MEDIENSPIEGEL 5.11.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo)
- Clubleben: Last-Minute-Tickets
- 40 Jahre Kellerkino
- Big Brother Sport: Legalize Pyros
- Big Brother Video: Zuerst Hooligans, dann Innenstadt; Grenzwache
- RaBe-Info 5.11.10
- Obdachlos BE: Neuer Koordinator
- Randstand CH: Portraits
- Randstand Burgdorf: Suppenküche
- Wegweisung SG: Wegweisungsland
- Squat FR: Kein Gerichtsentscheid
- Squat ZH: Ultimatum + Angebote
- Squat VD: Saint-Martin kann bleiben
- Kulturstreik GE: evtl. Moa-Wiedereröffnung
- Drogen: Mehr Jugenddrogendelikte
- Alkohol: Freitag Nacht ZH; Saufclub LU
- Ausschaffungen: A-Knast Wauwilermoos; Schwyz; Work-Replik, 3xNein
- Anti-Feminismus: Wann ist ein Mann ein Mann...?
- Anti-Atom: Ausstiegszank BE; Alpiq-Verluste; Gorleben; Endlager

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REITSCHULE
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Fr 05.11.10
20.30 Uhr - Tojo - Ein Heimspiel. Von Theater Ararat. Regie: Hanspeter Utz.
21.00 Uhr - Kino - Ohne Frauen keinen Frieden: Pray the Devil Back to Hell, Gini Reticker, USA 2008
22.00 Uhr - Frauenraum - POPSHOP feat. Rubinia DJanes. Mit DJ Nordlicht und DJ Ellen V.
22.00 Uhr - Dachstock - Dubby Clubnight: FILEWILE (CH) & 340 ML (RSA/MZ), DJ Kev the Head. -- Dub, Electronica

Sa 06.11.10
18.00 Uhr - Kino - Ohne Frauen keinen Frieden: Pray the Devil Back to Hell, Gini Reticker, USA 2008
20.30 Uhr - Tojo - Ein Heimspiel. Von Theater Ararat. Regie: Hanspeter Utz.
21.00 Uhr - Kino - Ohne Frauen keinen Frieden: Sturm, Hans-Christian Schmid, D/DK/NL 2009
22.00 Uhr - Dachstock - 20 Jahre Gassenküche: DEXTER JONES CIRCUS ORCHESTRA (SWE), ZENO TORNADO (CH), EXENTERATION (CH). -- Rock, Country, Metal, Blues

So 07.11.10
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im SousLePont - bis 16.00 Uhr
13.30 Uhr - Kino - Kinderfilm am Flohmi-Sonntag: Muli - Ein Film über Menschen, Maultiere und Maulesel in der Schweiz, Schweiz 2010, Ines Meyer, Dialekt, 80 Minuten. In Anwesenheit von Maultieren
19.00 Uhr - Tojo - 1 m2 Freiheit. Von Lemon Kuliba. TOJ, Jugendarbeit Bern West. Regie: Azad Süsem.
20.00 Uhr - Rössli - JAPANESE NEW MUSIC FESTIVAL: Tatsuya Yoshida, Atsushi Tsuyama und Makoto Kawabata. -- Noise, Rock, New Music
20.15 Uhr - Kino - Zusammen TATORT gucken

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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BZ 5.11.10

Heimspiel muss weitergehen

Tojo Theater "Ein Heimspiel" von Theater Ararat: Die Börsenkurse fallen, schlechte Nachrichten gehören zum Tagesablauf. Krankheiten und Katastrophen werden zum Normalfall. Dann wird ein anonymer Fremder hineingespült. Er scheitert, falls er nicht mitspielt. Denn dem Ernst der (Heim-)Spiele kann sich niemand entziehen. pd
Heute Donnerstag und morgen Freitag, 20.30 Uhr, Tojo Theater, Neubrückstrasse 8, Bern

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CLUB-LEBEN
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20 Minuten 5.11.10

Clubbing neu zum Last-Minute-Tarif

 BERN. Zum Billig-Tarif feiern: Berner Clubs bieten neu für ihre Events Last-Minute-Tickets mit bis zu 80 Prozent Rabatt an.

 Die Berner Clubs machen es jetzt wie die Airlines: Kurz bevor der Flieger abhebt bzw. die Party startet, werden die letzten Tickets zu Tiefstpreisen verschleudert. Organisiert wird das Ganze über die Internetplattform Jackbox.ch. "Wie Fluggesellschaften haben ja auch Event-Veranstalter Fixkosten, bei denen sich jeder weitere Gast lohnt, auch wenn er nur noch wenig bezahlt", so Jackbox.ch-Initiant Adrian Herrmann. Gemeinsam mit einem Zürcher Kollegen hat der 28-jährige Berner die Last-Minute-Börse für Ausgänger gegründet. Für die User ist das Angebot gratis. Sie können sich registrieren und angeben, über welche Veranstaltungen sie informiert werden möchten. Die verbilligten Last-Minute-Tipps gibt es dann jeweils als SMS aufs Handy. Bezahlt werden die Tickets ebenfalls via Mobiltelefon.

 "Mir gefällt die Idee", so Stefan Zesiger vom Berner Liquid-Club, der bei Jackbox.ch dabei ist. Aber nicht nur Partys stehen im Angebot: Das Solothurner Kofmehl wird Jackbox vor allem bei Konzerten nutzen und das Stadttheater Bern macht so Jagd auf Kulturfans. Auch Sportskanonen können sparen: Im Berner Oberland sind bereits das Chill Out Paragliding Interlaken und die Alpinschule Adelboden mit dabei.  

NINA JECKER

http://www.jackbox.ch

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40 JAHRE KELLERKINO
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Bund 5.11.10

Filme aus wilden Tagen

 Das Berner Kellerkino feiert während einer Woche seinen 40. Geburtstag. Ein exquisites Programm mit legendären Filmen lässt die Pioniertage des ersten unabhängigen Kinos der Schweiz wieder aufleben.

 Thomas Allenbach

 Der Titel war Programm: Mit Jürg Hasslers Agitfilm "Krawall" startete Theres Scherer mit ihrem Ehemann Heini Scherer und einem befreundeten Ehepaar in den Novembertagen des Jahres 1970 das Kellerkino. Geboren aus dem Geist von 1968, sollte das Kino im Keller an der Kramgasse 26 in Bern politisch Partei ergreifen und mit ästhetischen Mitteln Lärm machen. Es waren pionierhafte, wilde Tage. Theres Scherer erzählt von abenteuerlichen Reisen mit nicht deklarierten Filmen im Kofferraum, vom Kampf gegen sture Behörden und Kollegen, die ihr nicht zutrauten, dass das Kellerkino allein gegen das Kino-Establishment überleben könnte.

 Rasch wurde die erste unabhängige Spielstelle der Schweiz zum Sprachrohr des andern Kinos und mit seiner Mischung aus Premieren, Retrospektiven und Filmzyklen zum Vorbild für andere alternative Kinos. Es ging um neue Bilder, andere Geschichten, um Werte wie Solidarität mit Menschen am Rand. Es ging aber auch um ästhetische Fragen, um Filme mit persönlicher Handschrift, um Werke, in denen Leben und Kunst eins wurden, und um neue Formen der Filmproduktion frei nach dem Diktum von Godard, wonach man nicht nur politische Filme, sondern Filme politisch machen müsse.

 Das mag für heutige Ohren abstrakt klingen - lässt sich jetzt aber konkret und sinnlich erfahren. Hanspeter Sperisen, der aktuelle Leiter des Kellerkinos, hat zusammen mit Theres Scherer und ihren Mitstreitern ein exquisites Geburtstagsprogramm zusammengestellt mit prominenten Werken aus der Kellerkino-Geschichte: von Rosa von Praunheims "Unsere Leichen leben noch" (heute um 20.30 Uhr) bis Bruno Molls "Das ganze Leben", der nächsten Mittwoch den Abschluss macht. Im Zentrum steht dabei der morgige Samstag mit freiem Eintritt in alle Vorstellungen. Den Auftakt machen um 15 Uhr "Der kleine Emmentalfilm" von Bernhard Luginbühl und Leonardo Bezzola sowie Peter von Guntens legendärer "Bananera libertad" (1970). In seinem Dokumentarfilm, der bis heute über 100 000 Menschen erreichte, analysiert von Gunten am Beispiel der Bananenproduktion die Zusammenhänge zwischen Armut in der - damals so bezeichneten - Dritten Welt und dem Reichtum in den Industrienationen. Ganz auf die hiesige bleierne Befindlichkeit ist Bernhard Gigers "Winterstadt" (18.30 Uhr) fokussiert, jener "Klimafilm", mit dem Theres Scherer ihre erfolgreiche Karriere als Produzentin startete.

 Bis 10. November. Programm: Tägliche Kinoseite im "Bund", www.kellerkino.ch

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BIG BROTHER SPORT
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Blick am Abend 4.11.10

Legalize Pyros

 FEUERWERK

 Fussballfans sollen während des Spiels zeuseln dürfen. In einem Extrabereich.

 ann.guenter@ringier.ch

 Um den Rauch in Fussballstadien entbrennt immer wieder der gleiche Streit. Für die einen gehören Petarden zum Spiel und zur Fussballfankultur. Für die anderen stellen die bis zu 2000 Grad heissen Fackeln eine grosse Gefahr dar.

 Diesen Grundsatzstreit wollen Flavia Wasserfallen und ihre Mitstreiter von SP Stadt Bern ausdribbeln: "Pyros" in Stadien sollen legalisiert und ein gesonderter Bereich für das Abfackeln von Petarden geschaffen werden. "Sie können es mit der kontrollierten Heroinabgabe vergleichen", sagt Wasserfallen zu Blick am Abend. "Man kann die Fans nicht vom Pyro-Abbrennen abhalten." Die jetzige Gesetzeslage sei doch paradox: Hohe Bussen, obwohl die Polizei das Vergehen kaum ahnde. "Was mich auch aufregt: Wir haben alle Freude an Bildern von brennenden Pyros in den Stadien, weil sie die gute Stimmung zeigen. Die Verursacher aber werden kriminalisiert." Konkrete Pläne für das angedachte Pilotprojekt gibt es noch keine. "Aber es wäre doch einen Versuch wert!", sagt "YB-Fan-mit-Abo" Wasserfallen.

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BIG BROTHER VIDEO
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Bund 5.11.10

Videoüberwachung wird in Bern nur begrenzt eingesetzt

 Der Berner Stadtrat will jede Kamera einzeln bewilligen - die FDP kündet Widerstand an.

 Simon Thönen

 Im zweiten Anlauf stimmte das Berner Stadtparlament gestern dem Reglement für Überwachungskameras mit 36 zu 29 Stimmen zu. Die polizeiliche Videoüberwachung wird in der Bundesstadt damit grundsätzlich möglich. Allerdings wird der Stadtrat gemäss dem jetzt beschlossenen Reglement jede Überwachungskamera einzeln bewilligen müssen.

 Aus Empörung über diese Bestimmung hatte die FDP-Fraktion vor einer Woche im Stadtrat gegen das Videoreglement gestimmt - und die umstrittene Vorlage in der Schlussabstimmung zum Scheitern gebracht. Auch gestern versuchte die FDP erneut, die Klausel über das Genehmigungsrecht des Parlaments für die einzelnen Kameras zu kippen. Auf Antrag der GFL/EVP-Fraktion wurde jedoch lediglich die Schlussabstimmung über die Vorlage wiederholt. Die FDP kritisierte dies als "Diskussionsverweigerung" - und kündete an, dass sie die Vorlage mit einem konstruktiven Referendum bekämpfen wolle.

 "Fan-Walk" zuerst überwacht

 Mit der Überweisung eines unverbindlichen Postulats gab der Stadtrat gestern auch gleich bekannt, wo die ersten Überwachungskameras installiert werden sollen: auf dem sogenannten Fan-Walk, der Wegstrecke, die Sportfans zwischen dem S-Bahnhof Wankdorf und dem Stade de Suisse zurücklegen.

 Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) begrüsste die Standortpriorität des Stadtparlaments. "Es geht hier genau um den Bereich, bei dem es einen politischen Konsens für die Videoüberwachung gibt", sagte Nause. Einsatzmöglichkeiten der Überwachungskameras in der Innenstadt stünden dagegen nicht im Vordergrund, fügte der Sicherheitsdirektor an. — Seite 23

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Das Videoreglement nahm die letzte Hürde auf die Schnelle

 Berner Stadtrat wird jede einzelne Überwachungskamera bewilligen müssen.

 Simon Thönen

 Vor dem Rathaus stand ein besorgter Bürger und hielt ein Plakat hoch: "Macht aus Bern keinen Bürgerpark!" Doch seine Diskussion mit Stadtrat Jimy Hofer (parteilos) war wenig ergiebig. "Ich habe kein Problem damit, gefilmt zu werden", meinte Hofer bloss.

 Im Stadtrat ging die Sache dann sehr schnell: Das Reglement für Überwachungskameras, das zuvor für zähe Debatten und parlamentarische Kapriolen gesorgt hatte ("Bund" vom 29. 10.), war innerhalb einer Viertelstunde genehmigt: Mit 36 zu 29 Stimmen bei 5 Enthaltungen stimmte der Stadtrat dem Videoreglement in der Form zu, in der er es vor einer Woche beraten, dann aber in der Schlussabstimmung knapp abgelehnt hatte.

 Das heisst: Der Stadtrat wird die Installation jeder einzelnen Überwachungskamera bewilligen müssen. Der besorgte Bürger darf deshalb damit rechnen, dass Videoüberwachung in Bern wohl nur in engen Grenzen eingesetzt wird.

 FDP: "Diskussionsverweigerung"

 Möglich gemacht hatte das Eilverfahren gestern ein Ordnungsantrag der GFL/EVP-Fraktion, dass nur die Schlussabstimmung wiederholt werden solle. Er obsiegte gegen einen Ordnungsantrag der FDP. Sie wollte erreichen, dass der Gemeinderat über die Platzierung der Videokameras entscheiden darf.

 In einer Pressemitteilung bezeichnete die FDP das Schnellverfahren gestern als "Diskussionsverweigerung" und das nun beschlossene Videoreglement als "Pseudoreglement". Die Partei kündete ein konstruktives Referendum an, um doch noch zu erreichen, dass der Gemeinderat anstelle des Stadtrats für die Platzierung der Kameras zuständig ist. Aus Empörung darüber, dass das Stadtparlament über jede Kamera einzeln entscheiden soll, hatte die FDP vor einer Woche gegen das Reglement gestimmt - und es damals zum Scheitern gebracht.

 "Fan-Walk" wird überwacht

 Im Anschluss an die Abstimmung über das Videoreglement stimmte das Stadtparlament - in einer Art Vorgriff auf sein künftiges Mitbestimmungsrecht - darüber ab, wo genau die ersten Überwachungskameras installiert werden sollen.

 CVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat beantragte, dass der Weg zwischen dem Stade de Suisse und dem S-Bahnhof Wankdorf überwacht werden soll. Randalierende Sportfans auf dem sogenannten Fan-Walk sollen gefilmt werden, so Beuchat, "damit wir dieser Tunichtgute habhaft werden". Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) begrüsste den Vorstoss: "Es geht hier genau um den Bereich, bei dem es einen politischen Konsens für die Videoüberwachung gibt." Nause erhofft sich von den Kameras mehr Ruhe bei Sportveranstaltungen. Der Stadtrat überwies das Postulat mit 39 zu 27 Stimmen.

 Der Entscheid des Stadtrats für die Videoüberwachung des Fan-Walks war unverbindlich - und eigentlich auch überflüssig. Denn der Gemeinderat hätte mit Sicherheit auch von sich aus für die Zone zwischen Stadion und S-Bahnhof Wankdorf zuerst Überwachungskameras beantragt. Offenbar wollte die Mehrheit des Stadtparlaments aber bereits jetzt zeigen, dass sie ihr Mitbestimmungsrecht bei den Kamerastandorten mit Umsicht nutzen wird.

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BZ/Thuner Tagblatt 5.11.10

Ja zur Videoüberwachung

 Stadt Bern Der Stadtrat hat gestern Abend die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ermöglicht. Die ersten Kameras sollen beim Stade de Suisse installiert werden.

 Nun hat auch die Stadt Bern ein Videoreglement - und damit die Grundlage, um den öffentlichen Raum mit Videokameras zu überwachen. Der Stadtrat hat das Reglement gestern Abend mit 36 zu 29 Stimmen überwiesen. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) sprach gegenüber dieser Zeitung von einem "historischen Tag". Er habe zwei Jahre lang dafür geschuftet. "Jetzt will ich keine Zeit mehr verlieren."

 Die ersten Kameras sollen beim sogenannten Fanwalk zwischen dem Stade de Suisse und dem Bahnhof Wankdorf installiert werden. Laut Nause würden die Kameras nur an Spieltagen und nur während weniger Stunden in Betrieb sein. Doch bis es so weit ist, muss das Videoreglement einige Hürden nehmen - eventuell sogar eine Volksabstimmung. Denn die FDP droht das Referendum an. Die Freisinnigen stören sich daran, dass der Stadtrat und nicht der Gemeinderat die Kamerastandorte bestimmen soll. Mit dem Volksvorschlag will die FDP erreichen, dass der Gemeinderat die Standorte auswählen darf.

 Damit torpedierte die FDP den bürgerlichen Sicherheitsdirektor. "Womöglich lehnt das Volk das Reglement als Ganzes ab", sagt Reto Nause. "Die FDP soll nochmals darüber nachdenken."

 Seit Mitte 2009 ermöglicht das kantonale Polizeigesetz dissuasive Videoüberwachung. Bis jetzt haben laut Angaben der Kantonspolizei erst "eine Handvoll" Gemeinden Gesuche eingereicht. Ob die Stadt Thun darunter ist, die Kameras an fünf Standorten vorsieht, wollte die Polizei nicht bestätigen. Bisher wurde nur ein Gesuch bewilligt, nämlich dasjenige der Gemeinde Studen. tobSeite 7

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Der Stadtrat will nun doch Kameras

 VideoreglementKehrtwende im Berner Stadtparlament: Das Videoreglement wurde im zweiten Anlauf verabschiedet. Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) plant bereits die ersten Überwachungskameras - zwischen Wankdorfbahnhof und Stade de Suisse.

 Also doch noch: Nun hat der Stadtrat die Videoüberwachung in der Stadt Bern gutgeheissen. Das auf den Buchstaben genau gleich formulierte Videoreglement, das letzte Woche noch gescheitert war, wurde gestern Abend mit 39 zu 29 Stimmen angenommen.

