MEDIENSPIEGEL 11.11.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (RS-Fest, Tojo, Rössli, GH)
- Bollwerk: Le Ciel mit Wasserschaden
- Club-Leben: Bundesgericht gegen Discount-Drinks
- Queersicht: abARTig?
- Kulturk(r)ampf der kleinen KulturveranstalterInnen
- Lorraine: Gentrification an der Aare
- RaBe-Info 8.-11.11.10
- Big Brother City Spion
- Big Brother Video: Datenschutz; Grenzwacht; Videonause;
- Randstand BE: Kein Störfaktor
- Randstand BS: Stadtplanungsfaktor
- Sauberes T(h)un: Bilanz Polizeipräsenz
- Freiraum Solothurn: Wilde Sauvage
- Squat FR: Raie-Manta zu 3. Mal geräumt
- Squat ZH: Atlantis geräumt
- Kulturstreik GE: Usine wieder offen, Moa auch
- Demorecht ZH: Vom May-Day zum Pay-Day
- Revolutionärer Aufbau: Aktivist angeklagt, Aufbau distanziert
sich
- Sozialpolizei ZH: SIP ums fünfache gewachsen
- Police CH: Karin Keller-Sutter KKJPD-Superstar;
Auslandseinsätze; Grenzwachtkorps
- Big Brother Sport: Pyro-Legalisierung
- Rechtsextremismus: Neonazis in der Fussballszene
- Pnos: Flugblattgangster
- Sans-Papiers: Krankenkassendebatte
- Ausschaffungen: Alle raus; Kritik; Containern; Demo; BS; Neue
Sonderflüge; GR
- Volksbefragung: SVP lügt
- SVP: Raus aus Uni Lausanne
- Migration Control: Forum Migration; Frontex; EU-Grenzpolizei
- Drogen: Hanfanbau-Regeln; BS-Dealer; EU-Kokain; Ältere
KonsumentInnen
- Sexwork: Gewerbe-Regelungen;
- Homophobie: Legale JSVP-Beleidigungen
- Anti-Feminismus: Abgründe; Kuhne Ideen; falsche Seiten
- Fascismo beim Kinderkarussel
- Anti-Atom: Nuklearforum; CH-Transporte; Ausstiegskampfgelder;
Tiefenlager; SG; Uranherkunft; Endlager; Gorleben; Finnland
----------------------
REITSCHULE
----------------------
Do 11.11.10
19.30 Uhr - Infoladen - Jahr des Antisexismus:
Überraschungsfilm&Diskussion
19.30 Uhr - Kino - In Zusammenarbeit mit Greenpeace und
dem Komitee
EnergieWendeBern - Filmvorführung mit Diskussion &
Apéro: Die 4. Revolution - Energy Autonomy, Carl-A. Fechner, D
2010
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter - elektronische
Leckerbissen zu
lesbisch-schwulem Chillen mit DJ Xylophee, DJ Dunch, DJ FRATZ, Bruno,
Isabelle, Mike & DJ ELfERich
20.30 Uhr - Tojo - Due Soli. Ein tragikomisches
Stück von LesTak.
Regie: Manuel Rytz.
21.00 Uhr - Rössli - Buvette, Joe Galen (UK), DJ
Leo. --Trance /
Shoegaze / Zouk
Fr 12.11.10 -
Reitschule Fest
2010
Queersicht - lesbisch-schwules-Filmfestival Bern:
www.queersicht.ch
19.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe":
Vernissage mit
Aperokunst von Gruebli Food Company
20.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe":
Niels van der
Waerden (ZH) -Protestschnulzen; Tobby Landei (GE) -- Installation,
Performance
20.30 Uhr - Tojo - Freude schenken. Von und mit Peter
Weyel.
22.00 Uhr - Frauenraum - Reitschulfest & RaBe
Clubtour: OFFSTREAM -
the alternative gay party. DJ-Kollektiv (ZH). -- Indie, Electro, Punk,
Electro-Punk und Alternative
22.00 Uhr - Dachstock - Terminal M Labelnight: MONIKA
KRUSE (GER),
ERMAN ERIM (GER) live!, MANON (CH). -- Techno, House, Electronica
Sa 13.11.10 -
Reitschule Fest
2010
Queersicht - lesbisch-schwules-Filmfestival Bern:
www.queersicht.ch
17.00 Uhr - - Öffentliche Führung
durch die
Reitschule - Treffpunkt beim Grossen Tor
19.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe"
21.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe":
Cancelled (GE).
-- Soundcollage
20.30 Uhr - Tojo - Freude schenken. Von und mit Peter
Weyel
22.00 Uhr - SousLePont - Feldermelder live; Everest on
tt; lcp (CH) --
Electronica
22.00 Uhr - Frauenraum - Reitschulfest & RaBe
Clubtour: My Baby the
Bomb (LU) und Hunter Valentine (Toronto, Can), DJ Olive Oyl
22.00 Uhr - Dachstock - NOMEANSNO (CAN), HARMFUL (GER),
PACK A.D.
(CAN). -- Rock, Punk, Alternative
24.00 Uhr - Tojo - Tojo Disko mit DJane Sister Knister.
So 14.11.10
05.00 Uhr - SousLePont - Katerfrühstück
10.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe"
(bis 17.00 Uhr)
Queersicht - lesbisch-schwules-Filmfestival Bern:
www.queersicht.ch
Mo 15.11.10
Queersicht - lesbisch-schwules-Filmfestival Bern:
www.queersicht.ch
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
---
Bund 11.11.10
Reitschule-Fest
Ein Fest - zwei Temperamente
Wenn in der Schweiz von Erfolgs-DJs die Rede ist, tauchen als
erstes Namen wie DJane Tatana oder DJ Antoine auf. In Deutschland,
einer der Wiegen der elektronischen Musik, ist die Situation ein ganzes
bisschen besser: Hier haben es keine Techno-Anbiederer, sondern Leute
wie Sven Väth und Monika Kruse zu Ruhm und Ehre gebracht.
Ebendiese Monika Kruse inszeniert die Eröffnungsnacht des
diesjährigen Reitschule-Festes im Dachstock. Ähnlich wie
Väth wurde sie im New Wave der Achtzigerjahre musikalisch
sozialisiert und frönt heute dem dramaturgisch raffiniert
komponierten Minimal-Techno. Begleitet wird sie von DJ-Nachwuchs ihres
eigenen Labels Terminal M, dem türkisch-deutschen Liveact Erman
Erim und der Zürcherin Manon.
Dunkle Ideen
An Fahrt und Drastik nimmt das Reitschule-Fest am Samstag auf.
Geladen ist die Gruppe Nomeansno, die seit anno 1979 den Punk mit
bitterernstem Humor und den dunkelsten Ideen der Jazz- und Funkmusik
unterfüttert. Die Band aus Vancouver zählt zu den wichtigsten
Inspirationsquellen der Jazzcore-Szene, zu ihren Fans gehört unter
anderm die Faith-No-More-Kühlerfigur Mike Patton. Als Support ist
die kanadische Post-Punk-Gruppe The Pack A.D. und die deutschen
Stromgitarren-Liebhaber von Harmful affichiert.(ane)
Dachstock ReitschuleFreitag und Samstag, 12. und 13. November, ab
22 Uhr.
---
kulturagenda.be 11.11.10
NoMeansNo am Reitschulefest im Dachstock
Vor über dreissig Jahren haben die Gebrüder Wright NoMeansNo
gegründet. John bedient Schlagzeug und Keyboard, Rob sorgt
für den konstant treibenden Bass-Lauf. Gitarrist Tom Holliston ist
zwar kein Familienmitglied, gehört seit 1993 aber ebenfalls zur
Band. Zusammen machen die drei Herren fortgeschrittenen Alters
Hardcore-Punk, der wegen des funkigen Rhythmus auch Jazz-Core genannt
wird.
Dachstock, Bern. Sa., 13.11., 22 Uhr
---
Bund 11.11.10
"Was ich Dir noch tanzen wollte".
Der Titel deutet es an: Die Berner Tänzerin und Choreografin
Karin Minger versteht den Tanz als Form von Sprache und macht in ihrem
neuen Solostück das Publikum zum Gegenüber dieses getanzten
Dialogs. (reg)
Tojo-Theater ReitschuleMittwoch, 17. November, Freitag, 19. November,
und Samstag, 20. November, jeweils 20.30 Uhr.
---
kulturagenda.be 11.11.10
"Problemhuufe" in der Grossen Halle
15 Künstler und Künstlerinnen stellen in der Grossen Halle
aus. Das Spektrum der explizit für die Ausstellung "Problemhuufe"
geschaffenen Arbeiten reicht von Steinbildhauerei über Malerei bis
zu Installationsarbeiten. Im Bild eine Acrylmalerei aus der Serie "Die
sieben Todsünden" von Greta Eggimann.
Grosse Halle in der Reitschule, Bern. Vernissage: Fr., 12.11., 19 Uhr.
Ausstellung bis 28.11.
---
Bund 10.11.10
Informationen rund um Partydrogen
Mit dem Themenabend "Nightcare? Just Say Know" widmet sich "Rave
It Safe", ein szenennahes Präventionsprojekt von Contact-Netz
Bern, heute Abend ab 19 Uhr (Apéro) im Rössli der Reithalle
Bern, dem Phänomen des Partydrogenkonsums. In einem Vortrag, der
um 20 Uhr beginnt, zeigen die Veranstalter neue Wege auf, Konsumierende
von Partydrogen mit professionellen Angeboten zu erreichen. Ab 22 Uhr
gibt es Musik und Austauschmöglichkeiten. (reh)
---
20 Minuten 9.11.10
Künstler inszenieren einen "Problemhuufe"
Bern. Schlüpft man unter diese Holzglocke, hat man kurz Ruhe
von allen grossen und kleinen Problemen dieser Welt. Zum Motto
"Problemhuufe" stellen 18 junge Künstler aus der Schweiz,
Deutschland, Bulgarien und Polen während zwei Wochen kreative
Skulpturen, Installationen oder Malereien aus. Vernissage ist diesen
Freitag ab 19 Uhr in der Grossen Halle der Reitschule. Foto: big
---
kulturstattbern.derbund.ch 8.11.10
Von Manuel Gnos am Montag, den 8. November 2010, um 06:40 Uhr
Kulturbeutel 45/10
(...)
Frau Feuz empfiehlt:
Kommen Sie doch am Dienstagabend ins Foyer der Dampfzentrale an das
"Das Letzte Gebot". Falls Sie Krempel auf dem Estrich oder im Keller
stehen haben, oder falls im Atelier schon lange ein selbstgemaltes Bild
auf einen Käufer wartet, dann bringen Sie das mit, legen den
Startpreis fest und zum Ersten, zum Zweiten und zum Drrrritten sind sie
es los. Oder auch nicht. Mit im Angebot sind für kommenden
Dienstag ein Pass fürs Saint Ghetto-Festival (Startpreis lumpige
25 Franken) und eine Dienstagmorgen-Co-Moderation bei Radio RaBe
(Startpreis noch lumpigere 10 Franken). Im Übrigen sollten Sie am
Samstag keinesfalls die ehrwürdigen und äusserst
sympathischen Alt-Rock'n'Roller von No Means No im Dachstock verpassen.
Herr Sartorius empfiehlt:
Cédric Streuli alias Buvette stellt am Donnerstag im Rössli
sein Debüt "Houses and the Voices" vor. Und dieses ist schlicht
unwahrscheinlich superb ausgefallen. Doch ich möchte nicht
vorgreifen.
Signora Pergoletti empfiehlt:
Das Reitschulfest, denn für irgendwas haben wir ja gewonnen, oder?
Am Samstag zum Beispiel können Sie, nachdem Sie die
legendären No Means No beim Fabrizieren ihres
rekordverdächtigen Jazz-Core bewundert haben, bei den DJ-Damen
Olive Oyl und Sister Knister reinschauen, die sozusagen Tür an
Tür auflegen (Frauenraum/Tojo). Blogdisko, in dem Sinne.
(...)
---
kulturstattbern.derbund.ch 8.11.10
Von Benedikt Sartorius am Montag, den 8. November 2010, um 11:10 Uhr
"Welcome to Japanese New Music Festivaal!"
Drei Herren = sieben Projekte = ein Festival: So etwa lautete die
Gleichung, als zum Wochenausklang im Rössli die drei Herren
Tsuyama Atsushi, Yoshida Tatsuaya und Kawabata Makoto zu ihrem Japanese
New Music Festival einluden und zu dem die lustigen Drei aus dem Acid
Mothers Temple immer wieder radebrechend begrüssten. Die sieben
Projekte im Schnelldurchlauf (die Projektnamen konnten leider nicht
aufgeschnappt werden):
• Tsuyama Atsushi: Der Bassist machte den Anfang, reicherte seine
Saiten-Loops mit Kehlkopfgesängen, Blockflöte und
Schalmeigebläse an. Ommm.
• Kawabata Makoto: Der Lockenmähnegitarrist spielte und strich
sein halsloses Instrument mit Schraub-Werkzeugen, hin in höchste
Tonhöhen.
• Yoshida Tatsuaya: Der Schlagzeuger begleitete punktgenau seinen
Synthie-Sequenzer, der eine Art Splatter-Klassik-Medley ausspuckte.
Wenn Prog-Rock explodiert, dann tönt das in etwa so.
Atsushi, Tatsuaya & Makoto
Nach einer kurzen Erfrischungspause folgte die Duo-Runde, welcome!
• Atsushi & Tatsuaya: Kontaktmikros an den
Hosenreissverschlüssen ergibt süssen Lärm, jedenfalls in
Japan.
• Makoto & Atsushi: Der komische Höhepunkt des Abends. Die
beiden gaben eine Beefheart- und Dylan-Version von "Smoke on the
Water", spielten Stücke aus "Bitches Brew" mitsamt dem
verkleideten "Miles Davis from Hell", viel Wah-Wah und sehr lustig.
Die Trio-Runde:
• Die drei komplett - Instrumental: Acid Mothers TEMPLE SWR nennt sich
eine der Absplitterungen vom Mutterschiff Acid Mothers Temple. Ein
Free-Rock-Jam für die Acid-Police.
• Die drei komplett - A-Capella: Zum Schluss des Festivals sangen die
drei das vergangene Zeug mitsamt gestischem Einsatz - und ihre Musik
erschien auf dem nächsten Abstraktlevel, zum Spass.
Fazit: Das Japanese New Music Festival ist das Takeshi's Castle unter
den Musikfestivals. Oder so ähnlich.
---------------------
BOLLWERK
---------------------
Blick am Abend 9.11.10
Himmel mit Notausgängen
BOLLWERK
Nach einer kurzen Pause öffnet diesen Freitag der neue Club
Le Ciel wieder.
Der Andrang an der Eröffnung vor zwei Wochen war riesig.
Ganz Bern schien auf den neuen Club Le Ciel am Bollwerk gewartet zu
haben. Doch schon am letzten Wochenende war das Lokal wieder
geschlossen; drei Partys mussten abgesagt werden. Die Pause wegen eines
Schadens in einer Toilette nutzten die Betreiber für Anpassungen
im ganzen Club. "Aufgrund des grossen Andrangs haben wir unter anderem
die Situation bei den Notausgängen verbessert", sagt Jan Kamarys
vom Le Ciel.
Die Gebäudeversicherung wird nun die Belegungszahl für
den Betrieb festlegen. "Wir werden dann kontrollieren, ob die
Kapazitätsgrenze eingehalten wird", sagt Marc Heeb, Leiter der
Orts- und Gewerbepolizei.
Die Club-Betreiber sind mit den Behörden im Gespräch.
Den nächsten Partys, unter anderem mit Star-DJ Bob Sinclar am 19.
November, steht somit nichts im Weg. ehi
---
Blick am Abend 5.11.10
Kaum offen, schon wieder geschlossen
SCHADEN
Grosses Pech für den neuen Club Le Ciel am Bollwerk. Am
letzten Wochenende eröffnete das Lokal und jetzt ist es schon
wieder geschlossen. Ein gebrochenes Wasserrohr im 60 Jahre alten
Gebäude verursachte einen Wasserschaden. "Wir lassen uns aber
nicht unterkriegen und legen am nächsten Freitag wieder los mit
unseren Partys", sagt Jan Kamarys vom Le Ciel. Dem Auftritt des
berühmten DJs und Popstars Bob Sinclar vom 19. November steht
somit nichts im Weg. Der Run auf die Tickets dürfte sehr gross
sein. Trotz Rohrbruch beginnt der Vorverkauf heute um 22.30 Uhr im Le
Ciel. Die obere Etage ist vom Schaden nicht betroffen. ehi
---------------------
CLUBLEBEN
---------------------
Blick am Abend 11.11.10
Billig-Drinks adé
URTEIL
Bundesgericht verbietet Getränke-Einheitspreis in Clubs.
Aus für den "Schnägge-Fritig" - und alle
Discount-Drinks zu Einheitspreisen in Clubs und Bars?
Ausgangslokale dürfen nicht mehr damit werben, an gewissen
Abenden die Getränke zu einem tiefen Einheitspreis abzugeben. Laut
Bundesgericht verstossen solche Anpreisungen gegen das Werbeverbot
für billigen Schnaps. Auslöser war der St. Galler "Glow Club".
Das Lokal veranstaltete regelmässig den
"Schnägge-Fritig". Auf Plakaten und am Radio bewarb das Lokal die
Veranstaltungen mit dem Hinweis, dass jeweils am Freitag "fast alle
Getränke" für fünf Franken abgegeben würden.
Die Alkoholverwaltung hatte in den vergangenen Jahren in
Hunderten vergleichbarer Fälle bereits Bussen verhängt. SDA
------------------------
QUEERSICHT
------------------------
WoZ 11.11.10
Queerfestival
Vielfalt wird grossgeschrieben an der vierzehnten Auflage von
Queersicht, dem lesbisch-schwulen Filmfestival in Bern. Mit China und
Argentinien sowie dem Stichwort "abARTig?" setzt das Festival drei
Schwerpunkte.
Neben jüngeren internationalen Spielfilmen zeigt Queersicht
auch zahlreiche Dokumentar- und Kurzfilme. Am Samstagnachmittag findet
im Kino Cinématte eine Diskussion zum Thema "abARTig?" statt.
Das dokumentarische Roadmovie "Too Much Pussy" (Freitag) und der
Splatterfilm "L.A. Zombie" (Samstag), in denen Kunst und Pornografie
verschmelzen, setzen den kontroversen Rahmen. Ein weiterer
Höhepunkt ist der Auftritt des schwulen Jazzkünstlers Coco
Zhao aus China im Progr am Sonntag abend. Dort sorgt das ganze
Wochenende die Queersicht-Lounge für das leibliche Wohl und
für Musik. Laut und ausgelassen wird es Samstagnacht, wenn DJ
Dunch und DJ Phil Romano auflegen. jj
Queersicht in: Bern in Reitschule, Kunstmuseum, Kellerkino,
Cinématte und ABC, weitere Veranstaltungen im Progr. Do, 11.,
bis Mi, 17. November. http://www.queersicht.ch
---
Bund 11.11.10
Kino Lesbisch-schwules Filmfestival Queersicht Bern
Das Reich der grossen Schritte
Queersicht öffnet ein Programmfenster nach China - und
zeigt, wo die Queer Community heute in einem Land steht, das erst 1997
gleichgeschlechtlichen Sex entkriminalisierte.
Regula Fuchs
Es war nicht nur ein Tabu, es war schlicht unaussprechlich. Im
vormodernen China gab es keine Wörter für Homosexualität
oder gleichgeschlechtlichen Sex. In der Literatur behalf man sich mit
blumigen Wendungen wie "Gold trifft Orchidee" oder "das Glas reiben".
Und wofür es kein Wort gibt, das existiert auch nicht; so entstand
die lange Zeit vorherrschende Meinung, dass es Homosexualität in
China gar nicht gebe. Erst in den 1920er-Jahren übernahmen
chinesischen Autoren den Begriff "Homosexualität" aus dem Westen.
Und bis sich die ersten Schwulen und Lesben öffentlich outeten,
sollte es noch bis zum Ende des Jahrtausends gehen.
China - das ist einer der Länder-Schwerpunkte im
diesjährigen Programm des lesbisch-schwulen Filmfestivals
Queersicht. Mit einem Dokumentarfilm und zwei Spielfilmen öffnet
sich ein kleines Fenster auf ein Land, in dem Homosexualität erst
2001 von der Liste der anerkannten Geisteskrankheiten gestrichen wurde.
Einen Überblick über die Geschichte der Homosexualität
in China gibt der Dokumentarfilmer Cui Zi'en in "Queer China, Comrade
China" (2008). Die spröde, ganz auf die Äusserungen der
unzähligen Interviewten beschränkte Dokumentation beleuchtet
das allmähliche Hervortreten einer Minderheit vor allem seit 1997,
als das Gesetz gegen Hooliganismus abgeschafft wurde. Mit
"Hooliganismus" bezeichnete die chinesische Rechtsprechung allerdings
nicht nur gleichgeschlechtlichen Sex, sondern auch Sex mit
Minderjährigen oder erzwungenen Sex - oder überhaupt ein
Verhalten, das gemäss den Autoritäten die soziale oder
moralische Ordnung störte.
Die Rolle des chinesischen Staates in der jüngsten
Geschichte der Homosexualität ist sowieso widersprüchlich.
Während lesbisch-schwule Kulturfestivals noch bis vor wenigen
Jahren von der Polizei verboten wurden, unterstützte das
Gesundheitsministerium ab 2005 schwule Gruppierungen; der Grund war
Aids. Aber auch die Meinungen in der Bevölkerung sind offenbar
sehr geteilt: Während manche Eltern ihre homosexuellen Söhne
oder Töchter zum Heiraten zwingen, hat die junge Generation wenig
Probleme mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen.
Abnormales Verhalten
Das lange Schweigen über gleichgeschlechtliche
Sexualität in China hat seine Spuren hinterlassen: Ein junger Mann
erzählt im Film, wie er als Jugendlicher mit einem Freund
homoerotische Erfahrungen machte - und nicht wusste, wie ihm geschah.
In einem medizinischen Fachbuch fand er dann, wonach er suchte. Und
las, dass dieses Verhalten abnormal sei.
Nicht wissen, wie einem geschieht - so geht es auch den
Protagonisten in den beiden chinesischen Spielfilmen, die Queersicht im
China-Fenster zeigt. Zwei junge Mädchen treffen in "Hong Er"
(2008) aufeinander: ein kratzbürstiges Landei und eine scheue
Städterin, die ihre Ferien bei Verwandten auf dem Land verbringt.
Es ist ein pubertäres Abtasten, eine grosse Verwirrung der
Gefühle, die Regisseur Deng Yang in nüchternen, langen
Einstellungen deutlich macht. Viel expliziter ist "Amphetamine" (2010)
- kein Wunder, denn diese Produktion stammt aus dem relativ liberalen
Hongkong. In erlesenen Bildern schildert Regisseur Scud die Geschichte
eines Jungen namens Kafka, dem das Leben übel mitspielt, der
allerdings im Finanzmanager Daniel eine Art Schutzengel findet. Die
tragische Liebesgeschichte der beiden findet vor dem Hintergrund der
weltweit beginnenden Rezession statt: Während die Banken
kollabieren, wird Daniels und Kafkas Beziehung durch Drogen ruiniert.
Hier also das rurale China, dort das grossstädtische; hier scheue
Annäherungen, dort expliziter Sex; hier ein fast dokumentarisches
Filmen, dort ein Hochglanzstreifen.
Dass in China die Gegensätze und Ungleichzeitigkeiten
vielleicht noch etwas grösser sind als anderswo, machen diese
Filme augenfällig. Und das zeigt auch "Queer China, Comrade
China": Während im Jahr 2000 überhaupt zum ersten Mal im
chinesischen Fernsehen über Homosexualität gesprochen wurde
(und ein besorgter Mann im Talkshow-Publikum seine Angst kundtat, nun
würden wohl alle "gay"), gibt es wenige Jahre später bereits
Bestrebungen, die gleichgeschlechtliche Ehe im Gesetz zu verankern.
Politisch mag diese Forderung noch utopisch sein; erstaunlich ist
dennoch, was die "Tongzhi", wie sich in China die Schwulen, Lesben, Bi-
und Transsexuellen nennen, in wenigen Jahren erreicht haben. Helfend im
Hintergrund wirkte die Marktwirtschaft, die darauf abzielt, dass jeder
seine eigenen Wünsche verfolgt - so auch hinsichtlich der
sexuellen Orientierung.
Unzimperlicher Staat
Punkto gleichgeschlechtlicher Ehe ist sich die chinesische Queer
Community allerdings nicht einig: Während die einen für
Gleichberechtigung kämpfen, sehen die anderen die anerkannte Ehe
als Unterwerfung unter den Staat; eine Haltung, die wohl nur dort
entstehen kann, wo ein Staat über Jahrzehnte nicht gerade
zimperlich mit einer Minderheit umgegangen ist.
--
Queersicht 11. bis 17. November
Neben dem China-Programmschwerpunkt gibt es bei der
diesjährigen Ausgabe von Queersicht einen zu Argentinien sowie
einen zum Thema "abARTig?". Dabei geht es um den Grenzbereich zwischen
Pornografie und Kunst, und der wird anhand zweier Filme und einer
Podiumsdiskussion beleuchtet. Bruce LaBruce schickt in "L. A. Zombie",
der beim diesjährigen Filmfestival Locarno Premiere feierte, einen
ausserirdischen Zombie mit überirdischem Gemächt durch die
Strassen von Los Angeles und lässt ihn Tote zum Leben erwecken.
"Too much Pussy" dokumentiert die Tournee einer Gruppe von
Performerinnen, die mit einer Art Burlesk-Sex-Variété
durch Europa zieht. Vor allem für ein lesbisches Publikum wollen
die Frauen in ihren Shows eine andere Art von sexuellen Fantasien
zelebrieren, als in gängigen Pornos zu sehen ist.
Im Kino in der Reitschule, im Kunstmuseum, im Kellerkino und in
der Cinématte werden unzählige weitere Spiel-, Dokumentar-
und Kurzfilme gezeigt. Am Gala-Abend im Progr findet die Verleihung der
Rosa Brille statt samt Konzert des chinesischen Fusion-Jazzers Coco
Zhao. (reg)
Diverse OrteInformationen und Programm: www.queersicht.ch.
---
BZ 11.11.10
Auf eigene Gefahr
Filmfestival queersichtIst es noch Kunst? Ist es schon Porno? Das
lesbisch-schwule Berner Filmfestival Queersicht wagt sich in
Grenzbereiche vor.
"Ein Hauch von Abartigkeit" werde dem diesjährigen Festival
anhaften, heisst es im diesjährigen Programmheft. Das ist noch
milde ausgedrückt. Was im Rahmen des 14. lesbisch-schwulen
Filmfestivals Queersicht aufgeführt wird, darf getrost als
grenzwertig bezeichnet werden: menschliche Begierden, nackte Tatsachen,
ungehemmte Fleischeslust.
Einzelne Filme sind erst ab 18 Jahren freigegeben wie "L. A.
Zombie" von Bruce LaBruce. Dieses polarisierende Werk, das bereits am
diesjährigen Filmfestival Locarno Premiere feierte, handelt von
einem ausserirdischen Untoten, der durch Los Angeles streunt, um mit
männlichen Leichen Sex zu haben. Dicke Post, keine Frage. Aber
soll man gleich nach der Zensur rufen wie im australischen Melbourne?
Queersicht schlägt einen anderen Weg ein und bittet
stattdessen am Samstag zur Debatte über Lust und
Geschlechtlichkeit. An der Podiumsdiskussion "abARTig?" diskutieren
Laura Mérit, Betreiberin der Website Sexclusivitaeten.de, und
Kurt Starke, Sexualwissenschaftler, über die unscharfen Grenzen
zwischen Kunst und Pornografie. Wem das noch immer zu heftig ist, kann
am Sonntag auch nur die Verleihung des Kurzfilmpreises Rosa Brille
besuchen oder sich dem weniger verfänglichen Festivalschwerpunkt
China zuwenden, einem Land notabene, in dem Homosexualität bis vor
wenigen Jahren als Krankheit des dekadenten Westens galt.
zas
Filmfestival Queersicht: 11. bis 17. November. Vorverkauf: Olmo
Ticket, Zeughausgasse 14, Bern, und an allen
Starticket-Vorverkaufsstellen. Infos: www.queersicht.ch.
--------------------------------
KULTURK(R)AMPF
--------------------------------
kulturagenda.be
Klartext zur Situation der kleinen Kulturveranstalter ///
von Donat Blum
Wir gehören zu den Kleinen. Nicht weil wir in unseren
Kinderschuhen steckten; das lesbisch-schwule Filmfestival Queersicht
gibt es nun bereits seit 14 Jahren. Wir hatten Zeit, uns ein treues und
begeistertes Publikum aufzubauen. Jahr für Jahr kommen rund 3000
Besucherinnen und Besucher. Das Queersicht gehört dazu. Nicht weg
zu denken ist es aus der spärlichen Berner Queer-Kultur.
Schweizweit ist es bei Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern
wohlbekannt, und international für queere Filmschaffende eine
anerkannte Adresse. Für die allgemeine Berner Kulturlandschaft
sind wir ein Beweis ihrer Vielseitigkeit.
Aber wir gehören zu den ganz Kleinen, wenn es in Bern um
Kulturpolitik geht. Gerne gehen wir vergessen neben all den grossen
Brocken. Vor allem der Förderbeitrag aus öffentlicher Hand
ist klein - doch wir wollen Grosses. Und so findet sich ein engagiertes
Team zusammen, erschafft ehrenamtlich, was es sonst schlicht nicht
gäbe. Kein Grund, mich über die Höhe der
Fördergelder zu beklagen - denn wir funktionieren erstaunlich gut.
Aber ich will ins Bewusstsein rufen, was mit wenig möglich wird.
Ein kleiner Beitrag von Stadt und Kanton kann viel bewirken;
vorausgesetzt, er fällt auf fruchtbaren Boden. So entstand das
älteste lesbisch-schwule Filmfestival der Schweiz 1997 in der
Reitschule. Die Stadt und der Kanton Bern verstanden bald, mit wenig,
dafür regelmässigem Wasser aufkeimen zu lassen, was nun seit
14 Jahren blüht.
Was uns hingegen fehlt, ist das offizielle Bekenntnis hierzu. Ein
Bekenntnis mit Worten und mit Taten nicht nur zu uns, sondern zu -
gemessen an den Fördergeldern - kleinen Kulturveranstaltungen im
Allgemeinen. Jährlich bangen wir um die Unterstützung aus
öffentlicher Hand. Die für uns essenziellen Kulturstandorte
müssen immer wieder verteidigt werden (Reitschule). Durch Auflagen
werden sie viel teurer (Progr) oder kämpfen selbst um ihr
Überleben (Das andere Kino). Zusätzlich verunmöglicht
die unhaltbare Plakatierungssituation eine breite Wahrnehmung von "uns
Kleinen".
All dies kann nicht einfach mit ehrenamtlicher Arbeit wettgemacht
werden. Mit ehrenamtlicher Arbeit können sich Veranstalter wie wir
keine APG-Plakate leisten; keine Inserate in Zeitungen schalten. Mit
ehrenamtlichem Engagement allein können wir auch keine
Veranstaltungsorte bauen, unterhalten oder uns an profitorientierten
Orten einmieten. Wir brauchen nicht viel, wünschen uns aber, in
unserem Engagement nicht unnötig beschnitten zu werden. Wir
versuchen alles, um mit wenig viel zu erreichen. Genau das sollte
eigentlich auch zum Sparen genötigte Kulturpolitiker von rechts
bis links interessieren.
Damit aus Kleinem weiterhin Grosses entsteht, brauchen wir
zugängliche und günstige Veranstaltungsorte, die
Unterstützung in der öffentlichen Wahrnehmung mit besseren
Plakatierungsmöglichkeiten und nicht zwingend höhere
Fördergelder, aber eine längerfristige Zusicherungen der
finanziellen Unterstützung.
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \
Donat Blum ist Kopräsident des Filmfestivals Queersicht. Es wird
von einem 15-köpfigen OK ehrenamtlich betreut.
Mit der Rubrik Klartext öffnet die Kulturagenda eine Plattform,
auf der kulturpolitische Themen zur Diskussion gestellt werden. Die
Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Verfassern.
--------------------
LORRAINE
--------------------
BZ 6.11.10
Wie sich Bern schön macht
Grossstädtisch cool erhebt sich der grün gestylte Wohn-
und Büroblock an der Jurastrasse im Berner Lorrainequartier in den
grauen Herbsthimmel. Vor zehn Jahren war die Lorraine ein Sorgenkind,
in dem billiger, sanierungsbedürftiger Wohnraum die urbanen
A-Probleme - Ausländer, Abhängige, Arme, Arbeitslose - anzog.
Heute ist das Quartier erneuert, gesäubert - und verteuert. Die
sozialen Stresszonen haben sich verzogen - in Agglomerationsgemeinden
wie Ittigen oder Ostermundigen. svb/jszSeite 37 - 39
--
Die Veredelung des Sorgenquartiers
Seismograf Lorraine Das frühere Berner Arbeiterquartier
erlebt einen aufregenden Aufstieg von der Problem- zur Ausgehzone. In
der Lorraine zeigt sich, wie der Run in die Zentren das Gesicht und das
Innenleben der Städte verändert.
Gleich vor der Haustür des Redaktionsgebäudes, in dem
diese Zeitung entsteht, lässt sich eine wundersame Verwandlung
beobachten, die sich derzeit in vielen Städten abspielt. Die
Lorraine mausert sich vom Sorgenkind unter Berns Quartieren zum
veredelten In-Viertel.
Neubauten mit viel Glas sind entstanden. Alte Bruchbuden wurden
saniert und mit mediterranen Balkonen für höhergestellte
Bewohner verschönert. In Atelierräume zogen Juristen,
Grafiker, Werber und alternative Kleinunternehmer ein. Ein Bordell ist
einer Kindertagesstätte gewichen. In der Gastronomie hat man die
globale Wahl zwischen Inder, Chinese und Italiener. Auch nachts sind in
der Lorraine nun Menschen unterwegs.
Probleme, die mit A beginnen
Vor rund zehn Jahren hat diese Zeitung in einer der ersten
Ausgaben der "Zeitpunkt"-Seiten die Lorraine in einem
Quartierporträt mit den damals üblichen Schwarzweissfotos
unter die Lupe genommen. Der Glaspalast der Gewerbeschule am
Quartiereingang war gerade fertig gebaut. In dessen Fensterfronten
spiegelten sich baufällige Holzhäuser. Die Lorraine war noch
ein Sanierungsfall. Man sah ihr an, dass sie Berns ältestes
Arbeiterquartier ist, ab 1860 erbaut auf der damals leeren Nordseite
der Aare.
In den paar Strassenzügen, die zwischen den vierspurigen
Eisenbahnviadukt und den stark befahrenen Nordring gequetscht sind,
konzentrierten sich in den 1990er-Jahren die Problemgruppen, die einer
Stadt Kosten verursachen und die mit A beginnen: Arbeitslose,
Ausländer, Arme.
Schweizer in der Minderzahl
Wie ein Quartier tickt, erfährt man in dessen Schule. Vor
zehn Jahren hatten über die Hälfte der 200
Lorraine-Schüler eine andere Muttersprache als Deutsch. Sie
stammten aus 27 Ländern. Zu den Kindern der Arbeiterfamilien aus
Italien, Spanien und Portugal waren diejenigen von
Flüchtlingsfamilien aus Sri Lanka oder Kosovo hinzugekommen. Jeder
dritte Lorraine-Bewohner war Ausländer, ein Rekordwert in
Zentrumsnähe.
"Anfang der 1990er-Jahre gab es schwierige
Klassenzusammensetzungen mit Schweizer Homeboys und
Flüchtlingskindern aus bildungsfernen Schichten. In
Realschulklassen hatten wir manchmal nur einen oder zwei Schweizer
Schüler", erinnert sich der langjährige Schulleiter und
Oberstufenlehrer Andreas Kohler. Schon 2005 habe man ein
Integrationsmodell eingeführt, wie es jetzt der ganze Kanton Bern
tut. Alle Kinder sollten nach Möglichkeit in der Regelklasse
unterrichtet werden.
Soziale Umschichtung
Kohler ist froh um diesen "Erfahrungsvorsprung" seiner Schule.
Auch dadurch, dass Real- und Sekundarstufe in derselben Klasse vereint
sind, sei die Zusammensetzung der Klassen tragfähiger geworden.
"Wir haben wieder mehr bildungsnahe und Schweizer Kinder", sagt Kohler.
Der Anteil fremdsprachiger Kinder liegt nun nicht mehr über
50 Prozent. Übersteigt er diese Grenze, ziehen Schweizer Familien
oft weg aus einem Quartier. In der Lorraine sind es nun Kosovo-Albaner,
die wegziehen. In billigere Wohnungen nach Niederwangen an Berns
Westrand, weiss Kohler. Einst lagen billige Wohnungen mitten in der
Stadt - in der Lorraine.
Mit den Wohnadressen einer Schulklasse lässt sich eine
soziale Karte der Lorraine und ihrer Umgebung abstecken. Schweizer und
ein paar deutsche Kinder wohnen in sanierten und neuen Häusern an
den ruhigen Quartierstrassen. Kinder aus Kosovo, Sri Lanka oder der
Türkei blicken von Wohnblocks auf den Bahnstrang oder den
Nordring. Ohne Zahlen zu kennen, habe er das Gefühl, die Lorraine
sei "teurer geworden", sagt Andreas Kohler. Aus Mietwohnungen, in denen
drei Kinder lebten, seien Eigentumswohnungen von Familien mit einem
Kind geworden.
Gelände für Sanierungswelle
Die Zahlen geben Andreas Kohler recht. Laut den Statistikdiensten
der Stadt Bern ist der Ausländeranteil in der Lorraine in nur zehn
Jahren von über 30 Prozent auf den städtischen Schnitt von 22
Prozent gefallen. Allein von 2008 bis 2009 ging er in der Lorraine um 2
Prozent zurück, während er in der Stadt - vor allem durch die
Zuwanderung Deutscher - um 2 Prozent stieg. Auch die Zahl der
Sozialhilfeempfänger ist in der Lorraine 2008 auf den
städtischen Schnitt von 4,8 Prozent zurückgegangen.
"Eigentlich schien alles angelegt für die Gentrifizierung
der Lorraine", sagt der Berner Stadtsoziologe Daniel Blumer. Er nennt
das ominöse Stichwort, das erklärt, was in der Lorraine
abgeht und warum es dort abgeht. Die Wissenschaft bezeichnet damit die
Veredelung und Verteuerung zentral gelegener Stadtteile, aus denen der
untere Mittelstand vertrieben wird (siehe Text rechts). Blumer, Dozent
an der Fachhochschule Nordwestschweiz, hat den Fall der Lorraine
studiert. Er steht vor dem Quartierhof, einem heute legendären
Genossenschaftsbau aus der Lorraine-Gründerzeit. Überragt
wird er von einem bedrohlich nahen Wohnblock aus den 1970er-Jahren. "So
hätte die ganze Lorraine aussehen können", sagt Blumer.
Verschonte Lorraine-Inseln
Der Q-Hof, wie ihn alternative Insider und Bewohner nennen,
hätte einer Grossüberbauung der Post weichen sollen. Und die
Stadt Bern wollte ihre nahen, verlotterten Häuser verkaufen. Sie
hatte diese nur gekauft, um sie einem später gescheiterten
Strassenprojekt zu opfern. Das Feld schien vorbereitet für den
Kahlschlag durch Immobilienspekulanten, deren Wohnklötze man etwa
im Berner Länggassquartier besichtigen kann.
In der Lorraine kam es anders, erzählt Blumer. Die
Wirtschaftskrise am Anfang der 1980er-Jahre setzte den
Aufwertungsvorhaben ein Ende. Nach der Schliessung des Autonomen
Jugendzentrums in der Reitschule verlagerte sich die linksalternative
Szene in den Q-Hof und in die städtischen Billigwohnungen in der
hinteren Lorraine. Die rot-grüne Regierung, die 1992 in der Stadt
Bern ans Ruder kam, verkaufte die Wohnungen dann nicht, sondern gab sie
den Bewohnern und ihren Genossenschaften im Baurecht ab. "Auf dem
städtischen Land konnten gemeinnützige Bauträger
günstigen Wohnraum schaffen", sagt Blumer. Im sanft sanierten
Q-Hof etwa wurde auf Luxus verzichtet, wodurch die Miete für eine
Dreizimmerwohnung immer noch unter 1000 Franken liegt.
Diese Tiefpreisinseln wirken laut Blumer "ausgleichend auf den
Aufwertungsprozess im Quartier". Zumindest dort seien "die sozialen
Netzwerke nicht gerissen" und die eingesessenen Bewohner nicht
vertrieben worden. Allerdings sei auch in diesen Zonen das Quartier -
gemeinsam mit seinen älter gewordenen und arrivierten Bewohnern -
aufgestiegen: Aus linken Autonomen wurden Gewerkschafter und
Kleinunternehmer.
Gentrifizierung light
In der Lorraine spielt sich eine Lightversion der Gentrifizierung
ab. Das gilt laut Regula Buchmüller, der Leiterin der Abteilung
Stadtentwicklung, eigentlich für die ganze Stadt. Aber auch in
Bern drängt der Kostendruck die weniger gut Betuchten an den
Stadtrand - und immer mehr von ihnen noch weiter hinaus in die
Agglomeration (siehe Text nächste Seite).
Selbst in der Lorraine und in der nahen SBB-Überbauung
Wylerpark mit grandioser Alpensicht hat Daniel Blumer schon erste
gentrifizierte "Spots" ausgemacht, wo die Preise explodiert sind. Eine
Monatsmiete kostet dort rund 3000 und ein Haus weit über eine
Million Franken.
Stefan von Bergen
stefan.vonbergen@bernerzeitung
--
Berns Positionierung
Hauptstadt der Gemächlichkeit. Allein im Jahr 2009 explodierten
die Preise für Eigentumswohnungen im boomenden Zürich um 7,3
und am Genfersee um 11 Prozent. Im Raum Bern steigen sie laut der
Zürcher Immobilienberatungsfirma Wüest & Partner seit
einem Jahrzehnt gemächlich um jährlich 3 Prozent - auf einem
viel tieferen Preisniveau.
Hauptstadt des Mittelstands. Laut dem Bundesamt für Statistik wird
die Schweizer Bevölkerung bis 2060 von 7,8 auf 9 oder gar 11
Millionen Menschen weiterwachsen, vor allem durch Zuwanderung
qualifizierter Arbeitskräfte. Das setzt einen
Verdrängungsprozess in Gang, den der Freiburger
Volkswirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger "Zugisierung" nennt. Gut
betuchte Einwanderer treiben in den wirtschaftlichen Hotspots
Zürich, Genf-Lausanne oder Teilen der Innerschweiz die Bodenpreise
in die Höhe. Der einheimische Mittelstand muss abwandern. Zum
Beispiel ins deutlich weniger dynamische Bern.
Hauptstadt der Erschwinglichkeit. Wenn sich Bern jetzt als
Hauptstadtregion neu aufstellt, kann ihm der hier deutlich
schwächere Run auf Wohnraum helfen: Bern ist das urbane Zentrum,
wo Wohnen und die übrigen Lebenskosten noch einigermassen
erschwinglich sind. Wodurch wenigstens die Berner Steuerbelastung etwas
weniger schmerzt.svb/jsz
Das Kornhausforum Bern befasst sich mit der städtischen
Entwicklung der Schweiz: "Stadt vor Augen - Landschaft im Kopf. Eine
Ausstellung über die Verwandlung der Schweiz". 18. November bis
19. Dezember.
--------------------
RABE-INFO
--------------------
Do. 11. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_11._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2011.%20November%202010.
- Pro und Contra-Argumente zu Ausschaffungsinitiative unde dem
Gegenvorschlag
- Die Biodiversitätsdeklaration will Trendwende im Artenschutz
- Leben mit der Wahrnehmungsstörung Tinnitus
Links:
http://www.biodiversity.ch
http://www.tinnitus-liga.ch
---
Mi. 10. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_10._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2010.%20November%202010
-Strom ohne Atom - Die Stadt Bern stimmt über ihre Energiezukunft
in den nächsten Jahrzehnten ab
- Lieber nackt als im Pelz - Schweizer Tierschutz stellt Label für
pelzfreie Kleiderläden vor
- Aufbruchsstimmung bei den Gemeinschaftsradios - Engagierte Radioleute
treffen sich in Buenos Aires
Links:
http://www.tierschutz.com/pelz
---
Di. 9. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._November_2010_01.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_9._November_2010_01.mp3&song_title=RaBe-%20Info%209.%20November%202010
- Auswertung der Volksbefragung der SVP - Aktion der Jungen Gruppe
für die Schweiz
- Wahlen in Burma - Unruhen statt Demokratisierung
- Wäre ich Präsident von Burkina Faso - der erste Beitrag
unserer Reportageserie über das westafrikanische Land
Links:
http://www.wasdiesvpverheimlicht.ch
http://www.ououagadougouou.blogspot.com
---
Mo. 8. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_8._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%208.%20November%202010
- Ausschaffung konkret: Alois Stocher verfrachtet Ausländer in
Abschiebe- Container
- 40 Jahre Kellerkino: Vorreiterrolle mit Leidenschaft
Links:
http://www.olaf-schweiz.ch
http://www.kriegsentwicklungshilfe.ch
http://www.kellerkino.ch
------------------------------------------
BIG BROTHER CITY SPION
-------------------------------------------
20 Minuten 8.11.10
Detektive jagen in den Gassen Berns Ladendiebe
BERN. Das Konzept City-Spion hat grossen Erfolg: Detektive
spüren in der Innenstadt Ladendieben nach. So konnten in einem
Jahr über 700 Diebstähle aufgedeckt werden.
"Wir beobachten potenzielle Täter schon auf der Strasse und
verfolgen sie in die Läden", beschreibt Detektiv Pavel Müller
die Taktik von City-Spion. Dies scheint zu funktionieren: "Innerhalb
der letzten zwölf Monate gingen uns 732 Diebe ins Netz." Aufgrund
dieses Erfolgs stockte das Berner Einmannunternehmen Detektei
Müller auf drei Personen auf. Müller: "Jetzt können wir
die Markt- und die Spitalgasse sowie den Bahnhof abdecken." Zehn
Lebensmittel-, Elektronik- oder Kleidergeschäfte hätten sich
dem Entlarvungssystem bereits angeschlossen. Je mehr dies täten,
desto effektiver seien die Ermittlungen. Zudem sei eine Ausweitung nach
Biel geplant.
Während eines Jahres stellten die Detektive Diebesgut im
Wert von 60 000 Franken sicher. "72 Prozent der Delikte wurden von
Männern begangen", so Müller. Viele davon seien
Beschaffungskriminelle, die die Alarmsysteme der Läden
austricksten und die gestohlene Ware dann auf der Strasse verkaufen.
"Einer stahl PlayStations und X-Boxen im Wert von über 8000
Franken, ein anderer gleich 16 Jacken." Teures Fleisch sei ebenfalls
beliebt. Aber auch Frauen seien keine Lämmer: "Sie lassen vor
allem Marken-Schminkartikel oder Parfüms mitgehen."
Bigna Silberschmidt
----------------------------------
BIG BROTHER VIDEO
----------------------------------
Basler Zeitung 8.11.10
Datenschutz kommt zu kurz
Strittige Videoüberwachung
Mangelhaft. Beim Einsatz von staatlichen
Videoüberwachungskameras bestehen aus Sicht des Datenschutzes
teilweise grosse Mängel. Das zeigt eine Umfrage der BaZ unter den
kantonalen Datenschutzbeauftragten. So bestehen beispielsweise für
viele staatliche Kameras keine ausreichenden gesetzlichen Grundlagen.
Allein im Kanton Basel-Stadt wurden bis zum Antritt des neuen
Datenschutzbeauftragten im vergangenen Jahr rund 600 solcher illegaler
Kameras installiert. Während Basel immerhin über konkrete
Zahlen zu den staatlichen Videokameras verfügt, verzichtet ein
Grossteil der Kantone auf Erhebungen.
Für die Berner Nationalrätin Margret Kiener Nellen (SP)
ist der Wildwuchs bei der Videoüberwachung "höchst
unbefriedigend". Sie fordert ein Bundesgesetz zur
Videoüberwachung. Die Videoüberwachung durch staatliche
Stellen ist in der Regel Sache der Kantone. Basel-Stadt hat die
Videoüberwachung im neuen Informations- und Datenschutzgesetz
geregelt. Dieses soll gemäss Auskunft der Staatskanzlei
spätestens nächsten Juli in Kraft treten. pra >
Seite 3
--
Der Staat hat keine Kontrolle über Kameras
Die meisten kantonalen Stellen wissen nicht, wie viele
Überwachungskameras sie betreiben
Alan Cassidy, MARKUS PRAZELLER
Die Behörden setzen ungebrochen auf Videoüberwachung,
um den öffentlichen Raum zu kontrollieren. Der Datenschutz bleibt
dabei auf der Strecke.
Ob im Tram, am Bahnhof oder in der Bahnhofstrasse -
Überwachungskameras sind allgegenwärtig. Allein in
Basel-Stadt betreiben kantonale Stellen rund 1500 bewilligte Kameras,
wie aus dem neusten Bericht des kantonalen Datenschutzbeauftragten
hervorgeht. Für rund 600 dieser Kameras fehlte jedoch die
notwendige gesetzliche Grundlage.
Eine Bestandesaufnahme des neuen Basler Datenschutzbeauftragten
Beat Rudin ergab zudem: Von den 1500 Bewilligungen waren Ende 2009 500
ausgelaufen, weil die staatlichen Stellen diese nicht
verlängerten. Einzig die Kantonspolizei und die Basler
Verkehrsbetriebe hätten von sich aus eine Verlängerung
beantragt, sagt Rudin.
Kein Überblick
Pikant dabei: Basel gehört bei der Reglementierung der
Videoüberwachung noch zu den Musterkantonen. Während die
Behörden am Rheinknie zumindest eine klare Vorstellung davon
haben, wie viele Kameras im Einsatz stehen, fehlt den
Datenschutzstellen in den meisten anderen Kantonen der Überblick,
wie eine Umfrage der BaZ unter den kantonalen Datenschutzbeauftragten
zeigt. Verbindliche Zahlen konnten die meisten Kontrollstellen nicht
nennen. "Aufgrund fehlender Ressourcen bin ich dieser Frage nie
nachgegangen", schreibt etwa der Luzerner Datenschützer
Amédéo Wermelinger.
Die Kameras waren zur Kontrolle des öffentlichen Raums
gedacht. Inzwischen haben die Behörden selbst die Kontrolle
über ihre Überwachungsanlagen verloren.
Widerstand
Politisch wird der Umgang mit der Videoüberwachung höchst
unterschiedlich gehandhabt. Bestehen beispielsweise in den Kantonen
Basel-Stadt oder Schwyz Gesetzesgrundlagen für die
Videoüberwachung, fehlen diese in Baselland oder Luzern. Und wo
die Behörden versuchen, Gesetze zu schaffen, scheitern sie oftmals
am politischen Widerstand - zu emotional aufgeladen ist das Thema. In
der Stadt Bern versuchte Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) vor zwei
Wochen, ein Reglement zur Videoüberwachung einzuführen, um
gewalttätige Fussballfans zu kontrollieren. Das Stadtparlament
jedoch wies die Vorlage nach heftigen Diskussionen zurück.
