés"
quotidiennement par les inspecteurs de la Task? Essentiellement du
continent africain. Les ressortissants de Guinée,
requérants d'asile attribués à différents
cantons alémaniques, parlent français.
L'attractivité de la place genevoise en matière de trafic
de drogue les encourage à faire des allers-retours entre leur
lieu d'attribution et les Pâquis. Dans ce quartier, le trottoir
commun et la langue partagée favorisent l'intégration
éphémère. Les Nigérians, anglophones,
également attribués à d'autres cantons, sont eux
aussi actifs dans le deal, à un niveau supérieur. Ils
approvisionnent les vendeurs de rue en cocaïne et marijuana.
Plutôt costauds, ils n'hésitent pas à prendre la
fuite. La vente du haschisch est l'affaire des Maghrébins. A
chacun son produit et sa zone de travail. Moins respectueux des
règles du milieu, les Zizous, adeptes du vol à la tire et
du brigandage, se montrent beaucoup plus agressifs lors des
interpellations.
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NZZ 19.10.10
Milliarden-Gewinne im Drogenhandel
(afp) · Die Hintermänner der organisierten
Kriminalität verdienen nach Angaben der Uno jedes Jahr rund 115
Milliarden Franken. Den Grossteil davon bringt mit rund 100 Milliarden
der Drogenhandel. Beim Menschenhandel sind es etwa 9 Milliarden. Hinzu
kommen neue Bereiche der Kriminalität wie der illegale Handel mit
Rohstoffen (3,3 Milliarden), die Medikamentenfälschung (1,5
Milliarden) oder die Cyber-Kriminalität (0,9 Milliarden).
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ALKOHOL
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Bund 20.10.10
Im Aperto können Jugendliche keinen Alkohol mehr kaufen
Vor zwei Jahren berichtete der "Bund", dass die damalige
Statthalterin Regula Mader der Aperto-Filiale im Bahnhof Bern für
zwei Monate ein Alkoholverbot auferlegte. Dies wegen Missachtung von
Jugendschutzbestimmungen. Der Fauxpas dürfte mit dazu beigetragen
haben, dass heute die Alimentana als erste Detailhandelskette mit dem
neu geschaffenen Jugendschutzlabel zertifiziert werden kann, wie aus
einer Medienmitteilung des Blauen Kreuz Bern hervorgeht. Die 21
Aperto-Filialen der Alimentana gehen mit gutem Beispiel voran und
verkaufen in der Schweiz keinen Alkohol an Jugendliche unter 18 Jahren
mehr. (pd)
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20 Minuten 20.10.10
Alkohol nur an über 18-Jährige
BERN. Die meist an Bahnhöfen gelegenen Aperto-Shops
erhalten als erste Schweizer Detailhändler das Jugendschutz-Label
vom Blauen Kreuz. Bedingung ist, keinen Alkohol an unter
18-Jährige zu verkaufen - selbst da, wo es vom Gesetz her erlaubt
wäre. Aperto muss sich ausserdem an acht weitere
Anforderungskriterien halten: etwa daran, an regelmässigen
Testkäufen teilzunehmen, das Personal hinsichtlich des
Jugendschutzes zu schulen und keine gekühlten Sixpacks zu
verkaufen, um das Rauschtrinken zu verhindern. "Aperto ist in der
Vergangenheit bei Testkäufen mehrmals negativ aufgefallen",
begründet Violeta Nikolic vom Marketing, "Jugendliche treffen sich
gerade an Bahnhöfen gerne zu Besäufnissen. Darum wollten wir
proaktiv etwas für den Jugendschutz tun." Ausserdem habe das
Personal mit internen Konsequenzen zu rechnen, wenn es sich nicht an
die Regeln halte. sut
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AUSSCHAFFUNGEN
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Bund 22.10.10
Kantone schaffen vermehrt kriminelle Ausländer aus
Die Zahl der jährlichen Ausschaffungen hat sich seit
2004 verdoppelt.
David Schaffner
Mit Ivan S., dem Vergewaltiger, geht die SVP momentan auf
Stimmenfang für ihre Ausschaffungs-Initiative: Anstatt den
Verbrecher wegzuweisen, würden ihn die Kantone sogar noch
einbürgern, suggeriert die Volkspartei in ihrer Kampagne. Ein
neuer Bericht des Forums für Migrationsstudien an der
Universität Neuenburg zeigt allerdings: Schon heute weisen die
Kantone viel konsequenter aus als bisher angenommen.
Anstatt der vermuteten 350 bis 400 Wegweisungen haben die
Kantone im vergangenen Jahr rund 750-mal verfügt, dass ein
straffälliger Ausländer die Schweiz verlassen muss. In den
letzten Jahren gab es geradezu einen Trend zu mehr Wegweisungen: So lag
die Zahl 2004 noch bei 350 und ist seither kontinuierlich angestiegen.
Sowohl Befürworter als auch Gegner der SVP-Initiative
sehen sich durch die neuen Zahlen bestätigt. "Sie zeigen, dass
unsere Gesetze streng sind und schwer kriminelle Ausländer die
Schweiz verlassen müssen", sagt der grüne Nationalrat Jo
Lang. Er stellt sich gegen Initiative und Gegenvorschlag, mit dem
mehrere bürgerliche Parteien und das Parlament das SVP-Anliegen
bekämpfen wollen.
Anderer Meinung ist der Zürcher SVP-Nationalrat Hans
Fehr: "Der Bericht macht klar, dass es ein Ja zu unserer Initiative
braucht." Denn nur mit dem Volksanliegen der SVP würde die Zahl
der weggewiesenen Ausländer im Vergleich zu heute weiter steigen.
Das Bundesamt für Migration geht davon aus, dass eine
Annahme der Initiative zu jährlich ungefähr 1500 Wegweisungen
führen würde. Bei einem Ja zum Gegenvorschlag müssten
rund 750 bis 800 verurteilte Ausländer die Schweiz verlassen.
Diese Zahl entspricht ungefähr der heutigen Praxis. Obwohl der
Gegenvorschlag kaum mehr Wegweisungen zur Folge hätte, halten
seine Befürworter an ihm fest. "Der Gegenvorschlag regelt im
Vergleich zu heute klarer, wann eine straffällige Person das Land
verlassen muss", sagt der Berner CVP-Nationalrat Norbert Hochreutener.
Die Vorgaben seien streng, verstiessen jedoch im Gegensatz zur
Initiative nicht gegen das Völkerrecht, da die Behörden die
Verhältnismässigkeit jeder Wegweisung prüfen
müssten. - Seite 6
--
Kriminelle Ausländer: Zahl der Wegweisungen verdoppelt
Die Kantone verfahren heute viel strenger mit kriminellen
Ausländern als früher. Nur selten sind EU-Bürger, Frauen
und Secondos betroffen.
David Schaffner
Obwohl die Zahl der verurteilen Ausländer kaum
zugenommen hat, haben die Kantone in den letzten Jahren viel mehr
kriminelle Ausländer an die Grenze gestellt als früher.
Während sie im Jahr 2004 noch bei ungefähr 350 Personen eine
Wegweisung verfügten, ist diese Zahl im vergangenen Jahr auf rund
750 gestiegen (siehe Grafik). Dies ergibt ein Bericht des
Schweizerischen Forums für Migrations- und
Bevölkerungsstudien im Auftrag der Eidgenössischen Kommission
für Migrationsfragen (EKM).
Die Ergebnisse des Berichts sind brisant, da das Bundesamt
für Migration die Anzahl der Wegweisungen bisher auf nur die
Hälfte geschätzt hat - auf jährlich 350 bis 400.
Genauere Zahlen lagen deshalb nicht vor, weil die Kantone
unterschiedliche Statistiken führen. Die Umfrage des Forums
für Migrationsstudien bei 20 Kantonen für die Jahre 2008 und
2009 liefert nun erstmals verlässlichere Angaben.
Strenge Romands
Gemäss der Umfrage sind in diesen Kantonen im Jahr
2008 rund 480 ausländische Straffällige mit Aufenthaltsrecht
weggewiesen worden. 2009 waren es 615. Hochgerechnet auf die ganze
Schweiz ergeben sich für das Jahr 2009 mindestens 750 weggewiesene
Personen. Die Zahlen aus den Jahren 2004 und 2007 stammen aus Umfragen
des Kantons Basel-Landschaft respektive der Zeitschrift "L'Hebdo".
Insbesondere die erste Umfrage muss allerdings stark hochgerechnet
werden, da von vielen Kantonen die Angaben fehlen.
Neben der blossen Anzahl der Wegweisungen hat das Forum
untersucht, ob Unterschiede zwischen den Kantonen und verschiedenen
Ausländergruppen bestehen. Es kommt zum Schluss, dass das
Vorurteil falsch sei, dass Welsche und städtische Kantone generell
weniger streng wegweisen würden als Deutschschweizer und
ländliche Kantone. Bei schweren Delikten mit einem
Mindeststrafmass von 24 Monaten würden alle Kantone streng
entscheiden. Bei weniger schweren Delikten hingegen bestünden
Unterschiede in der Praxis. Insgesamt stellt der Bericht aber eine
Tendenz zur Harmonisierung fest.
Grosse Differenzen gibt es bei den betroffenen
Ausländergruppen: Menschen aus der EU oder der Efta sind mit
weniger als 10 Prozent in der Minderheit. Der Anteil der Frauen liegt
ebenfalls unter 10 Prozent. Ausländer, die in der Schweiz auf die
Welt kamen oder mit ihren Eltern eingereist sind, müssen ebenfalls
nur selten das Land verlassen.
Keine Angaben kann die Umfrage darüber machen, wie
viele Wegweisungen tatsächlich vollzogen werden: "Leider waren die
Migrationsämter nicht in der Lage, diese Frage (...)
zuverlässig zu beantworten", steht im Bericht. Die meisten
Betroffenen reisen nicht einfach aus - Beamte müssen sie
ausschaffen.
Für doppeltes Nein
Da die Anzahl der Wegweisungen zunehme und das heutige
Gesetz bereits streng sei, empfiehlt die EKM für die Abstimmung
vom 28. November über die Ausschaffungsinitiative der SVP und den
Gegenvorschlag des Parlaments ein doppeltes Nein. Diese Stellungnahme
ist unüblich, da sich eidgenössische Kommissionen kaum je
gegen den Bundesrat aussprechen, der eine Annahme des Gegenvorschlags
empfiehlt. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sagt dazu: "Ich
habe zur Kenntnis genommen, dass sich die EKM für ein Nein zum
Gegenentwurf ausgesprochen hat. Das Sekretariat der EKM ist
administrativ dem Bundesamt für Migration angegliedert, die
Kommission handelt unabhängig."
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BZ 22.10.10
Ausländerpolitik
Zahl der Ausschaffungen hat rapide zugenommen
Fast doppelt so viele straffällige Ausländer
mussten in der Vergangenheit die Schweiz verlassen, als man bislang
vermutete.
Neue, verblüffende Zahlen in der Diskussion um die
Ausschaffungsinitiative: Gemäss einer Umfrage bei den Kantonen
wurden im Jahr 2008 rund 480 ausländische Straffällige aus
der Schweiz weggewiesen. 2009 waren es schon 750. Das sorgt für
Aufregung. Bisher gab es nämlich nur Schätzungen, und diese
gingen von rund der Hälfte aus, nämlich von jährlich 350
bis 450 Wegweisungen. Für die Veröffentlichung der neuen
Zahlen zu den Ausschaffungen zeigt sich die Eidgenössische
Kommission für Migrationsfragen (EKM) verantwortlich. Die Zahlen
zeigen laut EKM einen deutlichen Trend zu mehr Ausschaffungen, sagte
EKM-Präsident Francis Matthey gestern in Bern. Die Kommission sehe
sich deshalb in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die
bestehenden Gesetzesbestimmungen ausreichten, um kriminelle
Ausländer wegweisen zu können. Deshalb seien weder
Ausschaffungsinitiative noch Gegenvorschlag nötig. Gemäss EKM
gibt es vor allem bei weniger schweren Delikten eine unterschiedliche
Praxis der Kantone. Diese würden sich aber angleichen.
Die Ausschaffungsinitiative könnte gemäss
jüngsten Umfragen ein deutliches Ja erhalten. Auch für den
Gegenvorschlag könnte eine Mehrheit zustande kommen. 61,5 Prozent
der in der vergangenen Woche befragten Personen würden für
das Volksbegehren stimmen, wenn der Urnengang heute wäre. 8
Prozent haben sich noch nicht entschieden. Die Abstimmung findet am 28.
November statt.
pas
Seite 3
--
Kommission für Migrationsfragen
Trend zu mehr Wegweisungen
Im letzten Jahr wurden doppelt so viele straffällige
Ausländer ausgewiesen wie bislang angenommen. Dies zeigt die
Erhebung der Kommission für Migrationsfragen: Es brauche weder
Ausschaffungsinitiative noch Gegenvorschlag.
"Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen Trend zu immer
mehr Wegweisungen", sagte EKM-Präsident Francis Matthey gestern
vor den Medien in Bern. Die Eidgenössische Kommission für
Migrationsfragen sehe sich deshalb in ihrer Einschätzung
bestätigt, dass die bestehenden Gesetzesbestimmungen ausreichten,
um kriminelle Ausländer wegweisen zu können.
750 Wegweisungen 2009
Matthey und die Kommission stützen sich bei dieser
Einschätzung auf eine Umfrage, die das Schweizerische Forum
für Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM) im Auftrag der
EKM durchführte und deren Resultate die EKM gestern
veröffentlichte. An der Umfrage beteiligten sich 20 Kantone.
Gemäss der Umfrage sind in diesen Kantonen im Jahr 2008 rund 480
ausländische Straffällige mit Aufenthaltsrecht weggewiesen
worden. 2009 waren es 615. Hochgerechnet auf die gesamte Schweiz ergibt
das für das Jahr 2009 mindestens 750 weggewiesene Personen.
Bisherige Schätzungen, die etwa der Bundesrat im
Abstimmungskampf gegen die SVP-Initiative ins Feld führt, waren
von jährlich 350 bis 450 Wegweisungen ausgegangen. Diese
Schätzungen stützen sich auf Zahlen aus den Jahren 2004 und
2007.
Im Jahr 2008 hätten gemäss einer Analyse des
Bundesamts für Statistik 1484 ausländische Straftäter
die Kriterien der Ausschaffungsinitiative erfüllt. Rund die
Hälfte (774) hätten weggewiesen werden müssen, wenn der
Gegenvorschlag angewendet worden wäre.
Fast immer weggewiesen
Wie die EKM im Bericht schreibt, unterscheidet sich die
Wegweisungspraxis von Kanton zu Kanton. Es gebe zwar Tendenzen zu einer
Harmonisierung, doch nutzten die Kantone noch immer ihren
Ermessensspielraum.
Die unterschiedliche Praxis zeige sich aber nur bei
Fällen von weniger schweren Straftaten. Bei schweren Straftaten,
etwa Gewaltverbrechen oder Drogenhandel im Kilo-Bereich, würden
Ausländerinnen und Ausländer bereits heute fast immer
weggewiesen.
Die Praxis der Kantone gleiche sich aber auch bei
Wegweisungen für weniger schwere Delikte an, sagte Christine
Achermann, eine der Studien-Autorinnen. Sie gehe davon aus, dass die
Diskussionen der letzten Jahre, u.a. zur Ausschaffungsinitiative, einen
Einfluss auf das Verhalten der Migrationsbehörden gehabt habe.
"Mehr als bedenklich"
Nach Ansicht der EKM ist es nicht gerechtfertigt, auf die
Interessenabwägung zu verzichten, welche heute die
Migrationsämter vornehmen müssen. Der Verzicht auf eine
Einzelfallprüfung sei unverantwortlich, argumentiert die EKM gegen
die von der SVP in der Ausschaffungsinitiative geforderte automatische
Ausschaffung. Rechtsstaatlich sei der Automatismus "mehr als
bedenklich". Ausserdem könne es sich die Schweiz aus
ökonomischen, demografischen und gesellschaftlichen Gründen
nicht leisten, hier ansässige Ausländer strafrechtlich anders
zu behandeln als Schweizer, sagte Matthey.
Wie bereits im letzten Mai kommuniziert, lehnt die EKM
sowohl die SVP-Initiative als auch den Gegenvorschlag ab. Matthey
erachtet es als unproblematisch, dass die Kommission Stellung zu den
beiden Vorlagen bezieht und auch den vom Bundesrat begrüssten
Gegenvorschlag ablehnt. Es sei Aufgabe der EKM, zu Migrationsfragen
Stellung zu nehmen.
sda/pas
--
DIE ABSTIMMUNGSVORLAGEN VOM 28. NOVEMBER IM ÜBERBLICK
Wie sollen kriminelle Ausländer des Landes verwiesen
werden?
Wann wird ein Ausländer ausgeschafft?
Ausschaffungsinitiative SVP
Ausländer, die verurteilt wurden wegen vorsätzlicher
Tötung, einer Vergewaltigung oder eines anderen schweren
Sexualdeliktes, wegen Gewaltdelikten wie Raub, Menschenhandel,
Drogenhandel oder Einbruch.
Bei missbräuchlichem Bezug von Leistungen der
Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe.
Gegenentwurf Parlament
Ausländer, die wegen aller schweren Delikte, für die
mindestens ein Jahr Freiheitsentzug angedroht wird, oder einer anderen
Straftat zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurden
(anders als bei der Initiative sind weitere Delikte wie Betrug oder
schwere Körperverletzung erfasst).
Betrug oder andere Straftat im Bereich von
Sozialhilfe/Sozialversicherungen oder im Bereich der Wirtschaft,
für die es eine Freiheitsstrafe von mindestens 18 Monaten gibt.
Wer innerhalb von zehn Jahren zu mehreren Freiheitsstrafen oder
Geldstrafen von mindestens 720 Tagen oder Tagessätzen verurteilt
worden ist.
Geltendes Recht
Ausländer, die zu einer längerfristigen
Freiheitsstrafe (über ein Jahr) verurteilt wurden, können
weggewiesen werden. Ausweisungen werden in der Praxis in der Regel bei
Freiheitsstrafen ab zwei Jahren ausgesprochen.
Ausländer, die erheblich oder wiederholt gegen die
öffentliche Sicherheit verstossen haben oder diese gefährden,
können auch ohne Verurteilung weggewiesen werden.
Für wie lange wird ein Ausländer ausgeschafft?
Ausschaffungsinitiative SVP
Mindestens fünf bis fünfzehn Jahre, im
Wiederholungsfall zwanzig Jahre.
Gegenentwurf Parlament
In schweren Fällen auf unbefristete Zeit.
Geltendes Recht
Die Wegweisung wird in der Praxis praktisch immer auf
unbestimmte Zeit ausgesprochen. Bei Gründen wie dem Bezug von
Sozialhilfe oder illegalem Aufenthalt gilt die Widerrufung der
Aufenthaltsbewilligung in der Regel für ein bis drei Jahre.
Werden zwingend alle straffällig gewordenen Ausländer
ausgeschafft?
Ausschaffungsinitiative SVP
Ja. Bei anerkannten Flüchtlingen gilt jedoch das Prinzip
der Nichtrückschiebung (Non-Refoulement). Die Initianten
argumentieren mit Bezug auf Artikel 33 der Flüchtlingskonvention,
dieser Schutz gelte nicht absolut. Stelle ein Flüchtling eine
Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltsstaates dar, könne
der Staat nicht gezwungen werden, dem Ausländer weiterhin
Aufenthalt zu gewähren.
Gegenentwurf Parlament
Nein. Die Behörden sind dazu verpflichtet, weiterhin den
verfassungsmässigen Grundsatz der Verhältnismässigkeit
zu prüfen und die Grund- und Menschenrechte zu
berücksichtigen. Gemäss Angaben des Bundesamtes für
Migration legt der Gegenentwurf die Nichtrückschiebung im
Gegensatz zu den Initianten absolut aus - mit Verweis auf Artikel 3 der
Europäischen Menschenrechtskonvention (niemand darf der Folter
oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung
unterworfen werden).
Geltendes Recht
Nein. Grundsätzlich wird geprüft, wie stark der
straffällig gewordene Ausländer in der Schweiz verankert ist
und wie gross die öffentliche Sicherheit in der Schweiz
gefährdet ist, wenn die betreffende Person bleibt.
Welches sind die wichtigsten Argumente der jeweiligen
Befürworter?
Ausschaffungsinitiative SVP
Die geltende Praxis ist zu lasch und muss verschärft
werden. Liegt eines der genannten Delikte vor, muss die Wegweisung
automatisch vollzogen werden - ohne weitere Prüfung der jeweiligen
Umstände.
Gegenentwurf Parlament
Die Stossrichtung der Initiative ist richtig,
berücksichtigt aber nicht alle schweren Delikte. Ausschaffungen
müssen weiterhin auf ihre Verhältnismässigkeit
überprüft werden. Der Gegenvorschlag enthält
Bestimmungen zur Integration.
Geltendes Recht
Bereits heute sind gemäss Gesetz ausländerrechtliche
Wegweisungen möglich und werden regelmässig vollzogen. Die
Bundesverfassung enthält bereits heute Bestimmungen zur
Integration.
---
Basler Zeitung 22.10.10
Brisante Zahlen zu Wegweisungen
Kommission für Migrationsfragen schaltet sich in den
Abstimmungskampf um die SVP-Initiative ein
Stefan Boss
Die Kantone haben in den letzten beiden Jahren bei der
Ausweisung von kriminellen Ausländern die Schraube angezogen. Zu
diesem Schluss kommt eine Studie der Eidgenössischen Kommission
für Migrationsfragen unter Ex-Nationalrat Francis Matthey.
Wie bei vielen Abstimmungen dreht sich die
Auseinandersetzung auch bei der Ausschaffungsinitiative der SVP um
Zahlen. Das Bundesamt für Migration geht davon aus, dass bei einer
Annahme der Volksinitiative rund 1500 Wegweisungen verfügt
würden, beim Gegenvorschlag rund 800. Keine aktuellen Zahlen gab
es bisher darüber, wie viele Ausländer schon bisher infolge
Straffälligkeit ausgewiesen wurden. Die Eidgenössische
Kommission für Migrationsfragen, eine ausserparlamentarische
Kommission (vgl. Text unten links), hat dies nun gestern nachgeholt.
Kommissionspräsident Francis Matthey betonte
zunächst, dass die SVP-Initiative eigentlich
"Wegweisungsinitiative" heissen müsste. Im Fokus stehen
nämlich Ausländer, die legalen Wohnsitz in der Schweiz haben
und infolge Straffälligkeit weggewiesen werden. Von einer
Ausschaffung spricht man erst, wenn die Betroffenen nicht freiwillig
ausreisen.
KEIN VOLLZUGSPROBLEM. Die Studie kommt dabei zu folgenden
Ergebnissen:
> In den letzten Jahren ist die Zahl der weggewiesenen
Ausländer infolge Straffälligkeit stark angestiegen.
Während man für das Jahr 2007 von 350 bis 450 Wegweisungen
ausging, stiegen diese 2008 auf 615 und 2009 auf mindestens 750
Personen. Damit ist man bereits nahe bei der vom BFM genannten Zahl von
800 nach Annahme des Gegenvorschlags.
> Die meisten Weggewiesenen verlassen das Land. Die
Studie kommt zum Schluss, dass bei den aufenthaltsberechtigten
Ausländern nur zehn Prozent der Wegweisungsverfügungen nicht
vollzogen werden können.
Ausgearbeitet hat die Studie das Schweizerische Forum
für Migrations- und Bevölkerungsstudien der Universität
Neuenburg. Da die Autorinnen nicht auf bereits vorhandenes
Datenmaterial zurückgreifen konnten, machten sie eine Umfrage
unter allen Kantonen. 20 Kantone machten mit, bei den restlichen
stützte sich die Studie auf Schätzungen. Die Zahlen
können also als verlässlich gelten.
"Die gesetzlichen Grundlagen reichen aus, damit kriminelle
Ausländerinnen und Ausländer weggewiesen werden können",
zog Kommissionspräsident Francis Matthey Bilanz. Die Kantone
hätten zwar einen gewissen Ermessensspielraum, dies sei aber in
der föderalistischen Schweiz nicht weiter erstaunlich. Keine
grossen Differenzen haben die Studienautorinnen zwischen der deutschen
Schweiz und der Romandie oder zwischen Stadt und Land entdeckt. Die
Unterschiede zwischen den Kantonen bei den Wegweisungen erklärten
sich in erster Linie durch die unterschiedliche Beurteilung der
Verhältnismässigkeit einer Wegweisung.
Kommissionspräsident Matthey wandte sich gestern
gegen die SVP-Initiative. "Sie würde dazu führen, dass
vermehrt Secondos ausgeschafft werden." Bei dieser Personengruppe waren
die Behörden bisher zurückhaltender mit Wegweisungen. Auch
gab er zu bedenken, dass die Ausschaffungsinitiative mit dem Abkommen
über die Personenfreizügigkeit der EU kollidiert (BaZ vom
Mittwoch).
KEINE TAKTISCHEN SPIELE. Die Kommission für
Migrationsfragen empfiehlt nicht nur die SVP-Initiative, sondern auch
den Gegenvorschlag zur Ablehnung. Seine Kommission sei ein fachliches,
kein politisches Gremium, begründete Matthey am Donnerstag in Bern
das Nein zum Gegenentwurf. "Eine solche Regelung gehört nicht in
die Bundesverfassung", erklärte Mediensprecherin Elsbeth Steiner
die Position der Kommission. Aus taktischen Gründen ein Ja zum
Gegenvorschlag zu empfehlen, um die SVP-Initiative zu bodigen, dies sei
wenn schon Aufgabe der politischen Parteien, betonte Matthey.
--
Die Kommission für Migrationsfragen
Ratgeber für Bundesrat. Die Eidgenössische
Kommission für Migrationsfragen, welche die Studie zu den
Wegweisungen in Auftrag gab, ist eine ausserparlamentarische
Kommission. Sie berät den Bund und die Verwaltung und
veröffentlicht Berichte und Stellungnahmen. Die Kommission ist
unabhängig, ihr Sekretariat ist administrativ aber dem Bundesamt
für Migration angegliedert. Sie entstand 2008 aus dem
Zusammenschluss der früheren Ausländerkommission und der
Kommission für Flüchtlingsfragen. 12 der 30 Mitglieder der
Kommission sind laut dem Präsidenten des Gremiums, dem ehemaligen
Neuenburger SP-Nationalrat und Staatsrat Francis Matthey,
Ausländer. Es gibt daneben in der Schweiz zahlreiche weitere
ausserparlamentarische Kommissionen, eine der bekanntesten ist die
Eidgenössische Kommission gegen Rassismus. Präsident dieser
Kommission ist der Basler Historiker Georg Kreis. sbo
---
admin.ch 21..10.10
Mehr ausländische Straftäter werden weggewiesen
Bern, 21.10.2010 - In den beiden letzten Jahren wurden mehr
straffällige Ausländer und Ausländer weggewiesen als
bisher angenommen. Die Eidgenössische Kommission für
Migrationsfragen EKM hat am 21. Oktober einen Grundlagenbericht zu den
ausländerrechtlichen Folgen der Straffälligkeit vorgelegt.
Demnach sind 2008 ca. 615 und 2009 ca. 750 Ausländerinnen und
Ausländer, die ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz hatten,
weggewiesen worden. Die EKM gibt im Übrigen zu bedenken, dass die
Ausschaffungsinitiative nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen in
Einklang gebracht werden kann.
Sie heisst zwar Ausschaffungsinitiative, aber in Wirklichkeit
geht es in der Initiative, über die am 28. November abgestimmt
wird, um die Wegweisung von ausländischen Personen, welche vor
ihrer Verurteilung legalen Wohnsitz in der Schweiz hatten. Ein Teil von
ihnen reist nach Verbüssung der Strafe freiwillig aus, andere
werden ausgeschafft. Die grosse Mehrheit der Ausschaffungen (mehrere
Tausend jährlich) hingegen betrifft abgewiesene Asylsuchende und
Personen, welche kein Aufenthaltsrecht in der Schweiz hatten. Der vom
Schweizerischen Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien
(SFM) erarbeitete Grundlagenbericht schafft unter anderem Klarheit bei
Begriffen und zeigt detailliert die Verfahren auf. Auf das grösste
Interesse aber dürften die Ergebnisse der Umfrage bei den Kantonen
nach den Zahlen von Wegweisungen stossen. Erfreulicherweise
füllten 20 kantonale Migrationsbehörden im Sommer dieses
Jahres den vom SFM verschickten Fragebogen aus. Da in diesen Kantonen
rund 75 Prozent der ausländischen Bevölkerung leben, sind die
Resultate aussagekräftig und können auf die ganze Schweiz
hochgerechnet werden. Wenn man noch die Resultate von früheren
Umfragen bzw. Schätzungen dazu nimmt (2004: ca. 350, 2007:
350-450), zeigt sich ein Trend hin zu immer mehr Wegweisungen. Die EKM
sieht dies als Bestätigung ihrer bereits 2008 geäusserten
Einschätzung, dass die bestehenden Gesetzesbestimmungen
ausreichend sind, um kriminelle Ausländer wegweisen zu können.
Der Grundlagenbericht zeigt laut EKM-Präsident Francis
Matthey auch klar auf, dass es im Falle einer Annahme der Initiative
wohl zu Schwierigkeiten mit der Europäischen Union käme. Das
Freizügigkeitsabkommen erlaubt eine Wegweisung nur bei
gegenwärtiger und erheblicher Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Eine Verfassungsbestimmung,
welche zwingend die Wegweisung auch bei weniger schweren Delikten
verlangt, kann damit nicht in Einklang gebracht werden.
Unter der aktuellen Gesetzgebung wird in jedem Fall eine
Interessenabwägung vorgenommen. Was wiegt schwerer: das Interesse
des Landes auf Wegweisung oder das Interesse der betroffenen Person auf
einen Verbleib in der Schweiz? Ein Secondo beispielsweise, der in der
Schweiz aufgewachsen ist, erhält in vielen Kantonen eine zweite
Chance, wenn seine Tat nicht schwerwiegend ist. Nach dem Automatismus
der Initiative müsste er genauso weggewiesen werden wie der
"Kriminaltourist". Der EKM erscheint es nicht gerechfertigt, auf die
Interessenabwägung zu verzichten.
Der von der EKM in Auftrag gegebene Bericht zur aktuellen Praxis
der Wegweisungen zeigt auf, dass die Kantone den Ermessensspielraum,
den ihnen das Ausländerrecht gibt, unterschiedlich nutzen. Dies,
so gibt die EKM zu bedenken, dürfte aber niemanden
überraschen, denn es ergebe sich aus dem föderalen System.
Zudem gebe es klare Tendenzen für eine weitere Harmonisierung. Und
schon jetzt würden die Kantone bei Gewalt- und anderen schweren
Verbrechen fast immer eine Wegweisung verfügen. Die
unterschiedliche Praxis zeige sich nur bei Personen, welche wegen
weniger schweren Straftaten verurteilt werden.
Die EKM hat sich bereits an ihrer Sitzung im Mai mit klarer
Mehrheit für zwei Nein ausgesprochen.
Adresse für Rückfragen:
Weitere Auskünfte:
Elsbeth Steiner, Informationsverantwortliche EKM
031 324 52 61, 079 292 34 79, elsbeth.steiner@bfm.admin.ch
--
Kurzbericht zu Wegweisungen
http://www.ekm.admin.ch/de/dokumentation/doku/kurzbericht_wegweisung_d.pdf
Ausführlicher Bericht: Wegweisen. Ausschaffen
http://www.ekm.admin.ch/de/dokumentation/doku/wegweisen_presserohstoff.pdf
---
WoZ 21.10.10
Fremdenfeindliche Tradition
Wer einmal strauchelt, wird ausgewiesen
Seit über zwei Jahrzehnten jagt eine
ausländerfeindliche Kampagne die andere. Die Ausschaffungs
initiative und der Gegenvorschlag führen die diskriminierende
Linie weiter. Der damit verbundene Verlust von Grundwerten betrifft uns
alle.
Von Anni Lanz
Als wir uns das letzte Mal sahen, berichtete Sami von den
neus ten Entwicklungen in nordafrikanischen Ländern, die auf Druck
von EU-Staaten Lager für MigrantInnen eingerichtet haben, um diese
an der Reise nach Europa zu hindern. Ich sagte: "Es ist ein Krieg gegen
Sans-Papiers." Sami, seit vielen Jahren ein in der Schweiz
Illegalisierter, korrigierte: "Ein Krieg gegen die Armen."