 In der Vorwoche hatten die Freisinnigen noch gegen das Videoreglement gestimmt. Sie sind dagegen, dass der Stadtrat und nicht der Gemeinderat über die Kamerastandorte entscheiden soll. Gestern enthielten sich fünf FDP-ler der Stimme, was dem Reglement zum Durchbruch verhalf. FDP-Fraktionspräsident Bernhard Eicher bezeichnete das verabschiedete Reglement als "Pseudo-Reglement". Jetzt habe Bern zwar ein Videoreglement, aber auf lange Sicht keine Kameras. "Das ist ein Etikettenschwindel."

 FDP droht mit Referendum

 Die FDP kündigte sogleich ein Referendum an: "Das Stimmvolk muss jetzt halt der Stadt Bern zu einem griffigen Videoreglement verhelfen", sagte Bernhard Eicher. Mit dem Volksvorschlag will die FDP erreichen, dass der Gemeinderat die Kamerastandorte definieren kann.

 Damit torpediert die FDP innerhalb weniger Tage ein weiteres Mal den bürgerlichen Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP). Das angekündigte Referendum berge die Gefahr einer totalen Ablehnung durchs Volk, sagte Nause nach der Debatte gegenüber dieser Zeitung. Denn Linksaussen sei die Fundamental-Opposition nach wie vor gross. "Mir ist es lieber, das Parlament entscheidet über die Kamerastandorte, als gar kein Videoreglement in den Händen zu halten." Früher sei der Freisinn in Sicherheitsfragen immer ein zuverlässiger Partner gewesen. "Doch heute sammelt die FDP am Ende noch neben Linksautonomen Unterschriften fürs Referendum."

 Beim Stade de Suisse gehts los

 Trotzdem sprach Nause von einem "historischen Tag". Für dieses Reglement habe er zwei Jahre lang geschuftet. Dafür wurde er gestern Abend gleich doppelt belohnt: Neben dem Ja zum Videoreglement tat ihm das Parlament einen weiteren Gefallen. Es überwies ein CVP-Postulat, das eine Kreditvorlage für die Installation von Kameras zwischen Wankdorfbahnhof und Stade de Suisse fordert. Das sei zwar nur ein unverbindliches Postulat, sagte Nause. "Doch für mich ist es ein klarer Auftrag, mit dem Kameraprojekt beim Fanwalk vorwärts zu machen." Es sei höchste Zeit, Hooligans mit Überwachungskameras zu überführen. "Wenn die Kameras nur kurz vor und etwas nach Fussballspielen eingeschaltet sind, dürfte ich im Stadtrat ein weiteres Mal eine Mehrheit finden."

 Weitere potenzielle Kamerastandorte sind in Bern etwa die Aarbergergasse, die Schützenmatte oder die grosse Schanze. "Weil es ein heikles Thema ist, werden wir jede einzelne Kamera auf Herz und Nieren prüfen, ob sie wirksam ist", sagte Nause. Doch bewilligt werden die Kameras schliesslich von der Kantonspolizei. Laut Polizeiangaben haben im Kanton Bern erst "eine Handvoll" Gemeinden ein Gesuch eingereicht. Bisher wurde erst eines davon bewilligt, nämlich dasjenige der Gemeinde Studen.

 Tobias Habegger

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BZ Kommentar

 Kein Grund für Albträume

 Wer durch die Bahnhofhalle geht, wird gefilmt. Wer im Warenhaus einkauft, wird gefilmt. Nun können auch Kameras im öffentlichen Raum der Stadt Bern installiert werden. Sich deswegen von Albträumen à la Big Brother plagen zu lassen, ist übertrieben. Bis es so weit ist, wird voraussichtlich zuerst das Stimmvolk befragt. Egal, ob dann der Stadtrat oder der Gemeinderat die Kamerastandorte bestimmt, müssen die Gesuche von der Polizei bewilligt werden. Diese hat sich an enge Vorgaben im kantonalen Polizeigesetz zu halten. Für eine flächendeckende Überwachung der Innenstadt, wie sie etwa in England grassiert, fehlt sowieso das Geld.

 Das will in Bern auch niemand. Im Fokus stehen Hotspots, an denen sich Straftaten häufen. Ein solcher Ort ist etwa der Fankorridor zwischen Fussballstadion und Bahnhof Wankdorf. Kameras im unübersichtlichen Treppenhaus zwischen Parkterrasse und Grosser Schanze würden wie im Parkhaus das Sicherheitsgefühl erhöhen. Punktuell eingesetzt machen Videokameras Sinn. Weil sie Straftaten aufklären helfen, wirken sie abschreckend. Wer in ihnen jedoch ein Allheilmittel sieht, ist auf dem Holzweg.

 Christoph Aebischer

 ist Redaktor im Ressort Stadt Bern.

 christoph.aebischer@bernerzeitung.ch

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20 Minuten 5.11.10

Grünes Licht für Videokameras

 BERN. In der Stadt Bern kann die Videoüberwachung nun doch eingeführt werden. Gestern hat das Stadtparlament das entsprechende Reglement im zweiten Anlauf gutgeheissen. Sicherheitsdirektor Reto Nause erhofft sich davon Erleichterungen bei der Aufklärung von Straftaten und mehr Ruhe rund um Sportveranstaltungen. Die Innenstadt steht nicht im Vordergrund. Die FDP ist dagegen und strebt nun eine Volksabstimmung an.

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BZ 5.11.10

Grenzwache stellt 40 Spezialkameras auf

 Überwachung Die Schweizer Grenzwache baut ihren Bestand an intelligenten Kameras zur automatischen Identifizierung von Autonummern massiv aus. 40 bis 70 solcher Geräte will sie neu an Grenzposten installieren.

 Mit einem hocheffizienten Instrument will die Zollverwaltung Autodiebe an der Grenze abfangen. Sie hat beim deutschen Konzern Siemens 40 neue sogenannt intelligente Kameras bestellt. Gleichzeitig haben sich die Grenzwächter gemäss Ausschreibung die Option auf 30 weitere solche Geräte gesichert. Das ergaben Recherchen dieser Zeitung. Die Kameras werden in den nächsten drei Jahren gestaffelt an Grenzwachposten ausgeliefert, heisst es ebenfalls in der Ausschreibung.

 Totale Überwachung?

 Diese "Kameras zur automatischen Fahrzeugnummernschild-Erkennung" , wie die Apparate offiziell heissen, filmen und identifizieren die Kontrollschilder sämtlicher vorbeirollender Fahrzeuge automatisch. Sie gleichen die erfassten Autonummern - ebenfalls automatisch - mit dem Datenbanksystem von Ripol ab. Ripol ist die Abkürzung für "Recherches informatisées de police". Es ist ein riesiges Datenbanksystem unter anderem mit Daten gesuchter Personen, gesuchter Fahrzeuge und ungeklärter Straftaten. Landet eine der Kameras einen Treffer, schlägt das System Alarm. Die Grenzwache hält fest, dass die Daten nur mit jenem Teil von Ripol verglichen werden, welcher die ausgeschriebenen Autonummern enthält.

 Diese Fahndungsmethode soll mit der Bestellung der neuen Geräte ausgebaut werden, bestätigt Stefanie Widmer, Sprecherin der Grenzwache. Ein Teil der neuen Kameras sei auch als Ersatz für bereits bestehende vorgesehen.

 Einzelne solche Kameras betreibt die Grenzwache nämlich bereits seit einigen Jahren. Wie viel das sind, will die Sprecherin aus strategischen Gründen nicht sagen. Doch ein Bericht des Justizdepartements zur öffentlichen Videoüberwachung in der Schweiz aus dem Jahr 2007 löst das Rätsel: "An elf Grenzposten sind Videokameras mit automatischer Autonummernerkennung installiert", heisst es dort. Seither wurden, soweit eruierbar, bis zur aktuellen Beschaffung keine neuen Kameras mehr bestellt.

 Die neuste Serie dieser Kameras deckt ein sehr weites Spektrum ab. Damit wirbt Siemens. Eine einzige Kamera genüge, um eine zweispurige Strasse in beiden Fahrtrichtungen bei Tag und Nacht zu überwachen.

 Heikle Anwendung

 Heikel ist der massive Ausbau des Überwachungssystems aus zwei Gründen: erstens wegen des Datenschutzes. Eine Bundesverordnung regelt ausführlich, mit welchen Mitteln die Grenzwache die Grenze überwachen darf. Ausdrücklich erlaubt sind etwa Videoaufnahmen mit Drohnen. Auch gewisse andere Videoüberwachungen dürfen die Grenzwächter unter bestimmten Voraussetzungen zu Fahndungszwecken durchführen. In dieser Verordnung nirgends aufgeführt ist hingegen die automatische systematische Identifizierung und Abgleichung aller Nummernschilder an einem Grenzübergang. Eliane Schmid, Sprecherin des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, sagt auf Anfrage, dass sie die Legalität solcher Kameras nicht beurteilen könne, weil ihr die nötigen Detailinformationen dazu fehlten. Einige Kantonspolizeikorps setzten notabene auch vereinzelt solche Geräte ein.

 Grenzwachsprecherin Widmer versichert: "Es geht hier ausschliesslich um Sachfahndung, also um Fahrzeugnummern und nicht um Personen." Deshalb sei dies datenschutztechnisch kein Problem.

 Schengen-kompatibel

 Zweitens tangiert der grossflächige Einsatz solcher Kameras das Schengen-Abkommen. Der Kodex zum Abkommen besagt nämlich im Grundsatz, dass "Binnengrenzen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen, und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen". Weiter steht: "Die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen bedeutet auch die Abschaffung der Grenzüberwachung." Tove Ernst, Sprecherin der für Schengen zuständigen Abteilung in der Europäischen Kommission, hält fest: Die Verwendung von Kameras zur Überwachung der Fahrzeugkontrollschilder an der Grenze tangiere das Schengen-Abkommen nicht, solange die Daten nicht zur Überprüfung der die Grenze querenden Insassen diene.

 Mischa Aebi

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RABE-INFO
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Fr. 5. November 2011
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_5._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_5._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%205.%20November%202010
- Was der Kanton Bern in den vergangenen 20 Jahren erreicht hat
- Warum sich Schweizer Boden eignet um daron co2 zu lagern
- Warum Frauen dreier verschiedenen Religionen ihr Haar bedecken

Links:
http://www.sta.be.ch/site/index/sta-startseite/weiteres/weiteres-gleichstellungskommission.htm
http://www.bfe.admin.ch/dokumentation/energieforschung/index.html
http://www.haus-der-religionen.ch

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OBDACHLOS
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Bund 4.11.10

Der Brückenbauer in der Wohn- und Obdachlosenhilfe

 Peter Kobi leitet seit Mitte August die Koordinationsstelle Obdachlosigkeit der Stadt Bern. Obwohl er im Hintergrund arbeitet, ist er einer der wichtigsten Männer in der Obdachlosenhilfe.

 Rahel Bucher

 In der Öffentlichkeit sind sie meistens unsichtbar, und mit den klassischen Clochards von früher haben sie nicht mehr viel gemeinsam. Weder bauen sie sich in Berns Gassen mit Kartonkisten einen Schlafplatz, noch liegen sie in Hauseingängen oder auf Parkbänken. Und doch gibt es auch in Bern Menschen, die ihr Dach über dem Kopf verloren haben. Für diese Menschen setzt sich Peter Kobi ein. Seit Mitte August leitet der 54-Jährige die Koordinationsstelle Obdachlosigkeit der Stadt Bern.

 Es kann jeden treffen

 "Wir gehen davon aus, dass es in der Stadt Bern 10 bis 15 Personen gibt, die ständig draussen übernachten oder immer wieder von Provisorium zu Provisorium ziehen", sagt Kobi. Dazu kommen noch diejenigen, die ein höheres Risiko haben, obdachlos zu werden. Besonders betroffen davon sind laut Kobi Suchtmittelabhängige, Prostituierte, psychisch kranke oder angeschlagene Menschen, Strafentlassene, Arbeitslose, Ausländerinnen und Ausländer mit "vorurteilsbelasteter" Nationalität sowie junge Erwachsene, die sich gegen gesellschaftliche Regeln auflehnen.

 Aber auch Eheprobleme - zum Teil verbunden mit häuslicher Gewalt - könnten eine Ursache für Obdachlosigkeit sein. "Nicht zuletzt kann aber jede und jeder plötzlich von Obdachlosigkeit betroffen sein." So zum Beispiel nach einem Hausbrand oder bei einem grossen Wasserschaden. In all diesen Fällen und wenn auch die letzten Stricke - wie zum Beispiel ein vorher noch intaktes Beziehungsnetz - reissen, kommt Peter Kobi zum Einsatz.

 Unsichtbar, aber nicht unwichtig

 Denn obwohl er für die Obdachlosen genauso unsichtbar ist wie sie selbst für die Gesellschaft, ist er für sie einer der wichtigen Männer im Hintergrund. Der ausgebildete Sozialarbeiter kümmert sich darum, dass es in der Stadt Bern im Rahmen der Obdachlosen- und Wohnhilfe genügend Schlaf- und Wohnangebote gibt. Dafür steht ihm ein Budget von rund 2,9 Millionen Franken pro Jahr zur Verfügung, wovon 2,6 Millionen durch den kantonalen Lastenausgleich übernommen werden.

 Zurzeit sind es vier Trägerschaften, mit denen die Stadt Bern Leistungsverträge abgeschlossen hat: Heilsarmee Sozialwerk, Wohnen Bern, Verein Wohn- und Lebensgemeinschaft Stadt und Region Bern sowie die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Stadt Bern. Diese Organisationen bieten Plätze für rund 200 Personen an. Im Jahr 2009 wurden in allen subventionierten Institutionen zusammen 40 659 Übernachtungen gezählt.

 Ebenfalls definiert und kontrolliert er die Anforderungen an die Institutionen. Diese reichen von der Bereitstellung eines Notbetts über die Betreuung in einer Wohn- oder Tagesstruktur bis zur Begleitung oder Beratung im selbstständigen Wohnen. "Ich habe eine Art Brückenfunktion zwischen Obdachlosen, Sozialamt, Liegenschaftsverwaltung, psychiatrischen Kliniken, Institutionen der Drogen- und Suchthilfe und den Obdachloseninstitutionen", beschreibt Kobi seine Aufgabe ganz sachlich und kommt wieder auf die von Obdachlosigkeit Betroffenen zu sprechen.

 Mehr obdachlose Männer

 "Die Mehrheit der Obdachlosen sind Männer", sagt er. Unter anderem habe dies damit zu tun, dass Männer im Falle eines Schicksalsschlags wie Verlust der Partnerin oder des Arbeitsplatzes schneller auf der Gasse landeten als Frauen. Männer könnten sich in der Regel weniger gut in eine Wohn- oder Hausgemeinschaft einfügen. Weibliche Kontaktnetze scheinen zudem tragfähiger zu sein als männliche.

 Neben den Unterschieden nach Geschlecht gebe es auch saisonale Schwankungen, erklärt Kobi. "Normalerweise gibt es im Winter mehr Obdachlose als im Sommer." Aber auch in Krisenzeiten nehme die Anzahl Obdachloser zu. Kobi: "Je höher die Arbeitslosigkeit, desto höher die Anzahl Menschen, die obdachlos werden können." Er erzählt ganz nüchtern und wirkt pragmatisch. Trotzdem blitzt dann und wann ein Funke Idealismus durch. So zum Beispiel wenn er sein wichtigstes Ziel formuliert: "In der Stadt Bern sollen alle ein Dach über dem Kopf haben."

 Mehr Fälle erwartet

 Um diesem Ziel näher zu rücken, klärt er neben dem Bedarf auch die Bedürfnisse von Menschen ab, die ihren Wohnraum verlieren, keine zumutbaren Mittel für eine Übernachtungsmöglichkeit haben und über keine Anschrift verfügen. So hat sich in den letzten Jahren etwa gezeigt, dass Notschlafstellen und Notbetten nur noch bedingt dem gesellschaftlichen und individuellen Bedarf entsprechen. Vielmehr sei ein Trend in Richtung längerfristige Wohnbegleitung festzustellen, sagt Kobi. "Immer mehr Menschen werden auf begleitete Wohnplätze angewiesen sein", prophezeit er. Denn leistungsschwächere, sozial auffällige oder psychisch instabile Menschen würden zunehmend aus dem Arbeitsmarkt verdrängt und damit einhergehend auch ihre Tagesstruktur und ihre Wohnung verlieren.

 Immer ein "offenes Ohr"

 Aber nicht nur die Leistungsgesellschaft kritisiert er, sondern auch den Wohnungsmarkt, der für die sozial Schwächsten kaum mehr Wohnraum zur Verfügung hält. "In Bern gibt es insgesamt zu wenig günstigen Wohnraum", sagt er, und die Problematik werde sich weiter verschärfen. Immer wieder würden bei ihm auch Leute anrufen, die auf dem regulären Weg versuchten, eine günstige Wohnung zu finden. Diese könne er auf die inserierten Wohnungen bei der städtischen Liegenschaftsverwaltung hinweisen.

 Und was, wenn jemand wirklich auf der Strasse steht? Die meisten melden sich zuerst beim Sozialdienst oder auch bei Einrichtungen der Heilsarmee, stellt Kobi fest. Diese helfen den Betroffenen dann weiter und kontaktieren ihn allenfalls. Oder aber die Betroffenen melden sich direkt bei ihm. Das komme zwar nicht so häufig vor. Trotzdem habe er immer "ein offenes Ohr für alle Anliegen", versichert er.

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RANDSTAND CH
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Work 5.11.10

Portraits von unten

 Die arme Schweiz

 Sie leben von Sozialhilfe, sind alleinstehend, alleinerziehend, obdachlos: die sogenannten Armutsbetroffenen. Der Journalist Walter Däpp und der Fotograf Hansueli Trachsel aus Bern haben die Tür zur Dunkelkammer der Schweiz aufgestossen. "Wir haben Menschen mit beeindruckenden Lebensgeschichten getroffen", schreiben Däpp und Trachsel. "Menschen, die mit Würde, Anstand, Kreativität und erstaunlicher Demut versuchen, ihren Alltag zu bewältigen."

 Walter Däpp, Hansueli Trachsel: Vom Traum, reich zu sein. Armutszeugnisse aus der Schweiz. Stämpfi-Verlag, Bern 2010, 80 Seiten, Fr. 29.-.

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RANDSTAND BURGDORF
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BZ 5.11.10

Suppe für die Alkiszene

 Burgdorf

Am 15. November startet ein neues Projekt: Immer montags und freitags bietet eine privat organisierte Gruppe im Bahnhofquartier warmes Mittagessen für Randständige an.