Enger Rahmen
Selbst dort, wo es Gesetze gibt, genügen sie den rechtsstaatlichen
Vorgaben oft nicht. "Da die Videoüberwachung von Personen in die
Grundrechte eingreift, haben sich die Kantone an enge Vorgaben zu
halten, denen sie nicht immer gerecht werden", sagt die Freiburger
Rechtsprofessorin Astrid Epiney. So hob etwa das Bundesgericht den
Videoüberwachungsartikel auf, den sich der Kanton Zürich im
neuen Polizeigesetz gab. Begründung: Er sei zu vage formuliert.
Fehlt eine Gesetzesgrundlage auf Kantonsebene, liegt es in der
Verantwortung der Gemeinden, sich ein Reglement zu geben, wenn sie ihr
Gebiet überwachen. Vor allem diese foutieren sich jedoch um den
Datenschutz - oder sind damit schlicht überfordert. Immer wieder
müssen die kantonalen Datenschutzstellen intervenieren, weil die
gesetzliche Grundlage für eine Videoüberwachung fehlt, wie
das Beispiel aus Seedorf im Kanton Uri zeigt: Dort liess die Gemeinde
widerrechtlich zwei öffentliche WC-Häuschen filmen und wurde
deswegen vom Kanton zurückgepfiffen.
Recht auf Klarheit
Im Bundesparlament scheiterten bereits mehrere Anläufe, die
Videoüberwachung präziser zu regeln. Nationalrätin
Margret Kiener Nellen (SP, BE) fordert vom Bund ein Gesetz, das alle
Kantone auf die gleichen Standards verpflichtet. "Die Bürger haben
ein Anrecht darauf, zu wissen, wo und wann sie gefilmt werden", sagt
Kiener Nellen. Zwar hat der Bundesrat die Kantone schon in seinem
Bericht zur Videoüberwachung im Jahr 2007 aufgefordert,
Gesetzeslücken "verfassungskonform" zu schliessen. Geändert
hat sich seither in vielen Kantonen nichts - ausser die Zahl der
Überwachungskameras. Sie nimmt weiter zu.
---
Sonntag 7.11.10
Kameras ersetzen Grenzwächter
Eine geheim gehaltene Anzahl Kameras überwacht die
Landesgrenze - Hinweise lieferten sie beim Casino-Raub
VON ANDREAS MAURER (Texte und Bilder)
Auf Schmugglerwegen entlang der Grenze herrschte einst
Hochbetrieb. Heute fahren Kriminelle im Zug ein.
Früher hat die Grenzwache dafür gesorgt, dass Grenzwege
ständig gehegt und gepflegt wurden. Mit Schäferhunden
patrouillierten Grenzwächter regelmässig auf diesen
Fussgängerpfaden entlang der Grenze. Ein sehr beliebter
Schmugglerweg war jener, der auf dem Foto rechts eine Strasse im Basler
St.Johann-Quartier kreuzt. Der Weg führt entlang der
Zollfreistrasse zum Flughafen. Er erlangte aber nicht wegen des
Flughafens seine Beliebtheit bei Schmugglern, sondern weil sie sich
darauf auch nachts leicht orientieren konnten. "Ihre Auftraggeber
sagten ihnen: ‹Folgt einfach dem Zaun›", berichtet Grenzwachtsprecher
Patrick Gantenbein. Der Grenzweg bot sich auch wegen einer rechtlichen
Besonderheit an: Erst wer den Zollfreiweg verlässt, tritt mit
seiner Ware ins Land ein. Der Schmugglerweg führt daher
gewissermassen durch Niemandsland. Schmuggler folgten dem Weg oft bis
zu einer Brücke, von der sie ihre Ware Komplizen zuwarfen.
Die dunklen Geschäfte, die sich auf den Grenzwegen
abspielten, wechselten mit der Zeit: Statt Schmuggler schlichen
illegale Migranten darauf. "Heute hat sich dies wieder verlagert:
Illegale Migranten oder gesuchte Personen reisen heute auch mit den
öffentlichen Verkehrsmitteln ein", weiss Gantenbein. Mit der
Öffnung der Grenzübergänge haben die Schleichwege ihre
Bedeutung verloren. Viele Grenzwege wachsen zu oder werden
überbaut. Kriminelle sind dadurch teilweise mit grösseren
Hindernissen konfrontiert als früher. "Ein Brombeergestrüpp
hat manchmal mehr Wirkung als ein Grenzwächter", bemerkt
Gantenbein.
Noch heute werden aber viele Grenzwege rund um die Uhr bewacht.
Statt Grenzwächter aus Fleisch und Blut liegen elektronische
Wächter auf der Lauer. Die Zahl der Kameras hütet der
Grenzwachtsprecher als Geheimnis. Obwohl die Schleichwege entlang der
Grenze ihre Anziehungskraft für Kriminelle verloren haben, sind
die schwarzen Augen für die Grenzwache immer noch hilfreich. Die
auf dem Foto abgebildete Kamera habe Hinweise für die Ermittlungen
des Casino-Überfalls geliefert. Mehr verrät Gantenbein nicht,
da der Fall noch nicht abgeschlossen ist.
Radikal verändert hat sich auch der Alltag der
Grenzwächter in den letzten dreissig Jahren. "Den Beruf, den ich
1977 gelernt habe, gibt es nicht mehr", sagt Grenzwächter Ernst
Walthard. Anfangs patrouillierte er in der Regel alleine. Auch
über Funk war er nicht mit seinen Kollegen verbunden. "Man
fühlte sich manchmal einsam: Oft stand ich stundenlang an einem
Waldrand, wartete und beobachtete - und das bei jedem Wetter", erinnert
er sich. Das brauchte Mut. Auch wenn Walthard auf verdächtige
Gestalten in Überzahl traf, stellte er sich ihnen alleine in den
Weg. Dabei wurde er nie verletzt. Er verrät den Trick: "Man muss
mit seinem Auftreten Autorität ausstrahlen." Ob der Beruf des
Grenzwächters heute besser oder schlechter als früher ist,
sagt Walthard nicht. "Heute ist er vielseitiger."
Zu einem Praxiswechsel waren die Grenzwächter in der
RAF-Zeit gezwungen. In der Region Basel wurden damals mehrere
Grenzwächter angeschossen und verletzt. Seither sind
Grenzwächter nie mehr alleine im Dienst.
--
Falsches Dreiländereck
Das Dreiländereck (Bild links) ist eine Täuschung. Es
gibt vor, auf der Landesgrenze zu stehen. Deshalb hüpfen Kinder um
den Turm im Glauben, von Land zu Land zu springen. Und Touristen
fotografieren sich, wie sie gleichzeitig in der Schweiz, in Deutschland
und Frankreich stehen. Dabei liegt das symbolische Dreiländereck
vollständig auf Schweizer Boden. In Wirklichkeit treffen sich die
Landesgrenzen mitten im Rhein. Das Dreiländereck müsste
eigentlich im Wasser stehen - und etwas weiter nördlich. Die
französisch-schweizerische Grenze verläuft in der Rheinmitte
- aber nicht exakt in der Mitte, sondern entlang der tiefsten Stelle im
Flussbett. Dadurch verschiebt sich die Landesgrenze im Rhein über
die Jahre um einige Meter. Für die Rheinschiffe spielt dies keine
Rolle: Von Rotterdam bis zur Mittleren Brücke ist der Rhein
internationales Gewässer. Legt ein Schiff von Rotterdam bis Basel
nie an, muss es seine Ware nicht verzollen. Wäre der Rhein kein
internationales Gewässer, müssten die Rheinschiffer sogar den
eigenen Treibstoff verzollen. Das käme teuer. Ein grosses
Rheinschiff frisst pro Stunde 200 bis 400 Liter Treibstoff.
Zeichen weggemeisselt
Das F ist auf den meisten Grenzsteinen der Landesgrenze zum
Elsass kaum erkennbar (Bild oben). Das ist eine Folge der bewegten
Geschichte des Elsasses: Es gehörte abwechselnd zu Frankreich und
Deutschland. Die aktuellen Besitzer griffen jeweils zum Meissel und
hauten ihr eigenes Landeszeichen in den Stein. Nach dem Wiener Kongress
1815 schlugen die Franzosen einen Kreis für die Bourbonen-Linien
mit einem F in der Mitte in die Steine. Als die Deutschen das Elsass
1870 im Deutsch-Französischen Krieg eroberten, ersetzten sie die
französischen Zeichen mit einem D. Mit dem Ersten Weltkrieg kamen
nicht nur französische Soldaten, sondern auch französische
Steinhauer zurück. Wieder meisselten sie ihr Landeszeichen in
jeden elsässischen Grenzstein. Dass das Elsass während des
Zweiten Weltkriegs erneut von den Deutschen vorübergehend
annektiert wurde, hatte allerdings keine Konsequenzen für die
Grenzsteine. Hitler kam nicht dazu, sich um sie zu kümmern.
Diebe auf Judengässli
Auf dem Foto oben steht der Basler Grenzwächter Ernst
Walthard auf dem Judengässli des Allschwiler Rosenbergs. Durch
diese Gasse flüchteten im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Juden in
die Schweiz. "Heute erwischen wir auf diesem Weg manchmal Leute ohne
festen Wohnsitz", sagt er. Der Weg eigne sich für Diebe: "Wer
etwas gestohlen hat, ist hier schnell wieder weg." (öpf)
---
Bund 6.11.10
Nause befürchtet "unüberlegte Schachzüge"
Das angekündigte Referendum zum Videoreglement der Stadt
Bern eckt beim Sicherheitsdirektor an.
Christian Brönnimann
Nach dem Ja zum Videoreglement ist vor dem Ja zum Videoreglement.
Das von der FDP angekündigte konstruktive Referendum könnte
den Einsatz von Überwachungskameras um rund ein Jahr
verzögern oder ganz verhindern. "Ich hoffe, dass die nun
geschaffene Rechtsgrundlage nicht noch durch unüberlegte
Schachzüge gefährdet wird", sagt Sicherheitsdirektor Reto
Nause (CVP). "Ein Referendum bringt nur neue Unsicherheiten und
Verzögerungen." Nause wäre derzeit zufrieden mit der am
Donnerstag vom Stadtrat beschlossenen Lösung, gemäss welcher
das Parlament und nicht der Gemeinderat über die Kamerastandorte
entscheiden kann. "Das Risiko, am Schluss mit leeren Händen
dazustehen, möchte ich nicht eingehen."
Anders die FDP. Weil sie darauf besteht, dass nicht jede Kamera
vom Stadtrat abgesegnet werden muss, will sie das konstruktive
Referendum ergreifen. Fraktionspräsident Bernhard Eicher
bekräftigte gestern auf Anfrage, dass es seiner Partei ernst sei.
Zweifaches Nein möglich
Die FDP hat nun 60 Tage Zeit, 1500 Unterschriften für das
Referendum zu sammeln. Gelingt dies, gibt es in den nächsten zehn
Monaten eine Abstimmung, in welcher dem Volk zwei Varianten des
Reglements vorgelegt werden - einmal mit dem Stadtrat und einmal mit
dem Gemeinderat als Entscheidungsinstanz. Dabei sind auch zwei
Volks-Nein möglich - die Videoüberwachung im
öffentlichen Raum wäre in der Stadt Bern wieder ganz vom
Tisch.
"Wir sind überzeugt, eine Mehrheit dafür zu finden",
sagt Eicher. Das Risiko eines doppelten Neins und die Verzögerung
um ein Jahr seien in Kauf zu nehmen. "Wichtiger ist, dass wir am
Schluss ein griffiges Reglement haben." Zudem gehe er davon aus, dass
es so oder so eine Volksabstimmung geben werde. Auch von der
linksalternativen Seite, die das Reglement ganz verhindern wolle, sei
nämlich ein Referendum zu erwarten. Ein eigenes Referendum sei
eine Option, die derzeit diskutiert werde, sagt Juso-Stadträtin
Tanja Walliser.
SVP hilft sehr wahrscheinlich mit
Unterstützung bei der Unterschriftensammlung erhält die
FDP "sehr wahrscheinlich" von der SVP, wie deren
Fraktionspräsident Rudolf Jakob sagt. Der definitive Entscheid
falle Anfang nächster Woche. "Bleibt der Stadtrat für die
Kamerastandorte zuständig, birgt dies immer auch ein Risiko,
nämlich dass nirgendwo Kameras aufgestellt werden können."
Die BDP, welche die FDP laut Eicher ebenfalls an Bord holen
möchte, wird sich "nach heutigem Stand nicht" am Referendum
beteiligen, wie Co-Fraktionspräsident Kurt Hirsbrunner sagt.
FDP und SVP haben zusammen mit der CVP bereits zur Revision des
Schulreglements ein konstruktives Referendum zustande gebracht. Die
Abstimmung dazu findet in drei Wochen statt. Gelingt es ihnen erneut,
heisst es für Reto Nause abwarten. "Die Arbeiten wären
mindestens ein Jahr blockiert", sagt er. "Ich werde sicher nicht die
Verwaltung mit dem Kameraeinsatz beschäftigen, solange nicht klar
ist, ob die Rechtsgrundlage dafür kommt oder nicht."
---
Telebärn 5.11.10
Nause im Disput mit der FDP
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/nause-im-disput-mit-der-fdp/c=84713&s=1067639
---
Schweiz Aktuell 5.11.10
Videoüberwachung in Bern
Im zweiten Anlauf hat der Berner Stadtrat das umstrittene
Videoüberwachungs-Reglement angenommen. Wo überall
Videokameras installiert werden sollen, bestimmt das Parlament. Als
erstes sollen Fussballfans auf dem Weg vom Bahnhof zum Stade de Suisse
überwacht werden.
http://videoportal.sf.tv/video?id=e9ab59e6-1bd6-45e1-bded-755d5e167f48
-----------------------------
RANDSTAND BE
-----------------------------
BZ 6.11.10
Keine Angst vor Berns Abhängigen
Podium Fachpersonen diskutierten über die Sicherheit im
öffentlichen Raum. Sie waren sich einig, dass Randständige
das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung kaum mehr beeinflussen.
Die Anwesenden zeigten sich sehr zufrieden mit dem, was Contact
Netz in den letzten Jahren bewirkt hat. Offene, grössere
Drogenszenen wie am Kocherpark gehörten heute der Vergangenheit
an, so der Tenor an einem Podium an der Jahresversammlung von Contact
Netz. Fachleute aus dem Sucht- und Sozialbereich der grossen
Städte im Kanton Bern diskutierten über Randständige und
deren Einfluss auf die Sicherheit im öffentlichen Raum.
Breite Einigkeit: Drogensüchtige und Obdachlose stören
heute weder in Bern, Thun, Biel, Langenthal noch Burgdorf das
Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. Der Geschäftsleiter von
Contact Netz, Jakob Huber, brachte es auf den Punkt:
"Randständigkeit ist heute ein ästhetisches Problem." Nur
wenige würden sich noch davor fürchten.
Die Probleme gingen vielmehr von alkoholisierten, gewaltbereiten
jungen Erwachsenen aus. Die Schläger von München oder von der
Postgasse in den Jahren 2009 respektive 2003 sind es, die vielen Sorgen
bereiten.
Zurück zur Dorfpolizei?
Die anschliessende Diskussion mit dem Publikum über zu
ergreifende Massnahmen brachte wenig Neues: Viele Stimmen forderten,
den öffentlichen Raum für alle Nutzer baulich attraktiv
umzugestalten. Viel zu teuer, wandte der Langenthaler Gemeinderat Reto
Müller (SP) ein. Dafür fehle schlicht das Geld.
Andere schlugen vor, Ordnungskräfte in den Quartieren
einzuführen. Auf kleinem Raum sei es viel einfacher, bei den
fehlbaren Personen etwas zu bewirken, lautete das Credo.
Dorfpolizisten? Das hatten wir doch schon … "Was sollen denn
Quartierpolizisten in der Berner Aarbergergasse bewirken?", fragte die
Leiterin der Stadtberner Fachstelle Drogenkoordination Regula
Müller in die Runde. Sie wandte ein, dass das Publikum im
Stadtzentrum viel zu heterogen sei, als dass man sich kennen
würde. Auf ihre Frage erhielt sie keine brauchbare Antwort.
Daniel Fuchs
------------------------------
RANDSTAND BS
------------------------------
Basler Zeitung 8.11.10
Der Kreislauf muss durchbrochen werden
Die Bedürfnisse der Randständigen sollen in der
Stadtplanung stärker berücksichtigt werden
Simon jäggi
Wohin mit Randständigen im öffentlichen Raum?
Stadtentwickler, Gassenarbeiter, Polizei und Betroffene diskutierten
über Ursachen und Lösungen des Nutzungskonflikts.
Für Randständige wird der nutzbare Raum im Kleinbasel
zunehmend knapper. Grund sind unter anderem die fortschreitende
Aufwertung des Quartiers und die verstärkte Freizeitnutzung des
öffentlichen Raumes. Damit die Randständigen nicht weiter
verdrängt werden, fordern deren Anlaufstellen mehr Mitsprache in
der Planung. Die Diskussion und Führung am vergangenen Donnerstag
wurden vom SP-Quartierverein Clara-Wettstein-Hirzbrunnen organisiert.
Rund 30 Personen folgten Claudia Pleuss auf den Rundgang durch
das untere Kleinbasel. Die Leiterin des Treffpunkts Glaibasel, einer
Anlaufstelle für Randständige und Obdachlose, führte die
Menge vom Claraplatz über die Claramatte durch die Klybeckstrasse
zu ihrem Arbeitsplatz an der Feldbergstrasse - Orte, die von vielen
Randständigen als Aufenthaltsraum genutzt werden. An der
anschliessenden Diskussionsrunde beteiligten sich unter anderen Peter
Gautschi, stellvertretender Leiter Kantons- und Stadtentwicklung, Ray
Knecht, Mitarbeiter des Vereins für Gassenarbeit Schwarzer Peter,
und Rudolf Koehlin vom Bereich Community Policing Kleinbasel der
Stadtpolizei.
Ballungszentren
Einigkeit bestand über die Entwicklung der Problematik. "Durch die
rasche Veränderung und breite Nutzung des öffentlichen Raums
nimmt die Brisanz zu", sagt Knecht. Auch Gautschi spricht von einer
"Verdichtungstendenz". Koehlin beobachtet eine Entstehung von
"Ballungszentren". Für Claudia Pleuss ist diese Entwicklung Folge
der bisherigen Politik. "In den vergangenen Jahren fand ein Kreislauf
des Verdrängens statt." Probleme seien nicht gelöst, sondern
verlagert worden.
Auch über die Chancen und Vorteile, die Randständige
dem öffentlichen Raum bringen, zeigten sich die Anwesenden einig.
Claudia Pleuss vom Quartiertreffpunkt bezeichnet die Claramatte als
Vorzeigebeispiel für ein erfolgreiches Nebeneinander. Koehlin lobt
das Engagement der Obdachlosen am Theodorsgraben. Und auch
Stadtentwickler Gautschi sagt, man müsse das Thema "nicht
unbedingt zwingend nur problematisieren".
In Zukunft soll sich dennoch einiges ändern. "Die
Stadtentwicklung muss uns als Basis in Entscheidungen miteinbeziehen,
nur dann ist eine positive Entwicklung möglich", fordert eine
anwesende Mitarbeiterin des Vereins für Gassenarbeit. "Es wurde
bisher an den Betroffenen vorbeigeplant", sagt auch Pleuss. Es fehle an
Unterständen für Randständige, an geeigneten
Plätzen und ohnehin an Wohnraum.
Die Absprache sei in der Vergangenheit nicht immer gut gelaufen,
sagt Stadtentwickler Gautschi. "Wir müssen daraus lernen und die
Zusammenarbeit verbessern." Die neue Verfassung ermögliche ein
vereinfachtes Mitwirkungsverfahren für die Bevölkerung. "Wir
stehen noch am Anfang einer neuen Entwicklung", sagt Gautschi.
Vernetzung
Auch unter den Anlaufstellen wird der Austausch verstärkt.
Regelmässige Sitzungen sollen die Vernetzung verbessern. "Wir
wollen in Zukunft am selben Strick ziehen. Schliesslich kämpfen
wir alle an derselben Front." Die aktuellen Bestrebungen sieht sie als
Anfang einer neuen Entwicklung. "Es bewegt sich etwas, ich hoffe in die
richtige Richtung."
---------------------------------
SAUBERES T(H)UN
----------------------------------
Thuner Tagblatt 10.11.10
Polizei musste in der Thuner Altstadt 537 Mal einschreiten
Thun Der Gemeinderat zieht eine erste Bilanz: Die Massnahmen
gegen Nachtlärm in der Innenstadt nützen - und sollen
beibehalten werden.
Mehr Polizeipräsenz, ein ausgebauter Sicherheitsdienst,
Massnahmen gegen die Verschmutzung: So geht der Thuner Gemeinderat seit
dem Frühjahr gegen die Auswüchse des Nachtlebens in der
Innenstadt vor. Gestern zog er vor den Medien Bilanz. Behörden,
Polizei und Anwohner sind sich einig: Die Situation hat sich
verbessert. Die Polizei leistete in den Wochenend-Nächten von
April bis Ende Oktober 600 Mannsstunden in der Altstadt. Dabei griff
sie 537 Mal ein - vor allem, weil Nachtschwärmer zu laut waren.
Gemeinderat Peter Siegenthaler will die Massnahmen beibehalten. Polizei
und Anwohner schlagen vor, den Ordnungsdienst auszuweiten. mikSeite 2/3
--
Schwerpunktthema - Sicherheit und Ruhe in der thuner
altstadt
Bilanz positiv - Siegenthaler will die Massnahmen beibehalten
Im Frühling schnürte der Thuner Gemeinderat ein
Massnahmenpaket, um gegen Lärm und Vandalismus in der Innenstadt
vorzugehen. Jetzt zieht er Bilanz: Die Polizei leistete 600 Stunden und
schritt bei 537 Vorfällen ein. Die Situation hat sich laut Stadt
und Anwohnern verbessert. Die Massnahmen sollen beibehalten werden.
Die negativen Auswüchse des Nachtlebens in der Innenstadt
eindämmen: Das war das erklärte Ziel, als der Thuner
Gemeinderat im Frühling Massnahmen für mehr Sicherheit und
Ruhe präsentierte. Damit griff er nicht zuletzt Anliegen der
Anwohner und Geschäftsleute in der Altstadt auf. Jetzt zieht er
eine erste Bilanz. "Wir sind auf einem guten Weg", sagt
Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler (SP). Nicht alles habe
hingehauen - aber im Grossen und Ganzen seien sich Stadt, Polizei und
Anwohner einig, dass sich die Situation verbessert hat (siehe auch
Reaktionen auf Seite 3).
Die Polizei griff 537 Mal ein
Die Auswertung der Massnahmen hat die Direktion Sicherheit mit
den beteiligten Partnern - unter anderen Altstadt-Stamm,
Innenstadt-Genossenschaft IGT, Komitee "Thun rockt",
Regierungsstatthalter und Strasseninspektor - vorgenommen. Die
Ergebnisse im Überblick:
Vermehrte Polizeipräsenz: Die Kantonspolizei war seit der
Einführung der Massnahmen am 1. April bis am 31. Oktober in den
Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag rund
600 Mannsstunden in der Innenstadt präsent - und zwar mit
uniformierten Patrouillen. "Aus meiner Sicht haben wir dadurch eine
gewisse Beruhigung erreicht", lautet das Fazit von Hermann Jutzi, Chef
Polizei Thun. 537 Mal griffen die Gesetzeshüter ein. In den
allermeisten Fällen (378) mussten Nachtschwärmer aufgefordert
werden, weniger laut zu sein (siehe Tabelle links). Vergleichszahlen
fehlen laut Jutzi, da die Vorfälle bisher weder in der Innenstadt
noch anderswo gebietsweise statistisch erfasst wurden. Es sei aber
klar, dass die Polizei wesentlich häufiger eingegriffen habe, als
zuvor, betont der Chef Polizei Thun.
Ordnungsdienst: Gegenüber den Vorjahren wurde eine zweite
Doppelpatrouille mit Hund eingesetzt. Gewerbeinspektor Reto Keller
wertete die Rapporte aus - Fehlbare wurden ermahnt oder angezeigt.
Keller sprach 27 schriftliche Verwarnungen aus und bestellte 111
Personen zum Gespräch. 86 der 138 Vorfälle betrafen das
Urinieren im Freien, 20 Nachtruhestörungen. "Idioten wurden
vorgeladen, aber es kamen Menschen", stellte Keller fest. In der
grossen Mehrzahl der Fälle sei denn auch übermässiger
Alkoholkonsum der Auslöser für die Übertretungen
gewesen. Weiter seien Leute überführt worden, die Abfall im
Bereich der Mühlepassage illegal deponiert hätten. Die Anzahl
Meldungen der Sicherheitsleute ging zuletzt um etwa einen Drittel
zurück. Der Ordnungsdienst kontrollierte auch die Parkverbote -
und büsste fehlbare Autolenker. Laut Erwin Rohrbach, Leiter der
Abteilung Sicherheit, wurden pro Nacht, in der kontrolliert wurde, in
der Innenstadt zwischen 15 und 60 Bussen verteilt.
Sauberkeit: In der Unteren Hauptgasse wurden drei neue
Abfallbehälter aufgestellt, was laut Tiefbauamt zu weniger
Verschmutzungen führte. Der Versuch, am Aareufer beim
Mühleplatz das Abfallproblem mit einer intensiven Bewirtung
einzudämmen, blieb jedoch wirkungslos.
Videoüberwachung: Nachdem sie von der Abteilung Sicherheit
nicht wie vorgesehen vorangetrieben worden war, intervenierte Peter
Siegenthaler (wir berichteten). Jetzt ist das Gesuch beim Kanton. Zudem
laufen Gespräche mit den Grundeigentümern der geplanten
Video-Standorte.
Weitere Massnahmen: Eine Plakataktion sowie Medienaufrufe zu mehr
Rücksicht und Toleranz stützten die anderen Massnahmen. Ein
Erfolg sei aber kaum messbar. Nicht gelungen ist es, zudem eine
Interessengemeinschaft der Wirte zu gründen - analog etwa dem in
Thun existierenden Taxirat.
"Massnahmen beibehalten"
Für Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler ist klar, dass
die Massnahmen beibehalten werden sollen. Die verstärkte
Polizeipräsenz an den Wochenenden in der Innenstadt wird ohne
Unterbruch weitergeführt. Sowohl Anwohner wie auch Polizei
empfehlen zudem, den Ordnungsdienst neu übers ganze Jahr
einzusetzen. Die Bruttokosten betragen rund 210 000 Franken; 41 000
Franken übernehmen die Wirte. "Das wird nun diskutiert,
entscheiden wird der Gemeinderat", sagt Siegenthaler. Geprüft
würden zudem unkonventionelle Massnahmen: So sollen Personen, die
am Aareufer Abfall illegal entsorgen, ihren Dreck unter Aufsicht selber
wieder beseitigen müssen.
Michael Gurtner
--
Anwohner, Altstadt-Stamm und IGT sind sich einig: "Situation hat sich
verbessert"
ReaktionenIn einem Punkt sind sich alle Direktbetroffenen in der
Thuner Innenstadt einig: Die Situation hat sich dank den Massnahmen der
Stadt verbessert. Beim "Wie weiter?" gehen die Vorstellungen dagegen
auseinander.
"Es ist klar, dass es zwischendurch immer noch schlimme
Nächte gibt, aber es sind weitaus weniger geworden als
früher." Das sagt eine, die es wissen muss: Regula Saameli,
Koordinatorin des Thuner Altstadt-Stammes und Unterschriftensammlerin
der Petition "Für eine wohnlichere Altstadt", die im Dezember 2009
eingereicht wurde. Saameli findet auch, dass sich der Kontakt zur Stadt
verbessert hat: "Unsere Anliegen werden ernst genommen. Und falls
Nachtschwärmer doch einmal negativ auffallen, reagiert die Stadt
rasch und konsequent." Sie begrüsst es, dass die im März
beschlossenen Massnahmen nun fortgeführt werden (vgl. Haupttext).
Schlosstreppe als Toilette
In einer ähnlichen Gefühlslage befindet sich auch
Anwohner Emanuel Peter, der am Rathausplatz zwischenzeitlich ein
nächtliches Lärmprotokoll führte. "Hie und da gibt es
zwischen 2 und 3 Uhr morgens immer noch Zwischenfälle. Ihre Zahl
hat aber spürbar abgenommen", meint Peter, der ebenso von einer
Verbesserung spricht. Schlimm präsentiere sich die Situation
dagegen nach wie vor bei der Schlosstreppe, die "zu einer
öffentlichen Toilette geworden ist". Peter glaubt, dass eine Lampe
hier womöglich Abhilfe schaffen würde. Der Anwohner freut
sich indes, dass die Stadt die vermehrte Polizeipräsenz und den
Ordnungsdienst beibehalten will. "Nun bleibt zu hoffen, dass das Gesuch
des Lokals ‹Saint Trop› für eine generelle Überzeit bis 5 Uhr
nicht bewilligt wird", sagt Peter.
Der Präsident der Innenstadt-Genossenschaft Thun (IGT),
Patrick Aeschbacher, findet vor allem die Vorladungen von fehlbaren
Nachtschwärmern vor das Gewerbeinspektorat eine gute Sache: "Das
regt gewisse Zeitgenossen sicher zum Nachdenken über ihre Taten
an", meint er. Obwohl es noch Potenzial gebe, hat auch Aeschbacher eine
Beruhigung der Situation festgestellt. Mit der geplanten
Videoüberwachung werde sich die Situation vermutlich weiter
entspannen. "Wichtig ist jetzt einfach, dass die Stadt unbedingt
dranbleibt", mahnt der IGT-Präsident.
"Jugendliche aggressiver"
Ein bislang uneinheitliches Bild hat Jeannette Hänni,
Betreiberin des Lokals "Funkhouse" direkt beim Rathausplatz, erlebt.
"Es gibt neu sehr ruhige Nächte, aber auch weiterhin solche mit
viel Gejohle", erzählt Hänni. Kürzlich habe ein junges
Mädchen, das nicht im Lokal drinnen gewesen sei, vor dem Eingang
einen Riesenlärm gemacht. Als der hauseigene Security-Mann das
junge Mädchen auf Anraten Hännis beruhigen wollte, sei dieses
nur noch lauter geworden. "Am nächsten Tag heisst es dann jeweils,
das ‹Funkhouse› habe seine Gäste nicht im Griff", ärgert sich
Hänni. Einige Kunden hätten ihr bereits gesagt, dass sie den
Ausgang in der Innenstadt wegen der neuen restriktiven Politik generell
meiden. "Es ist zwar ruhiger geworden, aber die Jugendlichen
fühlen sich durch die Massnahmen auch provoziert und treten daher
tendenziell aggressiver auf", meint Hänni.
Neven Lanz, Besitzer des Nachtclubs "Saint Trop", teilt den
Eindruck, dass sich die Situation rund um Nachtlärm und
Vandalismus im letzten halben Jahr verbessert hat. "Es wurden ja auch
einige lärmintensive Anlässe abgeschafft", gibt Lanz zu
bedenken. Dass die Stadt die Massnahmen konsequent weiterführen
will, begrüsst Lanz. Er meint aber auch: "Eine noch härtere
Gangart wäre verfehlt. Sonst können wir bald einmal einen
Stacheldraht um die Innenstadt ziehen."
Gabriel Berger
--
Am Ball bleiben!
Michael Gurtner
Der Anfang ist gemacht. Die Stadt Thun schaut nicht weg: Wohnen,
Arbeiten und Vergnügen sollen in der Innenstadt endlich wieder
besser nebeneinander möglich sein - mit entsprechenden Massnahmen
gegen Unverbesserliche, die im Ausgang keinerlei Rücksicht nehmen.
Auch wenn die Idealsituation ewig Utopie bleiben dürfte: Stadt und
Anwohner sind sich einig, dass die im Frühling präsentierten
Massnahmen ihre Wirkung nicht verfehlen. Gegen Randalierer und
Lärmer helfen halt gut gemeinte Plakate und Aufrufe wenig bis gar
nichts. Zur Räson bringt sie leider allzu oft nur die
verstärkte Präsenz von Polizei und Ordnungsdiensten. Auch der
Einsatz von Videoüberwachung an neuralgischen Punkten dürfte
eine präventive Wirkung haben - und mithelfen,
Übeltäter zu überführen. Und: Wer nichts auf dem
Kerbholz hat, der muss von den Kameras auch nichts befürchten.
Jetzt heisst es für alle Beteiligten: Am Ball bleiben! Die
Massnahmen müssen aufrechterhalten werden, die Securitas-Leute das
ganze Jahr über unterwegs sein, die Videokameras installiert und
die Erfahrungen damit eingehend analysiert werden.
Im Übrigen haben es die Nachtschwärmer zu einem grossen
Teil selber in der Hand, ob das Angebot für sie in der Innenstadt
auf längere Sicht erhalten bleibt. Denn mit entsprechender
Rücksichtnahme soll und muss es Platz für alle haben - egal,
ob Anwohner, Geschäftstreibende oder Nachtschwärmer. Der
Anfang ist gemacht.
Michael Gurtner ist Redaktor.
---
Bund 10.11.10
Polizeipräsenz zur Nachtzeit bringt mehr Ruhe in die Altstadt
Für laute Nachtschwärmer sind in Thun andere Zeiten
angebrochen.
Mireille Guggenbühler
Von Anfang April bis Ende Oktober hat sich die Kantonspolizei
vermehrt präsent gezeigt in der Thuner Innenstadt. Während 60
Nächten und insgesamt 600 Stunden haben Polizeibeamte Präsenz
markiert. Mit offensichtlichem Erfolg: Die erhöhte
Polizeipräsenz habe zu einer Beruhigung der Situation in der
Altstadt geführt. Das zumindest hat an der gestrigen
Medienkonferenz Gemeinderat und Sicherheitsdirektor Peter Siegenthaler
(SP) festgehalten. Es gibt laut Siegenthaler weniger Lärm, weniger
Verunreinigungen, weniger Vandalismus. Die erhöhte
Polizeipräsenz ist allerdings nur ein Teil eines ganzen
Massnahmenpakets, das der Gemeinderat im Frühling dieses Jahres
geschnürt hat. Nach sieben Monaten erfolgt nun die Auswertung. In
diese einbezogen worden sind nebst der städtischen
Sicherheitsabteilung und der Polizei unter anderem auch die
Innenstadtgenossenschaft und der Altstadt-Stamm.
Die Kantonspolizei hat ihre präventiven
Präsenzeinsätze in der Innenstadt statistisch ausgewertet:
Zwischen April und Oktober ist es zu 537 Vorfällen gekommen, bei
denen die Polizei eingreifen musste. Dabei hat sie die nächtlichen
Innenstadtbesucher mehrheitlich zur Ruhe mahnen und entsprechend
verwarnen müssen - nämlich in 378 Fällen.
Vergleichsweise bescheiden nehmen sich Ahndungen wegen Missachtung von
Fahr- und Parkverboten, wegen Sachbeschädigungen, Urinieren,
Erbrechen, unanständigem Benehmen, Fahren in angetrunkenem Zustand
oder unter Drogen aus. Allerdings fehlen Vergleichszahlen zu den
Vorjahren, weil die Polizei ihre Eingriffe erst ab diesem Jahr
systematisch erfasst hat.
Für die lauten und lustigen Nachtschwärmer weht in Thun
seit dem Frühling aber nicht nur wegen der erhöhten
Polizeipräsenz ein schärferer Wind. Wer sich nämlich in
der Innenstadt nicht korrekt verhalten hat, musste zu einem
Gespräch mit dem Gewerbeinspektor oder seiner Stellvertreterin
antraben, sofern sein Name in den Rapporten der Sicherheitsdienste
erschienen ist. 120 Gespräche wurden geführt. Dabei stellte
Gewerbeinspektor Reto Keller fest, dass er es eigentlich mit "normalen
Leuten zu tun hatte, die vor allem aufgrund von übermässigem
Alkoholkonsum ausfällig geworden sind".
Die Massnahmen sollen nun fortgeführt und, wo nötig,
angepasst werden, wie es gestern hiess.
--
FC Thun
Fast eine Million für den Fussball
Für 3,6 Millionen Franken kauft die Stadt Thun zurzeit
Polizeileistungen ein. Dabei gibt dem Sicherheitsdirektor zu denken,
dass
900 000 Franken davon alleine in die Sicherheit rund um den FC
Thun flössen. Wie viel Geld die Stadt künftig in die
Sicherheit der Altstadt stecken wird, dürfte deshalb auch davon
abhängen, ob sich der Verteilschlüssel ändern wird. Nach
den Krawallen der Fussballfans in Thun am Wochenende will die Stadt
nämlich den Fussballklub stärker zur Kasse bitten: Sie
verlangt ab 2011 höhere Beiträge an ihre Sicherheitskosten
("Bund" vom Dienstag). (gum)
---
Blick am Abend 9.11.10
Hartes Thun hat Erfolg
VANDALEN
Die Stadt Thun hat in Sachen Nachtruhe die Schrauben angezogen.
peter.pflugshaupt@ringier.ch
Bern stinkt zum Himmel" titelte Blick am Abend gestern zum Thema
Wildpinkeln in Bern.
In der Stadt Thun ist das Problem hinlänglich bekannt. Nach
zahlreichen Beschwerden gegen Lärm, Vandalismus und Verunreinigung
durch Erbrochenes und Urin wurde im März ein Massnahmenpaket
beschlossen und umgesetzt. Die Polizeipräsenz und die Patrouillen
privater Sicherheitskräfte wurden insbesondere in der Innenstadt
und am Wochenende massiv erhöht. Heute Morgen wurde eine erste
Auswertung präsentiert.
Die Statistik der Polizei erfasste seit März insgesamt 537
Vorfälle.
Die meisten Fälle betrafen öffentliches Urinieren,
Missachtung von Fahrverboten oder Störungen durch
Lärmverursachung. Ein Vergleich ist nicht möglich, weil
vorher keine Zahlen erfasst wurden.
Doch das Resultat ist für alle Beteiligten befriedigend:
Sowohl die Stadt, die Polizei und die beauftragten Sicherheitsfirmen
wie auch Innenstadtgenossenschaft und Altstadt-Stamm stellen eine
Beruhigung der Situation fest. Die Massnahmen sollen deshalb
fortgeführt und wo nötig angepasst werden. Experten raten der
Stadt, auf keinen Fall unter dieses Niveau zurückzukehren. Der
Sicherheitsdirektor der Stadt Thun, Peter Siegenthaler (SP): "Die
Ordnungsdienste sollen sogar noch ausgebaut werden und während des
ganzen Jahres zum Einsatz kommen, sofern eine Finanzierung möglich
ist."
--------------------------
FREIRAUM SO
--------------------------
Solothurner Zeitung 11.11.10
"Primär Leib und Leben schützen"
Chaos-Party Die Solothurner Kantonspolizei wehrt sich abermals
gegen Vorwürfe, bei der illegalen Party in der ehemaligen
Vogt-Schild-Druckerei untätig gewesen zu sein. Sie rechtfertigt
ihr Vorgehen als "verhältnismässig".
"Chaoten verhaften kann unsere Polizei nicht. Parksünder
büssen schon", solche SMS sind auf www.solothurnerzeitung.ch
eingegangen. Hohn und Kritik an der Kantonspolizei reissen nicht ab.
Empört sind nicht bloss Privatpersonen. Reagiert hat gestern
Mittwoch auch die CVP/EVP/glp-Fraktion im Kantonsrat. Sie reichte im
Rahmen der Session eine Interpellation ein, um zu erfahren, wie die
Polizei bei überraschenden Einsätzen mit hohem Personalbedarf
vorzugehen pflegt oder in Zukunft vorgehen will.
Unterdessen wertet die Kantonspolizei die Spuren aus, um sich ein
Bild von der möglichen Täterschaft zu machen. Gleichzeitig
nimmt sie auch Stellung zur Frage, warum man den "Tatort" lediglich
observierte, ohne ihn zu stürmen: "Betrachtet man die angerichtete
Sachbeschädigung, ist die Frage durchaus berechtigt", sagt Andreas
Mock vom Mediendienst der Kantonspolizei. "Die Polizei muss aber
aufgrund der bekannten Fakten und der Erfahrung urteilen." Und die
Faktenlage in besagter Nacht war tatsächlich dünn: Die
Scheiben seien abgedunkelt gewesen, die Türen verriegelt.
Über Sachbeschädigungen wusste man noch nichts.
"Aufgrund eines ähnlichen Vorfalls und der Hinweise vor Ort
war von einer längeren Besetzung auszugehen", fügt Mock an.
So sei man zum Schluss gekommen, dass ein Eingriff aufgrund der
vermuteten Straftat Hausfriedensbruch nicht verhältnismässig
sei. "Das Risiko einer Gefährdung von Leib und Leben war sehr
hoch", sagt er - unter anderem auch im Hinblick auf eine mögliche
Massenpanik. Und da man von einer länger andauernden Hausbesetzung
ausgegangen sei und nicht von einer "Party", sei man vom
plötzlichen Abzug überrascht worden. So habe man entsprechend
keine Personenkontrollen durchgeführt. Dazu wäre auch ein
Grossaufgebot an Polizeikräften nötig gewesen. Und selbst die
Einsatzkräfte vor Ort waren nach eigenen Angaben zeitweise mit
anderen Einsätzen in der näheren Umgebung absorbiert. (ak)
---
Grenchner Tagblatt 9.11.10
Die Suche nach den "Partychaoten" läuft
Die illegale Party, die in der Nacht von Sonntag in der
ehemaligen Druckerei Vogt-Schild erheblichen Sachschaden hinterlassen
hat, ist im Fokus der Spurensicherung. Indes äussern sich Leser
kritisch über die Untätigkeit der Ordnungshüter: Von der
"Hanswurst-Polizei" ist die Rede, "die so lieb ist, 300 Partygäste
feiern zu lassen". Die Kapo wehrt sich gegen solche Vorwürfe: Man
sei vom Anlass überrascht worden und von daher kaum imstande
gewesen, die nötigen personellen Ressourcen aufzubieten. Dass die
"Partychaoten" allerdings den Tatort frühmorgens unregistriert
verlassen konnten, hinterlässt grosse Fragezeichen. (ak)Seite 21
--
Gegen die Polizei flogen auch Flaschen
Illegale Party In der ehemaligen Vogt-Schild-Druckerei wurde die
Spurensicherung aufgenommen
Andreas Kaufmann
Die Polizeibeamten von der Spurensicherung bleiben mit ihren
Stiefeln beinahe am Boden haften. Der Montag danach: Klebrige
Erinnerungen, eingetrocknete Pfützen aus Landi-Bier und anderen
Getränken, die an der illegalen Party in der Nacht auf Sonntag in
den als Lager genutzten Räumen der ehemaligen
Vogt-Schild-Druckerei ausgeschenkt wurden. Noch stärker haften
bleibt das Bild der Verwüstung, das die "Partyorganisatoren" hier
hinterlassen haben: Kreuz und quer verkeilte und havarierte
Büromöbel, Schmierereien und ein Meer an Bierdosen. Die
Asservate, die die Kantonspolizei nach und nach einsammelt, sind auf
drei Stockwerken des Chaos verstreut.
Durchdachtes "Eventmanagement"
Einzelne Indizien deuten auf einen Restbestand an Knigge und
Ordnungsliebe der Hausbesetzer hin: Preislisten der Getränke
prangen an den Wänden und regelmässig sind Abfallsäcke
montiert. Zur Party aufgerufen hatte ein breit gestreutes SMS. Im
Einsatz waren Licht- und Soundanlage, ein DJ rundete den verbotenen
Partyspass ab. Ob auch Bands auftraten, bleibt unklar. Auf einem
Probenplan waren zumindest einige Namen aufgeführt: "Stoked", "Sam
Kanalratte", "Topfchopf", "Monsanto Killers", "Baseball Bat Boogie
Bastards" und "WAB". Letzter Name steht für "Wut auf Bonzen" und
verweist auf einen Rapper aus Biberist. Kurzum: Von der Preisliste bis
zum DJ ein durchdachtes "Eventmanagement" - abgesehen vom Unwillen,
hinter sich wieder aufzuräumen.
"Beobachten, nicht eingreifen"
So seien am Samstag um 22 Uhr rund 20 Personen am Bahnhof
gesichtet worden, anderthalb Stunden später habe die inzwischen
auf rund 200 gewachsene Gruppe bereits die Vogt-Schild-Druckerei in
Beschlag genommen: "Wir hatten lediglich die Anweisung, die Situation
zu beobachten", so Bruno Gribi vom Kapo-Mediendienst. Es sei nicht klar
gewesen, was sich im Gebäude abspielt und ob eine Genehmigung
für die Versammlung vorliegt. Indes hatte man sich drinnen bereits
seelisch auf ein Gefecht mit Ordnungshütern eingestimmt:
Verschraubte Türen und andere Barrikaden sollten es der Polizei
möglichst schwer machen, den Tatort zu stürmen. Die für
die Liegenschaft zuständige Sicherheitsfirma berichtet auch von
Flaschen, die gegen Polizeibeamte geworfen wurden und nicht zuletzt von
einer aggressiven Haltung seitens Partyteilnehmer.
Happige Vorwürfe der Untätigkeit
Zu einer Stürmung ist es aber nicht gekommen. So mehrt sich
auch die Kritik, beispielsweise in Form von SMS, die auf der
az-Homepage eingegangen sind: "Die Kapo ist so lieb, über 300
Partygäste feiern zu lassen", oder "Chaoten verhaften kann unsere
Polizei nicht". Doch diese lässt den Vorwurf der Untätigkeit
nicht auf sich ruhen, wie Gribi ausführt: "Wir wussten lange nur
vom Tatbestand des Hausfriedensbruchs, nicht aber von der
Sachbeschädigung. Es wäre unverhältnismässig, nur
deswegen einzugreifen. Was erreichen wir, wenn wir intervenieren und
dann auf beiden Seiten Verletzte haben?" Darüber hinaus sei man
vom Ausmass des Anlasses überrascht worden: "Da brauchte es 100
und mehr Polizisten", vor Ort waren aber lediglich einige wenige
Patrouillen.
In der Dämmerung entschlüpft
Für Kopfschütteln sorgte, dass die Lage vor Ort nicht
durchgehend polizeilich überwacht wurde. Deshalb nämlich
konnten die Hausbesetzer die Gunst der richtigen Morgenstunde nutzen,
um sich zu verdrücken - noch bevor die Kapo dazugekommen ist,
Personalien der Beteiligten aufzunehmen. Somit bleibt auch unklar, wer
zur Täterschaft zählt und zur mehr oder weniger unwissenden
Partygemeinde. Dafür bearbeitet zurzeit ein Ermittlungsteam der
Kapo den Fall, informierte Gribi. Nebst der Spurensicherung geht man
dabei auch Hinweisen von Zeugen nach.
--
Täter: örtliche Autonome unbeteiligt?
An der illegalen Party in der ehemaligen Vogt-Schild-Druckerei
waren mitunter einzelne Plakate aufgehängt, auf denen für die
in Solothurn angesagte Demo gegen die Ausschaffungsinitiative vom
kommenden Donnerstag geworben wird. Diese und andere Indizien legen den
Verdacht nahe, dass linksautonome Kreise zur Täterschaft
zählen könnten. In den Reihen der örtlich aktiven
Autonomen Freiraumbewegung (AFB) dementiert man allerdings, in
irgendwelcher Weise in die Partyaktion involviert gewesen zu sein, so
Robine Müller: "Die Autonome Freiraumbewegung hat weder mit der
Organisation noch mit der Ausführung und Teilnahme dieser ‹Party›
zu tun. Solch eine Aktion wäre kontraproduktiv für die AFB."
Zudem habe man auch sonst keinerlei Kenntnisse über die
mögliche Täterschaft. Die AFB hatte in vergangener Zeit
mehrfach durch ihren Kampf für ein autonomes Jugendzentrum auf
sich aufmerksam gemacht. (ak)
---
Solothurner Zeitung 8.11.10
Zerstörerisches Partyvolk
In der Nacht auf Sonntag sind mehrere hundert Personen in eine
leer stehende Gewerbeliegenschaft an der Zuchwilerstrasse in Solothurn
eingedrungen und haben dort eine illegale Party gefeiert. Im
Gebäude der ehemaligen Vogt-Schild-Druckerei (heute Solothurner
Zeitung AG) wurde damit massiver Sachschaden angerichtet. Die
Täter, die gemäss Spuren dem linksautonomen Lager zugeordnet
werden können, seien planmässig vorgegangen. So wurden zuvor
Zugänge vernagelt oder verbarrikadiert, um der Polizei den Zutritt
ins Gebäude zu verunmöglichen. Laut Peter Buri von der
Unternehmensleitung der az Medien-Gruppe wurde Anzeige erstattet. Der
Sachschaden betrage mehrere zehntausend Franken. (at.) Seite 29,
Kommentar rechts
--
Illegale Party verwüstete leer stehende Druckerei
Solothurn Mehrere hundert Chaoten "feierten" in der Nacht auf
Sonntag im Areal der ehemaligen Vogt-Schild
Andreas Toggweiler
In der Nacht von Samstag auf Sonntag haben unbekannte Chaoten in
der leer stehenden Liegenschaft der ehemaligen Druckerei Vogt-Schild in
Solothurn eine illegale Party veranstaltet. Dabei wurde das
mehrstöckige Gebäude stark beschädigt.
"Die Sachbeschädigungen betragen mehrere zehntausend
Franken", erklärte Peter Buri, Mitglied der Unternehmensleitung
der az Medien-Gruppe, nach einem persönlichen Augenschein gestern
Sonntag. Die im Erdgeschoss gelagerten Büromöbel wurden
grösstenteils beschädigt oder als Barrikadenmaterial
verwendet. Die Toilettenanlagen seien weitgehend verwüstet worden.
"Mit Feuerlöschern und anderem schweren Material wurden Scheiben
und Glastüren eingeschlagen. Viele Wände sind mit politischen
Parolen oder pornografischen Sprüchen versprayt", stellte Buri
fest.
Mehrere hundert Personen
Die illegale Party begann offenbar am Samstagabend gegen 22 Uhr.
Die Polizei wurde von Nachbarn wegen Nachtruhestörung gerufen,
konnte jedoch wegen der grossen Menge von Leuten - Buri schätzt
bis zu 300 - nicht eingreifen. Auch sei die Stimmung sehr aggressiv
gewesen. Die Polizei habe empfohlen, angesichts der Menge der
Eindringlinge auf eine Zwangsräumung zu verzichten und den Morgen
abzuwarten. Am Lokaltermin mit dem Pikettoffizier um 8.30 Uhr sei aber
das Gebäude bereits wieder geräumt gewesen.
Laut Buri ist davon auszugehen, dass die Aktion von langer Hand
geplant wurde. Erste Erkenntnisse liessen darauf schliessen, dass ein
"Stosstrupp" über die Feuerleiter aufs Dach gelangte und von dort
ins Innere des Gebäudes. Das Gros der "Partygäste" drang dann
durch die Waren- und Noteingänge ins Gebäude ein. "Zumindest
einzelne müssen über Kenntnisse über das Innere des
Gebäudes verfügt haben", vermutet Buri. So seien Zugänge
planmässig gesperrt bzw. aufgebrochen worden. "Offenbar um die
Menge zu kanalisieren, aber auch mögliche Polizeiaktionen zu
erschweren."