Wann immer die SVP einen neuen Vorschlag zur Ausgrenzung
von AusländerInnen macht, ist ihr breite Zustimmung gewiss.
Bereits Mitte der achtziger Jahre lancierten SVP und "Blick"
Skandalgeschichten zur "Asylantenkriminalität". Anfang der
neunziger Jahre, im Vorfeld von National- und Ständeratswahlen,
wurde das Thema erneut hochgekocht. Nicht nur SVP-PolitikerInnen und
Rechtsbürgerliche forderten die sofortige Ausschaffung aller
straffälligen Asylsuchenden. Der Bundesrat präsentierte
unverzüglich Zwangsmassnahmen zur Bekämpfung der
"drogendealenden Asylanten", die am 4. Dezember 1994 mit 73 Prozent der
Stimmen angenommen wurden. Die Begriffe "Missbrauch" und
"Kriminalität" wurden konsequent mit "Asylanten" oder
"Ausländern" verknüpft. Steile Kurven in
Kriminalitätsstatistiken von Asylsuchenden sollten schon vor
zwanzig Jahren den bevorstehenden Untergang im gewalttätigen Chaos
belegen.
Pauschale Vorurteile
Mit ähnlicher Angstmache wurde im vergangenen
Jahrzehnt für die rechtsbürgerliche Initiative zur Begrenzung
des Ausländeranteils auf achtzehn Prozent (2000), die
SVP-Initiative "gegen den Asylmissbrauch" (2002) und die
SVP-Einbürgerungsinitiative (2004) gekämpft. Diese Vorlagen
wurden allesamt noch knapp verworfen. Mit der Abstimmung über das
Minarettverbot (2009) haben sich die Mehrheitsverhältnisse
gewendet. Parallel dazu ist das Asylgesetz zwischen 1986 und 2006
fünf Mal verschärft und das Ausländergesetz 2006 total
revidiert worden. Die Kampagnen wurden von rechtsbürgerlichen
Kreisen immer genutzt, um das Konstrukt des "bedrohlichen
Ausländers" zu verfestigen.
Issa im Ausschaffungsgefängnis versicherte mir,
unsere Gerechtigkeitsliebe für die Unterdrückten sei nicht
vergebens. Weniger ermutigend kommentierte Sami meine Befürchtung,
dass die Hasskampagnen gegen AusländerInnen längerfristig auf
die Beseitigung der Menschenrechte zielten. "Das ist euer Problem. Die
Entwicklung ist für euch EuropäerInnen gefährlich."
Richtig. Der allmähliche Verlust von Grundwerten ist unser
Problem, obwohl er vordergründig und in der migra tionspolitischen
Arena bloss die "anderen" trifft.
Wie überall werden in der Schweiz seit Jahrhunderten
mit pauschalen Zuschreibungen bestimmte Bevölkerungsgruppen
ausgegrenzt. Solche Stereotypen sind Projektionen, die das Eigene vom
Fremden abgrenzen sollen: ein Grundmus ter aller Nationalismen und
Rassismen. Ohne die Konstruktion eines bedrohlichen Fremden kann die
Vorstellung eines bedrohten, homogenen Volkes nicht überleben.
Seit der Annahme der Minarettverbotsinitiative machen
islamische Herkunftsländer bei Zwangsausschaffungen ihrer
Staatsangehörigen aus der Schweiz kaum mehr mit. Nachdem der Chef
eines Bundesamts asylsuchende Nigerianer pauschal als Drogendealer
bezeichnet hatte, war auch die Bereitschaft Nigerias zur
Rückübernahme - zumindest vorübergehend - merklich
abgekühlt. Im Basler Ausschaffungsgefängnis, das ich
regelmässig besuche, kommt es deshalb nur noch selten zu
Zwangsausschaffungen. Insbesondere für Personen, die in der
Schweiz aufgewachsen sind und denen die Aufenthaltsbewilligung entzogen
worden ist, bieten Botschaften kaum Hand für eine
Rückübernahme, auch wenn alte Dokumente das Herkunftsland
belegen.
Darüber ist in den Erfolgsbilanzen der Schweizer
Behörden zu Ausschaffungen nur wenig zu vernehmen. So schenkt die
im Mai 2010 erschienene Analyse zum "Langzeitbezug von Nothilfe durch
weggewiesene Asylsuchende" den Herkunftsländern kaum Beachtung und
untersucht - wie in der Schweizer Migrationspolitik üblich - bloss
einheimische Faktoren. Kurz zusammengefasst: Es brauche noch mehr
polizeiliche Kontrollen und Repression. Einem "effizienten
Wegweisungsvollzug" stehe aber, so die Studie, das
"zivilgesellschaftliche Engagement in Form von politischen Protesten"
im Weg. Da gebe es "Organisationen, Netzwerke, aber auch Teile der
Bevölkerung und Privatpersonen, die sich für weggewiesene
Asylsuchende einsetzen".
Wenn der winzigen Minderheit der Hilfe leistenden
Basisgrüppchen so viel Effizienz zugesprochen wird, so darf dies
nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die
AusschaffungspolitikerInnen und ihre Gefolgschaft sind, die mehr
Ausschaffung en verhindern: Die mit negativen Vorurteilen unterlegte
Abschreckungspolitik strahlt über die EU-Grenzen hinaus und
schreckt auch jene Regierungen ab, auf deren Mitarbeit die offizielle
Schweiz angewiesen ist.
Das kleinere Übel?
Heute wird die Zahl der Widerrufe von
Aufenthaltsbewilligungen aufgrund eines Delikts der Asylsuchenden auf
350 bis 400 pro Jahr geschätzt. Das ist bereits erschreckend viel.
Gemäss einer Statistik über Strafurteile im Jahr 2008
würde diese Zahl bei Annahme des Gegenvorschlags zur
Ausschaffungsinitiative ungefähr verdoppelt, mit der Initiative
vervierfacht. Der Gegenvorschlag wäre, so argumentieren linke
BefürworterInnen, das kleinere Übel.
Diese Linken beteuern stets, das im Gegenvorschlag
angeführte Verhältnismässigkeitsprinzip werde
unmenschliche Ausweisungen verhindern. Damit müsste die Zahl der
Ausweisungen aber markant unter jener der Verurteilungen liegen.
Andererseits lässt sich die Zahl der Widerrufe kaum
abschätzen, wenn künftig Ausweisungen auch bei Kleinstrafen
möglich sind, die sich innerhalb von zehn Jahren auf 720
Tagessätze summieren. Doch ganz abgesehen von solchen Zahlen:
Dürfen wir das Grundprinzip der Rechtsgleichheit und des
Diskriminierungsverbots fallen lassen und einer Verdoppelung von
diskriminierenden Doppelstrafen zustimmen, um eine Vervierfachung zu
verhindern?
Die heutige Situation ist unerträglich genug: Sali,
ein mit einer Niederlassungsbewilligung hier aufgewachsener Bosnier,
ist mit einer Schweizerin liiert. Vor Jahren randalierte er mit einer
Jugendbande. In der Strafhaft ist er resozialisiert worden. Heute kann
er seine jugendlichen Missetaten nicht mehr verstehen. Doch für
AusländerInnen gibt es keine Wiedergutmachung. Wer einmal
strauchelt, wird ausgewiesen. Ich treffe den etwa 23-Jährigen in
der Ausschaffungshaft. Er fürchtet sich vor der Abschiebung in ein
ihm fremdes Land und vor der Trennung von Partnerin, FreundInnen,
Eltern und Geschwistern. Hätte er mit seiner Partnerin ein Kind,
würde er auch von diesem getrennt. Die Einreisesperre erlaubt
über viele Jahre kein Wiedersehen in der Schweiz.
Schon lange werden Aufenthaltsbewilligungen nach einer
Straffälligkeit entzogen, und dies seit dem neuen
Ausländergesetz (2008) verstärkt. Dabei wird allerdings -
anders als in Initiative und Gegenvorschlag - berücksichtigt, ob
jemand eine Niederlassungs- oder bloss eine
Jahresaufenthaltsbewilligung hat.
Die tabuisierte Angst
Für eine Mehrheit der Bevölkerung spielt der
Inhalt von Ausländervorlagen eine geringe Rolle. Aus der
politischen Arbeit auf der Strasse weiss ich, dass sich die Meinung
jeweils auf das "Für-oder-gegen-MigrantInnen" reduziert. Die
Abgrenzung einer Wir-Gruppe gegenüber als bedrohlich oder
minderwertig empfundenen Aussenstehenden ist ein sozialpsychologisches
Muster. Sie als menschliche Konstante zu begreifen, läuft jedoch
auf einen fatalen Determinismus hinaus. Menschen verfügen auch
über Freude am Neuen und am Entdecken. Es ist diese Veranlagung,
die es zu stärken gilt.
Doch es gibt auch andere Gründe für
Fremdenangst. Issa reflektiert seine letzte Gerichtsverhandlung so:
"Ist es die Angst davor, dass sie zu Hilfe kommen müssten - worauf
basieren ihre Verurteilungen? Vielleicht ist es nur die Angst davor,
etwas zu geben, ohne etwas zurückzubekommen. Weil sie die Armut
fürchten."
Migration ist meist eine Form von Widerstand der Armen
gegen die ungerechte Ressourcenverteilung: ein grundsätzlicherer
Widerstand, als ihn SchweizerInnen gemeinhin zu akzep tieren bereit
sind. Die Auswandernden leisten Widerstand gegen die in reichen
Ländern vorherrschende Ansicht, dass sich an der ungleichen
Verteilung der Ressourcen in der Welt nichts ändern lässt.
Sie rütteln an unseren engen Gerechtigkeits vorstellungen und
Wohlstandsansprüchen und rufen Angst um die Wahrung des
Besitzstandes hervor. Diese Ängste sollen keineswegs tabuisiert
werden. Im Gegenteil: Die Frage nach der globalen Ressourcenverteilung
bildet den Kern der Migrationsproblematik, nicht die
"Ausländerkriminalität". Man ist nicht nur gegen die Armut,
sondern auch gegen die Armen. Dabei wird der Wohlstandsverlust in
erster Linie von skrupellosen Reichen - Nahrungsmittel- und
anderen Börsenspekulanten, Geldwäschern,
Steuerhinterziehern und Finanzjongleuren - verursacht, die kaum je
belangt werden.
Man muss sich mit der von den MigrantInnen aufgeworfenen
Frage gründlich auseinandersetzen und entscheiden, auf welche
Seite man sich im Krieg gegen die Armen stellt. Dieser Krieg, in den
wir alle verwickelt sind, der aber durch Gefängnismauern,
Sonderregimes und Auslagerungen unseren Blicken entzogen wird, verletzt
zwangsläufig die Menschenrechte und negiert die Menschenwürde
und Gleichwertigkeit der Menschen. Die Beseitigung menschenrechtlicher
Verpflichtungen, wie sie die SVP längerfristig anstrebt,
untergräbt jeden Widerstand gegen Macht- und
Besitzverhältnisse.
Moses bemerkt, dass die SchweizerInnen die Schwarzen nicht
mögen, aber es stehe ihm nicht zu, ein fremdes Land zu
kritisieren. Er versuche jeweils, sich an dem Ort, wo er sich befinde,
zu Hause zu fühlen. Das mache er auch im
Ausschaffungsgefängnis. Ich erteile ihm Sprachunterricht und
schleppe englischsprachige Literatur an. Wissen sei eine Ressource, die
ihm niemand wegnehmen könne, sagt er. Sie hilft ihm, dem
bedrückenden Leben eines illegalisierten Migranten gewachsen zu
sein.
Anni Lanz
--
Beizerin, Soziologin, Feministin. Seit 25 Jahren in der
Asyl bewegung engagiert. Ehemalige Sekretärin von
Solidarité sans frontières. Erhielt 2004 die
Ehrendoktorwürde der juristischen Fakultät der
Universität Basel, weil sie "als Vertreterin der Zivilgesellschaft
zur Wirksamkeit der international garantierten Menschenrechte in der
Schweiz" beitrage.
Anni Lanz hat zum Thema neben vielen Artikeln ein Buch
veröffentlicht. Anni Lanz / Manfred Züfle: "Die Fremdmacher.
Widerstand gegen die schweizerische Asyl- und Migrationspolitik".
Edition 8. Zürich 2006. 144 Seiten. 22 Franken.
Ohne Schweizer Pass gibt es keine Gerechtigkeit - Die
Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz schreibt über den Krieg der
reichen Schweiz gegen die Armen dieser Welt, Heiner Busch
schildert die Situation in den Nachbarländern, Filmemacher Micha
Lewinsky erklärt sein neu gefundenes Engagement: Drei
Beiträge zur Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative der
SVP und den Gegenvorschlag.
--
Die "Kriminellen"
"Ausländer raus" als herrschende Politik in Europa
Ein Blick in die Nachbarländer beweist: Bei der
Kriminalisierung von ImmigrantInnen zeigt sich die Schweiz sehr
europäisch.
Von Heiner Busch
"Wir dürfen nicht so zaghaft sein mit ertappten
ausländischen Straftätern. Wer unser Gastrecht missbraucht,
für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell." Das Zitat
stammt nicht aus einem SVP-Argumentarium und auch nicht von
FDP-Nationalrat Philipp Müller, der als "Migrationsexperte" seiner
Partei für den Gegenvorschlag weibelt und dabei regelmässig
die "Gastrecht"-Floskel im Munde führt. Die markigen Worte waren
vielmehr Teil eines Interviews, das Gerhard Schröder im Juli 1997
der "Bild-Zeitung" gab, ein Jahr bevor er an der Spitze einer
rot-grünen Koalition Bundeskanzler wurde. Die Drohung richtete
sich gegen KurdInnen, die sich Mitte der neunziger Jahre mit militanten
Demonstrationen gegen das Verbot der PKK wehrten. Im Oktober 1997
verschärfte der Bundestag das Ausländerrecht: Eine
Verurteilung wegen Landfriedensbruchs führt seitdem zu einer
"zwingenden Ausweisung".
"Stärke" wollen nicht nur die Rechtspopulisten
demonstrieren
Quer durch Europa sind Feinderklärungen gegen
"kriminelle" oder "nicht integrierte" AusländerInnen seit Jahren
an der Tagesordnung. Sie kommen nicht nur von den Rechtspopulist Innen,
die in vielen EU-Staaten an Terrain gewinnen, sondern auch aus den
etablierten konservativen und sozialdemokratischen Parteien, die sich
von der Demonstration der Stärke gegen Schwache ein Plus im
Wahlkampf versprechen. Letztes Beispiel: Frankreichs
Staatspräsident Nicolas Sarkozy, dessen Popularität
angesichts seiner neoliberalen Rentenreform sinkt und der Ende Juli in
Grenoble einen "Krieg gegen diese Drogenhändler und Delinquenten"
- im Klartext: gegen Roma und jugendliche ImmigrantInnen - ausrief. In
Windeseile tischte die Regierung einen Gesetzentwurf auf, der unter
anderem den Entzug der Staatsbürgerschaft ermöglichen soll,
wenn die Betroffenen wegen eines gewalttätigen Angriffs auf einen
Vertreter der Staatsgewalt verurteilt wurden.
"In Italien hat die Hetze gegen MigrantInnen und Roma
nicht erst unter Berlusconi und seinem Innenminister Maroni von der
Lega Nord begonnen, sondern schon unter der Mitte-links-Regierung
Romano Prodi", berichtet der Genueser Sozio loge Salvatore Palidda.
Nach dem Überfall auf eine Italienerin habe der damalige
Bürgermeister von Rom und Chef der Demokratischen Partei, Walter
Veltroni, die rumänischen Roma generell zum Sicherheitsrisiko
erklärt. Razzien in Roma-Lagern und Massenausschaffungen waren die
Folge.
In Österreich haben es die Freiheitlichen und das bis
zu seinem Tod vor zwei Jahren von Jörg Haider angeführte
Bündnis Zukunft Österreich vor allem auf "kriminelle
Asylbewerber" abgesehen. Die regierenden SozialdemokratInnen und Kon
servativen haben dem kaum etwas entgegenzusetzen. "Wir haben in den
nächsten drei Jahren keine Wahlen. Das ist richtig erholsam", sagt
Herbert Langthaler von der Asylkoordination Wien.
Doppelbestrafung ist rechtlich verankert
Der Krieg gegen "kriminelle Ausländer" wird nicht nur
ideologisch geführt. In allen EU-Staaten ist die Doppelbestrafung
für AusländerInnen durch Haft und Ausschaffung auch im Recht
verankert: In Italien wird die Ausweisung als Zusatzstrafe durch das
jeweilige Strafgericht selbst verhängt. Die "double peine" war in
Frankreich seit 1945 möglich. Nach einer langen Kampagne von
linken und Menschrechtsorganisationen verabschiedete das Parlament 2004
eine Einschränkung, die bestimmte Gruppen vor der Ausweisung
schützt: in Frankreich Geborene und ImmigrantInnen, die vor dem
13. Lebensjahr eingereist sind, sowie Personen, die seit über
zwanzig Jahren im Land leben, mit einer Französin oder einem
Franzosen verheiratet oder Eltern von französischen Kindern sind.
Das deutsche Aufenthaltsgesetz sieht die "zwingende
Ausweisung" zum einen bei Strafen von mehr als drei Jahren, zum anderen
bei Verurteilungen wegen Betäubungsmitteldelikten,
Landfriedensbruch oder Einschleusung von AusländerInnen vor.
"Regelausweisungen" sind auch ohne Verurteilung möglich, zum
Beispiel "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass die
Betroffenen einer terroristischen Vereinigung an gehören oder
diese unterstützen. "Damit ihnen ja nichts entgeht, werden die
Ausländerbehörden sowohl bei der Einleitung eines
Strafverfahrens als auch beim Abschluss informiert", erklärt die
Berliner Rechtsanwältin Anja Lederer. Auch in Deutschland gibt es
für bestimmte Gruppen einen "besonderen Ausweisungsschutz", der
aber nicht lückenlos ist, sondern vom Ermessen der Behörden
abhängt. Lederer: "Je länger die Leute hier sind, desto
besser sind sie geschützt."
Eines ist in allen EU-Staaten klar: BürgerInnen
anderer Mitgliedstaaten sind von der Drohung gegen die "kriminellen
Ausländer" weitgehend verschont. Für sie gilt die
Freizügigkeit - die lässt nach der Rechtsprechung des
EU-Gerichtshofs eine Ausweisung nur dann zu, wenn von den Betroffenen
nach Verbüssung der Haft immer noch "erhebliche Straftaten" zu
erwarten wären. Die Schweiz ist durch das
Freizügigkeitsabkommen mit der EU schon heute an diese Regel
gebunden. Dar an wird weder die Ausschaffungsinitiative der SVP noch
der Pseudogegenvorschlag etwas ändern. Was bleibt, ist eine
Justiz, die für InländerInnen, EU-BürgerInnen und die
"wirklichen" AusländerInnen unterschiedliche Standards
bereithält - eine Dreiklassenjustiz mit Verfassungsrang.
Ohne Schweizer Pass gibt es keine Gerechtigkeit - Die
Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz schreibt über den Krieg der
reichen Schweiz gegen die Armen dieser Welt, Heiner Busch
schildert die Situation in den Nachbarländern, Filmemacher Micha
Lewinsky erklärt sein neu gefundenes Engagement: Drei
Beiträge zur Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative der
SVP und den Gegenvorschlag.
--
"Vor die Tür"
"Ich bekomme Bauchweh, wenn ich Unrecht empfinde."
Micha Lewinsky engagiert sich als Filmemacher gegen die
SVP-Ausschaffungsinitiative und auch den Gegenvorschlag. Die WOZ sprach
mit ihm über Motivation, Gratisarbeit und Sympathien.
Interview: Jan Jirát
Der Drehbuchautor und Filmregisseur Micha Lewinsky ist vor
allem bekannt durch seine beiden jüngsten Regiearbeiten "Der
Freund" (2008) und "Die Standesbeamtin" (2009). Anfang Oktober ist auf
Facebook ein kurzer Trailer aufgetaucht, der einen neuen Film des
38-jährigen Zürchers ankündigt: "Vor die Tür!"
heisst der Titel, Hanspeter Müller-Drossaart spielt mit. Mehr gibt
der Trailer nicht preis.
In seinem Atelier im Zürcher Kreis 4 hat Lewinsky der
WOZ "Vor die Tür!" gezeigt - ein Film im Wortsinn ist es nicht. Es
handelt sich vielmehr um drei einminütige Spots. Schauplatz ist
jeweils ein Klassenzimmer, in dem SchülerInnen ein Diktat
schreiben, "Frère Jacques" singen und dem Lehrer
(Müller-Drossaart) Fragen stellen. Die Botschaft am Ende der Spots
aber ist die gleiche: Nein zur Ausschaffungsinitiative der SVP, Nein
zum Gegenvorschlag!
WOZ: Herr Lewinsky, Sie sind bisher nicht als politischer
Filmemacher aufgefallen. Wie kommt es zu Ihrem plötzlichen
politischen Engagement?
Micha Lewinsky: Ich habe mir selbst zwischendurch immer
wieder vorgeworfen, dass meine Filme nicht politisch sind. Es gab in
der Vergangenheit Projekte in diese Richtung, aber sie sind
gescheitert. Es ist schon schwierig genug, überhaupt einen Film zu
drehen, mit dem ich zufrieden bin. Nach der Minarettverbotsinitiative
hatte ich allerdings das Gefühl, jetzt müsse ich etwas
unternehmen. Es war mir sehr peinlich, dass die Initiative so locker
durchgekommen ist - und ich persönlich nichts dagegen unternommen
habe.
Es war also eine innere Notwendigkeit, die Sie dazu
gebracht hat, die drei Spots zu drehen?
Ja. Es hat mich beelendet, zu sehen, wie die SVP mit einer
populistischen und gezielt fremdenfeindlichen Kampagne durchgekommen
ist, bei der es nicht um die Sache ging, sondern nur darum, die
nächsten Wahlen zu gewinnen und den politischen Gegner zu
diskreditieren. Und wir anderen waren zu wenig wach, um ihnen
entgegenzutreten.
Wie sind die drei Spots entstanden und umgesetzt worden?
Die Drehbücher hat Jann Preuss geschrieben, der auch
sonst mit mir zusammenarbeitet. Er war einer von vielen, die sich ohne
Bezahlung für dieses Projekt eingesetzt haben. Das Schöne
war, dass ich nur sagen musste: Komm, wir machen etwas! Ich musste
niemanden, wirklich niemanden zweimal anfragen. Alle haben gefunden:
Endlich kann man einmal etwas machen. Die Umsetzung der Spots -
Drehbuchbesprechungen, Castings, das Drehen, der Schnitt - hat
über einen Monat in Anspruch genommen. Wären es Werbespots
gewesen, hätte das 120 000 Franken gekostet.
Ist es nicht frustrierend, zu sehen, wie die SVP aus ihrer
millionenschweren Propagandakasse eine gigantische Plakat- und
Inseratekampagne aufziehen kann, während Sie auf Goodwill Ihres
Umfelds angewiesen sind und gratis arbeiten?
Durch dieses Projekt sind mir die Dimensionen erst
wirklich bewusst geworden. Es ist beunruhigend, wie professionell,
hierarchisch und straff die SVP organisiert ist. Die politische Linke
mit ihren oft basisdemokratischen Strukturen ist viel ineffizienter. Es
ist, als ob ein paar wenige Leute mit bestem Wissen und Gewissen und
wenig finanziellen Mitteln gegen einen Berg ankämpfen würden.
Entsteht im Kunstbereich momentan so etwas wie eine
politische Bewegung? Ihr Projekt ist ja auch in Zusammenarbeit mit der
Initiative Kunst+Politik entstanden, durch die sich Künstlerinnen
und Künstler vermehrt politisch engagieren wollen.
Das hoffe ich zumindest. Ich habe aber nicht das
Gefühl, dass die Kunst wie früher einmal ganz konkrete
politische Ziele verfolgt. Das finde ich auch nicht unbedingt
nötig. In der Kunst geht es ja nicht darum, Tagespolitik zu
machen. Aber ich finde es super, wenn immer mehr Leute aus der
Kunstszene die Öffentlichkeit, die sie durch ihre Arbeit erhalten
haben, auch für ihre politischen Ideen und Standpunkte nutzen.
Im Zentrum der Spots steht ein Klassenzimmer. Weshalb
haben Sie gerade diesen Ort für Ihre Botschaft gewählt?
Die Frage von Jann Preuss beim Schreiben war, wie man die
Ungerechtigkeit und Ungleich behandlung, die die Initiative schafft,
einem Kind erklären kann. Möglichst einfach. Daran haben wir
uns gehalten. Jemand wird für das gleiche Vergehen aus dem
Unterricht geworfen, während der andere bleiben darf - nur weil er
einen roten Pass besitzt.
Gerechtigkeit und Ungleichbehandlung sind Ihre beiden
Schlüsselbegriffe.
Ich bin nicht wirklich ein politischer Mensch. Aber
Gerechtigkeit, das war mir immer sehr wichtig. Ich bekomme Bauchweh,
wenn ich etwas als ungerecht empfinde.
Wann haben Sie zum ersten Mal dieses Bauchweh bekommen?
Es muss Mitte der achtziger Jahre gewesen sein. Damals
machten tamilische Flüchtlinge auf die Situation in ihrer Heimat
aufmerksam. Die Nationale Aktion, die heutigen Schweizer Demokraten,
nutzte das schamlos für ihre fremdenfeindliche Propaganda. Als
Teenager war für mich klar, wo meine Sympathien liegen.
Die drei Spots sind unter dem Link www.vor-die-tuer.ch
sowie auf der WOZ-Website zu sehen.
Ohne Schweizer Pass gibt es keine Gerechtigkeit - Die
Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz schreibt über den Krieg der
reichen Schweiz gegen die Armen dieser Welt, Heiner Busch
schildert die Situation in den Nachbarländern, Filmemacher Micha
Lewinsky erklärt sein neu gefundenes Engagement: Drei
Beiträge zur Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative der
SVP und den Gegenvorschlag.
---
Freiburger Nachrichten 21.10.10
Migranten gegen Ausschaffungen
Die Kontaktstelle Schweizer Immigranten (CCSI) stellt
für ihre Kampagne gegen die Ausschaffungsinitiative und den
Gegenvorschlag die Migranten in den Vordergrund.
Pascal Jäggi
Freiburg "Wir wollen nur, dass alle Menschen in der
Schweiz vor dem Gesetz gleich sind." Diese Aussage von Mirjam Brunner,
Sekretärin der Kontaktstelle Schweizer Immigranten (CCSI),
beschreibt die Kampagne, welche die CCSI gegen die
Ausschaffungsinitiative und den Gegenvorschlag führen will.
Gemeinsam mit Migranten aus verschiedenen Ländern,
hauptsächlich Tamilen, Kurden und Irakern, wehrt sich die Stelle
gegen die "Kriminalisierung von 20 Prozent der Bevölkerung".
Anhand verschiedener Beispiele zeigte das Nein-Komitee
gestern an einer Pressekonferenz, welche Folgen die beiden
Vorschläge nach seiner Sicht hätten. So könnten
anerkannte Flüchtlinge wegen eines geringen Delikts wieder in ihr
Heimatland zurückgeschafft werden. Selbst dann, wenn sie wegen
drohender Folter in die Schweiz geflüchtet sind, erklärte
Brunner. Auch ein junger Mann, der hier aufgewachsen ist, könnte
laut Brunner nach einem Verbrechen ins Land seiner Eltern geschickt
werden, das er kaum kennt.
"Ausländer werden so gleich doppelt bestraft",
erklärte Philippe Blanc, Vizepräsident des CCSI-Vorstands;
"nach der Gefängnisstrafe wird ihnen mit der Ausschaffung eine
zweite Strafe auferlegt".
Beide Vorschläge gleich
Zwischen der Initiative und dem Gegenvorschlag sehen die
Gegner keinen Unterschied. "Die anderen Parteien lassen sich von der
SVP die Agenda diktieren", meinte Philippe Blanc, "deshalb haben sie
den Gegenvorschlag gemacht." Der Integrationsartikel darin sei
schwammig gefasst und ein heuchlerischer Zusatz, so Blanc.
Für die irakische und die tamilische Gemeinschaft
traten gestern Ali Abdolla und Tushi Thilaiampalam an. Sie wehrten sich
gegen die Diskriminierung der Ausländer, welche die Initiative mit
sich bringe. Das Problem der Kriminalität sei ein soziales
Phänomen und liege nicht an den Ausländern, ergänzte
Philippe Blanc.
Demo und Diskussion
Geplant hat das Komitee bisher zwei Veranstaltungen. Am 6.
November soll eine Demonstration in der Romontgasse stattfinden, am 11.
November folgt eine Diskussion im Café Gotthard.
---
Newsnetz 20.10.10
Was kosten Ausschaffungen?
Claudia Blumer
Eine Viertelmillion Franken kosteten alleine die
annullierten Ausschaffungsflüge letztes Jahr. Doch wie viel kosten
die Ausschaffungen insgesamt? Das Bundesamt für Migration
verfügt angeblich über keine vollständige
Kostenaufstellung. hat nachgerechnet.
Bei der Rückführung von abgewiesenen
Asylbewerbern oder Ausländern in ihre Heimatländer
läppert sich einiges zusammen: Flugkosten, Ausschaffungshaft,
Begleitung auf dem Flug, Asylrekurskommission und Rückkehrhilfe
sind nur einige der Ausgabeposten. Wie viel die Ausschaffungen den
Steuerzahler jährlich kosten, darüber gibt das Bundesamt
für Migration (BfM) keine Auskunft. "Wir verfügen über
keine Gesamtkostenrechnung im Bereich der Rückführungen",
sagt die Sprecherin Marie Avet. Nur die Flugkosten gibt das BfM an, die
mit rund 7 Millionen Franken jährlich zu Buche schlagen.
Skepsis gegenüber Zahlen
Stattdessen kursieren Zahlen, anhand derer sich die
Gesamtkosten erahnen lassen. Laut BfM betragen die Kosten pro
zurückgeführte Person zwischen 7000 und 10'000 Franken.
Demnach hat die Ausschaffung der 7200 Personen 2009 maximal 72
Millionen Franken gekostet. Daneben fielen die Kosten für die 2600
gescheiterten Durchführungen an, bei denen allein die annullierten
Flugkosten 270'000 Franken betragen.
Doch die vom BfM angegebenen Kosten erscheinen nicht
unbedingt realistisch. Bei der gescheiterten Rückführung von
fünf Gambiern vergangene Woche kostete die Rückführung
von drei Personen nach Senegal letztlich 40'000 Franken pro Person -
wegen der leergebliebenen Plätze im gemieteten Flugzeug.
"Durchschnittliche Kosten von 20'000 Franken pro Person sind meiner
Ansicht nach realistischer", sagt SVP-Nationalrat und Linienpilot
Thomas Hurter. Ginge man von diesem Wert aus, hätten die
durchgeführten Ausschaffungen letztes Jahr 144 Millionen Franken
gekostet. Hutter verlangt die Prüfung von billigeren
Ausschaffungsmöglichkeiten, etwa mit Militärflugzeugen.
"Unangebracht hohe Kosten"
Denn besonders teuer sind die Sonderflüge, für
welche Flugzeuge gemietet werden müssen. Eine gecharterte Maschine
kostet zwischen 30'000 und 110'000 Franken. 2009 kosteten demnach die
43 Sonderflüge rund 3 Millionen Franken, wie die schweizerische
Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht in einer
Mitteilung vorrechnet. "Angesichts dieser Zahlen ist es nicht
verwunderlich, dass viele Personen die Kosten im Asylwesen als
unangebracht hoch empfinden und kritisieren", hiess es. Gerade die
Sonderflüge sind ein steigender Ausgabeposten, weil der Anteil
unfreiwilliger Rückführungen zunimmt. 2009 reisten 25 Prozent
der ausreisepflichtigen Personen selbstständig aus, 75 Prozent im
Rahmen einer kontrollierten Rückführung.