 Burgdorf und seine Alkoholikerszene im Bahnhofquartier - dies ist eine wechselvolle Geschichte von Ärgernis, gegenseitiger Annäherung, Missverständnissen, Zugeständnissen, Duldung und hartnäckigem Misstrauen.

 Nun schaltet sich eine als Verein organisierte Gruppe Privater ein. Initiant ist der Burgdorfer Martin Stäger, dem das Wohl der Randständigen am Herzen liegt. In den Bereichen Prävention, Therapie und Polizei sei die Suchtproblematik in Burgdorf bereits ausreichend abgedeckt, sagt er. Im Sachen Überlebenshilfe gebe es jedoch noch kein Angebot. Deshalb hat er zusammen mit anderen engagierten Leuten eine Suppenküche gegründet, die vorerst bis im Frühling immer am Montag- und Freitagmittag eine warme Mahlzeit anbietet. Ursprünglich hätte die Ausgabe in einem Zirkuswagen erfolgen sollen, jetzt wird im Gemeinschaftsraum der Evangelisch-Methodistischen Kirche gegessen.

 Kostenlos warm essen - das ist nicht zu verachten. Wird sich das Angebot in der Region herumsprechen? Werden sich schon bald Randständige aus dem ganzen Emmental und den Nachbarregionen in langen Warteschlangen vor der Lokalität in Burgdorf einfinden? Einen solchen Effekt jedenfalls befürchtete die Stadt, als sie dem Initianten im Frühling verbot, mit einem Verpflegungswagen im öffentlichem Raum aufzufahren. Heute sagt die für das Soziale zuständige Gemeinderätin Annette Wisler Albrecht: So, wie die Suppenküche jetzt aufgezogen sei, nämlich in einem privaten Raum, sei es weniger problematisch. In diesem Rahmen fühlten sich wohl eher Einheimische angesprochen.heb Seite 4

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Burgdorf

 Warme Küche für Leute aus der Alkiszene

 BurgdorfIn wenigen Tagen startet in Burgdorf die Suppenküche für Randständige. Ursprünglich wollten Martin Stäger und seine Mitinitianten das Angebot in einem Zirkuswagen lancieren; nun wurde für das private Projekt ein Raum in der Johanneskapelle gefunden.

 Der Burgdorfer Martin Stäger kennt Leute, die in die örtliche Suchtszene abgerutscht sind. Viele von ihnen sind körperlich geschwächt und werden gerade im Winter, wenn es kalt ist, noch grösseren Strapazen ausgesetzt sein. Dass sie alle eine eigene Wohnung haben, weiss Stäger zwar, aber ebenso bekannt ist ihm die Tatsache, dass die meisten von ihnen aus sozialen und praktischen Gründen den Tag meistens im Freien verbringen - einst vor dem Coop City an der Bahnhofstrasse, derzeit bei der alten Butterzentrale ebenfalls im Bahnhofquartier. "Hier treffen sie sich, um nicht allein sein zu müssen, und hier warten auswärtige Klienten auf den abendlichen Termin in der heroingestützten Suchttherapie", sagt der gelernte Psychiatriepfleger.

 Montags und freitags

 Was den Randständigen an ihrem Aufenthaltsort im Freien fehlt, ist warme Küche - und hier will Stäger zusammen mit anderen engagierten Privatleuten einspringen. Sie gründeten zu diesem Zweck den Verein Suppenküche und werden am 15. November nun starten: Im Gemeinschaftsraum der Evangelisch-Methodistischen Kirche an der Bahnhofstrasse 12 gibt es künftig immer am Montag und Freitag von 11.30 bis 13.30 Uhr gratis warme Küche und einen Kaffee. Alkohol dagegen wird keiner ausgeschenkt, und Tabak ist hier ebenfalls tabu.

 Gekocht und ausgeschenkt wird nicht nur von Vereinsmitgliedern, sondern auch von weiteren Freiwilligen. Und woher nimmt der Verein das Geld? "Wir beziehen die Nahrungsmittel von der Schweizer Tafel", erklärt Martin Stäger. Diese Institution sammelt in den Geschäften datumsverfallene, aber noch immer einwandfreie Nahrungsmittel ein und liefert diese kosten-los an soziale Institutionen. Die Burgdorfer Suppenküche arbeitet zudem mit einheimischen Geschäften zusammen, die im Bedarfsfall Lebensmittel spenden. Müssen allfällige Ergänzungskäufe getätigt werden, greift man auf den finanziellen Notvorrat aus den Vereinsmitgliederbeiträgen zurück.

 Unerwünschter Sog?

 Verschiedene angefragte Stiftungen und die Stadt selber beteiligen sich am Projekt - zumindest vorläufig - jedoch nicht. "Besagte Stiftungen sprechen vor allem Gelder für Behinderteninstitutionen, und die Stadt stellt sich auf den Punkt, dass eine Suppenküche Randständige aus der ganzen Region anziehen könnte", berichtet Stäger. Bei der Akibu, der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen in Burgdorf, stiessen die Initianten jedoch auf offene Ohren: Der Erlös der Kollekte aus dem Bettagsgottesdienst floss dem Verein Suppenküche zu, und Akibu-Präsident Beat Kurmann, zugleich Pastor der Evangelisch-Methodistischen Kirche, stellte für das Projekt den Gemeinschaftsraum in der Johanneskapelle zur Verfügung.

 Damit war die Raumfrage elegant gelöst, denn ursprünglich hätten die Initianten eine Gassenküche in einem Zirkuswagen aufziehen wollen, scheiterten aber an den hohen Anschaffungskosten und dem Nein der Stadt. Den Wagen hätte man unmittelbar bei der alten Butterzentrale aufstellen wollen, also möglichst nahe bei der Kundschaft. Diese hat es nun auch bei der alternativen Lösung nicht weit: Die Evangelisch-Methodistische Kirche respektive deren Johanneskapelle befindet sich bloss hundert Schritte von der alten Butterzentrale entfernt.

 Nun wollen Martin Stäger und seine Leute erst einmal schauen, wie sich die Suppenküche bis im Frühling anlässt, und dann über weitere Schritte entscheiden.Etwa darüber, die Mitwirken-den bescheiden zu entschädigen. Oder auch, erneute Verhandlungen mit der Stadt aufzunehmen. "Falls sich zeigen sollte, dass die Küche keine Leute von auswärts anzieht, bringt sich die Stadt vielleicht doch noch ein, ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben", sagt Stäger.

 Hans Herrmann

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"In diesem Rahmen kann es klappen"

 Gemeinderätin Annette Wisler Albrecht findet das private Burgdorfer Suppenküchenprojekt in der jetzigen Form soweit in Ordnung.

 Die in Burgdorf für das Soziale zuständige Gemeinderätin Annette Wisler Albrecht nimmt das private Suppenküchenprojekt des Vereins um Martin Stäger wohlwollend, aber nicht euphorisch zur Kenntnis. Der Initiant habe an die Stadt ein Gesuch um Erlaubnis und finanzielle Beteiligung gestellt, als das Projekt noch in einem zentral aufgestellten Wagen hätte durchgeführt werden sollen. "Dazu sagten wir klar Nein, denn ein solches Angebot hätte Randständige aus anderen Orten anziehen und die Problematik in der Stadt verschärfen können", sagt Wisler auf Anfrage. Jetzt aber, da die Suppenküche in einer privaten Räumlichkeit untergebracht sei, habe sich die Ausgangslage verändert. Hier beschränke sich die Teilnehmerschaft wohl eher auf Leute aus Burgdorf selber; zudem sei es in einem Gebäude einfacher, Regeln durchzusetzen. "In diesem Rahmen kann das Angebot funktionieren; im Übrigen finde ich es toll, dass sich Freiwillige für andere Menschen einsetzen."

 In Bezug auf die Randständigen sei es Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass sich im Bahnhofquartier nach wie vor alle Leute wohl fühlten, sagt Wisler weiter. Die von der Stadt durchgeführten runden Tische hätten einiges zum gegenseitigen Verständnis beigetragen. So hätten die Geschäftsleute erfahren, dass manche Randständige sehr wohl einer Arbeit nachgingen, während die Szene zur Kenntnis genommen habe, dass sich ihre andauernde Gegenwart an der Bahnhofstrasse zum Teil umsatzmindernd auswirke. Heute trifft sich die Alkoholikerszene denn auch nicht mehr an exponiertester Stelle vor dem Coop, sondern unter dem Dach der alten Butterzentrale.
 heb

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WEGWEISUNG SG
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St. Galler Tagblatt 5.11.10

Der Trend zu Ruhe und Ordnung

 Wegweisungsland

 In Rorschach steht ein "Reglement über Ruhe, Ordnung und Sicherheit" zur Debatte. Dessen Eckpunkte sind systematische Videoüberwachung, die verstärkte Präsenz privater Sicherheitsdienste sowie die Möglichkeit, Personen wegzuweisen. Rorschach reiht sich damit in eine Vielzahl Ostschweizer Gemeinden ein, die ähnliche Reglemente für den öffentlichen Raum erlassen haben oder daran arbeiten. Den Startschuss zu dieser Entwicklung gab das 2005 eingeführte St. Galler Polizeireglement. Wir schauen zurück, fragen Fachleute, woher dieser Trend kommt und zeigen, wie auch Private wie etwa die SBB von Wegweisungen Gebrauch machen. (upz) ostschweiz 33

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Ruhe und Ordnung im Visier

 Ein "Reglement über Ruhe, Ordnung und Sicherheit" steht in Rorschach zur Debatte. Die Stadt steht damit in einer Reihe Ostschweizer Gemeinden, die die Kontrolle über den öffentlichen Raum verstärken und teils Privaten übertragen.

 Urs-Peter Zwingli

 In Rorschach bedürfen die "verfassungsmässigen Werte Freiheit, Sicherheit und Wohlfahrt" eines besonderen Schutzes - mit diesen Worten lancierte die örtliche CVP im Herbst 2009 eine Petition. Insbesondere, so heisst es darin, solle der Stadtrat prüfen, ob die "systematische Videoüberwachung von neuralgischen Punkten" und die verstärkte Präsenz von Sicherheitspersonal die "Sicherheit und Bewegungsfreiheit" der Bürger erhöhe. Die Petition kam zustande, der Stadtrat arbeitete darauf gemeinsam mit Rorschacherberg das "Reglement über Ruhe, Ordnung und Sicherheit" aus. Dieses unterliegt seit dem 13. Oktober noch bis zum 22. November dem fakultativen Referendum.

 Verstreicht diese Referendumsfrist ungenutzt, so ist Rorschach mit dem Reglement, das nebst Videokameras auch Wegweisungen durch private Sicherheitsdienste vorsieht, nur das jüngste Beispiel in einer Reihe Ostschweizer Gemeinden, die ähnliche Gesetze erlassen haben - oder daran arbeiten.

 Andere Städte ziehen nach

 "Es ist eine allgemeine Tendenz zur Regulierung des öffentlichen Raums beobachtbar", sagt Caroline Fritsche, wissenschaftliche Mitarbeiterin am "Kompetenzzentrum Soziale Räume" des Instituts für soziale Arbeit an der Fachhochschule St. Gallen (FHS). Fritsche beschäftigt sich mit Stadt-, Raum- und Architektursoziologie und arbeitet im FHS-Ableger in Rorschach.

 Für die Tendenz sieht Fritsche verschiedene Gründe: Einerseits gebe es die verbreitete Ansicht, dass "gesellschaftliche Spielregeln" im öffentlichen Raum nicht mehr eingehalten würden - worauf der Staat die verlorene Ordnung dann wieder herstelle. Andererseits sei zurzeit eine "Neuverhandlung" im Gange, was im öffentlichen Raum einer Gemeinde gewollt und geduldet ist. Nicht zuletzt sei die Art, wie eine Kommune ihren öffentlichen Raum behandle, auch ein starker Faktor im Standortwettbewerb: "Wenn eine Stadt die Regeln verschärft, ziehen andere oft nach."

 Beispielhaft steht dafür die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre in der Ostschweiz: Die Pionierrolle hatte 2005 die Stadt St. Gallen mit ihrem revidierten Polizeireglement eingenommen. Besonders dessen als "Wegweisungsartikel" bekannter Absatz, gemäss dem Personen für 24 Stunden von einem Ort weggewiesen werden können, spaltete die Bevölkerung. Gegen das Reglement wurde das fakultative Referendum ergriffen. Nach einem hitzigen Abstimmungskampf wurde das Reglement mit zwei Dritteln Ja-Stimmen klar angenommen. Seit es 2006 in Kraft getreten ist, hat sich die Zahl der Wegweisungen auf Stadtgebiet jedes Jahr verdoppelt. Und auch Private, wie etwa die SBB, die die Möglichkeit von Wegweisungen haben, machen davon fleissig Gebrauch (siehe Text unten).

 Startschuss gegeben

 St. Gallen blieb kein Einzelfall: Seit dem 1. Januar 2009 kennt auch das kantonale St. Galler Polizeigesetz einen Wegweisungsartikel. Dieser sieht im Gegensatz zum städtischen Artikel vor, dass nicht nur Personen in Ansammlungen, sondern auch Einzelpersonen weggewiesen werden können.

 Nebst dem Kanton hatten unterdessen auch verschiedene Gemeinden ihre eigenen Reglemente angepasst: Die Stadt Wil erliess per 2009 ein Polizeireglement, das Wegweisungen und Videoüberwachung des öffentlichen Raums vorsieht. Nationale Berühmtheit erlangte im März 2009 die Stadt Gossau mit ihrem Polizeireglement, das ein Spuckverbot und Ausgehregelungen für Jugendliche beinhaltet. Im ersten Jahr wurden zwölf Spucker mit Bussen belegt. Der Gossauer Stadtpräsident Alex Brühwiler sagte damals, dass andere Gemeinden möglicherweise "auf die Gossauer Lösung zurückgreifen, da sich diese als mehrheitsfähig erwiesen hat".

 Behörden: Unsicher, ob es wirkt

 Ein Polizeireglement mit den Eckpunkten Videoüberwachung, Wegweisung und Abtretung von Kompetenzen an private Sicherheitsdienste hat zudem Buchs 2008 erlassen - politische Gegner sprachen vom "Big Brother Buchs". In Altstätten ist die Referendumsfrist für ein ähnliches Reglement diesen Oktober ungenutzt verstrichen. Patrouillen von Sicherheitsdiensten gehören in den meisten Ostschweizer Gemeinden schon fast selbstverständlich zum Ortsbild.

 Laut Stadtsoziologin Fritsche ist nebst der Repression auch die Prävention auf dem Vormarsch. "Allerdings fehlen Kenntnisse darüber, wie Störfaktoren, Massnahmen und deren Wahrnehmung zusammenhängen." Daher analysieren Forscher der FHS in einem Projekt "kommunale Strategien im Umgang mit aktuellen Formen der Unordnung" - unterstützt von der Stadt St. Gallen und dem Kanton Appenzell Ausserrhoden. Auslöser dafür ist laut Projektbeschrieb unter anderem die "Unsicherheit der Stadt St. Gallen und des Kantons Appenzell Ausserrhoden, inwiefern durch eine Zunahme von Massnahmen die Verminderung von Unordnung im öffentlichen Raume näher rückt". Einfacher gesagt: Man besinnt sich, ob der öffentliche Raum durch immer mehr Regeln und Zwang wirklich sicherer und sauberer wird. Wer Antworten will, muss sich gedulden: Das Forschungsprojekt läuft noch bis 2012.

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 Referendum?

 Die SP Rorschach beriet gestern darüber, ob sie das Ordnungsreglement per Referendum verhindern will. Der Entscheid lag bis Redaktionsschluss nicht vor. Präsident Max Bürkler sagte im Vorfeld, er rechne "kaum" damit, dass die SP das Referendum ergreife. (upz)

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Am Bahnhof hagelt's Hausverbote

 Bahnhöfe gehören zu den am stärksten frequentierten Orten im öffentlichen Raum - der St. Galler Hauptbahnhof etwa wird pro Tag von rund 65 000 Menschen benutzt. Trotz dieser Funktion als zentral gelegene Treffpunkte sind Bahnhöfe Sonderfälle, für die eigene Regeln gelten: Weil sie im Besitz der SBB sind, handelt es sich bei allen Bahnhöfen "eigentlich um privates Gelände", wie Petra Ludewig, Mediensprecherin der Stadtpolizei St. Gallen, sagt. Wegen der öffentlichen Zugänglichkeit sei die Polizei jedoch gemeinsam mit den SBB für die Sicherheit zuständig. "Bei Bedarf kann die Polizei darum auch für den Bahnhof Wegweisungen aussprechen."

 So viele Verbote wie in Zürich

 Ein ungleich machtvolleres Mittel als die polizeilichen Wegweisungen, die normalerweise 24 Stunden (für Wiederholungstäter in besonderen Fällen bis zu 30 Tage) gültig sind, haben aber die SBB in der Hand: Sie können nach eigenem Ermessen Hausverbote für alle ihre Bahnhöfe und die dazugehörenden Geschäfte erlassen - und das mit unbeschränkter Gültigkeit.

 Laut SBB-Mediensprecher Daniele Pallecchi wird für den St. Galler Hauptbahnhof ein Hausverbot pro Woche ausgesprochen - und damit aktuell gleich viel wie am Zürcher HB. Etwa 130 Personen hätten in den vergangenen zwölf Monaten in St. Gallen ein Verbot erhalten, was für diese Zeit sogar einen Schnitt von zwei Verboten pro Woche ergibt. Diese hohen Zahlen hängen damit zusammen, dass der Bahnhof St. Gallen seit einem Jahr als "Rail City" zählt - "eine Art Einkaufszentrum im Bahnhof", sagt Pallecchi. Damit sich die Kunden wohl fühlten, hätten die SBB die Präsenz privater Sicherheitsleute am Bahnhof deutlich verstärkt. "Mehr Kontrolle bringt halt mehr Sanktionen mit sich", sagt Pallecchi. Er rechnet damit, dass die Zahl der Hausverbote langsam wieder sinken wird. Betroffen von den Verboten sei unter anderem die "Bettlerszene", die man vom Bahnhof St. Gallen fernhalten wolle. Solche "Szenen" störten das "persönliche, subjektive Sicherheitsempfinden der Kunden". Auf Nachfrage stellt Pallecchi klar, dass die Sicherheitslage am Bahnhof St. Gallen gut sei.

 Die verstärkten Patrouillen der Sicherheitsdienste, die gestiegene Zahl von Hausverboten - das alles dient demnach in erster Linie den SBB-Kunden, die sich in der "RailCity" bewegen und konsumieren. Wirkliche Sicherheitsprobleme bestehen laut Pallecchi hingegen nicht.