Linksautonome Szene?
Aufgrund der Spuren wie politischer Plakate und Sprayereien seien
die Täter vermutlich der linksautonomen Szene zuzuordnen. Im
Verlaufe der Nacht seien auch mehrere Feuerwehralarme ausgelöst
worden. Aufgrund der massiven Sachbeschädigungen wurde
beschlossen, die Spurensicherung aufzubieten. "Ich habe vor Ort eine
Strafanzeige unterschrieben", sagt Buri.
--
Täterschaft noch offen
Laut Angaben des Mediendienstes der Kantonspolizei Solothurn
konnten die Organisatoren der zerstörerischen Party bis gestern
Abend noch nicht dingfest gemacht werden. Die Polizei bestätigt,
dass mehrere hundert Personen beteiligt waren, auch solche, die vorher
im Kofmehl gefeiert hätten und danach zur illegalen Sause
gewechselt haben. Ob die Party von langer Hand vorbereitet worden sei,
lasse sich nicht mit Bestimmtheit sagen, hiess es zu Vermutungen der
Liegenschaftseigentümer. Laut Polizeisprecher Bruno Gribi war die
Polizei gestern noch mit der Spurensicherung beschäftigt. Auch
wurde ein Zeugenaufruf erlassen. (Tel. 032 627 71 11). (at.)
--
Kommentar
Erschreckend
Theodor Eckert
Von Montag bis Freitag brav und angepasst, in starren Strukturen
zuweilen drangsaliert, lassen sie am Wochenende als Quadrat-Asoziale
die Sau raus. Anders kann man es nicht sagen, es wäre
beschönigend. Was im ehemaligen Druckereigebäude an der
Zuchwilerstrasse in Solothurn in der Nacht auf Sonntag abgegangen ist,
kann man sich nur schwer vorstellen. Das Ergebnis muss man ganz einfach
gesehen haben: Es ist das nackte Chaos. Erschaudern lassen dabei nicht
die zurückgelassen unzähligen Bierdosen und Mageninhalte.
Nein, es ist das Zerstörungspotenzial, das unterdrückte
Seelen, freigelegt von Musik, Alkohol und weiteren Drogen, in sich
tragen. Was nicht vor Ort kurz und klein geschlagen wurde, flog
kurzerhand das Treppenhaus hinunter - auch auf diesen Möbeln wird
niemand mehr arbeiten können (vielleicht war dies ja der tiefere
Beweggrund der "Schlacht": keine Bürotische für das
Proletariat).
Wir haben es hier nicht mit einer Sponti-Party von
überdrehten Einzelpersonen zu tun. Das war ein sorgfältig
geplanter Massenevent, der letztlich als Saubannerzug endete.
Die ungebetenen Gäste haben auf verbotenem Terrain die
denkbar schlechteste Visitenkarte hinterlassen. Dass junge Menschen
Freiräume suchen und diese auch schon mal bei Gemeinden oder
Privaten einfordern, ist nicht neu. Dabei stossen sie längst nicht
überall auf Verständnislosigkeit. Etliche positive Projekte
sind daraus hervorgegangen. Ausraster wie am Wochenende jedoch haben
keine Zukunft. Wer derart rücksichtslos und gleichgültig mit
materiellen Werten Dritter umgeht, dürfte auch eine herabgesetzte
Hemmschwelle gegenüber Mitmenschen haben. Und das ist definitiv
nicht tolerierbar.
theodor.eckert@azmedien.ch
---------------------
SQUAT FR
---------------------
Freiburger Nachrichten 11.11.10
Kontakte mit Boxal-Besetzern
Nach der Räumung des Gebäudes im Boxal-Areal hat der
Oberamtmann mit den Besetzern gesprochen.
Freiburg Zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen hat die Polizei
am Dienstagabend ein besetztes Gebäude in der Stadt Freiburg
geräumt (FN vom Mittwoch). Die Räumung des Gebäudes im
Espace Boxal war auf Anordnung von Oberamtmann Carl-Alex Ridoré
erfolgt, nachdem das Kantonsgericht vergangene Woche festgehalten
hatte, dies sei seine Sache. Er habe am Mittwochnachmittag Gelegenheit
gehabt, persönlich mit den Besetzern zu sprechen, sagte
Ridoré gegenüber den FN. Dabei habe er erneut seine
Bereitschaft signalisiert, sich mit einer Delegation aus ihren Reihen
zu treffen und über ihre Forderungen zu diskutieren.
Die 19 Besetzerinnen und Besetzer hätten Barrikaden
errichtet, während der Räumung aber nur passiven Widerstand
geleistet, hielt die Polizei am Mittwoch in einer Medienmitteilung
fest. Verletzte habe es keine gegeben. Die Besetzer wurden noch in der
Nacht auf dem Polizeiposten befragt und dann nach Hause entlassen. Nur
einer sei vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen worden,
präzisierte Polizeisprecher Benoît Dumas auf Anfrage.
Die Besitzerin des Gebäudes, die Metallwerke Refonda AG, hat
gegen die Besetzer Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs eingereicht. cs
---
La Liberté 11.11.10
Raie Manta se plaint de violences, le préfet et la police
justifient l'action
Fribourg ● Alors que les squatters de l'espace Boxal se plaignent
de la manière dont ils ont été expulsés, le
préfet affirme que la sécurité imposait
l'évacuation.
Antoine Rüf
Hier, après l'évacuation du squat de l'espace
Boxal, la satisfaction était de mise du côté de la
police. Son porte-parole Benoît Dumas annonçait que, vers
minuit, 18 des 19 squatters interpellés avaient
été relâchés. Seule a été
placée en garde à vue une occupante, "qui manifestait une
certaine agressivité et refusait de coopérer".
Il souligne que les squatters de Raie Manta n'ont opposé
qu'une résistance passive, à l'exception d'un extincteur
vidé sur les premiers agents à intervenir (un reproche
que les squatters rejettent avec indignation, parlant de "manipulation
policière destinée à les discréditer"). "La
police a tout entrepris pour éviter les débordements et
les fuites", indique le porte-parole. Cela impliquait une
opération d'envergure dont le Groupe d'intervention a
été le fer de lance. "Nous avons utilisé des
moyens adaptés", traduit Benoît Dumas.
Issues murées
La police s'affairait hier à trier les affaires des
squatters. Ils seront invités à les
récupérer. Elle devait commencer hier soir à faire
murer les issues.
Hier, le préfet de la Sarine Carl-Alex Ridoré a
justifié l'évacuation de Raie Manta avant tout par un
motif de sécurité. Le site est en effet contaminé
par des résidus de solvants, de l'amiante, et pose des
problèmes de sécurité incendie.
Quelques locataires ont obtenu du préfet quinze mois de
délai avant de devoir plier bagages. En raison de
procédures judiciaires en cours, leur départ est suspendu
pour une durée indéterminée. Du coup, la
hâte mise à évacuer le squat paraît
incompréhensible. En tout cas aux occupants.
Le gros problème de sécurité, à
l'espace Boxal, était le risque incendie. "Avant d'autoriser une
prolongation du séjour des locataires, j'avais exigé des
travaux du propriétaire. Il les a exécutés. Cela a
permis la prolongation, valable uniquement pour les locaux
loués, dans un raisonnement juridique mettant en balance
l'intérêt privé des locataires à obtenir un
sursis pour trouver de nouveaux locaux et le risque pour leur
sécurité, atténué par ces travaux."
Une rose pour Carl-Alex
"La situation n'est pas la même pour les squatters. D'une
part, leur intervention et les travaux qu'ils ont fait dans les locaux
en se barricadant, ont augmenté le danger d'incendie en
contrecarrant les mesures prises par le propriétaire. D'autre
part ils n'ont pas d'intérêt légitime à
l'occupation des lieux, puisque leur présence ne repose sur
aucune base juridique."
La balance des intérêts leur étant
défavorable, il fallait les évacuer. D'autant que leur
activité annoncée, notamment les concerts, risquaient
d'entraîner une affluence massive de gens de l'extérieur.
Le risque de trouble à l'ordre public entraîné par
le squat a-t-il joué un rôle dans la décision du
préfet? "J'avais suffisamment de motifs pour ordonner
l'expulsion sans devoir examiner cette question", élude M.
Ridoré.
Hier en début d'après-midi, la dizaine de membres
du collectif a tenté d'obtenir un entretien avec lui et lui ont
offert une rose. Le préfet n'acceptant de discuter qu'avec une
délégation de deux ou trois personnes, et le collectif
refusant toute représentation, le dialogue a tourné court.
Raie Manta est ensuite venu à la rédaction de "La
Liberté", se plaindre de l'attitude du préfet et de la
police, qu'ils estiment inutilement brutale.
"Des artistes engagés"
"On s'attendait à un dialogue et à un délai
d'évacuation. Nous avons été pris par surprise."
Johnny* se plaint de la force utilisée pour leur interpellation.
"Notre résistance passive a donné lieu à une
réaction pas du tout passive, sans sommation." Menottes,
clés de bras, portages. Avec à la clé pas mal de
bleus, d'écorchures. Et même pour lui une fracture sans
déplacement d'un os de la main et des lunettes cassées.
Les Raie Manta parlent d'"acharnement", de "volonté
d'humilier". "On nous traite comme des terroristes pour nous faire
passer pour des gens dangereux, alors que nous sommes des artistes
engagés." L'argumentation du préfet? "C'est de
l'hypocrisie. Le fond c'est qu'il ne veut pas de squat à
Fribourg", clame Cynthia*. "On essaye de créer un espace
artistique dans un bâtiment voué à la destruction.
Eux, ils veulent nous écraser dans le moule", reprend Victor*.
Quant à Dominique*, les bras lui en tombent. D'ailleurs les
douleurs liées à son interpellation l'empêchent de
les lever au ciel.
"Nous avons dû utiliser la force, parce qu'ils
n'étaient pas coopératifs et faisaient de la
résistance passive. Nos hommes avaient la mission
d'évacuer ces gens, ils ont fait un usage proportionné et
adapté aux circonstances de la force", commente Benoît
Dumas. I
*Prénoms d'emprunt.
--
Les squatteurs s'invitent sur scène
Le collectif Raie Menta n'est pas le seul à squatter dans
le canton de Fribourg. La troupe des Jouvenscènes à La
Joux (photo vincent murith) s'y met aussi. Dès samedi et
jusqu'à la fin du mois, les six jeunes comédiens amateurs
présentent "Le squat", une comédie de Jean-Marie Chervet,
qui a notamment collaboré avec le duo comique Les vamps. La
pièce écrite en 2000 est une histoire de conflit de
générations sur fond de différence sociale. La
trame? Dans un appartement bourgeois parisien, un couple marginal
occupe sans droit la chambre de bonne. Les deux amoureux se croient
tranquilles jusqu'au mois de mai.
C'est sans compter sur les deux sœurs Figeac,
propriétaires du logement, qui débarquent à
l'improviste. S'ensuit un choc entre deux mondes que tout oppose. TB
> Sa 20 h 15 La Joux
---
20 Minuten 11.11.10
Boxal polizeilich geräumt
FREIBURG. Berstende Scheiben, viel Geschrei und ein
Polizeikommando, das die Barrikaden schleifte: Mit einer
Räumungsaktion endete in der Nacht auf gestern die Besetzung des
Espace Boxal im Zentrum von Freiburg. Seit zwei Wochen hatten sich
Studenten, Künstler und Politaktivisten im ehemaligen
Industriegebäude verschanzt. Insgesamt 19 Besetzer im Alter
zwischen 21 und 31 Jahren wurden ohne gravierende Verletzungen
abgeführt. Die meisten von ihnen erwiesen sich als alte Bekannte
der Behörden: Die Freiburger Aktivisten hatten in den letzten
Wochen bereits zwei andere Häuser besetzt. Sie müssen mit
einer Anklage wegen Hausfriedensbruchs rechnen.
Laut Polizeisprecher Benoît Dumas erfolgte die Räumung
auch im Interesse der Sicherheit der Besetzer: "Das Gebäude ist
durch Asbest und Lösungsmittel verseucht." MAr
---
Indymedia 10.11.10
To Bee Squat in Freiburg (CH) geräumt ::
AutorIn : mantas
Am Abend des 9. November, um 20.00, stürmte das
Sondereinsatzkommando der Freiburger Kantonspolizei den To Bee Squat am
Passage de Cardinal 2. Es gab weder Vorwarnung noch Ultimatum, das
erste was wir seit zwei Wochen von den Autoritäten zu hören
bekamen war das Zerschmettern der Scheiben, das Zerbersten der
Barrikaden, die Schreie der verschwitzten, bis zu den Zähnen
bewaffneten Krieger der herrschenden Ordnung.
Neunzehn Mantas, unzählige Bullen
Ein Blick in das besetzte Atlantis nach Zürich reicht, um die
Verhältnismässigkeit der Freiburger Polizei als
kleinstädtischen Wahnsinn zu entlarven. Doch wir wollen uns nicht
darauf fokussieren, denn dieser Argumentationsstrang ist nicht der
unsrige. Auch wollen wir uns nicht auf die in den Medien verschwiegene
Gewaltanwendung der Polizei einschiessen, die neben den Folgen von zu
engen Plastikfesseln zu Schürfwunden, Kopfverletzungen, zum
Abreissen einer Insulinpumpe, zu innerlichen Blutergüssen und
zermalmten Brillen führte. Mindestens eine Person wurde ins Spital
eingeliefert.
Doch vergessen wir brennenden die Fesseln der freien Gesellschaft, in
der nur jene frei sind, die den pervertierten Begriff der Freiheit
verinnerlicht haben. Vergessen wir die Floskeln einer heuchlerischen
Marionette wie Carl-Alex Ridoré, die sich über fehlende
Dialogbereitschaft auslässt, obwohl er und seine Vorgänger,
all jene ,welche den Dialog gesucht haben, an der Nase
herumgeführt und belogen haben. Der espace Boxal gehört zu
den Immobilien wie der Commanderie und der Vannerie, die im Zuge der
Gentrifizierung Fribourgs den Kulturschaffenden ersatzlos gestrichen
wurden. Dank dem fehlenden Bewusstsein der Betrogenen und dem
Wohlwollen der Bürgerlichen kann sich der Obama Freiburgs
vielleicht schon bald auf einen Hausfriedensnobelpreis freuen!
Auf ein nächstes!
Wir werden die letzten zwei Wochen nie vergessen. Es ist uns gelungen
auf der Basis von Kooperation und gemeinsamer Hilfe ein Haus
wiederzubeleben und darüber hinaus ein Raum für Begegnungen
zu schaffen, der in Fribourg seinesgleichen sucht. Wir haben gezeigt,
dass ein akutes Bedürfnis nach einem solchen Raum besteht:
In den letzten zwei Wochen konnten neun Bands und viele DJs das Haus
bis in die Morgenstunden mit - auch für uns unerwartet - vielen
Gästen füllen. Wir haben Filmabende veranstaltet, einen
Infoladen betrieben und Künstlern den Freiraum geboten, den sie
brauchen. Wir hatten keine Probleme mit Gewalt und Ausgrenzung.
Alle 19 Verhafteten sind wieder auf freiem Fuss.
Danke an alle die uns unterstützt haben!
Kollektiv Raie Manta, 10. November 2010
raiemanta@riseup.net www.manta.ch.gg
---
La Liberté 10.11.10
La police évacue les squatters de Boxal
Fait-divers ● Hier soir à 20 h, la police a investi
l'espace Boxal pour en déloger les activistes du collectif Raie
Manta, sur ordre du préfet Carl-Alex Ridoré. Dix-neuf
squatters, solidement retranchés, ont été
évacués.
Samuel Jordan
Le squat de l'espace Boxal est aujourd'hui de l'histoire
ancienne. Hier soir, sur les coups de 20 heures, les forces de l'ordre
fribourgeoises ont donné l'assaut - comme on dit dans le jargon
policier - de l'endroit. Ou plutôt du camp retranché. Car
les squatters avaient soigneusement bloqué les
différentes entrées, avec force matériel de
chantier - étais, planches et toute sorte d'autres
matériels introduits sur les lieux depuis l'occupation le 27
octobre dernier. Un véritable capharnaüm. L'ordre
d'évacuation a été donné par le
préfet de la Sarine, Carl-Alex Ridoré.
"Nous avons investi les lieux par plusieurs endroits
simultanément. Nous avons dû employer des béliers
pour enfoncer les portes qui avaient été minutieusement
renforcées et les barricades qui avaient été
créées", explique Pierre Schuwey, commandant de la
gendarmerie fribourgeoise, en montrant un exemple, quelques minutes
après la fin de l'opération. En l'occurrence une porte
"customisée" avec de grosses planches et des clous longs comme
des jours sans pain.
Dix-neuf squatters évacués
Au total, 19 personnes, dont trois quarts d'hommes et un quart de
femmes ont été appréhendés et
évacués par la police. Leur âge? Entre 21 et 31
ans. Ils ont été emmenés en garde à vue au
poste de police de Granges-Paccot pour y être indentifiés
et interrogés. "S'ils coopèrent, ils devraient être
relâchés rapidement", expliquait hier Benoît Dumas,
porte-parole de la police fribourgeoise. A l'heure où nous
bouclions cette édition (hier à minuit), huit squatters
avaient déjà été relâchés.
Selon le porte-parole, l'opération - de grande envergure,
plusieurs dizaines de policiers étaient mobilisés selon
nos estimations - s'est déroulée sans grands heurts. Pas
de violences physique à déplorer, si ce n'est quelques
mots peu doux proférés à l'égard des forces
de l'ordre. "Les squatters ont fait de la résistance passive, il
a fallu les porter jusqu'aux véhicules", précise
Benoît Dumas.
Une version des faits contestée plus tard par certains
squatters: "Des membres du collectif se sont couchés par terre.
Ils ont été évacués de force, sans
ménagement, au mépris de leur intégrité
physique. Quelques-uns ont été blessés dans
l'opération".
Au chat et à la souris
Apparemment, les pandores ont dû jouer au chat et à
la souris avec les squatters, disséminés dans
l'édifice labyrinthique. "Certains d'entre eux ont même
tenté de se réfugier sur les toits", explique Pierre
Schuwey.
Au total, l'opération de police a duré un peu plus
de 90 minutes. Les 19 membres du collectif Raie Manta ont
été évacués par petites grappes dans une
demi-douzaine de paniers à salade. Le premier véhicule
à 20 h 45, le dernier une heure plus tard. Sous les quolibets
d'une quinzaine de sympathisants à la cause, accourus devant
l'entrée bouclée d'Espace Boxal.
"C'est triste d'en arriver là, déplorable. Cette
occupation était légitime, car il n'y a plus à
Fribourg de lieu alternatif ou la jeunesse peut s'exprimer",
s'emportait hier un jeune homme, en voyant passer sous ses yeux un
fourgon de police.
Action de nuit réfléchie
C'est vendredi déjà que le préfet de la
Sarine a ordonné l'évacuation. Pour des motifs de
sécurité, selon nos informations. A savoir pour
prévenir des risques d'incendie, et pour des problèmes de
salubrité liés à la présence d'amiante et
de vapeurs de solvants dans les locaux.
Au contraire des évacuations récentes d'immeubles
à la route Neuve et à la route de l'Industrie à
Fribourg ("La Liberté" du 13 octobre et du 30 septembre),
l'ordre d'évacuation des squatters n'a, cette fois, pas
été notifié aux intéressés. "Nous
avons jugé, vu les circonstances, qu'il était
préférable d'agir ainsi", justifie Benoît Dumas.
Une manière de faire de loin pas partagée par l'un des
sympathisants présents sur les lieux: "Faire irruption de la
sorte en pleine nuit sans crier gare est une atteinte sans borne au
principe de proportionnalité, c'est de la provocation." Au fait,
pourquoi être intervenu seulement trois jours après
l'ordre de la préfecture, et la nuit tombée de
surcroît? "Pourquoi pas? Cela fait partie de la tactique",
répond le porte-parole de la police.
Sanctuaire de graffitis
A 22 h, nous pouvons enfin pénétrer dans les lieux
vidés de leurs occupants et bouclés par un cordon de
sécurité. Le calme règne. L'endroit est un
véritable chantier, jonché d'objets de toutes sortes:
matériel audio, matelas, cargaison de bière, nourriture,
et même des jeux et des bouquins. La preuve que les squatters
étaient résolus à s'installer durablement.
Quelque chose attire particulièrement l'attention: les
innombrables graffitis et tags, plus ou moins réussis qui
tapissent chaque centimètre carré des murs des nombreux
étages de l'édifice. A croire qu'une armée
d'artistes plus ou moins doués s'est défoulée sur
les lieux pendant plusieurs années. "Quand les lois sont
injustes, l'obéissance est un crime." C'est la teneur de l'un
des graffitis de circonstance lu sur place. Comme quoi, parfois, les
squatters s'envolent, mais les écrits restent. I
---
St. Galler Tagblatt 10.11.10
Alternatives Wohnen
Unter Hausbesetzern
Die Besetzer des Zürcher Hotels Atlantis haben kapituliert
und das Haus gestern Morgen geräumt. Der Besitzer hatte zuvor
Strafanzeige eingereicht, worauf die Polizei den Besetzern ein
Ultimatum stellte. Hausbesetzungen sind in Städten eine beliebte
Form, gegen überteuerten Wohnraum und die latente Wohnungsnot zu
protestieren. In Fribourg besetzt das Kollektiv "Raie Manta,
Riesenmanta" bestehend aus Studenten, Arbeitern, Künstlern und
Musikern seit zwei Wochen einen leerstehenden Gebäudekomplex. "Bei
Hausbesetzungen geht es auch um alternative Wohnformen, um alternatives
Zusammenleben und um den Erhalt von Liegenschaften", sagt ein ehemalige
Zürcher Aktivist im Interview. (red.) zoom 18
--
Herbst der Häuserkämpfer
Besetzer Seit gestern ist die Besetzung des Hotels Atlantis in
Zürich Geschichte. In Fribourg ist der Kampf jedoch noch nicht
ausgestanden - wie ein Hausbesuch bei Besetzern zeigt.
Leandro Borasio
Die Eingangspforte ist mit Holzplatten zugenagelt und mit
schweren Eisenstangen gesichert. Nur das frische Graffiti "We are here"
an der grauen Wand zeugt vom neu erwachten Leben auf dem Boxal-Areal in
Fribourg.
Es wird seit geraumer Zeit nicht mehr genutzt, da die
Behörden an der Sicherheit im Falle eines Brandes zweifeln. Zuvor
hatten sich hier Künstler, Architekten, Bäcker und eine
Behindertenwerkstatt eingemietet. Nun gammelt das ehemalige
Industriegebiet vor sich hin - zumindest bis Anfang November. Jetzt hat
sich ein Riesenmanta hinter den Betonmauern verschanzt. "Raie Manta",
Riesenmanta, so nennt sich das Kollektiv, welches das Haus besetzt hat.
Die rechtmässige Eigentümerin, die Refonda AG aus
Niederglatt, hat beim kantonalen Verwaltungsgericht Freiburg Klage
eingereicht, um die sofortige Räumung zu erwirken. Am 4. November
entschied die Jurisprudenz, dass sie nicht zuständig sei. Somit
leben die Riesenmantas seit zwei Wochen unbehelligt, aber illegal auf
privatem Grund.
"Geschlossene Gesellschaft"
Der Zugang zu den oberen Stockwerken erfolgt nur über einen
Lift. Er wird jeweils mit einem schweren Holzblock von oben blockiert,
um ungebetene Gäste fernzuhalten. "Huis Clos" - geschlossene
Gesellschaft, eine Anlehnung an Sartre? Dennoch scheint es sich hier
nicht um die Hölle zu handeln, ausser Satan hat ein Faible
für Graffiti und Neonlampen. Im neu eingerichteten Blog der "Raie
Manta" heisst es: "Wir wollen ein herrschaftskritisches Miteinander
erreichen und dem ewigen Konkurrenzdenken das Teilen von
Fähigkeiten und Wissen entgegenstellen. Wir wollen nicht nur
reagieren, sondern in die Offensive gehen." Es klingt nach
Auszügen des SP-Parteiprogrammes, nach Sozi-Romantik hinter
verbarrikadierten Türen.
Zu schön für Alternatives?
Hinter den verbarrikadierten Türen trifft man auf friedliche
Menschen. Arbeiter, Künstler, Musiker und Studenten. "Wir wollen
ein Zeichen setzen und auf unsere Anliegen aufmerksam machen", sagten
sie. Sie würden kulturellen Freiraum und einen Treffpunkt für
Kreative fordern. Auch von einer Volksküche und einem
Gemeinschaftsgarten träumen sie. Auf die Frage, wie es zum Namen
"Raie Manta" gekommen sei, gibt es keine klare Antwort. Es seien viele
Namen besprochen worden und der Entscheid im Suff gefallen.
Sympathisanten hat das Kollektiv auch ausserhalb des besetzten
Gebäudes. Der Freiburger Musiker Gustav schreibt: "Ich kann
verstehen, dass der Kanton ein 300 Tage im Jahr leerstehendes
Sitzungszimmer daraus machen will. Das Parkett ist schon sehr
schön und die Aussicht auch […], da haben Kulturschaffende keinen
Platz, die gehören in die Keller, in die Höhlen, dort, wo sie
niemand hört und niemand sieht."
Bereits die dritte Hausbesetzung
Der Stadt Freiburg ist das besetzte Boxal-Areal ein Dorn im Auge.
Man verstehe die Ansichten des Kollektivs, nur sei die Art und Weise,
wie es handle, unverhältnismässig. Der Ball liegt bei
Oberamtmann Carl-Alex Ridoré, dem "Obama Fribourgs", wie die NZZ
titelte. Im nächsten Jahr sind Wahlen, es wird sich zeigen, wie
sich der SP-Mann positioniert. Etwas muss er tun. Dies ist schon die
dritte Hausbesetzung des Kollektivs innerhalb kurzer Zeit. Die
vorherigen zwei wurden mit rigorosem Polizeieinsatz geräumt. Die
"Raie Manta" hoffen darauf, noch bis Ende Jahr im Boxal wohnen zu
können. "Was wir anstreben, ist kein Traum, es ist ein
mögliches Ideal - aufgeben können wir nicht", schreiben sie
im Blog.
--
Hotel Atlantis: Besetzer gehen, Studenten kommen
Während in Fribourg noch alles offen ist, haben die
Zürcher Besetzer des Hotels Atlantis am Montagabend ihre letzte
Party gefeiert - und haben danach die Räume verlassen.
Vor zweieinhalb Wochen hatten mehrere Personen das leerstehende
150-Zimmer-Hotel am Fusse des Üetlibergs besetzt. Unter dem
Decknamen "Familie Donovan" forderten sie Raum für kulturelle und
soziale Projekte und begannen schon kurz darauf Veranstaltungen im
Hotel zu organisieren, einzelne Räume umzugestalten und nach
alternativen Nutzungsmöglichkeiten zu suchen. Dies ungeachtet
dessen, das der aktuelle Mieter des "Atlantis" Werner Hoffmann im Hotel
in einer Übergangszeit günstigen Wohnraum für
Studierende und Lehrlinge anbieten möchte.
Vor einer Woche hat er mit der "Pinselrenovation" des Nordtrakts
begonnen, während sich im Westtrakt die Aktivisten verschanzten.
Den Besetzern bot Hoffmann einen Saal zur Nutzung an sowie Zimmer zum
Mieten. Die Aktivisten fanden aber, ihre Projekte liessen sich nicht in
diesem Rahmen realisieren. Nachdem die Verhandlungen mit dem Mieter
gescheitert waren, reichte dieser Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch
ein. Die Frist für die Besetzer ist gestern Morgen abgelaufen.
Als die Stadtpolizei danach eine erste Kontrolle
durchführte, war das Gebäude bereits leer. Die Hausbesetzer
haben die Liegenschaft nach Polizeiangaben in einem ordentlichen
Zustand zurückgelassen.
Das Ende 1970 erbaute Hotel unweit des Triemlispitals war eines
der ersten modernen Fünf-Sterne-Hotels in der Stadt Zürich.
Ende 2004 wurde es geschlossen. Bereits diesen Samstag sollen die
ersten Studenten in die Zimmer einziehen können. (kaf)
---
Freiburger Nachrichten 6.11.06
Ridoré: "Neue Bedürfnisse im Kulturbereich"
Freiburg Mit wiederholten Besetzungen fordert das Kollektiv
Raie-Manta mehr kulturellen Freiraum in der Stadt. "In den vergangenen
Jahren konnten nicht alle Probleme gelöst werden", nimmt Carl-Alex
Ridoré, Oberamtmann des Saanebezirks, in einem Interview
Stellung. Er betont aber auch, dass sich mit der Schaffung von neuen
Infrastrukturen - dem "Nuithonie" und dem "Equilibre" - sowie der
Stärkung bestehender Einrichtungen viel im Kulturbereich getan
habe. Nun müsse man neue Bedürfnisse berücksichtigen. cf
Interview Seite 5
--
"Kann keine Sofort-Lösung zaubern"
Die regionale Kulturpolitik der Coriolis habe die kulturellen
Einrichtungen im Kanton vielseitig unterstützt, ist Carl-Alex
Ridoré, Oberamtmann des Saanebezirks, überzeugt. Jetzt sei
es nötig, die Prioritäten neu zu definieren.
Carolin Foehr
Das Besetzer-Kollektiv Raie-Manta bringt mit seinen Aktionen die
seit Jahren schwelende Frage nach mehr Raum für Kulturschaffende
wieder auf den Tisch (siehe FN vom Donnerstag). Carl-Alex
Ridoré, Oberamtmann des Saanebezirks und Präsident des
Gemeindeverbandes Coriolis, nahm im Gespräch mit den FN Stellung -
kurz bevor das Kollektiv zum dritten Mal ein leerstehendes Gebäude
besetzte.
Herr Ridoré, wie ernst schätzen Sie das Problem
"kulturelle Infrastrukturen" in der Region ein?
In den letzten Jahren hat sich die Kulturpolitik nicht nur
für neue Infrastrukturen eingesetzt, sondern auch die bestehenden
gestärkt: La Spirale, das Osses-Theater, Fri-Son oder der Alte
Bahnhof - sie alle wurden finanziell unterstützt. Aber es stimmt,
dass nicht für alle Probleme Lösungen gefunden werden
konnten. Vom Platzmangel sind ja nicht nur die kulturell Schaffenden,
sondern beispielsweise auch Handwerker und soziale Einrichtungen
betroffen.
Was muss passieren, damit mehr Lokalitäten zur
Verfügung stehen?
Zum einen müssen sich die Personen selbst darüber im
Klaren sein, was sie wollen. Das heisst, ein Konzept auf die Beine
stellen, die nötigen Recherchen angehen und so weiter.
Natürlich braucht es auch private Vermieter, die bereit sind,
Gebäude an Künstler oder Vereine zu vermieten. Mir liegt es
am Herzen, die nötige Koordination zwischen den betroffenen
Personen herzustellen und manchmal auch zu beeinflussen. Aber eine
Sofort-Lösung kann auch ich nicht herbeizaubern.
In anderen Schweizer Städten geben die Behörden den
Kulturschaffenden in diesem Bereich mehr Hilfestellung. Warum nicht in
Freiburg?
Zurzeit stelle ich fest, dass im Kanton keine
Übereinstimmung darüber besteht, wer dafür
zuständig wäre, konkret zu unterstützen - auch weil sich
im kulturellen Bereich die Grenzen zwischen Professionellen und Laien,
zwischen Produzenten und Anbietern immer mehr verwischen. Zwischen den
Privaten, den Gemeinden und dem Kanton müssen die Rollen und
Zuständigkeiten vielleicht neu verteilt werden. Das braucht seine
Zeit. Auch die Prioritäten der regionalen Kulturpolitik
müssen neu gesetzt werden.
Inwiefern?
Vor zwanzig Jahren waren die Bedürfnisse klar: Die Gemeinden
forderten ein Gastspielhaus und einen Konzertsaal. Mit dem "Equilibre"
und dem "Nuithonie" haben wir diese Wünsche umgesetzt. Jetzt
können und müssen die verantwortlichen Behörden neue
Bedürfnisse berücksichtigen. Eines scheint die Bereitstellung
von Ateliers zu sein. Die Initianten des "Hauses der Künstler"
sind ein gutes Beispiel dafür. Sie standen im Sommer kurz vor
einer Lösung des Platzproblems. Leider hat es im letzten Moment
doch nicht geklappt.
Gehört ein Platz für alternative Kultur, wie es das
Kollektiv Raie-Manta fordert, nicht zu den Bedürfnissen?
Nehmen Sie das Beispiel des Fri-Son. Vor 25 Jahren war es der
Inbegriff der alternativen Szene. Aber wir hatten und haben noch immer
regelmässig Kontakt zu den Verantwortlichen. Noch Anfang 2010 ging
es um die Verschönerung der Fassade durch Graffiti. Wir haben
darüber gesprochen und sie konnten das Konzept umsetzen. Der
Dialog ist das A und O.
Den sucht Raie-Manta nicht?
Ich habe ihnen mehrmals ein Gespräch vorgeschlagen: Wenn sie
ein konkretes Projekt haben, stehe ich gern zur Verfügung. Aber
illegale Hausbesetzungen kann ich nicht akzeptieren.
--
Haus der Künstler: Das Projekt liegt nach geplatztem Kauf
auf Eis
Seit Februar suchen die Künstler, die früher in der
Johanniterkomturei an der Oberen Matte Platz hatten, nach neuen
Lokalen. Zwar kamen - wie von den Kulturschaffenden gefordert -
Gespräche mit den Behörden zustande. Eine Lösung
für den Platzmangel ist aber weiter nicht in Sicht.
Dabei habe es im Sommer beinahe mit einem Immobilienkauf an der
Murtengasse geklappt, verrät nun Pierre-Alain Rolle, SP-Generalrat
und Mitglied der Marionettentruppe Le Guignol à Roulettes. "Wir
hatten die finanziellen Mittel und die Mieter beisammen", erklärt
er. Doch im letzten Moment habe sich der Verkäufer für ein
anderes Angebot entschieden.
Die Künstler hatten vor, eine Art Genossenschaft zu
gründen, welche die erworbenen Räumlichkeiten an kulturelle
Gruppen und Vereine vermietet hätte. Rund vierzig Personen hatten
sich für das Projekt interessiert. "Sie waren motiviert,
müssen aber jetzt nach anderen Lösungen suchen", bedauert
Pierre-Alain Rolle.
Nach seinem Vorstoss im Stadtparlament letzten Frühling sehe
er keinen Grund, weiter an die Politik zu appellieren. "Wir haben oft
genug auf das Problem verwiesen. Wenn die Behörden nicht
reagieren, scheint ihnen das Problem nicht wichtig genug zu sein", so
Pierre-Alain Rolle.
Den Frust der jungen Leute im Espace Boxal könne er
verstehen - auch wenn die ehemaligen Mieter der Johanniterkomturei
immer den legalen Weg gewählt hätten. cf
---
La liberté 6.11.10
Espace Boxal
Les squatteurs profitent du ping-pong judiciaire
Samuel Jordan
Les squatteurs du collectif Raie Manta peuvent dormir sur leurs
deux oreilles sur leur matelas de fortune à Espace Boxal
à Fribourg. Du moins pour quelques jours encore. Le
préfet de la Sarine ne prendra en effet pas de décision
à leur égard avant la semaine à venir. "Je suis
content d'avoir eu une clarification du Tribunal cantonal. Pour
l'instant, je ne me prononce pas sur le sujet. Je ferai une
communication la semaine prochaine", explique Carl-Alex Ridoré.
Par ces mots, le préfet réagit à la
décision du Tribunal cantonal administratif, qui s'estime non
compétent pour se saisir de la requête d'évacuation
des locaux émanant des propriétaires ("LL" d'hier). Une
décision qui remet la balle de ping-pong dans son camp. Tout en
offrant un répit aux nouveaux occupants de l'Espace Boxal, ravis
de profiter de la complexité des méandres de
l'administration.
Que va-t-il se passer? Juridiquement, le propriétaire des
lieux peut saisir le Tribunal civil et exiger une expulsion. Une
démarche qui peut cependant prendre un certain temps. La
préfecture peut quant à elle également ordonner
une expulsion. Mais seulement en cas de problème d'ordre public
ou de dangers liés à la sécurité ou la
non-salubrité des lieux.
Problème: l'éventuelle décision de Carl-Alex
Ridoré est à mettre en relation avec un recours juridique
toujours pendant du photographe Christoph Schütz, qui conteste le
caractère insalubre et dangereux des locaux...
décrété par le même préfet en juillet
2009. Pour la petite histoire, le photographe fait aussi de la
résistance en occupant les locaux, malgré l'ordre
d'évacuation décrété à la fin
septembre.
Pour l'heure, ces imbroglios kafkaïens ne troublent pas la
bonne humeur des squatteurs. Bien au contraire. Hier, sur leur site
internet, ils se réjouissaient de la quiétude ambiante:
"Aujourd'hui, c'est notre 9e matin consécutif sans nous faire
réveiller par une brigade d'intervention policière. Un
record." Ils se disent résolus à prendre racine: "Nous
nous sommes installés et rien ne nous manque. Nous avons empli
la maison de vie."
De la vie, il y en aura assurément ce soir. Le collectif a
en effet prévu d'organiser une soirée de punk et de metal
jusqu'à pas d'heure. I
-------------------
SQUAT ZH
--------------------
St. Galler Tagblatt 10.11.10
Alternatives Wohnen
Unter Hausbesetzern
Die Besetzer des Zürcher Hotels Atlantis haben kapituliert
und das Haus gestern Morgen geräumt. Der Besitzer hatte zuvor
Strafanzeige eingereicht, worauf die Polizei den Besetzern ein
Ultimatum stellte. Hausbesetzungen sind in Städten eine beliebte
Form, gegen überteuerten Wohnraum und die latente Wohnungsnot zu
protestieren. In Fribourg besetzt das Kollektiv "Raie Manta,
Riesenmanta" bestehend aus Studenten, Arbeitern, Künstlern und
Musikern seit zwei Wochen einen leerstehenden Gebäudekomplex. "Bei
Hausbesetzungen geht es auch um alternative Wohnformen, um alternatives
Zusammenleben und um den Erhalt von Liegenschaften", sagt ein ehemalige
Zürcher Aktivist im Interview. (red.) zoom 18
--
"Wir machen hier, was wir für richtig halten"
Fabio S. ist promovierter Soziologe und war von 1999 bis 2007 in
der Zürcher Hausbesetzerszene und in verschiedenen autonomen
Gruppierungen aktiv. Der 35-Jährige spricht, unter Wahrung seiner
Anonymität, über seine Erfahrungen. Philippe Reichen
Warum besetzt man ein Haus?
Fabio S.: Die Gründe sind verschieden. Es gibt Leute, die
finden, es soll keine leerstehenden Wohnungen geben, wenn - wie heute
wieder - Wohnungsnot herrscht. Eine Notlage kann erfordern, dass
unkonventionelle Methoden zur Anwendung kommen. Das wiederum führt
zur Frage: Soll ein grundlegendes Gut wie das Wohnen kapitalistisch
geregelt sein oder müssten nicht andere Formen der Verteilung
gefunden werden? Andere Leute haben den Wunsch nach nichtkommerziellen
Orten. Kunst- und Kulturräume, Ateliers und Proberäume sind
immer Mangelware, in einer Stadt wie Zürich sowieso…
…und eine Geldfrage.
Fabio S.: Sicher, vor allem, wenn man nicht viel Geld hat. Das
gilt auch für Leute, die sich nichts anderes leisten können,
als in einem besetzten Haus zu wohnen. Wer nicht 100 Prozent arbeiten
kann oder will und keinen gutbezahlten Job hat, findet heute in der
Stadt Zürich kaum eine Wohnung.
Zielt die Kapitalismuskritik darauf ab, dass der Staat das
Grundbedürfnis nach Wohnraum regelt.
Fabio S.: Die Rolle des Staates steht durchaus zur Diskussion.
Besetzerinnen und Besetzer sind grundsätzlich der Meinung, dass
Wohnraum ein Grundbedürfnis ist, das nicht marktwirtschaftlich
geregelt werden soll. Ob der Staat hier die Rolle der Regelungsinstanz
übernehmen soll, ist fraglich. Deshalb gibt es den Spruch: "Die
Häuser denen, die sie bewohnen." Das kann zum Beispiel auch durch
die Form einer Genossenschaft erreicht werden - solange sie nicht zu
einem anonymen Verwaltungsapparat wird. Selbstorganisation wird in der
Besetzerszene gross geschrieben.
Ist es korrekt, Besetzungen als politischen Protest zu sehen?
Fabio S.: Man kann es Protest nennen. Eine Besetzung ist meistens
mehr als das: Ein Versuch, etwas anderes zu machen. Es geht um
alternative Wohnformen, um alternatives Zusammenleben, um den Erhalt
von Liegenschaften. Dabei steht die Wahrnehmung durch Medien, Parteien
oder NGOs eher im Hintergrund. Besetzen bedeutet: Wir machen hier und
jetzt, was wir für richtig halten, und kümmern uns nicht um
Fragen der politischen Durchsetzbarkeit unserer Ideen.
In letzter Zeit hört man in Städten, auch in
Zürich, oft von Prozessen der Verdrängung.
Fabio S.: Besetzen ist eine Möglichkeit, sich Raum
zurück zu nehmen, den man sich nicht (mehr) leisten kann. Wer von
uns hat heute die Mittel, in der Innenstadt Zürichs zu leben? Dazu
haben kapitalistische Prozesse geführt. Die Zürcher Regierung
fördert das aktiv, die rot-grünen Politiker gehören
mitunter zur Speerspitze dieser Entwicklung. Zum Teil machen die
grossen Genossenschaften mit bei dieser Politik.
Dennoch hat sich die Politik in Zürich ziemlich
zurückgehalten.
Fabio S.: Durchaus. Die Behörden signalisieren, gegen
Besetzer nichts zu unternehmen, bis der Hausbesitzer ein
rechtskräftiges Bauprojekt vorlegen kann. Zum einen beruht das auf
der Erkenntnis, dass Leerstände in Zeiten der Wohnungsnot
untragbar sind. Gleichzeitig sind Besetzungen aber auch ein
"Standortfaktor" geworden.
Wie meinen Sie das?
Fabio S.: Hier werden spannende soziale und künstlerische
Experimente gemacht, die einer Finanzstadt wie Zürich die dringend
benötigte Weltläufigkeit geben. Ein weiterer Fakt wird oft
vergessen: Die Besetzerszene übernimmt auch eine Vielzahl von
sozialen Aufgaben, für die der Staat dann nicht (mehr) aufkommen
muss. Dazu gehören etwa Übernachtungsmöglichkeiten
für Menschen, die sonst obdachlos wären.
Ist der Hausbesitzer den Besetzern egal?
Fabio S.: Das hängt vom rechtlichen und politischen Rahmen
ab. Grundsätzlich gilt, dass wir Besitzenden das Recht absprechen,
Wohnraum leerstehen zu lassen. Im aktuellen Fall wäre man aber
durchaus bereit gewesen zu verhandeln. Oft werden sogenannte
Gebrauchsleihverträge abgeschlossen. Darin sind Haftungsfragen
oder das Bezahlen von Wasser und Strom geregelt.
Was droht im Konfliktfall?
Fabio S.: Wenn ein Vertrag ausgehandelt ist, wird er in der Regel
eingehalten. Oft dulden die Besitzer eine Besetzung. Und, wie gesagt:
Die Städte weigern sich im Normalfall, etwas gegen die Besetzer zu
machen, solange es kein Neu- oder Umbauprojekt gibt. Die Besetzer sind
pragmatisch genug, um zu erkennen, dass es nur in Ausnahmefällen
sinnvoll ist, ein Haus zu verteidigen. Darum haben sie das Hotel
Atlantis geräumt - und ziehen weiter.
---
Tagesanzeiger 10.11.10
Besetzer sind aus dem Atlantis abgezogen
Das ehemalige Luxushotel in Zürich ist geräumt und wird
jetzt notdürftig saniert. Am Samstag ziehen die ersten 20
Studenten ein.
Von Stefan Hohler und Simon Eppenberger
Zürich - In der Nacht auf Dienstag haben die Besetzer das
ehemalige Hotel Atlantis friedlich verlassen. Damit hielten sie die
Frist ein, die ihnen die Polizei gestellt hat, nachdem der neue Mieter
des leer stehenden Komplexes Strafanzeige eingereicht hatte. Wenn die
Besetzer nicht abgezogen wären, hätten sie mit einer
Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs zu rechnen gehabt.
Die Stadtpolizei erklärte, die Hausbesetzer hätten die
Liegenschaft in einem ordentlichen Zustand zurückgelassen. Werner
Hofmann, der Unternehmer und neue Mieter, bestätigte diese
Aussage. Es seien zwar rund vier, fünf Kubikmeter Abfall
übrig geblieben: Matratzen, Einrichtungsgegenstände und
Basteleien. Zu gröberen Sachbeschädigungen sei es aber nicht
gekommen. "Ich bin happy, dass die Besetzung ohne Problem und Gewalt
über die Bühne ging." Ein Besetzer hatte noch die
Feuernottaste gedrückt und damit einen Feuerwehreinsatz provoziert.
Hofmann wird für die Kosten des Einsatzes aufkommen, ebenso
für die Entsorgung des Abfalls. Die Besetzer liessen einen
Abschiedsbrief an Hofmann zurück: "Lieber Werner, für uns
alle war das eine sehr intensive Zeit. Du warst für uns ein
inspirierender und offener Gesprächspartner." Hofmann sagte, er
nehme den Brief ernst, obwohl er wisse, dass nicht alle der Besetzer so
denken wie der Briefschreiber: "Aber die Vernunft hat obsiegt." Hofmann
hat den am Montag gestellten Strafantrag, der zum Ultimatum der Polizei
führte, wieder zurückgezogen.
Auch Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei Zürich, ist
zufrieden mit dem Abzug: "Unsere Praxis im Umgang mit Hausbesetzern hat
sich bewährt. Der diplomatische Weg ist der richtige." Cortesi ist
froh, dass es nicht zu einer Konfrontation gekommen ist.
100 Bewerbungen für Zimmer
In den kommenden Wochen will Hofmann eine halbe Million Franken
in die einfache Renovation des Hotels investieren. Er ist
überzeugt, dass die rund 160 Studentenzimmer bis Mitte Dezember
bezugsbereit sind: "Wir sind auf der Zielgeraden." Am kommenden Samstag
würden die ersten 20 Studenten einziehen. Er habe bis jetzt schon
über 100 Anmeldungen.
Werner Hofmann geht davon aus, dass die Studentenwohnungen in den
nächsten vier Jahren bestehen bleiben. Die Besitzerin des
Gebäudes will im ehemaligen Hotel Eigentumswohnungen einbauen.
---
NZZ 10.11.10
Hotel-Besetzer in Zürich abgezogen
Polizei findet "Atlantis" leer vor
fbi. · Die Besetzer des ehemaligen Nobelhotels Atlantis
haben dieses freiwillig verlassen. Die Zürcher Stadtpolizei fand
das Gebäude am Dienstagmorgen bei einer Kontrolle nach Ablauf des
Ultimatums leer vor. Die Hausbesetzer hätten die Liegenschaft in
ordentlichem Zustand zurückgelassen. Nur
Einrichtungsgegenstände sowie Abfall und Basteleien seien nach
mehr als zweiwöchiger Besetzung von den Aktivisten
zurückgeblieben.
Da bis am Montag keine Einigung zwischen dem Mieter des
Gebäudes, Unternehmer Werner Hofmann, und den Besetzern zustande
gekommen war, stellte Hofmann Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs.
Die Stadtpolizei hatte den Besetzern daraufhin eine Frist zur
Räumung des "Atlantis" gesetzt. In letzter Konsequenz hätte
eine polizeiliche Räumung gedroht. Bereits in Kürze sollen
die ersten Studierenden als Untermieter einziehen.
---
BZ 10.11.10
Hotelbesetzer sind abgereist
Atlantis ist leer Die Besetzer des ehemaligen Zürcher
Fünfsternehotels Atlantis haben die Liegenschaft verlassen.
Die Besetzer des ehemaligen Hotels Atlantis in Zürich haben
das Feld geräumt. Die Zürcher Stadtpolizei fand das
Gebäude gestern Morgen bei einer Kontrolle nach Ablauf des
Ultimatums leer und in "einem ordentlichen Zustand" vor, wie sie in
einer Mitteilung schreibt.
Zweieinhalb Wochen ist es her, dass mehrere Personen das leer
stehende Hotel am Fusse des Uetlibergs besetzt hatten. Mit dieser
Aktion forderten sie Raum für kulturelle und soziale Projekte.
Günstiger Wohnraum
Der Unternehmer Werner Hofmann hat allerdings andere Pläne:
Er will im Atlantis in einer Übergangszeit günstigen Wohnraum
für Studierende und Lehrlinge anbieten.
Den Besetzern bot er für ihre Anliegen einen Saal zur
Nutzung an sowie Zimmer zum Mieten. Die Besetzer fanden aber, ihre
Projekte liessen sich nicht in dem von ihnen vorgesehenen Rahmen
realisieren. Da bis am vergangenen Montag keine Einigung zwischen
Vermieter und Besetzern zustande gekommen war, reichte Werner Hofmann
schliesslich Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs ein.
Die Polizei setzte den Besetzern eine Frist bis gestern zum
Verlassen des Gebäudes. Bereits in Kürze sollen die ersten
Studierenden als Untermieter einziehen.
Einst für Asylsuchende
Das Hotel Atlantis war Ende der 1960er-Jahre erbaut worden und
galt lange Zeit als Topadresse in Zürich. Ende Oktober 2004 wurde
es geschlossen und stand lange Zeit leer. Zwischen Anfang 2009 und
Mitte 2010 wurde das Hotel von der Stadt als Unterkunft für rund
200 Asylsuchende genutzt. Bis zur Besetzung am 22. Oktober stand es
erneut leer.
Die Liegenschaft ist im Besitz der Neue Hotel Atlantis AG, einer
Tochtergesellschaft der Rosebud Hotel Holding in Luxemburg. Geplant
ist, auf einer Gesamtfläche von 10 000 Quadratmetern siebzig
Eigentumswohnungen zu erstellen.
Bis zum Vorliegen einer Baubewilligung für den Umbau wird
das Gebäude nun von Werner Hofmann gemietet und zimmerweise an
Studierende oder Lehrlinge untervermietet.
sda
---
Schweiz Aktuell 9.11.10
Wohltäter oder kühler Rechner?
Die Besetzer des ehemaligen Zürcher Hotel Atlantis haben nach
Ablauf des Ultimatums die Liegenschaft verlassen. Jetzt will Werner
Hofmann Studentenwohnungen einrichten. Wer ist Unternehmer Hofmann?
http://videoportal.sf.tv/video?id=d8c8d89b-8c97-4243-aeda-52ef7891728c
---
Blick am Abend 9.11.10
Atlantis-Besetzer ausgezogen
ZÜRICH. Die Besetzer haben das Hotel Atlantis gestern
verlassen - Mieter Werner Hofmann ist erleichtert: "Ich bin
überglücklich, dass sie friedlich abgezogen sind", so Hofmann
und zeigt sich sichtlich gerührt über den freundlichen
Abschiedsbrief und die lobenden Sprayereien im Hotel. Ein Sprecher der
Besetzer sagt, sie hätten wegen der Räumungsdrohung der
Polizei das Feld geräumt: "Wir wollten keine Anzeigen riskieren."