Dieses Jahr sorgten nach dem Tod eines nigerianischen
Ausschaffungshäftlings im März vier gescheiterte
Sonderflüge für Aufsehen. So kostete der Jet, der Ende Juli
mit fünf Auszuschaffenden nach Gambia flog und unverrichteter
Dinge wieder zurückkehrte, 110'000 Franken. Mit dem Flugzeug, das
Anfang Oktober mit zwei türkischen Staatsangehörigen wieder
zurückkehrte, wurden 40'000 Franken in den Sand gesetzt. Trotz
erhöhter Aufmerksamkeit sei dies statistisch gesehen keine
Häufung, sagte BfM-Vizedirektorin Eveline Gugger Bruckdorfer der
"NZZ am Sonntag". 2009 hätten insgesamt 7 Sonderflüge nicht
oder nur teilweise durchgeführt werden können.
"Ich will Klarheit haben"
Die einzige verlässliche Grösse im
Kosten-Wirrwarr rund um die Ausschaffungen sind die Ausgaben des BfM,
die lediglich den Asylbereich abdecken. Fällt eine Ausschaffung
unter das Ausländergesetz, sind die Kantone zuständig. Die
Ausgaben des BfM sanken bis 2007 auf unter 800 Millionen Franken,
seither steigen sie und erreichen laut Prognosen des BfM 2011 die
Milliardengrenze.
Hans Fehr, SVP-Nationalrat und Mitglied der
staatspolitischen Kommission, will Klarheit haben über die Kosten.
Er wird in der kommenden Session einen Vorstoss einreichen, in dem er
eine detaillierte Auflistung aller Rückführungskosten
verlangt. Seine Motivation: "Die Abläufe im Migrationsbereich sind
ineffizient und in Bern wird das Problem in erster Linie verwaltet,
nicht gelöst." Grundsätzliche Kritik übt der Aargauer
FDP-Nationalrat Philipp Müller, der ebenfalls Mitglied der SPK
ist. "Das ganze BfM funktioniert überhaupt nicht. Die
Ausschaffungskosten müssen eruierbar sein, ansonsten würde
das bedeuten, dass das BfM nicht weiss, wofür es das Geld ausgibt."
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Indymedia 20.10.10
3 Tage gegen Ausschaffungen in Turin ::
AutorIn : Des amants de la liberté de Turin |
übersetzt von : der Wind
In vielen italienischen und europäischen Städten sind
Gruppen von GenossInnen dran, Erfahrungen zu sammeln in verschiedenen
Praktiken des Kampfes gegen Ausschaffungen. Um diese zu diskutieren,
zusammen und weiter zu bringen laden wir Euch nach Turin ein für 3
Tage mit Debatten und Initiativen vom Donnerstag 21. bis Samstag 23
Oktober 2010.
http://next2010.noblogs.org
Turin, 21.-23. Oktober
DREI TAGE GEGEN AUSSCHAFFUNGEN
*Donnerstag 21. Oktober*
21 Uhr - "Wie die Ausschaffungsmaschine sabotieren:
Konfrontation von Kampferfahrungen"
*Freitag 22. Oktober*
21 Uhr - "Versammlung zu den Kämpfen gegen den Bau neuer
Ausschaffungsgefängnisse"
*Samstag 23. Oktober*
12 Uhr - Kundgebung bei Porta Palazzo
21 Uhr - "Die Mauern und die Kriege der Festung:
Auschaffungsmaschine und Kriegsindustrie"
*Sonntag 24. Oktober*
16 Uhr - Kundgebung vor dem Ausschaffungsgefängnis Corso
Brunelleschi
-
Alle Versammlungen werden im El Paso occupato an der via Passo
Buole, 47 - Turin stattfinden.
Bring Deinen Schlafsack mit!
http://next2010.noblogs.org.
***Aufruf zu drei Tagen gegen Ausschaffungen in Turin***
Die Wellen von Proteststreiks, Revolten und Fluchtversuchen, die
überall in Europa kontinuierlich die Ausschaffungszentren für
papierlose Immigranten erschüttern, werfen unter Feinden aller
Gefängnisse und Grenzen eine simple Frage auf: wie kann man
konkret etwas zum Kampf gegen Ausschaffungen beitragen?
Wir haben verstanden, dass der der "Krieg gegen die klandestine
Einwanderung" nichts anderes ist als die Übertragung auf die
innere Front der imperialistischen Politik der "Festung Europa". Wir
betrachten die Ausschaffung als eine Waffe der Ausbeuter, die auf den
Kopf eines jeden Ausgebeuteten zielt, sei er nun Immigrant oder nicht.
Wir sind angewidert von der humanitären Heuchelei von Organismen
wie dem Roten Kreuz, die richtige Konzentrationslager verwalten. Wir
haben also keinen Zweifel: der Kampf gegen Ausschaffungen ist Teil des
Klassenkampfes. Er ist ein wahrhafter Kampf für die Freiheit. Aber
sich dessen bewusst sein reicht nicht.
Um die Ausschaffungsmaschine tatsächlich zu bekämpfen,
muss ihre Funktionsweise verstanden, müssen ihre Artikulationen
identifiziert und ihre offenlegenden Nerven berührt werden, um ihr
Getriebe zu blockieren. Wir müssen auch die Entwicklung immer
effizienterer Dispositive antizipieren, um morgen bereit zu sein. Die
Polizeirazzias, die Jagd auf "Illegale" machen, die Konzentration
derselben in Haftlagern, die Ausschaffungsflüge (die sehr
häufig von der europäischen Frontex verwaltet werden), jeder
dieser Momente ist eine Möglichkeit zum - kollektiven oder
individuellen - Widerstand und ein Angriffspunkt.
In vielen italienischen und europäischen Städten sind
Gruppen von GenossInnen dran, Erfahrungen zu sammeln in verschiedenen
Praktiken des Kampfes gegen Ausschaffungen. Um diese zu diskutieren,
zusammen und weiter zu bringen laden wir Euch nach Turin ein für 3
Tage mit Debatten und Initiativen vom Donnerstag 21. bis Samstag 23
Oktober 2010. Es handelt sich nicht um einen isolierten Anlass, sondern
um eine Gelegenheit für diejenigen, die sich konkret und
täglich der Ausschaffungsmaschine widersetzen, sich zu treffen. Es
ist kein vorgefertigtes Produkt, sondern eine mit allen Interessierten
zu konstruierende Initiative.
Um uns zu kontaktieren, mehr Infos zu haben, uns Eure
Beiträge oder Vorschläge zu schicken, schreibt an
next2010@autistici.org,
oder besucht die Homepage http://next2010.noblogs.org.
Freunde der Freiheit aus Turin
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ANTIFA
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BZ 23.10.10
Langenthal
Die nächste Demo steht vor der Tür
Das "Bündnis Kein ruhiges Hinterland" hat ein Gesuch
für eine Demo der Linken am nächsten Samstag eingereicht.
Im Internet wird bereits mobilisiert. "Das
Bewilligungsgesuch ist eingereicht, aber noch nicht beantwortet", sagt
Andreas Ryf, Chef des Amtes für öffentliche Sicherheit der
Stadt Langenthal. Es spreche allerdings kaum etwas gegen eine
Bewilligung, da in der Schweiz Kundgebungsfreiheit herrsche. Er habe
bereits mit der Kantonspolizei Kontakt aufgenommen. Mittlerweile habe
man auch beim bislang unbekannten "Bündnis Kein ruhiges
Hinterland" einen Ansprechpartner gefunden. Jetzt müsse noch die
Umzugsroute, die beim Bahnhof starten und ins Zentrum führen soll,
besprochen werden. Aktuelle Baustellen könnten zu
Sicherheitsproblemen führen.
Ursprünglich hatten Linksautonome vor zwei Wochen die
bewilligte Demo von Pnos und Autopartei am Standort des bewilligten
Minaretts verhindern wollen. Sehr kurzfristig kündete die damals
federführende Antifa jedoch an, man verschiebe die eigene Demo
angesichts des Polizeiaufgebotes und des Risikopotenzials auf den 30.
Oktober.
Der neue Aufruf im Internet steht unter dem Titel "Den
rassistischen Konsens durchbrechen". Die Organisatoren schreiben auch:
"Die Minarettfrage interessiert uns nicht." Sie wollen "den Aufmarsch
der Neonazis und anderer Rassisten nicht unbeantwortet lassen". Sie
rufen alle dazu auf, am kommenden Samstag um 14.30 Uhr ein "starkes und
selbstdiszipliniertes Zeichen" gegen Rechtsextremismus und rassistische
Hetze zu setzen.
rgw
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Indymedia 21.10.10
Aufruf zur Demonstration am 30.10.10 um 14h30 in Langenthal ::
AutorIn : Bündnis kein ruhiges Hinterland
Den rassistischen Konsens durchbrechen!
Am 9. Oktober demonstrierten in Langenthal gegen 100
Rechtsextreme aus dem Umfeld von PNOS, SD, SVP und FPS gegen den Bau
eines Minaretts. Sie fühlten sich dabei von der rassistischen
Hetze gegen den "Islam" seitens (aber nicht nur) der SVP
bestätigt. Wir wollen den Aufmarsch der Neonazis und anderer
RassistInnen nicht unbeantwortet lassen und rufen deshalb alle Menschen
dazu auf, gemeinsam ein starkes und selbstdiszipliniertes Zeichen gegen
Rechtsextremismus und rassistische Hetze zu setzen.
Aufruf zur Demonstration
Am 30.10.2010 um 14.30 Uhr demonstrieren wir deshalb in
Langenthal beim Bahnhof. (Bewilligungsgesuch eingereicht)
Schon seit langer Zeit zeichnet sich die Region Langenthal durch
überdurchschnittlich viele rechtsextreme Aktivitäten aus:
Mehrere Demonstrationen und Kundgebungen der PNOS, Teilnahme der PNOS
an Wahlen, Betrieb eines Vernetzungszentrums für Rechtsextreme aus
dem In- und Ausland und mehrere gewalttätige Übergriffe auf
Linke und MigrantInnen. Die Aktivitäten rund um die
Minarett-Debatte in Langenthal zeugen ein weiteres Mal vom
ausgrenzenden und menschenverachtenden Gedankengut der PNOS und ihres
politischen Umfelds.
Die Minarett-Frage interessiert uns dabei nicht. Es geht nicht
um pro oder contra Islam, es geht um den rassistischen Konsens, der bis
tief ins linksbürgerliche Lager reicht. Der rassistische Konsens,
der Fremdenfeindlichkeit, chauvinistische Propaganda, selbstherrliche
Schweiztümelei und rassistische Kampagnen einfach hinnimmt.
In diesem politischen Klima werden "die Nigerianer" von
Polizeikreisen und dem Bundesamt für Migration kollektiv als
kriminell diffamiert, in vielen Städten werden junge afrikanische
Männer straflos von PolizistInnen verprügelt und misshandelt,
werden junge Migranten kollektiv als Raser und Gewalttäter
dargestellt, werden Sans-Papiers über Jahre hinweg nicht
regularisiert und als billige SchwarzarbeiterInnen ausgenutzt, werden
abgewiesene Flüchtlinge zu unwürdigen und perspektivlosen
Lebensbedingungen oder zum Untertauchen gezwungen. Im Zuge dieser
Kampagnen ist das Schweizer Rechtssystem eine Zweiklassenjustiz
geworden: Ohne Schweizer Pass muss ein Mensch mit höheren Strafen
und mit Doppelbestrafung in Form von Einbürgerungsverweigerung,
Ausbürgerungsandrohung, Landesverweis und Ausschaffungshaft
rechnen.
Und die Aussichten sind düster: Die alltägliche
rassistische Hetze in den Medien bleibt weitgehend unwidersprochen,
keine der "grossen" Parteien wehrt sich offensiv gegen
Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag. Anstatt die
menschenunwürdige Migrationspolitik zu hinterfragen, wetteifern
die meisten Behörden, Parteien und Medien darum, wer die meisten
Menschen ausschaffen kann. 400 (geltendes Recht), 800 (Gegenvorschlag)
oder 1500 (Ausschaffungsinitiative) Menschen pro Jahr.
Wer sich einem Ausreisebescheid widersetzt, ob Ex-"VerbrecherIn"
oder abgewieseneR Flüchtling, wird administrativ eingeknastet. Die
Haftbedingungen in den Ausschaffungsgefängnissen sind
menschenverachtend: Ohne Perspektive müssen selbst
"Unausschaffbare" monatelang in den Verliessen der eidgenössischen
Migrationspolitik verharren. Viele leiden unter psychischen Problemen,
einige verletzen und verstümmeln sich, bringen sich um. Wer
Widerstand gegen seine Ausschaffung leistet, wird gefesselt und
geknebelt und unter Inkaufnahme seines/ihres Todes mit teuren
Sonderflügen an die Regimes ausgeliefert, vor denen mensch
geflüchtet ist. Kein Wunder gibt es immer wieder Hungerstreiks und
Knastaufstände, wie aktuell im Genfer Ausschaffungsgefängnis
"Frambois".
Bei einer Annahme der Ausschaffungsinitiative oder des
Gegenvorschlags wird sich die Situation für die Betroffenen weiter
verschlimmern. Die Zustände in den Ausschaffungsgefängnissen
und während der Ausschaffungen werden noch unerträglicher.
Doch dazu und zu vielen anderen schwerwiegenden Folgen ihrer
menschenverachtenden und ausgrenzenden Politik schweigen
SchreibtischtäterInnen, PolitikerInnen und Medienschaffende.
Dieses Schweigen und diesen rassistischen Konsens wollen wir
durchbrechen.
Die Mentalität hinter dieser Hetze richtet sich nicht nur
gegen MigrantInnen, sondern auch gegen uns alle. Und die rassistische
Propaganda von Staat, Polizei, Parteien und Medien bestärkt braune
Dumpfbacken, wie am 9. Oktober in Langenthal, in ihrem Hass. Denn wo
Parteien und Medien hetzen, da prügeln und morden Neonazis und
FaschistInnen.
Dem allem gilt es etwas entgegenzusetzen. Egal mit welchem Pass.
Bündnis kein ruhiges Hinterland
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RECHTSEXTREMISMUS
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Basler Zeitung 22.10.10
Versuchte Brandstiftung beim Laden "Power Zone"
Konflikt um Kleidershop im Kleinbasel spitzt sich zu
Muriel Gnehm
Nach der Streuung von Flugblättern greifen die
Unbekannten offenbar zu kriminellen Methoden: Wegen eines
Molotowcocktails musste vor einer Woche die Feuerwehr ausrücken.
Der Widerstand gegen den Kleiderladen an der
Feldbergstrasse will nicht enden: In der Nacht von vergangenem Freitag
auf Samstag brannte es vor dem Geschäft "Power Zone". Es sei ein
Molotowcocktail deponiert und angezündet worden, bestätigte
Markus Melzl, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft, gestern
Informationen der BaZ.
Hinter der versuchten Brandstiftung könnte die
anonyme Gruppierung stecken, die im September zwei Stapel
Flugblätter verteilt hat. Die Verfasser stören sich an den
Kleidermarken "Thor Steinar" und "Pro Violence", die im Laden verkauft
werden und in der rechtsradikalen Szene beliebt sind. Der Verkauf ist
aber legal, und die Ladenbesitzer sind laut Samuel Althof von der
Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention nicht in der
rechtsextremen Szene (die BaZ berichtete).
Altes Logo
Ein Dorn im Auge war den Unbekannten, hinter denen Althof
Linksextreme vermutet, auch das alte Logo von Thor Steinar am
Schaufenster. Dieses wurde am 30. September entfernt - dadurch hofften
die Geschäftsführer, weitere Proteste und Gewalt vermeiden zu
können, wie sie damals der BaZ sagten.
Nun muss davon ausgegangen werden, dass dieser
Schlichtungsversuch fehlgeschlagen ist. "Um 2.40 Uhr alarmierte ein
Nachbar die Feuerwehr, weil es brannte", sagt Melzl. Grund für das
kleine Feuer sei eine Glasflasche, gefüllt mit einer brennbaren
Flüssigkeit gewesen, die angezündet worden sei. Da die
Flasche aber nicht geworfen, sondern lediglich vor dem Laden abgestellt
worden sei, habe es keine Explosion gegeben. "Die Feuerwehr hat das
Feuer gelöscht, Schäden sind keine entstanden", sagt Melzl.
Die Staatsanwaltschaft hat nun ein Verfahren gegen unbekannt
eingeleitet, die Polizei will ein besonderes Augenmerk auf den Laden
werfen.
Trotz des neuen Protestakts, bei dem es im Falle einer
Explosion auch Verletzte hätte geben können, und der
Möglichkeit von weiteren Gewaltakten wollen die
Geschäftsführer nicht einlenken: "Es ist legal, diese Marken
zu verkaufen", sagt Lorenzo Zanolari. Die Schweiz sei ein
demokratisches Land.
Kontakt mit der anonymen Gruppe hatte auch Cyril Welti von
den Stamm & Co AG Immobilien, der das Gebäude gehört:
"Ich habe zwei bis drei anonyme Anrufe erhalten." Die Ladenbetreiber
seien seriöse Leute, die nichts Rechtswidriges täten.
"Deshalb halten wir am Mietvertrag fest."
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St. Galler Tagblatt 21.10.10
Rechte streut erneut Flugblatt
Gerade wurde ein ausländerfeindlicher 22jähriger
Liechtensteiner zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Dennoch ist
erneut ein Flugblatt mit rechtem Gedankengut aufgetaucht.
VADUZ. Schon wieder ist ein anonymes Flugblatt aus der
rechtsextremen Szene am Sonntag in Liechtensteins Briefkästen
gelandet, wie das "Liechtensteiner Vaterland" schreibt. Dies, obwohl
die Behörden und auch ein Grossteil der Bevölkerung in den
vergangenen Monaten verstärkt klare Signale gesetzt hätten,
dass rechtsextreme Phänomene nicht toleriert würden, wie die
Zeitung schreibt.
Verfasser sind vorsichtig
Die Verfasser des Schreibens drücken sich erneut sehr
vorsichtig aus - ein Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm liege
deshalb vermutlich nicht vor. So kann die Staatsanwaltschaft auch in
diesem Fall nicht aktiv werden. Allerdings werden die unbekannten
Verfasser bei der Regierung angezeigt - "denn wieder fehlt ein
Impressum, was gegen das Mediengesetz verstösst", hält das
"Vaterland" fest.
Zeugen gesucht
Dass die Verfasser mit einer Anzeige wegen des Verstosses
gegen das Mediengesetz rechnen müssen, bestätigte Tina Enz,
Sprecherin der Landespolizei. Die Ermittlungen zum Flugblatt laufen und
das Schreiben müsse nun noch genau auf den Inhalt geprüft
werden. "Noch ist unklar, ob ein Straftatbestand vorliegt", so Enz.
Dies entscheide die Staatsanwaltschaft. Falls ja, werde die Polizei in
jedem Fall mit den weiteren Ermittlungen beauftragt. Die Landespolizei
sucht derzeit nach Personen, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag
Verdächtiges beobachtet haben oder Hinweise zu den Verteilern
machen können.
"Wir warten die Anzeige der Landespolizei ab", sagt der
Leitende Staatsanwalt Robert Wallner, der das Flugblatt auch im eigenen
Briefkasten vorgefunden hat. Nach einer ersten Sichtung des Textes auf
dem neuen Flugblatt könne der Verdacht auf Rassendiskriminierung
nicht bestätigt werden. "Eine abschliessende Beurteilung nehmen
wir aber erst nach Vorliegen der Anzeige der Polizei vor", sagt Wallner.
Einer, der das Flugblatt nicht im Briefkasten vorgefunden
hat, ist der Politologe Wilfried Marxer. Er vermutet, dass die
Flugblätter aus den gleichen Kreisen stammen wie in den Jahren
2006, 2007 oder 2009.
Solche Flugblattaktionen liessen sich wohl auch in Zukunft
nicht wirklich verhindern. Er wolle die rechtsextremen Tendenzen zwar
keineswegs verharmlosen, habe aber auch Vertrauen in die Demokratie.
(red.)
---
20 Minuten 19.10.10
Krieg zwischen Gästen in der St. Galler Innenstadt
ST. GALLEN. In der Metzgergasse gab es eine üble
Schlägerei zwischen Rechtsextremen und Schwarzen. Offenbar sind
sich die Gäste zweier Lokale spinnefeind.
"Erst wurden zwei dunkelhäutige Gäste von uns
von rechtsradikalen Gästen des Nachbarlokals provoziert, und
plötzlich gingen sie grundlos mit den Fäusten auf die
Schwarzen los", sagt Oliveira Widmer, Inhaberin des Lokals CMC in der
Metzgergasse, vor dessen Tür sich der Angriff in der Nacht auf
Samstag zutrug. "Einer unserer Gäste floh ins Restaurant und hielt
die Tür zu. Der Angreifer schlug darauf durch das Glas", so Widmer
weiter. Der jüngste Vorfall sei aber nicht der erste dieser Art.
"Immer wieder gibt es Reibereien mit den Gästen des Nachbarlokals.
Ständig werden unsere Gäste provoziert und angegriffen."
Der Nachbarwirt wehrt sich: "Ich bin nicht für meine
Gäste verantwortlich." Zudem stimme die Aussage Widmers nicht:
Tatsächlich sei die Scheibe beim Zuschlagen der Tür
zerbrochen. "Darauf hat der Schwarze eine Scherbe gegen meine Frau
geworfen", sagt der Wirt.
Gestern sei man mit den CMC-Inhabern zusammengesessen.
"Für uns beide sind die Zustände unhaltbar - unsere
Gäste müssen miteinander auskommen." Deshalb werde man bald
gemeinsam mit den Stammgästen zusam- mensitzen und diskutieren,
damit Ruhe einkehre.
Sascha Schmid
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Liechtensteiner Vaterland 19.10.10
Flugblatt: Die Ermittlungen laufen
Gerade wurde ein ausländerfeindlicher
22-jähriger Liechtensteiner wegen versuchter Brandstiftung zu
zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Damit wurde ein starkes
Signal gesetzt. Und doch ist wieder ein Flugblatt mit rechtem
Gedankengut aufgetaucht.
Von Desirée Vogt
Vaduz. - Schon wieder ist ein anonymes Flugblatt aus der
rechtsextremen Szene in Liechtensteins Briefkästen gelandet. Dies,
obwohl die Behörden und auch ein Grossteil der Bevölkerung in
den vergangenen Monaten verstärkt klare Signale gesetzt haben,
dass rechtsextreme Phänomene nicht toleriert werden. Die Verfasser
des Schreibens drücken sich erneut sehr vorsichtig aus - ein
Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm liegt deshalb vermutlich nicht
vor. So kann die Staatsanwaltschaft auch in diesem Fall nicht aktiv
werden. Allerdings werden die unbekannten Verfasser bei der Regierung
angezeigt - denn wieder fehlt ein Impressum, was gegen das Mediengesetz
verstösst.
Zeugen gesucht
Dass die Verfasser mit einer Anzeige wegen des Verstosses
gegen das Mediengesetz rechnen müssen, bestätigt Tina Enz,
Sprecherin der Landespolizei. Die Ermittlungen laufen und das Schreiben
müsse nun noch genau auf den Inhalt geprüft werden. "Noch ist
unklar, ob ein Straftatbestand vorliegt", so Enz. Dies entscheide die
Staatsanwaltschaft. Falls ja, werde die Polizei in jedem Fall mit den
weiteren Ermittlungen beauftragt. Die Landespolizei sucht derzeit nach
Personen, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag Verdächtiges
beobachtet haben oder Hinweise zu den Verteilern machen können.
Hinweise werden unter der Telefonnnummer 236 71 11 entgegengenommen.
"Wir warten die Anzeige der Landespolizei ab", so der
Leitende Staatsanwalt Robert Wallner, der das Flugblatt auch im eigenen
Briefkasten vorgefunden hat. Nach erster Sichtung des Textes des neuen
Flugblattes könne der Verdacht auf Rassendiskriminierung nicht
bestätigt werden. "Eine abschliessende Beurteilung nehmen wir aber
erst nach Vorliegen der Anzeige der Polizei vor", so Wallner.
Nicht mit der "Liewo" verteilt
Das Flugblatt wurde nicht nur mit der "Liewo" aus den
Briefkästen genommen, sondern war in einigen Fällen sogar in
der "Liewo" eingesteckt. Bereits am Sonntag hielt die Vaduzer
Medienhaus AG ausdrücklich fest, dass die Verteilung der "Liewo"
in keinem Zusammenhang mit dem Flugblatt stehe. Eine Leserin meldete
sich gestern beim Vaduzer Medienhaus und teilte mit, dass sie die
Ermittlungen in diesem Fall unterstützen möchte, indem sie
bei der Polizei Anzeige gegen Unbekannt erstatten werde. Dem
"Liewo"-Austräger waren in der Nacht auf Sonntag in Mauren
auffallend viele Jugendliche begegnet.
Vertrauen in die Kraft der Demokratie
Einer der Liechtensteiner, der das Flugblatt nicht im
Briefkasten vorgefunden hat, ist der Politologe Wilfried Marxer. Er
vermutet, dass die Flugblätter aus dem gleichen Kreis stammen wie
in den Jahren 2006, 2007 oder 2009. Auch er geht nicht davon aus, dass
die Rassismusstrafnorm des Strafgesetzbuches dieses Mal verletzt wurde.
"Diese ist bspw. dann verletzt, wenn gegen Personen oder Gruppen wegen
ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung
aufgereizt wird", so Marxer. "Wenn die Formulierungen vorsichtig
gewählt sind, sind sie zulässig, selbst wenn man rassistische
Motive vermuten kann."
Der Politologe glaubt nicht, dass sich solche
Flugblattaktionen in Zukunft wirklich verhindern lassen. "Ich denke
auch, dass die Demokratie solche Sichtweisen aushalten muss, solange
sie in gewaltfreier Weise vorgetragen werden. Ich will die
rechtsradikalen Tendenzen keineswegs verharmlosen, habe aber auch
Vertrauen in die Kraft der Demokratie."
Zeichen setzen
Dass so kurz nach der Verhaftung eines 22-jährigen
Brandstifters aus der rechtsextremen Szene erneut ein solches Flugblatt
kursiert, erstaunt Marxer nicht wirklich. "Wir wissen, dass es in
Liechtenstein über Jahre hinweg einen teilweise wechselnden
Personenkreis von 30 bis 40 Personen mit rechtsradikaler Gesinnung
gibt." In den letzten Jahren habe es immer wieder Vorfälle mit
rechtsradikalem Hintergrund gegeben, seien es Brandanschläge,
Raufhandel, Körperverletzung oder auch Flugblattaktionen. "Man
kann nicht damit rechnen, dass dieser Personenkreis plötzlich
nicht mehr existiert. Es ist daher sehr wichtig, dass der Staat und die
Gesellschaft klare Zeichen gegen den Rechtsextremismus setzen. Die
Verhaftungen und raschen Verurteilungen der letzten Zeit, aber auch
Stellungnahmen von Politikern, waren ein solches Zeichen."
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ANTISEMITISMUS
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Bund 22.10.10
"Ich weiss nicht einmal, was ein Zionist ist"
Ein Handwerker publizierte im "Sigriswiler Anzeiger" einen
Text mit antisemitischen Verschwörungstheorien. Gestern
verurteilte ihn das Gericht in Thun zu einer Busse. Der Mann beteuerte,
er habe den Text zufällig gefunden und gar nicht richtig gelesen.
Markus Dütschler
Was im "Sigriswiler Anzeiger" steht, findet im Normalfall
nur in der Gemeinde am Sonnenhang über dem Thunersee Beachtung:
Kleininserate von örtlichen Gewerblern, Traktanden der
Gemeindeversammlung, Einladungen zu Vereinsanlässen,
Todesanzeigen, kirchliche Mitteilungen. Doch im Januar sorgte ein Text
weit über die Gemeinde hinaus für Aufregung. Unter dem Titel
"Agenda 21 - Die Durchsetzung einer totalitären Weltherrschaft"
zeichnete ein Text ein düsteres Zukunftsbild von Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft. So hiess es im Elaborat etwa: "Das
Welt-Judentum (Zionismus) hat die totale Ausraubung gewisser reicher
Länder wie Deutschland, Schweiz, Österreich und anderer
Staaten längst begonnen." Der Text bezog sich auch auf die
"Protokolle der Weisen von Zion" - ein längst zweifelsfrei als
Fälschung entlarvtes Dokument, das nichtsdestotrotz bis heute
unzähligen Antisemiten als Beleg für ihre Theorie einer
"jüdischen Weltverschwörung" dient.
Gezeichnet war der redaktionelle Beitrag mit dem Namen
eines Landwirts aus Sigriswil, der nebenamtlich als Schwellenmeister im
Auftrag der Gemeinde seit 30 Jahren die Bachverbauungen unterhält.
In der Öffentlichkeit kamen Zweifel an der Autorenschaft auf: Die
seltsamen, aber gewandt verfassten Gedanken zu einem komplexen Thema
stammten bestimmt nicht aus seiner Feder, er fungiere womöglich
als Strohmann für sektiererische Gruppierungen.
"Verfasser" las Text nicht ganz . . .
Gestern sass der angebliche Verfasser in Thun auf der
Anklagebank. Der Richter am Kreisgericht 10 hatte zu befinden, ob der
Mann gegen die Antirassismusstrafnorm verstossen habe, den 1995
eingefügten Artikel 261bis im Strafgesetzbuch. Nein, er habe das
nicht geschrieben, "keinen Buchstaben", sagte der Mann. Zum
Jahreswechsel sei ihm beim Aufräumen des Büros ein Dokument
mit diesem Inhalt in die Hände geraten. Gelesen habe er es nur zum
Teil. Ihn hätten einige Punkte angesprochen, etwa jener, dass
Kinder den Eltern früh entzogen werden müssten, damit sie der
Staat erziehen könne. Es habe ihn damals beschäftigt, dass in
der Gemeinde grundlos ein Schulhaus geschlossen worden sei. "Ich
dachte, das ist genau die Lage, in der wir sind." Bergtäler
würden abgehängt, Postautos gestrichen, die Leute wanderten
ab, doch ohne Berglandwirtschaft komme es zur Erosion.
. . . und der Verleger ebenfalls
Er habe den Artikel veröffentlichen wollen, so der
Schwellenmeister, und da in Zeitungen stets ein Autor vermerkt sei,
habe er seinen Namen beigefügt. Weder der Familie noch sonst
jemandem habe er etwas erzählt, sagte er vor Gericht. Das Unheil
nahm seinen Lauf. Der Drucker des nicht-amtlichen Anzeigers rückte
den Text fast unbesehen ins Blatt. Für den Fehler entschuldigte er
sich später im eigenen Organ, und wie der "Verfasser" distanzierte
auch er sich mit grossem Bedauern vom Elaborat.
Als Privatklägerinnen nahmen vor Gericht eine
Bürgerin aus Sigriswil teil sowie eine Anwältin aus Genf.
Diese war mandatiert vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund
(SIG), der die Strafanzeige gegen den Schwellenmeister eingereicht
hatte. Der Prozess hätte ohnehin stattgefunden, da die Justiz bei
Rassendiskriminierung, einem Offizialdelikt, von Amtes wegen tätig
wird.
Der Angeschuldigte sagte, er sei ein "Bärgpuurli",
"nicht hochintelligent" und "fürs Werken geboren." Kenntnisse
über das Judentum habe er kaum: "Ich weiss nicht einmal, was ein
Zionist ist." Früher habe er mit jüdischen Viehhändlern
geschäftet - mit "guten Erfahrungen". Er habe nichts gegen "andere
Rassen" und sogar einen Angestellten "von einer anderen Rasse"
angestellt. Mehrfach beteuerte er, es tue ihm "furchtbar leid", er habe
niemanden diskriminieren wollen. Die Ansichten des Texts über
Juden teile er nicht, sagte er.
"Chribel" auf dem Lieferschein
Ob er häufig Texte unterschreibe, ohne ihren Inhalt
zu kennen, fragte ihn die Anwältin aus Genf. Der Schwellenmeister
bejahte: Auch bei Lieferscheinen setze er "den Chribel" darunter, ohne
alles zu lesen. Er hätte doch Zeit zum Lesen gehabt, insistierte
die Anwältin, niemand habe ihn gedrängt. Er sei halt ein
Praktiker, verteidigte sich der Handwerker: "Das verstehen die
Theoretiker nicht." Die Aufruhr nach der Publikation habe ihn
völlig überrascht, sagte er. Jemand habe ihm gesagt, der Text
stehe auch im Internet, doch er habe kein Internet, er wisse nicht
einmal, wie er auf seinem Handy ein SMS schreiben könne. Zu
Veranstaltungen gehe er nie, er sei in keiner Partei, und mit
Gruppierungen, die antisemitische Theorien verbreiteten, pflege er
keinen Kontakt.