 Nicht sitzen, nicht rauchen

 Rechtliche Basis für ein Hausverbot ist die Bahnhofsordnung, gestützt auf das Eisenbahngesetz. Diese "Hausordnung" hängt an jedem SBB-Bahnhof aus. Nicht erlaubt sind demnach etwa "Sitzen und Liegen auf Boden und Treppen, Mitführen freilaufender Hunde, Rauchen in Nichtraucherzonen, Betteln, ungebührliches Verhalten gegenüber Reisenden oder SBB-Personal".

 Aussprechen können die Hausverbote die Bahnpolizei Securitrans oder die Polizei. Ein Verbot gilt an sich für immer; nach einer Frist von zwei Jahren können Betroffene einen schriftlichen Antrag stellen, das Verbot aufzuheben. Hält sich ein Verbotener "unnötig" (Zitat Pallecchi) am Bahnhof auf, wird er wegen Hausfriedensbruchs angezeigt - darauf folgt der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft mit einigen hundert Franken Busse. Trotzdem können auch Personen mit einem Bahnhofverbot noch Zug fahren. Allerdings dürfen sie sich nur wenige Minuten auf dem Gelände bewegen, um ein Billett zu kaufen oder in den Zug zu steigen. (upz)

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SQUAT FR
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Freiburger Nachrichten 5.11.10

Gericht fällt keinen Entscheid über Besetzung

 Zurück zum Absender: Oberamtmann Carl-Alex Ridoré muss entscheiden, was mit dem besetzten Boxal-Areal geschieht.

 Pascal Jäggi

 Freiburg Wenn es sein muss, handeln auch Gerichte schnell. Die verwaltungsrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts hat gestern entschieden, dass sie in der Frage des besetzten Boxal-Areals in Freiburg nicht zuständig sei. Die Strafanzeige der Besitzerin, der Metallwerke Refonda, gegen das Besetzerkollektiv Raie Manta habe nichts mit den Rekursen von Mietern gegen den Schliessungsentscheid von Oberamtmann Carl-Alex Ridoré aus dem Jahr 2009 zu tun, schreiben die Kantonsrichter in ihrem Entscheid.

 Auf die Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung müsse der Oberamtmann reagieren. Dieser verfüge über die nötigen Mittel, sprich die Kantonspolizei, um in der Sache zu handeln. Die Besetzer seien illegal in dem Gebäude. Das Ganze sei also eine strafrechtliche Frage, so das Gericht.

 Ridoré hatte die Frage am letzten Freitag an das Kantonsgericht weitergeleitet, nachdem die Besitzerin ein Gesuch zur Räumung gestellt hatte. Auf Anfrage zeigt er sich froh, dass nun juristisch alles geklärt sei. Zu konkreten Massnahmen wollte Ridoré aber keine Stellung nehmen.

 Seit einer Woche besetzt

 Das Kollektiv Raie Manta hat das Bürogebäude auf dem Boxal-Areal am 28. Oktober besetzt. Zuvor hatte es zwei andere Gebäude in Freiburg besetzt, die von der Polizei aber rasch wieder geräumt wurden.

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La Liberté 5.11.10

Espace Boxal

 Le Tribunal cantonal "n'est pas compétent"

Claudine Dubois

 Le Tribunal cantonal, section administrative, "n'est pas compétent pour se saisir de la requête en évacuation des locaux déposée le 28 octobre 2010, par la société Metallwerke Refonda AG" - propriétaire des bâtiments d'Espace Boxal à Fribourg, squattés depuis le 27 octobre - selon l'arrêt publié hier par la cour administrative présidée par Christian Pfammatter. Une décision prise en accéléré, qui "renvoie la patate chaude" au préfet de la Sarine, Carl-Alex Ridoré.

 Film des récents événements: Le 27 octobre 2010, les membres du collectif Raie Manta investissent divers locaux du bâtiment 2C d'Espace Boxal, pour y concrétiser leur projet de vie alternatif. Ceci en dépit des mesures préventives prises pour empêcher l'accès au bâtiment et son occupation illicite.

 Le lendemain, la société propriétaire du site dépose auprès du préfet une requête en vue de l'évacuation immédiate des squatters par la police. Le jour suivant, soit le 29 octobre, le préfet transmet la demande d'évacuation au Tribunal cantonal ("LL" d'hier). Carl-Alex Ridoré estime que dès le moment où il a ordonné le 9 juillet 2009 la fermeture des locaux sis au passage du Cardinal pour des raisons sanitaires et sécuritaires, et que sa décision est attaquée par un recours de quelques locataires (recours pendant au Tribunal cantonal) il ne peut pas se prononcer une seconde fois.

 Dans l'arrêt publié hier, la Cour administrative estime elle qu'il ne s'agit pas de se prononcer sur la décision, contestée, de la fermeture du site, mais bien de répondre à la requête de Metallwerke Refonda AG de faire évacuer par la police des squatters qui occupent des locaux dont elle est propriétaire.

 Le tribunal administratif ajoute en prime que la violation de domicile ne relève pas de son autorité, mais bien du juge pénal. L'avocat du propriétaire a d'ailleurs déposé le 3 novembre plainte pénale contre inconnus pour violation de domicile et dommages à la propriété.

 "Pour le reste, à supposer que les squatters portent atteinte à l'ordre public, il appartient au préfet de prendre les mesures qui s'imposent. Il dispose à cet effet de la police cantonale", assène la Cour administrative du Tribunal cantonal.

 En résumé, l'évacuation des squatters ne relève pas de la compétence du Tribunal administratif, tranche ce dernier, et si le préfet persiste à soutenir le contraire, l'affaire devra être transmise au Conseil d'Etat. I

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SQUAT ZH
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Tagesanzeiger 5.11.10

Atlantis-Besetzer dürfen einen Raum behalten

 Der neue Atlantis-Mieter Werner Hofmann glaubt nicht, dass sich die Aktivisten an das Ultimatum halten werden.

 Von Stefan Hohler

 Am Donnerstagnachmittag hat sich Werner Hofmann, der neue Mieter des ehemaligen Hotel Atlantis im Triemli, mit den Aktivisten getroffen, die das Gebäude seit zwei Wochen besetzt halten. Dabei hat er ihnen folgenden Kompromiss angeboten, wie er gestern auf Anfrage sagte: Bis Montagmorgen um 7 Uhr müssen die rund 20 Besetzer einen unterschriftbereiten Vertrag abliefen. Darin müssen sie darlegen, wie sie den rund 300 Quadratmeter grossen Gartensaal nutzen wollen. Diesen Teil des Gebäudes würde Werner Hofmann den Besetzern unentgeltlich überlassen und zusätzlich die Wasser-, Strom- und Heizungskosten übernehmen.

 "Letzte Chance"

 "Aber ich verlange, dass drei namentlich genannte Personen die Verantwortung übernehmen", sagt Hofmann. Er fordert, dass sich die drei Personen mit einem amtlichen Papier ausweisen. Die Besetzer müssen sonst bis Montagmittag um 12 Uhr das Hotel verlassen, damit die Umbauarbeiten für die Studentenwohnungen reibungslos vorangehen können. Hofmann betont, dass dies das letzte Ultimatum sei. Falls die Besetzer weiterhin im Hotel bleiben, werde die Polizei das Gebäude räumen. Gefragt, wie er die Chancen für eine friedliche Lösung einschätze, gibt er sich wenig optimistisch: "20 Prozent, dass die jungen Leute freiwillig gehen, 80 Prozent dass die Polizei einschreiten muss." Der "Oberhäuptling" der Besetzer sei nämlich bei den Gesprächen nicht anwesend gewesen, begründet Hofmann seine pessimistische Prognose.

 Laut Hofmann dürfe der Gartensaal nicht zum Wohnen genutzt werden, sondern nur für kulturelle Anlässe wie Musik- oder Theateraufführungen. Ob die Besetzer dabei kommerzielle oder nicht kommerzielle Veranstaltungen durchführen, sei ihm egal. Die Aktivisten hatten in der Vergangenheit davon gesprochen, im ehemaligen Fünfsternehotel am Fusse des Uetlibergs alternative Kulturprojekte durchzuführen.

 Am Donnerstagmorgen haben die ersten Umbauarbeiten begonnen. Rund 30 Arbeiter waren damit beschäftigt, das alte Mobiliar zu entsorgen, die Teppiche aus den Zimmern zu reissen und die ersten Malerarbeiten zu tätigen. Bauleiter Walter Hollenstein rechnet damit, dass bis Ende Monat die ersten 70 Zimmer bezugsbereit sind. Insgesamt sollen 150 Studenten im ehemaligen Hotel eine Bleibe finden. Der Mietpreis für ein Zimmer liegt bei rund 350 Franken.

 Opfer eines Amoklaufs

 Hofmann, der in Buchs eine Sanitärfirma und eine Firma in der Immobilienbranche besitzt, ist im letzten Januar von einem amoklaufenden Mitarbeiter mit fünf Kugeln niedergestreckt und schwer verletzt worden. Jetzt hat sich der 59-Jährige aber wieder voll erholt.

 Er habe schon längere Zeit nach einer Liegenschaft gesucht, in der er günstige Zimmer für Studenten anbieten könne. Als er beim Hotel Atlantis fündig wurde, nahm er mit der Besitzerin der Liegenschaft, einer Firma aus dem Kanton Waadt, Kontakt auf. Der Vertrag läuft bis Dezember 2011, allenfalls noch ein Jahr länger. Er hofft, das Atlantis-Projekt kostendeckend durchführen zu können.

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20 Minuten 5.11.10

Atlantis wird saniert - doch Besetzer wollen nicht raus

 ZÜRICH. Im besetzten Hotel Atlantis sind Handwerker seit gestern dabei, Zimmer für Studenten herzurichten. Die Besetzer denken aber nicht daran, zu gehen.

 Im besetzten Hotel Atlantis werden seit gestern Wände gestrichen und Teppiche herausgerissen. "Bereits in einer Woche können die ersten Studenten einziehen", sagt Bauleiter Walter Hollenstein. Mitte Dezember sollen im ehemaligen Luxushotel nach einer Pinselrenovation 150 Studenten-Zimmer zu 400 Franken pro Monat bereitstehen (20 Minuten berichtete). "Es haben sich bis jetzt schon über 50 Studenten gemeldet, die ein Zimmer mieten möchten", so Hollenstein.

 Die 150 Zimmer sind über das ganze Hotel verteilt - doch die Hälfte davon ist nach wie vor von Aktivisten besetzt. "Wir werden hier nicht weggehen, weil wir den Platz für Kunst und Kultur benötigen", sagt ein Sprecher der Besetzer. Diesen hätten sie nirgends in der Stadt. "Für Studenten gibts genügend Wohnraum, zudem ist die Uni und die ETH viel zu weit weg von hier", so der Sprecher. An Unterstützung mangelt es den Aktivisten offenbar nicht: Bereits über 200 Künstler hätten sich zum Arbeiten gemeldet, sagen die Besetzer. Sie klären zurzeit auch ihre rechtliche Situation ab: "Solange keine Baubewilligung vorliegt, müssen wir nicht gehen." Eine Einigung mit dem Mieter Werner Hofmann, der rund 500 000 Franken in den Umbau investiert, haben sie bisher nicht gefunden. Dieser fordert von den Besetzern, dass sie das Hotel bis spätestens am Montagmorgen verlassen.  

David Torcasso

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Limmattaler Zeitung 5.11.10

Besetzer erhalten eine neue Frist

 Hotel Atlantis Bis zum nächsten Montag um 12 Uhr haben die Besetzer des Zürcher Hotels Atlantis Zeit, das Gebäude zu verlassen. Diese neuerliche Frist hat ihnen der Buchser Werner Hofmann, der Mieter des Hotels, eingeräumt. "Die Besetzer konnten mich mit ihrem Anliegen nach einem Kulturraum überzeugen", erklärt   er seine Verhandlungsbereitschaft.

 Bis Montag um 7 Uhr müssen sie ihm ein Konzept vorlegen, wie sie den Gartensaal des "Atlantis" als Kulturraum nutzen wollen. "Das Konzept muss unterschrieben sein und wir überprüfen die Namen mit ihren Pässen", sagt Hofmann. Der Gartensaal soll ein Kulturraum werden, klar sei aber, dass die Aktivisten diesen nicht als Wohnraum nutzen können.

 So oder so müssen sie damit das Haus bis zum Montagmittag verlassen haben, "dann ist für mich Ende der Durchsage. Gehen sie nicht, erstatte ich Strafanzeige", kündigt Hofmann an.

 60 Zimmer besetzt

 Gestern Morgen um 7 Uhr haben die Bauarbeiten am Hotel begonnen. Heute um 14 Uhr werden die 40 Handwerker nichts mehr zu tun haben. Von den 150 Zimmern halten die Aktivisten 60 Zimmer, den ganzen Ostflügel, besetzt.

 "Neue Teppiche und Farbe an den Wänden will ich erst anbringen, wenn die Besetzer draussen sind", sagt Hofmann. Er hat bereits Interessenten für die Zimmer. So will das Spital Sanitas Zimmer für Mitarbeiter mieten. (dma)

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SQUAT VD
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24 Heures 5.11.10

Lausanne - Les squatters peuvent rester

 Un règlement à l'amiable a été trouvé entre les squatters qui occupent une maison vide - à la rue Saint-Martin, depuis le 3   septembre - et la fondation Previva, propriétaire de l'immeuble. Les squatters peuvent rester en place jusqu'au printemps prochain, à condition de respecter ce nouveau délai et de se montrer discrets jusque-là. Au printemps, l'immeuble devrait être démoli pour faire place à une nouvelle bâtisse. "Je suis satisfait. Nous sommes arrivés à une solution convenable", a expliqué le président de la fondation Previva àLausanne-Cités. L. A.

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KULTURSTREIK GE
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Tribune de Genève 5.11.10

Certifié conforme, le Moa espère rouvrir demain soir

Marc Moulin

 Une réouverture limitée pourrait être autorisée. L'Etat ne confirme pas. La police du feujuge le lieu "exploitable"

 La boule à facettes pourrait bientôt reprendre du service au Moa Club. Fermé depuis le 6   octobre, l'établissement du chemin des Batailles à Vernier pourrait accueillir à nouveau les fêtards, de façon limitée, cette semaine encore. Selon nos informations, la discothèque devrait pouvoir ouvrir ses portes une fois par semaine. "Nous avons obtenu par oral cette même information ce matin, mais n'avons pas encore reçu de notification officielle", indiquait hier Linda Hamadi, porte-parole de la discothèque, qui espère une réouverture ce samedi à 23 heures. Un flyer annonçant pour demain une Mega all style party est déjà prêt.

 L'Etat reste coi

 "Si cela se vérifie, c'est un excellent signe", se réjouit Sébastien Courage, l'un des fondateurs du lieu. Mais du côté de l'Etat, on ne confirme pas la nouvelle. Responsable du Service du commerce, qui a ordonné la fermeture, le Département des affaires régionales, de l'économie et de la santé (Dares) indique qu'aucune décision n'est encore prise et que ses fonctionnaires travaillent toujours sur le dossier. A la fin de septembre, un rapport de la Cour des comptes épinglait la sécurité au Moa Club. La discothèque est par ailleurs en conflit avec le propriétaire de ses murs, qui a résilié le bail.

 En attendant que sa décision soit prête, le Dares se refuse à tout commentaire. Les interrogations du Moa restent donc sans réponse: "Tous les travaux demandés ont été effectués, nous ne comprenons pas pourquoi nous ne sommes pas autorisés à reprendre pleinement notre activité", relève Linda Hamani. Car le club n'est pas serein: "Nous sentons une forte demande de notre public et, si on ne peut pas rouvrir rapidement, nous risquons la faillite, relève Sébastien Courage. Les charges continuent de courir. Nous n'avons licencié personne dans notre équipe qui est calibrée pour une structure ouvrant 115 soirs par an, et non pas seulement une cinquantaine. J'espère que cette limitation de l'ouverture, si elle se confirme, n'est que temporaire. "

 Préavis favorable

 La discothèque a effectué ces derniers jours des travaux pour se conformer aux observations de la police du feu. Celle-ci avait émis le 11   juin un préavis favorable, mais assorti de douze conditions. Les inspecteurs sont revenus sur le site la semaine dernière et ont rédigé vendredi un document que laTribune de Genèves'est procuré. Signé par le chef de service, il conclut que la "police du feu considère que l'établissement est exploitable en l'état et préavise en conséquence favorablement sa réouverture".

 Selon ce rapport de deux pages, certaines des conditions formulées en juin sont devenues caduques, deux espaces de la boîte (le Jetlag et le fumoir) ayant été fermés. L'inspection prend note des adaptations réalisées, comme l'inversion d'une poignée de double porte ou l'installation d'une alarme d'évacuation. Le texte note aussi l'engagement du requérant à se conformer aux conditions fixées. Le rapport donne ainsi un délai de deux mois pour niveler et élargir un chemin sur lequel donne une issue de secours.

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 Weetamix

 Espoirs pour un futur proche

 Autre club verniolan bouclé en octobre, Weetamix est pour sa part dans l'expectative. "Une requête en autorisation de construire a été déposée et la police du feu est venue sur place, indique Me Pascal Pétroz, avocat de Weetamix. Dans le cadre de notre collaboration avec les services de l'Etat, nous avons bon espoir que la soirée prévue le vendredi   12 novembre puisse avoir lieu. "

 La clôture du Moa et de Weetamix a accentué le manque de lieux festifs abordables à Genève. Saturée, l'Usine est entrée en grève le 23   octobre, entraînant ses habitués durant deux week-ends dans des défilés nocturnes en ville. Des déprédations ont eu lieu. Magistrate chargée de la Police, Isabel Rochat ne compte pas tolérer de nouveaux cortèges ce week-end. En outre, les autorités pourraient dévoiler aujourd'hui un immeuble au centre-ville, dont deux étages seraient voués à la fête. M. M.

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DROGEN
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Basler Zeitung 5.11.10

Meistens gehts um Drogen

 Weniger Jugendstrafurteile wegen Gewaltdelikten

 Insgesamt ist die Anzahl Jugendlicher, die wegen einer Straftat verurteilt wurden, im Vergleich zum Vorjahr zwar gestiegen. Aber es gab weniger Verurteilungen wegen Gewaltdelikten.

 Die Anzahl der Jugendstrafurteile ist 2009 auf über 15 000 gestiegen - weil mehr jugendliche Drogenkonsumenten bestraft wurden. Dagegen wurden weniger Junge wegen Gewaltdelikten verurteilt.