Hofmann selbst ist voller Tatendrang, interessierte Studenten rennen
ihm die Bude ein: "Es haben sich über 100 Personen bei uns
gemeldet." Deshalb organisiert der Bauunternehmer diesen Samstag
zwischen 10 und 14 Uhr eine Hausbesichtigung. "Die ersten Studenten
können dann ihre Zimmer reservieren", sagt der Bauunternehmer.
Zudem suche er "einen jungen Manager", der die Student Box, wie er das
Studenten-Hotel künftig nennt, führen möchte. tor
--
tagesanzeiger.ch 9.11.10
Atlantis-Besetzer feierten - und kapitulierten
Simon Eppenberger
Gestern liessen die Atlantis-Besetzer die letzte Party im Hotel
steigen. Dann verliessen sie die Räume. Der Mieter ist erfreut -
und hofft, die Zimmer vier Jahre lang vermieten zu können.
Gestern um 20 Uhr stieg im besetzten Hotel Atlantis eine laute
Party. Die Besetzer luden zum letzten Fest, denn die letzte Frist
rückte näher: Bis heute um 12 Uhr gab die Stadtpolizei den
unbeliebten Gästen Zeit, das Hotel zu verlassen. Danach
hätten die Beamten die Räume mit einem Grossaufgebot
geräumt.
Doch die Besetzer sind freiwillig aus dem Atlantis ausgezogen.
Sie haben dem Mieter Werner Hofman einen Abschiedsbrief geschrieben.
"Lieber Werner, für uns alle war das eine sehr intensive Zeit. Du
warst für uns ein inspirierender und offener
Gesprächspartner." Obwohl die Besetzer scheinbar ein gutes
Verhältnis mit Werner Hofmann hatten, dürften diese Zeilen
ironisch gemeint sein. An eine Wand ist ein gelbes Herz geschmiert, in
der Mitte steht "Werner".
"Our narcism is viewable from space"
Nach der Party stinkt es in den Räumen nach Alkohol, Rauch
und Müll. Eine Scheibe ist eingeschlagen, Wände verschmiert,
da und dort hat die Einrichtung Blessuren abbekommen. Werner Hofmann
ist jedoch erleichtert, dass es nicht zu grösseren Schäden
gekommen ist. "Ich bin happy, dass die Besetzer das Gebäude in
diesem Zustand hinterlassen haben", sagt er gegenüber
Tagesanzeiger.ch.
Auch Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei Zürich,
äussert sich zufrieden zum Abzug: "Die Praxis im Umgang mit
Hausbesetzern hat sich bewährt. Der diplomatische Weg ist der
richtige." Cortesi ist froh, dass es nicht zu einer Konfrontation
gekommen ist. "Die Polizei setzte eine Frist bis zwölf Uhr. Danach
wäre das Hotel rasch geräumt worden."
Wohnungen für vier Jahre
Zurück bleiben eine grössere Menge Hinterlassenschaften
wie Einrichtungsgegenstände, Abfall und Basteleien. Etwa die
Nachbildung einer Heckflosse eines Flugzeugs, auf der "Our narcism is
viewable from space" geschrieben steht. Zu Deutsch: Unser Narzissmus
ist vom Weltraum aus sichtbar. Diese haben die Besetzer an die
Mündung des Döltschiwegs abgestellt, an der das Hotel
Atlantis liegt.
In den kommenden Wochen will Hofmann eine halbe Million Franken
in die einfache Renovation des Hotels investieren. Die Besetzer
rechneten ihm vor, dass sich diese Investition nicht lohnt, wenn in
eineinhalb Jahren die angekündigten Eigentumswohnungen realisiert
werden sollen. Doch Hofmann geht davon aus, dass die 160
Studentenwohnungen in den nächsten vier Jahren bestehen bleiben,
wie er gegenüber Tagesanzeiger.ch sagt.
---
Tagesanzeiger 9.11.10
Strafanzeige gegen die Besetzer des Hotels Atlantis eingereicht
Die Hotel-Atlantis-Besetzer haben das Ultimatum von Mieter Werner
Hofmann verstreichen lassen. Nun wird das Gebäude von der Polizei
geräumt.
Von Stefan Hohler
Zürich - Am Montagmorgen um 7 Uhr hätten die Besetzer
den von Werner Hofmann vorbereiteten Vertrag unterschreiben
müssen. Doch zum verabredeten Zeitpunkt erschien ausser Presse und
Handwerkern niemand. "Die Leute haben eine Riesenchance verpasst",
sagte der sichtlich enttäuschte Werner Hofmann, "ich weiss nicht,
was in ihren Köpfen vorgeht."
Hofmann, der Mieter des Hotelkomplexes, hätte den Besetzern
den rund 300 Quadratmeter grossen Gartensaal für kulturelle und
soziale Projekte überlassen. Er wäre auch für die
Wasser-, Strom- und Heizkosten aufgekommen. Im Gegenzug hätten
drei namentlich genannte Besetzer einen Vertrag mit klaren Richtlinien
unterschreiben und die Verantwortung übernehmen müssen. Wie
bereits angekündigt, reichte Hofmann bei der Stadtpolizei einen
Strafantrag ein. Das Papier unterzeichnete er vor laufender Kamera noch
im Hotel.
Nun dürfte es zu einer Räumung durch die Polizei
kommen, denn die Bedingungen dazu sind erfüllt. Laut Marco
Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei Zürich, werde man das
Gespräch mit den Besetzern suchen und ihnen eine vernünftige
Frist zum Verlassen des Hotels setzen. Wer sich dann widersetzt, muss
mit einem Verfahren wegen Hausfriedensbruch rechnen.
Ein Mitglied der "Familie Donovan" - so nennen sich die Besetzer
- kam nach dem Ultimatum kurz aus dem Raum, wo sie sich eingerichtet
haben. Gegenüber Werner Hofmann machte er klar, dass mit einem
freiwilligen Auszug nicht zu rechnen sei. "Die Polizei muss uns sagen,
wann wir draussen sein müssen", meinte er lakonisch. Nach einem
kurzen Handshake mit Hofmann begab er sich in den besetzten Raum
zurück.
Später erklärte ein Sprecher der "Familie Donovan"
gegenüber Tagesanzeiger.ch, warum man auf das Ultimatum und den
Vertrag nicht eingegangen sei. Die Vertragsbedingungen hätten die
Fortsetzung des ursprünglichen Projekts verunmöglicht. "Im
Gartensaal hätten sich nur elf Personen gleichzeitig aufhalten
dürfen, und der Raum wäre nur montags bis samstags von 8 bis
20 Uhr benutzbar gewesen." Damit sei das Haus nicht mehr für die
Öffentlichkeit zugänglich gewesen.
Bis Mitte Dezember vermietet
Hofmann will den Umbau nun zügig vor-antreiben. Am Samstag
sollen die ersten 20 bis 30 neuen Mieter einziehen. Am gleichen Tag
findet im Gartensaal ein Flohmarkt statt, an dem das Hotelinventar
zugunsten einer wohltätigen Institution verkauft wird. Bis Mitte
Dezember sollen die 150 Studentenzimmer vollständig belegt sein.
Der Mietpreis pro Zimmer beträgt 350 Franken, dazu kommen
50 Franken für Nebenkosten.
Das Hotel Atlantis oberhalb des Triemli war von Januar 2009 bis
August 2010 als Unterkunft für Asylsuchende genutzt worden. Am 22.
Oktober wurde es dann von Aktivisten besetzt.
---
NZZ 9.11.10
Strafanzeige gegen Besetzer eingereicht
Hotel Atlantis wird wohl geräumt
fbi. · Die Besetzer des einstmals renommierten Hotels
Atlantis und der Mieter der Liegenschaft, Unternehmer Werner Hofmann,
haben am Montagmorgen die Verhandlungen ohne Einigung abgebrochen.
Hofmann hat daraufhin eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch
eingereicht. Es wird nun immer wahrscheinlicher, dass das Gebäude
polizeilich geräumt wird. Wie der Medienverantwortliche der
Stadtpolizei Zürich, Marco Cortesi, auf Anfrage sagt, sind die
Bedingungen in diesem Fall erfüllt. Die Polizei werde mit den
Besetzern das Gespräch suchen und ihnen eine Frist zur
Räumung des Gebäudes setzen.
Das "Atlantis" wird seit mehr als zwei Wochen von den Aktivisten
besetzt gehalten. Sie fordern das Hotelgebäude als Raum für
kulturelle und soziale Projekte. Werner Hofmann dagegen will im
ausgedienten Hotel günstigen Wohnraum für Studierende und
Lernende schaffen. Wie Hofmann sagt, hat er den Besetzern einen Saal
zur Nutzung angeboten. Die Besetzer seien jedoch mit den
Vertragsbedingungen nicht einverstanden gewesen. Hofmanns Projekt ist
zeitlich befristet. Anstelle des Hotels plant die Besitzerin, die
luxemburgische Rosebud Hotels Holding, 70 Eigentumswohnungen. Die
Zwischennutzung soll so lange dauern, bis das Baubewilligungsverfahren
mit der Stadt abgeschlossen ist. Hofmann hofft, dass seine Firma
dereinst die Sanitär- und Heizungsinstallationen beim
Wohnbauprojekt durchführen kann. Er habe dies per Handschlag mit
dem Vertreter der Besitzer vereinbart.
Das Hotel Atlantis war 1970 eröffnet worden und galt lange
als Topadresse in Zürich. Mitte der neunziger Jahre setzte jedoch
der Niedergang ein, und 2004 wurde das Hotel geschlossen. Nachdem das
Gebäude lange leer gestanden war, diente es von Anfang 2009 bis im
August dieses Jahres als Übergangszentrum für Asylsuchende.
---
Limmattaler Tagblatt 9.11.10
"Atlantis"-Besitzer masslos enttäuscht
"Atlantis" Die Besetzer haben die Frist verstreichen lassen.
Jetzt räumt die Polizei das ehemalige Hotel
Caroline Bossert
Noch eine Chance wollte Werner Hofmann aus Buchs (ZH), Mieter des
Hotels Altantis in Zürich, den Besetzern geben. Den Gartensaal des
Hotels wollte er der "Familie Donovan" für kulturelles Schaffen
überlassen - und das unentgeltlich. Den Vertrag, der die
Hausordnung festhält, hatte er bereits mit seinem Anwalt
ausgearbeitet und der Gruppe übergeben. Gestern früh um 7 Uhr
hätten die Besetzer ihn unterschreiben oder das Hotel räumen
sollen. Diese aber liessen die Zeit verstreichen und Hofmann vor der
Tür stehen. Erst als der Buchser Unternehmer die Besetzer aus
ihren Räumen herausklopfte, erklärte ihm Besetzer "Werner"
kurz, dass die "Donovans" den Vertrag ablehnen und weiterhin im Hotel
bleiben werden.
"Ich bin massivst enttäuscht", erklärt Werner Hofmann.
"Ich habe gehofft, dass es wenigstens zu einem Gespräch kommt. So
haben die Besetzer ihre letzte Chance auf einen Kulturraum verspielt."
Einen Saal gebe es ab nun nicht mehr, auch wenn die Besetzer noch
einlenken. Hofmann unterzeichnete daraufhin vor laufenden Kameras den
Strafantrag und ging damit auf den nächsten Polizeiposten. Nun
stellt die Stadtpolizei den Besetzern ein Ultimatum. "Wir werden die
Liegenschaft innerhalb der nächsten Tage räumen", sagt
Polizeisprecher Marco Cortesi.
Übernachten und feiern verboten
"Die Forderungen waren für uns inakzeptabel", erklärt
ein Besetzer. Die Vereinbarung hielt fest, dass sich höchstens elf
Leute gleichzeitig im Saal hätten befinden dürfen und dieser
nur von montags bis samstags zwischen 8 und 20 Uhr hätte genutzt
werden können. Übernachtungen wären verboten gewesen.
Auch untersage der Vertrag kulturelle Anlässe und Feste. "Die
Öffentlichkeit wäre von unserem Projekt ausgeschlossen
gewesen", hält der Besetzer weiter fest. Die Donovans
kündigten an, dass sie sich gegen eine Räumung wehren werden.
In welcher Form sei aber noch unklar.
Unterdessen sind weiterhin 40 Handwerker damit beschäftigt,
die 150 Zimmer für die ersten Studenten herzurichten. Ob die
Zimmer nun tatsächlich möbliert werden, ist noch unklar.
"Mein Sohn wies mich darauf hin, dass die meisten Studenten wohl lieber
in ihren eigenen Betten schlafen", führt Hofmann aus.
Studenten wollen einchecken
Diesen Samstag sollen bereits bis 30 Studenten "einchecken"
können. Bis zum 15. Dezember soll das Hotel komplett bezugsbereit
sein. Zudem findet diesen Samstag im Gartensaal ein Flohmarkt mit altem
Geschirr, Dekorationen und Möbeln aus dem ehemaligen Luxushotel
statt. Den Erlös spendet Hofmann der Stiftung für cerebral
Gelähmte in Dielsdorf.
---
Landbote 9.11.10
Die Besetzer lassen es drauf ankommen
Die "Atlantis"-Besetzer haben ein weiteres Angebot vom neuen
Mieter ablaufen lassen. Nun dürfte es zur Räumung durch die
Polizei kommen.
Zürich - Der Unternehmer Werner Hofmann will im ausgedienten
Hotel Atlantis möglichst bald günstigen Wohnraum für
Studierende und Lehrlinge anbieten. Die ersten 20 bis 30 Zimmer sollen
Ende Woche bezugsbereit sein. Mitte Dezember sollen sämtliche
Zimmer renoviert sein. Zudem sollen auch Anlässe durchgeführt
werden.
Vernissagen nicht möglich
Den Besetzern bot Hofmann für ihre Anliegen einen Saal zur
Nutzung an sowie Zimmer zum Mieten. Mit seinem Angebot waren die
Besetzer jedoch nicht einverstanden, da es die Realisierung ihrer
kulturellen und sozialen Projekte nicht in dem von ihnen vorgesehenen
Rahmen ermöglichen würde. Der Vertrag, den ihnen Hofmann am
Wochenende zugeschickt habe, sehe lediglich die Nutzung des
Gartensaales im Erdgeschoss vor. Dieser stünde maximal zehn bis
elf Leuten zur Verfügung, sei nicht öffentlich
zugänglich und von 20 bis 8 Uhr geschlossen. Öffentliche
Vernissagen beispielsweise wären somit nicht möglich, sagten
die Besetzer. Ihr ganzes Konzept von Workshops, kulturellen
Anlässen und sozialen Projekten, an denen sich rund 150 Leute
beteiligen könnten, die grossteils auch im "Atlantis" wohnen
würden, wäre somit nicht umsetzbar.
In der Stadt Zürich wird eine besetzte Liegenschaft
geräumt, wenn eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet
wurde. Zudem muss entweder eine Abbruch- oder eine Neubau-
beziehungsweise Umbaubewilligung vorliegen. Im vorliegenden Fall seien
nun die Bedingungen für eine Räumung erfüllt, sagte
Medienchef Marco Cortesi von der Stadtpolizei auf Anfrage. Die Polizei
werde nun das Gespräch mit den Besetzern suchen und ihnen eine
vernünftige Frist zum Packen und zum Verlassen des Hotels setzen.
Das "Atlantis" war Ende der 1960er-Jahre als Fünfsternehotel
erbaut worden. Ende Oktober 2004 wurde es geschlossen. Von Januar 2009
bis August 2010 nutzte es die Stadt als Unterkunft für rund 200
Asylsuchende, dann stand es wieder leer. Am 22. Oktober wurde es es
dann von Aktivisten besetzt.
Hofmanns Projekt dient als Zwischennutzung. Die Besitzerin des
Hotels, die Rosebud Hotels Holding in Luxemburg, möchte
Eigentumswohnungen im ehemaligen "Atlantis" bauen, sobald das
Baubewilligungsverfahren mit der Stadt durch ist. (sda)
---
20 Minuten 9.11.10
Atlantis: Polizei setzt Frist bis heute Mittag
ZÜRICH. Bis heute Mittag müssen die Besetzer das
Atlantis verlassen haben - oder die Polizei wird das frühere
Luxushotel räumen. Dies sagte ein Sprecher der Besetzer gestern zu
20 Minuten. Stadtpolizei-Medienchef Marco Cortesi will den Zeitpunkt
des Ultimatums weder bestätigen noch dementieren. Er sagt: "Wir
haben die Frist so gesetzt, dass den Besetzern genügend Zeit
bleibt, ihre Sachen abzutransportieren." Falls sie trotzdem bleiben,
wird das Haus laut Cortesi "sehr schnell" geräumt. Die Besetzer
geben an, nun von sich aus zu gehen: "Der Polizeigewalt haben wir ja
wenig entgegenzusetzen", sagt ihr Sprecher. Atlantis-Mieter Werner
Hofmann hat gestern Anzeige wegen Hausfriedensbruch eingereicht,
nachdem die Besetzer sein letztes Angebot ausgeschlagen hatten.
"Schade, dass sie darauf nicht eingegangen sind", so Hofmann. rom
---
Schweiz Aktuell 8.11.10
Ultimatum abgelaufen
Zwischen den Besetzern des ehemaligen Zürcher Hotel Atlantis und
dem Mieter ist keine Einigung zustande gekommen. Werner Hofmann hat
daraufhin eine Strafanzeige eingereicht. Jetzt droht eine Räumung
durch die Polizei.
http://videoportal.sf.tv/video?id=c9eda5e8-fe26-4cf7-acd0-7a6e769691f9
---
tagesanzeiger.ch 8.11.10
Anzeige gegen Atlantis-Besetzer - Räumung "in den nächsten
Tagen"
Christoph Landolt
Die Besetzer haben das letzte Angebot von Werner Hofmann
ausgeschlagen. Jetzt stellt die Polizei ein Ultimatum.
Seit mehr als zwei Wochen ist das ehemalige Hotel Atlantis
besetzt. In dieser Zeit hat der Mieter der Liegenschaft, Werner
Hofmann, den Besetzern mehrere Kompromissangebote unterbreitet. Heute
Montagmorgen um 7 Uhr hätte ein Vertreter der "Familie Donovan"
einen Mietvertrag für den sogenannten Gartensaal unterzeichnen
sollen. "Die Besetzer hätten diesem Raum unentgeltlich für
kulturelle Zwecke nutzen dürfen", erklärt Hofmann
gegenüber Tagesanzeiger.ch.
Damit seien jedoch auch Pflichten verbunden gewesen. So
hätten die Betreiber den Saal einrichten müssen oder das
Übernachten wäre nicht gestattet gewesen. Als Hofmann aber um
7 Uhr an die Tür der besetzten Räumlichkeiten klopfte,
öffnete niemand. Dann beschied ein Besetzer namens "Werner", dass
sie nicht auf die Vertragsbedingungen eingehen wollten.
Besetzer mit Bedingungen nicht einverstanden
Ein Sprecher der Familie Donovan erklärte gegenüber
Tagesanzeiger.ch, die Vertragsbedingungen hätten die Fortsetzung
des ursprünglichen Projekts verunmöglicht. "Im Gartensaal
hätten sich nur elf Personen gleichzeitig aufhalten dürfen
und der Raum wäre nur Montag bis Samstag von 8 bis 20 Uhr
benutzbar gewesen." Damit sei das Haus nicht mehr für die
Öffentlichkeit zugänglich gewesen.
Hofmann widerspricht: Die Besetzer hätten den
Vertragsentwurf bereits gestern bekommen, eine Reaktion sei aber
ausgeblieben. "Wir hätten doch darüber reden können."
Die Bedingungen seien verhandelbar gewesen. Der Dialog mit den
Besetzern sei aber schwierig: "Jedes Mal kommt ein anderer. Die haben
null Konzept."
Räumung in den nächsten Tagen
Vor laufenden Kameras unterzeichnete Hofmann einen Strafantrag
wegen Hausfriedensbruchs. "Nun muss die Polizei handeln", sagt Hofmann.
Er gehe davon aus, dass das Atlantis nun schnell geräumt werde.
Von Seite der Polizei seien mit dem Einreichen des Strafantrags
nun sämtliche Bedingungen erfüllt, um die Besetzung
aufzulösen, sagt Marco Cortesi, Medienchef der Zürcher
Stadtpolizei. Man werde nun Kontakt mit den Besetzern aufnehmen und
ihnen eine Frist zum Verlassen des Gebäudes setzen. Die
Räumung werde aber sicher nicht mehr heute stattfinden,
erklärt Cortesi. "Das wird irgendwann in den nächsten Tagen
passieren."
---
Blick am Abend 8.11.10
Besetzer gehen auf Konfrontation
ATLANTIS
Ein Angebot wurde in den Wind geschlagen. Nun ist die Polizei am
Zug.
andrea.schmits@ringier.ch
Der neue Mieter des Hotel Atlantis, Werner Hofmann, hat heute
Morgen Strafanzeige gegen die Besetzer eingereicht. Zuvor hatten diese
erneut eine Frist zur Räumung des Gebäudes verstreichen
lassen. Die Besetzer hätten heute um sieben Uhr morgens einen
Vertrag unterzeichnen können, der ihnen die Nutzung eines Raumes
im Hotel Atlantis erlaubt hätte - gratis. Dieses Angebot war den
Besetzern aber nicht gut genug. Mit dem von Hofmann angebotenen
Nutzungsvertrag könne ihr Projekt nicht umgesetzt werden, sagten
sie. Der Vertrag sehe lediglich die Nutzung des Gartensaals im
Erdgeschoss vor. Dieser stünde maximal elf Leuten zur
Verfügung, sei nicht öffentlich zugänglich und von 20
bis 8 Uhr geschlossen. Öffentliche Vernissagen wären somit
nicht möglich, sagten die Besetzer. Ihr ganzes Konzept von
Workshops, kulturellen Anlässen und sozialen Projekten wäre
also nicht umsetzbar.
Hofmann, der im Hotel Atlantis vorübergehen günstige
Studentenzimmer einrichten will, ist der Geduldsfaden mit dieser
Erklärung gerissen. "Ich habe den Strafantrag noch im Atlantis
unterzeichnet und ihn dann auf der Polizeiwache abgegeben", sagt
Hofmann zu Blick am Abend. Stapo-Sprecher Marco Cortesi bestätigt:
"Die Besetzer haben nun eine Frist von einigen Tagen, um das Haus zu
räumen, sonst machen sie sich strafbar."
--
Die Besetzer hätten einen Raum gekriegt.
"Ein fieser Versuch"
Die Gruppe "Unsereuni", solidarisiert sich mit den Besetzern des
Hotel Atlantis. Hofmanns Vorhaben, dort für einige Zeit Studenten
wohnen zu lassen, sei ein "fieser Versuch, sich als Wohltäter zu
inszenieren", schreibt die Gruppe in einer Mitteilung. In der Stadt
Zürich würden systematisch politisch-kulturelle
Freiräume verdrängt.
---
20 Minuten 8.11.10
Atlantis: Räumung?
Zürich. Wenn die Besetzer des Hotels Atlantis bis heute
Mittag nicht ausgezogen sind, will der Mieter der Liegenschaft, Werner
Hofmann, Strafantrag stellen. Dann droht die polizeiliche Räumung.
Dies sagte Hofmann gestern gegenüber Radio DRS.
---
Tagesanzeiger 6.11.10
Wenig Chancen für Besetzer
Hohler Stefan
Die Bedingungen für eine Räumung des Atlantis sind laut
Stadtpolizei gegeben.
Bis Montag um 7 Uhr müssen die Besetzer des ehemaligen
Hotels Atlantis im Triemli dem Mieter Werner Hofmann einen
unterschriftbereiten Vertrag mit Nutzungskonzept unterbreiten.
Ansonsten droht er mit einer Räumung. Dies hat er gegenüber
den Medien deutlich gemacht. Laut Marco Cortesi, Medienchef der
Stadtpolizei, räumt die Polizei ein besetztes Haus unter folgenden
zwei Bedingungen: Der Mieter oder Hausbesitzer muss einen Strafantrag
stellen. Zudem muss einer der drei Sachverhalte erfüllt sein:
wenn eine rechtskräftige Abbruch- oder Baubewilligung
vorliegt,
wenn die Besetzung die Sicherheit von Menschen oder
denkmalgeschützten Einrichtungen gefährdet.
wenn eine rechtmässige Neunutzung belegt werden kann.
Laut Cortesi sind im Fall des Atlantis die rechtlichen
Voraussetzungen gegeben. Hofmann habe mit den geplanten
Studentenzimmern eine Nachmieterschaft gefunden. Die Stadtpolizei werde
nach Einreichung des Strafantrages den Besetzern eine Frist anberaumen.
Wenn sie die Liegenschaften bis dahin nicht freiwillig verlassen, wird
das Gebäude geräumt. Den Besetzern droht eine Anzeige wegen
Hausfriedensbruchs.
In einer Medienmitteilung solidarisiert sich der Verein
"Unsereuni" mit den Aktivisten. Das propagierte Vorhaben des
Grossmieters Werner Hofmann, für einige Zeit Studierende dort
wohnen zu lassen, sei ein fieser Versuch, sich als "Wohltäter" zu
inszenieren. (hoh)
--
Limmattaler Tagblatt 6.11.10
Atlantis "Unsereuni" stellt sich hinter Besetzer
Da in der Stadt Zürich systematisch politisch-kulturelle
Freiräume, "die nicht der Verwertungslogik des Kapitals folgen",
verdrängt würden, stellt sich die Bewegung "Unsereuni" hinter
die Besetzer des Hotels Atlantis in Zürich. Die Besetzung setze
ein Zeichen. Hotel-Mieter Werner Hoffmann wolle sich lediglich als
"Wohltäter" inszenieren und damit die Besetzung des Hotels
verhindern. Die tatsächliche Absicht sei, dass beim späteren
Umbau des "Atlantis" zu teuren Eigentumswohnungen seine Firma die
Sanitäreinrichtungen mit einem Millionenertrag bauen könne,
heisst es in einer Mitteilung. (az)
---
Schweiz Aktuell 4.11.10
Verhärtete Fronten
Seit heute morgen um 7 Uhr ist die Sanierung des ehemaligen Hotel
Atlantis voll im Gange. Die autonomen Besetzer jedoch wollen trotz
laufenden Bauarbeiten nicht ausziehen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=2cb94d2b-abdf-406a-a900-c5face0d7a76
---
Schweiz Aktuell 3.11.10
Ultimatum an Besetzer
Ein Zürcher Unternehmer hat das ganze Hotel Atlantis Sheraton
gemietet. Nun stellt er den Besetzern ein Ultimatum: Als Mieter zu
bleiben oder auszuziehen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=db6caa30-fedb-4c80-a837-d94acf6e3d63
----------------------------------
KULTURSTREIK GE
-----------------------------------
Hotelrevue 11.11.10
Des solutions pour les noctambules
Le Conseil d'Etat de Genève a annoncé vendredi la
mise à disposition d'un nouveau lieu culturel et festif au
centre-ville pour décharger l'Usine ainsi que la
réouverture partielle du Moa Club, à Vernier. Le
gouvernement va libérer si possible une surface de 4000
mètres carrés dans un ancien bâtiment industriel.
La grève lancée le week-end dernier est suspendue.
L'Usine, avait tiré la sonnette d'alarme il y a deux ans. Quant
au Moa, les aspects sécuritaires sont désormais
maîtrisés, assure le gouvernement.
---
Le Matin 6.11.10
Noctambules soulagés
TournantRetour à "la normale" pour les nuits genevoises:
le MOA peut rouvrir et l'Usine stoppe provisoirement son mouvement de
grève.
Fermé le 8 octobre dernier par les
autorités cantonales genevoises, le MOA ouvre de nouveau ses
portes ce soir. C'est le Tribunal administratif qui a
débloqué la situation hier en accordant un effet
suspensif contre la cessation des activités de la
discothèque de Vernier. Mis en cause pour sa
sécurité, le MOA a réussi finalement à
produire dans son recours un préavis favorable de la police du
feu… Le tribunal reconnaît aussi l'intérêt public
à sa réouverture au regard de la "mise à
disposition de la population de lieux de loisirs. "
unger satisfait
Le conseiller d'Etat Pierre-François Unger, dont
dépend le Service du commerce, se déclarait hier
satisfait de la tournure des événements. D'aucuns avaient
mis en avant sa responsabilité et l'accusaient d'avoir
fermé les yeux sur les problèmes structurels de
l'endroit. La page est tournée, enfin jusqu'à droit
connu, et le lieu peut ouvrir de manière ponctuelle: "Nous ne
donnons pas une autorisation pour un dancing, précise le
magistrat. Les autorisations seront données
régulièrement en fonction de la demande. "
La fermeture du MOA avait lancé la polémique sur le
manque de lieux pour la vie nocturne à Genève, puis
ailleurs en Suisse romande. 5000 personnes avaient manifesté le
10 octobre pour protester contre la fermeture de la
discothèque. Sébastien Corajoud, exploitant du MOA, ne
cachait pas sa grande joie de pouvoir ouvrir de nouveau ce samedi: "La
semaine dernière nous avons fait deux soirées au stade de
la Praille en attirant 4000 personnes. Ce soir, elles pourront revenir
chez nous. "
tous gagnants
Genève ne devrait pas revivre les émeutes nocturnes
du week-end dernier. Le Conseil d'Etat a également fait, hier,
une proposition pour sortir de cette crise. Il va affecter le plus
rapidement possible, dès 2011, des locaux d'une surface de 400
m2au sentier des Saules, à la Jonction. Il donne ainsi une
première réponse concrète à une
résolution urgente votée par le Grand Conseil genevois le
14 octobre. "C'est plus qu'une intention, c'est une
décision", précise Laurent Forestier, responsable de la
communication du Département des constructions, des technologies
et de l'information. Cette décision précise aussi que des
surfaces supplémentaires seront proposées au même
endroit. Mais, comme ces bâtiments sont voués à la
démolition, le Conseil d'Etat assure que de nouveaux lieux
culturels et de vie nocturne devraient émerger dans le
périmètre Praille-Acacias-Vernets.
Quelques heures avant cette communication gouvernementale, le
haut lieu de la vie nocturne genevoise, l'Usine, avait annoncé
qu'il suspendait sa grève de protestation contre le manque de
place pour la vie nocturne. Vendredi dernier, l'Usine et l'Union des
espaces culturels autogérés (UEAC) avaient
mobilisé 2500 personnes pour manifester dans les rues jusque
tard dans la nuit. Sa permanente responsable, Albane Schlechten,
prenait note hier que "des ébauches de solutions ont
été avancées", mais précisait qu'elle se
méfiait des "effets d'annonce". Un retour à la
grève n'est pas exclu.
Evoquant la fin de la grève à l'Usine,
Sébastien Corajoud, du MOA, conclut: "Tout le monde y gagne
finalement dans cette polémique. Mais c'est dommage de devoir en
arriver là pour se faire entendre. "
---
Tribune de Genève 6.11.10
Le cadeau de l'Etat à la jeunesse genevoise
non
Un nouvel espace sera mis à disposition des noctambules
l'an prochain à la Jonction. Et le Moa rouvre ce soir!
Mis sous pression par le mouvement de jeunes Genevois
dénonçant un manque de lieux pour faire la fête, le
Conseil d'Etat a annoncé vendredi l'ouverture d'un nouvel espace
festif en 2011, à la Jonction.
Les noctambules devront patienter quelques mois car le site est
aujourd'hui occupé par le Fonds cantonal d'art contemporain
qu'il faudra déménager avant que les fêtards ne
puissent occuper les lieux; ceux-ci pourront accueillir quelque 1000
personnes, au sentier des Saules.
Le conseiller d'Etat en charge des Constructions, Mark Muller, ne
craint pas une accumulation des nuisances sonores à la Jonction.
Il voit un avantage à la concentration des sites festifs, les
noctambules pouvant se déplacer de l'un à l'autre
à pied. Et le nouvel espace permettra de faire baisser la
pression sur l'Usine, qui doit régulièrement refuser du
monde.
Une bonne nouvelle ne venant jamais seule, le Moa Club a
reçu hier le feu vert pour une réouverture partielle:
sept soirées en novembre, la première ce soir. Et
Weetamix pourrait rouvrir le week-end prochain!Page 12
--
Un nouveau lieu desserrera l'étau autour de la nuit genevoise
Marc Moulin
L'Etat offre aux noctambules 400 mètres carrés
à la Jonction
La nouvelle était dans l'air et se confirme. Un bol
d'oxygène sera donné aux fêtards genevois avec
l'ouverture l'an prochain d'un nouvel espace au 3, sentier des Saules.
Le Conseil d'Etat l'a annoncé hier: le même bâtiment
de la Jonction accueillera à terme davantage d'activités
de loisirs et culturelles. D'une capacité de mille personnes,
l'espace festif promis pour 2011 est sis dans une galette à
l'arrière de l'immeuble. Le Fonds cantonal d'art contemporain,
qui occupe ce lieu trop exigu pour lui, doit d'abord achever son
déménagement à la Praille. Il faudra ensuite
réaliser des travaux d'aménagement et d'isolation, pour
un coût encore inconnu.
"Notre volonté est d'aller le plus vite possible, assure
le conseiller d'Etat chargé des Constructions, Mark Muller. La
décision de justice sur le Moa (voir ci-contre) et cette annonce
doivent contribuer à calmer le jeu. Les jeunes doivent
réaliser qu'on fait le maximum. "
Une gestion "sérieuse"
La décision intervient dans un contexte chargé. La
fermeture des boîtes verniolanes Moa Club et Weetamix, au
début d'octobre, a poussé l'Usine, saturée par la
demande, à se mettre en grève durant deux samedis de
suite, entraînant son public dans des parades festives en ville.
Permanente du centre alternatif, Albane Schlechten se réjouit de
la décision gouvernementale: "L'Union des espaces culturels
autogérés avait repéré ce site dès
le début de l'année, mais on nous disait qu'il
était déjà affecté, note-t-elle. L'effet
d'annonce est positif mais tant que rien n'est signé entre les
autorités et les milieux culturels, nous restons
mobilisés. Notre grève a cristallisé une
mobilisation des associations en quête de lieu et du public: elle
va se poursuivre. " L'Usine reprendra toutefois ses activités
normalement ce week-end.
Pour gérer le nouvel espace festif de la Jonction, Mark
Muller entend entrer en contact avec les milieux alternatifs, mais pas
seulement. "Le caractère autogéré n'est pas pour
moi un but en soi, argue le libéral. Nous allons nous mettre en
quête d'un gérant correct et sérieux, notamment du
point de vue des nuisances et de la sécurité. " Le
magistrat ne craint pas de mettre trop de pression sur la Jonction, qui
a connu Artamis et abrite encore l'Usine. "Nous serons attentifs
à ce que tout se passe bien, assure le ministre. Ce nouveau lieu
devrait faire baisser la pression sur l'Usine et donc soulager ses
riverains. La proximité des sites permet aussi aux gens de se
déplacer à pied de l'un à l'autre, ce qui est
positif en termes de sécurité routière. "
La fête à la Praille
L'immeuble du sentier des Saules pourrait à terme abriter
un second lieu public, ainsi que des activités plus proprement
culturelles, avant d'être démoli pour faire place à
des logements: d'autres sites, notamment à la Praille,
accueilleront alors les fêtards, selon Mark Muller. Pour lui,
l'idée d'implanter des activités nocturnes sous le viaduc
autoroutier de la voie centrale n'est pas la seule piste: "L'Office
fédéral des routes, propriétaire de l'ouvrage,
objecte que la réglementation oblige de laisser libres les
espaces sous les viaducs, pour des raisons de sécurité.
Nous allons voir si des modalités techniques peuvent permettre
cette implantation. "
--
Le Moa triomphe
La justice gèle l'ordre de fermer le Moa et
l'Exécutif autorise le club verniolan, qui rouvre ce soir,
à organiser sept soirées en novembre. Le Tribunal
administratif (TA) a restitué hier l'effet suspensif au recours
de la discothèque contre sa clôture ordonnée par le
Service du commerce (SCom) le 7 octobre. Selon le TA, qui doit encore
se prononcer sur le fond, "l'activité du Moa Club
était,de factoet à première vue, à tout le
moins tolérée par les autorités". Les recourants
ont produit un préavis favorable de la police du feu permettant
"d'affirmer que l'intérêt public relatif à la
sécurité n'est pas touché (…) Cette solution
permet aussi de protéger l'intérêt public visant
à mettre à disposition de la population des lieux de
loisirs. " Le TA dit avoir prié deux fois le SCom de lui fournir
l'intégralité du dossier. En vain. Le greffe du tribunal
s'est vu répondre lundi que "le dossier devait être
trié au niveau du conseiller d'Etat, toutes les pièces ne
pouvant être transmises". Notant les efforts sécuritaires
du club, le département de Pierre-François Unger,
responsable du SCom, accepte une réouverture, mais partielle,
car la loi sur les spectacles et divertissements ne permet que des
activités ponctuelles. Le Moa n'a jamais obtenu sa
régularisation comme dancing permanent. Pour atteindre cet
objectif, il lui manque l'accord du propriétaire des murs, en
litige avec ses locataires. De son côté, Weetamix
espère rouvrir dès vendredi. M. M.
-----------------------------
DEMORECHT ZH
------------------------------
Tagesanzeiger 9.11.10
Das 1.-Mai-Komitee soll für die Chaoten zahlen
Für die Sachschäden nach einer 1.-Mai-Feier müsse
der Veranstalter aufkommen, verlangt eine Initiative.
Von Ruedi Baumann
Zürich - Die abgewählte Gemeinderätin und
Ex-Stapi-Kandidatin Susi Gut hat gestern im Kantonsrat einen
Achtungserfolg erzielt. Das Parlament hat eine Einzelinitiative von ihr
und ihrem PFZ-Kollegen Markus Schwyn mit 80 Stimmen vorläufig
unterstützt. Die Initianten fordern eine
Kostenüberwälzung an die Veranstalter, "wenn es bei
Nachdemonstrationen zu Sachschäden oder zu einem massiven
Polizeieinsatz kommt". Unterstützt wurde die Initiative von Guts
früherer Partei, der SVP, sowie von FDP und EDU. Bis zur
Gesetzesänderung ist es aber noch ein weiter Weg: Zuerst muss sie
der Kantonsrat definitiv unterstützen, und dazu reichen 80 Stimmen
kaum. Bei Sportanlässen müssten die Veranstalter an die
Kosten für Polizeieinsätze bezahlen, bei einer 1.-Mai-Feier
dagegen nicht. Das sei ungerecht, argumentiert Susi Gut, zumal
Nachdemos Kosten in Millionenhöhe verursachten würden.
Gemäss Theo Toggweiler (SVP, Zürich) tragen die Veranstalter
eine Mitschuld, weil sie die Chaoten "anstacheln" würden. Auch
Beat Badertscher kritisierte, dass sich die Veranstalter zu wenig
glaubhaft von den Randalierern distanzierten. Für Heinz Kyburz
(EDU, Männedorf) trägt sogar die Stadt Zürich eine
Schuld an Krawallen, "weil die rot-grüne Regierung den
Nährboden für Gewalt bietet".
"Puure-Zmorge" wäre bedroht
Alle anderen Parteien waren der Ansicht, dass das heutige
Polizeigesetz ausreicht, um Veranstalter zur Kasse zu bitten, sofern
sie grobfahrlässig gegen die Auflagen verstossen. Martin Naef (SP,
Zürich) sagte an die Adresse von Susi Gut, dass man mit diesem
undemokratischen "Mädchentrickli" jeden Räbeliechtliumzug und
jeden "Puure-Zmorge" verhindern könne. Ein 1.-Mai-Komitee, das
ohnehin kein Geld habe, könne nicht mit zahlungskräftigen
Sportveranstaltern verglichen werden. Lilith Claudia Hübscher
(Grüne, Winterthur) sagte, dass am letzten 1.-Mai-Umzug 100
Rechtsradikale mitmarschiert seien. Das heisst: Jede Veranstaltung kann
von politischen Gegnern missbraucht werden, um der Gegenseite Kosten zu
verursachen. Für Christoph Hollenstein (CVP, Zürich) ist die
Initiative bloss "warme Luft". Und Walter Schoch (EVP, Bauma) sagte:
"Der Veranstalter kann nicht für jede Nachdemo verantwortlich
gemacht werden."
---
Landbote 9.11.10
Komitee soll die Polizei bezahlen
Das 1.-Mai-Komitee soll die Kosten für den Einsatz der
Polizei bei Nachdemonstrationen selber bezahlen. Die Bürgerlichen
haben im Kantonsrat einen Vorstoss vorläufig unterstützt. Das
Komitee könnte die Kosten kaum tragen.
Zürich - Die Einzelinitiative stammt von Susi Gut und Markus
Schwyn. Die beiden abgewählten Gemeinderäte der "Partei
für Zürich" hatten sie im Mai eingereicht. Grund: Sie finden
die aktuelle Regelung ungerecht. Gemäss Polizeigesetz können
zwar Sportveranstaltern Kosten überwälzt werden, nicht aber
den Organisatoren politischer Demonstrationen. Einzige Ausnahme: Die
Veranstalter verstossen grobfahrlässig gegen Auflagen der
Demobewilligung.
Gut und Schwyn wollen das Polizeigesetz ergänzen. Die
Organisatoren sollen zahlen, wenn es bei Nachdemonstrationen zu
Sachschäden oder einem massiven Polizeieinsatz kommt. Die Idee war
gestern Thema im Kantonsrat. Vor allem die Linke wetterte heftig
dagegen. "Wir sind uns alle einig, dass Gewalttäter strafrechtlich
verfolgt werden", sagte SP-Kantonsrat Martin Naef (Zürich). Aber
darum gehe es den Initianten gar nicht. Sie wollten die friedliche Demo
der Arbeitnehmer verhindern. Das 1.-Mai-Komitee und die Gewerkschaften
hätten nach Naef nie genug Geld, um die Polizei aus eigener Tasche
zu zahlen. "Hier geht es nämlich nicht um Kommerz wie beim
Fussball oder Eishockey." Gemäss Schätzungen des
"Tages-Anzeigers" hätte das Komitee 2010 rund eine halbe Million
Franken abliefern müssen.
Die anderen Mitte-Links-Parteien waren ebenfalls gegen die Idee.
In den Augen des Grünliberalen Thomas Wirth (Hombrechtikon)
sollten die Veranstalter gegen Gewalttäter mehr tun. Er
plädierte aber gegen die Einzelinitiative, weil es zwischen
Fussballspielen und dem Tag der Arbeit einen wesentlichen Unterschied
gebe: "Beim Fussball wird Geld verdient."
"Warme Luft"
Für Lilith Hübscher (Grüne, Winterthur)
genügt die Kostenüberwälzung, wie sie heute geregelt
ist. Auch CVP-Mann Christoph Holenstein (Zürich) verwies aufs
aktuelle Polizeigesetz und sagte, ein Zusatz sei unnötig. "Es
würde bloss viel warme Luft produziert." Und Walter Schoch (EVP,
Bauma) wehrte sich dagegen, den Organisatoren eine generelle
Verantwortung für alles aufzubürden, was vor oder nach einer
Veranstaltung geschieht.
Ganz anders sahen es SVP, FDP und EDU. Für Theo Toggweiler
(SVP, Zürich) darf die Frage nach dem "Kausalzusammenhang" von
Arbeiterfest und Nachdemo gestellt werden. Schliesslich würden an
diesem politischen Anlass "Hetzreden" gehalten und Leute aufgewiegelt.
EDU-Kantonsrat Heinz Kyburz (Männedorf) erinnerte daran, dass der
Kantonsrat unlängst entschied, den 1. Mai als kantonalen Feiertag
beizubehalten. "Die Organisatoren sind damit in der Pflicht, die
Chaoten in die Schranken zu weisen."
Der Freisinnige Beat Badertscher (Zürich) wandte sich an
alle, für die die Kostenüberwälzung genug geregelt ist.
Beim 1. Mai werde nicht gegen Bewilligungen verstossen. Aber das
Komitee distanziere sich zu wenig von den Chaoten. Zudem gebe es
Äusserungen ab, die man als Aufruf verstehen könne. Zum
Beispiel das diesjährige Motto: "Verlieren wir die Beherrschung."
Die Bürgerlichen unterstützten die Einzelinitiative mit
80 Stimmen. Der Regierungsrat verfasst nun Bericht und Antrag.
RETO FLURY
---
NZZ 9.11.10
1.-Mai-Komitee soll für Nachdemo zahlen
Kantonsrat unterstützt Einzelinitiative vorläufig
Wenn es nach dem Willen von SVP, FDP und EDU geht, sollen die
Organisatoren der Zürcher 1.-Mai-Kundgebung für
Polizeieinsätze und Sachbeschädigungen im Rahmen der Nachdemo
zur Kasse gebeten werden.
Stefan Hotz
Seit dem Frühling gehört die winzige Partei für
Zürich (PFZ) nach einem Intermezzo von gut drei Jahren dem
Zürcher Stadtparlament nicht mehr an. Am Montag haben die beiden
einzigen, ehemaligen Gemeinderäte Susi Gut und Markus Schwyn, die
einst fast im Alleingang den Zuzug des Club of Rome nach Zürich
verhinderten, dennoch einen kleinen Coup gelandet. Sie erhielten im
Kantonsrat 80 Stimmen von SVP, FDP und EDU für die vorläufige
Unterstützung einer Einzelinitiative.
Nicht genug distanziert
Damit fordern sie eine Ergänzung des Polizeigesetzes, wonach
Veranstaltern einer politischen Demonstration keine Kosten auferlegt
werden, sofern "es nicht bei Nachdemonstrationen zu Sachschäden
oder zu einem massiven Polizeieinsatz kommt". Als Begründung
führen sie an, Organisatoren von Sportveranstaltungen seien in
diesem Fall zum Kostenersatz verpflichtet.
Martin Naef (sp., Zürich) klärte sogleich, gemeint sei
ja wohl die Nachdemo zum 1. Mai. Der Staat müsse Ruhe und Ordnung
gewährleisten und Ausschreitungen strafrechtlich verfolgen. Der
Vorschlag richte sich aber gegen die friedliche Kundgebung zum 1. Mai,
sagte Naef. Es gehe nicht an, mit einem "Buebe- oder Meitli-Trick"
Grundrechte auszuschalten. Sonst könne man auch andere
Veranstalter - zum Beispiel eines Räbeliechtli-Umzugs oder des
Sechseläutens - ruinieren, indem man in ihrem Umfeld randaliere.
Theo Toggweiler (svp., Zürich) erwiderte, es dürfe
keine rechtsfreien Räume geben, Heinz Kyburz (edu.,
Männedorf) doppelte nach, die Forderung der Initiative sei nichts
als konsequent. Beat Badertscher (fdp., Zürich) begründete
namens seiner Fraktion die vorläufige Unterstützung: Die
Veranstalter des 1. Mai hätten sich in der Vergangenheit zu wenig
deutlich von gewalttätigen Demonstranten distanziert.
Lilith Hübscher (gp., Winterthur) betonte, am 1. Mai 2010
hätten auch rund hundert Rechtsradikale zur Gewalt beigetragen.
Walter Schoch (evp., Bauma) und Christoph Holenstein (cvp.,
Zürich) erklärten, schon die jetzige Regelung erlaube die
Kostenüberwälzung bei grobfahrlässigem Verstoss der
Veranstalter gegen die Bewilligung. "Der Zusatz ist nicht nötig
und löst keine Probleme", meinte Holenstein.
Noch keine Mehrheit
In der Abstimmung übertraf die Einzelinitiative die für
die vorläufige Unterstützung notwendigen 60 Stimmen deutlich
und vereinigte 80 Stimmen auf sich. Sie wird nun als Nächstes in
einer Kommission des Kantonsrats behandelt. Für die definitive
Unterstützung ist dann eine Mehrheit des 180-köpfigen
Parlaments notwendig.
---
Zürichsee-Zeitung 9.11.10
1. Mai
2.
Gleiche Regeln wie beim Sport
Eine Einzelinitiative aus Zürich, wonach das 1.-Mai-Komitee
für Schäden bei Nachdemos aufkommen soll, findet im
Kantonsrat Unterstützung.
Thomas Marth
Absender der Einzelinitiative sind Susi Gut und Markus Schwyn,
die bis im Frühling die Partei für Zürich (PFZ) im
Stadtparlament vertraten. Mit dem diesjährigen Slogan "Verlieren
wir die Beherrschung" habe das 1.-Mai-Komitee zu Gewalt aufgerufen,
schreiben sie in der Begründung ihres Vorstosses. Sie fordern
deshalb eine Änderung des kantonalen Polizeigesetzes, wonach auch
bei der Ausübung des verfassungsmässigen Demonstrationsrechts
eine Kostenpflicht für den Veranstalter entsteht, sofern bei
Nachdemos Schäden entstehen oder ein massiver Polizeieinsatz
nötig wird. Es wird auf die anloge Regel bei sportlichen
Anlässen verwiesen.
Gegen rechtsfreie Räume
Gestern war die Einzelinitiative im Kantonsrat traktandiert und
wurde mit den Stimmen von SVP, FDP und EDU vorläufig
unterstützt. Somit muss nun der Regierungsrat einen Bericht und
Antrag zu dem Geschäft ausarbeiten.
Es gehe um die Beseitigung rechtsfreier Räume, sagte Theo
Toggweiler (SVP, Zürich). Der Linksextremismus habe in letzter
Zeit zugenommen, erklärte Heinz Kyburz (EDU, Männedorf). Man
müsse gegensteuern. Die Schadenersatzpflicht bestehe bereits
heute, hielt Beat Badertscher (FDP, Zürich) fest. Allerdings setze
sie grobe Fahrlässigkeit des Veranstalters voraus, was jeweils
schwer nachzuweisen sei.
Gewalt wollte auch auf der Gegenseite niemand rechtfertigen. Der
Vorstoss wurde aber als zu weitgehend oder als wenig praktikabel
bezeichnet.
---
20 Minuten 9.11.10
Nach Ratsentscheid: Steht 1.-Mai-Feier vor dem Aus?
ZÜRICH. Wenn es beim 1. Mai zu Krawallen kommt, sollen
künftig die Organisatoren den Einsatz der Polizei zahlen. Das
würde das Ende der 1.-Mai-Feier bedeuten, sagen die Veranstalter.
Die Kosten für die Polizeieinsätze bei
gewalttätigen Nachdemos am 1. Mai sollen künftig die
Organisatoren der offiziellen Kundgebung tragen. Dies fordert eine
Einzelinitiative der ehemaligen Gemeinderäte der Partei für
Zürich, Susi Gut und Markus Schwyn. Der Kantonsrat hat diese
Initiative gestern behandelt - und mit 80 Stimmen vorläufig
unterstützt. Bei den Veranstaltern könne man jeweils so etwas
wie einen Aufruf zu Nachdemos ausmachen, argumentierte etwa die FDP.
Diese neue Regelung würde für die Organisatoren sehr
teuer: Die Kosten für die Polizeieinsätze am Tag der Arbeit
bewegen sich jeweils in sechsstelliger Höhe. "Wenn wir solche
Beträge zahlen müssten, wäre dies das Aus für die
1.-Mai-Kundgebung und das Fest", sagt Anna Klieber vom 1.-Mai-Komitee.
"Denn wir sind eine Non-Profit-Organisation, die mit viel
Freiwilligenarbeit und ohne Sponsoren funktioniert."