Der Richter befand, der Fall sei keine Bagatelle,
dürfe aber auch nicht überbewertet werden. Er verhängte
eine Geldstrafe von 3600 Franken, bedingt erlassen auf zwei Jahre.
Bezahlen muss der Verurteilte eine Busse von 800 Franken, dazu die
Prozesskosten. Als freiwillige Wiedergutmachung entrichtete er 750
Franken an eine Nebenklägerin. Sie wird das Geld für einen
Informationsanlass zum Thema Rassismus und Antisemitismus an den
Schulen in Sigriswil einsetzen. Der Verurteilte hat sich verpflichtet,
sich ebenfalls an einer solchen Veranstaltung zum Thema zu informieren.
---
Thuner Tagblatt 22.10.10
Busse und bedingte Geldstrafe
Judenfeindlicher Text: Sigriswiler verurteilt
Der Thuner Gerichtspräsident Raphael Lanz hat gestern
einen Sigriswiler wegen Rassendiskriminierung verurteilt.
Er ist 62-jährig, Bergbauer und Handwerker in
Sigriswil - und liest nach seiner eigenen Aussage nicht alles durch,
was er unterschreibt. Auf diese Weise versuchte sich der Mann gestern
vor Einzelrichter Raphael Lanz herauszureden. Er war wegen
Rassendiskriminierung angeklagt, weil er im privaten Gratisblatt
"Sigriswiler Anzeiger" Anfang Jahr einen Text erscheinen liess, den er
mit seinem Namen unterzeichnete. In dem Artikel wurden Juden mit
Zionisten gleichgestellt und zum Beispiel beschuldigt, die Ausraubung
"gewisser reicher Länder wie Deutschland, Schweiz, Österreich
und anderer Staaten längst begonnen" zu haben. Er habe den Text
gar nicht richtig durchgelesen, bevor er ihn in Druck gegeben habe,
sagte der Angeschuldigte. Und selber geschrieben habe er ihn auch
nicht. Wie er allerdings zu dem Elaborat gekommen war, konnte er auch
nicht sagen. Lanz verurteilte den Mann wegen Rassendiskriminierung zu
einer Busse und einer bedingten Geldstrafe. Zudem muss er einen Kurs
des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes über Rassismus
und Antisemitismus belegen.
mi
Seite 23
--
Sigriswil: Autor von Rassistischen Texten
"Ich weiss gar nicht, was ein Zionist ist"
Er veröffentlichte einen judenfeindlichen Text und
will sich dessen gar nicht bewusst gewesen sein. Doch Unwissenheit
schützt vor Strafe nicht: Der Mann aus Sigriswil ist wegen
Rassendiskriminierung verurteilt worden.
Verworrene Weltverschwörungstheorien und
antisemitische Schmähungen: Daraus bestand der Artikel, der im
Januar im privaten "Sigriswiler Anzeiger" erschien, unterschrieben von
einem Einwohner von Sigriswil (wir berichteten). Darin stand
wörtlich: "Das organisierte Weltjudentum (Zionismus) hat die
totale Ausraubung gewisser reicher Länder wie Deutschland,
Schweiz, Österreich und anderer Staaten längst begonnen."
Weiter: "Das Prinzip der Weltanschauung der Zionisten ist
Zerstörung. Darauf kann nichts entstehen, was wert wäre,
Leben genannt zu werden."
Gestern hatte sich der Mann bei Gerichtspräsident
Raphael Lanz für die Publikation zu verantworten. Die Anklage
lautete auf Rassendiskriminierung.
Er ist nicht der Autor
Bereits im Januar hatten Insider bezweifelt, dass der
Angeschuldigte den Text tatsächlich selber geschrieben habe, weil
er dazu intellektuell gar nicht in der Lage sei. Sie lagen mit ihrer
Vermutung richtig. "Ich habe den Zettel bei mir zu Hause gefunden, als
ich das Büro aufgeräumt habe", gab er zu Protokoll. "Damals
war die Schliessung von mehreren Schulen in Sigriswil ein Thema, das
die Öffentlichkeit bewegte. Weil in dem Artikel auch von der
Zerstörung des Schulsystems die Rede war, beschloss ich, den Text
zu veröffentlichen." Er entschuldigte sich mehrmals dafür,
dass er mit der Veröffentlichung die Gefühle andere Menschen
verletzt habe, und sei bereit, die Konsequenzen zu tragen.
Er weiss von gar nichts
Woher der Angeschuldigte den Text habe, fragte Raphael
Lanz. Dieser blieb die Antwort schuldig: "Keine Ahnung, das weiss ich
wirklich nicht." Ganz sicher habe er ihn nicht an einer Veranstaltung
erhalten, er gehe nie ausser Haus, habe kein Internet, und
überhaupt sei er bloss "es Bärgbuurli, wo zum Wärche
gebore isch". Lanz bohrte weiter: Wie er denn zu den antisemitischen
Äusserungen im Text stehe? "Ich weiss nicht einmal, was ein
Zionist ist", sagte der Angeschuldigte. Das mit den Juden, das habe er
wohl überlesen. Dass der Text judenfeindlich sei, habe er nicht
bemerkt. Aber jetzt, im Nachhinein, glaube er das mit dem Ausrauben
nicht. "Ich habe schon Kühe an Juden verkauft und machte dabei
kein schlechtes Geschäft. Das sind Handelsleute, ich habe grosse
Achtung vor ihnen." Ein anderes Mal sagte er aber, bezüglich Juden
habe er gar keine Meinung. "Darum kümmere ich mich nicht, ich habe
meine Arbeit, die füllt mich total aus."
Er handelte alleine
Ob er häufig Texte mit seinem Namen unterzeichne,
ohne sie zu lesen, fragte die Privatklägerin aus Genf (vgl.
Kasten). Ja, das komme vor, etwa bei Lieferscheinen, sagte der
Angeschuldigte. Er beteuerte, die Publikation auf eigene Faust
veranlasst zu haben, er sei von niemandem instrumentalisiert worden.
Man könne nicht etwas unterschreiben und sich
später davon distanzieren, rügte ihn Lanz in der
Urteilsbegründung. Er verurteilte den Mann wegen Verstosses gegen
das Antirassismusgesetz zu einer Busse von 800 Franken und zur
Übernahme der Verfahrenskosten von 600 Franken. Zudem
verhängte er eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 120
Franken, bedingt auf zwei Jahre. Lanz sprach die Geldstrafe bedingt
aus, weil der Angeschuldigte Reue zeigte und nicht davon auszugehen
sei, dass er in nächster Zeit wieder einen rassistischen
Verbalübergriff begehen werde.
Marc Imboden
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Vergleich mit privatklägerinnen
Kursbesuch und Genugtuung
Gerichtspräsident Lanz hatte gestern auch eine
zivilrechtliche Seite zu beurteilen. Denn als Privatklägerinnen
traten zwei Jüdinnen auf, eine aus Sigriswil, die andere aus Genf.
Letztere vertrat vor Gericht auch den Schweizerischen Israelitischen
Gemeindebund. Der SIG sei aber nicht berechtigt, als Kläger
aufzutreten, weil ein Verband keine Verletzung der Menschenwürde
geltend machen könne. Die beiden Frauen verlangten wegen des
Artikels im "Sigriswiler Anzeiger" Genugtuung. Sie und der
Angeschuldigte schlossen unter Ausschluss der Öffentlichkeit
folgenden Vergleich: Der Mann wird der Frau aus Sigriswil 750 Franken
bezahlen, die diese der örtlichen Schule für die
Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus übergeben wird.
Er muss zudem einen entsprechenden Kurs des SIG besuchen, der in
Sigriswil stattfinden wird.
mi
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20 Minuten 22.10.10
Üble Hetzschrift: Bauer verurteilt
THUN/SIGRISWIL Ein Bergbauer aus Sigriswil ist gestern
wegen Rassendiskriminierung verurteilt worden. Er hatte im Januar im
Sigriswiler Anzeiger eine antisemitische Hetzschrift verbreitet, die
Passagen enthielt wie: "Das organisierte Weltjudentum (Zionismus) hat
die totale Ausraubung gewisser reicher Länder wie Deutschland,
Schweiz, Österreich und anderer Staaten längst begonnen." Er
habe den Text nicht selbst geschrieben, verteidigte sich der
Angeklagte, sondern in seinem Büro gefunden und dann unter seinem
Namen publiziert. Der Verleger des Lokalblatts, das in die Haushalte
verteilt wird, hatte sich bereits vorgängig vom Text distanziert.
Er habe ihn damals nicht gründlich gelesen.
Das Thuner Gericht sah den Tatbestand der
Rassendiskriminierung klar gegeben und verurteilte den Bergbauer zu
einer bedingten Geldstrafe von 3600 Fr. und 800 Fr. Busse. NJ
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BIG BROTHER VIDEO
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Blick am Abend 22.10.10
Video-Debatte im Stadtrat vertagt
BIG BROTHER
Bern will Fussballfans per Video überwachen. Das
Parlament ist skeptisch.
Die SP und die Grünen sind dagegen; die
Bürgerlichen sind für eine Videoüberwachung an
neuralgischen Punkten in der Stadt Bern. Der Stadtrat hat gestern mit
43 zu 23 Stimmen beschlossen, auf die Vorlage einzutreten. Ob die
Videoüberwachung tatsächlich eingeführt werden kann,
entscheidet das Parlament am kommenden Donnerstag.
Künftig sollen in der Stadt Bern Fussballfans auf
ihrem Weg vom Bahnhof Wankdorf ins Stadion mit Videokameras
überwacht werden können. Sicherheitsdirektor Reto Nause
erhofftsich davon eine bessere Überwachung der Fans sowie
Erleichterungen bei der Aufklärung von Straftaten.
Das Reglement sieht vor, dass der Gemeinderat die
Kompetenz erhält, den Standort der Kameras zu bestimmen. Kostet
dies mehr als 300 000 Franken, wird der Stadtrat mitentscheiden. SDA/ehi
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Bund 22.10.10
Langer Disput um Videoüberwachung in der Stadt Bern
Der Stadtrat beugte sich gestern über das
Videoreglement, ohne zu einem Ende zu kommen.
Christian Brönnimann
Grundsatzdebatte gestern Abend im Berner Stadtrat. Einmal
mehr stand das Thema Videoüberwachung auf der Traktandenliste.
Diskutiert wurde über den gemeinderätlichen Entwurf des
Videoreglements, das die stadtinternen Zuständigkeiten für
den Einsatz von Kameras im öffentlichen Raum regelt. Wo und unter
welchen Bedingungen Kameras möglich sind, hat bereits der Grosse
Rat auf kantonaler Ebene festgelegt.
Die Ratslinke stellte die Wirkung der Kameras mehrheitlich
infrage. Verbrechen würden, wenn überhaupt, nur kurzfristig
verhindert oder einfach an andere Orte verlagert. Auch die
Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls durch Kameras sei
nicht bewiesen. "So klein der Nutzen, so hoch der Preis", schloss Leyla
Gül (SP), "nämlich der Verlust der Privatsphäre." Zudem
wurden die Anschaffungskosten für die Technik kritisiert.
Ratsmitte und -rechte waren hingegen primär der
Auffassung, dass die Stadt Bern die Möglichkeit erhalten soll,
alle Mittel zur Verbrechensbekämpfung ausschöpfen zu
können. Kameras seien "nicht das zentrale Instrument, aber ein
wichtiges Puzzlestück", sagte zum Beispiel Sonja Bietenhard (BDP).
Jimy Hofer (parteilos) fragte rhetorisch: "Weshalb soll man Angst haben
vor Kameras, wenn man nichts auf dem Kerbholz hat?", und erntete Lacher
mit der Bemerkung: "Von mir aus könnte man mir eine Kamera auf den
Rücken binden." Und Dolores Dana (FDP) meinte: "Auch wenn es nur
eine Verlagerung von Verbrechen gibt, hat es sich gelohnt, weil es
einen sicheren Ort mehr gibt."
Rückweisung scheiterte knapp
Die GB/JA-Fraktion beantragte, gar nicht erst auf das
Geschäft einzutreten und - wenn doch - das Reglement zur erneuten
Überarbeitung zurückzuweisen. Beide Anträge scheiterten.
Knapp wurde es beim Rückweisungsantrag, der mit 36 zu 30 Stimmen
abgelehnt wurde.
Vorgebracht wurden in der Folge verschiedene Anträge
zur Abänderung des Reglements. So verlangte zum Beispiel die
vorberatende Kommission, dass der Gemeinderat dereinst eine
detaillierte Liste der Kamerastandorte zu erstellen hat. Die
GB/JA-Fraktion beantragte, dass nicht der Gemeinderat, sondern der
Stadtrat über Kameragesuche an die Kantonspolizei entscheiden kann
und dass die Kosten für Kameras mit den Ausgaben für
Polizeiarbeit kompensiert werden. Die GFL-Fraktion schlug vor,
festzulegen, dass der Gemeinderat zumindest die zuständige
Stadtratskommission konsultiert, bevor er ein Kameragesuch stellt. Die
SP/Juso-Fraktion schliesslich verlangte, dass eine unabhängige
Stelle die Evaluation der Kameras vornehmen soll.
Die Diskussion wurde um 22.25 Uhr abgebrochen. Sie wird am
kommenden Donnerstag fortgeführt. Möglich ist neben einer
Annahme oder Ablehnung des Reglements auch, dass eine zweite Lesung
verlangt wird.
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Thuner Tagblatt 22.10.10
Berner Stadtrat
Disput über Videokameras
An der Videoüberwachung scheiden sich die Geister.
Der Stadtrat trat aber gestern nach einer Grundsatzdebatte auf das neue
Reglement ein. Nächste Woche nimmt sich der Rat den Details -
unter anderem zu den Zuständigkeiten - an.
Zwischen Stade de Suisse und S-Bahnhof Wankdorf
möchte der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP)
Videokameras aufstellen. Wo ihm sonst noch Videoüberwachung
vorschwebt, sagte er im Stadtrat nicht. Dieser debattierte gestern
über das Videoreglement, dass die so genannt dissuasive
Videoüberwachung im öffentlichen Raum ermöglichen soll.
Es müssten neuralgische Stellen - also
Kriminalitäts-Schwerpunkte - sein, ist darin festgehalten.
Sancar: "Ein Teufelskreis"
Hier setzte die fundamentale Kritik von links
an: "In England ist jeder Quadratmeter der Innenstädte
überwacht, trotzdem ist die Kriminalität nicht gesunken",
sagte Hasim Sancar (GB/JA). Stattdessen hätten die Kameras zur
Verlagerung der Kriminalität geführt. Das wiederum machte
mehr Kameras nötig: "Der Teufelskreis wird immer
grösser, ohne dass er gesprengt würde." Zudem fehlten Angaben
zu den finanziellen Auswirkungen, ergänzte Leyla Gül für
die SP. Der Rückweisungsantrag von GB/JA scheiterte jedoch.
Zum grundsätzlichen Misstrauen gesellte sich bei
GB/JA und SP der Eindruck, dass der Gemeinderat am liebsten sofort
Kameras aufstellen möchte und erst noch selber entscheiden will,
wo dies geschehen soll. "Dies ist ein politischer und kein operativer
Entscheid", betonte Christine Michel (GB/JA).
Gemeinderat sagt, wo
Tatsächlich sieht das Videoreglement vor, dass das
Parlament nur befragt würde, wenn der benötigte Kredit 300
000 Franken übersteigt. Alle fünf Jahre muss die Regierung in
einem öffentlich zugänglichen Bericht Rechenschaft über
die Videoüberwachung abliefern. Der städtische
Datenbeauftragte kontrolliert, ob die Überwachung rechtmässig
geschieht.
Peter Künzler (GFL/EVP) wies darauf hin, das
städtische Reglement basiere auf dem 2008 vom Grossen Rat
angepassten Polizeigesetz. Darin sei der Rahmen abgesteckt.
Beispielsweise ist dort festgehalten, dass überwachte Bereiche
gekennzeichnet werden müssen. Bilder auswerten darf nicht die
Gemeinde, sondern ausschliesslich die Kantonspolizei. Selbst diese darf
nur aktiv werden, wenn eine Strafanzeige oder ein Strafantrag vorliegt.
Die Aufnahmen sind nach 100 Tagen zu löschen.
"Objektives Beweismittel"
Zwar räumte auch die Mitte-Rechts-Koalition ein,
Kameras seien kein "Allheilmittel" und sie stellten einen schweren
Eingriff in die Privatssphäre dar. Für Dolores Dana (FDP)
sind Kameras aber gerechtfertigt, wenn sie schon nur ein Verbrechen
aufdecken helfen oder einen Platz sicherer machen. Hans Peter Aeberhard
(FDP) wies darauf hin, dass Kameras in Warenhäusern etwa
längst unbeanstandeter Alltag seien und rühmte Kameras als
"objektives Beweismittel". Sicherheitsdirektor Nause teilte diese
Auffassung. Zur Verlagerung fragte er in den Ratssaal: "Was soll sich
denn beim Fankorridor verlagern?" Er beruhigte den Rat auch
dahingehend, dass dieser wohl auch bei den Standorten mitdiskutieren
könne, weil der Kredit in dessen finanzielle Zuständigkeit
falle.
Der Stadtrat begann gestern die Detailberatung des
Reglements. Diverse Anträge haben zum Ziel, den Einfluss des
Parlaments zu stärken. Die Beratung wird in einer Woche zu Ende
geführt.
Christoph Aebischer
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BIG BROTHER SPORT
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Thune Tagblatt 20.10.10
Vereinbarung mit der Stadt
Kosten für die Sicherheit: FC Thun zahlt freiwillig
Der FC Thun beteiligt sich freiwillig an den
Sicherheitskosten rund um die Super-League-Spiele - mit 15 Rappen pro
Zuschauer.
Es war ein hartes Ringen zwischen der Stadt und dem FC
Thun - jetzt hat man sich geeinigt: Der FC Thun steuert an die
Sicherheitskosten rund um die Super-League-Heimspiele 15 Rappen pro
Zuschauer bei. Das entspricht der Abgabe der Young Boys und des FC
Biel. Beim derzeitigen Zuschauerschnitt zahlt der FC Thun rund 16 000
Franken. Für die nächste Saison soll eine neue Vereinbarung
ausgehandelt werden. Der Thuner Sicherheitsvorsteher, Gemeinderat Peter
Siegenthaler (SP), wird zudem auf Kantonsebene aktiv. In einer Motion
fordert er eine gesetzliche Grundlage für die Beteiligung der
Veranstalter an den öffentlichen Sicherheitskosten.
Gestern Abend fand zudem die Generalversammlung der FC
Thun AG statt. Sie verlief ohne Überraschungen und ohne lauten
Töne. Die rund 150 Aktionäre beschlossen eine
Statutenänderung: Ein Teil der Aktien soll statt 150 nur noch 30
Franken kosten. Dadurch sollen mehr Wertpapiere abgesetzt werden.
Präsident Markus Stähli betonte die sportlichen Erfolge. Doch
trotz des Aufstiegs war der Gewinn kleiner als im Vorjahr.
mik/chk
Seite 19
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Generalversammlung der FC Thun AG
Höherer Gewinn erwartet, Aktien werden günstiger
Die GV der FC Thun AG verlief ohne Überraschungen.
Der Gewinn soll 2011 wieder steigen, und die Aktien werden
erschwinglicher.
"Sportlich können wir auf ein sehr erfolgreiches Jahr
zurückblicken", sagte Verwaltungsratspräsident Markus
Stähli an der gestrigen Generalversammlung der FC Thun AG. Da war
der sensationelle Aufstieg in die Super League, da war aber auch der
Aufstieg der U-21 in die 1. Liga. "Der Nachwuchs ist wegen unserer
beschränkten Budgets besonders wichtig für den FC Thun", hob
Stähli den Effort der Youngsters hervor. Finanziell lief es bei
den Rot-Weissen auch nicht schlecht: Die FC Thun AG weist einen Gewinn
von 13 000 Franken aus.
Doch die Bilanz wird getrübt: Der Gewinn ist deutlich
kleiner als im Vorjahr, als 39 000 Franken mehr eingenommen als
ausgegeben wurden (wir berichteten). Ein Grund sind die
Erfolgsprämien, die wegen des Aufstiegs ausgeschüttet wurden.
Der andere ist die Entlassung von Pape Omar Fayé wegen
Wettbetrugs. Nach Schätzungen von Stähli hätte dieser
für eine halbe bis eine Million Franken transferiert werden
können. Es sei aber auch nicht das Ziel einer sportlichen AG,
einen möglichst hohen Gewinn abzuwerfen, sondern ihren Teams
möglichst gute Voraussetzungen zu bieten, kommentierte Stähli.
Neue "Panini-Aktien"
Die Generalversammlung, an der rund 150 Aktionäre
erschienen waren, lief diskussionslos ab und war nach knapp eineinhalb
Stunden vorbei. Etwas kryptisch wirkte jedoch der vierte Punkt auf der
Traktandenliste. Dabei gings ums Aktienkapital. Die FC Thun AG will in
Zukunft mehr Aktien unters Volk bringen. "Wir sitzen auf einem Bestand
von Aktien, den wir bislang nicht verkaufen können", erklärte
Stähli. Zehn Prozent des heutigen Aktienkapitals, das 120 000
Franken beträgt, sollen deshalb von Namensaktien in Inhaberaktien
umgewandelt werden. Eine Aktie soll danach statt 150 Franken nur noch
30 Franken kosten. Um die Wertpapiere noch begehrter zu machen, sollen
sie personalisiert werden. Beispielsweise soll es eine
Milaim-Rama-Aktie geben, worauf das Konterfei des Stürmers
abgebildet ist. Stähli bezeichnete das Vorhaben als
"Panini-Aktion", in Anlehnung an die Sammelalben.
Höheres Budget
Die Anwesenden stimmten der Statutenänderung, die
dafür nötig ist, deutlich zu. Ebenfalls deutlich Ja sagten
sie zur Wiederwahl der Verwaltungsräte, zur Rechnung und zum
Budget. Dieses sieht einen deutlich höheren Gewinn vor als dieses
Jahr: 402 000 Franken. Dies dank deutlich höheren Einnahmen in den
Bereichen Sponsoring, TV-Rechte und Eintritte. Auch das Budget, das
momentan 6,4 Millionen stark ist, soll wachsen. "Ich hoffe, dass sich
dank des neuen Stadions unser Budget im Laufe der Zeit in der
10-Millionen-Franken-Region ansiedeln wird", sagte Stähli.
Christoph Kummer
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BZ 19.10.10
SCB-Match
Polizist schiesst scharf
Nach dem Eishockeyspiel Bern - Lugano hat sich ein
Zivilpolizist mit einem Warnschuss gegen Tessiner Hooligans gewehrt.
Berner und Tessiner Hooligans gingen am Samstagabend beim
Guisanplatz aufeinander los. Zwei Polizisten in Zivil nahmen einen
Schläger aus dem Fanlager des HC Lugano fest. Doch seine
Mitkämpfer versuchten, den Verhafteten zu befreien. Die beiden
Polizisten wehrten sich vergebens mit Reizgas. Erst als einer der
Gesetzeshüter die geladene Waffe zog und einen Warnschuss abgab,
flüchten die Hooligans.
Die "Horde Hooligans" sei stark in Überzahl gewesen,
sagt Manuel Willi, Chef der Regionalpolizei Bern, ohne konkrete Zahlen
zu nennen. "Die Schläger haben die Gunst der Stunde genutzt." Sie
gingen mit Schlaginstrumenten auf die Zivilpolizisten los. Manuel Willi
spricht von "massiven Tätlichkeiten". Der Warnschuss sei für
den Polizisten wohl die einzige Möglichkeit gewesen, um sich in
dieser bedrohlichen Situation zu schützen.
Gegen den Angehaltenen wird eine Anzeige eingereicht.
Gegen weitere Beteiligte wird ermittelt.
tob
Seite 25
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Nach dem Spiel SC Bern - HC Lugano
Polizei schiesst wegen Hooligans
Tessiner Hooligans haben nach dem Spiel SCB - Lugano am
Samstag zwei Berner mit Schlaginstrumenten attackiert. Der Angriff war
derart brutal, dass ein Polizist zur geladenen Waffe griff - er feuerte
in die Luft.
Bereits vor der Hockeypartie zwischen Bern und Lugano
pöbelten sich rivalisierende Fangruppen am Samstagnachmittag an.
Nach der Partie gingen die Hooligans dann bei der Tram-Endstation
Guisanplatz aufeinander los. Daraufhin verhafteten zwei Berner
Zivilpolizisten einen Lugano-Fan, der an den Ausschreitungen beteiligt
war.
Für seine Mitkämpfer war das offenbar zu viel.
Gemeinsam und mit Schlagwerkzeugen bewaffnet, gingen sie auf die beiden
Zivilpolizisten los. Laut Polizeimeldung versuchten sie, "ihren
Kollegen zu befreien".
Die Polizisten setzten sich mit Reizstoff zur Wehr. Doch
die Lugano-Hooligans dachten nicht daran, ihren brutalen Angriff
abzubrechen. Erst als einer der Polizisten die geladene Waffe zog und
einen Warnschuss abgab, liessen die Schläger von ihnen ab.
"Pistole als einziges Mittel"
"Ein Polizist will seine Schusswaffe nie einsetzen", sagt
Manuel Willi, Chef der Regionalpolizei Bern auf Anfrage dieser Zeitung.
"Doch zu Tode prügeln lassen müssen sie sich auch nicht. Die
Pistole einzusetzen, war das einzige Mittel." Durch den Warnschuss sei
niemand verletzt worden. "Einen Warnschuss kann man gezielt abgeben,
sodass keine Gefahr für Menschen besteht."
Gegen diese "Horde Hooligans" seien die zwei Polizisten
chancenlos gewesen, sagt Manuel Willi. "Die Schläger waren in
grosser Überzahl. Sie haben die Gunst der Stunde genutzt."
Normalerweise würden die Polizisten in solchen Fälle schnell
Unterstützung erhalten. Doch diese Verstärkung blieb am
Samstag aus, was laut Manuel Willi immer passieren kann. "Solche
Situationen entwickeln sich dermassen schnell." Das zu
überwachende Gebiet rund um die Postfinance-Arena sei gross. "Wir
können nicht an jeder Ecke eine grosse Truppe Polizisten
aufstellen."
Angriffe gegen die Polizei
Manuel Willi spricht von "massiven Tätlichkeiten".
Doch die Heftigkeit der Gewalt überrasche ihn nicht. "Wir kennen
bei Sportveranstaltungen schon seit langem eine hohe Qualität von
Angriffen gegen die Polizei." Allerdings seien die Vorfälle an
SCB-Spielen in letzter Zeit zurückgegangen.
Doch nun mussten sich am Samstag Polizisten in Bern
erstmals mit dem Gebrauch der Schusswaffe gegen Hooligans wehren. "Bis
auf einen sind nach dem Warnschuss alle Täter geflüchtet."
Den zurückgebliebenen konnten die beiden Polizisten
überwältigen. Am Samstag wars eine Warnschuss. "Die
nächste Stufe wäre ein Schuss ins Bein", sagt Manuel Willi.
Und was sagt der SC Bern? Via Mediensprecher lässt
CEO Marc Lüthi ausrichten: "Offiziell ist mir nichts bekannt von
dem Vorfall." Deshalb könne er sich auch nicht konkret dazu
äussern. Aber grundsätzlich verurteile der SCB jegliche
Ausschreitungen. "Und wenn das Verhalten Uneinsichtiger so weit geht,
dass sich die Polizei veranlasst sieht, von Schusswaffen Gebrauch zu
machen, so verurteilen wir das aufs Allerschärfste."
Tobias Habegger
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20 Minuten 19.10.10
St. Galler Greifer gingen fremd
ST. GALLEN. Die Eingreiftruppe der Stadtpolizei St. Gallen
wird zum Exportartikel: Am Sonntag war die sogenannte Beweissicherungs-
und Festnahmeeinheit am Cup-Match zwischen Schaffhausen und dem FC St.
Gallen im Einsatz. "Wir hatten die St. Galler darum gebeten, weil wir
zu wenig Erfahrung haben", sagt Patrick Caprez, Sprecher der
Schaffhauser Polizei. Und die St. Galler Einheit blieb nicht
untätig: Sie pickte neun Schaffhauser Krawallmacher aus der Menge
und brachte sie samt Videobeweisen zum Untersuchungsrichter. "Sechs
Personen erhalten eine Busse wegen Hinderung einer Amtshandlung", so
Untersuchungsrichter Willi Zürcher. Drei mutmassliche Chaoten
mussten gar im Gefängnis übernachten. "Ein Mann wurde wegen
Gewalt und Drohung gegen Beamte verurteilt", so Zürcher. Er und
Caprez können sich vorstellen, dass die St. Galler bei einem
Risikospiel wieder gerufen werden. sas
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Mit Schnellrichter gegen Hooligans
SCHAFFHAUSEN. Im Schnellverfahren hat das Schaffhauser
Untersuchungsrichteramt gestern einen 28-jährigen Fussballrowdy
wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte verurteilt. Der Kanton
Schaffhausen hat damit das Schnellverfahren erstmals im Zusammenhang
mit Sport angewandt. Wie der leitende Untersuchungsrichter Willy
Zürcher sagte, wurde der Mann zu einer bedingten Geldstrafe von 30
Tagessätzen à 50 Franken verurteilt. Zudem muss er 300
Franken Busse bezahlen. Eine Busse gibt es auch für einen zweiten
Festgenommenen. Das Verfahren gegen einen dritten Hooligan wird an den
Kanton Zürich überwiesen. Dort ist gegen den Mann bereits ein
Strafverfahren im Gange. Dabei gehe es ebenfalls um Delikte im
Zusammenhang mit Fussball. Die drei waren - mit sechs anderen - am
Sonntag nach dem Cupspiel Schaffhausen - St. Gallen (2:6) festgenommen
worden.
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POLICE BE
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BZ 23.10.10
Langenthal
Sicherheitschef kritisiert Police Bern
Langenthal ist nicht zufrieden mit der Einheitspolizei. Es
seien Modifikationen nötig, sagt Sicherheitschef Andreas Ryf.
Langenthal wollte die kantonale Einheitspolizei nicht.
Doch 2007 hat das Bernervolk Ja dazu gesagt. Deshalb muss ausgerechnet
der ehemalige Langenthaler Stadtpräsident Hans-Jürg
Käser (FDP), inzwischen seit 2006 kantonaler Polizeidirektor, das
Projekt "Police Bern" umsetzen - auch in Langenthal. Anfang dieses
Jahres wurde die Stadtpolizei in die Kantonspolizei integriert. Nach
knapp zehn Monaten zieht Andreas Ryf, Vorsteher des städtischen
Amts für öffentliche Sicherheit, eine zwiespältige
Bilanz: "Nicht alles ist gut bei der Einheitspolizei", sagte er am
Donnerstagabend an einem Anlass der Bildungsgruppe Horizont von SP und
Gewerkschaften, "aber es ist auch nicht alles schlecht." Das System
Einheitspolizei habe "gewisse Mängel". Für Ryf ist deshalb
klar: "Es braucht Modifikationen."
"Kein Einfluss"
Das Hauptproblem ortet der Langenthaler Sicherheitschef
darin, dass die Gemeinden zwar nach wie vor die Verantwortung tragen
für sicherheits- und ortspolizeiliche Aufgaben, aber keine
Instrumente mehr haben zu deren Erfüllung. Sie müssen die
entsprechenden Leistungen bei der Kantonspolizei bestellen. Doch dabei
kann Langenthal laut Ryf nicht im Detail Einfluss nehmen: "Es besteht
kein Einfluss auf die operative Umsetzung der Massnahmen seitens der
Gemeinde." Und es fehle an Flexibilität.
Zu Problemen führe dies vor allem im Bereich der
Prävention, erklärte Ryf. So könne Langenthal
beispielsweise nicht im Detail sagen, wie und wann die Kantonspolizei
Patrouillen durchführen solle. Und die Kantonspolizei betreibe
auch nicht "in dem von uns gewünschten Ausmass" Radarkontrollen.
"Bürgerwehren"
Dies hat laut Ryf eine Entwicklung zur Folge, die ihm
Sorgen bereitet: Es gebe eine neue Tendenz zu "Bürgerwehren" und
privaten Sicherheitsanbietern. So setze zum Beispiel auch Langenthal
die Securitas für Patrouillen ein.