 Wie aus den Daten des Bundesamtes für Statistik hervorgeht, stieg die Gesamtzahl der Jugendstrafurteile von 14 651 im Jahr 2008 auf 15 064 im Jahr 2009, was eine Zunahme von 2,8 Prozent ausmacht. 2005 und 2006 wurden jeweils knapp 14 000 Strafurteile gegen Jugendliche ausgesprochen, 1999 12 000. Gesunken sind die Jugendstrafurteile in den beiden Basel: 2009 kam es in Basel-Stadt zu 474 Verurteilungen, 2008 waren es noch 532; im Kanton Baselland wurden 301 Jugendliche verurteilt, im Vorjahr 340.

 Mehrheitlich Schweizer

Diebstahl und Drogenkonsum sind die häufigsten Straftaten. Die Verurteilungen wegen Drogenkonsums nahmen 2008/09 um fast 14 Prozent zu, jene wegen Gewaltdelikten gingen dagegen um 3,6 Prozent zurück. Vier von fünf verurteilten Jugendlichen sind Männer. Nur ein knappes Viertel ist unter 15 Jahre alt. 68 Prozent der Verurteilten sind Schweizer.

 Jugendliche werden zumeist zu persönlichen Leistungen verurteilt oder erhalten Verweise. Die Rückfallrate ist seit drei Jahren stabil und liegt bei etwas über 30 Prozent. Auch bei den Erwachsenen nahm die Zahl der Verurteilungen 2008/09 leicht zu - um 1,7 Prozent auf 95 574. 2005 hatte sie bei 85 605 gelegen. Der Anstieg geht insbesondere auf vermehrte Aburteilung wegen Verstössen gegen das Ausländergesetz zurück.

 Wie bereits in den letzten zwei Jahren beobachtet werden konnte, werden bedingte Strafen seit der Revision des Sanktionenrechts häufiger als früher mit einer unbedingten Busse verbunden. Die Rückfallquoten schwanken seit mehreren Jahren zwischen 23 und 25 Prozent.  SDA

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20 Minuten 5.11.10

Mehr Strafurteile wegen Drogenkonsums

 BERN. Die Anzahl der Jugendstrafurteile ist 2009 auf über 15 000 gestiegen - dies weil mehr jugendliche Drogenkonsumenten bestraft wurden. Dagegen wurden weniger Junge wegen Gewaltdelikten verurteilt. Wie aus Daten des Bundesamtes für Statistik hervorgeht, stieg die Gesamtzahl der Jugendstrafurteile von 14 651 im Jahre 2008 auf 15 064 im Jahre 2009 - ein Plus von 2,8 Prozent. 2005 und 2006 waren jeweils knapp 14 000 Strafurteile gegen Jugendliche ergangen.

 Diebstahl und Drogenkonsum sind die häufigsten Straftaten. Die Verurteilungen wegen Drogenkonsums nahmen 2008/09 um fast 14 Prozent zu, jene wegen Gewaltdelikten gingen dagegen um 3,6 Prozent zurück. Vier von fünf verurteilten Jugendlichen sind Männer. Nur ein knapper Viertel ist unter 15 Jahre alt. 68 Prozent der Verurteilten sind Schweizer. Jugendliche werden zumeist zu persönlichen Leistungen verurteilt oder erhalten Verweise.

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ALKOHOL
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20min.ch 5.11.10

Na dann, prost!: "Was sollen wir denn sonst machen?"

 Flatrate-Saufen, Ausnüchterungszelle, Pöbeleien: Sieht so eine normale Freitagnacht aus? Unterwegs mit einer Gruppe Jugendlicher in Zürich.

David Torcasso

 Treffpunkt ist der Brezel König beim Bahnhof Stadelhofen in Zürich. Schnell noch ein Billett kaufen? Nein, zu kompliziert: Schwarzfahren, Geld sparen. Die Gruppe aus zehn Jugendlichen verteilt sich flink auf den Sitzen. Die Mädchen tragen Röcke und zeigen viel Bein. Ihre Füsse stecken in Uggs. Die Jungs tragen Seglerschuhe, weite Jeans und Karohemden. Sie sind zwischen 14 und 17 Jahren. Der älteste, Luis, ist bald 18. Er ist der Anführer, das Alphatier, und auch der grösste von ihnen. Seine Freundin Jasmine schmiegt sich an seine Schultern. Luis strahlt mehr Stärke aus als die anderen Jungs; wenn er etwas sagt, hören seine Freunde hin. Er hat die Augen immer etwas zusammengekniffen. Das sieht gefährlich aus. "Luis ist ein prima Kerl", findet aber sein Kumpel Philipp. "Auf ihn kann man sich verlassen, er schaut zu uns."

 An der Zürcher Goldküste stapft die Zehnergruppe den Hügel hoch, zu einem gros sen Haus mit einem Teich und einer Terrasse mit Seeblick. "Homeparty vor dem Ausgang ist super", sagt Luis. Warum, ist keine Frage: "Wegen dem Einsaufen." Der Gastgeber empfängt die Gruppe mit weissen Tennissocken. Aus Plastiksäcken vom Drinks-of-the-World-Laden am HB ziehen sie nun Wodka-, Rum- und Bacardi-Flaschen hervor. "Wir fragen halt immer die älteren Leute, ob sie uns Alk kaufen können", erklärt Sarah. Das scheint zu funktionieren. Als die Plastikbecher gefüllt sind, huscht im Haus ein älterer Mann am Fenster vorbei. Der Vater von Jan, dem Gastgeber. Er hat also gar nicht sturmfrei. "Ach, meine Eltern wissen, dass ich sowieso trinke. Dann finden sie es besser, wenn ich es hier mache", sagt Jan locker. Sie hätten ihm sogar schon mal Alkohol vom Top CC mitgebracht.

 "Die Mädchen wollen halt schlank bleiben."

 Schon ist das Thema erledigt. Sie stossen an, trinken einen kräftigen Schluck. Rauchen tut fast niemand, ausser zwei Mädchen. Von den Jungs keiner: "Ich spiele Fussball", sagt Marco. "Die Mädchen wollen halt schlank bleiben und rauchen deshalb." Die erste Flasche Bacardi ist ausgetrunken. Es kommen immer mehr Leute auf die Terrasse. Sie gleichen sich, als hätte man sie in eine Uniform gesteckt. Sie quatschen über die Schule, über Fussball, über Kleider, über andere, zwischendrin stecken sie die Köpfe zusammen und schiessen mit ihren Handys ein Foto. Je betrunkener sie sind, desto mehr blitzt es. "Oh nein, aber nicht auf Facebook stellen, das sieht mein Lehrmeister", sagt ein Mädchen, das nicht wie die meisten anderen ins Gymi geht.

 Ohne Alkohol geht nichts

 Nach einer Stunde stehen bereits vier leere Flaschen auf dem Tisch. Das Hochprozentige geht weg wie Sirup, sie trinken jedenfalls schnell und schenken gleich nach. Auf den schnellen Konsum angesprochen, meint Jan nur: "Ach, einer meiner Kumpels war schon mal in dieser Ausnüchterungs zelle, weisst du, wie peinlich das war, als ihn seine Eltern abholen mussten? Mir würde das nie passieren. Wirds mir schlecht, höre ich meistens auf." Sagts und nimmt nochmals einen Schluck. Auch ein Mädchen meint, sie würde zwar am Wochenende schon trinken, "jedoch nie unter der Woche, und so lange ist alles gut". Aber am Wochenende geht für die Clique nichts ohne Alkohol. "Es gehört doch einfach dazu, um ein wenig abzuschalten", sagt Luis. Wenn er an einem Wochenende nicht in den Ausgang geht, arbeitet er bei seinem Onkel in einer Gärtnerei - dort verdient er an einem Tag rund 100 Franken. Genug, um sich am Wochenende eine Flasche Gin oder ein paar Drinks zu kaufen.

 Turbo-Trinken zum Zeitgeist

 In seinem Buch "Lieber schlau als blau" spricht der Psychologe Johannes Lindenmeyer von einer "gestörten Trinkkultur". In den Ländern Mitteleuropas, aber auch in den USA und in Russland wird viel Alkohol getrunken, und dies kaum mit Regeln. "Heute ist Alkohol überall und 24 Stunden erhältlich. Das führt dazu, dass immer mehr un abhängig von traditionellen An lässen, also ohne Rahmen und ohne soziale Kontrolle, Alkohol konsumieren", sagt Roger Zahner von der Zürcher Suchtpräventionsstelle.

 Zum heutigen Zeitgeist passt auch, dass viele Leute innert kurzer Zeit eine grosse Menge Alkohol trinken. "Das Turbo-Trinken passt zu der heutigen Gesellschaft, die auch in anderen Bereich das Ultimative in schneller Geschwindigkeit sucht", sagt Eveline Winnewieser am Rand einer Veranstaltung zum 25-Jahr-Jubiläum der Suchtpräventions stellen des Kantons Zürich. "Alkohol ist dabei klar die Droge Nummer eins unter den Jugendlichen", sagt sie. Früher hätten sie zum Rausch eher gekifft. Heute stehe für sie Alkohol im Vordergrund. Dies habe mit der kulturellen Verankerung, der Verfügbarkeit und dem tiefen Preis zu tun.

 Im grössten Jugendhaus der Schweiz

 Die Clique steigt wieder in die S-Bahn und fährt zurück in die Stadt. Während der Zugfahrt ziehen die Mädchen alle hohe Pumps an, ausser Raphaela - sie hat keine dabei, sondern muss ihre Uggs anbehalten. "Die Schuhe sind viel zu warm drinnen", sagt sie. Weil sie aus dem Rahmen fällt, schaut sie unsicher auf die Füsse der anderen, dann aus dem Fenster. Der HB hat sich inzwischen in das grösste Jugendhaus der Schweiz verwandelt, überall stehen Jugendliche mit Bier- oder Wodka flaschen in der Hand. Im Tram geht es Richtung Paradeplatz weiter, Phi lipp grüsst einen Freund. "Boah, letztes Wochenende bist du aber ziemlich steil gegangen", sagt er zu ihm. Dieser lächelt verlegen, dann kommt die Coolness zurück: "Ja eh, ich hab ja auch allein fast eine halbe Flasche Wodka getrunken." Er sagt es so stolz, als hätte er gerade eine Matheprüfung bestanden. Irgendwie praktisch: Alkohol als coole Entschuldigung, wenn einem das Ego wieder einmal total entglitten ist.

 Vor dem Club Alte Börse steht eine lange Schlange - heute ist die beliebte Nasty-Trash-Party. Die Leute hier sind knapp älter als die Clique von Jan: über 18. Der Türsteher kontrolliert jeden Ausweis. Ein Mädchen sagt, sie würde gern rein. Gefälschte Ausweise haben sie heute aber nicht dabei. Nur manchmal solche von Freunden, die das magische Alter überschritten haben. "Ich habe ein, zwei Kolleginnen, wenn sie nicht weggehen, bekomme ich ihren Ausweis. Das klappt meistens", erzählt Sandra. Eine andere sagt, sie hätte es schon oft mit der ID ihrer älteren Schwester geschafft.

 Flatrate-Saufen

 Die Gruppe läuft an der Schlange vorbei zur Platform-Bar. Am Eingang steht kein Türsteher, sondern ein Typ, der allen einen Gutschein in die Hand drückt. Drei Drinks und drei Shots für 30 Franken. Ein Schnäppchen, das alle dankend annehmen. Drinnen hat Jan telefonisch einen Tisch für seine Freunde reserviert. Kübel mit Wodkaflaschen und Red Bull oder sonstigen Drinks stehen aber nicht darauf. Philipp und Jan ordern einen Gin Tonic und zwei Wodka-Shots an der Bar, stos sen an, nach dem Ausweis fragt niemand.

 Die Augen der beiden werden langsam glasig, die Mädchen hingegen lachen und gehen immer wieder raus, um zu rauchen, zu lästern und zu versuchen, vielleicht doch in den Club zu kommen. Obwohl sie sich bereits aneinander festhalten, kichernd und strauchelnd: "Hey, ich hab schon zu viel getrunken, glaub ich", "Hey, was ist eigentlich mit diesem Typen, dem Dani, mit dem du letztes Weekend rumgeknutscht hast", "Hey, die sieht ja scheisse aus mit diesen Stulpen, bäh." Drinnen verzieht Jan das Gesicht, aber nicht, weil er den Alkohol spürt, sondern weil der Ex seiner Freundin auftaucht und sich dreist zu ihnen an den Tisch setzt. "Was macht der hier", flüstert Jan zu Philipp. "Ich steh gleich auf und hau ihm eine rein." Seine Freundin will ihn beruhigen, doch Jan stellt sich taub, fixiert seinen Kontrahenten und nimmt noch einen Schluck von seinem Drink. Seine Freundin geht hinaus zu ihren Kolleginnen. "Mann, wieso stresst ihn das so? Ich hab doch gesagt, dass mir mein Ex egal ist", sagt sie, "immer dieses Theater, wenn er betrunken ist", dann stolpert ihr auch schon eine Kollegin mit verdrehten Augen in die Arme, sie kann kaum mehr gehen. "Ich will da rein", trotzt sie.

 Mit halb offenen Augen

 Um Mitternacht verflüchtigt sich alles, die Gruppe scheint in sich selbst zu verschwimmen. Jan sagt: "Scheisse, jetzt bin ich schon wieder viel zu hinüber, dabei wollte ich heute noch die Nacht mit meiner Freundin geniessen." Philipp hingegen hat die Augen nur noch halb offen und mag nicht mehr reden, der Fussballer knutscht mit einem Mädchen rum, und die Girls draussen versuchen, mit ihren Pumps nicht hinzufallen. In die Club kommen sie nicht rein, also vielleicht heimgehen? "Genau das ist es", sagt Luis' Freundin. "Was sollen wir denn sonst machen ausser trinken? Tanzen geht ja in der Bar drin nicht. Ich glaube, ohne Alkohol könnte ich gar nicht den ganzen Abend hier drin sitzen und es lustig haben."

 *alle Namen geändert Dieser Text erscheint in der aktuellen Ausgabe von 20 Minuten Friday. Das Heft liegt am Freitag jeweils ab 12 Uhr in 900 Verteilboxen von 20 Minuten.

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20 Minuten 5.11.10

Einmal bezahlen, doppelt trinken: Kritik an Alkohol-Bons

 ALTENDORF. Der Static Club startet morgen mit neuem Eintrittskonzept. Es ist laut den Betreibern einzigartig - und verstösst gegen das Gesetz.

 Wer morgen im Altendorfer Static Club feiert, profitiert gleich doppelt: Für den bezahlten Eintrittspreis gibt es Getränke-Bons im doppelten Wert zurück. Die Höhe des Eintritts können die Partygänger selber bestimmen, er muss aber mindestens zehn Franken betragen. "Unser neues Eintrittskonzept gab es in diesem Rahmen noch nie", sagt Event- und Marketingmanager Marcel Zimmerli. Die sogenannten Double-Money-Partys werden künftig jeweils freitags und samstags stattfinden.

 Die Bons sind gemäss Zimmerli für sämtliche Getränke gültig - nebst Softdrinks, Wein und Bier auch für Spirituosen. Das Problem: Das Konzept verstösst gegen das Alkoholgesetz. "Vergünstigungen für Spirituosen sind gesetzlich nicht zulässig", sagt Ruth Hagen von Sucht Info Schweiz. Generell stösst das Konzept dort auf wenig Gegenliebe. Hagen: "Die Gefahr von Rauschtrinken steigt dadurch enorm, besonders bei Jugendlichen."

 In Luzerner Clubs sind die Meinungen zum Konzept geteilt. "Es ist interessant, kommt für uns jedoch nicht in Frage", sagt Pascal Apostol vom Rok. Martin Knöpfel, Inhaber des Lofts, hält dagegen gar nichts vom "Gratistrip" und verbilligten Preisen. "Wir bieten Qualität und die soll auch bezahlt sein."  

Markus Fehlmann

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AUSSCHAFFUNGEN
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Wilisauer Bote 5.11.10

Bereit für die neuen Häftlinge

 Strafanstalt Wauwilermoos | Das Ausschaffungsgefängnis im Trakt E ist bezugsbereit

 Die Strafanstalt Wauwilermoos hat neu 14 Plätze für Ausschaffungshäftlinge. Dazu wurden die Zellen im Trakt E ausbruchssicher gemacht.

 Die geschlossene Gefängnisabteilung für die Ausschaffungshaft ist bezugsbereit. Die Umbauarbeiten im Trakt E in der Strafanstalt Wauwilermoos sind abgeschlossen.

 Bau- und Sicherheitsfirmen haben die Fenster vergittert, den Eingang mit einer Zutrittsschleuse versehen, für die Bewegung im Freien ein Spazierhof mit hoher Mauer erstellt und umfangreiche Überwachungsanlagen installiert. Die Umbauarbeiten dauerten rund neun Monate. Kostenpunkt der Investitionen: rund eine Million Franken.

 Die Ausschaffungshaft für den Kanton Luzern wurde ins Möösli verlegt, weil im bisherigen Ausschaffungsgefängnis Sursee Sanierungen anstehen und im Möösli die Belegung im offenen Strafvollzug rückläufig ist. Das neue Ausschaffungsgefängnis verfügt über 14 Plätze in Doppelzellen.

 Der WB sprach mit Anstaltsdirektor Andreas Naegeli über die Gefährlichkeit der neuen "Gäste", die massiven Sicherheitsvorkehrungen und die Fluchtgefahr. >Seiten 9/10

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"Keine Horde Schwerverbrecher"

 Strafanstalt Wauwilermoos | Die ersten Ausschaffungshäftlinge kommen - der Direktor äussert sich zu den neuen "Gästen"

Norbert Bossart

 Offener Strafvollzug und Ausschaffungshäftlinge unter einem Dach: Der WB sprach mit Strafanstaltsdirektor Andreas Naegeli über den Sicherheitstrakt, die Fluchtgefahr und Kuscheljustiz.

 Das Möösli bekommt neue "Gäste", sogenannte Ausschaffungshäftlinge. Was haben sie auf dem Kerbholz?

 Andreas Naegeli, Direktor der Strafanstalt: Der Grossteil der Ausschaffungshäftlinge hat in der Schweiz keine schwere Straftat verübt. Zirka die Hälfte wird aus der U-Haft oder dem Strafvollzug zu uns kommen. Bei ihren Delikten geht es vorwiegend um Kleinkriminalität wie Diebstahl oder geringfügige Betäubungsmittelvergehen. Ausschaffungshäftlinge sind meist Menschen, die aus Kriegsgebieten oder Drittweltländern stammen. Viele kommen aus Afrika oder Osteuropa. Wirtschaftliche Not und politische Probleme treiben sie in die Schweiz. Sie wollen eine Arbeit finden, ein neues Leben beginnen, Fuss fassen - können aber keine Asylgründe geltend machen. Andere wiederum glauben, in der Schweiz liege das Geld auf der Strasse. Ihnen fehlt aber das Recht zur Bleibe.