Klieber glaubt aber nicht, dass es so weit kommen wird: "Die
Kosten auf uns abzuwälzen, wäre ein Verstoss gegen das in der
Verfassung garantierte Recht auf Demonstrationsfreiheit." Sie
könne sich nicht vorstellen, dass der Zürcher Regierungsrat
dazu Hand bieten werde. Nach dem gestrigen Parlamentsentscheid muss
sich nun die Regierung mit der Sache befassen und einen Antrag
ausarbeiten, über den dann wieder das Parlament abstimmt.
Marco Lüssi
---
Blick am Abend 8.11.10
Veranstalter sollen bezahlen
DEMO
Kommt es bei Demonstrationen wie etwa den 1.-Mai-Nachdemos zu
Sachbeschädigungen und Polizeieinsätzen, sollen die
Veranstalter die Kosten dafür übernehmen: Der Zürcher
Kantonsrat unterstützte heute Morgen vorläufig eine
Einzelinitiative mit dieser Forderung. Die Initianten fordern eine
Änderung des kantonalen Polizeigesetzes. Mit dem aktuellen Gesetz
würden die Veranstalter von Sportveranstaltungen zum Kostenersatz
verpflichtet, die Veranstalter von politischen Veranstaltungen bei
Demonstrationen hingegen nicht. Das sei ungerecht. Zugunsten des
Begehrens votierten 80 Ratsmitglieder - mindestens nötig gewesen
waren 60 Stimmen. Vor allem FDP und SVP sprachen sich für den
Vorstoss der beiden ehemaligen Zürcher Gemeinderäte der
Partei für Zürich (PFZ), Susi Gut und Markus Schwyn, aus.
-----------------------------------------------
REVOLUTIONÄRER AUFBAU
------------------------------------------------
aufbau.org 11.11.10
Erklärung zur Anklageerhebung
Thursday, 11. November 2010
In ihrer Presserklärung vom 10. November 2010 informiert die
Bundesanwaltschaft über die Anklageerhebung gegen einen
"Exponenten des Revolutionären Aufbaus Schweiz" wegen
Sprengstoffdelikten und Brandstiftung. Folgende Richtigstellung
drängt sich auf:
Anfangs 2009 führte die Bundesanwaltschaft eine Hausdurchsuchung
bei F.M. (Initialen geändert) durch und setzte ihn für rund
einen Monat in Untersuchungshaft. Diese wurde mit dem Verdacht auf
Vorbereitungshandlungen für Brandstiftung begründet. Ein paar
Wochen später erweiterte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen
zusätzlich in eine völlige andere Richtung. Dies hat uns
veranlasst, in Zusammenarbeit mit F.M. mit zusätzlichen Recherchen
die neu erhobenen Vorwürfe zu widerlegen. Im Verlaufe dieser
Arbeit sind wir auf immer grössere Ungereimtheiten gestossen und
haben eigenständig weiteres belastendes Material gefunden. Die
zahlreichen Funde und Erkenntnisse sind mit den Zielsetzungen unserer
Organisation absolut unvereinbar und wir haben F.M. daher im Sommer
2009 aus dem Revolutionären Aufbau ausgeschlossen. Unser Angebot,
ihn bei der Suche nach psychiatrischer Hilfe zu unterstützen, hat
er aufgrund seiner völligen Uneinsichtigkeit verweigert, was zu
einem totalen Abbruch jeglicher Kontakte mit F.M. geführt hat.
Zürich, den 10. November 2010
Revolutionärer Aufbau Schweiz
---
Tagesanzeiger 11.11.10
Linksextremer Aktivist angeklagt
Ein Mitglied des Revolutionären Aufbaus muss sich wegen
Brandstiftung vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten.
Von Stefan Hohler
Zürich/Bern/Bellinzona - Der Fall liegt über drei Jahre
zurück: Am 5. Juni 2007 soll der Angeklagte einen neuen Mercedes
an der Zürcherstrasse in Schlieren angezündet haben. Dabei
brannte nicht nur das Auto ab, auch die angrenzende Gebäudefassade
der Mercedes-Benz AG wurde stark beschädigt. Unter einem weiteren
Neuwagen fand die Polizei noch einen Brandsatz, der aber keinen Schaden
verursacht hatte. Die Kantonspolizei sprach damals von rund 200 000
Franken Sachschaden. Nach der Brandstiftung erhielten verschiedene
Redaktionen ein anonymes Bekennerschreiben. Darin wurde auf den
G-8-Gipfel im deutschen Ostseebad Heiligendamm Bezug genommen und die
Teilnahme des DaimlerChrysler-Konzerns daran kritisiert. Am 25. Januar
2008 soll der Angeklagte ein weiteres politisch motiviertes Delikt
verübt haben: Ein selbst hergestellter Sprengkörper
explodierte vor einer Privatbank in Zürich. Der Sachschaden war
gering. In einem Bekennerschreiben wurde auf das World Economic Forum
(WEF) Bezug genommen.
Im Januar 2009 verhaftete die Kantonspolizei den mutmasslichen
Täter. Es handelt sich um einen bekannten Exponenten des
Revolutionären Aufbaus. Die Festnahme erfolgte nach einer
Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem letztjährigen WEF. Dabei
fanden Polizisten Spuren, die zu den beiden Delikten führten.
Mann ist nicht mehr in Haft
Gestern teilte die Bundesanwaltschaft in einer Pressemitteilung
mit, dass die Anklageschrift beim Bundesstrafgericht in Bellinzona
eingereicht worden sei. Der Mann wird sich wegen Sprengstoff- und
Branddelikten verantworten müssen. Der Prozesstermin ist noch
offen. Der Mann ist laut einer Sprecherin der Bundesanwaltschaft nicht
mehr in Haft. Ob er geständig ist, wollte sie nicht sagen.
Das Bundesamt für Polizei bezeichnete den
Revolutionären Aufbau im Jahresbericht zur Inneren Sicherheit 2007
"als wichtigste gewaltextremistische Organisation der Schweiz". Es
würden gegen dessen Vertreter Untersuchungen wegen verschiedener
Straftaten laufen.
---
Zürichsee-Zeitung 11.11.10
Bundesanwaltschaft
Anklage gegen Linksextremist
Die Bundesanwaltschaft zitiert ein Mitglied des
"Revolutionären Aufbaus" wegen Anschlägen im Raum Zürich
vors Bundesverwaltungsgericht.
Im Vorfeld des G-8-Gipfels in Heiligendamm 2007 und des World
Economic Forum (WEF) 2008 wurden in der Region Zürich
Anschläge auf Geschäftsliegenschaften verübt. Wie die
Bundesanwaltschaft am Mittwoch mitteilte, habe der mutmassliche
Täter dabei unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen
benutzt. Im Nachgang seien anonyme Bekennerschreiben verschickt worden.
Die Anklage lautet unter anderem auf Gefährdung durch
Sprengstoffe in verbrecherischer Absicht, Brandstiftung und versuchte
Brandstiftung sowie Aufbewahren und Verbergen von Sprengstoffen.
Jeannette Balmer, Sprecherin der Bundesanwaltschaft, bestätigte
auf Anfrage, dass es sich während des WEF um einen Anschlag mit
Feuerwerkskörpern auf eine Privatbank in Zürich handelte und
um ein von G-8-Gegnern angezündetes Auto in einer Garage in
Schlieren.
Gewaltbereite Organisation
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bezeichnete 2007 in
seinem Bericht zur inneren Sicherheit den "Revolutionären Aufbau"
als "wichtigste gewaltextremistische Organisation der Schweiz". Im
Jahresbericht 2009 hielt das Fedpol fest, dass gegen Vertreter der
linksextremen Organisation Untersuchungen wegen verschiedener
Straftaten liefen.
Der "Revolutionäre Aufbau" kämpft unter anderem "gegen
den Kapitalismus im Allgemeinen", wie seiner Webseite zu entnehmen ist.
Gemäss Communiqué der Bundesanwaltschaft behält sich
die Organisation "zur Erreichung ihrer Ziele die Verübung von
Straftaten ausdrücklich vor". (sda)
---
admin.ch 10.11.10
Anklageerhebung wegen Sprengstoff- und Branddelikten
Bern, 10.11.2010 - Die Bundesanwaltschaft (BA) erhebt vor dem
Bundesstrafgericht in Bellinzona Anklage gegen einen Exponenten des
Revolutionären Aufbaus Schweiz. Dem Angeklagten werden
Sprengstoffdelikte und Brandstiftung im Raum Zürich zur Last
gelegt.
Der Fall betrifft vor allem Anschläge mit unkonventionellen
Spreng- oder Brandvorrichtungen (sog. USBV) auf
Geschäftsliegenschaften im Raum Zürich. Diese wurden im
Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm (D) im Juni 2007 und zu Beginn
des World Economic Forum WEF 2008 verübt. Im Nachgang an diese
Vorgänge wurden anonyme Bekennerschreiben verschickt.
Der Angeklagte gehört dem Revolutionären Aufbau Schweiz (RAS)
bzw. der Sektion Revolutionärer Aufbau Zürich (RAZ) an. Die
Organisation ist international vernetzt, setzt sich auf eigenen
Internetseiten für eine andere Gesellschaftsform ein und
behält sich zur Erreichung ihrer Ziele die Verübung von
Straftaten ausdrücklich vor.
Die Anklage der BA lautet vorderhand auf Gefährdung durch
Sprengstoffe in verbrecherischer Absicht (Art. 224 des Schweizerischen
Strafgesetzbuches; StGB), Brandstiftung und versuchte Brandstiftung
(Art. 221 StGB), Aufbewahren und Verbergen von Sprengstoffen (Art. 226
StGB). Für den Angeklagten gilt bis zur gerichtlichen Beurteilung
die Unschuldsvermutung.
Die Anklageschrift wurde beim Bundesstrafgericht in Bellinzona
eingereicht. Damit geht die Zuständigkeit für die Information
der Medien auf das Bundesstrafgericht über.
Adresse für Rückfragen:
Jeannette Balmer, Mediensprecherin BA, +41 (0)31 324 32 40,
info@ba.admin.ch
-------------------------------
SOZIALPOLIZEI ZH
-------------------------------
Tagesanzeiger 7.11.10
"Wenn zugeschlagen wird, dann härter"
Schüepp Werner
Seit die SIP im Jahr 2000 erstmals durch Zürich
patroullierte, ist sie um das Fünffache gewachsen. Die Stadt werde
die mobilen Sozialarbeiter weiterhin brauchen, sagt Leiter Christian
Fischer.
Mit Christian Fischer sprach Werner Schüepp
Wie war das erste Jahr bei der SIP?
Ich sehe das Amtshaus Helvetiaplatz vor mir. Von dort aus sind
wir mit den Patrouillen gestartet. Unsere ersten Einsatzorte waren die
Bäckeranlage, die Langstrasse, vereinzelte Hinterhöfe und der
Stadelhoferplatz. Das waren unsere praktischen Lern- und
Experimentierfelder für die Arbeit in der Öffentlichkeit.
Ebenfalls noch sehr präsent ist mir eine Begegnung mit einer
Bekannten auf der Bäckeranlage. Sie rief mir zu: "Jetzt mached
ändlich öppis!" Da habe ich gemerkt, wie gross die
Erwartungshaltung der Bevölkerung war.
Es war eine gewagte Idee, Sozialarbeiter auf die Strasse zu
schicken. Die Polizei war gegenüber der SIP skeptisch, Politiker
kritisch, und die Presse beschrieb den SIP-Bus als "Märlitram
für Randständige". Auf der Strasse fragte man: Sind die
SIP-Leute verkleidete Alkoholiker oder Teilnehmer eines
Arbeitseinsatzprogramms? Wie gingen Sie mit solchen Vorwürfen um?
Es war keine einfache Zeit. Obwohl die SIP von der Stadt als
Reaktion auf die problematischen Zustände in der Bäckeranlage
und am Stadelhofen gegründet wurde, haben wir uns in den
Anfangsmonaten ebenfalls gefragt, ob es Sinn macht, neben der Polizei
noch eine mobile Interventionstruppe einzusetzen. Die externe Skepsis
hat sich aber im Laufe der Zeit gelegt. Viele haben gemerkt, dass wir
keine Polizisten sind und auch nicht zur Polizei gehören. Ab und
zu flammte die Diskussion wieder auf, die SIP ins Polizeidepartement
einzugliedern. Ich war immer vehement dagegen.
Warum?
Weil dies das Ende der SIP wäre. Ich bin der
Überzeugung, dass der nicht immer einfache Spagat zwischen
ordnungsdienstlichem und sozialarbeiterischem Auftrag erst die
nötige betriebliche Spannung schafft.
Sie gehen regelmässig auf Patrouille. Hatten Sie nie
Schwierigkeiten mit der Doppelfunktion als Ordnungshüter und
Sozialarbeiter?
Nein, das ist für mich kein Problem. Ich bin
Sozialpädagoge, und als solcher hat man immer zwei Haltungen: eine
autoritäre, sanktionierende und eine führende,
unterstützende. Genau dies kann ich bei meiner SIP-Arbeit umsetzen.
Wie hat sich die SIP entwickelt?
Heute ist sie ein etablierter Betrieb. Wir haben als Pilotprojekt
mit sechs Mitarbeitern begonnen, jetzt zählt das Team fast 30
Personen, und wir bekommen Anrufe von Privatpersonen aus allen
städtischen Quartieren. Es freut mich, dass sich die Idee
bewährt hat, mit einer Verbindung von ordnungsdienstlichen und
sozialarbeiterischen Eingriffen dafür zu sorgen, dass in der Stadt
weniger Konflikte und Gewalt entstehen.
Ihre Kundschaft hat sich in den letzten zehn Jahren
verändert. Früher waren es vor allem randständige
Menschen wie Obdachlose oder Drogensüchtige. Und heute?
Momentan haben wir es fast mit allen Bevölkerungsgruppen zu
tun. An einem Abend ist es eine Schar ausgelassener Partygänger,
an einem andern eine Gruppe lautstarker Halbstarker. Unser Ziel bleibt
gleich: Wir versuchen, überall dort zu vermitteln und Toleranz zu
fördern, wo es zwischen solchen Gruppen und andern Nutzern zu
Beanstandungen kommt, beispielsweise wegen Lärms oder Alkohols.
Zürich hat sich zu einer Partystadt entwickelt. Ein Problem?
Heute gehen viel mehr Jugendliche als früher in den Ausgang.
Sie kommen erst gegen 22 Uhr und bleiben bis in alle
Herrgottsfrüh. Diese Situation hat unsere Arbeit schon
verändert, am Wochenende sind wir praktisch 24 Stunden lang im
Einsatz. Unsere Hotspots erstrecken sich dabei über die ganze
Stadt. Und es gibt Quartiere, beispielsweise den Kreis 4, wo es am
Wochenende zu einer explosiven Mischung aus Party- und Drogenszene
sowie Prostitution kommen kann. Das macht unser Eingreifen schwierig.
Was heisst das genau?
Wir versuchen, im Rahmen unseres Projekts "Züri Courage" auf
Jugendliche zuzugehen, sie anzusprechen und auch die Eltern
beizuziehen. Das klappt bis zwei Uhr nachts relativ gut. Nachher wird
es schwieriger, weil die meisten jungen Männer, die keine Frau
haben, betrunken und frustriert sind. Diese Klientel erreichen wir
nicht mehr mit Worten.
Bleibt nur noch der Ruf nach der Polizei?
Genau. Wenn nichts mehr geht, alarmieren wir die Polizei, bei der
das Gewaltmonopol liegt. Die SIP hat keine polizeilichen Kompetenzen.
Wir können subjektive Sicherheit vermitteln, aber nicht mit Gewalt
Sicherheit schaffen.
Kam es schon zu Tätlichkeiten gegen SIP-Mitarbeiter?
Ja, wenn auch selten.
Wird es auf der Strasse brutaler?
Nein, die Gewaltbereitschaft ist in den letzten zwei, drei Jahren
eher gesunken. Man geht heute nicht mehr primär nach Zürich
in den Ausgang, nur um "Lämpe" zu machen und Schlägereien
anzuzetteln. Was mir auffällt: Wenn zugeschlagen wird, dann
allerdings härter.
Haben andere Schweizer Städte die Zürcher SIP kopiert?
Wir bekommen immer wieder Besuch, auch aus dem Ausland. Es gibt
Städte, die etwas Ähnliches auf die Beine gestellt haben. In
Bern gibt es mit Pinto ein verwandtes Angebot, in Luzern existiert
ebenfalls eine SIP.
Wohin wird sich die SIP in den nächsten zehn Jahren
entwickeln?
Die Arbeit wird uns bestimmt nicht ausgehen, denn die Spannung
zwischen denen, die den öffentlichen Raum uneingeschränkt
nutzen wollen, und jenen, die für ihn Regeln fordern, wird nicht
abnehmen. Ich hoffe allerdings nicht, dass die Regeln des Anstands in
den kommenden Jahren weiter abnehmen. Insofern wäre es mir lieber,
wenn die SIP nicht weiterhin wachsen und grösser würde.
Christian Fischer
Der 54-jährige Sozialpädagoge ist seit der
Gründung Betriebsleiter der SIP.
--
Die SIP
Seit zehn Jahren im Einsatz
SIP Zürich (Sicherheit Intervention Prävention) wurde als
ämterübergreifender Pilotversuch im Frühling 2000
gegründet. Die mobile Einsatztruppe bewegt sich auf den Strassen,
Parks, Plätzen und Schulgeländen der Stadt. Sie greift ein
bei Störungen, Konflikten und Belästigungen und bietet
Unterstützung. Im Fokus stehen die Anliegen und Bedürfnisse
von Jugendlchen. Die SIP Zürich hat keine polizeilichen
Kompetenzen und gehört dem Sozialdepartement an. (wsc)
---------------------
POLICE CH
----------------------
Sonntagsblick 7.11.10
Am Freitag wird Karin Keller-Sutter Chefin der kantonalen
Sicherheitsdirektoren
Kirche behindert Politik
INTERVIEW: MARCEL ODERMATT UND REZA RAFI
; SABINE WUNDERLIN (FOTO)
Die St. Galler FDP-Regierungsrätin will eine schärfere
Asylpolitik und fordert regionale Polizeiverbunde.
Der neue Bundesrat hat am Mittwoch zum ersten mal getagt - ohne
Sie. Sind Sie wehmütig, dass Sie nicht dabei sind, Frau
Regierungsrätin?
Karin Keller-Sutter: Dafür habe ich keine Zeit. Für
mich war das Thema am 22. September abgeschlossen.
Das Thema Bundesrat oder das Thema Bern?
An Bundesratswahlen kandidiert man in der Regel nur einmal.
Allenfalls stehe ich für die nationalen Parlamentswahlen zur
Verfügung.
Und am 12. November werden Sie zur Präsidentin der Konferenz
der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) gewählt.
Sagen wir: Ich stelle mich zur Verfügung.
Selbstverständlich ist es an meinen Kollegen, zu entscheiden.
Wie ist Ihr Verhältnis zur neuen Justizministerin Simonetta
Sommaruga?
Sehr gut. Frau Sommaruga ist die vierte EJPD-Vorsteherin, die ich
in meiner Amtszeit erlebe. Ihre Vorgänger waren in
unterschiedlichen Parteien, was ich nicht merkte.
Sommaruga ist eine Linke, deren Partei, die SP, aus dem EJPD ein
"Menschenrechtsdepartement" machen will.
Das EJPD hat noch andere Aufgaben ausser der Wahrung der
Menschenrechte. Frau Sommaruga wird mit Fragen konfrontiert sein, wo es
für eine Sozialdemokratin schwieriger ist als für
Bürgerliche.
Wie meinen Sie das?
Denken Sie an die Asylgesetzrevision, welche die Linke
bekämpft hat. Falls es darüber zu einer Abstimmung kommt,
wird sie das vertreten müssen - ob sie innerlich überzeugt
ist oder nicht.
Die Schweizer Asylzahlen steigen: Von Juli bis September 2010
waren es 3926 Gesuche; 10,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Was läuft
schief?
Die Schweiz ist geografisch exponierter als etwa Grossbritannien.
Und wir sind nach wie vor sehr attraktiv für Asylsuchende.
Bedingungen, die viele als hart und unmenschlich darstellen,
entsprechen europäischem Durchschnitt!
Konkret?
Unser Nothilferegime wird oft als karg und geizig beschrieben.
Aber mit dieser Nothilfe können Sie sich hier immer noch besser
durchschlagen als in Somalia.
Soll man die Nothilfe kürzen?
Das bringt nichts, denn wir haben Schattenstrukturen. Die Kirche
verpflegt Leute, die ausreisen müssen; es gibt Mittagstische und
bezahlte Wohnungen für sie. Da gibt es keinen Anlass abzureisen.
Also unterminieren Private und Kirche die Schweizer Asylpolitik?
Es gibt Kreise, die sie behindern.
Unter Christoph Blocher gingen die Asylzahlen zurück, bei
Widmer-Schlumpf stiegen sie.
Das liegt nicht an einer Einzelperson. Grosse Auswirkung haben
Gerichtsentscheide - das Urteil etwa, das bei den Eritreern die
Militärdienstverweigerung als Fluchtgrund anerkennt.
Soll der Familiennachzug für Drittstaatler erschwert werden?
Da gibt es ein Problem. Frauen, die nichts anderes als das Leben
in ihrem Dorf im Balkan kennen, werden hier eingeheiratet. Das
behindert die Integration. Wir verlangen deshalb für alle
Ausländer mit B-Bewilligung Integrationsvereinbarungen. Dazu
gehören Deutschkurse: Wer nicht mitmacht, verliert die
Aufenthaltsbewilligung.
Die KKJPD prüft die Schaffung einer gemeinsamen
Polizeitruppe mit mehreren Hundert Mann ...
In der Schweiz fehlen 1000 bis 1500 Polizisten. Die Kantone
prüfen, wie sie dieses Problem lösen können. Mich
stört ohnehin, dass wir in diesem Land Sicherheitsstrukturen
haben, die von 1848 stammen. Man sollte sich mehr zusammenschliessen.
Sie wollen die Polizeihoheit der Kantone beschneiden?
Im Gegenteil. Das gegenseitige Abtreten von Macht stärkt die
Kantone. Ich bin auch für eine Kripo Ostschweiz.
Sie fordern regionale Polizeiverbunde?
Man könnte es auch Sicherheitsverbunde nennen.
Warum kämpfen Sie gegen die Ausschaffungsinitiative?
Weil die Initiative zu lückenhaft ist - ich will am 28.
November wissen, was gilt. Wenn das Parlament nachbessern muss, werden
die Regelungen nur verwässert. Darum bin ich für den
Gegenvorschlag.
Ist der ehrlich gemeint - oder nur ein Mittel, um die
SVP-Initiative zu bodigen?
Er brächte eine Vereinheitlichung der Wegweisungspraxis nach
dem Muster der strengeren Ostschweizer Kantone.
Die Linke unterstützt den Gegenvorschlag nicht ...
Das "Politbüro", also die Parteispitze, scheint mir hier
sehr ideologisch, die Basis aber denkt praktischer.
Ohne Gegenvorschlag, wie würden Sie stimmen?
Dann würde ich Nein stimmen. Ich kann ruhig schlafen, weil
wir in unserem Kanton bereits eine gute, strenge Praxis mit kriminellen
Ausländern haben.
---
nzz.ch 8.11.10
Kantone lassen Polizisten ungern ins Ausland
Begehrte Polizeiexperten aus kantonalen Polizeikorps für
internationale Friedensmissionen
Am Freitag entscheidet die Konferenz der Polizeidirektoren, ob
das Kontingent von Schweizer Polizisten für Friedensmissionen
erhöht werden soll. Die Vereinbarung ist bei den Kantonen
umstritten.
Martin Merki
Theoretische und praktische Schiessausbildung, Fahndung und
Aufbau von Gefängnis-Administrationen. So breit gefächert und
verschieden können die Einsätze von Schweizer Polizeiexperten
sein, die seit rund zehn Jahren in internationalen Friedensoperationen
von Uno, OSZE und EU eingesetzt werden. Zusammen mit Spezialisten aus
Grenzwachtkorps und Zoll sind derzeit zwischen 10 und 20 Experten im
Einsatz, und zwar in den Schwerpunktregionen der schweizerischen
Friedensförderung: in Bosnien, in Kosovo und in westafrikanischen
Staaten, nämlich in Côte d'Ivoire, Liberia und
Guinea-Bissau. "Schweizer Experten sind aufgrund ihrer guten
Qualität gefragt, und sie können in vielen Bereichen
eingesetzt werden", sagt Adrian Sollberger, Mediensprecher beim EDA.
Am kommenden Freitag entscheidet die Konferenz der kantonalen
Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), ob die Zahl der
Kantonspolizisten, die in Friedensmissionen eingesetzt werden,
erhöht werden soll. Die Kantonsvertreter unter dem Vorsitz von
Markus Notter (Zürich) befinden über eine Vereinbarung unter
den Kantonen und einen Letter of Understanding mit dem EDA. Geregelt
werden sollen die Modalitäten der Freistellung von Polizeiexperten
der einzelnen kantonalen Polizeikorps.
Bis zu 30 Polizeiexperten
Aufgrund der starken Nachfrage nach professionellen
Polizeikräften bei Friedensmissionen soll das Schweizer Kontingent
von derzeit 10 bis 20 Experten auf 30 erhöht werden, ein Drittel
davon Grenzwächter und Zollexperten des Bundes. Das Parlament hat
die Mittel für die Friedensmissionen erhöht. Stimmt die
Polizeidirektorenkonferenz der Vereinbarung an ihrer
Halbjahresversammlung zu, wird die Versammlung noch darüber
befinden, ob die Polizisten nach Bevölkerungszahl der Kantone oder
nach Korpsgrösse entsendet werden.
Auslandeinsätze sind eine "grundsätzlich gute Aufgabe",
findet Beat Hensler, Kommandant der Luzerner Kantonspolizei und
ehemaliger Präsident der Konferenz der kantonalen
Polizeikommandanten. Doch trotz den interessanten Auslandeinsätzen
sind Polizisten aus den ordentlichen Polizeikorps bei den
Friedensmissionen heute selten, weil sie die kantonalen
Polizeikommandanten ungern ziehen lassen. Die wenigen, die mitmachen,
künden häufig und können nachher nicht mehr im gleichen
Korps weiterbeschäftigt werden. Vorgesehen ist, dass das EDA
künftig die Kosten für die Auslandeinsätze
übernimmt. Das sei zwar erfreulich, sagt Luzerns Polizeikommandant
Hensler. Aber Geld allein löse das Problem nicht. Ins Ausland
gingen keine Polizeischüler, sondern erfahrene Spezialisten, die
eine Lücke ins Korps rissen. Zudem fehlten gesamtschweizerisch
1500 Polizisten. Deshalb seien die Polizeikommandanten
zurückhaltend.
Heisses Thema
Ob die Vereinbarung gutgeheissen oder abgelehnt wird, ist offen.
Die Ostschweizer Polizeidirektoren hätten sich eingehend mit der
Frage beschäftigt, sagt Claudius Graf-Schelling,
Sicherheitsdirektor im Kanton Thurgau. "Es ist ein heisses Thema",
bestätigt Roger Schneeberger, Sekretär der Konferenz. Nur
Peter Reuteler, Sicherheitsdirektor des Kantons Schwyz und
Präsident der Zentralschweizer Polizeidirektoren, lässt sich
in die Karten blicken und deutet Distanz an. Die Kleinkantone in der
Zentralschweiz stünden dem Begehren skeptisch bis ablehnend
gegenüber. "Wir haben schon Mühe, die laufenden Aufgaben bei
den knappen Beständen zu erfüllen."
---
Sonntagszeitung 7.11.10
Zöllner als Bahnpolizei
Die Kantone reagieren irritiert
Bern Das Grenzwachtkorps (GWK) hat sich in Europa als Bahnpolizei
positioniert. Gemäss der europäischen
Bahnpolizei-Organisation Railpol ist das GWK offizieller
Ansprechpartner für die Schweiz in operativen Fragen. Kantonale
Sicherheitsverantwortliche wurden darüber nicht informiert.
Für die St. Galler Polizeidirektorin Karin Keller-Sutter ist die
Rolle des GWK als Bahnpolizei neu. Auch der Luzerner
Kantonspolizeikommandant Beat Hensler sagt, er habe bisher keine
Kenntnis davon gehabt. Für Keller-Sutter ist klar: "Eine
Information der Kantone wäre sicher zielführend gewesen."
Keine Grundlagen in der Bundesverfassung
Selbst auf der europäischen Railpol-Homepage wird betont,
dass die Kantone eigentlich für die Sicherheit verantwortlich
sind. Das GWK schreibt zwar korrekt, dass diese ihm
sicherheitspolizeiliche Aufgaben im Bahnbereich abgetreten hätten.
Doch das ist umstritten. So sagt der Basler Polizeirechtler Markus
Mohler: "Grundlagen für sicherheitspolizeiliche Aufgaben des GWK
gibt es in der Verfassung nicht." Vielmehr sei vorgesehen, dass es in
Absprache mit den jeweiligen Kantonen grenzpolizeiliche Aufgaben
erfülle. "Insofern ist es verfassungsrechtlich nicht
zulässig, wenn Kantone in Vereinbarungen sicherheitspolizeiliche
Aufgaben im Bahnbereich ans GWK delegiert haben."
Stefanie Widmer, Sprecherin der Eidgenössischen
Zollverwaltung, verteidigt die Mitarbeit bei Railpol: "Die operative
Teilnahme begründet sich darin, dass das GWK Grenzkontrollen im
Bahnverkehr wahrnimmt." Die Zusammenarbeit sei mit dem Bundesamt
für Polizei und den SBB abgesprochen, das GWK bezeichne sich auch
nirgends als Bahnpolizei.
Matthias Halbeis
------------------------------------
BIG BROTHER SPORT
------------------------------------
NLZ 6.11.10
Fackeln sollen erlaubt werden
Fussballstadion
lw.
Eine Idee aus Bern stösst in Luzern auf offene Ohren: In
Stadien sollen Fackeln zugelassen werden. Doch es gibt auch Kritik.
lw. Immer wieder zünden Fussballfans in Schweizer Stadien
Fackeln. Doch das ist gemäss Sprengstoffgesetz verboten. Um die
Fans zu entkriminalisieren und die Sicherheit zu erhöhen, macht
die Stadtberner SP/Juso-Fraktion einen brisanten Vorschlag: In den
Stadien sollen die Fans an klar definierten Orten und unter klar
definierten Bedingungen legal Feuerwerk abfackeln dürfen.
Beim FC Luzern erhält der Vorschlag gute Noten. Entschieden
gegen die Legalisierung stellt sich der Schweizer Fussballverband. "Zu
gefährlich", heisst es dort.
FC St. Gallen ist gerettet
sr. Der FC St. Gallen hat den Überlebenskampf gewonnen.
Private Ostschweizer Geldgeber und die Bankenkommission haben den arg
verschuldeten Super-League-Verein mit Beiträgen von 14,68
Millionen Franken saniert. "Die Gesellschaften des FC St. Gallen
konnten dank diversen Kraftakten und ohne Zuschüsse der
öffentlichen Hand nach- haltig gerettet werden. Erst seit Mitte
Woche drehte sich das Pendel ins Positive", erklärte Dölf
Früh, der neue Verwaltungsratspräsident.
Morgen gegen GC
Der FC St. Gallen ist nun wieder liquid und macht sich auf die
Suche nach einem vollamtlichen Sportchef, der bis spätestens Ende
Jahr bekannt sein soll. Morgen treffen die Ostschweizer auswärts
auf die Grasshoppers, die am Ende der Tabelle sind. St. Gallen liegt
mit vier Punkten Vorsprung nur einen Platz vor den Zürchern.
Kommentar 5. Spalte
--
Fackeln im Stadion legalisieren?
Luca Wolf
Feuerwerk Immer wieder brennen Fans im Stadion verbotenerweise
Fackeln ab. Politiker möchten das Verbot kippen. Die Vereine sind
dafür, der Fussballverband nicht.
luca.wolf@neue-lz.ch
Fackeln in Fussballstadien abzubrennen, ist gemäss
Sprengstoffgesetz verboten. Das soll sich ändern, fordert die
Stadtberner SP/Juso. Sie schlägt ein Pilotprojekt zum
kontrollierten, sicheren Abbrennen von solchem Pyromaterial in klar
definierten Bereichen vor. Denn das Pyroverbot werde ständig
umgangen und polizeilich kaum geahndet. "Fans, die Pyros zünden,
sind nicht gleichzusetzen mit den wenigen Gewalttätern im
Stadion", sagt SP-Co-Präsidentin Flavia Wasserfallen
gegenüber "Blick am Abend". Die Fackeln seien Teil der Fankultur
und würden für gute Stimmung sorgen.
FCL würde es ausprobieren
Die bis zu 2000 Grad heissen Fackeln können jedoch extrem
gefährlich sein. Im April 2008 etwa, beim Spiel FC Basel gegen FC
Zürich, warfen FCZ-Chaoten Fackeln und Petarden auf die Basler
Anhänger. Mehrere Personen wurden verletzt. An
FC-Luzern-Heimspielen hingegen gab es in den letzten Jahren kaum je
solche Vorfälle, sagt Sicherheitschef Mike Hauser. Zuletzt krachte
es hier vor 15 Jahren, als Basler die Luzerner mit Leuchtkugeln
beschossen.
Und was hält Hauser von der Idee aus Bern? "Das
kontrollierte Abfeuern würde sicherer, es gäbe wohl weniger
Verletzungen. Wenn es die Gesetze erlauben würden, spricht nichts
dagegen, das auszuprobieren." Jedoch könne diese Massnahme nicht
garantieren, dass im Fansektor keine weiteren Pyros gezündet
würden. Sowieso müssten alle Beteiligten am gleichen Strang
ziehen und sich an klare Auflagen halten. Hauser erinnert daran, dass
etwa auch an Nachtslaloms viel Feuerwerk gezündet werde, ohne dass
es jemanden störe.
Kritik vom Fussballverband
Ganz anders tönt es bei Ulrich Pfister,
Sicherheitsverantwortlicher beim Schweizerischen Fussballverband (SFV):
"Solche Feuerwerke, die in einer Menschenmasse abgebrannt werden, sind
gefährlich und gehören nicht ins Stadion." Die Idee sei wegen
des Verbots auch nicht zu Ende gedacht. Das müsste zuerst
aufgehoben werden. "Meine Erfahrung mit der Fanszene ist zudem, dass
diese sich nicht regulieren lassen will. Und wer würde die
Verantwortung übernehmen, falls doch etwas passiert? Wären
die Fans bereit, zu ihrer Schuld zu stehen, oder müsste der Verein
den Kopf hinhalten?"
"Ausdruck der Fankultur"
René Schwarzentruber, Präsident der Fanorganisation
United Supporters Luzern (USL), sagt zur Idee: "Obwohl die USL das
Pyroverbot respektiert und Pyroaktionen weder organisiert noch
finanziert, begrüssen wir den Vorstoss aus Bern." Spieltag
für Spieltag beweise sich, dass der Weg der pauschalen Repression
gescheitert sei. Die Situation sei für niemanden befriedigend.
Auch die Sicherheit aller Zuschauer leide, weil verstecktes Abbrennen
weit gefährlicher sei als offenes, kontrolliertes. Schwarzentruber
sagt: "Es ist an der Zeit, dass man das Abbrennen von Pyro nicht
länger per se als Gewaltakt definiert, sondern als Ausdruck der
Fankultur akzeptiert."
Gute Noten erhält der SP/Juso-Vorschlag auch vom
FCB-Mediensprecher Josef Zindel. "Wir begrüssen diese Idee." Man
müsste jedoch darauf achten, dass nur ungefährliche Pyros
verwendet werden. Die gebe es durchaus, nicht alle Pyros würden
heiss. "Kontrolliertes abbrennen von Feuerwerk hatten wir im alten
Joggeli-Stadion. Das hat problemlos geklappt", sagt Zindel.
Auch beim FCZ zeigt man sich interessiert. So sagt
Sicherheitschef Martin Guglielmetti: "Diese Grundidee müsste man
weiterverfolgen. Sie könnte zu mehr Sicherheit beitragen."
Doch noch ist die Pyrolegalisierung nicht mehr als ein Vorschlag.
Und so lange gilt laut FCL-Sicherheitschef Mike Hauser: "Wenn wir
jemanden erwischen, der Pyros zündet oder ins Stadion schmuggeln
will, erhält er ein zweijähriges Stadionverbot und wird der
Polizei übergeben. Zudem gibts einen Eintrag in die
Hooligan-Datenbank des Bundes."
--
Pro
Einen Versuch wert
Luca Wolf, Redaktor Ressort Stadt/Region Luzern
Nein, natürlich braucht es keinen Rauch und keine Fackeln im
Stadion für eine gute Stimmung. Und ja, solche Pyromaterialien
können eine Gefahr für die Gesundheit darstellen.
Also ab in den Kübel mit dem Vorschlag der Stadtberner SP,
dass die Hardcore-Fans in ihrem Sektor an klar definierten Stellen und
mit klaren Auflagen legal Pyros abbrennen dürfen? Nein. Denn so
fahrlässig sich der Vorschlag im ersten Augenblick anhört,
ihn gleich zu verteufeln, wäre zu einfach.
Warum wohl finden die grossen Fussballclubs FC Basel, FC
Zürich und FC Luzern Gefallen am Gedanken? Sind sie es doch, die
sich Woche für Woche mit der Problematik konfrontiert sehen. Denn
in Schweizer Stadien wird in schöner Regelmässigkeit
Feuerwerk entfacht. Das geltende Verbot und die drohenden Strafen
ändern da überhaupt nichts. Würden die Clubs dem
Vorschlag Kredit geben, wenn sie nicht der Ansicht wären, die
Sicherheit der Zuschauer könnte sich dadurch verbessern? Wohl kaum.
Die üblen Fackelwürfe in Basel und anderswo sind auf
völlig verblödete Idioten zurückzuführen. Die
Täter gehören hart bestraft und sollten nie wieder ein
Stadion von innen sehen. Aber das sind Einzelfälle. In Luzern etwa
ist das letzte Mal vor 15 Jahren jemand übel verletzt worden.
Feuerwerk und Gewalt haben zudem nichts miteinander zu tun. Vielmehr
sind es in der Regel die treuen, friedlichen und enorm engagierten
Fans, die für die laute und farbige Stimmung im Stadion
verantwortlich sind. Für sie gehören Fackeln und
Rauchpetarden zur Fankultur.
Warum also nicht den Versuch wagen? Klappts, gibts zufriedene
Fans, Clubs und Stadionbetreiber sowie vor allem noch weniger
Zwischenfälle. Klappts nicht, soll die Aktion sofort beendet
werden.
-
Kontra
Kapitulation vor den Pyromanen
Christian Bertschi, Ressortleiter Stadt/Region Luzern
Was ist bloss in die Berner Sozialdemokraten gefahren? Sie
fordern in einem Pilotversuch, Feuerwerke im Fussballstadion Stade de
Suisse der Young Boys in definierten Bereichen zu erlauben. Der Grund:
Die Polizei könne die Pyros in den Stadien eh nicht unterbinden.
Das gleicht einer Kapitulation vor einer verschwindend kleinen
Minderheit von Fussballfans, die sich nicht an die gängigen
Spielregeln hält. Gerade im Fussball gilt: Wer grob gegen die
Spielregeln verstösst, wird bestraft - mit der roten Karte. Und
erhält keinen separaten Bereich, wie es für die Fans
vorgeschlagen wird, wo der fehlbare Spieler vielleicht sogar noch ein
paar Jonglierkünststücke dem Publikum vorführen darf.
Pyros und Feuerwerkekönnen fürs Auge vielleicht
schön sein, in einem Sportstadion haben sie während einer
Partie aber definitiv nichts verloren. Die bis zu 2000 Grad heissen
Fackeln sind gefährlich, in einer Masse gezündet sowieso. In
Basel sind auf den Zuschauerrängen mehrmals unbescholtene
Matchbesucher durch Petardengeschosse verletzt worden. Zudem
schränkt der entstehende Rauch das Sichtfeld der Zuschauer ein,
die für den Besuch im Stadion eine Menge Geld ausgeben. Und nicht
nur Kinder erschrecken, wenn Knallpetarden im Stadion explodieren.
Eine tolle Stimmung im Stadion erzeugen die echten, die
wirklichen Fans nicht mit Zeuseleien, sondern mit ihren Gesängen,
mit ihren Musikinstrumenten und mit ihren Fahnen. Der Kreativität
sind kaum Grenzen gesetzt. Gerade die Luzerner Fans zeigen immer wieder
ganz tolle Choreografien. Feuer brauchen sie dazu nicht.
Pyros müssen aus den Stadien verbannt bleiben, die
Feuerwerker hart bestraft werden. In unseren Fussballstadien wollen wir
Fussballspiele sehen - fürs Feuerwerk treffen wir uns am Luzerner
Fest.
---
Blick am Abend 5.11.10
Fackeln legalisieren
PYRO
Legal Zünden im Stadion: Auch in Luzern ist man Feuer und
Flamme für die Idee.
michael.graber@ringier.ch
Um Pyros ist eine heisse Diskussion entbrannt - die auch in
Luzern auf offene Ohren stösst. "Die Berner Idee klingt sehr
einleuchtend", sagt Simon Roth von den Jungsozialisten. Damit meint er
den Vorschlag der dortigen SP/Juso Pyrotechnik im Fussballstadion im
Rahmen eines Pilotprojektes zu erlauben. Das Verbot solcher Feuerwerke
bringe nichts, da es von den Fans missachtet werde und von der Polizei
nur selten geahndet. Dabei habe aber stets die Sicherheit der
Matchbesucher oberste Priorität, so die Berner.
Gerade mit der neuen Swissporarena sieht Roth Chancen: "Dort hat
man ja im Gegensatz zum Gersag viel Platz und kann gut einen Sektor
freigeben." Alle jene die Angst vor den sehr heissen Fackeln haben,
könnten dann einfach diese Plätze meiden.
Beim FC Luzern will man kein offizielles Statement zur Idee aus
der Hauptstadt abgeben. Man verweist aber auf die hohe
fünfstellige Summe, die man pro Saison an Bussen zahle, wegen
Fackeln beim eigenen Anhang.
Ob die Juso/SP auch in Luzern einen Vorstoss platzieren wird,
kann Simon Roth noch nicht sagen: "Das kommt auch darauf an, ob die
Fans überhaupt eine solche Zone wollen." Es bringe ja nichts so
etwas zu schaffen, wenn es dann gar nicht genutzt werde.
-------------------------------------
RECHTSEXTREMISMUS
-------------------------------------
NZZ 11.11.10
Neonazis in der Fussball-Bundesliga
Leader Dortmund stark betroffen
ako. · Lange galt Rechtsextremismus im deutschen Fussball
als ein auf den Osten des Landes beschränktes Phänomen, als
ein Problem unterklassiger Klubs in maroden Stadien. Grossen Zulauf an
Neonazis hat jedoch ausgerechnet der Bundesliga-Tabellenführer
Dortmund. In den Stadien verhalten sich die Neonazis unauffällig;
sie suchen nicht die Konfrontation, sondern versuchen, neue Leute
anzuwerben. Zu Schlägereien sowie rassistischen und
antisemitischen Parolen kommt es vor allem auf der Fahrt zu
Auswärtsspielen.
Die Vereinsführung von Borussia Dortmund spielt das Problem
herunter. Dennoch werden im Rahmen des Fanprojekts regelmässig
Fahrten zu KZ-Gedenkstätten durchgeführt.
Sport, Seite 48
--
In den Stadien auffällig unauffällig
Die Neonazis rekrutieren ihren Nachwuchs auf den Tribünen
der Fussball-Bundesliga. Zugeschlagen wird anderswo
Rechtsextremismus im deutschen Fussball wurde gerne auf eine
Erscheinung im Osten des Landes reduziert - als Problem unterklassiger
Klubs in maroden Stadien. Regen Zulauf verzeichnet aber ausgerechnet
der Bundesliga-Leader Dortmund.
Olaf Sundermeyer
Am Freitag werden sie wieder auf der grössten
Stehplatztribüne Europas stehen. So wie immer bei den Heimspielen
von Borussia Dortmund, dem Tabellenführer der ersten
Fussball-Bundesliga. Neonazis der neuen Generation, die sich selber
Autonome Nationalisten nennen - eine Gruppierung, die der
Verfassungsschutz in Deutschland als "äusserst gewaltbereit"
einstuft und die für eine Zunahme von Straftaten aus dem
rechtsextremen Spektrum verantwortlich ist. Ihre Zahl wird bundesweit
auf 800 geschätzt, die Ruhrgebietsstadt Dortmund ist ihre
Hochburg. Das grösste Problem für die
Sicherheitsbehörden ist, dass diese jugendlichen Aktivisten nur
schwer als Neonazis zu erkennen sind. Sie tragen schwarze Basecaps,
Allwetterblousons und Turnschuhe. So wie die Ultras, die
erlebnisorientierten, besonders radikalen Fussballfans, die beim BVB
für eine einzigartige Stadionkulisse sorgen. Auf der Tribüne
stehen die Ultras und die Neonazis Schulter an Schulter.
"Sieg Heil"
Rolf-Arnd Marewski kennt viele der zahlreichen Ultras, und er
kennt die Neonazis unter ihnen. Der Sozialarbeiter leitet das
Dortmunder Fanprojekt und schätzt, dass sich "bestimmt sechzig
Rechte aus der ganzen Region" im Stadion unter die Ultras mischen. So
wie jener Aussteiger aus der militanten Szene, der bis vor eineinhalb
Jahren mit anderen Autonomen Nationalisten in Dortmund gelebt hat. An
den Wochenenden sei man mit der Ultra-Gruppe Desperados ins Stadion
gegangen. "Diese Gruppe ist nicht zwangsläufig rechts drauf, aber
auf jeden Fall rechtsoffen." Gemeinsam habe man mit den rechtsextremen
BVB-Hooligans der Northside den Strassenkampf trainiert. Angeleitet von
einem Kampfsportler, der zu dieser Zeit auch als Ordner im Stadion des
BVB eingesetzt war. Bei den Kämpfen der Northside sei dieser
jeweils in der ersten Reihe gestanden. Bei diesen sogenannten Matches
in Wald und Wiese treffen 20 Mann auf 20 Mann eines anderen Klubs. Nach
diesen Kämpfen schreien die Dortmunder bis heute "Sieg Heil, Sieg
Heil, Sieg Heil" und recken die Arme zum Hitlergruss. Vorausgesetzt,
die anderen liegen am Boden. Das ist ihr Siegritual.
Auch die Mitglieder der Northside stehen diesen Freitag auf der
Tribüne, manche behaupten gar, Mitglied des Vereins zu sein. Etwa
ein Landesvorsitzender der inzwischen verbotenen rechtsextremen
Heimattreuen Deutschen Jugend, die sich in der Tradition der
Hitlerjugend sieht. Im Stadion jedoch verhalten sie sich politisch
weitgehend neutral und unauffällig.
Keine Straftaten, keine verfassungsfeindlichen Symbole, keine
Neonazis, kein Problem. So sehen es die Polizei und der Klub. Der
Bielefelder Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer kommt allerdings zu einem
ganz anderen Urteil. Der Soziologe hat im Auftrag der Stadt Dortmund im
vergangenen Jahr eine Studie über den Rechtsextremismus in
Dortmund erstellt. "Selbst wenn die Neonazis im Stadion nicht
offensichtlich agitieren, ist es für sie der ideale Ort, um neue
Leute anzuwerben", sagt Heitmeyer. Er hält es für einen
Fehler, die Neonazis beim BVB zu ignorieren; das erlaube ihnen, sich
unbemerkt auszubreiten.
Fahrten zu KZ-Gedenkstätten
Auf Anfrage heisst es bei Borussia Dortmund, dass man von
"solchen Umtrieben noch nichts bemerkt" habe. Grundsätzlich ist
der Verein allerdings sensibilisiert für das Thema. So
veranstaltet der BVB über das Fanprojekt regelmässig Fahrten
mit jungen Ultras zu KZ-Gedenkstätten. Rolf-Arnd Marewski sagt,
dass die Neonazis vor allem ausserhalb des Stadions ein Problem
darstellten: "Das sind ganz junge, extrem gewaltbereite Leute, ihre
rassistischen und antisemitischen Parolen skandieren sie meist auf den
Fahrten zu den Auswärtsspielen."
Wie zuletzt Ende September bei der Partie gegen den Aufsteiger
St. Pauli in Hamburg. Dort überfielen zwei Dutzend Angreifer im
Ultra-Dress die Fankneipe der St.-Pauli-Anhänger, das "Jolly
Roger". "<Kommt doch raus, ihr Juden>, haben die uns
zugebrüllt", berichtet ein Augenzeuge. Dann kam es zu einer
Schlägerei, die von der herbeigeeilten Bereitschaftspolizei
aufgelöst wurde. Erst einen Monat zuvor war es zu einem
ähnlichen Überfall auf eine linke Szenekneipe in der
Dortmunder Innenstadt gekommen. Die Angreifer trugen Sturmhauben und
warfen Steine und Flaschen auf eine Gruppe Kneipenbesucher. Drei von
ihnen wurden verletzt. Unter den Angreifern war auch Falk W., ein
Hooligan und militanter Neonazi von Alemannia Aachen. Er sitzt nun
wegen des Verdachts auf Vorbereitung von Sprengstoff-Straftaten in
Untersuchungshaft.
Nicht nur in Ostdeutschland
Wenn in den vergangenen Jahren im deutschen Fussball die Rede von
rechtsextremistischen Anhängern war, dann ging es stets um
Ostdeutschland. Um Lokomotive Leipzig oder den Halleschen FC.
Unterklassige Vereine, die in maroden Stadien spielen, in Gegenden, wo
die Menschen eine rechtsextreme Partei wie die NPD für normal
halten. "Im Stadion trifft man eben auch junge Leute, von denen man
glaubt, die gehören zur nationalen Bewegung", erzählt der
NPD-Sprecher Klaus Beier, der selber seit seiner Jugend
Fussballanhänger ist. "Die spricht man dann an, die lädt man
ein zur nächsten Veranstaltung."
So geschehen im Oktober vor einem Heimspiel des Bundesligaklubs
1. FC Kaiserslautern, wo die NPD massiv Flugblätter verteilt hat.
Beim FCK gibt es rechtsextreme Hooligans, die mit der Partei paktieren.
Und in der modernen Münchener Allianz-Arena versammeln sich lokale
Parteifunktionäre gemeinsam mit Autonomen Nationalisten und
Mitgliedern von Rechtsrockbands im Fanblock des Traditionsvereins 1860
München zu einem ganzen Pulk prominenter Neonazis. Auch dort
verhalten sie sich weitestgehend unauffällig. Aber gelegentlich
passiert es dann doch, dann intonieren sie ihr "Sieg Heil in Weiss und
Blau" und beschimpfen gegnerische Fans als Volksverräter.
--
Rechtsextreme im Schweizer Fussball
wag. · Die Szene der Rechtsextremisten im Schweizer
Spitzenfussball hat sich in den letzten Jahren verändert. Noch in
den 1990er Jahren traten im Umfeld von Nationalliga-A-Spielen
Gruppierungen auf, die "Hier marschiert der nationale Widerstand"
intonierten. Hans Stutz, Experte für Rechtsextremismus, hat damals
auch Fahnen mit Hakenkreuz gesehen. "Rechtsextreme, und damit auch
Neonazis, gibt es im hiesigen Fussball noch immer. Nur sind ihre
Auftritte jetzt ohne politischen Anspruch", sagt er.