Im Notfall komme die Kantonspolizei aber sofort, und die
Polizisten seien sehr gut qualifiziert und motiviert, betonte Ryf.
Für ihn ist denn auch klar: "Trotz den Knörzen, die es bei
der Umsetzung der Einheitspolizei gibt, ist die Sicherheit in
Langenthal jederzeit gewährleistet." Die Probleme, die sich in den
ersten Monaten gezeigt haben, seien lösbar. Und: Sie seien
für Projekte und Umorganisationen dieser Grössenordnung
"normal".
Als weitere Negativpunkte sieht Ryf den grossen
administrativen Aufwand, den die Kantonspolizei hat, um für die
von den Gemeinden bestellten Leistungen Rechnung zu stellen, sowie "die
ungerechten finanziellen Beiträge". Langenthal müsse
jährlich 650 000 Franken bezahlen, kleinere Gemeinden nichts.
Ryf nannte aber auch Vorteile der Police Bern: Es gebe mit
der Kantonspolizei einen Ansprechpartner für die Bürger. Und
die Gemeinden würden von Aufgaben entlastet, die polizeiliche
Kompetenzen erforderten. Zudem liege die Verantwortung für die
Umsetzung von polizeilichen Massnahmen klar bei der Kantonspolizei.
Sicherheitsanalyse
Für Ryf ist denn auch klar, dass das Rad nicht mehr
zurückgedreht werden soll. Es brauche aber Verbesserungen.
Langenthal stehe diesbezüglich in ständigem Kontakt mit der
Kantonspolizei.
Ryf setzt zudem auf das Sicherheitskonzept, welches die
Stadt derzeit erarbeitet. Grundlage dafür wird eine
Sicherheitsanalyse sein, für die auch die Bevölkerung befragt
wird. "Wenn wir diese Analyse haben, werden wir der Kantonspolizei viel
genauer Aufträge erteilen können", sagte er.
Dominic Ramel
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BZ 21.10.10
Gewalt gegen Behörden
Die Angst der Polizei
Die Hooligans, die am vergangenen Samstag in Bern zwei
Zivilpolizisten angegriffen haben, sind kein Einzelfall. Immer
öfter werden Polizisten zur Zielscheibe aggressiver Bürger.
Eine Umfrage bei der Stadtpolizei Zürich zeigt: Jeder
dritte Polizist hat Angst vor tätlichen Angriffen. Zwar haben sich
die Zürcher letzten Herbst mit einer gezielten Aktion auf der
Strasse wieder Respekt verschafft. Dies war dank Absprachen mit der
Justiz möglich. Die Regel ist dies allerdings nicht:
Gewalt und Drohung gegen Behörden werden von den Richtern, wenn
überhaupt, dann milde bestraft. Der Verband schweizerischer
Polizisten fordert härtere Strafen.
as
Seite 5
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Gewalt gegen Polizisten
Dein Freund und Prügelknabe
Schläge, Spucke, Schimpfworte: Bei der Ausübung
ihrer Pflicht müssen Polizisten massiv einstecken. Viele
Ordnungshüter fürchten sich mittlerweile auf der Strasse. Von
Justiz und Politik fühlen sie sich im Stich gelassen.
Letzten Samstag auf dem Berner Guisanplatz: Nach dem Spiel
SCB - Lugano gehen Hooligans aufeinander los. Zwei Polizisten in zivil
verhaften einen der gewalttätigen Fans. Daraufhin werden sie von
dessen Hooligan-Kollegen angegriffen und können sich nur noch mit
einem Warnschuss in die Luft retten (Ausgabe von Dienstag).
Auch bei weniger riskanten Einsätzen werden
Polizisten zur Zielscheibe aggressiver Bürger. So unlängst in
der Stadt Bern, als Polizisten einen dunkelhäutigen Mann
abführten. Laut Manuel Willi, Chef Regionalpolizei Bern, weil
dieser "ein schweres Verbrechen begangen hat". Auf der Strasse
solidarisierten sich fremde Leute mit dem Täter und beschimpften
die Beamten.
Jeder Dritte hat Angst
Dies sind keine Einzelfälle. Bei ihrer Arbeit werden
Polizisten angepöbelt, angerempelt, geschlagen und bespuckt.
"Police", das offizielle Organ des Verbands schweizerischer
Polizei-Beamter (VSPB), nennt in seiner aktuellen Ausgabe Zahlen aus
der Kriminalstatistik des Bundes. Danach sind Gewalt und Drohung gegen
Behörden zwischen 1990 und 2008 von 323 erfassten Straftaten auf
2024 angestiegen. In über 90 Prozent der Fälle waren
Polizisten betroffen. Gemäss einer Umfrage bei der Stadtpolizei
Zürich fürchtet sich jeder dritte Polizist vor tätlichen
Angriffen im Dienst.
Für Bern gibt es zwar keine Zahlen. "In der Tendenz
sieht es bei uns aber ähnlich aus", sagt Rolf P. Steinegger,
Präsident der VSPB-Sektion Bern. Wehre sich ein Polizist mit den
gesetzlich zulässigen Mitteln gegen die Gewalt, dann müsse er
mit einer Klage rechnen, so Steinegger, der die Polizisten als Anwalt
vor Gericht vertritt. "Ein Polizist, der eine Person anhält, hat
häufig eine Gegenklage am Hals." Zwar würden die Beamten
meist freigesprochen. Das lange Verfahren sei jedoch belastend und
könne der Karriere schaden.
Letzen Herbst verschaffte sich die Zürcher
Stadtpolizei in Absprache mit der Justiz wieder Respekt auf der
Strasse. Wer Polizisten angriff oder behinderte, wurde sofort dem
Staatsanwalt zugeführt. Laut Polizeisprecher Marco Cortesi zeigte
die Aktion Wirkung. Allerdings droht diese zu verpuffen. "Es wäre
deshalb wünschenswert, dass die Justiz das Strafmass konsequent
anwendet und ausschöpft."
Denn renitente Bürger müssen in der Regel nicht
mit Konsequenzen rechnen. Viele der Verfahren wegen Drohung und Gewalt
gegen Beamte oder Behinderung einer Amtshandlung werden von der Justiz
eingestellt. Zumindest in Zürich. Dort sind es durchschnittlich
zwischen 12 und 19 Prozent. Für Bern gibt es keine Zahlen.
Kommt es doch zu einer Verurteilung, sprechen die Richter
oft bedingte Geldstrafen aus. "Bei Gewalt und Drohung gegen Beamte soll
die Justiz endlich das Strafmass ausnützen", sagt auch
VSPB-Generalsekretär Max Hofmann. Letzten November reichte die
Polizeigewerkschaft eine entsprechende Petition im Bundesparlament ein.
Darin fordert sie unter anderem die Wiedereinführung kurzer
Haftstrafen. Diese sollen deutlich machen, dass Übergriffe auf
Beamte keine Kavaliersdelikte sind. Zudem sollen Drohung und Gewalt
gegen Beamte künftig zwingend mit Haft bestraft werden. Der
Nationalrat wies die Petition an die Kommission zurück mit dem
Auftrag, einen Vorstoss auszuarbeiten. "Für uns ist das schon ein
riesiger Sieg", sagt Hofmann.
Das Sträuben von Justitia
Deutliche Zeichen von Politik und Justiz wünscht man
sich zwar auch bei der Berner Polizei. Mit der Justiz allzu hart ins
Gericht gehen mag hier aber keiner. Für Rolf P. Steinegger von der
VSPB-Sektion Bern ist klar, dass Konflikte zwischen Justiz und Polizei
geklärt gehören. "Weil die Strafverfolgungsbehörden als
Einheit funktionieren müssen, ist es aber gefährlich,
grundsätzlich einen Keil zwischen Polizei und Justiz zu treiben."
Justitia scheint da weniger zimperlich: Zwar müsse man Polizisten
im Einsatz schützen, sagt der Berner Obergerichtspräsident
Christian Trenkel. "Da hat man bisher wohl zu wenig getan." Welche
Massnahmen zu ergreifen seien, müsse aber breit diskutiert werden.
Ob eine Mindeststrafe nützt, bezweifelt Trenkel. "Die seit Jahren
bestehende Unterdotierung der Polizei kann so jedenfalls nicht
aufgefangen werden."
Andrea Sommer
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Warnschuss
Abklärungen laufen
Ein Warnschuss werde so abgegeben, dass keine Gefahr
für Menschen bestehe, sagte Manuel Willi von der Berner Polizei
nach der Schussabgabe auf dem Guisanplatz. Dass ein Schuss in die Luft
gefährlich sein kann, zeigten Tests der deutschen Armee für
eine Wissenssendung des Deutschen Fernsehens. Dabei kehrten die Kugeln
vier Mal langsamer zur Erde zurück, als sie abgeschossen wurden.
Trotzdem reichte ihre Durchschlagskraft aus, menschliches Gewebe und
Knochen zu durchdringen. Bei der Berner Polizei ist man sich dessen
bewusst. Willi: "Ein Warnschuss wird in der Regel nicht in die Luft,
sondern wenn möglich in weiche Erde abgegeben." Wohin der Polizist
am Samstag schoss, werde derzeit abgeklärt.
as
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POLICE BS
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Basellandschaftliche Zeitung 20.10.10
Polizei ist in der Stadt dauerpräsent
Sicherheit Nach Saubannerzügen gehören
Polizeipatrouillen in der Innenstadt zur Tagesordnung
Yen Duong
Es war ein rabenschwarzer Monat für die Basler
Polizei: Am 1. Mai hinterliessen rund 120 Vermummte bei einem
Saubannerzug durch Basel eine Spur der Zerstörung. Auf der
gesamten Strecke wurden unzählige Liegenschaften und Tramzüge
versprayt - zudem warfen die Chaoten einen Molotowcocktail in den
Eingangs- bereich des Polizeipostens Clara.
Rund drei Wochen später, am 21. Mai, spielten sich in
der Basler Innenstadt ähnlich wüste Szenen ab: Innert
fünf Minuten zertrümmerten vermummte Chaoten etliche
Schaufenster in der Freien Strasse. Die Konsequenz: Der Basler
Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass und sein Polizeikommandant Gerhard
Lips einigten sich mit Gewerbedirektor Peter Malama und
Pro-Innerstadt-Präsident Urs Welten, dass die Polizei provisorisch
ihre Patrouillentätigkeit entlang der Achse
Heuwaage-Steinen-Barfüsser- platz-FreieStrasse-Marktplatz
verstärkt.
Meist auf der Strasse im Einsatz
Seither ist die Dauerpräsenz der Ordnungshüter
in der Innenstadt kaum zu übersehen. Und das wird auch so bleiben.
Denn was ursprünglich als vorübergehende Massnahme vorgesehen
war, wird nun fester Bestandteil des Polizeialltags. "Die
verstärkte Präsenz in der Innenstadt ist inzwischen ein
Dauerauftrag geworden. Dies, weil sie sinnvoll ist", bestätigt
Polizeikommandant Gerhard Lips der Basellandschaftlichen Zeitung. Grund
für den Entscheid seien positive Reaktionen der Bevölkerung.
Auch die "Kundschaft" reagiere darauf. "Es gibt seither weniger
Zwischenfälle und Gewalt", sagt Lips weiter. Die verstärkte
Präsenz sei aber nur möglich, wenn nicht gerade andere
Schwerpunktaktionen vorgesehen sind - wie etwa die Herbstmesse.
Laut Gerhard Lips sind die Polizisten nun etwa 60 bis 70
Prozent ihrer Arbeitszeit auf den Strassen unterwegs. Grosse
Umstrukturierungen hätten dafür nicht vorgenommen werden
müssen. "Die positive Entwicklung des Personalbestandes
ermöglicht solche Schwerpunktaktionen. Gegenüber Anfang Jahr
sind wir etwa 30 Personen mehr - das ist spürbar." Zudem werde der
Sollbestand Ende Jahr erreicht.
Büroarbeit bleibt liegen
Dass die Polizei momentan derart stark spürbar ist,
kommt der Basler SVP gelegen. Diese verlangt nämlich mit ihrer
Sicherheitsinitiative eine Erhöhung der uniformierten und
sichtbaren Polizeipräsenz um 30 Prozent. "Die Initiative rennt bei
uns offene Türen ein. Aber was die Initiative will, können
wir momentan nicht gewährleisten", betont Polizeikommandant Lips.
David Gelzer, Präsident des Polizeibeamten-Verbandes Basel-Stadt,
begrüsst grundsätzlich die Strategie von Lips, sagt aber
auch: "Wenn mehr Leute in der Innenstadt präsent sind, dann fehlen
sie in den Quartieren - und auch dort ist die Präsenz nötig.
Ausserdem bleibt die Büroarbeit liegen." Es sei dringend
nötig, dass mindestens 50 zusätzliche Personen - nach
Erreichen des Sollbestandes - eingestellt werden. "Gerhard Lips
beschönigt die Situation", findet Gelzer.
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POLICE LU
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NLZ 20.10.10
Die Polizei wird zum Prellbock
Attacken
Samantha Taylor
Tätlichkeiten gegen Beamte werden immer
häufiger. Auch im Freiamt kam es schon zu einem Vorfall.
Polizisten leben gefährlich. Erst kürzlich wurde
in Aarau ein Beamter während einer Verkehrskontrolle von einem
Motorradlenker angefahren. Der Mann wollte sich der Prüfung
entziehen und raste hemmungslos auf den Beamten zu ("Aargauer Zeitung"
vom 13. Oktober). Und auch im Freiamt geht es nicht immer ganz
friedlich zu. "Wir hatten einen Fall, bei dem ein stark alkoholisierter
Festbesucher mit Biergläsern und Steinen nach uns geworfen hat",
erzählt Bernhard Graser, Mediensprecher der Aargauer
Kantonspolizei.
Dies sind bei weitem nicht die einzigen Beispiele.
Polizisten erhalten heute immer weniger Respekt und bekommen immer mehr
ab. Von Beleidigungen über Beschimpfungen bis hin zu
Tätlichkeiten müssen sie im Dienst einiges einstecken, wie
Graser bestätigt: "Der Respekt ist in den letzten Jahren massiv
gesunken. Wir werden oft nicht mehr als Beschützer, sondern viel
mehr als Prellbock wahrgenommen. Die Leute verlieren immer
häufiger die Hemmungen und die Kontrolle."
Ein Vorfall wie in Aarau sei aber die Ausnahme, versichert
er. Das grösste Aggressionspotenzial liege dort, wo sich die Leute
amüsieren: "Dass jemand bei einer Verkehrskontrolle aggressiv
reagiert, ist selten. Viel häufiger werden wir am Wochenende von
jungen Herren angegriffen." Der Grund: Der Alkohol- und der
Drogenkonsum verleiten viele dazu, ihre Grenzen zu überschreiten.
Mit Alkohol fallen Hemmungen
Nicht überall sind solche Attacken gleich
häufig. So kann sich glücklich schätzen, wer seinen
Dienst im Freiamt leistet. Denn hier scheint die Welt noch etwas heiler
zu sein. Laut Graser gibt es dafür eine ganz simple
Begründung. "Die Übergriffe finden vor allem dort statt, wo
sich grosse Gruppen von Nachtschwärmern aufhalten, sprich in den
Städten. Im ländlichen Freiamt geht es wesentlich ruhiger
zu." Doch wie das Beispiel des Gläser und Steine werfenden
Festbesuchers zeigt, bleibt auch das Freiamt nicht ganz verschont. "In
solchen Gebieten kommt es vor allem an Dorffesten, Sportveranstaltungen
oder Chilbi zu diesen Situationen, überall dort, wo Alkohol in
rauen Mengen fliesst", bedauert Graser. Und so gilt auch im Freiamt der
Grundsatz: je höher der Pegel, umso geringer die Hemmungen.
Samantha Taylor
redaktion@neue-zz.ch
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POLICE CH
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Wilisauer Bote 19.10.10
Psychologie und Ethik wichtiger
Polizeischule Hitzkirch | Polizei zwischen Helfen und
Intervention
Der zweite Medientag der Interkantonalen Polizeischule
(IPH) in Hitzkirch stand unter dem Thema "Polizei, Dein Freund und … -
zwischen Helfen und Intervention".
Regierungsrätin Sabine Pegoraro, Vorsteherin der
Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft und Präsidentin
der Konkordatsbehörde, betonte, dass der Beruf des Polizisten bzw.
der Polizistin in den letzten Jahren nicht einfacher geworden sei. "Sie
müssen als Freund und Helfer Katzen von den Bäumen holen, sie
müssen Verkehrskontrollen durchführen, sie müssen
Gewalttaten verhindern, sie müssen Amokläufer suchen, sie
müssen Psychologe sein. Und das überall und zu jeder Zeit."
Zu wenig Polizisten
Regierungsrätin Sabine Pegoraro ging auf aktuelle
Ereignisse wie die Demonstrationen und Zusammenstösse mit der
Polizei anlässlich des geplanten Baubeginns Stuttgart 21 oder den
Bieler Amokschützen ein und betonte, dass es eine grosse
Errungenschaft der Neuzeit sei, dass das Gewaltenmonopol bei den
staatlichen Organen, und nur bei diesen, liege. "Dürfte der Staat
keine Gewalt anwenden, so wäre er nicht mehr in der Lage, einen
demokratisch ausgehandelten Beschluss zu schützen und dafür
zu sorgen, dass dieser auch umgesetzt wird." Auch gewaltfreier
Widerstand gegen die Staatsgewalt dürfe nicht einfach hingenommen
werden, weil sonst die Demokratie nicht lange überlebe, betonte
sie.
Allerdings würden die Polizeidirektorinnen und
Polizeidirektoren seit längerem darauf hinweisen, dass der Schweiz
insgesamt 1500 bis 2000 Polizistinnen und Polizisten fehlen.
Finanzierbare Lösungsvorschläge lägen auf dem Tisch.
"Gefordert ist jetzt die Politik: Entweder sie zieht mit oder sie nimmt
Abstriche bei den polizeilichen Leistungen in Kauf und verantwortet
diese auch", sagte die Regierungsrätin.
Höhere Anforderungen
Sowohl Sabine Pegoraro wie auch Beat Hensler,
Präsident des Schulrats und Kommandant der Luzerner Polizei,
betonten in ihren Ausführungen, dass die Anforderungen an den
Polizeiberuf gestiegen seien und sich enorm gewandelt hätten.
Vertrauensumfragen von unabhängigen Institutionen wie
beispielsweise die ETH Zürich zeigten ganz deutlich, dass die
Polizei bei der Bevölkerung ein ausserordentlich hohes Vertrauen
geniesse, so Hensler. "Ein nicht unwesentlicher Faktor ist mit
Sicherheit die Tatsache, dass die Polizistinnen und Polizisten auch
heute noch als Freund und Helfer wahrgenommen werden." Diese Rolle
werde aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen aber mehr und mehr
an den Rand gedrängt. Respekt- und Autoritätsverlust,
Hooliganismus, die Wegwerfmentalität oder auch die Entwicklung zur
Party- und Konsumgesellschaft würden das strafende Eingreifen der
Polizei zunehmend notwendig machen, während "Nebengeschäfte",
die das Image als Freund und Helfer förderten, weitgehend an den
Rand gedrängt würden.
Ausbildung hat sich verändert
Selbstverständlich gebe es Bestrebungen, diesen
Tendenzen entgegenzuwirken, zum Beispiel durch das Community Policing
(bürgernahe Polizei), die Quartierpolizisten als Bindeglieder
zwischen der Bevölkerung und der Polizei oder durch vermehrte
Fusspatrouillen und neue, modische Erscheinungsformen wie
Bike-Patrol-Polizisten, die das subjektive Sicherheitsgefühl der
Bevölkerung erhöhen und den Dialog stärken.
Dem werde auch in der Ausbildung Rechnung getragen, sie
wurde in den letzten Jahren stark verändert und den
gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst. Neben den bisherigen
typischen Polizeifächern wie Verkehrsunfälle aufnehmen,
Festnahmetechniken, Schiessen etc. werde seit einigen Jahren ein neues
Schwergewicht auf Fächer mit Softfaktoren gelegt, z. B. Community
Policing, Psychologieausbildung oder Ethik, erläuterte Hensler.
"Heute sind nicht mehr nur polizeispezifische Fähigkeiten gefragt.
Gerade weil der Respekt gegenüber Autoritäten stark
zurückgegangen ist, sind psychologisches Geschick und ethisch
korrektes Verhalten besonders wichtig geworden", so Hensler.pd/WB
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BIG BROTHER
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BZ 23.10.10
Fichenaffäre
Staatsschutz darf jedermann fichieren
Der Nachrichtendienst soll weiterhin auch Personen
fichieren dürfen, die nicht verdächtig sind, hält der
Bundesrat fest.
Im Sommer hatte die parlamentarische Aufsicht
schwerwiegende Vorwürfe erhoben: Der Nachrichtendienst habe in den
vergangenen Jahren im Umgang mit Daten die Gesetze nicht eingehalten.
Er habe auf Vorrat Daten gesammelt, ohne diese auf ihre Relevanz zu
prüfen. In der Staatsschutz-Datenbank Isis seien 200 000 Personen
registriert. Darunter seien 80 000 Drittpersonen, die lediglich einen
Bezug zu einer staatsschutzrelevanten Person haben.
Gestern hat der Bundesrat nun seine Stellungnahme
veröffentlicht. Er zeigt sich bereit, Änderungen vorzunehmen.
Nichts ändern will er aber am Umgang mit sogenannten
Drittpersonen: Dem Staatsschutz soll es weiterhin erlaubt sein,
Personen zu erfassen, die selbst nicht verdächtig sind, aber einen
Bezug zu verdächtigen Personen oder Organisationen haben.
Daten wurden nie gelöscht
In die Isis-Datenbank dürften zwar nur
staatsschutzrelevante Daten Eingang finden, hält der Bundesrat
fest. Dies schliesse aber nicht aus, dass "unbescholtene Bürger"
rechtmässig in die Datenbank gelangen könnten. Würden
Drittpersonen definitiv als unbedenklich eingestuft, seien die Daten
jedoch zu löschen, schreibt der Bundesrat. Dies habe der
Nachrichtendienst in der Vergangenheit versäumt. Die Prozesse
sollen nun überprüft und wo nötig angepasst werden.
Für neue Einträge gelten seit Juli neue Richtlinien.
Allgemein soll der Nachrichtendienst künftig die Qualität vor
die Quantität stellen.
Auskunft über eigene Fiche
Wie der Bundesrat bereits früher angekündigt
hatte, soll auch das Auskunftsrecht verbessert werden: Wer wissen will,
ob der Nachrichtendienst Informationen über ihn sammelt, soll dies
künftig erfahren dürfen.
Der Bundesrat kündigt weitere rechtliche Anpassungen
an. Er betont aber, die Staatsschutzorgane dürften nicht
geschwächt werden. Es sei im Gegenteil zu prüfen, wie ihre
Effektivität und Effizienz erhöht werden könne, ohne
dass die Grundrechte "ungebührend" eingeschränkt würden.
Dies sei nach dem 11. September 2001 unbedingt angezeigt. Der Schweizer
Staatsschutz solle mehr dürfen, als er heute darf - zum Beispiel
präventiv Telefonate abhören.
sda
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Bund 23.10.10
Der Geheimdienst verliert Tausende von Daten
Der Bundesrat will die Isis-Datenbank entrümpeln und
die Datensammlung strenger regeln. Davon profitieren vor allem
Ausländer.
Fabian Renz
Von einem neuen Fichenskandal war die Rede, als die
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlaments im Sommer
einen Bericht über die Methoden der Schweizer "Schlapphüte"
publizierte. Zehntausende von Personen wurden demnach aufgrund
willkürlicher Kriterien und exzessiver Kontrollwut des
Nachrichtendienstes zu Unrecht in der geheimen Staatsschutz-Datenbank
Isis registriert.
Gestern nun hat der Bundesrat seine Stellungnahme dazu
publiziert. Und er gibt sich, trotz partieller Kritik an der
"unausgewogenen" Darstellung, einsichtig: Die Mehrzahl der
GPDel-Ratschläge zur Neuausrichtung von Isis akzeptiert er. Die
wichtigsten davon:
Sperrung fragwürdiger Daten: Die GPDel schlägt
vor, alle Isis-Daten, die vor fünf Jahren oder früher erfasst
wurden, provisorisch für die Verwendung zu sperren. Ein externer
Datenschutzbeauftragter solle dann innert nützlicher Frist
über die Freigabe bzw. Löschung entscheiden. Der Bundesrat
will diese Empfehlung befolgen, wie er schreibt. Künftig solle die
Datensammlung und -verwaltung überdies verstärkt nach dem
Prinzip "Qualität statt Quantität" erfolgen; entsprechende
Reorganisationen würden eingeleitet.
Beendung der Fotopasskontrolle: Bürger bestimmter
Länder wurden bislang bei Überquerung der Schweizer Grenze
über das Programm Fotopass automatisch in der Isis-Datenbank
gespeichert. Der Bundesrat erklärt sich nun bereit, die
Fotopasskontrolle einzustellen und die entsprechenden Datensätze
zu löschen. Geplant ist ein "Nachfolgeprojekt".
Drittpersonen: Nicht befolgen will der Bundesrat eine
andere Empfehlung der Delegation: Es soll seiner Meinung nach keine
gesetzliche Definition der Kategorie "Drittpersonen" geben, jener
Fichierten, die selber unbescholten sind, aber beispielsweise wegen
Kontakten zu Verdächtigen im Isis landen. Auf Verordnungsstufe sei
dies genügend geregelt, findet der Bundesrat. Darüber hinaus
hält er ausdrücklich fest, dass die Registrierung von
Drittpersonen rechtmässig und für die geheimdienstliche
Arbeit notwendig sei.
Der Präsident der GPDel, SP-Ständerat Claude
Janiak, ist dennoch zufrieden mit der bundesrätlichen Antwort. Sie
trage der Kritik der Parlamentarier grösstenteils Rechnung. Die
GPDel werde in ein bis zwei Jahren prüfen, ob die
Ankündigungen umgesetzt worden seien.
Indes gibt es zum neuen Isis-Regime auch kritische
Stimmen. Der Hintergrund: Die meisten Registrierten sind
Ausländer. So zum Beispiel die 52 000 Personen, die aufgrund der
Fotopasskontrolle im Isis landeten - und die daraus nun wieder
verschwinden werden, ebenso wie auch die Fotopassmethode als solche
verschwinden soll.
SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer hat ein ungutes
Gefühl dabei: "Es gibt ja durchaus Hinweise, dass unsere offenen
Grenzen Anziehungskraft auf Kriminelle ausüben." Da seien
Gegenmassnahmen auf geheimdienstlicher Ebene "mehr als nur
gerechtfertigt". Schlüer will nun abwarten, ob der Bundesrat hier
tatsächlich eine bessere Methode vorschlagen wird.
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NZZ 23.10.10
Qualität statt Quantität
Der Bundesrat reagiert auf die Kritik an der exzessiven
Sammlung von Daten beim Staatsschutz und gelobt Besserung
Laut dem Bundesrat hat der Staatsschutz nicht rechtswidrig
Daten gesammelt, doch nimmt die Regierung die Kritik der
Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments weitestgehend auf.
Niklaus Nuspliger, Bern
In einem Bericht von Ende Juni war die
Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) der eidgenössischen
Räte mit dem Staatsschutz hart ins Gericht gegangen. Der
mittlerweile im neuen Nachrichtendienst des Bundes (NDB) aufgegangene
Inlandgeheimdienst DAP (Dienst für Analyse und Prävention)
habe bei der Datenbearbeitung im Staatsschutz-Informationssystem Isis
den gesetzlichen Anforderungen "in keiner Art und Weise" entsprochen,
hielt die GPDel fest. Daten von 120 000 Personen und 80 000 (nicht
direkt staatsschutzrelevanten) Drittpersonen hatten sich
angehäuft. Aufgrund von Stichproben äusserte die GPDel
Zweifel, ob bei der Datenerfassung die gesetzlichen Kriterien der
Richtigkeit und Relevanz berücksichtigt worden seien. Zudem sei
die vorgeschriebene periodische Überprüfung der Daten oft
nicht erfolgt.
Wer darf fichiert werden?
Am Freitag hat der Bundesrat nun seine Stellungnahme zum
Bericht veröffentlicht. Die Kritik, die DAP-Verantwortlichen
hätten die Probleme heruntergespielt oder gar tatsachenwidrig
darüber informiert, weist der Bundesrat aber ebenso zurück
wie den Vorwurf der Untätigkeit an die Adresse der früheren
Aufsicht im Polizei- und Justizdepartement. Auch die "pauschale
Gleichsetzung" von Pendenzen mit Rechtswidrigkeit akzeptiert der
Bundesrat nicht. Vielmehr, so schreibt er, hätten die
Verantwortlichen bei der Datenerfassung den massgebenden Begriff der
Staatsschutzrelevanz "gesetzeskonform" interpretiert.
Der Bundesrat stützt sich dabei auf ein Gutachten des
Bundesamts für Justiz (BJ), wonach sich der Begriff der
"Staatsschutzrelevanz" "nicht mathematisch-exakt ermitteln" lasse.
Vielmehr sei die Auslegung des Begriffs "zeitgebunden" und hänge
von der Bedrohungslage oder den "momentanen politischen Bedingungen"
ab. Diese Unschärfen belassen dem Staatsschutz weiterhin einen
gewissen Spielraum. Allerdings kommt das BJ zum Schluss, dass die
Staatsschutz-Datenbank Isis "eher den Charakter eines
Verdachtsregisters" hat - was seitens des Nachrichtendiensts vor kurzem
noch bestritten wurde. Gleichzeitig hält das BJ aber fest, dass
auch unbescholtene Personen fichiert werden können, wenn sie etwa
unwissentlich von extremistischen Kreisen kontaktiert werden. Doch sind
nach Auffassung des BJ auch entlastende Hinweise zu registrieren. Und
stellt sich der Verdacht bei der Überprüfung als
unbegründet heraus, habe die Löschung aus der Datenbank
"zügig" zu erfolgen.
Nur das Notwendigste
Was die mangelnde periodische Überprüfung und
(allfällige Löschung) der Daten anbelangt, teilt der
Bundesrat die Kritik der GPDel. "Künftig soll gelten, dass der NDB
die Qualität vor die Quantität stellt", so der Bundesrat.
"Der NDB verpflichtet sich, keine Daten dauerhaft zu bearbeiten, die
das unabdingbar Notwendige für die Erfüllung seines Auftrags
übertreffen." Eine Verringerung der Datenmenge sei auch rein
betriebswirtschaftlich nötig.
Verbesserungen verspricht sich der Bundesrat von einer
Weisung von NDB-Direktor Markus Seiler von Anfang Juli, wonach bei der
Datenerfassung nun restriktiver und gezielter vorgegangen werde. Die
Qualitätssicherung soll zudem auf Verordnungsstufe klarer geregelt
werden, auch im Hinblick auf den geplanten Ersatz von Isis durch ein
neues System per 2012. Um die Datenmenge zu verringern, sollen neu auch
Daten, die bloss die Tätigkeiten des NDB dokumentieren, nicht mehr
in der eigentlichen Staatsschutz-Datenbank abgelegt werden.
Auskunft unter Vorbehalt
Der Bundesrat ist bereit, fast allen der 17
GPDel-Empfehlungen Folge zu leisten - was der GPDel-Präsident und
Baselbieter SP-Ständerat Claude Janiak mit "grosser Zufriedenheit"
quittierte. So sollen auch Daten, die seit mindestens fünf Jahren
nicht überprüft worden sind, bis zu deren Beurteilung
gesperrt werden. Das Departement für Verteidigung,
Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) wird beauftragt, das Prozedere
zur Freigabe zu regeln und eine "vom NDB unabhängige Stelle"
beizuziehen.
Weiter ist der Bundesrat bereit, das Programm
"Fotopasskontrolle" in seiner heutigen Form aufzulösen. Mit dem
Programm werden Bürger bestimmter Länder bei der Einreise in
die Schweiz automatisch registriert. Auf die Methodik will der NDB aber
nicht verzichten: Über ein Nachfolgeprojekt will er der GPDel
"klassifiziert" Bericht erstatten. Schliesslich will der Bundesrat in
einer unmittelbar bevorstehenden Minirevision des Gesetzes über
die Wahrung der inneren Sicherheit ein Auskunftsrecht einführen.