 In Kürze stimmen wir über die Ausschaffungsinitiative ab. Diese will kriminelle Ausländer möglichst schnell wegbefördern. Eröffnet die Strafanstalt Wauwilermoos nun einen Sicherheitstrakt, den es demnächst nicht mehr braucht?

 Nein, denn die Zahl der Ausschaffungshäftlinge wird wohl nicht kleiner werden. Daran ändert weder die Ausschaffungsinitiative noch der Gegenvorschlag etwas. Denn die Ausschaffungshaft hat mit dem Strafvollzug nicht direkt zu tun. Mit dieser Haft stellen wir die Wegbeförderung von Personen aus unserem Land sicher, gegen die ein Weg- oder Ausweisungentscheid vorliegt. Solange sich die weltpolitische Lage nicht markant verändert, hält der Einwanderungsdruck auf unser Land an. Meine Prognose lautet: Unsere geschlossene Gefängnisabteilung wird in der Regel voll besetzt sein. Aber die Bevölkerung soll wissen: Im umgebauten Trakt bringen wir keine Horde von Schwerverbrechern unter.

 Wozu denn die riesige Betonmauer, die vergitterten Fenster und die zig Überwachungskameras?

 Ausschaffungshäftlinge verfügen über ein grosses Fluchtpotenzial. Vielen fehlt die Einsicht zur Ausschaffung, eben weil sie strafrechtlich nichts verbrochen haben. Sie wollen untertauchen. Und das gilt es zu verhindern. Wir haben daher beim Umbau alles Erdenkliche getan, um eine Flucht zu verunmöglichen. Ob sich die Massnahmen bewähren, wird der Alltag zeigen. Doch ich bin zuversichtlich.

 Während die einen Häftlinge im Möösli auf dem Acker arbeiten, schmachten die anderen in ihren Zellen. Zwei Haftmodelle unter einem Dach - spielen Sie da nicht mit dem Feuer?

 Bauliche Massnahmen sorgen für eine klare Trennung zwischen offenem Strafvollzug und der Ausschaffungshaft. Zudem besteht das Kernteam der Betreuer für die Ausschaffungshäftlinge aus Mitarbeitern des bisherigen Ausschaffungsgefängnisses Sursee. Drei Viertel unserer Belegschaft, also der Grossteil, kommt aber mit den Ausschaffungshäftlingen nicht in Kontakt. Die anderen Betreuer machen wir für die neue Herausforderung fit.

 Doch warum setzt die offene Strafanstalt neu auch auf die restriktive Ausschaffungshaft?

 Einerseits will die Luzerner Regierung das bisherige Ausschaffungsgefängnis in Sursee auflösen. Dort ist die Infrastruktur sanierungsbedürftig und die Grösse suboptimal. Andererseits stagniert bei uns, im Möösli, die Belegung im offenen Strafvollzug. Das ist die logische Konsequenz des Strafgesetzes, das seit 2007 in Kraft ist.

 Sie reden von einer Stagnation der Belegungszahl. Die NLZ hingegen berichtet am 4. November vom Notstand in den Gefängnissen. Weil sie überfüllt seien, könnten Verurteilte ihre Strafe nicht sofort absitzen.

 Im offenen Strafvollzug ist die Situation nicht dramatisch. Unsere Zellen waren in den letzten drei Jahren weitgehend nicht mehr voll besetzt. Die Stagnation der Belegungszahl auf rund 90 Prozent hielt bis im Spätsommer dieses Jahres an. Derzeit ist die Strafanstalt Wauwilermoos mit 61 Gefangenen voll belegt. Doch im Dezember haben wir nach heutigem Planungsstand bereits wieder freie Plätze.

 Zurück zur Justizreform 2007. Statt kurzer Gefängnisaufenthalte gibt es seither Geldstrafen, gemeinnützige Arbeitseinsätze oder Halbgefangenschaft. Fehlen offenen Anstalten wie dem Möösli die Häftlinge wegen der angeblichen Kuscheljustiz?

 Von Kuscheljustiz kann keine Rede sein. Es handelt sich um eine wohlüberlegte Justizreform. Deren Ziel war eine möglichst gute Reintegration. Der Verurteilte soll mit kleinen Zwischenschritten in ein hoffentlich straffreies Leben geführt werden. Nur weil wir dadurch im Möösli weniger Gefangene haben, stelle ich das neue Strafgesetz doch nicht grundsätzlich in Frage.

 Sie sind demnach mit dem herrschenden Strafgesetz zufrieden?

 Über die Wirkung von Geldstrafen anstelle kurzer Freiheitsstrafen lässt sich diskutieren. Bei der laufenden Revision muss geprüft werden, ob kurze Freiheitsstrafen unter einem halben Jahr in gewissen Fällen nicht doch Sinn machen würden. Aber auch wenn kurze Haftstrafen wieder eingeführt werden, haben wir im offenen Strafvollzug weiterhin weniger "Kundschaft".

 Warum?

 Weil die Strafvollzugsbehörden insbesondere bei Gewalt- und Sexualdelikten den offenen Strafvollzug weit seltener in Betracht zieht oder nur nach umfangreichen Gutachten. Heute wird dem Schutz der Bevölkerung vor Wiederholungstätern noch mehr Rechnung getragen. Und dieser Schutz hat und muss im Strafvollzug Vorrang haben.

 Zurück zu den 14 Plätzen für Ausschaffungshäftlinge. Warum wurden nicht gleich 20 Plätze geschaffen, wie sie der Kanton benötigt?

 Unter den Ausschaffungshäftlingen gibt es immer wieder Männer, die unter sozialen oder psychischen Störungen leiden oder gewaltbereit sind. Solche können sich nicht in einer Gruppe bewegen, wie wir sie im Möösli haben. Es ist daher sinnvoll, wenn wir solche Häftlinge in geschlossenen Gefängnissen in Einzelhaft unterbringen. So etwa in Stans, Biberbrugg oder Bässlergut. Dennoch haben wir beim Umbau darauf geachtet, dass zusätzliche Zellen für Ausschaffungshäftlinge realisierbar sind. So wäre es möglich, in einem ersten Schritt die Anstalt um drei Ausschaffungshaftplätze zu erweitern, später um weitere drei.

 Die Strafanstalt ist ein Bio-Bauernhof mit Handwerksbetrieben. Brauchen Sie nicht eher Insassen, die auf dem Acker jäten statt hinter Gittern die Arme verschränken?

 In unserem Gefangenenbestand gibt es immer wieder Schwankungen, die es zu meistern gilt. Nicht alle Gefangenen sind gleich fit oder arbeitswillig. Die Ausschaffungshäftlinge können, wenn sie wollen, in ihrem Trakt arbeiten. Zum Beispiel Gemüse rüsten oder Ware etikettieren. Doch faktisch haben wir mit der Schaffung der geschlossenen Gefängnisabteilung auf dem Gutsbetrieb sieben Arbeitskräfte verloren. Aufgrund der stagnierenden Zahlen im offenen Strafvollzug haben wir die Töpferei aufgegeben. Damit wir unseren Hof samt den Werkstätten bewirtschaften können, brauchen wir etwa 50 Insassen. Momentan haben wir 61 Gefangene, sind also von der Schmerzgrenze noch weit entfernt.

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 Ausbruchssichere Zellen

 Wauwilermoos | Geschlossene Gefängnisabteilung

 Im Laufe des Novembers werden in der Strafanstalt Wauwilermoos neu 14 Ausschaffungshäftlinge untergebracht. Sie teilen sich jeweils zu zweit eine Zwölf-Quadratmeter-Zelle. Diese verfügt über ein Kajütenbett, ein Lavabo und ein WC.

 In den letzten Monaten liess der Kanton zu diesem Zweck den Trakt E der Strafanstalt für rund eine Million Franken in eine sogenannte "geschlossene Gefängnisabteilung" umbauen. Sieben der bisherigen 65 Zellen des offenen Strafvollzugs wurden von Bau- und Sicherheitsfirmen ausbruchssicher getrimmt und vom restlichen Anstaltsbetrieb getrennt. "Ausschaffungshäftlinge verfügen über ein grosses Fluchtpotenzial", begründet Direktor Andreas Naegeli. So hat der Trakt E neu eine Zutrittsschleuse, viel Panzerglas und vergitterte Fenster. Das Gebäude mit der geschlossenen Gefängnisabteilung wird rund um die Uhr von 18 Kameras und etlichen Infrarotscheinwerfern überwacht. Die Gefangenen sind zwischen 17 Uhr und 7.30 Uhr sowie über den Mittag in ihren Zellen eingeschlossen. Ansonsten können sie sich in der Gruppe im Trakt E frei bewegen. Ihnen steht ein Freizeitraum samt Fernseher und Töggelikasten zur Verfügung. Täglich dürfen sich die Ausschaffungshäftlinge eine Stunde an der frischen Luft im Spazierhof bewegen. Dieser hat eine Fläche von 18,5 mal 10 Metern und ist von einer fünf Meter hohen Betonmauer samt aufgesetztem Nato-Stacheldraht umgeben. Die Ausschaffungshäftlinge können, müssen aber nicht arbeiten. Sie erhalten ein Entgelt zwischen 8 und 16 Franken pro Tag.

 Der Bund vergütet der Strafanstalt pro Ausschaffungshäftling 140 Franken pro Tag.-art.

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NLZ 5.11.10

Neue Plätze für Häftlinge

Ausschaffung

 red. In der Strafanstalt Wauwilermoos werden neu neben Gefangenen im offenen Vollzug auch Ausschaffungshäftlinge untergebracht. Für sie wurden sieben Zweierzellen eingerichtet. Das sind vier Plätze mehr als in Sursee, wo Ausschaffungshäftlinge bisher untergebracht waren. Trotz dem Ausbau ist die Anzahl Plätze in Luzern knapp. "Der Kanton Luzern platziert regelmässig eigene Ausschaffungshäftlinge ausserkantonal", sagt Max Plüss, Vorsteher des Amtes für Migration.

 Im Wauwiler Gefängnis haben die Verantwortlichen wegen der Ausschaffungshäftlinge die Sicherheit verstärkt. Vor den Fenstern der neuen Zellen sind Gitter montiert, im Eingangsbereich steht neu ein Metalldetektor.

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Gefängnis wird nach Wauwil verlegt

Ausschaffung

Barbara Inglin

 Im Gefängnis Wauwilermoos werden neu auch Ausschaffungshäftlinge eingesperrt. Dort gelten nun schärfere Sicherheitsmassnahmen.

 Barbara Inglin

 barbara.inglin@neue-lz.ch

 In der Strafanstalt Wauwilermoos herrscht Hochbetrieb. Vor den Fenstern werden Gitter montiert, Sicherheitstüren werden angebracht, im Eingangsbereich steht neu ein Metalldetektor. Die Alarmanlagen werden durchgecheckt. Der Grund: In diesem Trakt werden bald 14 Ausschaffungshäftlinge untergebracht. Bislang wohnten hier, wie im Rest der Anstalt, Gefangene im offenen Vollzug. Der Umzug der Ausschaffungshäftlinge wird nötig, da die Krienser Grosshof-Aussenstelle in Sursee geschlossen wird. Was mit dem Gebäude passiert, ist unklar.

 In der Strafanstalt Wauwilermoos stehen für die Ausschaffungshäftlinge sieben Zweier-Zellen zur Verfügung - vier Plätze mehr als in Sursee. Das ist knapp bemessen. Denn immer wieder müssen Ausschaffungshäftlinge in anderen Kantonen platziert werden. "Wir können aber weitere Zellen umfunktionieren und so bis zu sechs weitere Betten in der Ausschaffungshaft anbieten", sagt Gefängnisdirektor Andreas Naegeli. "Die Zellen befinden sich im gleichen Gebäude. Es kommt also nicht zu einer Durchmischung von offenem und geschlossenem Vollzug. Die Sicherheit ist jederzeit gewährleistet."

 Strikter Tagesablauf

 Die Verurteilten im offenen Vollzug können sich auf dem Gelände tagsüber ohne grössere bauliche Hindernisse bewegen und einer Arbeit nachgehen. Für die Ausschaffungshäftlinge hingegen gilt strikter Einschluss hinter Gittern und Gefängnismauern. Zellenöffnung um 7.30 Uhr, Frühstück, wer will, kann sich in der Werkstatt ein Taschengeld verdienen. Mittagessen in der Zelle, am Nachmittag nochmals Arbeit. Eine Stunde pro Tag haben sie Auslauf im neu erstellten Gefängnishof - umgeben von fünf Meter hohen Betonmauern und Stacheldraht, eine Videokamera in jeder Ecke. Um 17 Uhr gibt es Nachtessen in der Zelle, die Türen bleiben bis zum nächsten Morgen verschlossen. Immerhin steht jedem Gefangenen ein Fernseher zu Verfügung.

 Haft ist keine Bestrafung

 Die Ausschaffungshäftlinge unterscheiden sich von Strafgefangenen im geschlossenen Vollzug. Zweck ihrer Einschliessung ist nicht die Bestrafung, es muss aber eine geordnete Ausschaffung sichergestellt werden. So haben Ausschaffungshäftlinge auch mehr Rechte. Das Besuchsrecht ist bei ihnen zeitlich nicht beschränkt. Auf eigene Kosten dürfen sie telefonieren, so viel sie wollen. Briefe werden nicht zensiert. "Diese Leute sind hier, weil sie gegen die Aufenthaltsbestimmungen verstossen haben. Sie büssen nicht für eine Straftat, deshalb gelten gesetzlich andere Regeln", sagt Naegeli.

 Zum andern wird allerdings die Fluchtgefahr als sehr hoch eingeschätzt. Die Zellen sind entsprechend angepasst. Fenster, die geöffnet werden können, sind mit einem zusätzlichen Anti-Schmuggel-Gitter versehen, damit keine unerlaubten Gegenstände oder Drogen eingeschleust werden können. Die Spiegel sind jetzt bruchsicher. Statt Stecknadeln und Pinwand ist eine Magnetwand aufgehängt, Schranktüren fehlen. "Die Gefahr von Selbstverletzungen oder Suizidversuchen ist in dieser Abteilung höher", sagt Naegeli. "Ausschaffungshäftlinge wählen manchmal diesen Weg als eine Art Hilferuf."

 Plätze reichen nicht

 Dass die 14 Plätze für Ausschaffungshäftlinge nicht genügen, ist heute schon klar. "Der Kanton Luzern platziert regelmässig eigene Ausschaffungshäftlinge ausserkantonal, namentlich in Basel, Biberbrugg oder Stans", sagt Max Plüss, Vorsteher des Amtes für Migration Kanton Luzern. Jährlich werden im Kanton zwischen 200 und 250 Personen in Ausschaffungshaft genommen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 30 Tage.

 "Theoretisch wäre ein Ausbau möglich, das Land ist vorhanden", sagt Gefängnisdirektor Naegeli. Konkret geplant sei in diese Richtung aber noch nichts. Auch Barbara Ludwig, Leiterin der Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug, könnte sich einen Ausbau vorstellen: "Die Gefängnisplatzplanung in der Zentralschweiz muss professionalisiert werden. Möglich wäre, dass sich die einzelnen Gefängnisse auf eine bestimmte Haftart spezialisieren. In diesem Zusammenhang wäre es auch denkbar, dass das Ausschaffungsgefängnis im Wauwilermoos ausgebaut wird, damit noch mehr Häftlinge aufgenommen werden könnten." Dies sei zurzeit aber noch reine Spekulation.

 Kaum Einfluss auf die Anzahl Personen im Ausschaffungsgefängnis dürfte die Annahme von Ausschaffungsinitiative oder Gegenvorschlag haben. "Diese Leute würden mehrheitlich direkt vom geschlossenen Strafvollzug aus ausgeschafft", sagt Ludwig.

 Kosten doppelt so hoch

 Die Häftlinge aus Sursee sollen noch vor Ende November ins Wauwilermoos umziehen - geplant war der Umzug eigentlich bereits auf Mitte Jahr. Die Kosten sind mit einer Million doppelt so hoch wie ursprünglich angegeben. "Das waren erste Schätzungen, die wir im Verlauf der Planung anpassen mussten", sagt Naegeli dazu. "Was wir jetzt haben, ist kein Luxus, aber eine gute, sichere Lösung."

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 Mehr als die Hälfte der Häftlinge reiste aus Afrika in die Schweiz ein

Ausschaffung

 bin. Seit 1995 entscheiden nicht mehr Richter, sondern die Migrationsämter über eine Ausschaffung. Somit liegt auch der Entscheid zur Ausschaffungshaft beim Amt für Migration der jeweiligen Kantone.

 Seit Einführung der sogenannten Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (Anag) hat die Zahl der Personen in Ausschaffungshaft leicht zugenommen, allerdings mit starken Schwankungen. Dies zeigen Zahlen des Bundesamtes für Statistik, welche jeweils an einem Stichtag erhoben werden (siehe Grafik). Die verschiedenen Kantone wenden die Anag sehr unterschiedlich an. Auch die Rückführungsraten variieren stark: Im Kanton Genf etwa werden 50 Prozent der Inhaftierten nach der Haft ins Heimatland zurückgeführt, in Schaffhausen sind es fast 100 Prozent. In Luzern liegt die Zahl zwischen 75 und 80 Prozent.

 Eigentliche Ausschaffungsgefängnisse gibt es in Sursee (neu Wauwilermoos, 14 Plätze), Gampelen BE (40), Widnau SG (8), Granges VS (16), Vernier VD (20), Basel (60) und Zürich-Flughafen (108). Daneben haben viele kantonale Gefängnisse einzelne Plätze für Ausschaffungshäftlinge, so etwa auch der Sicherheitsstützpunkt in Biberbrugg SZ.

 Haft meist kürzer als ein Monat

 Der Grossteil der Inhaftierten (60 bis 80 Prozent) bleibt weniger als einen Monat in Ausschaffungshaft. Danach werden sie entweder ausgeschafft oder entlassen, weil keine Fluchtgefahr mehr besteht. Im Kanton Luzern beträgt die durchschnittliche Haftdauer 30 Tage. Von den Ausschaffungshäftlingen sind hier 60 Prozent Afrikaner (vor allem aus Nigeria, Guinea, Gambia, der Elfenbeinküste und Algerien), 15 Prozent Iraker und Iraner; 10 Prozent stammen aus dem Balkan, 10 Prozent aus dem ehemaligen Ostblock, 5 Prozent kommen aus anderen Ländern.