Gleiches beobachtet Thomas Gander: "Die Skinheads brauchen den
Fussball nicht mehr als politische Plattform", sagt der
Geschäftsführer von Fanarbeit Schweiz. Daran ändert
offenbar auch der Umstand nichts, dass es etwa bei GC, YB oder dem FC
Sion immer noch Fangruppen mit rechtsextremem Gedankengut gibt. "Doch
heute gilt unter den Fans der Kodex, wonach die Kurve frei von Politik
ist", sagt Gander. Dass die rechtsextreme Partei national orientierter
Schweizer in der Fussballszene Mitglieder rekrutiere, halten beide
Fachleute für unwahrscheinlich. "Die haben gar nicht die
personelle Kapazität dafür", sagt etwa Stutz.
------------
PNOS
------------
Blick am Abend 11.11.10
Fahndungsfotos im Abstimmungskampf
PRANGER
Die Pnos publiziert auf Flugblättern Bilder von echten
Gangstern. Das gibt Ärger.
jessica.francis@ringier.ch
34 Fahndunsfotos von Ausländern sind auf dem Flugblatt der
Pnos (Partei national orientierter Schweizer) zur
Ausschaffungsinitiative abgebildet. Alles Männer, die die
Schweizer Kantonspolizeien in den letzten Jahren gesucht und
öffentlich ausgeschrieben hatten.
Mit einer "Schwarzen Liste" auf der Homepage der Pnos listet die
Partei die Herkunft der Männer und ihr Vergehen auf.
Die Justizdirektion Zürich kritisiert das Plakat scharf.
"Das ist nicht der Zweck der Fahndungsfotos", sagt Mediensprecher
Michael Rüegg zu Blick am Abend. Sobald der Gesuchte inhaftiert
sei, müssten die Fotos verschwinden - eine weitere Verwendung sei
Missbrauch.
Um Missbrauch der Bilder zu verhindern, verzichtet die
Zürcher Polizei wann immer möglich auf eine öff entliche
Fahndung. "Erst wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft
sind und die Kriminalität der gesuchten Person bewiesen ist,
publizieren wir das Foto", sagt René Ruf, Mediensprecher der
Stadtpolizei Zürich zu Blick am Abend. Sobald der Gesuchte
inhaffiert ist, lösche die Polizei das Foto vom Netz.
Auf dem Flugblatt finden sich prominente Gesichter:
Lehrermörder Ded Gecaj. Ein anderes bekanntes Gesicht auf dem
Flugblatt ist die Nummer 34: Veton Kastrati (20) ist im Frühjahr
mit zwei serbischen Mithäftlingen aus dem Gefängnis in
Willisau LU ausgebrochen. Seither ist er auf der Flucht.
Problematisch ist laut René Ruf, dass eine Fahndung noch
nicht die Schuld einer Person beweist. "Nicht alle Leute, nach denen
die Polizei fahndet, werden wirklich verurteilt."
---------------------------
SANS-PAPIERS
---------------------------
20 Minuten 11.11.10
Gegen Zustupf an Sans-Papiers
BERN. Dass auch Sans-Papiers und abgewiesene Asylbewerber
Prämienverbilligungen für die Krankenkasse erhalten, nervt
den Berner SVP-Grossrat Thomas Fuchs gewaltig. Er will von der
Regierung wissen, wie viel Geld sie auf diesem Weg jährlich an
Personen ohne Aufenthaltsbewilligung zahlt.
---
Bund 8.11.10
Sans-Papiers: Krankenversicherung nach dem Zufallsprinzip
Illegal Anwesende haben Anrecht auf Krankenversicherung und sogar
auf Prämienverbilligung, betont der Bund. Kassen, Kantone und
Gemeinden handeln jedoch nach Gutdünken.
Daniel Foppa
"Es ist unhaltbar, dass Illegale vom Krankenversicherungssystem
und von staatlichen Leistungen profitieren", sagt der Schwyzer
SVP-Ständerat Alex Kuprecht. Mit einer Motion forderte er deshalb
die Abschaffung der Pflicht für Krankenkassen, Sans-Papiers zu
versichern. Der Ständerat lehnte den Vorstoss in der letzten
Session mit Stichentscheid von Präsidentin Erika Forster (FDP) ab.
Gesundheitsminister Didier Burkhalter und auch bürgerliche
Politiker wie FDP-Ständerat Felix Gutzwiller hatten die Motion
bekämpft. "Der Zugang zu medizinischen Leistungen ist ein
Grundrecht, das ein zivilisierter Staat den Illegalen gewähren
sollte", sagte der Zürcher.
Die Kassen wimmeln ab
Damit gilt weiterhin die Bestimmung, die das Bundesamt für
Sozialversicherung den Kassen 2002 in einem Kreisschreiben in
Erinnerung gerufen hat: "Es liegt nicht im Ermessen der Versicherer, zu
entscheiden, wer sich bei ihnen versichern kann und wer nicht. Die
Versicherer sind verpflichtet, Sans-Papiers aufzunehmen."
Trotz der Ermahnung weigern sich immer noch viele Kassen,
Illegale aufzunehmen. "Wenn sich Sans-Papiers bei den Kassen melden,
werden sie meist abgewimmelt", sagt Bea Schwager, Leiterin der
Anlaufstelle für Sans-Papiers in Zürich. Wer sich als
Ausländer zu erkennen gebe, müsse damit rechnen, nach der
Aufenthaltsbewilligung gefragt zu werden. Schwager berichtet gar von
einem Fall, bei dem eine Kasse die Einwohnerkontrolle über den
Antrag eines Sans-Papiers informierte. Die Kasse handelte illegal, denn
sie ist gegenüber Dritten zu Verschwiegenheit verpflichtet.
Auf Anfrage erklären die beiden grössten Kassen Helsana
und CSS zwar, dass sie sich an die Vorgaben aus Bern halten. Trotzdem
sind die Anlaufstellen für Sans-Papiers dazu übergegangen,
deren Anmeldung bei den Kassen zu übernehmen. "Für
Sans-Papiers ist es praktisch unmöglich, selbstständig einer
Krankenkasse beizutreten", sagt Annagun von Reding von der
Sans-Papiers-Gesundheitsversorgung beim Roten Kreuz in Bern. Laut
Schätzungen sind derzeit bloss 10 Prozent der 50 000 bis 300 000
illegal Anwesenden krankenversichert. Denn die meisten können die
Prämien nicht bezahlen.
"Wir helfen Sans-Papiers bei der Prämienbezahlung", sagt von
Reding. Die Personen zahlten so viel wie möglich selbst, der Rest
werde mit Hilfe externer Fonds und Prämienverbilligungen
finanziert. Tatsächlich haben auch Sans-Papiers Anrecht auf
Prämienverbilligungen, wie das Bundesamt für Gesundheit
festhält. In der Praxis foutieren sich aber viele Kantone und
Gemeinden darum. "Wir stellen den Antrag bei der Wohngemeinde des
Sans-Papiers. Diese müsste das Gesuch der
Sozialversicherungsanstalt weiterleiten - tut das aber meistens nicht",
sagt Bea Schwager. Dagegen wehren könne sich ein Sans-Papiers kaum.
"Die Rechtslage ist unklar", sagt Urs Rüegg, Sprecher der
Zürcher Gesundheitsdirektion: "Laut Weisung aus Bern haben
Sans-Papiers Anrecht auf Prämienverbilligungen. Laut kantonalem
Recht können aber nur Steuerpflichtige Prämienverbilligungen
erhalten." Die Situation sei unbefriedigend, sagt Rüegg. Er
fordert eine nationale Lösung.
Keine Vorbehalte im Kanton Bern
Eine Übersicht, wo Sans-Papiers Prämienverbilligungen
erhalten, hat niemand. Grosszügig ist beispielsweise die Stadt
Zürich. Laut Monika Wehrli, Leiterin Rechtsdienst der
Städtischen Gesundheitsdienste, beziehen 50 Sans-Papiers
Prämienverbilligungen. Kostenpunkt: 70 000 bis 90 000 Franken pro
Jahr. Das Geld geht direkt an die Kassen. In Bern ist das kantonale Amt
für Sozialversicherungen zuständig. Laut eigenen Angaben
prüft es Gesuche von Sans-Papiers ohne Vorbehalte. Gemäss
Solidarité sans frontières können Sans-Papiers aber
nur in den wenigsten Kantonen ihren Anspruch auf
Prämienverbilligungen geltend machen.
Mit einer Petition kämpft nun die Menschenrechtsorganisation
Acat für einheitliche Regeln. Lanciert wird das Begehren am
Menschenrechtstag, dem 10. Dezember. Das Bundesamt für Gesundheit
lässt derweil den Umgang der Kassen mit Sans-Papiers analysieren.
Erst nach Vorliegen des Berichts wird der Bundesrat über
Massnahmen zur Klärung der Situation befinden. Das soll
frühestens Ende 2011 der Fall sein.
--
Abgewiesene Asylbewerber Widersprüchliche Bundesämter
Besonders verwirrlich ist die Situation bei der
Krankenversicherung von abgewiesenen Asylbewerbern. Laut Weisung des
Bundesamts für Gesundheit (BAG) müssen auch sie versichert
sein. Das Bundesamt für Migration (BFM) und die kantonalen
Sozialdirektoren empfehlen hingegen, abgewiesene Asylbewerber nicht
mehr zwingend in das Krankenversicherungssystem aufzunehmen. Die
meisten Kantone halten sich an diese Empfehlung. Sie zahlen
abgewiesenen Asylbewerbern keine Kassenprämien mehr und weisen
Spitäler und Ärzte an, sie nur noch im Notfall zu versorgen.
Damit ignorieren die Kantone bewusst die BAG-Weisung. "Das ist
illegal", sagt Françoise Kopf von SOS Racisme. Zusammen mit
Alt-Bundeskanzler François Couchepin (FDP) kämpft sie vor
Bundesgericht dafür, dass die BAG-Weisung eingehalten wird. Die
Bundesräte Eveline Widmer-Schlumpf und Didier Burkhalter haben
derweil eine Verordnungsänderung angekündigt, um die
widersprüchliche Haltung zweier Bundesämter zu bereinigen.
(daf)
---
Tagesanzeiger 8.11.10
Kommentar Inland-Ressortleiter Iwan Städler über den
inkonsequenten Umgang mit Sans-Papiers.
Was soll die Mogelei?
Iwan Städler
Die Frage ist delikat: Hat jemand, der sich illegal in der
Schweiz aufhält und keine Steuern zahlt, Anrecht auf
Krankenversicherung - und auf Prämienverbilligung? Die Schweizer
Antwort lautet: theoretisch ja, in der Praxis aber nicht unbedingt.
Obwohl laut einem bundeseigenen Bericht 50 000 bis 300 000
Illegale in der Schweiz leben, regelt der Bund die politisch brisante
Frage nicht explizit im Gesetz. Stattdessen begnügt er sich mit
einer Weisung des Bundesamts für Gesundheit. Danach müssen
auch sogenannte Sans-Papiers versichert werden. Und sie hätten wie
alle anderen Wenigverdiener das Recht auf Prämienverbilligung.
Viele Kassen, Kantone und Gemeinden foutieren sich aber darum -
genauso, wie sich die Sans-Papiers um die Aufenthaltsbestimmungen
foutieren.
Das ist verlogen. Will die Politik glaubwürdig bleiben und
den Rechtsstaat nicht zum Gespött machen, muss sie die
Angelegenheit sauber regeln. Die Frage ist zu wichtig, um ihre
Beantwortung den Beamten zu überlassen. Überdies muss der
Staat konsequent bleiben: Es kann doch nicht sein, dass er jemandem,
den er für illegal anwesend hält, gleichzeitig die
Krankenkassenprämien finanziert. Das ist schizophren.
Vielmehr sollten die Ämter, welche die
Prämienverbilligung ausrichten, mit den Migrationsbehörden
zusammenarbeiten. Der Datenschutz darf nicht so weit gehen, dass beim
Staat die Linke nicht mehr weiss, was die Rechte tut. Ansonsten hindert
faktisch die eine Behörde die andere am Vollzug.
Wer illegal im Land ist, muss wenn immer möglich ausgewiesen
werden. Andernfalls geht das Vertrauen in die Behörden verloren
und nimmt die Ausländerfeindlichkeit weiter zu. Auch Arbeitgeber,
die Illegale schwarz beschäftigen, müssen konsequent bestraft
werden.
Wer nun einwendet, eine Wegweisung sei im einen oder anderen Fall
aus humanitären oder wirtschaftlichen Gründen falsch, soll
sich dafür einsetzen, dass der Aufenthalt dieser Menschen
legalisiert wird. Sie in der Illegalität zu belassen und ihnen,
wie wenn nichts wäre, die Krankenkassenprämien zu
verbilligen, ist nicht ehrlich.
--------------------------------
AUSSCHAFFUNGEN
---------------------------------
St. Galler Tagblatt 11.11.10
Wegweisung - Ausschaffung - Abschaffung
Weder die neueste Initiative der SVP noch der Gegenvorschlag
greifen weit genug. Ich setze mich daher gerechterweise ein für
ein neues Wegweisungsgesetz sämtlicher Ruhestörer und
Friedens(ver)brecher, also gegen alle Kriminellen, ob Ausländer
ersten oder zweiten Grades, aber auch aller krimineller Urschweizer!
Sie alle gefährden die Schweiz und vor allem das Leben der
guten edlen Retter und Ritter der Schweiz, die sich für einen
sauberen, keimfreien Sozialfrieden des Finanz- und Wirtschaftsplatzes
Schweiz einsetzen.
Verbrecher werden nicht bestraft, um eine Besserung oder
Veränderung oder gar Reintegration einzuleiten; denn wie allgemein
bekannt, können kriminelle Handlungen nicht wirklich gesühnt,
noch entschuldet oder gar abgegolten werden.
Edelgefängnisse, wie sie heute betrieben werden, sind zu
teuer und zu voll. Sie würden jedoch in dieser blossen
Übergangsphase bis zur nächsten Abstimmung auch gar nicht
mehr nötig. Es würden keine Verbrecher mehr in
hotelähnliche Gefängnisse gesteckt, es bestehen genügend
leerstehende Kriegsbunker. Es würde auch gar nicht mehr nötig
sein für Gerichte zu sorgen; denn Ausschaffungsgefängnisse
direkt beim Militärflughafen, längst ausgediente
Militärflugzeuge und übungswilliges Militär würden
endlich für effiziente und unsichtbare Ordnung sorgen.
Alle Kriminellen samt ihren genetisch verseuchten Familien sollen
weggewiesen, ausgeschafft und damit endgültig abgeschafft werden.
Die daraus folgenden Einsparungen für die edlen echten Retter der
Schweiz würden enorm sein und deren Aktien würden endlich
wieder ins Unendliche steigen. Denn die Liste der ewig kriminell
bleibenden Schweizer und Unschweizer ist lang. Allen voran sind dies:
Wilhelm Tell: renitenter Aufwiegler und Mörder, Kanton Uri,
deutschen Ursprungs
Einsiedler Gallus: illegal eingewandert und unbewilligt bauender
Bärenliebhaber in St. Gallen, irischen Ursprungs
Niklaus von der Flüe: asozialer Weib und Kind
vernachlässigender Querulant aus Obwalden
Ferdinand Hodler: nekrophil malender Ehebrecher und Kriegsgegner
aus dem Welschland
Robert Walser: psychisch kranker Schreiberling und
Sozialschmarotzer aus Bern und Herisau
Henry Dunant: bankrotter Spinner und scheininvalider
Weltverbesserer aus Genf und Heiden.
Batja P. Guggenheim-Ami, St. Gallen
---
WoZ 11.11.10
Fumoir
Dafür Glück in der Liebe?
Yusuf Yesilöz über die Ausschaffungsinitiative
Die Schweiz redet wieder einmal über ihre
AusländerInnen. Über die Kriminellen. Alle zwei Jahre starten
PolitikerInnen von Rechtsaussen mit einer Initiative durch. Mal geht es
gegen die erleichterte Einbürgerung von Migrantenkindern, dieses
Mal um die Ausschaffung krimineller AusländerInnen. Die Argumente,
die seit einiger Zeit auch in anderen politischen Lagern, sei es bei
den Mitteparteien oder, wie beim Minarettverbot, auch bei den Linken,
breite Zustimmung finden, sind immer dieselben. Der negative Prototyp
des Ausländers wird aufpoliert. Zuerst aber eine Frage: Was bringt
diese Initiative der Schweiz? Der Chef des Zürcher Migrationsamtes
sagt es eindeutig: Sie bringt NICHTS. Was sollen wir noch dazu sagen?
Der Inhalt des Initiativtextes ist ein Widerspruch in sich. Zitat
von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf: "Sehr fragwürdig ist
auch der Umgang mit dem Betrug bei Sozialleistungen. Darunter
fällt eine Putzfrau, die Arbeitslosengeld bezieht, bei einer
Nachbarin ein paar Stunden arbeitet und den Lohn nicht angibt. Nicht
erfasst sind hingegen der Wirtschafts- und der grosse
Steuerbetrüger. Ein so grosses Ungleichgewicht kann in einem
Rechtssystem nicht sein."
Gemäss Umfragen wird die Ausschaffungsinitiative angenommen.
Sind die PolitikerInnen von Rechtsaussen klüger als die anderen
SchweizerInnen, weil sie in den letzten Jahren jedes Referendum im
"Ausländerbereich" gewonnen haben? Nein, im Gegenteil! Aber sie
sind in ihrer Absicht, AusländerInnen aus bestimmten
Kulturräumen als ÜbeltäterInnen darzustellen, ziemlich
erfolgreich.
Sie scheuen sich nicht, diese Menschen auf einige wenige negative
Eigenschaften zu reduzieren. Mit der einfachen Verallgemeinerung und
Kulturalisierung der Kriminalität kommen sie vorbehaltlos dort gut
an, wo ein differenziertes Bild der neuen NachbarInnen fehlt. Umgekehrt
gilt dies natürlich auch für einen grossen Teil der
Eingewanderten. Einer differenzierten Wahrnehmung geht halt die offene
Auseinandersetzung voraus. Wer ist bereit dazu?
Warum tappt die Mehrheit der SchweizerInnen in die Falle des
Rechtspopulismus? Das immigrierte Individuum wird, ob in der Schweiz
oder im Ausland, stellvertretend für seine ganze Volksgruppe
wahrgenommen. Die Tat des Einzelnen, ob negativ oder positiv, wird als
Tat von allen betrachtet. So wird auch das Delikt des "Eigenen"
harmloser bewertet als das des "Anderen". Die rechten PolitikerInnen
nützen dieses Phänomen sehr gut aus und gewinnen Wahlen
damit, sowohl in Wien als auch in Den Haag.
Ich will die Migrationsprobleme, die weltweit existieren,
keineswegs ausblenden. Diese aber mit Fairness anzugehen, hilft der
Sache und damit auch der Schweiz.
Die bisherige Propaganda der rechten Politik, erinnern wir uns
hier etwa an das Plakat mit dem Messerstecher oder jenes mit den
raketenähnlichen Minaretten, hat einen fruchtbaren Boden gefunden
- so fruchtbar wie die sorgfältig gepflügten Äcker der
Schweizer Bauern. Jetzt wird Erfolg geerntet.
Diffuse Ängste vor dem "Fremden" exis tieren überall
auf dieser Welt. Gefährlich wird es, wenn diese Ängste
für politische Zwecke geschürt werden. Es scheint so, als ob
wir dieses Spiel der Ausschaffungsinitiative verlieren. Doch vielleicht
bleibt uns dafür das Glück in der Liebe, wie das Sprichwort
sagt.
Yusuf Yesilöz , Schriftsteller, lebt in Winterthur.
Sein letzter Roman, "Gegen die Flut", erschien 2008 im Limmat-Verlag.
---
Bund 9.11.10
Ausschaffungsinitiative
Rassismuskommission kritisiert SVP-Kampagne
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus kritisiert die
SVP-Kampagne zur Ausschaffungsinitiative. Diese gebe vor, kriminelle
Ausländer würden mit der heutigen Praxis nicht des Landes
verwiesen. Die Plakate mit der Aufschrift "Ivan S., Vergewaltiger: Bald
Schweizer?" unterstellten den Behörden, Vergewaltiger zur
Einbürgerung vorzuschlagen. Mit solchen Plakaten würden diese
Behörden verunglimpft und zugleich die Bevölkerung
getäuscht. Die heutige Wegweisungspraxis der Kantone zeige, dass
das geltende Recht genüge. Die Kommission empfiehlt die Initiative
wie den Gegenvorschlag zur Ablehnung. (sda)
---
Bund 8.11.10
In den Container - und weg
Alle Ausländer markieren, sammeln und ausschaffen: Auf
satirische Weise warben Demonstranten am Samstag für ein Nein zur
Ausschaffungsinitiative.
Marc Schiess
Hochexplosiv wie Zweikomponentensprengstoff präsentierte
sich am Samstagnachmittag die Lage auf dem Bundesplatz: Die eine
Platzhälfte beanspruchte das Komitee, das mit einer vorwiegend von
Kulturbeiträgen geprägten Veranstaltung für ein
doppeltes Nein zu Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag warb. So
mit Schuhpaaren, die mit Klebebändern mit der Aufschrift
"Ausgeschafft" umwickelt waren. Bei beiden Vorlagen handle es sich um
ein und dasselbe Paar Schuhe, so die Aktivisten.
Die friedliche Stimmung wurde bald von einem aggressiv
auftretenden Herrn im Anzug jäh gestört: Der
Schnauzträger mit Megafon enervierte sich über die
"destruktive Energie dieser degenerierten Linken" und trat dabei
wütend gegen die am Boden liegenden Schuhpaare. Bei der Person
handelte es sich um Alois Stocher, Geschäftsführer von
"Olaf", der "Organisation zur Lösung der Ausländerfrage".
Dieser stand die andere Hälfte des Bundesplatzes zur
Verfügung, wo sie einen gelben Container mit eingebauter
"Ausländerklappe" aufstellte. "Ausländer, die nicht mehr
gewollt oder nicht mehr gebraucht werden", könne man dort
einwerfen und dann ausschaffen. Das sei die beste
Kriminalitätsprävention: Seien erst einmal alle
Ausländer ausgeschafft, gebe es auch keine
Ausländerkriminalität mehr.
Auf Hitlerschnauz zurechtstutzen
Dass sich die Polizei zurückhielt und den Unruhestifter
nicht entfernte, hatte einen guten Grund: Alois Stocher gibt es nicht.
Ein Zürcher Aktionskünstler hat die Kunstfigur ins Leben
gerufen, um damit die aus seiner Sicht menschenfeindliche
Ausländerpolitik der SVP und deren Ausschaffungsinitiative zu
entlarven ("Bund" vom 4. November). Nicht alle Passanten verstanden die
professionell mit Plakaten und Prospekten aufgemachte Aktion als
Politsatire: Ein älterer, aufgebrachter Mann empfahl "Stocher", er
solle seinen Oberlippenbart auf einen Hitlerschnauz zurechtstutzen, das
wirke authentischer. Bei seiner um 16 Uhr gehaltenen Brandrede "zur
Ausländerplage in der Schweiz" meinte eine junge, mit einem
Ausländer verheiratete Frau, der Redner sei echt, bis ein
Olaf-Helfer sie über den wahren Hintergrund aufklärte.
"Verfassung wird aufgeweicht"
Gemäss Moreno Casasola, Koordinator von "2-mal Nein",
besuchten über tausend Personen die zwei gegensätzlichen
Veranstaltungen, die jedoch das gleiche Ziel verfolgten - "zu
verhindern, dass ein Pfeiler der Bundesverfassung aufgeweicht wird",
wie es die anwesende Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber
(Grüne) formulierte. Gemeint war Artikel 8: "Alle Menschen sind
vor dem Gesetz gleich."
---
BZ 8.11.10
Gegner und Befürworter auf der Strasse
AbstimmungDie Ausschaffungsinitiative der SVP mobilisierte am
Wochenende sowohl die Gegner als auch die Befürworter. Erstere
demonstrierten mit Schuhen, Letztere liessen Ballone steigen.
Am Samstag zog es die Gegner der Ausschaffungsinitiative und des
Gegenentwurfs vor das Bundeshaus in Bern. Mit Hunderten alter Schuhe
bildeten sie den Schriftzug "2xNein" auf dem Bundesplatz.
Für Irritation sorgte bei manchen Besuchern der Auftritt
eines Zürcher Aktionskünstlers, der als fremdenfeindlicher
"Alois B. Stocher" für ein Ja zur Ausschaffungsinitiative warb. Er
hatte einen Container mitgebracht, der als "Ausländer-Klappe"
dienen sollte: Wer einen Ausländer ausschaffen wolle, könne
das hier tun. Die Satire-Aktion kam nicht bei allen Teilnehmern des
Aktionstags gut an. Die Stadtberner Orts- und Gewerbepolizei hatte aber
sowohl die Stocher-Performance als auch den politischen Anlass
bewilligt, weshalb sich die beiden Parteien um friedliche Koexistenz
vor dem Bundeshaus bemühten.
In Zürich lud die SVP Schweiz zu einem Streitgespräch
zwischen Christoph Blocher und dem grünen Nationalrat Daniel
Vischer. Mehr als 1000 Personen - die allermeisten Anhänger von
Blocher - strömten ins Theater 11 in Oerlikon. Zum Abschluss
liessen die Teilnehmer 1500 weisse Ballone mit aufgedruckten schwarzen
Schafen in den Himmel steigen. Sie sollten kriminelle Ausländer
symbolisieren, die weggeschickt werden.
In Lausanne und in Genf gingen 500 respektive 300 Gegner der
Ausschaffungsvorlagen auf die Strasse. Sie bezeichneten die Initiative
als rassistisch. Den Umzug in Lausanne hatte die Bewegung "Kampf dem
Rassismus" (MLCR) organisiert.
In Genf kritisierte eine Parodie die Ausländerpolitik der
Schweiz. Etwas früher am Nachmittag führte die Bewegung
"United Black Sheep" - eine Koalition von jungen Linken - eine
Kundgebung durch.
sda
--
Schlagabtausch in der "Arena"
Kurz vor der Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative
gibt die neue Justizministerin Simonetta Sommaruga den Tarif durch. Sie
befürwortet den Schwimmunterricht für alle. Und sie will,
dass Zuwanderer Deutsch lernen. Sie möchte Ausländer auf die
geltenden Bildungsregeln verpflichten: "Die Schulpflicht muss voll und
ganz befolgt werden", sagt die SP-Bundesrätin im Interview mit der
"SonntagsZeitung". Sie spricht sich für den Gegenentwurf zur
SVP-Ausschaffungsinitiative aus, über die am 28. November
abgestimmt wird.
Ihren Einstand als Bundesrätin in der freitäglichen
TV-Politsendung "Arena" dürfte sich Sommaruga jedoch anders
vorgestellt haben: Als sie die Diskussion mit der Bemerkung
eröffnete, sie habe noch nie eine so "schludrige" Initiative
gesehen, bezichtigte SVP-Nationalrat Adrian Amstutz (Bern) sie der
Lüge. Sie erzähle völligen "Seich". Die Initiative
verstosse weder gegen Völkerrecht, noch sehe sie vor,
Strafverfahren wegen Bagatelldelikten zu eröffnen. Erregt bat
Sommaruga ihn, in der Wortwahl "respektvoll und sachlich" zu bleiben.
rag
---
Freiburger Nachrichten 8.11.10
Demo forderte "Ausschaffung des Rassismus"
Am Samstagnachmittag haben rund hundert Personen friedlich gegen
die Ausschaffungsinitiative der SVP demonstriert.
Freiburg "Schafft den Rassismus aus - nicht die Ausländer"
riefen die Demonstranten am Samstagnachmittag, als sie durch die
Romontgasse Richtung Rathaus marschierten. Zum Umzug gegen die
Ausschaffungsinitiative, die am 28. November vors Schweizer Stimmvolk
kommt, hatte die Kontaktstelle Schweizer-Migranten (CCSI) aufgerufen.
Rund hundert Personen sind ihm am Wochenende gefolgt, wie die
Kantonspolizei bestätigte.
Daniel Blanc, Vize-Präsident des CCSI, bezeichnete die
Initiative der SVP ebenso wie den Gegenvorschlag des Parlaments als
"fremdenfeindlich". Migranten in der Schweiz würden damit weiter
geschwächt, ihre Rechte weiter schwinden.
Auch in anderen Schweizer Städten kam es am Wochenende zu
Aktionen gegen die umstrittene Initiative. In Bern, Basel, Zürich,
Lausanne und Genf forderten die Demonstranten, am 28. November ein
doppeltes "Nein" in die Urne zu legen. cf
---
Sonntag 7.11.10
Wegweisungen: Basel ist klar strenger als Baselland
Im Stadtkanton werden im Vergleich deutlich mehr
straffällige Ausländer ausgewiesen als auf dem Land. Die
Gründe dafür dürften vielfältig sein
"Rot-Grün wird oft mit Gutmenschentum verwechselt", sagt
Klaus Mannhart. "Die Basler Regierung hat beim Thema Wegweisungen aber
stehts ein konsequentes Vorgehen vertreten: Wer Straftaten begeht und
sich nicht integrieren will, der gehört nicht hierher", betont der
Sprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements Basel-Stadt.
Tatsächlich: Eine Auswertung des "Sonntags" zeigt, dass
Basel-Stadt direkt nach dem Kanton Luzern am strengsten gegenüber
straffälligen Ausländern vorgeht. In den beiden Kantonen
wurden 2009 gut doppelt so viele Wegweisungen ausgesprochen, als man
angesichts ihrer Anteile an der ausländischen Bevölkerung
hätte erwarten können. Basel-Stadt verhängte insgesamt
53 Wegweisungen aufgrund von strafrechtlichen Verurteilungen - zum Teil
in Verbindung mit hoher Fürsorgeabhängigkeit und
Verschuldung. Das sind 7,6 Prozent der rund 700 Wegweisungen
schweizweit. Im Stadtkanton leben aber nur 3,5 Prozent aller
Ausländer.
Deutlich weniger streng als der Nachbar ist der Kanton Baselland.
Im Jahr 2009 wurden hier 13 Wegweisungen verfügt. Davon sind neun
vollzogen worden. Drei Rekurse sind noch hängig; ein Rekurs ist
vom Kantonsgericht gutgeheissen worden. Letztlich liegt es im Ermessen
der Kantone, wie sie die Wegweisungen handhaben wollen. Die Kriterien
aber ähneln sich. Eine Wegweisung hängt vorab von der Schwere
des Delikts ab. "Stark gewichtet wird auch das öffentliche
Interesse", führt Mannhart aus. "Je grösser die Schuld, desto
grösser das Interesse der Allgemeinheit, dass eine Person nicht
mehr hier ist."
Warum dann aber dieser grosse Unterschied zwischen Stadt und
Land? Möglicherweise bestünden verschiedene
Ermessensanwendungen, vermutet Dieter Leutwyler. "Eventuell lassen die
Rekursinstanzen in Basel-Stadt dem Migrationsamt mehr Spielraum in der
Entscheidfindung", sagt der Sprecher der Baselbieter
Sicherheitsdirektion. In Baselland dagegen habe das Kantonsgericht
mehrfach zugunsten der Straftäter entschieden, "was uns gewisse
Schranken bei der Ermessensanwendung setzt".
Auch Mannhart betont wiederholt, wie konsequent das Basler Amt
für Migration vorgehe, und ergänzt: "Mit der
SVP-Ausschaffungs-Initiative hat das aber gar nichts zu tun." Hinzu
aber komme natürlich auch ein gewisser Stadt/Land-Unterschied,
ergänzt Leutwyler. So seien in der Stadt etwa eine andere soziale
Struktur bei der ausländischen Wohnbevölkerung, eine
grössere Anonymität sowie auch eine grössere Drogenszene
festzustellen. Alle diese Punkte könnten zu einer Steigerung der
Wegweisungszahlen führen.
Auch wenn die Verhältnisse klar zu sein scheinen, gilt
letztlich zu beachten: Die Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen. Denn
die Kantone sind erst mit Inkrafttreten des neuen
Ausländergesetzes im Jahr 2008 für Wegweisungen
zuständig. Ein längjähriger Vergleich also ist nur
schwer möglich. So bilden etwa die 53 Wegweisungen vom vergangenen
Jahr in Basel-Stadt einen statistischen Ausreisser nach oben. 2008
waren es noch 19, in diesem Jahr waren es bis Ende Oktober 28
Wegweisungen. Mannhart: "Es ist also noch schwer abzuschätzen, wo
sich die Zahlen im Langzeitvergleich einpendeln werden."
Noch unklar ist ebenfalls, welche Auswirkungen eine Annahme der
Ausschaffungsinitiative oder des Gegenvorschlags hätte. "Aus den
Vorlagen ist beispielsweise nicht ersichtlich, ob Wegweisungen
künftig durch das Strafgericht oder weiterhin durch das
Migrationsamt zu verfügen wären", sagt Leutwyler. Das
Bundesamt für Migration schätzt, dass sich die Zahl der
Wegweisungen bei Annahme der Initiative vervierfachen, beim
Gegenvorschlag rund verdoppeln wird. "In Basel-Stadt wären es wohl
etwas weniger, weil wir eben schon heute konsequent vorgehen", vermutet
Mannhart.Daniel Ballmer
---
Sonntagszeitung 7.11.10
Kuriose Aktionen zur Abstimmung
"Ausländer-Klappe" in Bern, Ballone in Zürich
Bern/Zürich Gleich in zwei Städten fanden am Samstag
Aktionen zur Abstimmung vom 28. November über die
Ausschaffungsinitiative statt. Die Berner Gegner der
Ausschaffungsinitiative und des Gegenvorschlags hatten vor dem
Bundeshaus für ein doppeltes Nein geworben. Mit Hunderten alten
Schuhen formten sie den Schriftzug "2 x Nein" auf dem Bundesplatz. Mit
Konzerten, Slam Poetry und Platzaktionen versuchte das "Berner Komitee
2 x Nein" die Passanten und Zaungäste zu überzeugen. Für
Irritation sorgte bei manchen Besuchern der Auftritt eines Zürcher
Aktionskünstlers, der als fremdenfeindlicher "Alois B. Stocher"
für ein Ja zur Ausschaffungsinitiative warb. Er hatte einen
Container mitgebracht, der als "Ausländer-Klappe" dienen sollte:
Wer einen Ausländer ausschaffen wolle, könne dies hier tun.
Die Satire-Aktion kam nicht bei allen Teilnehmern des Aktionstags gut
an.
Zwischenrufe gegen Blocher-Gegner Vischer
In Zürich-Oerlikon standen sich Christoph Blocher (SVP) und
Daniel Vischer (Grüne) in einem von der SVP organisierten
Streitgespräch zum Thema "Kriminelle Ausländer ausschaffen"
gegenüber. Den Anlass im Theater 11 besuchten gegen tausend
Interessierte, wovon einige ihre Emotionen nicht im Zaun halten konnten
und Vischer mit Zwischenrufen störten. Nach dem Anlass liessen
Anwesende 1500 weisse Ballone, mit schwarzen Schafen bedruckt, in die
Luft steigen. Hans Fehr, Mitorganisator des Anlasses und Nationalrat
(SVP), musste die Aktion der Flugüberwachungsfirma Skyguide
melden. Wegen der grossen Anzahl musste diese symbolische
"Ausländerausschaffung" in zwei Staffeln erfolgen. Zu
Zwischenfällen mit dem Flugverkehr kam es aber nicht.
R. Tibolla und M. Halbeis
---
Newsnetz 6.11.10
Protest gegen die Ausschaffungsinitiative
Die Gegner der Ausschaffungsinitiative und des Gegenvorschlags
haben am Samstag vor dem Bundeshaus für ein doppeltes Nein
geworben. Mit Hunderten alter Schuhe bildeten sie den Schriftzug "2x
Nein".
Mit Konzerten, Slam Poetry und Platzaktionen versuchte das
"Berner Komitee 2x Nein" die Passanten und Zaungäste zu
überzeugen. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Nationalen
Aktionstags gegen die beiden eidgenössischen Vorlagen statt.
Für Irritation sorgte bei manchen Besuchern der Auftritt
eines Zürcher Aktionskünstlers, der als fremdenfeindlicher
"Alois B. Stocher" für ein Ja zur Ausschaffungsinitiative warb. Er
hatte einen Container mitgebracht, der als "Ausländer-Klappe"
dienen sollte: Wer einen Ausländer ausschaffen wolle, könne
das hier tun.
Die Satire-Aktion kam nicht bei allen Teilnehmern des Aktionstags
gut an. Die Stadtberner Orts- und Gewerbepolizei hatte aber sowohl die
Stocher-Performance als auch den politischen Anlass bewilligt, weshalb
sich die beiden Parteien um friedliche Ko-Existenz vor dem Bundeshaus
bemühten.
---
Bund 6.11.10
Ausschaffungen
Schweiz nimmt Sonderflüge nach Nigeria wieder auf
Ab Januar 2011 kann die Schweiz wieder Personen nach Nigeria
ausschaffen. Die Sonderflüge werden dann wiederaufgenommen. Darauf
haben sich Behördenvertreter der Schweiz und von Nigeria gestern
geeinigt. Der Entscheid fiel im Rahmen von Verhandlungen über eine
Migrationspartnerschaft zwischen den Ländern. "Die Wiederaufnahme
der Zwangsausschaffungen ist ein wichtiger Schritt, sollte aber nicht
überbewertet werden", sagte Alard du Bois-Reymond, Direktor des
Bundesamtes für Migration. (sda)
---
BZ 6.11.10
Ausschaffungen: Sonderflüge nach Nigeria ab Januar
Migrationspolitik Ab Januar 2011 kann die Schweiz wieder Personen
nach Nigeria ausschaffen. Darauf haben sich Behördenvertreter der
Schweiz und Nigeria gestern geeinigt.
Der Entschied fiel im Rahmen von Verhandlungen über eine
Migrationspartnerschaft zwischen den beiden Ländern. "Die
Wiederaufnahme der Zwangsausschaffungen ist ein wichtiger Schritt,
sollte aber nicht überbewertet werden", sagte Alard du
Bois-Reymond, Direktor des Bundesamtes für Migration (BFM), vor
den Medien. Im Vordergrund stehe nun die umfassende Perspektive, die
künftig eingenommen werde: Eine Absichtserklärung für
eine Migrationspartnerschaft werde im kommenden Jahr von den
Regierungen beider Länder unterzeichnet werden können, sagte
du Bois-Reymond.
Erste Pflöcke der Partnerschaft sind bereits eingeschlagen:
So hilft die Schweiz, die Kapazität der nigerianischen
Migrationsbehörden auszubauen. Nigerianer, die von der Schweiz
freiwillig in ihr Land zurückkehren, kommen in den Genuss von
verbesserten Unterstützungsprogrammen.
Migrationsdruck verkleinern
Weiter aufgegleist sind Ausbildungsprogramme für
nigerianische Agroingenieure und Diplomaten in der Schweiz. Zudem ist
die Schweiz im Gespräch mit Schweizer Firmen in Nigeria, welche
jungen Nigerianern Ausbildungsplätze anbieten könnten. "Das
wird den Druck zu emigrieren verkleinern", sagte du Bois-Reymond.
Der Staatssekretär des nigerianischen Aussenministeriums,
Martin Uhomoibhi, sagte vor den Medien, es sei mit Respekt und
Würde verhandelt worden. Mit Blick auf die illegalen Migranten
rief er in Erinnerung, dass alle Menschen, egal, woher sie stammten,
mit Grundrechten ausgestattet seien.
Peter Maurer, Staatssekretär des Eidgenössischen
Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), sagte,
dass Nigeria ein sehr wichtiger Staat in Afrika sei, mit dem die
Schweiz exzellente Beziehungen habe. Mit Nigeria wolle die Schweiz nun
auch Gespräche zur Weiterentwicklung des UNO-Menschenrechtsrats in
Genf führen.
In Bezug auf die Zwangsausschaffungen wurde zwischen den beiden
Staaten weiter vereinbart, dass künftig ein Vertreter der
nigerianischen Behörden den gesamten Rückführungsprozess
begleitet. Schon im Sommer hatte das BFM angeordnet, dass jeweils ein
Arzt mitfliegt. Ab 2011 dürfen zudem unabhängige Beobachter
mitreisen.
Nach dem Tod eines nigerianischen Ausschaffungshäftlings im
März 2010 waren alle Sonderflüge gestoppt worden. Nachdem ein
rechtsmedizinisches Gutachten dargelegt hatte, dass der 29-jährige
Mann an einer schweren und praktisch nicht diagnostizierbaren
Herzkrankheit gelitten hatte, wurden die Flüge im Juni
wiederaufgenommen - mit Ausnahme jener nach Nigeria.
Bei den gestrigen Verhandlungen habe die Schweiz erneut ihr
Bedauern über den Tod des jungen Nigerianer ausgedrückt,
hiess es in einer Mitteilung des BFM. Beide Parteien hätten
betont, dass jede Massnahme in Bezug auf die Zwangsausschaffungen nach
Nigeria gemeinsam ergriffen werde müsse.
Migrationspartnerschaften hat die Schweiz bereits mit Serbien,
Bosnien-Herzegowina und Kosovo in die Wege geleitet. Nigeria ist das
erste afrikanische Land, mit dem die Schweiz eine vertiefte
Partnerschaft in Migrationsfragen anstrebt.
sda
---
NLZ 6.11.10
Ausschaffung: Nigeria lenkt ein
Asyl
Marcello Odermatt, Bern
Immer mehr Nigerianer ersuchen in der Schweiz um Asyl. Die
Mehrheit von ihnen kann aber keine Gründe geltend machen. Nun
handeln die Schweiz und Nigeria.
Marcello Odermatt, Bern
schweiz@neue-lz.ch
Ab Januar schafft die Schweiz wieder nigerianische
Staatsbürger in ihre Heimat aus. Die Sonderflüge für
Zwangsausschaffungen wurden im vergangenen März gestoppt, nachdem
ein nigerianischer Ausschaffungshäftling beim Transport gestorben
war. Der Mann litt an einer kaum diagnostizierbaren Herzkrankheit.
Nach Gesprächen zwischen einer Schweizer und einer
nigerianischen Delegation gestern in Bern werden die Flüge wieder
aufgenommen, wie Alard du Bois-Reymond, Direktor des Bundesamts
für Migration (BFM), vor den Medien sagte. Die Wiederaufnahme der
Flüge ist Teil eines Verständigungsabkommens im
Migrationsbereich zwischen den beiden Ländern. Die
Bundesbehörden lobten das Abkommen mit "Pioniercharakter" als
"erfolgreich". Ebenso zufrieden zeigte sich die nigerianische Seite,
vertreten durch den Staatssekretär des Aussenministeriums, Martin
Uhomoibhi. Sobald das Abkommen konkretisiert ist, muss es auf
Ministerebene unterzeichnet werden.
Nigerianische Beamte reisen mit
Geplant ist, dass künftig nigerianische Beamte den
Rückführungsprozess begleiten. Insgesamt wird die
Zusammenarbeit auf Grundlage des bilateralen
Rückübernahmeabkommens des Jahres 2003 wieder aufgenommen.
Dazu gehört auch, dass nigerianische Beamte zur Identifizierung
ihrer Staatsangehörigen vor Ort erscheinen. Die Identifikation
stellt für die Migrationsbehörden hierzulande ein zentrales
Problem dar.
11 Prozent der Asylgesuche
Es ist unklar, welche Folgen das Abkommen nun auf die
Einwanderung haben wird. Seit 2009 stellt die Schweiz steigende Zahlen
von Asylgesuchen aus Nigeria fest. 2009 waren die Nigerianer mit 11
Prozent Asylgesuchen die Spitzenreiter: 1786 Nigerianer stellten ein
Gesuch, 2007 waren es 327. Allerdings werden die Gesuche fast alle
abschlägig beantwortet. 2009 gewährte das Bundesamt für
Migration nur in einem Fall Asyl. Die meisten hätten, dies stellte
du Bois-Reymond Anfang Jahr fest, keine wirklichen Asylgründe.
Vielmehr kämen 99,5 Prozent der Nigerianer in die Schweiz, "um
illegale Geschäfte zu machen", vorab im Drogenhandel. Daher sei
eine intensivere Mitwirkung der Behörden von Nigeria notwendig,
insbesondere was die Identifikation und die Rückführung
betrifft. Dies ist nun mit der Verständigung offenbar in die Wege
geleitet worden.
Auf freiwillige Rückkehr setzen
Ob nun die Gesuchszahlen zurückgehen, konnte du Bois-Reymond
indes nicht sagen. Er betonte, das Abkommen umfasse viele Bereiche der
Zusammenarbeit, die Vorteile für beide Seiten brächten:
Verbessert werden soll das schweizerische Programm für die
freiwillige Rückkehr. Geplant sind Ausbildungsprogramme für
nigerianische Agro-Ingenieure und Diplomaten in der Schweiz. Weiter
sucht die Schweiz Projekte in Schweizer Firmen in Nigeria, um die
Berufsbildung von Nigerianern zu ermöglichen. Auch wird die
nigerianische Diaspora in der Schweiz, rund 2000 Personen, stärker
einbezogen.
All dies, so du Bois-Reymond, mindere das Interesse,
überhaupt auszuwandern. Es sei aber wichtig, Migration nicht nur
unter dem Aspekt Illegalität und Kriminalität zu sehen, sagte
er weiter. Jede Person habe zuerst Rechte, wenn sie in ein Land
einwandere, ergänzte der nigerianische Staatssekretär
Uhomoibhi. Sie seien nicht in erster Linie kriminell.
---
Südostschweiz 6.11.10
Zwangsausschaffungen nach Nigeria 2011 wieder möglich
Nigeria wird ab Januar 2011 wieder Ausschaffungs-Sonderflüge
zulassen. Die Schweiz verpflichtet sich im Gegenzug, die Nigerianer
künftig verstärkt zu unterstützen.
Von Simon Fischer
Bern. - Abgewiesene Asylsuchende aus Nigeria können ab
Januar 2011 wieder zwangsausgeschafft werden. Darauf haben sich Alard
du Bois-Reymond, Direktor des Bundesamts für Migration, und Martin
Uhomoibhi, Staatssekretär des nigerianischen Aussenministeriums,
gestern in Bern geeinigt. Die Ausschaffungs-Sonderflüge waren
gestoppt worden, nachdem im März ein 29-jähriger Nigerianer
während seiner Ausschaffung auf dem Flughafen Zürich
verstorben war.
Im Gegenzug hat sich die Schweiz bereit erklärt, mit Nigeria
eine Migrationspartnerschaft einzugehen. Diese sieht unter anderem vor,
dass die Schweiz Hilfe leistet beim Ausbau der nigerianischen
Migrationsbehörden, wie du Bois-Reymond vor den Medien in Bern
erklärte. Für Nigerianer, die freiwillig heimkehren, wird es
verbesserte Unterstützungsprogramme geben. Die Schweiz sei
ausserdem in Verhandlungen mit Schweizer Firmen in Nigeria, die jungen
Nigerianern Ausbildungsplätze bieten könnten.
Kritik aus verschiedenen Gründen
Im bürgerlichen Lager ist die Skepsis gegenüber einer
Migrationspartnerschaft gross. So sagt etwa der Aargauer
FDP-Nationalrat Philipp Müller: "Dieses Paket geht zu weit und
sendet ein falsches Signal an andere Staaten." Zu grosszügige
Rückkehrprogramme hätten ausserdem eine Sogwirkung auf
potenzielle Asylsuchende.
Auch Denise Graf von Amnesty International übt Kritik, wenn
auch aus anderen Gründen. Die Migrationspartnerschaft sei
grundsätzlich positiv, die Wiederaufnahme der Sonderflüge
allerdings nicht. "Denn bis heute ist nicht definitiv gesichert, was
zum Tod des Ausschaffungshäftlings geführt hat." Bevor die
Untersuchung nicht abgeschlossen sei, dürften die
Zwangsausschaffungen nicht wieder aufgenommen werden, sagt Graf.
---
Basler Zeitung 6.11.10
Mehr Ausländer weggewiesen
Kriterien für Ausschaffungen deklariert
Patrick Marcolli
Im Jahr 2009 hat Basel-Stadt in 53 Fällen die Aufenthalts-
oder die Niederlassungsbewilligung entzogen. 2008 waren es erst 19
Fälle gewesen.
Auf nationaler Ebene ist der Trend bereits mit Statistiken
untermauert: Unbesehen davon, ob die SVP-Ausschaffungsinitiative oder
der Gegenvorschlag angenommen oder abgelehnt wird - die
Ausschaffungspraxis der Behörden hat sich in den letzten Jahren
verschärft.
In ihrer Antwort auf einen Vorstoss von Jürg Meyer (SP) hat
die Basler Regierung die Kennzahlen für den Stadtkanton
offengelegt. Im zweiten Jahr nach Inkrafttreten des
Ausländergesetzes ist die Zahl des Entzugs von Aufenthalts- oder
Niederlassungsbewilligungen sprunghaft angestiegen: Den 19 Fällen
aus dem ersten Jahr 2008 stehen 53 Fälle im 2009 gegenüber.
2010 sind die Zahlen gegenüber dem Vorjahr wieder leicht
rückläufig. Bis zum 13. Oktober wurden 28 Wegweisungen
verfügt.
Kriterien. Ebenso genannt werden die Kriterien, aufgrund derer
eine Ausschaffung im Kanton Basel-Stadt überhaupt erst in
Erwägung gezogen wird:
> Finanzen: bei Betreibungen/Verlustscheinen von über 80
000 Franken, nach mindestens einmaliger Verwarnung.
> Sozialhilfe: ununterbrochener Bezug über einen Zeitraum
von mehr als zwei Jahren und einem Betrag von mehr als 80 000 Franken
für eine Einzelperson nach mindestens einmaliger Verwarnung.
> Verurteilungen: längerfristige Freiheitsstrafe (ab
zwölf Monaten) bei folgenden Delikten: strafbare Handlungen gegen
Leib und Leben, Sexualdelikte, Betäubungsmitteldelikte, schwere
Verkehrsregelverletzungen im Wiederholungsfall, Vermögensdelikte
ab einer Strafe von zwei Jahren.
Spekulativ
In den Entscheid der Behörden, ob jemand weggewiesen wird oder
nicht, fliessen auch "gewichtige persönliche Interessen am
Verbleib in der Schweiz" mit ein. So die familiären Beziehungen
(Ehefrau, Kinder), die Länge der Aufenthaltsdauer in der Schweiz
und die Frage, ob dem Auszuweisenden im Heimatland erhebliche Nachteile
erwachsen. Diese Kriterien würden nach einem Ja zum
SVP-Volksbegehren nicht mehr berücksichtigt.
Bemerkenswert ist auch, dass sich die Basler Behörden im
Gegensatz zum Bundesamt für Migration nicht auf Prognosen
darüber einlassen wollen, wie hoch die Zahl der Wegweisungen nach
einer Annahme der Initiative werden könnte. In den letzten Jahren
bereits sei das Migrationsamt bei straffällig gewordenen Personen
"konsequent vorgegangen". Das Nennen von Zahlen wäre "rein
spekulativer Natur".