Wer glaubt, in der Staatsschutz-Datenbank zu figurieren, kann
darüber neu Auskunft verlangen. Analog zur Regelung im
Bundesgesetz über die polizeilichen Informationssysteme kann der
NDB aber übergeordnete Geheimhaltungsinteressen geltend machen.
Im Hinblick auf die per Ende 2012 geplante Ausarbeitung
eines neuen Nachrichtendienstgesetzes macht der Bundesrat aber auch
deutlich, dass er einen starken und effizienten Nachrichtendienst
für unabdingbar hält. Der präventive Staatsschutz
rechtfertige bei existenziellen Bedrohungen von Demokratie und
Rechtsstaat Einschränkungen der informationellen Selbstbestimmung,
damit die Bürger ihre Grundrechte dauerhaft ausüben
könnten.
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NLZ 23.10.10
Bundesrat lässt weiter fichieren
Fichenaffäre
Karl Fischer
Der Wirbel war gross, die Konsequenzen sind um einiges
kleiner. Der Bundesrat verlangt vom Staatsschutz mehr Sorgfalt, legt
ihn aber nicht in Ketten.
Karl Fischer
schweiz@neue-lz.ch
In der Datenbank des Staatsschutzes (Isis) sind 200 000
Personen registriert. Darunter befinden sich 80 000 sogenannte
Drittpersonen, die von den Staatsschützern in die Kartei
aufgenommen wurden, weil sie in einem Bezug zu einer Person stehen, die
vom Staatsschutz observiert wird. Das kann eine völlig
zufällige Begegnung sein, etwa während einer Kundgebung.
Praxis wird nicht geändert
An dieser Praxis will der Bundesrat nichts ändern.
Der Nachrichtendienst soll weiterhin Personen fichieren dürfen,
die nicht direkt verdächtig werden und somit landläufig als
"unbescholtene Bürger" gelten. Dies bekräftigt er in seinem
gestern veröffentlichten Bericht, in dem er zu den Vorwürfen
der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlamentes
Stellung nimmt.
Die GPDel hatte im Sommer heftige Kritik am Staatsschutz
geübt. Dieser habe auf Vorrat Daten gesammelt, dabei die Gesetze
missachtet und damit sozusagen eine neue Fichenaffäre losgetreten.
Die GPDel verlangte daher eine klare Definition, wer als "Drittperson"
gelte. Das lehnt der Bundesrat ab. Der Begriff sei bereits klar
geregelt, argumentiert er und verweist auf ein Rechtsgutachten des
Bundesamtes für Justiz. Das war zum Schluss gekommen, die
Staatsschutz-Datenbank habe zwar den Charakter eines
Verdachtsregisters. Das heisse nicht, dass darin nur Verdächtige
eingetragen werden dürften.
Einträge wurden nicht gelöscht
Der Bundesrat räumt ein, falls Drittpersonen definitv
als unbedenklich eingestuft würden, müssten diese in der
Isis-Datenbank gelöscht werden. Das, so gibt er zu, sei bisher nur
unzureichend erfolgt. Die Fichen wurden eben nicht zügig
gelöscht. Laut der GPDel betrifft dies einen Pendenzenberg von
rund 100 000 Eintragungen. Der Bundesrat wehrte sich, diese Pendenzen
dürften nicht pauschal als Schlamperei verurteilt werden.
Einverstanden ist der Bundesrat mit der von der GPDel geforderten
Datensperre: Daten, die vor fünf Jahren oder früher erfasst
und seither nicht überprüft wurden, bleiben gesperrt.
Der Nachrichtendienst muss die Daten überprüfen.
Ob er sie danach wiederverwenden darf oder löschen muss, soll ein
externer Datenschutzbeauftragter entscheiden. Jean-Philippe Walter, der
Stellvertreter des Datenschützers Hanspeter Thür,
erklärte gestern gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, dass
der Bundesrat hier Mängel eingestehe, sei "insgesamt positiv".
Wichtig sei nun, dass der Nachrichtendienst die gesammelten
Informationen überprüfe und entscheide, welche für die
innere Sicherheit relevant seien und welche nicht: "Man wird schauen
müssen, was konkret getan wird", sagte Walter.
Auskunftsrecht wird verbessert
Wie der Bundesrat bereits früher angekündigt
hatte, soll auch das Auskunftsrecht verbessert werden: Wer wissen will,
ob der Nachrichtendienst Informationen über ihn sammelt, soll dies
künftig erfahren dürfen.
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20 Minuten 21.10.10
Die Fichenaffäre kommt ins Kino
ZÜRICH. Überwacht, unterdrückt, verleumdet:
"Manipulation" erzählt von den Machenschaften der hiesigen
politischen Polizei, die 1989 für einen Riesenskandal sorgten. Der
Polit-Thriller ist hochkarätig besetzt.
1956: Der Schweizer Staatsschutz überwacht 10 Prozent
der eigenen Bevölkerung. Als ein kompromittierendes Foto den
Starreporter Werner Eiselin als sowjetischen Spion entlarvt, nimmt sich
dieser im Verhörraum das Leben. Spezialagent Urs Rapold von der
Antispionage-Abteilung plagen Zweifel: Waren die Fotos wirklich echt?
Und warum hat der einflussreiche PR-Berater Dr. Harry Wind die Fotos
überhaupt machen lassen? "Manipulation" basiert auf Walter
Matthias Diggelmanns Roman "Das Verhör des Harry Wind".
Produzent des Films ist der Basler Alex Martin. Er wurde
selbst fichiert: "Pascal Verdosci, der Regisseur von ‹Manipulation›,
und ich haben damals eine Jugendzeitschrift herausgegeben. Offenbar
hatte deren Titel ‹Gruppe 84› etwas Subversives."
Im Film gehe es um die Schicksale, die die Observation
ausgelöst habe: um die ruinierten Karrieren, die zerstörten
Existenzen. Genau halte sich das Drehbuch nicht an die Romanvorlage.
"‹Manipulation› wird aus der Sicht Rapolds erzählt", verrät
Martin. Der Spezialagent liefert sich mit dem manipulativen PR-Berater
Dr. Harry Wind ein Katz-und-Maus-Spiel. Bis er realisiert, dass er
selbst Teil des Komplotts ist. Golden-Globe-Gewinner Klaus Maria
Brandauer spielt Rapold, Sebastian Koch mimt Dr. Harry Wind: für
Martin eine "Traumbesetzung". Yvonne Zurbrügg
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SQUAT FRIBOURG
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Freiburger Nachrichten 21.10.10
Kollektiv Raie-Manta macht weiter auf sich aufmerksam
Nach zwei Hausbesetzungen hat das Freiburger Kollektiv
Raie-Manta gestern Abend den Musikpavillon auf dem Python-Platz in
Beschlag genommen.
Karin Aebischer
Freiburg Mit Musik, Plakaten, Apfelkuchen und Bier wollte
das Kollektiv Raie-Manta am Mittwochabend erneut auf seine Anliegen
hinweisen. "Squat the world" oder "Die Häuser gehören jenen,
die sie bewohnen" steht auf den weissen Tüchern, die am
Geländer des Musikpavillons auf dem Python-Platz hängen. Auch
Bilder verschiedener besetzter Häuser aus ganz Europa sind zu
sehen. Ziel sei es aufzuzeigen, wie ein besetztes Haus aussehen
könnte, sagt ein Sprecher des Kollektivs gegenüber den FN.
"Wenn wir keinen Platz haben, um Kultur zu leben, nehmen wir uns den
Platz", meint er zur neusten Aktion des Kollektivs. Die Aktionen sollen
fortgeführt werden, bis ein geeignetes Haus gefunden ist. "Wir
brauchen Platz, um uns zu entfalten und Kultur auszuleben", sagt er.
Die Diskussion über mehr Kulturraum werde in der Stadt Freiburg
schon seit Jahren geführt. Leider ohne Erfolg.
Die jungen Frauen und Männer der alternativen Szene
haben seit Ende September durch zwei Hausbesetzungen von sich reden
gemacht (die FN berichteten). Das erste Gebäude an der
Industriegasse haben sie aus eigenen Stücken verlassen. Die zweite
Besetzung wurde mit einem gewaltlosen Polizeieinsatz beendet.
---
La Liberté 21.10.10
Les squatters offrent l'apéro
Marc-Roland Zoellig
A défaut d'immeuble, le Collectif Raie Manta a
squatté, hier après-midi, le kiosque à musique de
la place Python. Le temps d'un apéro festif - qui, ciel maussade
oblige, n'a pas attiré les foules - ses jeunes membres ont
expliqué leur démarche au public. En revenant sur les
circonstances dans lesquelles ils ont été
évacués, il y a un peu plus d'une semaine, de l'immeuble
qu'ils avaient occupé en haut de la Route-Neuve, à
Fribourg.
"Les douleurs des menottes et les regards mornes des
forces de l'ordre nous ramenèrent très vite à la
dure réalité: le capitalisme formate, détruit, tue
- et s'attaque à tout ce qui ne rapporte pas d'argent",
écrivent-ils dans un tract distribué hier aux passants.
En papotant devant un verre de jus de pomme, on constatait très
vite que le collectif était plus décidé que jamais
à concrétiser son projet de vie alternatif. Une nouvelle
occupation paraît d'ores et déjà programmée.
Et les squatters n'ont pas l'intention de collaborer avec les
autorités fribourgeoises, qu'ils accusent de les avoir
réprimés au nom du système marchand.
C'est donc sans autorisation qu'ils ont
déplié leurs tables de pique-nique et leur sono, hier
après midi à la place Python. Disposés à
côté des gâteaux confectionnés pour
l'occasion, plusieurs tracts et publications détaillaient les
raisons conduisant les squatters à investir des locaux
laissés à l'abandon au nom, selon eux, des "logiques pas
franchement humaines du marché", telles que la
spéculation ou de "lointains projets pharaoniques". I
---
Indymedia 20.10.10
erfolgreiches squatter Apéro / Sauvage in Fribourg ::
AutorIn : manta
Heute fand auf dem place georges-python, mitten in Fribourg ein
squatter Apéro mit Musik, Infostand und Feuershow statt. Die
Besetzer wollten damit auf die Räumung und ihren ungebrochenen
Willen aufmerksam machen. Es folgt der text des verteilten tracts:
Freiraum in Fribourg jetzt!
Am frühen Morgen des 12.10 erwachten wir in unserem Haus
durch den gewaltsamen Einbruch des Sondereinsatzkommandos der
Freiburger Polizei. Als wir gefesselt, mit dem Kopf zur bunt bemalten
Wand standen, versuchten wir die schrecklichen Bilder wütender
Möchtegern Antiterror-Einheiten durch Erinnerungen an die letzte
Nacht zu verdrängen:
Denn die Nacht vor der Räumung verbrachten wir zusammen mit
unseren Freundinnen und Freunden - wir musizierten, liebten, tanzten,
gaben den grauen Wänden die Farben des Lebens zurück.
Inmitten der grauen Innenstadt, wo sich Konsumtempel an Konsumtempel
reiht, stand unser Haus offen für alle Personen ohne Uniform. Dies
nutzten viele Passanten um mit uns den Abend in einem befreiten Raum zu
feiern.
Die schmerzenden Fesseln und die toten Blicke der Staatsgewalt
warfen uns jedoch bald wieder auf den Boden der Tatsachen zurück:
Der Kapitalismus normiert, zerstört, tötet - und vertreibt
alles, was kein Geld bringt!
Zur Erinnerung: Wir wollen in einem der leerstehenden
Häuser der Stadt Freiburg neuen Wohnraum erschliessen, einen Raum
für Diskussionen, Filme, Konzerte und Vorführungen
einrichten, eine Bibliothek mit einem Info- und Gratisladen, eine
Volksküche, einen Gemeinschaftsgarten und viele weitere Projekte
ins Rollen bringen.
Die gewaltige Repression, welche die Staatsgewalt, mit der
Galionsfigur Carl-Alex Ridoré, gegen uns richtet, ist durch das
Polit- und Wirtschaftssystem strukturell bedingt. Deswegen wenden wir
uns nicht mit Appellen an die Politik, sondern handeln selbst und
stellen die herrschende Logik grundsätzlich in Frage.
Heute ist nicht alle Tage - wir kommen wieder, keine Frage!
Kollektiv Raie Manta
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SQUAT ZH
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NZZ 23.10.10
Aktivisten besetzen Zürcher Hotel Atlantis
Gebäude seit August ungenutzt
tri. · Aktivisten haben am Freitagmorgen das
einstige Zürcher Nobelhotel Atlantis am Fuss des Üetlibergs
besetzt. Laut einem Flugblatt wollen sie den Ort für
"öffentliche Veranstaltungen, Ausstellungen und
Präsentationen" nutzen. Wie ein Sprecher der Stadtpolizei
Zürich auf Anfrage sagte, steht die Polizei in Kontakt mit den
Besetzern. Anlass zum Handeln gebe es vorerst nicht, es sei noch keine
Anzeige der Genfer Besitzer des 2004 geschlossenen Hotels eingegangen.
Wie viele Personen sich an der Besetzung beteiligen, ist unbekannt. Das
Hotel Atlantis war 1970 als eines der besten Häuser Zürichs
eröffnet worden, Mitte der neunziger Jahre setzte der Niedergang
ein. Von Anfang 2009 bis August dieses Jahres diente es noch als
Übergangszentrum für Asylsuchende.
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KULTUROFFENSIVE LU
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20 Minuten 21.10.10
Kulturoffensive: Traum von Zbinden-Druckerei geplatzt
LUZERN. Die ehemalige Zbinden-Druckerei kann nicht
kulturell genutzt werden. In der Liegenschaft entstehen
Büroräume.
Das ist ein harter Schlag für die Kulturoffensive:
Mit der ehemaligen Zbinden-Druckerei glaubte man den idealen Raum
für Kulturschaffende gefunden zu haben. Doch der Besitzer der
Liegenschaft will davon nichts wissen: Ein Grossteil des seit drei
Jahren leer stehenden Gebäudes sei jetzt vermietet. "Die
Verträge sind unterzeichnet. Da gibt es nichts mehr zu
rütteln", sagte er gestern auf Anfrage. Das Haus werde nun
renoviert und sei am 30. September 2011 bezugsbereit. Einziehen werden
dann Büroangestellte statt Kulturschaffende.
Trotz diesem Rückschlag hält die Kulturoffensive
an ihrem Konzept fest. "Wir brauchen mehr Räume für
Künstler", sagt Irina Lorez von der Kulturoffensive. Denn durch
die Frigorex-Schliessung im nächsten Sommer werde sich die Lage
noch verschlimmern. Jetzt zählt Lorez auf die Hilfe der Stadt:
"Wir hoffen, dass diese nochmals mit dem Besitzer verhandelt." Denn
eine alternative Liegenschaft hat die Kulturoffensive nicht zur Hand.
Das Standortproblem soll nun Ende November bei einem Treffen mit der
Stadt besprochen werden.
Martin Erdmann
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GENEVE BOUGE
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Indymedia 20.10.10
Heisses Wochenende in Genf ::
AutorIn : Calvingrader
Stadt für alle subito! Die Stadt und die Genfer Bullen
erwarten ein heisses Wochenende. Am Freitag findet eine Protestparty
auf der Plaine de Plainpalais statt und am Samstag scheint die Usine
etwas zu planen, was genau ist leider unklar. Die Proteste richten sich
v.a. gegen die Schliessungen alternativer (und teils auch weniger
alternativer) Kulturlokale in den letzten Jahren. Dazu kommt noch, dass
die Faschos ihr von der Navy Bar abgesagtes Konzert offenbar an einem
anderen Ort in der Altstadt planen.
Es begann alles mit einer Facebook-Gruppe: Jemand hat zu der
"grössten Party, die Genf je gesehen hat" aufgerufen und bereits
etwa 5000 haben ihr Kommen angekündigt, während 5000 weitere
noch zögern. Der Anlass soll schliesslich, gemäss
behördlichen Angaben (siehe: https://ch.indymedia.org/fr/2010/10/78217.shtml),
toleriert werden, es scheint jedoch niemand genau zu wissen, was zu
erwarten ist. Viele Leute zweifellos, denn viel Möglichkeiten,
einen Freitagabend mit FreundInnen zu verbringen, ohne dafür ein
Vermögen auszugeben, gibt es in Genf nicht mehr. Der ganze Spass
beginnt um 20 Uhr auf der Plaine de Plainpalais.
Weiter geht's Samstagabend. Die Usine ruft fürs Wochenende
zu einer gigantischen Party in ihren Räumlichkeiten auf. Doch der
Aufruf ist ambivalent, es wird darin nämlich einerseits geklagt,
dass jedes Wochenende mehreren Hundert Leuten der Eintritt verwehrt
werden muss, andererseits aber dazu aufgerufen, alle in die Usine zu
kommen. Die Verantwortlichen liessen durchblicken, dass irgendwas
geplant ist, wollten jedoch nicht sagen was. Die Gerüchte, sie
planten, zu streiken, scheinen nicht ganz aus der Luft gegriffen. Ein
weiteres Gerücht besagt, dass eine Sauvage geplant sei.
Am gleichen Abend soll auch das Konzert des
Faschogrüppchens "Genève non conforme" in der Altstadt
stattfinden, ein Aufruf diesbezüglich wurde bereits auf Indy
gepostet ( https://ch.indymedia.org/de/2010/10/78183.shtml).
Der Aufruf zur Demo ( https://ch.indymedia.org/de/2010/10/78195.shtml)
scheint hingegen ein Fake zu sein, oder zumindest aus zweifelhaften
Quellen zu stammen. Das Konzert wurde von den Verantwortlichen der Navy
Bar abgesagt, sie seien "ehrliche Geschäftsmänner und wollen
keine politischen oder polemischen Veranstaltungen" in ihrer Bar.
Gemäss Angaben auf der Homepage der Nasen soll das Konzert jedoch
in einem anderen Lokal in der Nähe stattfinden, in welchem ist
nicht bekannt.
"Genève non conforme" ist ein kleines,
national-revolutionäres Grüppchen, das wohl aus 5 bis 10
Leuten besteht. Sie sind keine Unbekannten in Calvingrad: Omar
Orlandini war auf der Liste der Thor-Steinar-Besteller, seine Freunde
Kevin und Florian sowie er waren früher leninistische Redskins,
die nun ihre Liebe für die Heimat entdeckt haben. Zuerst bei der
mittlerweile aufgelösten "Unité populaire", gründeten
sie nach dessen Untergang besagtes Grüppchen. Obwohl sie nur
wenige sind, ist es schwierig abzuschätzen, wieviele schliesslich
an diesem Konzert sein werden. Sie sind sicher im Kontakt mit der
Westschweizer Faschoszene, dass bewiesen die Fotos vor ein paar Monaten
von der Kundgebung in Lausanne gegen die Lehre für Sans-Papiers,
wo man sie in Mitten von Jung-SVPlern und den "Jeunesses identitaires"
sieht. Die Links und Ankündigungen auf der Homepage lassen
vermuten, dass auch Kontakte zur PNOS, sowie zu italienischen und
anderen Faschogruppen bestehen.
Die Polizei hat also wohl nicht ganz unrecht, in der Tribune de
Genève zu verkünden, dass dieses Wochenende ihnen Sorgen
bereite ( http://www.tdg.ch/geneve/actu/week-end-festif-geneve-police-dents-2010-10-20).
Für sie wird es demzufolge wohl kein freies Wochenende geben, sie
künden nämlich ein grosses Dispositiv an. Es wird wohl
Überstunden geben für die Cops. Interessanterweise hat die
Polizeigewerkschafte gestern verkünden lassen, die Verhandlungen
bezüglich Überstundenentschädigungen seien beendet und
der Polizeiverantwortlichen Isabelle Rochat quasi den Krieg
erklärt ( http://www.tdg.ch/geneve/actu/syndicats-police-rompent-negociations-2010-10-19).
Alles in allem, eine Gleichung mit ziemlich vielen Unbekannten, aber
sicher nicht ganz das, was sich Bullen und Yuppies unter einem ruhigen
Wochenende vorstellen...
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BAKUNIN
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Tagesanzeiger 22.10.10
Inspiration Schweiz (30)
Bakunin in Minusio
Da kommt der grosse König der Internationale
Tages-Anzeiger
Sein ganzes Leben lang hatte Michail Alexandrowitsch
Bakunin mit Löwenmut und russischen Bärenkräften auf
allen Barrikaden Europas gekämpft. Zweimal war er zum Tode
verurteilt, im Kerker von Olmütz wie Prometheus an die Wand
gekettet und vom Zar persönlich lebenslänglich nach Sibirien
verbannt worden; aber immer wieder hatte er sich befreit und in die
nächste Schlacht geworfen. 1873, nach einer Reihe von Niederlagen
und persönlichen Demütigungen, war Bakunin nur noch
müde, krank und niedergeschlagen. Bakunins Meisterschüler
Netschajew hatte sich als durchgeknallter Hochstapler entpuppt, sein
Erzfeind Marx hatte ihn aus der Internationalen geworfen.
In dieser Stunde der Verzweiflung erschien Bakunin ein
"Engel". Carlo Cafiero, ein reicher italienischer Anarchist, schenkte
seinem Idol eine herrschaftliche Villa in Minusio, nahe der
italienischen Grenze. La Baronata war nicht nur ein
standesgemässes Altersdomizil. Das Haus war auch strategisch
günstig gelegen und so geräumig, dass Bakunin - ein
Pumpgenie, unfähig zu geregelter Arbeit, aber
grosszügig-kommunistisch, wenn er gerade mal Geld hatte - Freunde,
Verwandte und revolutionäre Schnorrer unterbringen konnte. Der
Keller bot Platz für Waffen, Dynamit und Druckmaschinen, den
weitläufigen Park wollte der neue Hausherr zum Mustergarten
anarchischer Landwirtschaft umbauen.
Die Villa Baronata, seine Hölle
An den lieblichen Gestaden des Lago Maggiore vollendete
Bakunin "Staatlichkeit und Anarchie", sein einziges zu Lebzeiten
erschienenes Buch: Jede Regierungsform, auch und gerade die "Diktatur
des Proletariats", tendiere dazu, sich selbst zu verewigen. Macht
korrumpiert Herrscher wie Beherrschte; Sozialismus ohne Freiheit kann
daher nur "Privilegienwirtschaft und Ungerechtigkeit, Sklaverei und
Brutalität" sein. Die Kampfschrift, so wortgewaltig, ausschweifend
und assoziativ sprunghaft wie ihr Autor, wurde für fast hundert
Jahre die Bibel aller Anarchisten: Die russischen
Sozialrevolutionäre folgten begeistert Bakunins Aufruf, ins Volk
zu gehen und demütig seine Erfahrungen zu teilen; die
Studentenbewegung entdeckte ihn 1968 neu als hellsichtigen Kritiker des
despotischen Kommunismus.
Es hätte alles so schön werden können. Aber
ausgerechnet im Paradies fand der "Satan der Revolte" seine letzte
Hölle. Bakunin und die Baronata: Das war eine einzige
Tragödie, ein Missverständnis, wie so vieles in seinem Leben.
Ungeachtet seiner furchteinflössenden Gestalt und seines wilden
Brummens ("Gift, Dolch, Strick - die Revolution rechtfertigt alle
Mittel") war Bakunin ein kindlich gutmütiger Gemütsbär.
Wenn die Kinder dem freundlichen Riesen mit dem Schlapphut begegneten,
riefen sie spöttisch-respektvoll: "Da kommt der grosse König
der Internationale". Jetzt wollte er nur noch ausruhen und seine Wunden
lecken. Aber La Baronata sollte nach dem Willen von Bakunins
Gönner keine gemütliche Seniorenresidenz, sondern das
Hauptquartier der Weltrevolution werden. Cafiero beobachtete mit
wachsendem Befremden, wie der alte Revoluzzer "auf italienische Art,
gemächlich und sorglos" wirtschaftete, wie Ricarda Huch es in
ihrer Bakunin-Biografie formuliert. Am 13. Juli 1874 kams zum Eklat. Am
selben Tag, an dem Bakunin seine Frau Antonia nach zweijähriger
Trennung mit Freudenfeuern begrüsste, vertrieb Cafiero, der Engel,
ihn mit Schimpf und Schande aus dem Paradies.
Der Anarchist lockt Touristen
Bakunin ist wütend und niedergeschlagen. Als selbst
enge Vertraute von ihm abfallen - wie kann ein Anarchist Gemeineigentum
für private Zwecke missbrauchen, ja allen Ernstes
Rechtsansprüche auf ein Geschenk erheben? -, will er nur noch
sterben. Natürlich auf den Barrikaden, ehrenhaft "wie ein Samson",
wie es seinem sentimentalen, theatralischen Naturell entspricht. In
Bologna wirft er sich 1874 noch einmal mit gezückter Pistole in
die Schlacht - und flieht dann doch, zu seiner ewigen Schmach in
Priesterkleidern; Riccardo Bacchelli hat 1927 in seinem Roman "Il
diavolo al pontalungo" Bakunins letzte Komödie beschrieben.
Besiegt und zertreten, physisch, finanziell und politisch-moralisch am
Ende, stirbt der grosse Anarchist 1876 in Bern. Dort, auf dem
Bremgartenfriedhof, wird er auch begraben.
La Baronata, in den Achtzigern von Hausbesetzern mit
Bakunin-Masken zum Gemeineigentum umfunktioniert, ist heute wieder in
Privatbesitz. Der Park ist längst unterhöhlt und verbaut mit
Schnellstrassen, Eisenbahntunneln und Beton. Immerhin blieb der erste
Revolutionstourist am Lago Maggiore nicht ohne Nachfolger: Nur ein paar
Kilometer weiter, auf dem Monte Verità, machten sich wenig
später Anarchisten, Ausdruckstänzer und Vegetarier auf,
seinen Traum von einem gastfreundlichen Haus für Weltverbesserer
aus aller Herren Länder zu verwirklichen.
Heute wirbt Minusio mit dem Propheten schöpferischer
Zerstörung für entspannte Ferien; Immobilienmakler preisen
Luxusappartements mit Blick auf den Schlupfwinkel des
Berufsrevolutionärs an. Michael Schumacher, berichten
Einheimische, soll zeitweilig mit dem Kauf der Baronata
geliebäugelt haben.
Martin Halter
--
Inspiration Schweiz
Wir stellen in dieser Serie Schauplätze in unserem
Land vor - Städte oder Landschaften, die Schriftsteller,
Künstler, Filmemacher und Musiker zu ihren Werken angeregt haben.
Zuletzt erschienen die Folgen Ernest Hemingway in Genf (4. Juni), Erich
Maria Remarque in Porto Ronco (1. Juli), Alfred Hitchcock in St. Moritz
(4. August) und Thomas Bernhard in Zizers und Chur (20. September.).
(TA)
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ANTISEXISMUS
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Indymedia 23.10.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/10/78280.shtml
Wandbild-Aktion gegen Antifeministen: noch mehr Fotos ::
AutorIn : reader
hier noch (viele) mehr Fotos von der Aktion gestern:
http://www.aufbau.org/index.php?option=com_zoom&Itemid=92&catid=85
und eine kleine auswahl
hier noch mehr Fotos von der Aktion gestern:
http://www.aufbau.org/index.php?option=com_zoom&Itemid=92&catid=85
und eine kleine auswahl
---
Indymedia 22.10.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/10/78268.shtml
Wandbild-Aktion: Den Antifeministen aufs Maul! ::
AutorIn : Bündnis gegen das Antifeminismus Treffen
Plakatwand Communiqué zur Wandbild-Aktion heute, 22. Okt.
2010, in Zürich gegen den Antifeministen-Kongress.
Heute am 22. Oktober 2010, gegen 18 Uhr, haben 50 Personen die
Bauwand / Bauabsperrung gegenüber der Sihlpost in Zürich
grossflächig mit Bildern, Symbolen und Texten beklebt. Zur Aktion
wurden Flugblätter verteilt.
Der in Luzern wohnhafte SVP-Mann Rene Kuhn und seine im April
gegründete Interessengemeinschaft Antifeminismus (IGAF) rufen zum
*1. Internationalen Antifeminismus-Treffen *auf. Mit reaktionärer
Stimmungsmache gegen Frauen, treffen sie sich am 30. Oktober 2010 in
Uitikon/Zürich im Giardino Verde.
Mit der Parole *"Gemeinsam gegen Sexismus, den Antifeministen
aufs Maul geben!"* rufen wir zur Kundgebung auf:
Samstag, 30.10.10, 11 Uhr, Uitikon, Dorfplatz.
Bündnis gegen das Antifeminismus Treffen
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Indymedia 22.10.10
Antifeminismus-Kongress in Uitikon ::
AutorIn : Bündnis gegen das Antifeminismus-Treffen
Mobilisierungsplakate gegen den Antifeminismus-Kongress
Plakat
http://ch.indymedia.org/media/2010/10//78260.pdf
Wandzeitung
http://ch.indymedia.org/media/2010/10//78261.pdf
Gemeinsam gegen Sexismus und Antifeminismus
Den Antifeministen aufs Maul geben!
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ZWISCHENGESCHLECHT
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Weltwoche 21.10.10
Weder Mann noch Frau
Menschen ohne eindeutiges Geschlecht wurden früher
unfreiwillig auf Mädchen oder Knabe getrimmt. Heute seien
Intersexuelle akzeptiert, behaupten Mediziner. Interessengruppen
widersprechen und fordern "Menschenrechte für Zwitter".
Von Alex Reichmuth und Kat Menschik (Illustration)
Schon früh wusste Reno aus Bayern, dass sie anders
ist als andere Mädchen. "Ich verhielt mich schon immer eher
männlich", sagt die 38-Jährige, die sich unter ihrem
geschlechtsneutralen Übernamen zitieren lässt. Reno spielte
mit Buben, trieb mit ihnen Sport und besuchte in der Schule den
Werkunterricht. Reno wirkt auch äusserlich ziemlich männlich,
wird sogar oft für einen Mann gehalten. Als sie pünktlich mit
zwölf Jahren die Periode bekam, war Reno enttäuscht. "Ich
wollte nie eine Frau sein."
Als Frau gelten will hingegen Caster Semenya. Die
südafrikanische 800-Meter-Läuferin wurde im Anschluss an
ihren überraschenden Weltmeistertitel 2009 vom
Weltleichtathletikverband vorübergehend gesperrt. Der Grund:
Verdacht auf Intersexualität, die der Läuferin einen unfairen
Vorteil verschafft haben könnte. Semenya musste eine
Geschlechtsuntersuchung über sich ergehen lassen.
Eine solche Untersuchung hat auch Reno aus Bayern hinter
sich - allerdings freiwillig. So bekam sie im Alter von dreissig
endlich bestätigt, dass sie das adrenogenitale Syndrom hat, also
intersexuell ist. Genetisch ist Reno eine Frau. Aber ihr Körper
produziert wegen einer vergrösserten Nebenniere zu viel
männliche Sexualhormone - was zu einer Ver- männlichung der
Körpers führt. Zwitter zu sein, war für Reno eine
Erlösung: "Endlich hatte ich schwarz auf weiss, dass ich
biologisch anders bin und nicht etwa an psychischen Problemen leide."
Mit sich im Reinen sein - davon kann Jessika-Katharina
Möller-Langmaack, kurz Jessi, aus Niedersachsen nur träumen.
"Ich habe auf dieser Welt nichts mehr verloren", sagt die
28-Jährige. Sie leide an einer "kaputten Psyche", nach all dem,
was sie durchlebt habe. Von aussen ist Jessi zwar als Frau erkennbar.
Aber: "Ich habe einen Penis." Oder zumindest etwas Ähnliches. Sie
habe früher versucht, selber "den Genitalbereich umzugestalten" -
was aber scheiterte, weil sie ohne Erfahrung und Betäubung
vorging. Manchmal kratze sie sich "da unten" aber so lange, bis alles
entzündet sei. Jessi benutzt drastische Worte: "Vielleicht fault
das Teil ja irgendwann ab."
Genetisch ist sie tatsächlich männlich. Ihre
Geschlechtschromosomen sind XY - wie bei einem Mann. Aber ihr
Körper reagiert kaum auf männliche Hormone. Die
männlichen Geschlechtsmerkmale sind darum schwach ausgebildet. Dem
sollte nachgeholfen werden: Jessi wuchs als Knabe auf und bekam ab dem
dreizehnten Altersjahr männliche Hormone. Fünf Jahre lang
musste sie Testosteron schlucken, obwohl sie nie ein Mann sein wollte.