 Fast keine Frauen in Haft

 75 Prozent der Ausschaffungshäftlinge sind abgewiesene Asylbewerber. Die Frauen machen weniger als 1 Prozent aus. Das liegt laut Bundesamt für Statistik daran, dass die heutigen Flüchtlingsströme fast ausschliesslich aus jungen Männern bestehen.

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Schwyz lässt 84 Ausländer ausschaffen

 Kanton

Bert Schnüriger

 Ausschaffungen von Ausländern verfügt auch der Kanton Schwyz. Und zwar mehr als einmal pro Woche allein im letzten Jahr.

 Bert Schnüriger

 bert.schnüriger@neue-sz.ch

 Kriminelle Ausländer oder solche, die kein Aufenthaltsrecht in der Schweiz erhielten, werden seit je ausgeschafft. Zuständig dafür ist im Kanton Schwyz das Amt für Migration im Volkswirtschaftsdepartement, also nicht mehr wie früher die Gerichte. Das Amt verfügte letztes Jahr 66 Ausschaffungen im Asylbereich und 18 Ausschaffungen wegen Verstössen gegen das Strafrecht, wegen Eheauflösungen oder Verstössen gegen die Sozialhilfe. Insgesamt wurden also im Jahr 2009 aus dem Kanton Schwyz 84 Personen ausgeschafft.

 Die Volksinitiative, die am 28. November im ganzen Land zur Abstimmung kommt, verlangt künftig den automatischen Entzug des Aufenthaltsrechts, wenn bestimmte Straftaten begangen wurden. So weit darf heute das Migrationsamt nicht gehen. Viel mehr hat es laut Bundesvorschriften Fall für Fall zu prüfen. Und zwar immer dann, wenn ein Richter gegen Ausländer das Strafmass auf ein Jahr Freiheitsstrafe oder höher angesetzt hat, unabhängig vom begangenen Delikt. Der Katalog der möglichen Delikte umfasst darum all jene Straftaten, auf die mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe steht.

 Verhältnismässigkeit

 Gemäss der heutigen Bundesgesetzgebung darf der Widerruf einer Aufenthaltsbewilligung nur verfügt werden, wenn dies verhältnismässig ist. Dazu sagt Ruedi Fahrni vom kantonalen Amt für Migration: "Wir prüfen alle Umstände des Einzelfalles. Zu berücksichtigen sind die öffentlichen Interessen und die persönlichen Verhältnisse sowie der Grad der Integration der ausländischen Person." Beurteilt werden auch die familiären Beziehungen und die Dauer des Aufenthalts in der Schweiz. Die Einzelfälle würden "im Team beziehungsweise mit der vorgesetzten Stelle beurteilt", sagt Fahrni. "Jeder Betroffene erhält das rechtliche Gehör. Je nach Situation kommt es vereinzelt auch zur Anhörung durch unser Amt, oder wir erteilen der Polizei oder anderen Amtsstellen einen entsprechenden Auftrag."

 Wenn er nicht freiwillig geht

 Verlieren Ausländer nach diesem Prozedere die Aufenhaltsbewilligung, müssen sie das Land verlassen. Wenn sie nicht freiwillig ausreisen, werden sie ausgeschafft (siehe Kasten).

 Laut Fahrni muss jeder straffällig gewordene Ausländer seine Strafe erst absitzen, bevor er ausreisen muss. Bei der Ausschaffung gebe es allerdings gelegentlich Probleme: "Es gibt Länder, mit denen wir keine Rücknahmeabkommen haben, oder sie nehmen die Leute nur zurück, wenn diese freiwillig zurückreisen und so weiter."

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 Der Kanton bestellt in Bern das Flugbillett

 Ausschaffungen

 s. Das Amt für Migration sorgt jeweils dafür, dass kriminelle Ausländer am Ende ihrer Zeit im Strafvollzug direkt in die Ausschaffungshaft kommen. Zu diesem Zeitpunkt allerdings muss das Amt bereits die notwendigen Reisepapiere beschafft und den Rückführungsflug organisiert haben. Wobei in jedem Fall noch ein Richter darüber befinden muss, ob zwar nicht die Ausschaffung, wohl aber die Ausschaffungshaft, überhaupt gerechtfertigt ist. "Wir vom Migrationsamt müssen belegen können, dass ein berechtigter Verdacht vorliegt, dass diese Person sonst untertauchen könnte", sagt Ruedi Fahrni vom kantonalen Migrationsamt.

 Haft in Biberbrugg

 Der Kanton Schwyz vollzieht diese Haftart in seinem Kantonsgefängnis in Biberbrugg. "Wenn wir eine Person ausschaffen wollen, melden wir dies dem Bundesamt in Bern und bestellen dort ein Flugbillett", schildert Ruedi Fahrni das Prozedere. Organisiert würden die Rückführungsflüge vom Bund.

 Direkt zum Flughafen

 Am Tag des Rückflugs werden die Ausschaffungshäftlinge von Biberbrugg direkt zum Flughafen transportiert. Der Kanton Schwyz beansprucht also das Flughafengefängnis meist nicht. Für den eigentlichen Rückflug kennen die Behörden zwei Kategorien. In der ersten Kategorie begleiten Polizisten den Ausschaffungshäftling bis zum Flugzeug, in dem die Person selbstständig heimfliegt. Im anderen Fall begleiten jeweils zwei Polizisten, auch aus dem Kanton Schwyz, den Auszuschaffenden bis in das Herkunftsland. Die Schwyzer Kantonspolizei verfügt über Polizisten, die speziell für solche Transportbegleitungen ausgebildet wurden. "2009 fanden viermal solche begleitete Rückführungen statt", sagt Fahrni.

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work 5.11.10

Ausschaffungs-Initiative: work antwortet dem SVP-Stammtisch

 Alles, was recht ist!

 Am 28. November stimmen wir über die Ausschaffungs-Initiative der SVP ab. Die Befürworter halten uns für blöd. Ihre Behauptungen sind dümmer, als der Stammtisch erlaubt. Von Sina Bühler und Oliver Fahrni.

 Das behauptet der Stammtisch work widerlegt

 Ausländer sind hier, um vom Reichtum der Schweiz zu profitieren.

 Tatsache ist: Ausländerinnen und Ausländer leisten in der Schweiz mehr als 25 Prozent aller Arbeitsstunden. Also mehr, als ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht. Sie schaffen einen wesentlichen Teil unseres Wohlstandes. Im Gastgewerbe und Tourismus: 51 Prozent. Auf dem Bau: 36 Prozent. Und in Spitzentechnologien und Forschung: Die hier lebenden Ausländer haben im Schnitt eine höhere Qualifikation als die Einheimischen.

 Die Schweiz ist überfremdet.

 Mumpitz. Diese Grossvater-Leier hat uns das gleiche politische Personal schon in den 70er Jahren erzählt. Damals redeten sie über die Italiener wie heute von den "Jugos" (laut, kriminell, faul, hinter den Frauen her). Heute geht es uns besser und italienischer: Wer möchte 2010 Pizza, Pasta, Espresso und überhaupt die Italianità der Schweiz missen?

 Ausländer nehmen die Sozialwerke aus.

 Im Gegenteil: Sie finanzieren AHV, Suva, Arbeitslosenversicherung usw. sehr stark mit. Und weil sie jünger sind als die Alt-Eidgenossen, garantieren sie auch die Zukunft der AHV.

 Wer Sozialhilfe ergaunert, soll bestraft werden. Alle, unabhängig von ihrer Herkunft. So geschieht es heute auch. Dafür brauchen wir keine rassistische Sonderjustiz.

 Ausländer sind krimineller als Schweizer.

 Falsch: Kriminalität hat nichts mit dem Pass zu tun. In der Gruppe junger, schlechtbezahlter oder arbeitsloser Männer, um die es vor allem geht, verstossen ebenso viele Schweizer gegen das Gesetz wie Ausländer. Viele der "kriminellen Ausländer" sind in der Schweiz geboren, hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Darum tricksen die SVP-Ausschaffer mit getürkten Zahlen: Sie rechnen Kriminaltouristen ein, die nichts mit den hier wohnenden und arbeitenden Ausländern zu tun haben. Und sie zählen Strafanzeigen statt Gerichtsurteile.

 Die Gesetze werden nicht angewendet, weil die Richter kuscheln.

 Falsch: Schon heute werden 800 Menschen jährlich ausgeschafft. Doppelt so viele, wie die SVP behauptet. Doch ihr genügt das nicht. Sie will eine Sonderjustiz für Ausländer. So macht sie 1,6 Millionen Menschen zu potentiellen Ausschaffungskandidaten. Viele davon sind Schweizer ohne Schweizer Pass der zweiten oder dritten Generation. Sie haben ein Recht auf faire Justiz.

 Wir Schweizer wollen hier noch unser eigenes Recht machen dürfen.

 Klar! Niemand will fremde Vögte. Dafür haben wir ja die direkte Demokratie. Doch die Ausschaffungsinitiative schafft nicht Recht, sondern Unrecht. Ein Secondo, der in der Schweiz geboren ist, müsste zum Beispiel wegen ein paar Stunden Arbeit, die er dem Arbeitsamt nicht meldet, automatisch ausgeschafft werden. Das verstösst gegen die Verfassung. Und gegen unsere Vorstellung von Recht: Die Regeln sollen für alle gleich sein. Niemand soll zweimal bestraft werden, nur weil er einen italienischen oder deutschen Pass hat.

 Ausländer sind Gäste. Entweder passen sie sich an oder sollen weg.

 Hä? Gäste, die unsere Alten pflegen und unsere Strassen bauen? Und: Wie lange ist jemand Gast in einem Land? Sind auch die Kinder und Grosskinder noch Gäste? Mehr als die Hälfte der Ausländer leben schon mehr als 15 Jahre in der Schweiz.

 Die Ausländer sollen sich gefälligst integrieren.

 Tun sie ja! Und zwar zu Hunderttausenden. Wer sich hingegen nicht in eine moderne, offene und soziale Schweiz integrieren möchte, ist die SVP. Sie will eine Ballenberg-Schweiz.

 Die Ausländer sind das grösste Problem der Schweiz.

 Schön wär's! Mit ihrem Ausländerblabla versucht die SVP zu verschleiern, dass sie eine Bonzenpolitik macht, die Löhne drückt und unsere Arbeitsplätze vernichtet. Die Sozialversicherungen zusammenhaut. Und die Abzocker schützt. Immer gegen die Kleinen. Beweis: Ihre Deportationsinitiative schützt die Finanzgangster. Ladendiebe würden ausgeschafft, Wirtschaftskriminelle nicht. Ausländerhatz ist ein abgelutschter Trick. Die erste ausländerfeindliche Initiative stammt von 1893. Da waren die Blochers noch nicht lange eingebürgert.

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Zürichsee-Zeitung 4.11.10

"Augenauf": dreimal Nein

 Bern. Die Menschenrechtsgruppen Augenauf Basel, Bern und Zürich sagen Nein zur Ausschaffungsinitiative und zum Gegenvorschlag des Parlaments. Generell Nein sagt Augenauf auch zur aktuellen Schweizer Ausschaffungspraxis, heisst es in einer Mitteilung. (sda)

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ANTI-FEMINISMUS
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Basler Zeitung 5.11.10

Kleine Tells, alte Softies, neue Männer

 Der Mann in der Schweiz - wer bestimmt, wie er ist und wie er sein soll?

 Walter Hollstein*

 Die Antifeministen übertönen mit ihren Kampfrufen gegen "Männerhasserinnen" die Anliegen bestehender Männerbewegungen. Und markieren eine neue Phase in der Auseinandersetzung der Geschlechter.

 Wir müssen mit einer Sturmwarnung beginnen: "Es ist der antifeministische Kreuzzug, der unaufhaltsam auf die Feministinnen zurast und läuternd über den Westen hinwegfegt. Auf der ganzen Welt hält man den Atem an, während die Menschen der herannahenden Befreiung überall entgegenfiebern." So kündigte ein Blog das 1. Internationale Antifeminismus-Treffen an, das am 30. Oktober in Zürich stattgefunden hat. Die gute Nachricht ist, dass wir diesen Sturm vorerst überlebt haben.

 Immerhin markiert dieses Ereignis eine neue Etappe in der Auseinandersetzung der Geschlechter. Dabei verhält sich die andere Seite nicht weniger kriegerisch. Die amerikanische Bestseller-Autorin Marilyn French setzt Männer mit Nazis gleich. Ihre Landsfrau Andrea Dworkin schreibt: "Terror strahlt aus vom Mann, Terror erleuchtet sein Wesen, Terror ist sein Lebenszweck." Der Übergang von der verbalen Militanz zur physischen ist nur konsequent: "Ich möchte einen Mann zu einer blutigen Masse geprügelt sehen." Die Zürcher Schriftstellerin Sybille Berg bezeichnet in ihrem gerade uraufgeführten Stück "Missionen der Schönheit" alle Männer als "Schweine". Das rechtfertigt nicht die aktuellen Ausfälle der Antifeministen, aber stellt sie in einen Zusammenhang. Fundis da, Fundis dort.

 Kriegsmann

Es war klar, dass der Moment kommen würde, wo verärgerte, gedemütigte und frustrierte Männer reagieren. Einzelne Organisationen, die sich gegen die Anwürfe feministischer Hardlinerinnen gewehrt haben, gibt es in der Schweiz schon eine Weile: die "Interessengemeinschaft geschiedener und getrennt lebender Männer", "Mannschafft", "Verantwortungsvoll erziehende Väter", die "Männerpartei", die soeben angekündigt hat, bei den Nationalratswahlen 2011 kandidieren zu wollen, und neu die "Interessengemeinschaft Antifeminismus" (Igaf). Unter dem Pseudonym "Manhood" formuliert Urs Bleiker, Präsident der Igaf, den Kampfaufruf: "Der antifeministische Kreuzzug wird (…) unvermindert weiter in das Herzland des Erzfeindes vorstossen und jede einzelne dieser Männerhasserinnen wird zur Rechenschaft gezogen. Die Zeit der Abrechnung ist gekommen."

 Einiges sympathischer ist, was die traditionelle Männerbewegung an Visionen bietet. Als Männer 1970 im kalifornischen Berkeley das erste "Men's Center" gründeten, formulierten sie in einem Manifest: "Wir als Männer möchten unsere volle Menschlichkeit wieder haben. Wir wollen nicht mehr länger in Anstrengung und Wettbewerb stehen, um ein unmögliches und unterdrückendes männliches Image zu erreichen - hart, schweigsam, cool, gefühllos, erfolgreich, Beherrscher der Frauen, Führer der Männer, reich, brillant, athletisch und heavy. Wir möchten uns selbst gern haben; wir möchten uns gut fühlen und unsere Sinnlichkeit, unsere Gefühle, unseren Intellekt und unseren Alltag zufrieden erleben."

 Daran orientieren sich auch Männergruppen in der Schweiz. Ihnen geht es um die Veränderung der klassischen Männlichkeit von Konkurrenz, Härte, Leistungszwang und Pokerface. Sie möchten diese Rolle vermenschlichen, sie um weiblich etikettierte Eigenschaften wie Empathie, Fürsorglichkeit oder das Eingeständnis von Schwäche erweitern. Das ist für die Antifeministen kein Thema. Sie sind mit dem traditionellen Männerbild zufrieden und bestreiten energisch, dass Männer auch Defizite haben. Gibt es Probleme, sind die Frauen schuld. So wird diesen vorgeworfen, dass heute 80 Prozent der Trennungen und Scheidungen von ihnen ausgehen, ohne selbstkritisch zu fragen, ob es da vielleicht einen Zusammenhang mit dem eigenen Verhalten gibt, mit Machotum, mit dem Unwillen, sich auseinanderzusetzen, mit dem alltäglichen Widerstand, sich an der Hausarbeit und der Kindererziehung zu beteiligen. Selbstreflexion ist nicht das Ding der Antifeministen.

 Klagemann

Wo es den Antifeministen an Selbstkritik fehlt, hat die traditionelle Männerbewegung ein Zuviel davon. So entstand der Betroffenheitsmann, der Klagemann und Softie. Die feministische Bewegung betrachtet man als potenziellen Bündnispartner und merkt nicht, dass die Gegenseite an einem Ausgleich nicht interessiert ist. Jedenfalls hat sich die schweizerische Gleichstellungspolitik um keinen Millimeter bewegt; trotz demokratischem Etikett macht sie einseitig Frauenpolitik; sie braucht das Feindbild Mann, um ihre Ressourcen zu legitimieren. Die traditionelle Männerbewegung - wie sie etwa "männer.ch" vertritt - traut sich nicht einmal, auf die Probleme des eigenen Geschlechts aufmerksam zu machen. Beliebter ist, sich für Frauenquoten in Verwaltungsräten einzusetzen, obwohl das beileibe kein Männerthema ist. Auf der Strecke bleiben Diskriminierungen von Männern beim Zwang zum Militärdienst, bei der Alters- und Gesundheitsversorgung, die steigende Arbeitslosigkeit, die inzwischen signifikant höher ist als die der Frauen, die frühere Sterblichkeit, die höhere Suizidrate und Ungerechtigkeiten beim Scheidungs- und Sorgerecht. Das Debakel der Buben ist seit Langem absehbar, ohne dass es von "männer.ch" angesprochen wird: die wachsende Bildungsmisere, die dramatische Abbruchrate in der Ausbildung, die neunmal höhere Suizidanfälligkeit, die zunehmende Orientierungslosigkeit, wie sie sich zum Beispiel in Vandalenakten, Autoraserei oder Gewalt äussert.

 Unsicherer Mann

Was "männer.ch" vornehm verschweigt, kritisieren laut die Antifeministen, die sich selbst als die wahren Nachfolger von Wilhelm Tell verstehen. Die Diskurshoheit ist von der traditionellen Männerbewegung an die Antifeministen übergegangen. In Deutschland hat die Politik diese Gefahr erkannt und finanziert ein "Bundesforum Männer", in dem die profeministischen Gruppierungen der beiden Kirchen, der Grünen und der SPD antifeministische Positionen bekämpfen, die längerfristig die etablierte Frauen- und Familienpolitik herausfordern könnten. Verdrängung wird aber auf Dauer nicht helfen, sondern nur die Akzeptanz, dass auch Männer Probleme haben und Benachteiligungen ausgesetzt sind.