---
Südostschweiz 6.11.10
Auch GPK entlastet Bündner Behörden
Chur. - Die Bündner Behörden haben sich bei der
Ausschaffung einer Kurdenfamilie aus der Strafvollzugsanstalt Sennhof
in Chur im Juli durchwegs korrekt verhalten. Das ist das Ergebnis der
Untersuchung des Ausschusses der Geschäftsprüfungskommission
(GPK) des Grossen Rates, das gestern publiziert wurde. Befragungen von
Beteiligten sowie die Sichtung von Akten und Bildern liessen keine
Schlüsse auf Übergriffe zu. Seite 7
--
GPK-Bericht zu Ausschaffung: Behörden handelten korrekt
Die Behörden haben sich bei der Ausschaffung einer
Kurdenfamilie aus der Strafvollzugsanstalt Sennhof in Chur im Juli
einwandfrei verhalten. Das ist das Ergebnis der Untersuchung des
GPK-Ausschusses des Grossen Rates.
Von Denise Alig
Chur. - "Die Sichtung und Würdigung aller Beweise lässt
keine Schlüsse auf unrechtmässige Übergriffe seitens der
Behörden zu. Es konnten keine Belege, Hinweise oder Anhaltspunkte
gefunden werden, welche die erhobenen Vorwürfe erhärten oder
belegen würden. Im Gegenteil konnten einzelne Rügen gar als
klar falsch widerlegt werden." Das schreibt der von Grossrat Jakob
Barandun (FDP, Bergün) präsidierte vierköpfige Ausschuss
der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates in
einer Medienmitteilung von gestern zum Abschluss seiner Untersuchung
der Zwangsausschaffung einer syrischen Kurdenfamilie im Juli aus der
Strafvollzugsanstalt Sennhof in Chur. Der GPK-Ausschuss beurteile das
Verhalten und Vorgehen der Behörden "unter allen Gesichtspunkten
als rechtmässig, verhältnismässig und korrekt", heisst
es weiter. Dass die Behördenmitglieder bei der Erfüllung
ihres gesetzlichen Auftrags konsequent vorgegangen seien, könne
ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Untersuchung aus eigener Initiative
Der GPK-Ausschuss war in dieser Angelegenheit aus eigenem Antrieb
tätig geworden, nachdem Organisationen wie der Verein Miteinander
Valzeina und Amnesty International Schweiz sowie Insassen der
Strafvollzugsanstalt Sennhof in Chur die Art und Weise erwähnter
Zwangsausschaffung scharf kritisiert hatten. Den beteiligten
Behörden waren Verletzung der Kinderrechts- und Folterkonvention,
Verstoss gegen verbindliche gesetzliche Vorschriften, wie
beispielsweise der Ausländer-, Asyl- sowie
Zwangsanwendungsgesetzgebung, sowie Missachtung des
Verhältnismässigkeitsprinzips vorgeworfen worden. Die
Beschuldigungen waren vom zuständigen Departement für Justiz,
Sicherheit und Gesundheit zur Untersuchung an den Churer Rechtsanwalt
Andrea Cantieni als externen Experten übergeben worden. Dieser war
Ende September zum Schluss gekommen, dass die erhobenen Vorwürfe
unbegründet seien.
Auch Videoaufnahmen eingesehen
Wie Grossrat Jakob Barandun gestern auf Anfrage sagte, sei es
für ihn von Anfang an klar gewesen, "dass die GPK in diesem Fall
im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufsicht über die Verwaltung
tätig werden muss." Der GPK-Ausschuss habe Sachlage und die
Begründetheit der Vorwürfe denn auch unvoreingenommen und
sehr detailliert geprüft. Zur Beurteilung seien dem Ausschuss
Einsicht in die Akten und Überwachungsbilder gewährt worden.
Zudem hätten mehrere verantwortliche Behördenmitglieder
eingehend befragt werden können.
Amnesty beharrt auf Veröffentlichung
Denise Graf, Flüchtlingskoordinatorin bei Amnesty
International, erklärte gestern hingegen, aus der Mitteilung des
GPK-Ausschusses sei nicht ersichtlich, "auf welche Informationen die
GPK ihre Erkenntnisse abstützt und ob sie die betroffene Familie
auch befragt hat". Amnesty International verlange - gestützt auf
das Öffentlichkeitsprinzip - denn auch weiterhin, "dass
Transparenz geschaffen wird und der Bericht des Gutachters sowie die
Videobilder veröffentlicht werden".
---
10vor10 5.11.10
Ausschaffungsflüge mit Preisschild
Nigerianer ohne Aufenthaltsbewilligung können wieder ausgeschafft
werden. Im Gegenzug muss die Schweiz nun stärker in die Bildung
und Entwicklung in Nigeria investieren.
http://videoportal.sf.tv/video?id=4c782002-5af9-44e3-993b-f0a6599d441b
---
Tagesschau 5.11.10
Wieder Zwangsausschaffungen nach Nigeria
Die Schweiz und Nigeria haben ein neues Abkommen ausgehandelt. Nachdem
die Sonderflüge für Zwangsausschaffungen vor etwa einem
halben Jahr gestoppt wurden, sollen sie ab Januar 2011 wieder
möglich sein.
http://videoportal.sf.tv/video?id=8656ae0f-e880-473a-ba06-093ef61db1b9
---
admin.ch 5.11.10
Bundesamt für Migration
Migrationspartnerschaft zwischen der Schweiz und Nigeria abgeschlossen
Medienmitteilungen, BFM, 05.11.2010
Bern. Die Schweiz und Nigeria haben heute die Verhandlungen über
eine Migrationspartnerschaft zwischen den beiden Ländern
erfolgreich abgeschlossen. Dies war der Höhepunkt eines
Arbeitsbesuchs des Staatssekretärs des nigerianischen Ministeriums
für auswärtige Angelegenheiten, Botschafter Dr. Martin
Uhomoibhi, in Bern, wo er den Staatssekretär des
Eidgenössischen Departements für auswärtige
Angelegenheiten, Botschafter Peter Maurer, und den Direktor des
Bundesamtes für Migration, Alard du Bois-Reymond, getroffen hat.
Der Fokus des Arbeitsbesuchs, der im Rahmen regelmässiger
politischer Konsultationen stattfand, war hauptsächlich auf die
Zusammenarbeit im Bereich der Migration gerichtet. Die Delegationen der
Schweiz und Nigerias haben die Verhandlungen über eine bilaterale
Migrationspartnerschaft erfolgreich abgeschlossen. Das Memorandum of
Understanding (MoU), das seit dem Besuch der Vorsteherin des
Eidgenössischen Departements für auswärtige
Angelegenheiten, Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, im April 2009 in
Abuja diskutiert wurde, deckt die Zusammenarbeitsbereiche wie
Kapazitätenaufbau im Migrationsmanagement, Migration und
Entwicklung, Förderung und Schutz der Menschenrechte sowie
reguläre Migration ab, wie beispielsweise
Austauschmöglichkeiten für Aus- und Weiterbildung, sowie die
Bekämpfung von Menschenschmuggel und des Menschen- und
Drogenhandels, die Rückkehrhilfe, die Rückübernahme und
Wiedereingliederung sowie die Prävention irregulärer
Migration.
Das MoU über eine Migrationspartnerschaft wird bald auf
ministerieller Ebene formell unterzeichnet. Es hat Pioniercharakter und
wird die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Nigeria auf eine neue
Ebene heben. Die Zusammenarbeit soll langfristig angelegt, im Interesse
beider Parteien liegen und im Sinne eines umfassenden Ansatzes sowohl
die Chancen und die Herausforderungen der Migration beachten. Es ist
das erste derartige Abkommen zwischen der Schweiz und einem
afrikanischen Land.
Die heutigen politischen Konsultationen boten eine Plattform für
den Austausch über das zukünftige Vorgehen, die konkrete
Umsetzung der Partnerschaft und mögliche gemeinsame Initiativen
und Projekte. Nebst zahlreichen anderen Themen erörterten die
beiden Delegationen, wie das schweizerische Programm für die
freiwillige Rückkehr und Wiedereingliederung, das
rückkehrenden Nigerianerinnen und Nigerianern seit 2005
erfolgreich angeboten wird, weiter verbessert werden kann. Es wurden
auch Sondierungsgespräche mit in Nigeria tätigen Schweizer
Unternehmen aufgenommen. In diesen Gesprächen soll ermittelt
werden, wo sich Pilotprojekte ergeben könnten für die Aus-
und Weiterbildung für eine gewisse Anzahl junger Nigerianerinnen
und Nigerianer. Im Bereich der Migration und der Entwicklung wird die
Schweiz ein bereits bestehendes regionales System für die
Identifikation, den Schutz und die Reintegration junger gestrandeter
Migrantinnen und Migranten und vulnerabler Kinder auf Nigeria
ausweiten. Beide Seiten kamen des Weiteren überein, die
nigerianische Diaspora in der Schweiz in die Partnerschaft
einzubeziehen.
Der tragische Vorfall vom 17. März 2010 am Flughafen Zürich,
bei dem ein junger Nigerianer bei der Rückführung gestorben
ist, war ebenfalls Gegenstand der Gespräche. Die Schweizer Seite
drückte erneut ihr Bedauern aus. Beide Delegationen machten eine
Bestandesaufnahme der verschiedenen Massnahmen, die in den letzten
Monaten gemeinsam erarbeitet wurden, um das
Rückführungsverfahren zu optimieren, damit sich ein solcher
Fall nicht mehr ereignet. Zu den Massnahmen gehört die
Vereinbarung, dass nigerianische Beamte den gesamten
Rückführungsprozess begleiten werden. Der Staatssekretär
Uhomoibhi brachte seine Zufriedenheit mit diesen Massnahmen zum
Ausdruck. Beide Parteien betonten, dass jede Massnahme gemeinsam
ergriffen werden muss, damit die Gewähr besteht, dass das
Rückführungsverfahren in Würde und mit Respekt vollzogen
wird. Deshalb wurde vereinbart, die Zusammenarbeit auf Grundlage des
bilateralen Rückübernahmeabkommens des Jahres 2003 wieder
aufzunehmen. Dies schliesst auch die Wiederaufnahme der
Rückführungsflüge ab dem 1. Januar 2011 ein. Vor diesem
Zeitpunkt wird die normale Zusammenarbeit schrittweise wieder
eingeleitet, z. B. die Missionen nigerianischer Beamter zur
Identifizierung eigener Staatsangehöriger oder die Teilnahme
nigerianischer Rückkehrerinnen und Rückkehrer an
FRONTEX-Flügen nach Nigeria.
Die beiden Delegationen führten überdies Gespräche zu
Themen von gemeinsamem Interesse, etwa zum bilateralen Handel und
Investitionen, zur gemeinsamen Bekämpfung illegaler Vermögen,
zu Friedensoperationen in Subsahara-Afrika, zur Sicherheitslage in der
Region Sahara und Sahel, zum Vorsitz Nigerias bei der ECOWAS sowie zur
Überprüfung des Menschenrechtsrats. Im Frühling 2011
wird eine Gruppe junger nigerianischer Diplomatinnen und Diplomaten
zusammen mit ihren schweizerischen Kolleginnen und Kollegen an einer
einmonatigen Ausbildung in Genf und Bern teilnehmen.
Staatssekretär Peter Maurer nahm die Einladung von
Staatssekretär Martin Uhomoibhi zu einer nächsten Runde
bilateraler Konsultationen 2011 in Abuja an.
Kontakt / Rückfragen
Alard du Bois-Reymond, Bundesamt für Migration, T +41 31 325 93
50, Kontakt
Informationsdienst EDA, T + 41 31 322 31 53, Kontakt
--------------------------------
VOLKSBEFRAGUNG
--------------------------------
WoZ 11.11.10
Hier gibts Argumente
Die SVP lügt
Wollen Sie Ihre Bekannten überzeugen, zweimal Nein zu
stimmen, aber finden keine Argumente? Der grüne Genfer Nationalrat
Antonio Hodgers kann Ihnen neue liefern. Er hat aufgelistet, was in der
Broschüre zur SVP-"Volksbefragung" alles nicht stimmt: von plumpen
Lügen bis zu Manipulationen an Statistiken. DYT
http://www.wasdiesvpverheimlicht.ch
---
Bund 10.11.10
Grüne kritisieren "Volksbefragung" der SVP
Die SVP hat gestern die Resultate ihrer "Volksbefragung"
vorgelegt. Sie sieht in der nicht repräsentativen Umfrage eine
Bestätigung für ihre Ausländerpolitik. Die Partei hatte
im Sommer an alle 3,9 Millionen Schweizer Haushalte einen Fragebogen
verschickt. Insgesamt nahmen laut SVP rund 70 000 Personen an der
Umfrage teil, was einer Beteiligung von weniger als 2 Prozent
entspricht.
Die SVP folgert aus den Antworten, dass viele eine härtere
Ausländerpolitik wünschen. "Wir prüfen, ob sich eine
weitere Volksinitiative aufdrängt", sagte Brunner. Vor allem die
Idee der Einbürgerung auf Zeit werde weiterverfolgt.
Die Teilnehmenden hatten verschiedene Massnahmen ankreuzen
können. Am meisten Zustimmung erhielt jener Vorschlag, über
den bald an der Urne abgestimmt wird: die Ausschaffung krimineller
Ausländer. Die Kündigung der Personenfreizügigkeit
stiess dagegen nicht auf grosse Unterstützung.
Der Genfer Nationalrat Antonio Hodgers (Grüne) hat die
Resultate unter die Lupe genommen, wie seine Partei in einem
Communiqué schreibt. Er wirft der SVP "Fälschungen,
Lügen, Manipulation und das Weglassen von Informationen" vor. So
verschweige die SVP bei einer Einwanderungs-Grafik die Zahlen von 2009,
die im Zuge der Rezession stark gesunken seien. Falsch sei die
Behauptung, seit der Einführung des Freizügigkeitsabkommens
2002 habe die jährliche Zuwanderung um 65 Prozent zugenommen.
Richtig sei ein jährlicher Anstieg von 4,5 Prozent.
Ebenso falsch sei die Aussage, es gebe kaum ein Land, in dem
proportional zur Bevölkerung so viele Ausländer lebten wie in
der Schweiz. Tatsächlich bestehe die Schweizer Bevölkerung
aus 22,1 Prozent Ausländern, diejenige in Luxemburg aus 41,6 und
diejenige Liechtensteins aus 33,9 Prozent. Hodgers spricht von total
"52 Manipulationen" in der Befragung. (sda/bin/Newsnetz)
---
NZZ 10.11.10
Politmarketing und Satire
SVP präsentiert Ergebnisse ihrer "Volksbefragung"
Die SVP will ihre Umfrage zur Lancierung neuer Forderungen in der
Ausländerpolitik nutzen. Die umstrittene Volksbefragung gab Anlass
zu Kritik und Satire.
nn. Bern · Ende Juli verschickte die SVP eine Zeitschrift
an alle Schweizer Haushalte. Die Bevölkerung wurde darin
aufgerufen, in einer suggestiv aufgemachten "Volksbefragung"
migrationspolitische SVP-Forderungen zu unterstützen.
Pünktlich zum Endspurt des Abstimmungskampfs um die
Ausschaffungsinitiative gab SVP-Präsident Toni Brunner am Dienstag
vor den Medien in Bern die Resultate der "Volksbefragung" bekannt - und
er liess keinen Zweifel daran aufkommen, dass die SVP das Rad ihrer
ausländerpolitischen Forderungen noch weiterdrehen wird.
Volksinitiative wird geprüft
3,9 Millionen Fragebogen wurden verschickt, 70 000 Antworten
gingen per Post und Internet ein. Laut Brunner entspricht dies einer
Rücklaufquote von 1,9 Prozent. An der Umfrage hat sich vorab
beteiligt, wer eine härtere migrationspolitische Gangart will.
Zwei Drittel der Teilnehmer fordern die "konsequente Ausschaffung
krimineller Ausländer", ähnlich hohe Raten erreichten die
Ausschaffung von Sans-Papiers, die Einbürgerung auf Probe, eine
Loyalitätserklärung bei Einwanderung oder der Entzug der
Niederlassungsbewilligung bei langjähriger
Sozialhilfeabhängigkeit. Die ersatzlose Kündigung des
EU-Personenfreizügigkeitsabkommens forderten indes nur 30 Prozent.
- Eine SVP-Arbeitsgruppe soll nun die fünf meistgenannten Themen
weiterverfolgen. Was wann auf politischer Ebene eingebracht werde, ist
noch offen. Die Lancierung einer Volksinitiative im Wahljahr werde
natürlich geprüft. 20 Prozent der Teilnehmer haben eigene
Vorschläge gemacht: Gewisse will die SVP im Parlament für
Vorstösse nutzen.
Störmanöver und Kritik
Das SVP-Marketing gab Anlass zur politischen Satire. Die Jungen
Grünen traten schon am Vormittag als vermeintliche
SVP-Sympathisanten vor die Medien und erklärten, die
Volksbefragung habe die Probleme ergeben, "die wir schaffen wollten".
Der SVP-Auftritt wurde zudem von einem als Dr. Alois B. Stocher
auftretenden Aktionskünstler gestört, der ein Plakat für
die "Markierung" und "Ausschaffung" aller Ausländer ausrollte. Der
Künstler wurde von der energischen stellvertretenden
SVP-Generalsekretärin aus dem Saal geschafft.
Inhaltliche Kritik gab es von den Grünen: Der Genfer
Nationalrat Antonio Hodgers hat die Statistiken und Aussagen in der
Volksbefragung-Zeitschrift mit einiger Akribie analysiert und im
Internet "14 Fälschungen, 19 Lügen und 19 unterschlagene
Informationen" angeprangert. Einzelne Manipulationsvorwürfe
entkräftete Brunner, die anderen wies er pauschal zurück. Der
SVP-Präsident räumte aber ein, dass die Umfrage nicht
repräsentativ sei. Seriosität war ohnehin nicht das Ziel der
Befragung: Zusätzlich zum Werbeeffekt gelang es der SVP, 2000
aktive Helfer für die Ausschaffungsinitiative und 1500
Parteimitglieder zu rekrutieren.
Meinung & Debatte, Seite 23
---
Südostschweiz 10.11.10
"Volksbefragung" sorgt für Nervosität bei Bürgerlichen
Mit ihrer "Volksbefragung" zementiert die SVP im Hinblick auf die
Wahlen 2011 ihre Vorherrschaft in der Ausländerthematik. Die FDP
reagiert mit einem Parteitag zum Thema Migration.
Von Simon Fischer und Lorenz Honegger
Bern. - Anfang August verschickte die SVP die Unterlagen zu ihrer
"Volksbefragung zur Asyl- und Ausländerpolitik" an die 3,9
Millionen Schweizer Haushalte. Gestern hat die Partei in Bern die
Ergebnisse vorgestellt und dabei keinen Zweifel daran gelassen, dass
sie im kommenden Wahlkampfjahr einmal mehr mit ebendiesem Thema punkten
will. Gleichzeitig sieht sie sich knapp drei Wochen vor der Abstimmung
über die Ausschaffungsinitiative sowieso schon täglich in den
Schlagzeilen - und bei den anderen Parteien steigt die Nervosität,
weil ihnen droht, in Migrationsfragen vollends den Anschluss zu
verlieren.
FDP-Parteitag zur Migration
Bei der FDP und der CVP will man deshalb frühzeitig
Gegensteuer geben. Wie der Aargauer FDP-Nationalrat Philipp Müller
auf Anfrage erklärte, werden die Freisinnigen Mitte Februar 2011
einen Parteitag zum Thema Migration durchführen. Andere Themen
sind nicht traktandiert. "Das hat es in der Geschichte der FDP noch nie
gegeben", sagte Migrationsexperte Müller. Der Entscheid sei vom
Parteivorstand vor einer Woche gefällt worden. Es gehe nicht
darum, der SVP "nachzuplappern", so Müller. "Aber wenn wir eine
Volkspartei sein wollen, müssen wir uns auch Themen widmen, welche
die Leute beschäftigen." Die FDP habe das Thema Migration lange
falsch eingeschätzt und zu zaghaft kommuniziert, dass sie
ebenfalls intensiv am Thema arbeite - etwa bei der Revision des Asyl-
und des Ausländergesetzes, welche die Partei entscheidend
mitgeprägt habe.
Auch die CVP will das Thema Ausländer "ungeschminkt
anpacken", wie es Parteipräsident Christophe Darbellay
formulierte. "Und im Gegensatz zur SVP werden wir Lösungen
präsentieren, die umsetzbar sind", sagte der Walliser Nationalrat.
So werde das Kernthema des CVP-Wahlkampfs die Sicherheit im Alltag sein
- "eine Diskussion über unsere Werte, die auch Ausländer
betrifft", erklärte Darbellay. Es seien deshalb bereits mehrere
Positionspapiere in Arbeit, welche die Partei im Laufe des Wahlkampfs
präsentieren werde. Im Übrigen habe die CVP zum Thema
Migration bereits ein Positionspapier verabschiedet, "leider mit
weniger Echo als die 'Volksbefragung' der SVP", so Darbellay.
Vorwurf der Manipulation
SVP-Parteipräsident Toni Brunner versuchte die
"Volksbefragung" vor den Medien in Bern als Erfolg zu verkaufen.
Allerdings haben nur rund 70 000 Personen den Fragebogen
zurückgeschickt, was einer Beteiligung von weniger als zwei
Prozent entspricht. Das Ergebnis: Von der SVP vorgeschlagene Massnahmen
wie Ausschaffung krimineller Ausländer und illegal Anwesender,
Einbürgerung auf Probe, Loyalitätserklärung bei
Einwanderung und Entzug der Niederlassungsbewilligung bei
langjähriger Sozialhilfeabhängigkeit erreichten jeweils weit
über 60 Prozent Zustimmung.
Vor allem im Lager der Grünen ruft dies Kritiker auf den
Plan. Die SVP manipuliere Daten und Statistiken, um ihre populistischen
Aussagen zu belegen, schrieb die Partei. Brunner wies diese Kritik
zurück. Der grüne Genfer Nationalrat Antonio Hodgers, der
laut eigener Aussage 50 Stunden Arbeit in die Analyse des Fragebogens
gesteckt hat, konterte: "52 Manipulationen sind zu viel."
--
Neue Initiative: Haftdauer nach Herkunft festlegen
Zürich. - Ein Komitee aus parteilosen Bürgern hat
gestern zu einer Medienkonferenz ins Restaurant "Au Premier" in
Zürich eingeladen. Drei Wochen vor der Abstimmung über die
Ausschaffungsinitiative gab es die Lancierung einer neuen
Volksinitiative bekannt. Geschmückt ist diese mit einem wahren
Bestseller-Titel: "Eidgenössische Volksinitiative für die
härtere Bestrafung von Kriminellen ausländischer
Staatsangehörigkeit!"
Spätestens zu diesem Zeitpunkt runzelten die anwesenden
Journalisten die Stirn. Meinen die das ernst? Am 28. November stimmen
wir doch über die Ausschaffungsinitiative ab. Doch das
Initiativ-Komitee beteuerte: "Ja, das ist ernst gemeint." Gestern
hätten sie die Initiative zur Vorprüfung in Bern eingereicht.
Die Bundeskanzlei konnte das Eintreffen der Initiative allerdings nicht
bestätigen.
Die Initianten fordern nach der Nationalität des Täters
unterschiedlich angesetze Haftstrafen. Konkret heisst das: Wenn
Angehörige einer Nationalität viele Straftaten begangen
haben, sollen Angehörige dieser Gruppe länger ins
Gefängnis. Beispiel: Laut Kriminalitätsstatistik begehen
Angolaner besonders viele Delikte, also sollen sie auch 2,5-mal
länger ins Gefängnis als kriminelle Schweizer. Umgekehrt
sähe es bei Deutschen aus. Sie begehen weniger Verbrechen als
Schweizer und würden daher von einer kürzeren Haftstrafe als
Schweizer profitieren. Die Initiative widerspricht dem Prinzip, dass
jeder vor Gericht gleich ist. Deshalb ist es mehr als fragwürdig,
ob sie die Vorprüfung übersteht. (ros)
--
Kommentar
Völlig wertlos, aber geschickt
Von Simon Fischer
Inhaltlich betrachtet, ist das Ergebnis der "Volksbefragung zur
Asyl- und Ausländerpolitik" aus dem Hause SVP nicht das Papier
wert, auf dem es geschrieben steht. Hunderttausende von Franken hat die
Partei aufgewendet, um den Fragebogen an die fast vier Millionen
Haushalte in der Schweiz zu versenden. Ausgefüllt haben ihn gut 70
000 Personen, was einer Beteiligung von nicht einmal zwei Prozent
entspricht. Und der Verdacht liegt nahe, dass die Umfrageteilnehmer
grossmehrheitlich sowieso schon zum SVP-Wählerkreis gehören.
Es sind also alles andere als repräsentative Zahlen, welche die
Partei gestern präsentiert hat - was Präsident Toni Brunner
auch gar nicht in Abrede stellen wollte.
War die "Volksbefragung" also ein Schuss in den Ofen? Mitnichten!
Denn die SVP hat sich damit exakt jene Zahlen herbeigezaubert, die sie
braucht, um im Wahlkampf mit Erfolg eine Schlammschlacht gegen
Ausländer, Asylsuchende und überhaupt alles Fremde zu
schlagen. Über 60 Prozent haben ihre Kreuzchen bei simpel
formulierten SVP-Vorschlägen gemacht wie "konsequente Ausschaffung
krimineller Ausländer und illegal Anwesender", "Einbürgerung
auf Probe" oder "Loyalitätserklärung bei Einwanderung". Die
Wähler werden diese Zahlen in den nächsten Monaten noch
unzählige Male um die Ohren gehauen bekommen. Das ist zwar
höchst unappetitlich, aber nicht verboten - und deshalb ziemlich
geschickt.
Und was machen die anderen Parteien, denen die SVP vorwirft, in
Ausländerfragen nichts zu tun? Statt ruhig Blut zu bewahren und
die Volkspartei einfach einmal zu ignorieren, üben sie sich in
reiner Selbstverteidigung: Die Grünen bezichtigen die SVP der
Manipulation von Daten und Statistiken, die FDP kündigt einen
monothematischen Parteitag zur Migration an, und CVP-Präsident
Christophe Darbellay erklärt, man werde bald Lösungen
präsentieren, die auch umsetzbar seien. Damit verhelfen sie dem
politischen Gegner zu viel Medienpräsenz und schaden sich indirekt
selbst. Wieder einmal hat die SVP gestern bewiesen, wie man aus einer
völlig wertlosen Zahlenbeigerei ordentlich Profit schlagen kann.
sfischer@suedostschweiz.ch
--------
SVP
--------
NZZ 11.11.10
Uni Lausanne lädt SVP aus
Chaoten-Drohungen vor Delegiertenversammlung
(sda) · Die Universität Lausanne (UNIL) lehnt es ab,
ihre Räumlichkeiten der SVP für deren Delegiertenversammlung
am 4. Dezember zur Verfügung zu stellen. Die UNIL habe die
Versammlung der SVP nur unter der Bedingung akzeptiert, dass der
Uni-Betrieb nicht gestört werde, sagte Marc de Perrot,
Generalsekretär der Universität Lausanne. Nun seien aber
Flugblätter eingegangen, die dazu aufforderten, Fenster
einzuschlagen, Räumlichkeiten, zu verwüsten und Autoreifen zu
zerstechen. Deshalb hat die UNIL das Kongress- und Ausstellungszentrum
Beaulieu informiert, dass sie das Risiko nicht eingehen kann.
Ursprünglich hätte die DV im "Beaulieu" stattfinden sollen.
Da jedoch die Gewerkschaft Unia zur gleichen Zeit am gleichen Ort ihre
Versammlung abhält, hatte diese durchgesetzt, dass die SVP ihre DV
anderswo durchführt. Die Unia befürchtet, dass es nach der
Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative am 28. November zu
Reibereien kommen könnte.
"Wir machen weder dem Kongresszentrum noch der UNIL
Vorwürfe", sagt Claude-Alain Voiblet, Generalsekretär der SVP
Waadt. "Aber wir bedauern, dass die SVP-Delegierten sich nicht in Ruhe
in Lausanne treffen können." Dies gebe ein katastrophales Bild
nach aussen ab. Schon bei einem Auftritt Christoph Blochers als
Bundesrat am Comptoir Suisse 2007 sei es zu Ausschreitungen gekommen.
Seither machten Linksextreme mobil, sobald die SVP eine Versammlung
organisieren wolle, sagte Voiblet. Nun müsse man einen neuen Ort
im Waadtland für die SVP-DV finden.
------------------------------------
MIGRATION CONTROL
-------------------------------------
admin.ch 10.11.10
4. Globales Forum für Migration und Entwicklung - die Schweiz hat
2011 den Vorsitz
Bern, 10.11.2010 - Am 10. und 11. November 2010 findet in Puerto
Vallarta (Mexiko) das vierte Globale Forum für Migration und
Entwicklung statt. 150 Staaten diskutieren über eine
verstärkte internationale Zusammenarbeit im Bereich der Migration
und Entwicklung. Die schweizerische Delegation unter Leitung des
Sonderbotschafters für internationale Migrationszusammenarbeit,
Eduard Gnesa, bereitet den Vorsitz der Schweiz für das Forum im
Jahr 2011 vor.
Migration wird in der Öffentlichkeit oft überwiegend als
Problem wahrgenommen. Diese Betrachtungsweise greift zu kurz. Migration
kann sowohl für Herkunfts- als auch für Empfangsstaaten
positiv sein. Für Empfangsstaaten können Migranten eine
unverzichtbare wirtschaftliche und gesellschaftliche Ressource
darstellen, die im Zuge demografischer Entwicklungen noch wichtiger
werden dürfte. Herkunftsstaaten können von
Geldüberweisungen und Wissenstransfer ihrer Staatsbürger in
der Ferne profitieren. Die Migranten selber verbessern ihre
persönlichen Lebensumstände und die ihrer Angehörigen.
Dieser Zusammenhang stösst in der internationalen Gemeinschaft auf
immer grösseres Interesse. Das Globale Forum für Migration
und Entwicklung bietet den Staaten in diesem Zusammenhang eine wichtige
Diskussionsplattform. Das Forum wurde 2006 auf Initiative des damaligen
UNO-Generalsekretärs Kofi Annan gegründet. Es ist offen
für alle Uno-Mitgliedstaaten und dient der Stärkung des
informellen Erfahrungsaustauschs und der Kooperation zwischen
Ursprungs- und Zielländern.
Die Schweiz nimmt an der zweitägigen Konferenz in Puerto Vallarta
mit einer interdepartementalen Delegation unter Leitung des
Sonderbotschafters für internationale Migrationszusammenarbeit,
Eduard Gnesa, teil. Gemeinsam mit Argentinien und Kenia leitet die
Schweiz einen runden Tisch, welcher dem Austausch über neue
Instrumente zur Datengewinnung im Bereich Migration und Entwicklung
gewidmet ist. Die Schweiz beteiligt sich zudem aktiv an weiteren
Diskussionsrunden, welche Themen wie die klimabedingte Migration,
irreguläre Migration oder Migrationspartnerschaften behandeln.
2011 hat die Schweiz den Vorsitz für das Globale Forum für
Migration und Entwicklung inne. Nach Belgien, den Philippinen,
Griechenland und Mexiko wird die Schweiz für ein Jahr das Forum
präsidieren. Als Vorsitzende wird die Schweiz unter anderem
für die Gesamtevaluation der Aktivitäten des Forums in den
letzten vier Jahren verantwortlich sein. Die Schweizer Delegation wird
in Puerto Vallarta zudem Gespräche über mögliche
Themenschwerpunkte des Forums für 2011 führen.
Auskunft :
Information EDA: + 41 31 322 31 53
Michael Glauser, Information BFM: +41 31 325 93 50
---
admin.ch 8.11.10
Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Brüssel
Bern, 08.11.2010 - Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Vorsteherin
des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, hat heute
erstmals am gemischten Schengen-Ausschuss des Justiz- und
Innenministerrats der EU in Brüssel teilgenommen. Im gemischten
Schengen-Ausschuss treffen sich regelmässig die Justiz- und
Innenminister der EU-Mitgliedstaaten und der an Schengen assoziierten
Staaten.
Die Minister haben über die Stärkung von FRONTEX diskutiert,
der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an
den Aussengrenzen. FRONTEX soll mit zusätzlichen Instrumenten und
Kompetenzen ausgestattet werden, um die Mitgliedstaaten noch
effizienter bei der Koordination und beim Management ihrer
fremdenpolizeilichen Kontrollen an den Aussengrenzen des Schengen-Raums
unterstützen zu können. Nach Abschluss einer technischen
Vereinbarung kann auch die Schweiz künftig an gemeinsamen
Einsätzen teilnehmen. Die Diskussionen zeigten, dass insbesondere
Datenschutzbestimmungen grosse Bedeutung beigemessen wird.
Der Ausschuss beriet und beschloss die Aufhebung der Visumspflicht
für Staatsangehörige aus Albanien sowie Bosnien und
Herzegowina für Aufenthalte ohne Erwerbszweck bis zu drei Monaten
pro Halbjahr. Mit dem Entscheid soll den Fortschritten dieser
Länder im Bereich ihrer Migrationspolitik Rechnung getragen
werden. Die Visumsbefreiung gilt nur für Personen mit
biometrischen Pässen. Sollte es aufgrund der Visumsliberalisierung
mit diesen Ländern zu Schwierigkeiten kommen, können
Gegenmassnahmen ergriffen werden. Insbesondere ist ein Monitoring
vorgesehen. Zudem soll eine rasche Suspendierung der
Visa-Liberalisierung möglich sein. Es geht um eine
Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes; eine analoge
Visa-Liberalisierung wurde letztes Jahr für Mazedonien, Montenegro
und Serbien eingeführt. Grenzkontrollen an der
Schengen-Aussengrenze bleiben weiterhin bestehen. Mit der
Inkraftsetzung der neuen Regelung wird in der zweiten Hälfte
Dezember zu rechnen sein.
Die Minister wurden durch die Kommission über die nächsten
Schritte im Hinblick auf die Einführung des Schengener
Informationssystems SIS II informiert. SIS II soll das bestehende
System ablösen beziehungsweise den Fahndungsdatenbestand um
Fingerabdrücke und Fotos der gesuchten Personen erweitern. Die
Einführung soll Mitte 2013 erfolgen.
Traktandiert war auch der Stand der Revisionsarbeiten an der Verordnung
über die Schaffung eines Netzwerkes von Verbindungsbeamten
für Einwanderungsfragen.
Bundesrätin Sommaruga nutzte die Möglichkeit, sich erstmals
mit ihren EU-Amtskolleginnen und Amtskollegen auszutauschen.
Adresse für Rückfragen:
Daniel Klingele, Schweizerische Mission bei der EU, Tel. +32 473 98 34
20
---
Zentralschweiz am Sonntag 7.11.10
Griechenland
Heftige Kritik von Hilfswerken an EU-Grenzpolizei
Chrissi Wilkens, Büro n-ost, Alexandroupolis
90 Prozent aller Flüchtlinge aus Asien und Afrika, die nach
Europa wollen, versuchen dies bei der EU-Aussengrenze zwischen
Türkei und Griechenland. Auf sie wartet die Hölle.
Shogofa hält ihr Baby fest in den Armen. Die junge Frau
steht mit ihrem Mann am Bahnhof von Alexandroupolis, ein paar Kilometer
von der griechisch-türkischen Grenze entfernt im Evros-Gebiet in
der Provinz Thrakien. Vor wenigen Stunden wurde die Familie aus dem
Auffanglager in dem naheliegenden Dorf Soufli entlassen. In ihrer Hand
hält Shogofa ein Entlassungspapier: Binnen 30 Tagen müssen
sie und ihr Mann Griechenland verlassen.
Von der Polizei verhaftet
Ihre Reise nach Griechenland dauerte mehr als zwei Monate. Zu
Fuss und mit dem Bus reisten sie von ihrem Heimatland Afghanistan bis
in die Türkei. "Um nach Europa zu kommen, haben wir mit einem
Paddelboot nachts den Fluss Evros überquert", erzählt die
junge Frau. "Die Polizei hat uns verhaftet und ins Lager in Soufli
gebracht." Den Eindruck, dass sie in Europa angekommen ist, hat Shogofa
nicht. "Das Lager war voll. Frauen, Männer und Kinder haben sich
auf engstem Raum gedrängt. Manche haben sogar vor der Toilette in
den Abwässern geschlafen. Es gab keine medizinische Versorgung",
sagt sie mit einem ängstlichen Blick. Nun wartet sie wie Dutzende
andere afghanische und somalische Flüchtlinge auf den
nächsten Zug nach Athen. Dort will sie Schutz suchen.
Küsten in Spanien und Italien dicht
Der Grenzfluss Evros stellt für tausende Flüchtlinge
das letzte Eingangstor nach Europa dar, nachdem die europäische
Grenzschutzagentur Frontex den Seeweg in der Ägäis in den
vergangenen Monaten mit verstärkten Patrouillen abgeriegelt hat.
Auch Spanien und Italien haben ihre Küsten schon längst
geschlossen, um Flüchtlinge abzuhalten. Mehr als 90 Prozent der
Migranten und Flüchtlinge aus Asien und Afrika wählten
deshalb dieses Jahr die EU-Aussengrenze zwischen Türkei und
Griechenland, um EU-Territorium zu erreichen. Nach offiziellen Angaben
versuchen täglich über 350 Menschen, den insgesamt 530
Kilometer langen Evros zu überqueren.
40 Flüchtlinge starben im Fluss
Mehr als 34 000 Flüchtlinge und Migranten wurden seit Anfang
des Jahres dort aufgegriffen. Im Jahre 2009 waren es nur etwa 9000.
Mehr als 40 Menschen haben seit Jahresanfang in den heftigen Fluten des
Flusses ihr Leben verloren. Wie die Organisation Welcome to Europe im
August berichtete, wurden ihre Leichen in einem Massengrab im
Evros-Gebiet verscharrt. In den fünf Auffanglagern im Evros-Gebiet
herrschen laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen
tragische Zustände.
Griechenland ist mit der humanitären Krise überfordert
und hat die EU um Unterstützung gebeten. Seit letztem Dienstag
werden deshalb 175 Polizisten der EU-Grenzschutzagentur Frontex am
Evros patrouillieren. Sie sollen mit Waffen, Helikoptern, Hunden und
moderner Überwachungstechnologie die Flüchtlinge und
Migranten davon abhalten, ihren Fuss auf europäischen Boden zu
setzen. Ab nächstem Jahr sollen auch Schweizer Grenzschützer
in Griechenland an solchen Einsätzen teilnehmen.
Kritik am EU-Einsatz
Obwohl Griechenland die Hilfe selbst angefordert hat, sehen viele
den EU-Einsatz skeptisch. Die Rolle der wenigen Frontex-Beamten, die
schon jetzt dort tätig sind, ist umstritten. Im Auftrag der
Menschenorganisation Pro Asyl recherchierten im August zwei griechische
Rechtsanwältinnen im Evros-Gebiet - und brachten erschreckende
Ergebnisse zurück. So seien durch falsche Angaben von Frontex
Minderjährige zu Erwachsenen gemacht oder einem falschen
Herkunftsland zugeordnet worden. Wie im Fall eines 15-jährigen
Afghanen, der als volljähriger Türke registriert worden sei.
"Die Flüchtlinge werden nicht einmal in ihrer Sprache über
die Gründe ihrer Inhaftierung informiert. Sie wissen manchmal
nicht, dass sie unmittelbar von einer Abschiebung in die Türkei
bedroht sind", betont die Rechtsanwältin Marianna Tzeferakou.
Ein iranischer Flüchtling berichtete Pro Asyl, dass alle
seine Dokumente im Abfall landeten. Er habe mehrmals verlangt, einen
Asylantrag zu stellen, aber keiner habe ihn beachtet. Mittlerweile
wurde er freigelassen, nachdem die griechischen Behörden erfolglos
versucht hatten, ihn in die Türkei abzuschieben.
Ohne Hoffnung in die Zukunft
Die Afghanin Shogofa weiss nichts von diesem Einsatz. Sie weiss
auch nicht, dass in Griechenland die Anerkennungsquote für
Asylsuchende bei weniger als einem Prozent liegt. Mehr als 45 000
unbearbeitete Asylanträge stapeln sich in den Behörden
Griechenlands. Das System ist schon vor Monaten zusammengebrochen.
Shogofa und ihre Familie warten stundenlang auf dem Bahnsteig in
Alexandroupolis auf den Zug. In 15 Stunden werden sie in Athen sein.
Dort wartet keiner auf sie. "Wir wissen nicht, wie es weitergeht.
Wahrscheinlich werden wir auf der Strasse landen."
nachrichten@neue-lz.ch
----------------
DROGEN
----------------
Bund 11.11.10
Hanf-Anbau
Tessin und Westschweiz wollen gemeinsame Regeln
Die Justiz- und Polizeidirektoren der Westschweiz und des Tessins
wollen gemeinsame Regeln für den Hanfanbau: Wer legalen Hanf
anbauen und verkaufen will, braucht künftig eine Bewilligung. Die
lateinischen Kantone wollen so dem Missbrauch im Hanfanbau
entgegenwirken. Denn manch ein Landwirt gibt vor, seinen Hanf für
Seile, Kleider oder Kosmetika zu verwenden und verkauft die
verarbeitete Pflanze dann heimlich als Droge. Das Konkordat tritt in
Kraft, sobald drei Kantone beitreten. Auch die Berner Kantonsregierung
erwägt den Beitritt.(sda)
---
Basellandschaftliche Zeitung 11.11.10
221 Koksdealer aus Stadt verbannt
Yen Duong
Kügelidealer Seit Jahresbeginn hat das Migrationsamt gegen
221 mutmassliche Drogenhändler eine Ausgrenzung verfügt.
Sobald die Nacht einbricht, herrscht im Kleinbasel Hochbetrieb:
Schwarzafrikaner versuchen im Gebiet Claraplatz, Kaserne und am
Rheinufer ihr Kokain zu verkaufen. Vor allem an den Wochenenden ist
dies kaum zu übersehen. Während der Sommermonate
verschärft sich die Situation. Die Drogendealer sind meistens
Asylsuchende aus anderen Kantonen und stammen nicht selten aus Nigeria.
In der Hoffnung, das grosse Geschäft im Kleinbasel zu
machen, reisen die Kügelidealer aus der ganzen Schweiz an und
verschwinden im Morgengrauen wieder. Dieses Problem kennt auch die
Basler Kantonspolizei. Von Mitte April bis Ende Oktober führte sie
im Gebiet Claraplatz und am Rheinbord insgesamt 441
Schwerpunktkontrollen durch. Die Bilanz: 39 Verhaftungen, 180 Rapporte
an die Staatsanwaltschaft oder an das Migrationsamt und 15
Ordnungsbussen. Dies ging gestern im Grossen Rat aus der Antwort von
Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass auf eine Interpellation von Felix
Eymann (DSP) hervor.
Beweis schwierig
"Die schwerpunktmässigen Kontrollen zeigen kurz- bis
mittelfristig Wirkung, können aber gleichzeitig zu einer
Verlagerung der Problemstellung an andere Örtlichkeiten
führen", meinte der FDP-Regierungsrat. Die Beweisführung sei
häufig "sehr schwierig" zu erbringen, da verdeckte Ermittlungen
und Festnahmen durch Polizisten in Zivil gesetzlich nicht mehr erlaubt
seien.
Das Migrationsamt sprach zudem als ausländerrechtliche
Zwangsmassnahme während der sechsmonatigen Schwerpunktaktion 144
Ausgrenzungen aus dem Kanton Basel-Stadt aus. Vom 1. Januar bis 9.
November waren es 221. Ausgrenzungen haben laut Gass eine nachhaltigere
und rasche Wirkung. Diese werden vom Migrationsamt auch ohne
strafrechtliche Beweislage verfügt, sobald eine Person zum dritten
Mal in eine Kontrolle im Drogenmilieu gerät. Für Hanspeter
Gass ist klar: "Wir werden die Drogenkriminalität weiterhin
konsequent bekämpfen." So werden die Schwerpunktkontrollen im
Kleinbasel beibehalten.
---
Frankfurter Allgemeine 11.11.10
Wolfgang Götz, Direktor der Europäischen
Drogenbeobachtungsbehörde (EBDD), über Rauschgiftmissbrauch
"Kokain ist heute in allen Schichten zu finden"
Der Heroingebrauch in Europa ist nicht länger
rückläufig. In Großbritannien und in Spanien nehmen
mittlerweile anteilmäßig mehr Menschen Kokain als in den
Vereinigten Staaten oder Australien. Aus Europa werden synthetische
Rauschgifte wie Ecstasy in die gesamte Welt exportiert. Die Zahl der
statistisch erfassten Rauschgifttoten steigt. Ist die Drogenkontrolle
in Europa gescheitert?
Die Trends sind nicht zu bestreiten. Sie zu ermitteln und der Politik
und Offentlichkeit vor Augen zu führen ist ja gerade die Aufgabe
der Europäischen Drogenbeobachtungsbehörde. Aber es gibt
nicht nur Stagnation oder negative Entwicklungen, sondern auch positive.
Die wichtigsten?
Das Injizieren von Heroin ist in vielen Regionen Europas aus der Mode
gekommen. Damit hat sich wich die Übertragung des HI-Virus
erheblich reduziert.
Uberdies haben etwa die Hälfte der etwa 1,35 Milliönen
Europäer, die regelmäßig Opiate gebrauchen, vor allem
Heroin, Zugang zu einer Therapie mit Ersatzopiaten. Diese
Substitutionsbehandlung verbessert nicht nur deren gesundheitliche und
soziale Lage, sondern senkt auch die Kriminalitätsbelastung. Keine
Entwarnung gibt es bei der Ubertragung von Hepatitis C. Alles in allen
stellt der Heroingebrauch die europäischen Gesellschaften nach wie
vor iminense Probleme.
Die Taliban in Afghanistan können sich die Hände
reiben: Die Nachfrage nach Heroin in Europa versetzt sie in die Lage,
die afghanische Regierung zu korrumpieren und den westlichen Truppen
nicht nur Stand zu halten, sondern erhebliche Verluste beizubringen.
Der europäische Markt nimmt weiterhin viel Heroin aus
Afghanistan auf. Aber wenn die Rekordernten der Jahre bis 2007 komplett
in Europa auf den Markt gekommen wären, hätten wir
wahrscheinlich noch viel größere Probleme. Mittlerweile gibt
es eine Heroin-Schwemme in Zentralasien und auch in Russland. Dasselbe
muss man für China annehmen, auch wenn wir so gut wie nichts
über die Rauschgiftlage dort wissen.
Wie steht es um Osteuropa und die &ansitrouten Richtung
Westen?
Die russische Drogenkontrollbehörde schätzt, dass in Russland
jedes Jahr etwa 10 000 Personen an Heroin- oder Opiatgebrauch sterben -
also etwa 3000 mehr als in der gesamten EU. Die Zahl der
problematischen Opiat-Gebraucher in Russland beträgt nach unseren
Berechnungen etwa 1,68 Millionen. In der Ukraine ist die Lage relativ
zur Gesamtbevölkerung genauso dramatisch, zumal in den beiden
Ländern etwa 40 Prozent der Opiatgebraucher HIV-positiv sind.
In den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern
waren Rauschgifte - von geringen Mengen Amphetamin und Methamphetamin
abgesehen - vor dem Fall des Eisernen Vorhangs so gut wie unbekannt. 20
Jahre später haben sich Ost und West so weit angeglichen, dass sie
sich etwa im Gebrauch von Cannabis kaum noch unterscheiden. In der
Tschechischen Republik ist die Prävalenzrate von Cannabis die
höchste in Europa.
Eine freie Gesellschaft hat ihren Preis. Ein Teil dieses Preises
ist, dass es illegale Drögen gibt.
Die freien Gesellschaften, von denen Sie sprechen, scheinen
diesen Preis und alle damit einhergehenden Folgekosten gerne zu
bezahlen. In den neunziger Jahren gab es in Gesellschaft und Politik
zum Teil erbitterte Debatten über richtige und falsche Wege in der
Rauschgiftpolitik, mittlerweile ist das Thema von der Agenda
verschwunden. Warum?
In den neunziger Jahren stand die Politik in Westeuropa unter dem
Eindruck einer Heroin-Epidemie. Damals musste sie unter dem Druck der
Gesellschaften reagieren. Mittlerweile ist die Lage relativ stabil,
wenngleich auf hohem Niveau. Das hat es der Politik und dem
größten Teil der Gesellschaft leicht gemacht, sich an einen
Status quo zu gewöhnen. Was mich traurig stimmt: Vielleicht wird
sich erst dann wieder etwas bewegen, wenn, was ich befürchte, die
neuen EU-Mitgliedsländer eine Heroin-Epidemie erleben, wie wir sie
im Westen gehabt haben.
Der Gewöhnungseffrkt betrifft nicht nur den Gebrauch von
Rauschgift, sondern auch die Kosten, die der Drogenkonsum für die
sozialen Sicherungssysteme mit sich bringt. Allein 1,35 Millionen
Heroin-Gebraucher, davon die Hälfte in Substitutionsbehandlung,
dürften für Milliardenumsätze sorgen, die nirgendwo
beziffert werden.
In der EBDD sind wir erst am Anfang des Versuchs, die
volkswirtschaftlichen Kosten des Rauschgiftgebrauchs genau zu
ermitteln. Das ist eine Sisyphosarbeit, zumal es bis jetzt keine
verlässlichen Methoden gibt, um diese Kosten zu ermitteln, Aber
richtig ist: Die Kosten für eine Gesellschaft sind enorm. Wobei
die des Alkoholmissbrauchs noch höher sind.
Ökonomen hausieren seit Jahren mit der These, die Freigabe des
Rauschgiftgebrauchs werde volkswirtschaftlich ein Segen sein, weil die
enormen Kosten der Strafverfolgung wegfielen und der Organisierten
Kriminalität ein lukratives Geschäftsmodell abhanden
käme.
Ich kenne in Europa keine Regierung und keine namhafte
Opposition; die einer Freigabe des Rauschgiftgebrauchs das Wort redet.
Uber neue Wege in der Rauschgiftpolitik wird kaum diskutiert.
Würde die Debatte geführt, käme man schnell dahinter,
dass eine rein volkswirtschaftliche Betrachtung der Freigabe des
Rauschgiftgebrauchs viel zu kurz greift. Niemand kann vorhersehen, wie
sich in einem solchen Fall der Gebrauch entwickelt. Vor solch
unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit vieler Personen kann
ich nur warnen.
Was machen die Ökonomen falsch?
Kokain ist die einzige illegale Substanz in Europa, deren Gebrauch
signifikant steigt - und zwar nach allen Regeln des Marktes. Hier hat
sich eine Substanz einen Markt gesucht, zunächst eher
unauffällig, mittlerweile unübersehbar. Wegen des hohen
Preises war der Gebrauch von Kokain lange Zeit auf die Welt der Reichen
und Schönen beschränkt. Heute ist das Angebot
größer und die Substanz billiger geworden. Kokain ist
mittlerweile in allen Gesellschafts- und allen Altersschichten zu
finden, bis dahin, dass Jugendliche vor der Wahl stehen, ob sie Ecstasy
oder Kokain nehmen.
Worin liegt der Unterschied?
Die Risiken des Gebrauchs von Ecstasy, einem
Amphetamin-Abkömmling, sind nicht zu unterschätzen, denn die
Rauschgiftdesigner schlafen nicht: Wer weiß, was wirklich in
einer Pille drin ist, die als Ecstasy verkauft wird? Gleichwohl ist
Kokaingebrauch statistisch betrachtet mit viel größeren
Risiken verbunden. Auch bei Kokain weiß niemand vorher, wie und
womit die Substanz, die er sich reinzieht, gestreckt ist und welche
Wirkung sie entfaltet. Wir können inzwischen aber belegen, dass
Zahl der Not- ‘und Todesfälle im Zusammenhang mit Kokain rapide
steigt. Und das Dunkelfeld ist immens.