Mit achtzehn rebellierte sie. Sie erkämpfte sich einen weiblichen
Vornamen und nahm fortan weibliche Hormone zu sich. Der jahrelange
Kampf um die körperliche und seelische Identität hat Spuren
hinterlassen - sie leidet an Selbstzweifeln und Depressionen.
"Kastriert" und "zurechtgestutzt"
Laut einer Studie des Hamburger Instituts für
Sexualforschung hat fast jeder zweite intersexuelle Mensch schon an
Suizid gedacht. Jeder zehnte hat sich bereits selber körperlich
verletzt. Viele Intersexuelle wachsen mit einem Stigma auf: Sie
spüren, dass sie anders sind. So unheimlich anders, dass man es
niemandem sagen darf: eine Art Monster. Vor allem in früheren
Jahrzehnten wurden intersexuelle Kinder über ihre körperliche
Besonderheit nicht aufgeklärt. Nur hinter vorgehaltener Hand
machten Ärzte und Eltern allenfalls Andeutungen, mit finsterer
Miene. Dazu kamen in vielen Fällen Operationen, Behandlungen und
Untersuchungen, oft vor Scharen von Medizinstudenten, deren neugierigen
Blicken sich die "abnormen" Kinder schutzlos ausgeliefert sahen.
Eine grosse deutsche Studie deckte 2008 auf, dass etwa
achtzig Prozent der befragten 400 intersexuellen Menschen operiert
worden sind - meistens als Neugeborene oder Kleinkinder. Viele von
ihnen wurden nicht oder ungenügend über Diagnose und
Behandlungen aufgeklärt. Ein grosser Teil der Betroffenen ist noch
immer unzufrieden mit dem Resultat dieser Operationen und Behandlungen.
Im Gegensatz zu Jessi, die lange männliche Hormone
einnehmen musste, wurden die meisten Intersexuellen zu Frauen gemacht -
frei nach dem medizinischen Grundsatz, dass, ein "Loch" zu machen,
einfacher ist, als einen "Pfahl" zu bauen. So wurden vielen Kindern die
im Bauch verborgenen Keimzellen oder Hoden wegoperiert, die zu gross
geratene Klitoris zurechtgestutzt (oft unter Verlust der
Empfindungsfähigkeit), der Harnausgang versetzt oder eine
sogenannte Neovagina angelegt (die dann während Jahren mit einem
Stab gedehnt werden musste). Und sie bekamen jede Menge Hormone und
Medikamente, meist aber keine klaren Informationen. Die Betroffenen
litten an den Folgen schmerzhafter Eingriffe und an Narben, wurden
wegen der Hormone später fettleibig oder neigen heute zu
Stoffwechselstörungen, Diabetes und Osteoporose.
Daniela Truffer, 45, aus Zürich hat solches erlebt.
Als sogenannter XY-Frau wurden ihr mit zweieinhalb Monaten die Hoden
wegoperiert und mit sieben Jahren das Genital operativ verkleinert. Mit
zwölf Jahren bekam sie künstliche Hormone, die nach der
Entfernung wichtiger Genitalien nun lebensnotwendig waren.
Aufgeklärt und informiert wurden weder sie noch ihre Eltern.
Daniela Truffer ahnte aber immer, dass sie "abartig" war.
Endgültige Gewissheit hatte Truffer erst vor fünf Jahren, als
ihr das Spital, in dem sie damals behandelt wurde, ihre Krankenakte
auslieferte. "Das Kind ist ein Mädchen [. . .], die ganze
Erziehung hat sich danach zu richten", steht in diesen Akten. Und: "Mit
niemandem ausser den Eltern und dem Arzt [. . .] soll über die
Geschlechtsfrage weiter diskutiert werden."
Sie sei "kastriert" und "zurechtgestutzt" worden, sagt
Daniela Truffer. Ihre Hoden habe man "weggeschmissen". Truffer ist
heute die bekannteste Schweizer Vorkämpferin für
Intersexuelle. In der von ihr präsidierten Organisation
Zwischengeschlecht.org haben sich etwa ein Dutzend Menschen mit
uneindeutigem Geschlecht gefunden. "Wir sind keine Therapiegruppe,
sondern eine Menschenrechtsgruppe", stellt Truffer klar. Kampf statt
Mitleid ist angesagt.
Das Bestreben, Kinder ohne eindeutiges Geschlecht zu Buben
oder Mädchen zu machen, geht auf den amerikanischen
Geschlechterforscher John Money zurück. Er war überzeugt,
dass ein Kind mit der entsprechenden Erziehung in jeder
Geschlechterrolle glücklich werden könne - vorausgesetzt, es
wisse nichts über seinen ursprünglichen Zustand. Vor allem in
den sechziger und siebziger Jahren waren Operationen, um Kindern zu
einem eindeutigen Geschlecht zu verhelfen, anerkannter medizinischer
Standard.
Gesellschaftliche Zwänge
Die Zeit der Zwangsoperationen und der Heimlichtuerei sei
längst vorbei - das sagen die Ärzte, die sich heute um
intersexuelle Kinder kümmern. Laut Primus Mullis, Hormonspezialist
am Berner Inselspital, sind allerdings gewisse Operationen und
medikamentöse Behandlungen bei zwischengeschlechtlichen Kindern
notwendig, zum Beispiel wenn ein ungünstig liegender Harnausgang
Infektionen verursacht oder wenn eine vergrösserte Nebenniere, die
zu viel männliche Hormone produziert, gleichzeitig auch zu
lebensbedrohendem Salzverlust führt. Den Entscheid über
allfällige Operationen und Behandlungen, sagt Mullis, treffe ein
Team von Ärzten und Psychologen völlig transparent zusammen
mit den Eltern. Wenn möglich, warte man mit einem Eingriff so
lange, bis das Kind selber entscheiden könne.
Es gebe aber auch gesellschaftliche Zwänge zu
akzeptieren, meint Primus Mullis: "Wir leben nun mal in einem dualen
Geschlechtersystem." Ein Kind müsse sich zwangsläufig
einordnen - ob es nun operiert sei oder nicht. "Es gibt zum Beispiel
keine öffentlichen WCs für Intersexuelle." Für Mullis
ist darum jedes Kind, das ohne eindeutiges Geschlecht zur Welt kommt,
ein "medizinisch-sozialer Notfall".
Solche Äusserungen bringen die Intersexuelle Daniela
Truffer in Rage. Viele Mediziner würden zwischengeschlechtliche
Menschen noch immer nicht akzeptieren, den Eltern "Horrorgeschichten"
auftischen und diese zu Behandlungen drängen, sagt Truffer. Sie
verlangt, dass nicht lebensnotwendige Behandlungen und Operationen so
lange verschoben werden, bis der heranwachsende Mensch selber einen
Entscheid fällen kann. "Menschenrechte auch für Zwitter",
fordert Truffer.
Primus Mullis vom Inselspital hat für dieses
Auftreten wenig Verständnis. Niemand mehr stelle heute die Rechte
von Zwischengeschlechtlichen in Frage, sagt der Arzt, doch leider
neigten manche Aktivisten zu Extremismus. Mullis weiter: "Dass es ein
Problem sein soll, wenn ich nur schon die Worte ‹Störung› oder
‹Patient› in den Mund nehme, das frustriert mich."
Ob auch die Rechte der südafrikanischen Läuferin
Caster Semenya gewahrt wurden, ist umstritten. Als der Internationale
Leichtathletikverband Semenya sperrte, reagierte man in Südafrika
empört über die angekündigte Geschlechtsuntersuchung. Im
vergangenen Sommer gab der Weltleichtathletikverband bekannt, dass
Semenya wieder zu Wettkämpfen zugelassen ist. Ob die Läuferin
eindeutig weiblich ist, erfuhr man nicht.
--
Intersexuell ist nicht transsexuell
Intersexuelle Menschen (auch Zwitter oder Hermaphroditen
genannt) sind genetisch, hormonell oder aufgrund ihrer
Geschlechtsorgane nicht eindeutig männlich oder weiblich. Je nach
Definition ist jeder fünftausendste oder sogar jeder hundertste
Mensch intersexuell. Eine häufige Form ist das adrenogenitale
Syndrom (AGS): Die Betroffenen sind genetisch zwar weiblich. Wegen
eines erblichen Defekts produzieren ihre Nebennieren aber zu viele
männliche Sexualhormone, was zu einer Vermännlichung des
Körpers führt. Die Klitoris gleicht oft einem kleinen Penis.
Menschen mit einer Androgeninsensitivität (AIS) hingegen sind
genetisch eigentlich Männer. Weil ihre Körperzellen aber
nicht auf Geschlechtshormone reagieren, entwickeln sich die
männlichen Geschlechtsmerkmale nicht. Die Betroffenen sehen
äusserlich aus wie Frauen. Intersexualität ist nicht
Transsexualität. Transsexuelle sind biologisch eindeutig
männlich oder weiblich, fühlen sich psychisch aber dem
anderen Geschlecht zugehörig und streben darum häufig eine
Geschlechtsumwandlung an. (ar)
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HOMOHASS
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20min.ch 20.10.10
Hetze gegen Schwule: "Hängt sie auf!"
Homophobie ist in vielen afrikanischen Ländern weit
verbreitet. Nun giesst eine ugandische Zeitung zusätzlich Öl
ins Feuer - unter anderem wegen ultrareligiösen Geistlichen aus
den USA.
G. Olukya und J. Straziuso, AP
Die Titelgeschichte der ugandischen Zeitung "Rolling
Stone" listete die 100 "Top"-Homosexuellen Ugandas auf, mit Foto, Name
und Adresse - und der Aufforderung "Hängt sie auf". Seit
Erscheinen des Blattes Anfang Oktober sind mindestens vier der derart
an den Pranger gestellten Männer angegriffen worden und viele von
ihnen abgetaucht, wie die Aktivistin Julian Onziema berichtet. Das Haus
einer der namentlich genannten Personen wurde von Nachbarn mit Steinen
beworfen.
Vor einem Jahr hatte ein Abgeordneter im ugandischen
Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, der für homosexuelle
Handlungen lebenslange Haft oder sogar die Todesstrafe vorsah. Die
Initiative löste international einen Sturm der Entrüstung aus
und wurde auf einen diskreten Wink von Staatspräsident Yoweri
Museweni hin in aller Stille auf Eis gelegt. Doch die Betroffenen haben
seither ein Jahr voller Übergriffe und Schikane hinter sich.
"Bevor das Gesetz im Parlament vorgelegt wurde, haben sich
die meisten Leute nicht darum geschert, was wir tun. Doch seitdem
werden wir von vielen Schwulenhassern drangsaliert", berichtet der
27-jährige Patrick Ndede. "Das Aufsehen um das Gesetz hat viele
Leute auf uns aufmerksam gemacht, und sie fingen an, uns zu
misshandeln."
Im Lauf des Jahres seien mehr als 20 Homosexuelle in
Uganda angegriffen und weitere 17 verhaftet und ins Gefängnis
gesperrt worden, berichtet Frank Mugisha von der Organisation Sexuelle
Minderheiten Uganda. Zwei Jahre zuvor seien nur zehn
Überfälle bekannt geworden.
Schwulenhass keine Seltenheit
Homophobie ist in vielen afrikanischen Ländern gang
und gäbe. In Nigeria kann Homosexualität mit dem Tode oder
mit Haft bestraft werden. Selbst in Südafrika, das als einziges
afrikanisches Land die Schwulenehe erlaubt, werden Lesben zwecks
"Umerziehung" von Banden vergewaltigt.
Dem Gesetzentwurf des Abgeordneten David Bahati voriges
Jahr war ein Besuch ultrareligiöser amerikanischer Geistlicher in
Uganda vorausgegangen, die dafür werben, gleichgeschlechtliche
Orientierung mittels Therapie umzupolen. Heute sagt der ugandische
Pastor Solomon Male, er sei froh, dass das Gesetz noch nicht
verabschiedet sei. Er findet aber auch, dass Untersuchungen angestellt
werden müssten, um herauszufinden, "warum Homosexualität im
Lande zunimmt".
Die hetzerische Schlagzeile des "Rolling Stone" - nicht zu
verwechseln mit dem Musikmagazin gleichen Namens - erschien am 9.
Oktober, fünf Tage vor dem ersten Jahrestag der umstrittenen
Gesetzesinitiative. In dem Artikel wird behauptet, dass die
Homosexuellen in Uganda von einer unbekannten, tödlichen Krankheit
befallen würden, und die oft gehörte Unterstellung
wiederholt, dass Schwule sich an Schulen herumtrieben und eine Million
Kinder rekrutierten. Kaum war das Blatt im Verkauf, wurde die Zeitung
vom amtlichen Medienrat geschlossen - nicht wegen des Inhalts, sondern
weil sie nicht ordnungsgemäss angemeldet war. Wenn die
Formalitäten erledigt seien, dürfe die Zeitung wieder
erscheinen, sagte der Sekretär des Medienrates, Paul Mukasa.
Diese Entscheidung macht die Schwulenszene noch zorniger.
Eine Klage gegen "Rolling Stone" sei in Arbeit, kündigt Onziema
an. Sie gehe davon aus, dass die Zeitung ihre Anmeldung eingereicht
habe und wieder erscheinen wolle. "Diese Art von Medien sollte in
Uganda nicht erlaubt sein. Das schafft Gewalt und ruft zum Genozid an
sexuellen Minderheiten auf", erklärt Mugisha. Justiz und Staat
müssten sie vor solchen Medien schützen.
"Im öffentlichen Interesse"
"Rolling Stone" hat keine grosse Stammleserschaft in dem
32 Millionen Einwohner zählenden Land. Die erste Ausgabe des
Blatts erschien am 23. August. Die Auflage beträgt 2.000 Exemplare
- allerdings wird jede verkaufte Zeitung in Uganda von weiteren zehn
Menschen gelesen.
Chefredakteur Giles Muhame sagt, der Artikel sei "im
öffentlichen Interesse" gewesen. "Wir waren der Ansicht, die
Gesellschaft muss wissen, dass solche Typen in ihren Reihen existieren.
Manche von ihnen werben kleine Kinder für die Homosexualität
an; das ist böse und gehört blossgestellt", sagt er. "Kurz
gesagt, wir haben das gemacht, weil Homosexualität illegal ist,
inakzeptabel und eine Beleidigung unserer traditionellen Lebensweise."
Den angeprangerten Personen hat der Artikel Schikane von
Freunden und Nachbarn eingetragen. Schon seit dem Gesetzentwurf werde
Homosexuellen die Wohnung gekündigt, sie würden auf der
Strasse eingeschüchtert, grundlos festgenommen und tätlich
angegriffen, sagt die Aktivistin Onziema. "Wir werden wie Ausgestossene
behandelt", klagt Nelly Kabali. "Wir sind eine gefährdete Spezies
im eigenen Land."
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ANTI-ATOM
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NZZ 23.10.10
Trommeln gegen das Tiefenlager, Mitmachen bei der Standortsuche
Zu- und Absagen der Gegner eines Atommüll-Endlagers
zum Partizipationsverfahren
Bei der Standortsuche für ein Tiefenlager sollen die
Gegner einbezogen werden. Auf nationaler Ebene gelingt dies nicht, in
den Regionen hingegen schon - ausser am Wellenberg.
Davide Scruzzi
Die Mobilmachung gegen die Tiefenlager-Projekte hat
begonnen. In den vier neu vorgeschlagenen Standortregionen haben sich
Widerstandsvereine gebildet, während im Zürcher Weinland und
rund um den Wellenberg die Opposition ohnehin Tradition hat. Es werden
Transparente gemalt, und wenn der Bund zu Informationsveranstaltungen
lädt, wird vor dem Saal auf Fässern getrommelt. Einige
Demonstranten reisen dafür offenbar von Ort zu Ort, doch die
Orientierungsabende würden nicht gestört, sagt Heinz Sager,
Mediensprecher der Nagra, der mit den technischen Abklärungen
betrauten Genossenschaft von Bund und AKW-Betreibern. Erinnerungen an
die Auseinandersetzungen um den Wellenberg vor rund zehn Jahren werden
wach, doch vieles ist anders - Ergebnis einer umsichtigen Planung im
Departement von Moritz Leuenberger. In den Regionen selbst wird man
einen geeigneten Standort nicht mehr demokratisch ablehnen können,
dafür ist die Bevölkerung zu Partizipationsverfahren
eingeladen - ein Vorgehen mit demokratiepolitischem Neuigkeitswert. Die
Gegner müssen dabei einen Weg zwischen Fundamentalopposition und
Hilfe bei der Standortsuche finden.
Umweltverbände nicht dabei
Die nationalen Umweltverbände lehnen es ab, einem
nationalen Beirat für das Partizipationsverfahren beizutreten. In
diesen Wochen finden aber Gespräche zwischen dem Beirat und den
Umweltverbänden statt. Man wolle kritische Fragen einbeziehen,
sagt Michael Aebersold, der Tiefenlager-Verantwortliche beim Bundesamt
für Energie (BfE). Viele solcher Fragen hat Sabine von Stockar von
der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES), einer im linken Spektrum
tätigen Organisation. Der Prozess sei nicht ergebnisoffen,
begründet sie ihre Distanz zum Partizipationsverfahren. Die SES
betreibt eine nationale Kampagne gegen die jetzigen Projekte und
koordiniert auch die neuen regionalen Vereine. Die auf Bundesebene
politisch gut vernetzte SES ist zudem in der Lage, allfälligen
regionalen Unmut auf das nationale Parkett zu hieven, nicht nur mit
Blick auf die eidgenössische Abstimmung über das Tiefenlager
am Ende dieses Jahrzehnts, sondern wohl auch hinsichtlich der
AKW-Abstimmung in ein paar Jahren.
Für die Gegner des Tiefenlagers bleibt das Problem,
dass das Partizipationsverfahren nicht darüber entscheidet, ob ein
Standort schliesslich in Frage kommt oder nicht. Doch nur in der
Standortregion Wellenberg kam es - wohl aufgrund der bereits
gescheiterten früheren Projekte - unter anderem seitens der
Grünen vor einigen Wochen zu einem markanten Boykottaufruf gegen
das Verfahren. Hingegen will etwa im Gebiet Nördlich Lägern
Astrid Andermatt, Co-Präsidentin des Vereins LoTi ("Nördlich
Lägern ohne Tiefenlager"), am Verfahren teilnehmen und dabei die
Rolle einer kritischen Stimme übernehmen, also stets auf offene
Fragen und Schwachstellen hinweisen. Das kategorische Nein zu einem
Tiefenlager in der Region bleibe dabei bestehen, und parallel dazu
laufende politische Aktionen gebe es auch. Von der Teilnahme erhofft
man sich auch ausführliche Informationen; dabei hilft die Nagra
selbst: Die Kritiker aus dem Aargau werden etwa das Nagra-Felslabor im
Jura besuchen. Einen Monat nach der Gründung zählt LoTi
bereits rund 100 Mitglieder. Die Gefahr eines Standorts in der eigenen
Region werde den Menschen nun langsam klar, erklärt sich Astrid
Andermatt den Mitgliederanstieg. Die SP-Grossrätin berichtet auch
von bürgerlichen Gemeindevertretern, die beitreten.
Schon seit längerem gibt es im Zürcher Weinland,
der Region der ersten Untersuchungen am Opalinuston, Widerstand - daher
hat der Verein mit dem Namen "Klar Schweiz" einen nationalen Anstrich.
Obwohl die Gruppe auch gegen AKW Opposition betreibt, gibt man sich
beim Partizipationsverfahren pragmatisch: Es mache keinen Sinn, nicht
mitzumachen, sagt Peter Weiller von Klar Schweiz. Doch eine echte
Mitbestimmung sei es nicht. Weiller ist überzeugt, dass ohne den
bisherigen Widerstand andere Standortregionen gar nicht
berücksichtigt worden wären.
Für Sabine von Stockar ist trotz dem erbrachten
technischen Entsorgungsnachweis, also der grundsätzlichen
Machbarkeit, noch nicht alles geklärt, so etwa die Gasbildung in
den Stollen oder die langfristige Kontrolle der Abfälle.
Tatsächlich arbeitet die Nagra noch an der Lösung
verschiedener Probleme. So wurden für die Abstützung der
Lagerstollen neue Betontypen entwickelt. Für die SES sind aber
solche Fragen zu klären, bevor die Standortsuche beginnt.
Insbesondere sei es wichtig, dass der gleiche geologische Wissensstand
über die Regionen bestehe. Dies fordern auch die Kantone (siehe
Zusatztext).
Grosse Regionalkonferenzen
Michael Aebersold kündigt die zeitgerechte
Beantwortung offener technischer Fragen an. Derzeit arbeitet der Bund
am Aufbau der Partizipationsgremien, ausgehend von Startteams. Im
Mittelpunkt stehen sogenannte Regionalkonferenzen mit 50 bis 150
Mitgliedern, die bis zum Frühling aus regionalen Gruppierungen,
Behörden und gewöhnlichen Bürgern konstituiert werden
und sich danach erstmals treffen. Ziel sei, sachlich über
raumplanerische oder sicherheitstechnische Fragen zu diskutieren, sagt
Aebersold. Natürlich müssen sich die Teilnehmer dabei an
Spielregeln halten - es gibt auch Sitzungsentschädigungen.
--
Klärung offener Fragen
dsc. · Derzeit erarbeitet die Nagra eine Studie zum
Stand des geologischen Wissens über die Standortregionen. Sie soll
aufzeigen, ob noch weitere geologische Abklärungen für die
nächste Etappe des Sachplanverfahrens nötig sind. Genau dies
empfiehlt der Ausschuss der Kantone im Partizipationsverfahren. Heinz
Sager von der Nagra macht kein Hehl daraus, dass die im November
erscheinende Studie die bisherige Einschätzung der Nagra
stützen wird, wonach dank bestehenden geologischen Daten nun kaum
weitere, über geplante Analysen hinausgehende Untersuchungen
nötig seien. Die Studie wird dann vom Eidgenössischen
Nuklearsicherheitsinspektorat geprüft, das letzte Wort hat der
Bundesrat - ein Prinzip, das im Verfahren bei der Klärung anderer
Fragen ebenfalls angewandt wird, auch wenn diese von den
Regionalkonferenzen aufgeworfen werden.
---
Basler Zeitung 23.10.10
Die Frau mit der lachenden Sonne
Das Anti-Atomkraft-Symbol hat seine Schöpferin nicht reich
und berühmt gemacht - aber froh
Hannes Gamillscheg, Aarhus
Vor 35 Jahren hat die Dänin Anne Lund das Anti-AKW- Signet
geschaffen. Davon sind mehr als 20 Millionen Exemplare in 45 Sprachen
verkauft worden.
Als sie im Fernsehen die Bilder aus Berlin sah, 100 000 Menschen
auf den Strassen, mit Fahnen und Bannern, und zwischendrin immer wieder
ihr Symbol, die lächelnde Sonne und der Slogan "Atomkraft, nein
danke", da sei sie froh geworden, lacht Anne Lund. "Das war wie
damals", sagt sie, damals, als sie selbst gegen Atomkraft
demonstrierte, und als sie das Zeichen entwarf, das jetzt die
nächste und die übernächste Generation hochhält.
1975 hat die damals 22-jährige Wirtschaftsstudentin auf einem
Küchentisch im dänischen Aarhus das Sonnensignet auf ein
Stück Papier gekritzelt. 35 Jahre später symbolisiert es
immer noch den Widerstand gegen die Atomenergie.
Etwas bewirken
Es ist müssig zu fragen, wie sich der Meinungsstreit um die
Atomkraft ohne die freundliche Sonne aus Dänemark entwickelt
hätte. Doch es ist unbestreitbar, dass die Sonnenmarke einen
Wiedererkennungswert hat wie die Shell-Muschel oder das M von
McDonalds. Das hat ihre Schöpferin weder reich noch berühmt
gemacht. Aber froh. "Es zeigt mir, dass das, was wir als Einzelpersonen
tun, etwas bedeutet: Man kann etwas bewirken."
Die Frau, die inzwischen 57 ist, Diplomvolkswirtin und an einer
Fachhochschule über Leitungsstrukturen unterrichtet, war Mitglied
der Lokalgruppe der OOA, der "Organisation für Aufklärung
über Atomkraft", wie sich die dänische Anti-AKW-Bewegung
nannte. Anne Lund und ihr Mitstreiter Soren Lisberg sollten ein Treffen
organisieren. "Wir langweilten uns und redeten über alles
Mögliche." Zum Beispiel, dass man ein Symbol brauche für die
Kampagne. Die Elektrizitätsgesellschaften machten Druck. Auch
Dänemark sollte Atomkraft haben. Anne Lund war in Schweden gewesen
und hatte die Methoden der dortigen Atomkraftgegner gesehen: ein Plakat
mit geballter Faust, ein anderes mit einer Schwangeren, von
Neutronenzeichen bedroht. "Starke Symbole. Aber wir wollten etwas
Positiveres." Sie war stark von der gewaltfreien Aktion beeinflusst und
glaubte mehr an Freundlichkeit als an Angstmache.
Höflich
Sie holte ein paar Skizzen aus der Kommode und legte sie auf den
Küchentisch. Die Sonne war darunter. "Ich bin keine gute
Zeichnerin, die ersten Versuche waren sehr unbeholfen." Doch das
Zeichen wirkte. "Die Sonne gehört uns allen", sagt Anne Lund, die
orange Farbe war Erbe der 60er-Ästhetik, das Gelb und Schwarz kam
von den Schildern, die vor atomarer Strahlung warnen. Und der Slogan?
Etwas mit Kernenergie? Nein, protestierte Soren, "Atomkraft muss es
heissen". Dabei blieb es. Weil es ein "höfliches, freundliches
Zeichen" sei, habe es so eingeschlagen, meint seine Schöpferin: Es
sagt nicht nur Nein zur Atomkraft, es bejaht positive Alternativen,
lädt zum Dialog ein, und es ist politisch ungebunden. "Ich wollte,
dass auch eine 40-Jährige den Ansteckknopf an ihren chicen Mantel
heften konnte."
Die ersten 200 Marken druckten sie auf einer primitiven
Maschine, zum Verkauf am 1. Mai. Im Handumdrehen waren sie weg. Dann
wurde nachgedruckt, Stickers, Abziehbilder, Aufkleber. Dann kamen
Anfragen aus anderen Ländern, in 45 Sprachen wurde der Slogan
seither verbreitet. Anne Lund reiste als Studentin durch Europa, und wo
sie hinkam, fand sie ihr Zeichen.
Dänisches Nein
In Dänemark zumindest hatte der Kampf Erfolg. Dort
beschloss das Parlament, auf die Einführung der Atomkraft zu
verzichten. Der enorme Widerstand in der Bevölkerung, der quer
durch alle Schichten ging, war der Hauptgrund für diesen
Entscheid. Eine kleine Sonne hat wohl dazu beigetragen. Anne Lund hat
sich seither oft gefragt, ob die Argumente von damals noch gelten. "Und
jedes Mal komme ich zur Überzeugung: Ja, das tun sie." Das
Abfallproblem ist nicht gelöst, die Verbreitungsgefahr von
angereichertem Uran ist real. "Im Kampf ums Klima ist Atomkraft eine
verlockende Alternative. Aber die Gegenargumente wiegen schwerer." Die
Technologie, die man wähle, bestimme die Ausrichtung der
Forschung, unterstreicht sie. Dänemark spielt, weil man auf
Atomkraft verzichtete, heute eine Vorreiterrolle bei Windkraft,
Fernwärme und Energiesparen. "Hätte man AKW gebaut, wäre
das wohl anders gekommen."
Mehr als 20 Millionen von Anne Lunds Sonnenmarken sind
inzwischen verkauft worden. Aus dem Erlös wurde erst der
dänische Widerstand unterstützt, später auch der
Anti-Atom-Kampf in anderen Ländern. Hätte sie für jedes
Signet auch nur zehn Rappen bekommen, wäre Anne Lund reich
geworden. "An so etwas habe ich nie gedacht", versichert sie. Auch um
Ruhm ging es ihr nie. Alle in Dänemark kennen ihr Zeichen, doch
kaum jemand weiss, von wem es stammt. Sie ist, in ihrer Villa mit
Seeblick und ihrem im Forschungsmilieu tätigen Mann, auch so auf
der Sonnenseite gelandet. Doch in ihr schlägt weiterhin das Herz
der Aktivistin: "Das Wichtige sind die Botschaft, die Bewegung und die
Menschen, aus denen die Bewegung besteht."
> http://smilingsun.org
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Bund 22.10.10
Regierung für "Bern erneuerbar" und gegen AKW
Der Regierungsrat spricht sich für die
Volksinitiative "Bern erneuerbar" und gegen ein neues AKW aus.
Der bernische Regierungsrat beantragt dem Grossen Rat, die
Volksinitiative "Bern erneuerbar" dem Stimmvolk zur Annahme zu
empfehlen. Die im letzten November von den Grünen eingereichte
Initiative entspreche der kantonalen Energiestrategie, findet die
Regierung.
Mit der Forderung, dass ab 2035 der gesamte Strom- sowie
der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser im Kanton Bern
grundsätzlich aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden muss,
fördere die Initiative einheimische und erneuerbare Energien,
schreibt die Regierung in einer Mitteilung. Das Volksbegehren stehe
deshalb auch mit dem neuen Energiegesetz im Einklang. Dass die
Initiative konkrete Terminvorgaben und Zwischenziele enthält,
findet die Kantonsregierung ebenfalls sinnvoll.
Weiterhin gegen Mühleberg II
Im Widerspruch zur kantonalen Energiestrategie, die den
Ausstieg aus der Atomenergie anstrebt, steht für die Regierung
hingegen ein neues Kernkraftwerk in Mühleberg. Die Regierung lehnt
deshalb eine positive Stellungnahme zu Mühleberg II weiterhin ab -
im Gegensatz zur vorberatenden Grossratskommission. Wie diese will die
Regierung die Stellungnahme des Kantons an den Bund zu einem neuen AKW
aber dem obligatorischen Referendum unterstellen. Die kantonale
Volksabstimmung über ein neues AKW in Mühleberg wird
voraussichtlich am 13. Februar 2011 stattfinden. (sda/pd)
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BZ 22.10.10
Energiedebatte im Kanton Bern
Nächste Runde im AKW-Streit
Die Regierung eröffnet die nächste Streitfront:
Sie unterstützt die Initiative "Bern erneuerbar" und damit den
Atomausstieg.
In Energiefragen haben Regierung und Parlament das Heu
nicht auf der gleichen Bühne. Während der bürgerlich
dominierte Grosse Rat bei jeder Gelegenheit die Notwendigkeit von
Atomenergie und Atomkraftwerken betont, erwidert der mehrheitlich
rot-grüne bernische Regierungsrat ebenso oft, der Energiebedarf
könne künftig vollumfänglich durch erneuerbare Energien
gedeckt werden. Das Ritual wiederholte sich gestern. Die Regierung
teilte mit, sie unterstütze die Initiative "Bern erneuerbar".
Allerdings ist bereits absehbar, dass das Parlament die Initiative zur
Ablehnung empfehlen wird.
Die Initiative stammt von den Grünen und verlangt
neben dem Ausstieg aus der Atomkraft, dass im Kanton Bern bis 2035
sämtlicher Strom und der Energiebedarf für Warmwasser und
Heizung von erneuerbaren Energieträgern geliefert wird.
Egger glaubt daran
Faktisch verlangt die Initiative somit, dass in
Mühleberg kein neues AKW gebaut wird. Das Ersatz-AKW ginge
voraussichtlich um das Jahr 2025 ans Netz. Atomenergie dürfte im
Kanton Bern bei einem Ja zu "Bern erneuerbar" allerdings nur bis 2035
verwendet werden. In einer Zeitspanne von nur zehn Jahren lässt
sich ein AKW aber nicht amortisieren.
Die Berner Energiedirektorin Barbara Egger (SP) sieht es
jedoch nicht so absolut: "Die Initiative schliesst den Bau von
Mühleberg 2 nicht explizit aus. Den Atomstrom könnte die BKW
ab 2035 ja in andere Kantone oder ins Ausland verkaufen." Zur
Initiative selbst sagt sie: "Die Stossrichtung stimmt." Unrealistisch
sei die Vorgabe von "Bern erneuerbar" nicht, allerdings setze sie einen
Ausbau etwa in der Wasserkraft voraus, den gewisse Kreise jedoch zum
Teil behindern.