 Eine beredte Klage: "Die Welt wird immer weiblicher. Frauen bestimmen die Regeln der Liebe, der Sexualität und alles andere. Ich weiss überhaupt nicht mehr, wie ich mich als Mann verhalten soll." Das ist kein vereinzeltes Statement. Die deutsche Sinus-Studie über 20-jährige Frauen und Männer - von Regierungsseite 2007 in Auftrag gegeben - konstatiert, dass junge Männer heute "geplagt (sind) von einer fundamentalen Unsicherheit" und der Angst, als Geschlecht bald "überflüssig zu werden". "Die Männer leiden in ihrer subjektiven Befindlichkeit und fühlen sich in der Defensive: Die Frauen schreiben das Drehbuch und geben den Figuren eine Rolle; der Mann ist Schauspieler mit der einzigen Aufgabe, die ihm zugeschriebene Rolle auszufüllen."

 Solches nicht wahrzunehmen, macht den Clash der Geschlechter immer wahrscheinlicher. Weder "männer.ch" noch die Antifeministen wissen darauf eine Antwort. Diese kommt wohl eher von unorthodoxen Initiativen wie "BoystoMen". Dieses amerikanische Projekt gibt es mittlerweile auch in der Schweiz. Unter der Führung von alt Nationalrat Roland Wiederkehr werden Buben von ehrenamtlich tätigen Mentoren auf ihrem schwierigen Weg durch die Pubertät zum authentischen Mannsein begleitet. Vielleicht wachsen so die neuen Männer heran: echt, aufrichtig, verantwortungsvoll und solidarisch.

 *Von 1971-2006 Professor für Soziologie in Berlin und Bremen, Schwerpunkt Männerforschung; Gutachter des Europarates für Männerfragen. Letzte Veröffentlichung: "Was vom Manne übrig blieb - Krise und Zukunft des ‹starken› Geschlechts" (Aufbau-Verlag).

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ANTI-ATOM
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BZ 5.11.10

Initianten und Gegner zanken um Preis für Atomausstieg

 Energiewende

Ist eine höhere Stromrechnung der Preis für Berns Ausstieg aus der Atomenergie? Nein, versicherte der Chef von Energie Wasser Bern an einem Podium.

 "Strompreis verdoppeln" - mit diesem Argument versuchen die Gegner des Atomausstiegs, am 28. November die Berner Stimmberechtigten zu packen. Muss Energie Wasser Bern (EWB) statt billigen Atomstrom teurere Wind- oder Solarenergie anbieten, spüren das die Konsumenten im Portemonnaie, behauptet das bürgerliche Komitee. Diese Rechnung stimme so nicht, betont dagegen EWB-Chef Daniel Schafer: "Die Strompreise werden steigen, aber sie steigen auch, wenn wir auf Kernenergie setzen", sagte er am Mittwochabend an einer Podiumsdiskussion. In die alten und damit "günstigen" AKWs könne man nicht mehr beliebig lange investieren. Es müssten neue gebaut werden, was sehr teuer sei. "Bei neuen AKWs weist die Kostenkurve nach oben, bei erneuerbaren Energien kommen die Kosten runter", sagte Schafer.

 Das Strompreisargument der Bürgerlichen sei "billig", findet Natalie Imboden. Die grüne Grossrätin und Mitinitiantin der "Energiewende Bern" warb dafür, bereits im Jahr 2030 dem Atomstrom abzuschwören. Das bürgerliche Schreckensszenario liess sie nicht gelten: "Gerade mal 0,5 Prozent der Haushaltsausgaben gehen im Durchschnitt für den Strom weg." Selbst wenn der Strompreis steige, sei das keine der Ausgaben, die ins Gewicht falle.

 Ausstieg früher, später oder nie?

 40 Personen waren der Einladung des Grünen Bündnisses gefolgt. Zu Beginn des Podiums stellte Moderator Mike Bucher dem Publikum eine Frage: "Wer von Ihnen hat sich schon entschieden, wie er abstimmen wird?" Bis auf eine Zuschauerin hoben alle die Hand. "Wir buhlen also heute alle um Ihre Gunst", wandte sich der EWB-Chef an sie. Er machte der unentschlossenen Stimmbürgerin den Gegenvorschlag der Regierung schmackhaft, dieser decke sich mit der Strategie von EWB: Die stadteigene Energieversorgerin will bis 2039 aus der Kernenergie aussteigen. Neun Jahre später als die Urheber der rot-grünen Initiative "Energiewende". Gegen beide Szenarien wehrt sich ein bürgerliches Komitee. Es war vertreten durch FDP-Stadtrat Christoph Zimmerli.

 350 Millionen Franken in Gefahr

 Wenn die Stadt bereits 2030 aus der Atomenergie aussteige, gehe die Rechnung für EWB und damit auch für die Kunden nicht auf, warnte Daniel Schafer. "Können wir unsere Beteiligungen an Gösgen und Fessenheim nicht bis 2039 behalten, verlieren wir 350 Millionen Franken." Ehrlicherweise müsse er sagen: "EWB kann und will nicht neun Jahre auf diese Marge aus der Produktion von Atomstrom verzichten."

 Für FDP-Stadtrat Zimmerli ist darum die Hauptfrage: "In welchem Zeitraum ist es für die Stadt Bern wirtschaftlich vertretbar, das AKW-Element herunterzufahren?" Man dürfe nicht vergessen, dass EWB jedes Jahr rund 40 Millionen in die Stadtkasse trage. Man könne sich aber auch fragen, entgegnete Imboden, "wie viel der Stadt der rasche Ausstieg aus der Atomenergie wert ist". Bern könnte hier auch eine Vorreiterrolle übernehmen. Man dürfe sich in diesem Punkt keine Illusionen machen, entgegnete Schafer: "Nur weil Bern seine Beteiligung von 7,5 Prozent an Gösgen aufgibt, wird das Werk nicht stillgelegt."

 Auch Gegenvorschlag willkommen

 Im Verlauf der konstruktiv geführten Debatte zeichnete sich ab, dass Mitinitiantin Imboden auch mit dem Gegenvorschlag leben könnte: "Das Wichtigste ist, dass die Stimmberechtigten grundsätzlich den Ausstieg aus der Atomenergie beschliessen." Sie persönlich fände das auf 2030 machbar, könne aber auch die Argumente von EWB für 2039 nachvollziehen. Diese Argumente überzeugten offensichtlich auch die unentschlossene Stimmbürgerin. Sie werde für den Gegenvorschlag stimmen, verriet sie am Ende der Veranstaltung.

 Mirjam Messerli

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cash.ch 5.11.10

Alpiq mit deutlichem Gewinnrückgang

 Der Energiekonzern Alpiq leidet unter gesunkenen Strompreisen, geringerem Verbrauch insbesondere in Italien und der Euro-Schwäche. Doch Konkurrentin Axpo macht Alpiq Hoffnung - zumindest was neue Kernkraftwerke anbelangt.

 Der Gewinn   von Alpiq   in den ersten neun Monaten 2010 um 15 Prozent auf 421 Millionen Franken gesunken. Der Umsatz schrumpfte um 2 Prozent auf 10,519 Milliarden Franken, wie die aus der Fusion von Atel und EOS entstandene Gruppe am Freitag mitteilte. Konzernchef Giovanni Leonardi erklärte, Alpiq sei unter den eigenen Erwartungen geblieben, habe jedoch im Vergleich zum Umfeld ein zufrieden stellendes Ergebnis erzielt.

 Positiv entwickelt hätten sich im Energiegeschäft die Aktivitäten in der Schweiz. Dazu trug unter anderem das im Januar wieder in Betrieb genommene Speicherkraftwerk Bieudron (Cleuson-Dixence) bei. Ebenfalls erfreulich entwickelt hätten sich das Vertriebs- und Grosshandelsgeschäft sowie die Kraftwerke in Zentraleuropa.

 Tiefer Euro belastet

 Während das Segment Energieservice stabil blieb, belasteten Alpiq insbesondere der tiefe Euro und die in den wichtigen europäischen Märkten gesunkenen Preise für Strom aufgrund eines tieferen Verbrauchs und zusätzlicher Erzeugungskapazitäten.

 Für die restlichen Monate in diesem Jahr sieht Alpiq keine Verbesserung. Der Euro bleibe voraussichtlich schwach und die europäische Stromerzeugungsüberkapazität unverändert. Das drücke auf die Margen. Alpiq erwartet hingegen, dass sich aufgrund gezielter Massnahmen zur Kostenreduktion der Rückgang der Ergebnisse bis Ende Jahr abflachen wird.

 "Gute Chancen" für AKW-Projekte

 Immerhin eine gute News gibt es für Alpiq: Der Ersatz von bestehenden Kernkraftwerken in der Schweiz habe "gute Chancen". Dieser Ansicht ist Axpo-Chef Manfred Thumann. Im cash-Video-Interview lässt er durchblicken, dass er an die Umsetzung der eingereichten Projekte von Axpo, Alpiq und BKW glaubt. Nicht aber an zusätzliche: "Für neue Standorte ist es schwierig."

 Der Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke sei notwendig, da die drohende Stromlücke eine Realität sei. "Das zeigen alle Fakten", so Thumann. Auch wiederholt er die Aussage der Stromkonzerne, dass alternative Energie nicht in der Lage seien, die Kapazitäten der heute in der Schweiz existierenden Kernkraftwerke zu ersetzen.

 (sda/mik)

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Axpo-CEO Manfred Thurmann zur drohenden Stromlücke.
http://www.cash.ch/video/start.php?firstProjectID=17819

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St. Galler Tagblatt 5.11.10

Ein heisses Atom-Weekend

 An diesem Wochenende werden rund um den norddeutschen Ort Gorleben Zehntausende zum Protest gegen die Atompolitik der deutschen Regierung erwartet.

 Walter Brehm

 Im norddeutschen Wendland werden am kommenden Wochenende rund um den Ort Gorleben 17 000 Polizisten im Einsatz stehen, um über 30 000 erwartete Atomkraftgegner im Zaum zu halten. Voraussichtlich am Montagmorgen soll dort ein Castor-Transport mit atomarem Abfall aus La Hague in Frankreich anrollen.

 Den aufgebotenen Ordnungshütern scheint in ihrer Haut nicht wohl zu sein. Konrad Freiberg, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (GDP), hat an die Regierung in Berlin gerichtet erklärt: "Gesellschaftliche Konflikte können nicht mit der Polizei gelöst werden."

 80 Prozent haben Verständnis

 Die geplanten Proteste richten sich zum einen gegen das geplante deutsche Endlager für atomaren Abfall in Gorleben. Angeheizt wurde die wohl seit Jahren grösste Mobilisierung der Anti-Atom-Bewegung jedoch durch den Beschluss der konservativ-liberalen Koalition von Kanzlerin Angela Merkel, die Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke zu verlängern. Die grün-linke Opposition hofft noch immer, dies verhindern zu können - sei es vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe oder durch eine Intervention von Bundespräsident Christian Wulff. Die Basis jedoch will darauf nicht vertrauen, sie redet von Widerstand.

 Das Wiedererstarken der Anti-Atom-Bewegung gründet im selben Unbehagen, das derzeit im Süden des Landes auch den Widerstand gegen das Bahnhofprojekt "Stuttgart 21" befeuert: Gorleben steht ebenfalls für das sich in Deutschland verbreitende Gefühl, dass immer mehr wichtige Entscheidungen über die Köpfe der Bevölkerung hinweg gefällt werden.

 Laut einer Umfrage der Umweltorganisation Greenpeace haben 80 Prozent der Deutschen Verständnis für die Atomproteste. Dass diese Sympathie tatsächlich bis weit in die Mitte der Gesellschaft reicht, hat auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, ein CDU-Parteifreund der Kanzlerin, deutlich gemacht. Er hält die Eile der Regierung, die Laufzeitverlängerung für AKW durchzusetzen, für "eine Zumutung".

 Vorstoss aus EU-Kommission

 Dass sich die Politik auch auf europäischer Ebene der Sprengkraft der ungelösten Entsorgung von Atomabfall sehr wohl bewusst ist, zeigt auch ein Vorstoss von Günther Oettinger, dem deutschen EU-Kommissar für Energie. Er präsentierte am Mittwoch seine Forderung, wonach alle EU-Staaten mit Atomkraftwerken in den kommenden vier Jahren verbindliche "Fahrpläne" für die Endlagerung ihres atomaren Abfalls vorzulegen hätten.

 Die Forderung des EU-Kommissars sieht auch ein Verbot des Exports von Atomabfällen in Nicht-EU-Staaten vor. Dass sein Vorstoss aber EU-Recht werden kann, verlangt, dass im Ministerrat alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen. Und selbst wenn sich Oettinger durchsetzte, rechnen Experten mit Jahrzehnten für die Verwirklichung des Planes.

 Herbst der Entscheidung

 Die Regierung Merkel spricht von einem "Herbst der Entscheidung", und sie könnte ihn bekommen - wenn auch anders als gewünscht. Der Ausstieg aus dem Atomausstieg oder zumindest dessen Verzögerung erweist sich nun als Wiederbelebungsprogramm für die Anti-Atom-Bewegung. Das könnte leicht zum Wahlkampfmotor der Opposition, vor allem der Grünen werden.

 Risiken für Protestbewegung

 Doch auch für die Organisatoren bergen die Gorleben-Proteste Risiken. Wie die Polizei müssen auch sie extremistische Elemente fürchten, die versuchen, die Proteste zu eskalieren. Ein zwar glimpflich verlaufener Brandanschlag auf einen Kabelschacht der Berliner S-Bahn hat die Lage vor dem Wochenende verschärft.

 In Manier linksextremer Stadtguerilla erklärte ein "Kommando Sébastien Briat" in einem Bekennerbrief: "Wir wollen zeigen, dass die Profiteure der Atom-Mafia kein ruhiges Hinterland haben. Weder im Wendland noch in den Grossstädten." Briat war ein junger Franzose, der 2004 während der Proteste gegen einen Castor-Transport von einem Zug überrollt und tödlich verletzt worden war. Das fahrlässige hantieren mit Märtyrerlegenden durch politische Extremisten hat noch nie Gutes verheissen. Auch grosse Sympathiewerte für Bürgerproteste können nach Gewaltexzessen schnell schwinden.

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Globales Problem Atommüll

Die Entsorgung von Atommüll ist nicht nur in Deutschland ein heikles Thema. Eine Übersicht.

 Allein in der Europäischen Union betreiben 14 Staaten etwa 140 Atomkraftwerke - weltweit sind es über 400. Doch kein einziges Land besitzt ein Endlager.

- Die Schweiz strebt ein Atomendlager in Tonböden an. 2008 wurden von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) sechs mögliche Regionen benannt. Drei von ihnen kämen auch für die Lagerung von hoch radioaktivem Abfall in Frage. Da sie in der Nähe zu Deutschland liegen, wurde ein deutsches Expertengremium hinzugezogen. Einen Beschluss gibt es aber noch nicht. Ein solcher müsste wohl eine Volksabstimmung überstehen.

- Finnland ist das erste Land, das den Bau eines Endlagers beschlossen hat. Als Standort wählte die Regierung die Insel Olkiluoto an der Westküste. Dort gibt es zwei Atomkraftwerke, ein drittes befindet sich im Bau. Für schwach bis mittelradioaktiven Abfall existiert vor Ort schon ein Endlager. Ob sich das vorhandene Granitgestein auch für die Entsorgung abgebrannter Brennstäbe eignet, wird derzeit noch untersucht. Baubeginn soll 2015 sein. Widerstand seitens der Bevölkerung ist praktisch kaum vorhanden.

- Schweden will bei Östhammar im Osten des Landes ein Endlager bauen - ebenfalls in der Nähe eines Atomkraftwerks und eingebettet in Granitgestein. Es soll nach 2022 in Betrieb genommen werden und für mindestens 100 000 Jahre atomaren Abfall aufnehmen. Allerdings gibt es dort in einem bereits bestehenden Lager für schwach bis mittelradioaktive Abfälle schon nach 20 Betriebsjahren Probleme: Ein undichter Behälter hat es kontaminiert, und es dringt Wasser ein - täglich müssen Hunderte Liter abgepumpt werden. Widerstand gegen ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle gab es trotzdem keinen.

- Frankreich produziert fast 75 Prozent seines Stroms in Atomkraftwerken - entsprechend gross ist die Menge des Atomabfalls. Derzeit wird die Einlagerung von abgebrannten Brennstäben in einer dünn besiedelten Region in Lothringen am Rande der Champagne geprüft. Von 2025 an soll dann der hoch radioaktive Abfall 500 Meter tief in einer Lehmschicht eingelagert werden. Alternative Standorte in der Bretagne und im Zentralmassiv wurden nach Protesten aufgegeben.

- Grossbritannien lagert hoch und niedrig strahlenden Atomabfall an mehreren Stellen vorübergehend überirdisch - vor allem in der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield. In Wales wurde ein altes Atomkraftwerk in ein Zwischenlager für mehr als 300 Abfallbehälter umgebaut. Sie sollen dort bis 2096 bleiben. Als Endlagerstandort haben sich nur zwei von angefragten 13 Gemeinden zur Verfügung gestellt. Die Umsetzung ist frühestens bis 2050 geplant.

- Die USA betreiben mit über 100 Atomkraftwerken das weltweit grösste Atomenergieprogramm. Seit 1978 wurde dort die Endlagerung im abgelegenen Yucca-Gebirge im Wüstenstaat Nevada geprüft. 2011 sollte eigentlich mit der Einlagerung begonnen werden. Doch das Bundesgericht rügte die Sicherheitsgarantie von 10 000 Jahren als zu kurz und forderte einen Nachweis für eine Million Jahre. Daraufhin stoppte US-Präsident Barack Obama das Projekt. Jetzt soll ein Ausschuss Alternativen prüfen. Der atomare Abfall wird an Dutzenden Standorten im ganzen Land zwischengelagert.

- Russland betreibt mehrere Zwischenlager für Atomabfall aus den 50er- und 60er-Jahren. Seit Mitte der 90er-Jahre gibt es zwar ein Programm zur Modernisierung dieser Lager, doch die dafür vorgesehenen Sicherheits- und Umweltstandards erfüllen internationale Anforderungen nicht. Dennoch beschloss das russische Parlament 2001, auch Atomabfall aus dem Ausland anzunehmen. Moskau prüft Standorte für den Bau eines modernen Endlagers.

- China lagert Atomabfall in regionalen Zwischenlagern. Für die Endlagerung von hoch radioaktivem Abfall strebt das Land eine unterirdische Lösung an. Ein Standort in der Wüste Gobi in Granitgestein scheint derzeit am wahrscheinlichsten. (wbr/ard)