Flück wartet auf Garantie
Nicht begeistert darüber, dass die Regierung die
Initiative zur Annahme empfiehlt, ist FDP-Grossrat Peter Flück
(Brienz). Die Forderung nach einem Atomausstieg sei verfrüht. "Wir
kommen nicht umhin, das AKW Mühleberg durch ein neues
Kernkraftwerk zu ersetzen." Ihm fehle bislang die Garantie, dass bis in
zehn, fünfzehn Jahren der Strombedarf allein durch erneuerbare
Energien gedeckt werden könne.
Das Stimmvolk wird am 15. Mai 2011 über die
Initiative abstimmen.
Philippe Müller
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Langenthaler Tagblatt 22.10.10
Heftige Gewitter am Polithimmel
Abstimmen Im Kanton Bern stehen 2011 drei Energievorlagen
zum Entscheid an
Bruno Utz
Gleich dreimal werden sich die Bernerinnen und Berner
Anfang nächsten Jahres zu Energiefragen äussern können:
Am 13. Februar steht die Konsultativbefragung zum Ersatz des
Kernkraftwerks Mühleberg ins Haus. Und am 15. Mai kommen der
Volksvorschlag zum Energiegesetz und die Initiative "Bern erneuerbar"
an die Urne. Bei einem Ja zu dem von bürgerlichen Kräften
lancierten Volksvorschlag würden die Hauseigentümer nicht
gezwungen, einen Gebäudeenergieausweis erstellen zu müssen.
Ebenfalls vom Tisch wäre die Förderabgabe auf Strom. Mit den
Erträgen aus der Förderabgabe von 20 bis 40 Millionen Franken
jährlich möchte der Kanton energetische Sanierungen von
Gebäuden subventionieren. Das Geld flösse also an einen Teil
der Hausbesitzer zurück. Was der nach den Erneuerungswahlen vom
vergangenen März stärker von den Bürgerlichen dominierte
Grosse Rat vom Volksvorschlag hält, wissen wir nach der
Januarsession.
Bis zum gleichen Zeitpunkt bleibt auch die Haltung des
Parlaments zu "Bern erneuerbar" offen. "Bei uns könnte es knapp
werden", sagt Patric Bhend (SP/Thun), Präsident der die Initiative
vorberatenden grossrätlichen Kommission. Der Kommissionsentscheid
hänge wohl von der Haltung der beiden FDP-Mitglieder ab. "Bern
erneuerbar", die Initiative der Grünen, will verbindliche Termine
in der Kantonsverfassung verankert haben. So soll der gesamte
Energiebedarf für Heizung und Warmwasser von Gebäuden bis
2025 zu mindestens 75 Prozent und ab 2035 zu 100 Prozent
grundsätzlich durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Damit
geht die Initiative deutlich weiter als die kantonale Energiestrategie.
Trotzdem unterstützt der Regierungsrat "Bern
erneuerbar". "Weil sie einheimische und erneuerbare Energien
fördern will und die allgemeine Stossrichtung stimmt",
erklärt Regierungsrätin Barbara Egger (SP) auf Anfrage. Damit
stehe sie auch im Einklang mit der Energiestrategie. "Unser Entscheid
ist aber nicht unbedingt eine Wertungsfrage", räumt Egger ein. Der
Regierungsrat habe einfach keine Gründe für eine Ablehnung
gesehen. "Die Haltung der rot-grünen Regierung überrascht
mich nicht", sagt Adrian Kneubühler (FDP/Nidau), der ehemalige
Präsident der grossrätlichen Kommission Energiestrategie. Im
Grossen Rat werde es für "Bern erneuerbar" schwierig, eine
Mehrheit zu finden. Die Grünen hätten wohl bei der SVP
abgeguckt, wie man Schlagzeilen machen könne. "Die Initiative
tönt zwar gut, sie ist aber kaum umsetzbar. Das ist nicht
lösungsorientiert."
Kneubühler und Regierungsrätin Egger hätten
es begrüsst, wenn alle drei Vorlagen gleichzeitig an die Urne
kommen würden. Kneubühler: "So müsste das Volk am
gleichen Tag A und B sagen." Der Regierungsrat habe erfolglos um eine
Fristverlängerung für die Stellungnahme des Kantons zum
"Mühleberg"-Ersatz nachgesucht, erklärt Egger. Der
Volksvorschlag und "Bern erneuerbar" hätten wegen der gesetzlich
einzuhaltenden Fristen nicht vorgezogen werden können.
--
Vorstösse: "Müssten BKW-Verwaltungsräte
nicht haften?"
Der Grosse Rat wird in den nächsten beiden Sessionen
während mehrerer Tage über Atomstrom, ein neues KKW
Mühleberg, Windenergie und Geothermie streiten. Neben der
Volksinitiative Bern erneuerbar (vergleiche Hauptartikel) und dem
Volksvorschlag zum neuen Energiegesetz warten derzeit nämlich
bereits sechs Motionen, ein Postulat und neun Interpellationen zum
Thema Energie auf die Beantwortung durch den Regierungsrat und die
Debatte im Parlament. Am stärksten beschäftigt die
Grossrätinnen und -räte der von der BKW gewünschte
Ersatz des KKW Mühleberg, zu dem sich die Berner am 13. Februar
äussern können. Räte von EVP, SP, Grünen und glp
erkundigen sich gemeinsam nach der Rechtsgrundlage für eine
persönliche Haftung der BKW-Verwaltungsräte im Falle von
Atom-Umweltschäden. Kathy Hänny (Grüne/Kirchlindach)
verlangt konkret Auskunft, was bei einem Atomunfall mit den davon
betroffenen Häusern, Einrichtungen und Ländereien passiert.
Die SP fordert einen Bericht, der das Potenzial für neue
Arbeitsplätze dank erneuerbarer Energien und Energieeffizienz
aufzeigt. Markus Grimm (Grüne/Burgdorf) will wissen, ob eine
Brennelementesteuer den Ausstieg aus der Atomenergie ermöglichen
würde. Die glp verlangt, mehr erneuerbare Energie für die
Pumpspeicherung zu verwenden. Und die FDP fordert die Erstellung eines
kantonalen Windrichtplanes. Ebenfalls die Freisinnigen rufen nach
Abklärungen zum Potenzial der tiefen Geothermie im Kanton Bern.
(uz)
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Aargauer Zeitung 22.10.10
Aargauer für Beznau 3
Hans Lüthi
Umfrage 55 Prozent der Aargauer und sogar 77 Prozent in
der Standortregion befürworten das geplante Atomkraftwerk.
Die atomfreundliche Haltung der Aargauer ist ungebrochen -
und sie steigt mit der Nähe zum AKW Beznau. Das ergibt eine im
Auftrag der Axpo vom Institut Demoscope durchgeführte Umfrage, die
heute veröffentlicht wird und der az bereits vorliegt. 72 Prozent
der Aargauer und 89Prozent in den Beznau-Gemeinden glauben, ohne
Atomstrom sei die Versorgung nicht möglich. Eine grosse Mehrheit
ist aber auch dafür, Sonne, Wind, Wasser und Holz für die
Stromproduktion einzusetzen.
Die neuen erneuerbaren Energien seien jedoch nicht in der
Lage, den Wegfall der alten Beznau-Kraftwerke zu kompensieren. Davon
ist die Mehrheit der 1077 befragten Personen überzeugt und spricht
sich für das von der Axpo geplante Atomkraftwerk Beznau3 aus.
Seite 29
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Aargauer Mehrheit will Beznau3
Hans Lüthi
Kernkraftwerk Die Akzeptanz für Beznau3 im Aargau ist
gross. Gemäss einer Axpo-Umfrage sagen 55 Prozent der Aargauer und
77 Prozent in der Kernregion Ja. "So deutlich haben wir das nicht
erwartet", sagt Axpo-CEO Heinz Karrer.
Überraschend ist die Kernaussage zur Kernenergie
nicht, aber die Axpo will präzis wissen, wie stark die Aargauer zu
Beznau stehen. Denn: "Bei einem Nein des Kantons oder der
Standortregion müssten wir sagen, das kann man nicht machen",
betont CEO Heinz Karrer. Darum hat Demoscope im Axpo-Auftrag 1077
Personen befragt, fast die Hälfte davon in Böttstein,
Döttingen, Klingnau, Leuggern, Tegerfelden, Villigen und
Würenlingen. Seit Ende 2008 liegt das Gesuch um eine
Rahmenbewilligung für Beznau3 - wie jenes für Mühleberg2
und Gösgen 2 - beim Bund, nach Prüfung durch das Ensi ist das
Bundesamt für Energie zuständig.
Mehrheit befürchtet Stromlücke
Eine erstaunlich grosse Mehrheit von 67 Prozent im Aargau
und 76 Prozent in der Region Beznau befürchtet Engpässe in
der Versorgung, "ohne zusätzliche Investitionen in Kraftwerke
aller Art". Von diesen Befragten sind 55 und 71 Prozent der
Überzeugung, die erneuerbaren Energien (Sonne, Wind, Geothermie)
seien nicht in der Lage, die Stromversorgung zu sichern. Aber die
Befragten glauben, deren Anteil werde sich bis 2030 auf bis zu 40
Prozent erhöhen. Aus Sicht der Axpo ist das Wunschdenken, "wir
gehen von 10 Prozent des heutigen Verbrauchs aus, wegen des Wachstums
werden es 2030 nur 6 bis 7 Prozent sein", erklärt Karrer. Die
Widerstände gegen viele Projekte seien enorm, bei den
Gewässern durch die Fischer, bei Wind und Holz durch andere Gegner.
Hoher Anteil von Atomstrom
Atomstrom sei notwendig für das tägliche Leben,
glauben 72 Prozent der Aargauer, in der Beznau-Region sind es gar 89
Prozent. Das ist nicht weit von der Realität entfernt, denn in
allen Axpo-Kantonen von Appenzell über St.Gallen, Thurgau,
Zürich bis in den Aargau kommt der Strom im Jahresmittel zu rund
70 Prozent aus nuklearer Quelle - inklusive Import aus Frankreich. Im
Winter ist der Anteil noch höher, dann laufen die im Sommer
revidierten Kraftwerke pausenlos auf Volllast. 57 Prozent im Aargau und
75 in der Kernregion befürworten einen AKW-Ersatz, fast alle am
heutigen Standort.
Zum konkreten Projekt Ersatzkernkraftwerk Beznau sind 43
Prozent der Aargauer "sehr positiv oder eher positiv" eingestellt, 27
Prozent "eher negativ oder sehr negativ". In der Standortregion
bekennen sich 68 Prozent zu Beznau3. Hoch eingeschätzt wird die
wirtschaftliche Bedeutung in den Gemeinden rund um Beznau, am
höchsten mit 89 Prozent in Döttingen. Das AKW Beznau ist
für 63 Prozent der Aargauer und für 86 Prozent in der
Kernregion "ziemlich bis sehr sicher", 2 bzw. 4 Prozent sagen
"überhaupt nicht sicher".
Entscheid durch Schweizervolk
Über die Strombefindlichkeit der Aargauer sagt die
Umfrage fast alles, über die Zukunft des Atomstroms weniger aus.
Denn darüber entscheidet das Schweizervolk - voraussichtlich 2013,
laut Umfragen steigt die Akzeptanz, aber das Urteil ist offen. Bei
einem Nein "haben wir keinen Plan B", bekennt Karrer. Mehr Import zu
massiv höheren Preisen wäre eine Option, aber die
Kapazität der Leitungen ist beschränkt. Übrigens: Eine
grosse Mehrheit der Aargauer wünscht auch Strom aus Sonne, Wasser,
Wind und Holz, noch vor Atom - ausser in der Beznau-Region.
---
Bund 21.10.10
Komitee gegen Atomausstieg
Nach einem Pro-Komitee gibt es nun auch ein Kontra-Komitee
zur Atomausstiegsinitiative "Energiewende Bern", die am 28. November in
der Stadt Bern zur Abstimmung kommt. Es besteht aus Exponenten
bürgerlicher Parteien und von Wirtschaftsverbänden. Das
Co-Präsidium bilden FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen,
JF-Stadtrat Bernhard Eicher, Peter Bernasconi (Präsident SVP Stadt
Bern), Mathias Tromp (Grossrat BDP), Dolores Dana (Stadträtin und
Präsidentin FDP Stadt Bern) und Eveline Neeracher
(Präsidentin Gastro Stadt Bern und Umgebung). Dies teilte die
Sektion Bern des kantonalen Handels- und Industrievereins mit. Das
Komitee will demnächst vor den Medien seine Argumente darlegen.
(sda)
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Basler Zeitung 21.10.10.
Forum
Gastbeitrag
Misstrauen ist angesagt
Günter Baitsch, Riehen*
Das Vorstandsmitglied der atomkritischen
Ärzteorganisation bezweifelt, wieweit AKW-Betreiber Verantwortung
tragen können.
Der finnische Neubau eines Atomkraftwerks in Olkiluoto (OL
3) ist offenbar ein finanzielles Fiasko. Bei der vom Schweizer
Nuklearforum organisierten Journalistenreise nach Finnland hat
BaZ-Redaktorin Susanna Petrin gut zugehört (BaZ 11. 10. 10).
Verantwortung
Der neue Atommeiler OL 3, von der französischen Staatsfirma
Areva konzipiert, wird doppelt so teuer und auch nicht rechtzeitig
fertig. Wie ist denn das nun mit der Verantwortung der Verantwortlichen
bei Areva und bei der finnischen Betreiberfirma TVO? Man legt sich auf
einen Festpreis fest und auf einen Termin. Beides stimmt aber nicht.
Die Frage sei deswegen erlaubt: Kann man solch hochprofessionellen
Firmen wirklich noch trauen - glauben, dass die Sicherheit des
Endproduktes garantiert ist, wenn doch so verhältnismässig
einfache Dinge wie Planung, Budgetierung und Bau schon nicht
funktionieren? Da ist Misstrauen angesagt.
Vor 50 bis 60 Jahren wurde in der Region Basel
Chemiemüll vergraben - auch im festen Glauben, dies sei sicher -
heute ist das ein Sanierungsfall. Die verantwortlichen Damen und Herren
von Regierung und Chemie von vor 50 Jahren - wo sind sie? Es juckt sie
nicht mehr.
Und das Endlager in 520 Metern Tiefe? Auch hier sagen
heute die Verantwortlichen, es sei "sicher". Welch unermessliche
Hybris, was für eine Anmassung. Die Halbwertszeit dieser
Verantwortlichkeit liegt vielleicht bei zwei bis maximal zehn Jahren.
Die des strahlenden Atommülls jedoch zwischen Sekunden und
Zehntausenden von Jahren. Wie können die Verantwortlichen es
wagen, Verantwortung zu übernehmen für diesen Zeitraum?
Wie können sie das mögliche Abschmelzen des
Nordpols in ihrer Nähe, das Ansteigen des Meeresspiegels oder auch
Seebeben einberechnen, wenn sie die Unwegsamkeiten des Baus einer
Kraftwerksanlage nicht annähernd berechnen und die Bauzeit nicht
vorausbestimmen können?
Gewinn
Denn sie wissen nicht, was sie tun - oder vielleicht doch?
Natürlich wissen sie ganz genau, dass man über diese nahezu
unendlichen Zeiträume keine annähernd sicheren Vorhersagen
machen kann. Ihre Aufgabe besteht darin, Atomenergie zu produzieren, zu
verkaufen und für den Konzern einen Gewinn zu realisieren -
hierfür sind sie angestellt und werden dafür bezahlt. Das
vorgeschobene Argument der Energiesicherheit ist dabei wichtiger als
die ethischen Grundlagen unserer Gesellschaft: "Handle so, dass du die
Menschheit sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden
anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloss als Mittel
brauchst", schrieb Immanuel Kant in der "Grundlegung zur Metaphysik der
Sitten".
* Der Autor ist Arzt und Vorstandsmitglied der PSR/IPPNW
Schweiz, Ärztinnen und Ärzte für soziale Verantwortung
und zur Verhütung eines Atomkriegs.
Den AKW-Betreibern ist die vorgeschobene Energiesicherheit
wichtiger als ethische Grundlagen.
---
Aargauer Zeitung 20.10.10
Entsorgung dauert eine Million Jahre
Ehrendingen Bewohner konnten sich über ein
mögliches Tiefenlager in ihrer Region ein Bild machen
Martin Rupf
Schon in 20 bis 30 Jahren könnte in Ehrendingen eine
Empfangsanlage stehen, von der aus radioaktiver Abfall in ein
Tiefenlager geführt wird. Die Region um Nördlich Lägern
ist eine von sechs möglichen Standorten für ein Tiefenlager
(siehe Kasten).
Dass diese Vorstellung beim einen oder anderen Einwohner
Ehrendingens - aber auch umliegender Gemeinden - ein mulmiges
Gefühl auslöst, war nicht zu übersehen. So strömten
knapp 200 Besucher an die Informationsveranstaltung Tiefenlager, zu der
die Gemeinde eingeladen hatte. "Ehrendingen ist von den Plänen
auch betroffen, weshalb es wichtig ist, dass sich die Menschen
informieren können", sagte Gemeindeammann Renato Sinelli. Er
zeigte sich deshalb hocherfreut, dass sowohl Gegner wie auch
Befürworter eines Tiefenlagers den Weg nach Ehrendingen gefunden
hatten.
Abfälle hier und heute entsorgen
Zum Auftakt erläuterte Micheal Aebersold vom
Bundesamt für Energie (BFE), nach welchen Kriterien der Bund die
Tiefenlager-Standorte bestimmen will. "Wir sind uns einig, dass der
Abfall dort entsorgt werden muss, wo er produziert wird - also in der
Schweiz", sagte Aebersold. Und: "Die Probleme müssen heute
gelöst werden und dürfen nicht künftigen Generationen
überlassen werden."
Piet Zuidema von der Nationalen Genossenschaft für
die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) ging weiter ins Detail:
"Wir wollen die Abfälle dort lagern, wo es langfristig stabil
ist." Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich die Geologie in der
Nordschweiz besonders dazu eigne. "Wir sind in dieser Region auf 180
Millionen Jahre alten Opalinuston gestossen", so Zuidema. Dieses
Gestein eigne sich für die Endlagerung, weil es undurchlässig
sei und sich nicht bewege. "Nach der Lagerung werden die Abfälle
maximal 200 Jahre beobachtet. Danach wird das Tiefenlager dauerhaft
geschlossen", führte Zuidema weiter aus.
"Abfälle müssen rückholbar sein"
Doch genau daran stört sich die Schweizerische
Energie-Stiftung (SES). "Es dauert eine Million Jahre, bis die
Abfälle nicht mehr radioaktiv sind", sagte Sabine von Stockar. Es
sei deshalb unverantwortlich, die Abfälle nach 200 Jahren
unkontrolliert ihrem Schicksal zu überlassen.
"Es ist unbestritten, dass eine Lösung für die
radioaktiven Abfälle gefunden werden muss", sagt von Stockar. Doch
bei den jetzt geplanten Tiefenlagern seien einfach noch zu viele Fragen
offen: Wie verändert sich das Gestein durch die Abwärme der
Abfälle oder bei der Bildung von Gasen? Überhaupt nicht
vorhersehbar seien zudem Naturereignisse wie zum Beispiel
Gletschergänge. "Das haben wir untersucht", entgegnete Felix
Altdorfer vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat
(Ensi). "Gletscher ziehen immer durch die gleichen Gebiete."
Geri Müller geht es zu schnell
SES-Präsident und Vizeammann von Baden, Geri
Müller, stört sich am eingeschlagenen Tempo: "Wir
könnten noch bis 50 Jahre für ein Tiefenlager forschen;
nutzen wir doch diese Zeit." Auch für Müller ist klar: "Die
Abfälle muss man jederzeit zurückholen können."
Überhaupt habe er Mühe mit dem Begriff "Entsorgung", weil die
Abfälle nicht entsorgt, sondern lediglich gelagert würden.
Michael Aebersold (BFE): "Es ist schlicht nicht
möglich, diese Abfälle auf Zehntausende Jahre rückholbar
zu machen - das wäre unbezahlbar."
Lager auch für künftigen Abfall
Die zentrale Frage eines Besuchers bei der abschliessenden
Fragerunde lautete: "Das tönt für mich alles nach einem
abgeschlossenen System. Aber wir produzieren doch immer mehr Abfall?"
Das treffe zu, so Aebersold. "Die geplanten Tiefenlager seien jedoch
auf die Abfallmengen ausgelegt, die in den nächsten Jahren noch
produziert werden." Für die Lengnauer Grossrätin Astrid
Andermatt ist klar: "Wir wollen hier kein Tiefenlager, weil noch viele
Fragen offen sind." Zudem würden unabhängige Studien zur
Verträglichkeit eines Tiefenlagers mit dem Standort Nördlich
Lägern fehlen.Kommentar rechts
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Update
Anfang 2008 hat das dreistufige Auswahlverfahren für
zwei Tiefenlager begonnen. Im Frühling 2009 schlugen das Bundesamt
für Energie (BFE) und die Nationale Genossenschaft für die
Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) sechs Regionen dafür
vor: das Zürcher Weinland (ZH/TG), Nördlich Lägern
(AG/ZH), Bözberg (AG), Jurasüdfuss (AG), Wellenberg (NW/OW)
und Südranden (SH). Im Kanton Aargau sind 85 Gemeinden tangiert -
bei Bözberg 44, Nördlich Lägern 13 und beim
Jurasüdfuss 28 Gemeinden. Die Auswahl geschah gestützt auf
die Geologie im Untergrund. Die laufende 1. Etappe wird mit dem
Anhörungsverfahren der Standorte beendet. Mitte 2011 entscheidet
der Bundesrat, welche Standorte weiter untersucht werden. Diese haben
dann die Möglichkeit, in der Etappe 2 bei der Konkretisierung der
Lagerprojekte sowie den Untersuchungen der sozioökonomischen und
raumplanerischen Auswirkungen mitzuarbeiten. Voraussichtlich 2016 wird
der Bundesrat die Standorte festlegen. (mru)
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Kommentar
Sicherheit als oberstes Gebot
Martin Rupf
Gewiss: Es ist richtig, dass die Gemeinde Ehrendingen zur
Informationsveranstaltung Tiefenlager eingeladen hat. Die Bewohner
dieser Region haben ein Recht, über die Pläne des Bundes zu
einem geologischen Tiefenlager in ihrer Umgebung aufgeklärt zu
werden. Die ganze Sache hat aber einen Haken. Wenn sich der Bundesrat
2016 nach zehnjährigem Auswahlverfahren für einen oder zwei
Tiefenlager-Standorte entscheidet, wird sich die betroffene
Bevölkerung gegen diesen Entscheid nicht wehren können. Denn
das neue Kernenergiegesetz sieht kein Vetorecht mehr vor.
Was die Betroffenen als Eingriff in ihre demokratischen
Rechte empfinden, macht aber Sinn. Gäbe es das Vetorecht noch,
würde ein Tiefelager in der Schweiz nie Realität. Doch ein
solches braucht es. Selbst wenn die jetzigen Kernkraftwerke dereinst
abgebrochen werden, fällt 100000 Kubikmeter radioaktiver Abfall an.
Es ist verständlich, dass sich an den sechs
möglichen Standorten Widerstand formiert. Denn es ist absehbar,
dass der Bundesrat den Standort - alle erfüllen die
Sicherheitskriterien - auswählen wird, wo der politische
Widerstand am kleinsten ist. Im Fall von Nördlich Lägern ist
der Widerstand legitim, trägt die Region mit Fluglärm und
Kiesabbau doch schon genug Lasten der Allgemeinheit.
Dem Widerstand haften aber zwei Mängel an: Erstens
wehren sich auch solche, die weiter an der Kernenergie festhalten
wollen. Zweitens mutet es kleinlich an, wenn sich in der kleinen
Schweiz die Standorte gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben. Wir
reden hier von einer Lagerung radioaktiver Abfälle für die
nächsten 1000000 Jahre. Sicherheit ist dabei das oberste Gebot,
der Standort sekundär.
martin.rupf@azmedien.ch
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Bund 20.10.10
"Berns Ausstieg aus der Atomenergie ist bereits im Gang"
Ein breites Bündnis wirbt vor der Volksabstimmung vom
28. November für ein doppeltes Ja zum Atomausstieg der Stadt Bern.
Simon Thönen
Als passendes Lokal zum Auftakt des Abstimmungskampfes hat
das Komitee "2 x Ja für die Energiewende Bern" das Restaurant O
bolles gewählt: Das Bio-Restaurant am Berner Bollwerk hat den
städtischen Energiepreis 2010 gewonnen, weil es seinen Stromkonsum
mit effizienten Geräten reduziert hat und den restlichen Bedarf
vollständig mit Wasserkraft und Solarenergie deckt.
Was im Kleinen möglich ist, kann auch die Stadt Bern
schaffen, ist das Komitee überzeugt: aus der Atomenergie aus- und
in eine umweltfreundliche Stromversorgung einsteigen. "Der Umstieg auf
erneuerbare Energien ist technologisch machbar, wirtschaftlich sinnvoll
und schafft neue Arbeitsplätze", betonte gestern Natalie Imboden,
Grossrätin des Grünen Bündnisses.
Kampagne für doppeltes Ja
Nicht weniger als zehn Redner und Rednerinnen warben im
Namen von rund zwanzig Stadtparteien und Umweltorganisationen für
ein doppeltes Ja in der städtischen Volksabstimmung vom 28.
November: für die Volksinitiative "Energiewende Bern" und
ebenfalls für den Gegenvorschlag von Gemeinde- und Stadtrat.
Beide Vorlagen wollen dasselbe erreichen. Das stadteigene
Werk Energie Wasser Bern (EWB) soll aus den heutigen Beteiligungen an
AKW aussteigen und voll auf eine Stromversorgung mit erneuerbaren
Energien setzen. Unterschiedlich ist nur die Frist: Die Initiative gibt
EWB zwanzig Jahre Zeit - bis 2031. Der Gegenvorschlag des Gemeinderates
würde EWB bis 2039 Zeit zur Umsetzung einräumen. Wichtiger
als die Frage, wann der AKW-Ausstieg stattfindet, ist dem Komitee, dass
er stattfindet - deshalb die Kampagne für ein doppeltes Ja. Bei
der Stichfrage geben die meisten Parteien der Initiative den Vorzug,
während etwa die EVP für den Gegenvorschlag plädiert.
Noch nicht festgelegt haben sich diesbezüglich GFL und GLP.
Rot-Grün und grüne Mitte vereint
Im Grundsatz jedoch sind sich die Parteien des
rot-grünen Lagers und der grünen Mitte, die sonst das Heu
nicht immer auf der gleichen Bühne haben, beim Thema Energie
einig. "Das Argument, Atomstrom sei CO2-frei, ist schlicht falsch",
sagte Kathrin Bertschy, Stadträtin der Grünliberalen. Vor
allem der Uranabbau verursache einen erheblichen CO2-Ausstoss. Eine
Endlagerung des Atommülls sei "schwierig, teuer und weit von einer
Lösung entfernt", betonte Flavia Wasserfallen, Co-Präsidentin
der städtischen SP und Grossrätin.
"Als Kind war ich begeistert vom Kernkraftwerk
Mühleberg, als junger Erwachsener demonstrierte ich gegen ein AKW
in Graben", sagte EVP-Stadtrat Martin Trachsel, "heute interessieren
mich erneuerbare Energien und Optimierungen beim Energieverbrauch."
Deshalb habe er eine Solaranlage auf seinem Hausdach. Bereits 2013
könne EWB die Beteiligung am französischen AKW Fessenheim
aufgeben, unterstrich die ehemalige GFL-Grossrätin Lilo Lauterburg
- dies dank der umweltfreundlichen Elektrizität, die EWB in der
neuen KVA im Forsthaus produzieren wird. Lauterburg: "Der Ausstieg aus
der Atomenergie ist bei EWB bereits im Gang."
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BZ 20.10.10
Bern: Abstimmung zur Energiewende
"Städte haben Vorreiterrolle"
Die Stadt Bern soll in 20 bis 30 Jahren ohne Atomstrom
auskommen. Ein breites Komitee strebt die "Energiewende Bern" an.
Bevor die Initiative "Energiewende Bern" stand, glaubte
Energie Wasser Bern (EWB) nicht an den Atomausstieg. Nun, so legte
Natalie Imboden gestern vor den Medien dar, setzt sich der
städtische Energieversorger das Ziel selber. Für Imboden, die
im Initiativkomitee sitzt und das Grüne Bündnis
präsidiert, ist das bereits ein Erfolg. EWB will aber mehr Zeit,
als die Initiative dem Unternehmen einräumt: Statt 2030 visiert
dieses 2039 an. Der Gemeinderat hat dem Volksbegehren deshalb einen
Gegenvorschlag mit der längeren Frist zur Seite gestellt.
Das Initiativkomitee empfahl gestern den
Stimmberechtigten, dass am 28. November die Weiche vor allem in
Richtung Atomausstieg gestellt werden soll. Erreichbar sei das Ziel auf
beiden Wegen. Entscheidend sei der Wille, die dafür nötigen
Investitionen an die Hand zu nehmen.
EWB ist bereits an der Arbeit
EWB rechnet in seinem Marschplan mit 941 Millionen Franken
bis ins Jahr 2039. Müsste es das Tempo verschärfen,
erhöhten sich die Kosten empfindlich. Mit der neuen
Kehrichtverwertungsanlage (KVA) Forsthaus unternimmt EWB den ersten
wichtigen Schritt. Dank der neuen KVA wird EWB ab 2013 keinen Strom
mehr vom französischen AKW Fessenheim beziehen müssen.
Neben neuen Produktionsanlagen bauen sowohl EWB wie auch
die Initianten auf mehr Energieeffizienz. "Würden stets die besten
Technologien angewandt, könnten 30 Prozent Strom gespart werden",
sagte Annette Reiber von Greenpeace.
Untragbare Risiken
Geboten ist der Ausstieg für das Komitee aus
verschiedenen Gründen: "Jodtabletten im Spiegelschrank sind keine
beruhigende Massnahme", meinte etwa EVP-Stadtrat Martin Trachsel. Das
Risiko eines Atomkraftwerks sei zu hoch, ein Unfall hätte zu weit
reichende Folgen. Die Umgebung von Tschernobyl sei für die
nächsten 24 000 Jahre unbewohnbar, rief JA-Stadträtin Lea
Bill in Erinnerung. In Bern lebten 440 000 Menschen in den
Gefahrenzonen 1 und 2 des AKW Mühleberg.
Zudem sei Atomenergie keineswegs klimafreundlich. Es
entstehe etwa gleich viel Kohlendioxid wie bei einem modernen
Gaskraftwerk, wurde vorgerechnet. Von einem neuen Atomkraftwerk
würden vor allem die Energieunternehmen profitieren. Der Ausbau
bei zukunftsträchtigen erneuerbaren Energieträgern bringe dem
Gewerbe mehr.
Erfolge in Basel und Zürich
Basel verzichtet seit Jahren auf Atomstrom, Zürich
beschloss den Ausstieg 2008. "Städte nehmen eine Vorreiterrolle
ein", so Nadine Masshardt, SP-Grossrätin und
WWF-Co-Präsidentin. Nun sind die Stadtberner dran, und im
Frühjahr nehmen die Stimmbürger im Kanton Stellung zum Thema.
Flavia Wasserfallen, Co-Präsidentin der SP-Stadt-Sektion, ist
zuversichtlich, dass Einsicht vorhanden ist: "Niemand wird künftig
deswegen morgens mit nassen Haaren das Haus verlassen müssen, weil
der Föhn nicht läuft."
cab
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20 Minuten 20.10.10
Anti-Atomstrom-Komitee geht an die Öffentlichkeit
BERN. Gestern hat das Abstimmungskomitee für den
Atomausstieg seine Argumente vorgestellt. Das Komitee besteht aus rund
20 Parteien, Verbänden und Umweltorganisationen und will am 28.
November ein Berner Volks-Ja gegen Atomstrom erreichen. Der Ausstieg
sei technologisch machbar, wirtschaftlich sinnvoll und schaffe neue
Arbeitsplätze, sagte etwa Grossrätin Natalie Imboden
(Grünes Bündnis) am gestrigen Anlass. Kollegin Flavia
Wasserfallen (SP) fügte an: "Es geht auch darum, radioaktiven
Abfall zu vermeiden, den niemand bei sich gelagert haben will."
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Telebärn 19.10.10
Bern soll auf Atomkraft verzichten
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/bern-soll-auf-atmokraft-verzichten/c=84713&s=1051028