Wenn ein junger Mann mit Herz-Kreislaufversagen stirbt, dann denkt kaum
jemand an Kokain und schaut nach, was da im Blut ist. Die EBDD warnt
vor Kokain seit Jahren. Aber unsere Warnungen werden in den einzelnen
Ländern sehr unterschiedlich aufgenommen.
Womit begründen Sie die Warnungen?
Wir rechnen mit etwa vier Millionen Europäern, die allein im
vergangenen Jahr Kokain genommen haben. Und wir wissen, dass
schonkurzzeitiger Gebrauch zu Abhängigkeit und gesundheitlichen
Schäden führen kann. Was wir auch wissen: Die offizielle Zahl
von etwa 1000 kokaininduzierten Todesfällen im Jahr ist mit
Sicherheit nur die Spitze des Eisbergs. Und: In Mittel- und Osteuropa
hat sich die beschlagnahmte Menge in den vergangenen Jahren verdoppelt,
wenn auch auf niedrigem Niveau.
In den Regionen der Welt, in denen Koka produziert wird,
heißt es immer wieder, wenn die Nachfrage nach dem Rauschgift in
Amerika und Europa nicht so stark wäre, gäbe es dort viele
Probleme nicht mehr. Teilen Sie diese Sicht?
Wie jedes Marktgeschehen lebt auch der Rauschgiftmarkt von Nachfrage
und Angebot. Kokain ist eher billiger geworden, was auch auf ein
höheres Angebot schließen lässt. Aber es ist auch
richtig, dass Kokain in manchen Teilen Europas und Amerikas
mittlerweile Teil eines bestimmten Lebensstils geworden ist. Dessen
Nebenwirkungen kann man sich dann im Fernsehen anschauen, wenn wieder
von neuen Toten im vermeintlich mexikanischen Drogenkrieg berichtet
wird.
Die Fragen stellte Daniel Deckers.
---
nzz.ch 10.11.10
Drogen immer mehr das Problem der Alten
Europäischer Bericht stellt neues Phänomen fest
Die Drogenkonsumenten in Europa werden im Durchschnitt immer
älter. Etwa jeder fünfte Konsument, der sich in Europa in
Behandlung gibt, ist inzwischen über 40, in manchen Ländern
ist es fast jeder dritte.
(sda/dpa/afp) Der Jahresbericht der EU-Drogenbeobachtungsstelle
(EBBD), der am Mittwoch in Lissabon vorgelegt wurde, stellt eine
Verlagerung des Konsums fest. "Der Drogenmissbrauch ist kein
Jugendphänomen mehr", sagte der Leiter der Behörde Wolfgang
Götz.
Grund dafür sei die alternde Bevölkerung. In den 80er
Jahren seien viele junge Leute an Heroin geraten und nicht mehr davon
losgekommen - diese langjährigen Konsumenten seien
älter geworden und liessen heutzutage das Durchschnittsalter der
Drogenkonsumenten steigen. Es gebe jedoch keine Hinweise darauf, dass
heutzutage Ältere ohne Drogenerfahrung vermehrt zu Rauschgiften
griffen.
Cannabis immer mehr lokal angebaut
In ihrem Bericht warnt die EU-Behörde zudem vor dem
wachsenden Einfallsreichtum der Drogenproduzenten. 2009 wurden in
Europa so viele neue Drogen beschlagnahmt wie nie zuvor. Cannabis
stamme immer häufiger aus der Produktion in den europäischen
Ländern selbst.
"Die Öffentlichkeit hat immer noch das Bild von ein paar
Töpfen Hanf-Pflanzen auf dem Fensterbrett", sagte Götz. Die
Realität aber sehe ganz anders aus: Das organisierte Verbrechen
habe schon längst festgestellt, dass sich mit grossangelegtem
Anbau in der Nähe der Absatzmärkte gute Gewinne erzielen
liessen.
Auch bei der Herstellung von Kokain - dem zweitwichtigsten
Rauschgift in Europa - sowie von künstlichen Drogen zeigten sich
die Produzenten immer erfindungsreicher, warnte die EBBD. Europa ist
nach ihren Angaben der weltweit grösste Amphetamin-Produzent, mehr
80 Prozent der illegalen Labore stehen in europäischen
Ländern.
Weniger junge Kiffer in der Schweiz
Wie in Europa ist auch in der Schweiz Cannabis die am
häufigsten konsumierte illegale Droge. Über 1 Prozent der
Bevölkerung kiffen einmal wöchentlich oder mehr.
Auch hier werden die Konsumenten tendenziell älter. "Der
Anteil jugendlicher Kiffer ist rückläufig", sagte Verena
Maag, Drogenexpertin beim Bundesamt für Gesundheit (BAG): "Das
Durchschnittsalter verschiebt sich nach oben".
Dies sei auch beim Kokain feststellbar. Die Mehrzahl der
Kokainkonsumenten, die von der Polizei verzeigt wurden, ist nach
Angaben des BAG über 30 Jahre alt.
Anlass zur Sorge gibt den Fachleuten ein Anstieg der
Todesfälle im Zusammenhang mit Kokain. Jährlich werden in
Europa laut der EBBD rund tausend Todesfälle gemeldet. Am
häufigsten seien aber immer noch Todesfälle durch
Heroinkonsum, sagte Maag.
--------------------
SEXWORK
---------------------
NZZ 8.11.10
"Ein normales Gewerbe mit Immissionen"
Der grüne Zürcher Polizeivorsteher Daniel Leupi will
eine liberale Regelung für die Prostitution
Christina Neuhaus (cn)
Die Zustände am Prostitutions-Brennpunkt Sihlquai haben
nicht nur in Zürich für Aufsehen gesorgt. Ende Jahr will der
Polizeivorsteher Daniel Leupi eine neue Verordnung vorlegen. Sie soll
stadtverträglich sein, Verdrängung ist aber nicht das Ziel.
Herr Leupi, bis Ende Jahr wollen Sie die neue
Prostitutionsgewerbeverordnung in die Vernehmlassung schicken. Sie soll
unter anderem "den Schutz der Bevölkerung vor Immissionen
gewährleisten, die öffentliche Ordnung und Sicherheit
sicherstellen und den Prostituierten Schutz gewähren". Was heisst
das konkret?
Die Prostitutionsgewerbeverordnung wird derzeit verwaltungsintern
diskutiert. Der Entscheid des Stadtrates steht noch aus. Ich kann
deshalb nicht ausschliessen, dass sich die Vernehmlassung
verzögert. Zu den einzelnen Massnahmen kann ich zu diesem
Zeitpunkt noch nichts sagen. Generell gilt es aber festzuhalten, dass
der Name der Verordnung bewusst gewählt wurde. Ich sehe die
Prostitution als normales Gewerbe an - allerdings als eines mit relativ
hohen Immissionen. Die Prostitution gehört nun einmal zur Stadt,
und deshalb will ich keine Verbotsordnung und keine
Verdrängungspolitik, sondern liberale Regelungen.
Als der Stadtrat 1992 den Strichplan letztmals änderte,
hagelte es Rekurse. Die Umsetzung war danach wegen juristischer
Auseinandersetzungen für 5 Jahre blockiert. Ist mit einem
schnellen Ersatz für den Strassenstrich am Sihlquai überhaupt
zu rechnen?
Es müssen sich alle bewusst sein, dass es die Szene am
Sihlquai allenfalls noch für eine längere Zeit gibt. Wie
lange es geht, bis die neue Verordnung in Kraft tritt, können wir
nicht abschätzen: Das hängt von der Dauer der Rechtsverfahren
ab und davon, wie lange die Verordnung im Gemeinderat diskutiert wird.
Bis das neue Massnahmenpaket umgesetzt werden kann, hat die Polizei den
Auftrag, Auswüchse wie Menschen- oder Drogenhandel zu
bekämpfen; das Sozial- und das Gesundheitsdepartement werden ihre
beratenden und präventiven Angebote weiterführen. Bis dahin
bleibt die Strassenprostitution am Sihlquai erlaubt. Wir brauchen aber
unbedingt eine Lösung, die stadtverträglicher ist. Zudem
sollen die Frauen ihren Beruf in grösserer Sicherheit ausüben
können.
Wie muss denn ein Quartier beschaffen sein, damit der
Strassenstrich "stadtverträglich" ausgeübt werden kann?
Die Auswirkungen auf die Wohngebiete sollten geringer sein. In
einigen heute geeigneten Lagen zeichnet sich für die nächsten
Jahre aber eine Umnutzung ab, weshalb sie nicht in Betracht kommen. Ein
geeignetes Areal muss zudem gross genug sein, dass auch die sozialen
Einrichtungen wie die Gesundheits-, Ausstiegs- oder die Gewaltberatung
Platz haben.
Solche Areale dürften sich in den Nachbargemeinden leichter
finden lassen als in der Stadt Zürich.
Wenn man das grossräumlich betrachtet, ist das
tatsächlich so. Auch die Etablissements, die abends auf Tele
Züri für sich werben, befinden sich nicht auf
städtischem Boden. Wir müssen aber eine Lösung auf
Stadtboden anbieten.
Wird die Abwanderung in die Agglomeration durch die geplante
Verkürzung des heute über 10 Kilometer langen Strassenstrichs
nicht noch gefördert? Braucht es eine Zusammenarbeit mit dem
Kanton?
Laut einem Bundesgerichtsurteil muss die Stadt Zürich wegen
ihrer Grösse einen Strassenstrich zulassen. Kleinere Gemeinden
müssen das nicht. Mit dem Kanton sind wir tatsächlich im
Gespräch. Arbeitsrechtlich ist ja der Kanton zuständig. Eine
Verdrängung ist nicht unser Ziel, eine Abwanderung können wir
aber nicht ausschliessen. In diesem Geschäft wird knallhart
gerechnet, und ausserhalb der Stadt sind die Mieten billiger. Zynisch
formuliert werden die Frauen dorthin gebracht, wo sie den grössten
Gewinn für die Zuhälter erwirtschaften. Unsere Aufgabe ist
es, die Rahmenbedingungen der Prostitution so zu gestalten, dass
Stadtverträglichkeit und Gesundheitsschutz gewährleistet sind
und die Frauen selbstbestimmt und unter menschenwürdigen
Bedingungen arbeiten können.
Sie haben sich in Köln die sogenannten Verrichtungsboxen
angeschaut. Sind diese für Zürich eine Option?
Wir müssen nun prüfen, ob man das in Zürich
realisieren kann. Allerdings würden wir die Boxen sicherlich
umbenennen. Der Name ist ja unsäglich! Geeignet wären sie
allerdings höchstens für einen Teil des Strassenstrichs.
Für ortsfremde Frauen, die unter so grossem Anschaffungsdruck
stehen, dass sie im Akkord arbeiten müssen und den Service gleich
vor Ort erledigen, könnten sie sich allenfalls eignen. So wird
verhindert, dass die sexuellen Dienstleistungen im öffentlichen
Raum erbracht werden. Das ist nicht tolerierbar. Eine solche
Lösung braucht aber ein Areal von einer gewissen Grösse, und
solche gibt es nicht allzu viele.
In der Kölner Stadtverwaltung zeigte man sich gegenüber
der NZZ skeptisch, ob sich das Modell auch für Zürich eignet.
In Köln sei es darum gegangen, Drogenprostituierte von der Strasse
zu holen, in Zürich habe man es mit organisierten
Zuhälterbanden zu tun. Diese mögen kein stark kontrolliertes
Umfeld.
Das Kölner Modell liesse sich in Zürich wohl
tatsächlich nur in Teilbereichen anwenden. Interessanter für
Zürich ist das Beispiel der Stadt Essen. Anders als in der Schweiz
kennt Deutschland keine Zonen, in denen Prostitution explizit erlaubt
ist, sondern umgekehrt Sperrbezirke, die keine Prostitution zulassen.
In Essen sind die Verhältnisse ähnlich wie in Zürich:
Ein Drittel der Frauen stammt aus Rumänien und Bulgarien, ein
Drittel sind einheimische Professionelle und ein Drittel
Drogensüchtige. Essen hat nun im inneren Sperrbezirk eine Enklave
geschaffen, wo die Prostitution erlaubt ist. Bei einem Augenschein an
einem Freitagabend haben wir uns die Szene angeschaut. Eine russische
Prostituierte hat uns dann die Vor- und Nachteile in druckreifem
Deutsch geschildert. Ein grosser Nachteil ist demnach, dass die Frauen
gnadenlos der Witterung ausgesetzt sind. Wir müssen nun
prüfen, ob das Modell auch beim doppelt so grossen Strassenstrich
hier in Zürich funktionieren kann.
Heute ist Prostitution nur in Gebäuden erlaubt, wo der
Wohnanteil höchstens 50 Prozent beträgt. Wer den
Strassenstrich klein halten wolle, müsse sich vermehrt dafür
einsetzen, dass Prostitution vermehrt in Häusern und Wohnungen
stattfinden darf, sagen Experten.
Wenn Prostitution grundsätzlich zu einer Stadt gehört,
dann gehören meines Erachtens auch Bordelle dazu - und das nicht
nur an Ausfallachsen. Die heutigen Bestimmungen wurden allerdings als
Konsequenz auf überbordende Verhältnisse im
Langstrassenquartier eingeführt. Eine generelle Liberalisierung
wäre gerade im Kreis 4 ein Problem. Mit dem Projekt Langstrasse
plus machte die Stadt Efforts, dem Milieu Liegenschaften zu entziehen.
Diese Bemühungen würden wieder zunichtegemacht.
Grundsätzlich sind die Bedingungen in Bordellen besser
kontrollierbar; auch wenn es in Zürich Häuser gibt, in denen
untolerierbare Zustände herrschen. Ich persönlich kann mir
gut vorstellen, dass man über die 50-Prozent-Regel diskutiert, und
ich denke auch in diese Richtung. Persönlich kann ich mir zudem
vorstellen, dass die Stadt eigene Institutionen zur Verfügung
stellt. Aber ein solcher Entscheid müsste vom Gesamtstadtrat
getragen werden.
Ihre grüne Parteikollegin, alt Stadträtin Monika
Stocker, hat sich kürzlich in der Sonntagspresse ähnlich
geäussert.
Wir denken da durchaus ähnlich. Politik muss manchmal auch
Lösungen anbieten, von denen man im Voraus nicht wissen kann, ob
sie wirklich funktionieren.
Interview: Christina Neuhaus
-------------------------
HOMOPHOBIE
-------------------------
nzz.ch 9.11.10
Bundesgericht weist Klage von Homosexuellen ab
Antirassismusnorm bei Schmähung nicht anwendbar
Das Bundesgericht hat eine Klage von rund 40 Mitgliedern von
Schwulen- und Lesbenorganisationen gegen eine Schmähschrift der
Jungen SVP Wallis abgewiesen. Das Walliser Kantonsgericht hatte bereits
zuvor den Vorwurf der Ehrverletzung als nicht gegeben angesehen.
(sda) Rund 40 Mitglieder von Schwulen- und Lesbenorganisationen
haben beim Bundesgericht eine Klage gegen die Junge SVP Wallis
eingereicht. Da dieses den Vorwurf der Ehrverletzung als nicht gegeben
sah, wies es die Klage ab.
Das Bundesgericht wolle Homosexuelle nicht schützen und
bestätige mit diesem Urteil einen klar diskriminierenden
Entscheid, sagte Jean- Paul Guisan, Sekretär von Pink Cross Romand
in einer ersten Reaktion gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Die
Schwulenorganisation könnte in Strassburg vor dem
Menschenrechtshof rekurrieren.
"Abnormales Verhalten"
Die Junge SVP Wallis hatte im Sommer 2009 Homosexualität in
einer Medienmitteilung als "abnormales Verhalten" bezeichnet.
Homosexualität richte sich "gegen die Familie, den Ort des
Fortbestandes des menschlichen Geschlechts und also auch das
Überleben einer Nation", hiess es in dem Text.
Schwulen- und Lesbenorganisationen reichten in der Folge Klage
ein, blitzten aber sowohl vor dem Gericht erster Instanz wie auch vor
dem Walliser Kantonsgericht ab. Die von der Jungen SVP verschickte
Mitteilung verstosse nicht gegen das Strafrecht. Den Vorwurf der
Beschimpfung sah das Kantonsgericht nicht gegeben.
Die strittigen Äusserungen zielten ohne nähere Angaben
von Zeit, Ort oder anderen Umständen ganz allgemein auf alle
Homosexuelle. Dies erlaube es deshalb nicht, die Beschwerdeführer
persönlich zu identifizieren.
Antirassismusnorm nicht anwendbar
Gemäss Bundesgericht kann eine Ehrverletzung aber nur dann
vorliegen, wenn die angegriffene Personengruppe genau bestimmt und
relativ klein sei. Vergeblich hatten die Rekurrenten geltend zu machen
versucht, dass die Antirassismusnorm auch Gruppen vor jeglicher
Diskriminierung einschliesse.
Die Bundesrichter lehnten dieses Argument ab. Die
Antirassismusnorm richte sich gegen die Unterscheidung oder den
Ausschluss aufgrund von Rasse, Hautfarbe oder nationaler Herkunft aber
nicht gegen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung.
Die Richter erinnern in ihrem Entscheid daran, dass der
Nationalrat eine Motion abgelehnt hat, die dazu einlud, das
Strafgesetzbuch anzupassen und diese Gesetzeslücke zu schliessen.
Der Gesetzgeber habe nicht die Absicht, die Reichtweite der
Antirassismusnorm auszudehnen, hält das Gericht fest.
"Sieg der Meinungsäusserungsfreiheit"
Die Junge SVP Wallis bezeichnete das Urteil als "definitiven Sieg
der Meinungsäusserungsfreiheit". "Nachdem nun die höchste
juristische Instanz des Landes sich geäussert habe, könne man
sagen dass Äusserungen über Homosexualität oder
Homosexuelle im allgemeinen, die Ehre von bestimmten Personen nicht
beeinträchtigen", ist die Junge SVP Wallis der Ansicht.
--------------------------------
ANTI-FEMINISMUS
--------------------------------
WoZ 11.11.10
Diesseits von Gut und Böse
Der Mann am Abgrund
"Es ist doch himmeltraurig, wenn einer nach der Scheidung seine
Kinder nicht mehr sehen darf", sage ich zu Freundin Cora. Es gibt
Väter, denen ist der Kinderbetreuungstag heilig, die würden
sich ohne Zögern für ihre Brut ein Stück Fleisch aus der
Brust schneiden. "So einer geht zugrunde, wenn man ihn von seinen
Kindern trennt", finde ich. Cora stimmt mir zu. Auch wenn wir Frauen
sind, haben wir doch Gefühle.
"Aber dass sie sich Antifeministen nennen, ist schon ein bisschen
doof", räume ich ein, "vielleicht wissen ja die deutschen
Männer, die da mitmachen, gar nicht, dass der René Kuhn
hier als Arschloch gilt." - "Möglicherweise wirkt sich Trauer
einschränkend auf die Hirnleistung aus", sinniert Cora.
Auf www.antifeminismus.ch suchen wir Klarheit. "Der Feminismus
ist eine ungerechtfertigte Ideologie der Privilegienbeschaffung durch
Männerhasserinnen" steht da zum Beispiel, oder "Feminismus ist die
Rache der weniger schönen Frauen an den Männern mit den
schönen Frauen". Letzteres ist ein Zitat von Roger Köppel,
obwohl der noch gar nicht geschieden ist.
Der Antifeminist bleibt ein Rätsel. Doch eines wird klar: Ab
einem bestimmten Quantum gefährdet väterlicher Schwachsinn
das Kindeswohl. KHO
---
Weltwoche 11.11.10
Replik
Der gefürchtete Mann
In der letzten Ausgabe schrieb die Weltwoche von "wehleidigen
Memmen". Tatsache ist, dass die junge Interessengemeinschaft
Antifeminismus (IGAF) ihre Gegner verängstigt zu Recht.
Von René Kuhn
Wenn Antifeministen in der angeblich patriarchalischen Schweiz
ein Treffen organisieren, muss man sich das so vorstellen: Die
Eigentümer von Veranstaltungslokalen sagen verängstigt
Reservationen ab, Banken verweigern die Eröffnung eines Kontos,
feministische Behördenmitglieder drohen mit Versammlungsverbot,
feministische Chaoten vandalieren und drohen mit Gewalt, und die Post
klärt bei der Kontoeröffnung sicherheitshalber ab, ob denn
eine Gegnerschaft zur feministischen Ideologie überhaupt legal sei.
Wären wir, wie von der Weltwoche in der letzten Ausgabe
("Der wehleidige Mann") beschrieben, Memmen und nicht Männer,
hätten wir den Bettel hingeschmissen. Für uns aber war immer
klar: Jetzt erst recht!
Auf unserer Website Antifeminismus.ch steht, dass insgesamt 271
seriöse wissenschaftliche Forschungsberichte mit über 365 000
untersuchten Personen zum Thema häusliche Gewalt
länderübergreifend zum selben Ergebnis gelangen:
Häusliche Gewalt geht zu annähernd gleichen Teilen von beiden
Partnern aus. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass uns das
eidgenössische Gleichstellungsbüro, die 26 kantonalen
Gleichstellungsbüros, die schweizerische
Polizeidirektorenkonferenz, die Politik und die Medien seit Jahrzehnten
zu dieser Frage nichts anderes als feministischen Humbug auftischen.
Frauenquoten verbieten
Bei der teilweise steuerfinanzierten Hetze gegen die Hälfte
der Bevölkerung bleibt es aber nicht: Sind Frauen zu mindestens 50
Prozent die Täterinnen, stellen sie lediglich ungefähr 20
Prozent der diesbezüglich Verurteilten. Und die Polizei des
Kantons Basel-Stadt brüstet sich sogar öffentlich damit, dass
sie, gestützt auf das einem Rechtsstaat unwürdige sogenannte
Gewaltschutzgesetz, in 97 Prozent aller Fälle den Mann zum
Täter bestimmt. Überflüssig, zu erwähnen, dass dies
ohne jegliches rechtsstaatliches Verfahren geschieht.
Nachdem sich also jedermann über den Stand der Forschung
informieren kann, scheint es inzwischen den besagten Institutionen
ziemlich unwohl zu werden. Die Gleichstellungsbüros verharren wie
das Kaninchen vor der Schlange: Sie schweigen seit Monaten beharrlich.
Währenddessen übt sich die Bundesverwaltung verzweifelt in
Schadensbegrenzung: Sie hat pünktlich auf das
Antifeministen-Treffen hin vom Bundesamt für Statistik
verlautbaren lassen, dass ungefähr 20 Prozent aller Verurteilten
infolge häuslicher Gewalt Frauen seien.
Mir ist neben der IGAF keine Organisation bekannt, die sich so
kurz nach der Gründung unerschrocken gegen sämtliche
Widerstände durchgesetzt hat und ihre etablierten Gegner in diesem
Ausmass das Fürchten lehrt. Entgegen der Annahmen der
Weltwoche-Redaktoren beschäftigen wir uns weder mit gezupften
Augenbrauen noch mit Maniküre. Geradezu naiv wirken ihre
wohlmeinenden Hinweise auf Parlamente, die Urne und den Weg der Klage
vor Gericht.
Vor gegen dreissig Jahren wurde an der Urne das
Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts angenommen. Ebenso
lange schon weigern sich die Parlamente und die Gerichte, diesem
Verfassungsgebot nachzukommen und bezüglich Wehrpflicht,
Rentenalter oder Witwenrenten dem Volkswillen zu entsprechen. Klagen
kann man in einem Rechtsstaat, nicht aber in einem Land, wo es sich
selbst das oberste Gericht herausnimmt, feministische Ideologie
über geschriebenes Recht zu stellen.
Wer also an den Missständen etwas ändern will, muss
nicht klagen, sondern den Umbau des Staates in Angriff nehmen. Wir
fordern daher:
1 Eine für Behörden und Justiz bindende und
widerspruchsfreie geschriebene Verfassung mit individuell einklagbaren
Rechten, unabhängig vom Geschlecht. Das Verbot von Gruppenrechten
wie zum Beispiel Frauenquoten ist in der Verfassung festzuschreiben.
2 Die Streichung des Gleichstellungsgebots in der
Bundesverfassung. Das Gleichstellungsgebot ist totalitär und nicht
vereinbar mit dem Gleichberechtigungsgebot.
3 Die Schliessung sämtlicher Gleichstellungsbüros.
Diese werden dazu missbraucht, feministische Propaganda zum Schaden der
Hälfte der Bevölkerung, des Mannes, zu betreiben und die
Frauenprivilegien ständig auszubauen.
4 Die völlig unwissenschaftlichen Studiengänge zu
Geschlechterfragen (sogenannte Gender-Studies) haben an den
Universitäten nichts verloren. Entsprechende Bachelor-, Master-
und Professorentitel sind abzuerkennen, da sie den falschen Anschein
einer wissenschaftlichen Ausbildung vermitteln.
5 Das gemeinsame Sorgerecht für unverheiratete und
geschiedene Paare sowie eine Strafnorm für Kindsentzug und den
Verlust des Sorgerechts für Elternteile, welche dem andern
Elternteil den Kontakt mit dem Kind verwehren.
6 Ein Verbot der Abtreibung oder ein Mitspracherecht des Vaters
oder eines dem Abtreibungsrecht der Mutter analoges väterliches
Recht auf Abstandnahme von der Vaterschaft.
7 Gleiches Rentenalter für Mann und Frau.
8 Obligatorischer Militär-/Zivildienst oder
Wehrpflichtersatz für alle Frauen.
Wir sind zuversichtlich, dass wir diese Ziele für ein
wirklich gleichberechtigtes Neben- und Miteinander von Mann und Frau in
absehbarer Zeit erreichen werden. Daher kämpfen wir Männer
zusammen mit den Frauen weiter für eine tatsächliche
Gleichberechtigung von Mann und Frau.
René Kuhn ist ehemaliger SVP-Politiker und Gründer
der Interessengemeinschaft Antifeminismus.
---
NZZ am Sonntag 7.11.10
Meinungen
Die armen Männer kämpfen auf der falschen Seite
Die Tagung der IG Antifeminismus hat für viel Lärm
gesorgt. Den berechtigten Anliegen der Väter aber, die um das
Sorgerecht kämpfen, schadet sie nur, schreibt Nicole Althaus
Die Rechnung ist aufgegangen: Ein "Anti" addiert mit einem
Begriff, der Ressentiments zu bündeln vermag, in diesem Fall
"Feminismus", erregt so sicher Aufmerksamkeit, wie eins und eins zwei
ergibt. Dieses Polit-Kalkül hat René Kuhn bei der SVP
gelernt und zum 1. Internationalen Anti-Feminismus-Kongress getrommelt.
Tatsächlich sind zwanzig Journalisten, zwei Radiosender und drei
Fernsehstationen seiner Einladung gefolgt und der Männertruppe an
einen hoch geheimen Ort in der Pampa nachgereist, um darüber zu
berichten. Mit ein paar journalistischen Leckerbissen durfte man da
schliesslich rechnen.
Und auf diese hat man sich dann auch genüsslich
gestürzt: "Die Zeit" porträtierte Daniel, der zwar sein
Gesicht nicht zeigen wollte, dafür aber den Tiefschutz
vorführte, mit dem er angereist ist, um seine Männlichkeit
vor feministischen Tritten zu schützen. "Die Weltwoche"
ergötzte sich an den kulinarischen Vorlieben der Antifeministen,
die nach getaner Arbeit statt eines währschaften Spanferkels
linienbewusst ein buntes Salatbuffet verzehrten. Der "Sonntags-Blick"
konstatierte in aller Schärfe, dass es sich bei den Teilnehmern
vorab um "Männer mit gebrochenem Herzen" handle, die wegen des
"Gemeinschaftsgefühls" gekommen seien.
Nicht gerade ein Bild von starken Männern, das da gezeichnet
wurde. Nicht gerade eine seriöse Auseinandersetzung mit den
Inhalten des Kongresses, die da geboten wurde. Man könnte auch
sagen: Die Männer wurden auf ihr optisches Auftreten reduziert und
zu Weicheiern gestempelt, statt ernst genommen. Eine Taktik - welche
Ironie -, mit der René Kuhn, Exponent der IG Antifeminismus,
jeweils den Frauen begegnet. Dabei hätten die Anliegen der
Scheidungsväter, und sie waren an der Versammlung in der Mehrheit,
den medialen Ernst verdient.
Warum bloss, fragt man sich, haben diese Männer damit nicht
gerechnet? Das Ergebnis des 1. Internationalen
Anti-Feminismus-Kongresses stimmt nämlich vorab für einen:
für René Kuhn. Seine Website wurde in jedem einzelnen
Artikel erwähnt. Und sein Buch auch. Das ist gut für die
Klick- und Verkaufsrate.
Weniger gut ist das für die Anliegen der
Scheidungsväter. Das mediale Trösterchen, dass sie wirklich
ganz arme Kerli seien, bringt sie in ihrem zermürbenden Kampf um
das Besuchsrecht für ihre Kinder keinen Schritt weiter. Im
Gegenteil: Die Nähe zu einem Mann, der Bücher verfasst, die
den Titel tragen "Zurück zur Frau - weg mit den Mannsweibern und
Vogelscheuchen", wirft sie sogar einen Schritt zurück.
Denn diese Männer und Väter kämpfen zwar für
die richtige Sache, aber sie kämpfen an der Seite des falschen
Verbündeten und gegen einen Feind, der keiner ist. Jeder, der
nicht total von gestern ist, weiss, dass Feministinnen Lippenstift und
Highheels längst nicht mehr als Teufelszeug betrachten. Jeder, der
an der Sache und nicht bloss an einer Kampagne interessiert ist, wird
bemerkt haben, dass sich emanzipierte Frauen, ob kurz- oder langhaarig,
nicht gegen die Forderung der Scheidungsväter nach rechtlicher
Gleichstellung, gegen ihren Kampf um das gemeinsame Sorgerecht und
gegen den Missbrauch des Missbrauches aussprechen. Sie pochen lediglich
darauf, dass die Sorge um die Kinder nicht nur ein Recht ist, sondern
auch eine Pflicht. Und dass diese nicht erst bei der Scheidung beginnt,
sondern bei der Geburt.
In unserem "Mamablog" wurde die Stellung des Mannes in der
Familie mit fast wöchentlicher Regelmässigkeit diskutiert,
seine reproduktive Fremdbestimmung wurde angeklagt und die
Bubenfreundlichkeit der Volksschule angezweifelt. Ganz ohne Druck der
Anti-Feministen. Denn: Entsorgte Väter und mit Ritalin
vollgepumpte Buben bringen niemandem etwas. Auch nicht den Frauen,
Müttern und Mädchen.
Männer, die sich ernsthaft und reflektiert mit den Sorgen
von Vätern und Buben auseinandersetzen, kennen den Gegner, den sie
bekämpfen. Sie haben die Richterinnen und Richter der kantonalen
Ober- und der Bezirksgerichte einmal gezählt und festgestellt: Auf
den Justizsesseln im Kanton Zürich etwa sitzen äusserst
selten Emanzen mit Bürstenschnitt und in lila Latzhosen. Ja sogar
Frauen im Deux-pièces oder im gepflegtem Hosenanzug sind in der
Minderheit. Es sind über den Daumen gepeilt fast doppelt so
häufig Richter, welche die besagten Väter in die Schranken
weisen. Und das eben gerade nicht, weil sie feministisch indoktriniert
sind und davon ausgehen, dass Mütter auch arbeiten und Väter
auch Kinder betreuen können.
An der skandalös niedrigen Zahl von einem halben Promille
Vätern, die das Sorgerecht zugesprochen bekommen, sind veraltete,
patriarchale Denkmuster schuld. Denkmuster, die ironischerweise gerade
ein René Kuhn online und zwischen Buchdeckeln zu konservieren
versucht. Dabei sollten Scheidungsväter und auch Dozenten, die
ernsthaft die Gleichberechtigung suchen und nicht bloss einen
Sündenbock, ihm nicht auch noch helfen.
(ura)
--
Nicole Althaus
Nicole Althaus, 42, ist Chefredaktorin des Schweizer
Familienmagazins "Wir Eltern". Zuvor war die studierte Germanistin und
Kunsthistorikerin Reporterin für "Annabelle" und "Facts". Sie
lancierte den "Mamablog" auf tagesanzeiger.ch und schreibt über
frauen- und familienpolitische Themen. (ura)
---
Südostschweiz.ch 7.11.10
Aufgefallen
Feministinnen bodigen?
Von Brigitte Erni
Vor wenigen Tagen fand die erste internationale
Antifeminismuskonferenz statt. Diese Tagung sollte frustrierten
Männern Gelegenheit geben, ihrem Unmut über verschiedene
Benachteiligungen ihres Geschlechts Luft zu machen. So skurril der
Schlachtruf des Organisators gegen die Feministinnen auf den ersten
Blick anmutet - es mehren sich tatsächlich in letzter Zeit die
Stimmen, welche Jungen und Männer zu den neuen Opfern unserer
Gesellschaft erklären. Das fängt schon in der Schule an, wo
man(n) beklagt, dass diese "feminisiert" sei und dieser Umstand sich
zum Nachteil der Buben auswirke. Tatsächlich machen weit mehr
Buben als Mädchen Probleme in der Schule, sie sind häufiger
hyperaktiv oder leiden unter Lernstörungen. Aufhorchen liessen
dann internationale Schulstudien wie der Pisa-Test, wo Jungen
schlechter abschneiden als Mädchen. Aber wer ist denn schuld
daran? Die Feministinnen? Die "feminisierte" Schule?
Die ganze Diskussion mutet doch sehr seltsam an. Nach
Jahrhunderten der Unterdrückung des weiblichen Geschlechts haben
unerschrockene, starke Frauen einen zähen Kampf für die
Frauenrechte geführt. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde
den Frauen jede höhere Bildung verwehrt, finanzielle
Unabhängigkeit und politische Rechte waren ferne
Wunschträume. Und jetzt, nachdem die Gleichberechtigung weitgehend
verwirklicht ist, die Frauen sich ihren Platz in der Welt erobern und
gute Arbeit leisten, bekommen einige Männer kalte Füsse. Sie
glauben, wenn die Feministinnen gebodigt werden könnten, wäre
die Welt wieder in Ordnung.
So einfach ist es zum Glück nicht. Aber der Trend, dass sich
Männer in die Opferrolle flüchten und den "neuen" Frauen die
Schuld an ihren Problemen zuschieben, lässt aufhorchen. Wenn
beklagt wird, dass den Jungen männliche Vorbilder fehlen und dass
in den Schulen viel mehr Frauen als Männer unterrichten, hat das
nichts mit Feminismus zu tun. Die Männer haben es selber in der
Hand, sich vermehrt in Erziehung und Bildung zu engagieren, und niemand
hindert sie daran, männliche Vorbilder zu sein. Starke Männer
haben es jedenfalls nicht nötig, gegen den Feminismus ins Feld zu
ziehen.
-------------------
FASCISMO
-------------------
Blick am Abend 5.11.10
Faschistische Töne beim Kinderkarussell
DUCE
Italiener an der Messe sind schockiert - eines der Karussels
spielt ein Fascho-Lied.
philipp.schraemmli@ringier.ch
Francesco B. traute seinen Ohren nicht. Am Mittwoch besuchte er
mit seiner Mutter die Herbstmesse. Auf der Rosentalanlage fiel ihnen
das alte Pferdekarussell auf. Sie blieben stehen und schauten den
Kindern zu. "Plötzlich erklang aus der Orgel die Melodie von
‹faccetta nera›, einem italienischen Faschistenlied. Wir waren
schockiert."
"Hundertprozentig sicher" sei sich Francesco. "In Italien ist das
Lied streng verboten." Der Text erzählt vom italienischen Feldzug
in Äthiopien 1935. Faccetta nera - "schwarzes Gesichtchen - ist
bei den Neofaschisten noch heute beliebt.
Das Karussell gehört Simon Senn. Als Blick am Abend ihn auf
das rassistische Lied anspricht, fällt dieser aus allen Wolken.
"Davon habe ich bis heute noch nie gehört - dabei waren wir dieses
Jahr drei Wochen im Tessin."
Die Melodien, welche die Orgel spielt, kauft Senn auf
100-Meter-Bändern. Wenn ein Band fertig ist, spannt er das
nächste ein. "Meistens kenne ich nicht einmal die Titel. Ich achte
nur auf die Musik."
Senn prüft nun, ob und auf welchem Band das Lied ist. "Ich
nehme es sofort weg. Ich möchte ja niemanden verärgern."
-----------------------
ANTI-ATOM
-----------------------
Tagesschau 11.11.10
Nuklearforum Schweiz fordert den Bau von Kernkraftwerken
An der Industrietagung des Nuklearforums Schweiz in Baden waren sich
alle Redner einig: Die Schweiz muss auch in Zukunft über
genügend Strom verfügen. Daher sollen zwei neue
Kernkraftwerke gebaut werden.
http://videoportal.sf.tv/video?id=044a3cd5-137a-4b63-84ad-8c77bfbcf488
---
WoZ 11.11.10
Atompolitik
Stille Schweizer Castor-Transporte
Von Susan Boos
Die Schweiz hat ihr eigenes Gorleben, nur kennt es kaum jemand:
das Zentrale Zwischenlager für radioaktiven Abfall (Zwilag) bei
Würenlingen im Kanton Aargau. Regelmässig kommen dort
Züge mit Atommüllbehältern an, doch dar über regt
sich niemand auf. Das Zwilag liegt nur knapp dreissig Kilometer
nordwestlich von Zürich, an einem lauschigen Ort am Ufer der Aare.
Seit 2001 trafen dort elf Frachten aus dem Ausland ein - sie kamen wie
die deutschen Cas tor-Transporte aus der französischen
Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. In diesem Jahr waren es sogar zwei
Transporte, einer im Frühling, einer im Herbst, wie Anton Treier,
Pressesprecher des Eid ge nössischen
Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi), sagt.
Aus Sicherheitsgründen werden sowohl die genaue Route als
auch der Zeitpunkt der Transporte geheim gehalten. Die strahlende
Fracht kommt per Zug bis nach Würenlingen und wird für die
letzte, kurze Strecke auf ein spezielles Strassenfahrzeug umgeladen.
In Deutschland hat der Castor-Transport nach Gorleben Tausende
von DemonstrantInnen mobilisiert. In der Schweiz passiert nichts: keine
Aktion, keine Proteste, nicht einmal eine Medienmitteilung. Warum?
Jahrelang schickten die Schweizer AKW-Betreiber ihre abgebrannten
Brennstäbe in die Wiederaufarbeitungsanlagen nach La Hague oder
Sellafield (Nordwestengland). Insgesamt wurden 1100 Tonnen
Atommüll dorthin verschoben, die inzwischen aufgearbeitet sind:
Man zerlegt die Brennstäbe mechanisch und löst danach
chemisch das Plutonium und das Uran heraus, um es nachher wieder im
Reaktor einsetzen zu können. Das Verfahren wurde ursprünglich
entwickelt, um Material für Atombomben zu gewinnen. Es belastet
die Umwelt massiv mit radioaktiven Stoffen und vergrössert die
Abfallmenge enorm. Besser wäre es, die Brennstäbe direkt
endzulagern.
Ursprünglich glaubten die Schweizer AKW-Betreiber, so ihren
Atommüll loszuwerden, weil sie davon ausgingen, sie könnten
die Wiederaufarbeitungsabfälle in Frankreich respektive Britannien
lassen. Inzwischen haben aber beide Länder Gesetze erlassen,
aufgrund derer der Abfall in die Ursprungsländer zurückmuss.
Laut Ensi werden bis 2015 noch neun Transporte aus La Hague und
zwischen 2013 und 2018 drei Transporte aus Sellafield erwartet.
Die Transportbehälter mit dem Müll werden im Zwilag in
zwei Lagerhallen untergebracht, bis ein geeignetes Endlager gefunden
ist. Der ganze radioaktive Abfall, den die Schweiz produziert hat oder
noch produzieren wird, wird also in den nächsten Jahrzehnten vor
den Toren Zürichs gehortet. Noch vor einigen Jahren versuchten
Greenpeace-AktivistInnen regelmässig, Schweizer
Atommülltransporte, die das Land Richtung La Hague oder Sellafield
verliessen, zu blockieren - weil sie die Wiederaufarbeitung verhindern
wollten.
Gegen die Transporte zurück unternahmen die AktivistInnen
nichts, weil sie zu Recht sagen: Der Müll wurde in der Schweiz
produziert, also muss sie die Verantwortung dafür übernehmen.
Anders als in Deutschland, wo der Salzstock von Gorleben gleichzeitig
als potenzieller Endlagerstandort betrachtet wird, ist das Zwilag nur
als Zwischenlösung konzipiert. Zudem hat man in der Schweiz noch
kein so arges Endlagerchaos angerichtet wie in Deutschland, wo im
Versuchsendlager Asse grobfahrlässig und unkontrolliert
Atommüllfässer entsorgt wurden - die man jetzt angeblich
nicht mehr rausholen kann.
Kommt hinzu, dass die Schweizer Anti-AKW-Bewegung mit ihrer
Kampagne gegen die Wiederaufarbeitung erfolgreich war: Seit vier Jahren
gilt ein Moratorium, bis 2016 dürfen die AKW-Betreiber keine
abgebrannten Brennelemente mehr nach La Hague oder Sellafield schicken.
Jetzt lagern die Brennelemente bei den AKWs oder im Zwilag.
Technisch gesehen gibt es also hierzulande wenig Grund, einen
Atommülltransport zu behindern - doch den gibt es auch in
Deutschland nur beschränkt. Die Gorleben-AktivistInnen werden
nicht müde zu sagen, dass es ihnen gar nicht um den Transport an
sich, sondern vielmehr um die Atompolitik der deutschen Regierung gehe,
die die Laufzeit der Meiler verlängert hat. Die ganze Welt konnte
den farbenfrohen, friedlichen Protest verfolgen, der wie eine physisch
gewordene politische Botschaft wirkt. Eine "verlängerte Laufzeit"
lässt sich nicht mit einer Sitzblockade behindern, ein Zug mit
Atommüll schon.
In der Schweiz stehen so harmlose Fragen wie "verlängerte
Laufzeit" gar nicht an, die Reaktoren dürfen alle unbefristet
laufen (vorerst noch mit Ausnahme von Mühleberg). Es geht bei uns
um viel mehr: um den Bau von drei neuen AKWs. Am kommenden Montag
werden das Ensi und das Bundesamt für Energie Stellung nehmen zu
den drei Rahmenbewilligungsgesuchen der Energiekonzerne Axpo, BKW FMB
Energie und Alpiq. Die Planung wird also immer realer.
Eine Lösung für die Endlagerung des Atommülls
können die AKW-Betreiber, die auch die drei neuen Meiler bauen
wollen, immer noch nicht bieten. Die heute favorisierte Idee, den
Müll tief im Boden in einer Tonschicht zu vergraben, birgt
technisch schier unlösbare Probleme (siehe WOZ Nr. 10/10). Auch
ist die Finanzierung nicht geklärt: Der Bau des Endlagers soll
schätzungsweise 3,5 Milliarden Franken kosten. Dafür
müssen die AKW-Betreiber aufkommen.
Die Vorgabe ist, dass der Müll - falls nötig -
zurückgeholt werden kann. Sollte dies aber wirklich nötig
werden, dürfte es nochmals 3,5 Milliarden Franken kosten, wie der
Bundesrat in einer soeben publizierten Antwort auf eine Anfrage des
Schaffhauser SP-Nationalrates Hans-Jürg Fehr schreibt. Bezahlen
müsste dies allerdings die Allgemeinheit - und nicht die
AKW-Betreiber.
Es gibt also für die Anti-AKW-Bewegung genügend
Gründe, sich kreativ einzumischen.
---
BZ 11.11.10
AKW-Gegner in Geldnot
AtomstromAm 13. Februar stimmt Bern über die Zukunft der
Kernenergie ab. Die Gegner eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg
tun sich schwer, für die Abstimmungskampagne genügend Geld
aufzutreiben.
Drei Monate dauert es noch, bis sich die Bernerinnen und Berner
zur Zukunft der Kernenergie in ihrem Kanton äussern können.
Im Hintergrund werden derzeit die Werbekampagnen vorbereitet und die
Kriegskassen gefüllt. Dabei fällt auf, dass sich das Lager
der Kernenergiegegner schwertut, genügend Geld aufzutreiben. Laut
dem WWF Bern hat das Komitee ein Budget von gegen 200 000 Franken zur
Verfügung, das für eine wirkungsvolle Kampagne nur knapp
reichen dürfte. Finanziell bessergestellt ist das
bürgerliche, den Bau von Mühleberg II befürwortende
Lager. Das Pro-Komitee wird vom kantonalen Handels- und Industrieverein
(HIV) angeführt und verfügt über rund 200 000 Franken.
Mehr als die Hälfte davon steuert der HIV selber bei. Dazu kommen
nochmals rund 150 000 Franken von Aves Bern, der Aktion für eine
vernünftige Energiepolitik der Schweiz. Die AKW-Lobby hat demnach
fast doppelt so viel Geld zur Verfügung wie die Gegner.
Definitiv entschieden wird am 13. Februar noch nichts. Dennoch
geht es bei der Abstimmung um eine wichtige Weichenstellung in der
Energieversorgung. Das Stimmvolk macht an der Urne klar, ob es im
Kanton Bern auch in fünfzig Jahren noch ein Atomkraftwerk will
oder nicht. Ob bei einem allfälligen Ja später in
Mühleberg auch tatsächlich ein neues AKW gebaut wird,
entscheiden das eidgenössische Parlament und das Stimmvolk erst in
etwa drei Jahren.
Klar ist aber: Bei einem Nein Mitte Februar würden die
Chancen für Mühleberg II im Nu drastisch sinken.phmSeite 17
--
Mit oder ohne Atomausstieg: Der Strom wird teurer
Stadt BernAm 28. November können die Bernerinnen und Berner
über den Ausstieg aus der Atomenergie befinden. Welche
Auswirkungen dieser zukunftsweisende Entscheid auf ihre Stromrechnungen
hat, ist umstritten.
In einem Punkt sind sich alle einig: Der Strom in der Stadt Bern
wird teurer werden. Warum und in welchem Masse - darüber streitet
sich die Politik im Vorfeld der Abstimmung über die
Energiewende-Initiative vom 28. November. FDP, SVP und Teile der BDP
wollen der Bevölkerung den Atomausstieg ausreden mit dem Argument,
dass sich die Strompreise verdoppeln würden.
Ironischerweise stützen die Ausstiegsgegner ihre
Argumentation ausschliesslich auf eine Studie des Forschungs- und
Beratungsbüros Infras, die von linken Umweltverbänden in
Auftrag gegeben wurde. Beteiligt haben sich auch die Kantone Genf und
Basel-Stadt sowie der Stadtberner Stromversorger Energie Wasser Bern
(EWB).
Entsprechend den Auftraggebern der Studie braucht es denn auch
viel Fantasie, um die Argumentation der Bürgerlichen aus dem 211
Seiten starken Papier herauszulesen. Die Schlussfolgerung der Studie
ist nämlich eine Gegensätzliche: Der Bau neuer AKW rechne
sich erst, wenn die Strompreise um 60 Prozent stiegen. Der Ersatz von
Atomstrom durch erneuerbare Energien und eine Steigerung der
Energieeffizienz könnten schon ab einer Preissteigerung von 15
Prozent rentabel sein. Allerdings, auch das hält die Studie fest,
ist eine Lenkungsabgabe nötig, um die Entwicklung in die
"grüne" Richtung zu steuern.
Grüner Strom wird günstiger
Hinter diesem Fazit stecken Berechnungen, wie sich die
Gestehungskosten der verschiedenen Kraftwerkstechnologien entwickeln.
Laut der Studie schliesst sich der momentan noch grosse Abstand
zwischen den "teuren" grünen Energien und dem "billigen" Strom aus
Wasser, Gas und AKW (siehe Grafik oben). Erstere werden etwa darum
günstiger, weil die Wirkungsgrade steigen und die Mengen zunehmen.
Gaskraft verteuert sich, weil Gas knapper und teurer wird; Wasserkraft
wird kostspieliger, weil die besten Standorte in der Schweiz bereits
erschlossen sind.
Milliardenteure neue AKW
Die Atomenergie wird aus diversen Gründen teurer. Der
wichtigste: Laut der Studie, die sich ihrerseits auf mehrere
internationale Studien stützt, ist man bislang von zu tiefen
Gestehungskosten ausgegangen. So decken heutige AKW ihre Kapitalkosten
nicht, seien viel zu tief versichert und finanziell zu wenig gut auf
die Stilllegung vorbereitet.
Ein Indiz dafür, dass Stromkonzerne die Kosten neuer AKW
tendenziell zu tief einschätzen, liefert aktuell der Bau eines
topmodernen AKW in Finnland, das rund doppelt so teuer wird wie
ursprünglich angenommen. Ein weiteres Indiz, dass Atomstrom nicht
per se billig ist, lieferte jüngst eine Studie aus Deutschland:
Obschon dort bloss 30 Prozent des Stroms aus AKW kommt, ist der Strom
nicht teurer als in Frankreich, wo 80 Prozent aus AKW kommt.
Die grossen Stromkonzerne wie die BKW zweifeln die Infras-Studie
an: Das Potenzial von Ökostrom sei zu optimistisch
eingeschätzt. Ohne neue AKW drohe eine Versorgungslücke. Auch
das Bundesamt für Energie spricht davon, dass es neue
"Grossanlagen", sprich AKW oder Gaskraftwerke brauche.
"Trend in richtige Richtung"
Trotz der Vorbehalte der grossen Energiekonzerne war die
Infras-Studie für den Stadtberner Energieversorger EWB ein
Fingerzeig bei der Ausarbeitung seiner Strategie. Diese sieht auch ohne
Energiewende-Initiative den Atomausstieg vor.
Die Trends seien klar, sagt CEO Daniel Schafer: "Bei den
erneuerbaren Energien geht die Entwicklung in die richtige Richtung:
Die Gestehungskosten sinken. Bei neuen Kernkraftwerken hingegen steigen
sie." Was das für die Strompreise bedeute, sei aber schwer zu
sagen: "Prognosen über die Entwicklung der Preise sind, je weiter
entfernt diese sind, umso schwieriger." Denn neben den Gestehungskosten
gibt es viele weitere Faktoren, welche den Preis beeinflussen (siehe
kleine Grafik links).
EWB sieht keine Stromlücke
Trotzdem ist auch für Schafer klar, dass Strom in Zukunft
teurer wird. Dies hänge mit der kompletten Liberalisierung des
Strommarkts im Jahr 2014 zusammen. Die momentan noch tieferen Preise in
der Schweiz werden sich dann europäischem Niveau angleichen.
"Es ist abzusehen, dass die Strompreise steigen - ob mit oder
ohne Atomstrom", resümiert Schafer. "Die Marktpreise zeigen
tendenziell nach oben, dies weil Strom momentan eher knapp ist",
erklärt der EWB-Chef. Eine Stromlücke gebe es deswegen aber
nicht: "Der Markt, sprich höhere Preise werden für einen
effizienteren Umgang mit Strom sorgen."
Adrian Zurbriggen
--
Abstimmung
Die von links-grünen Parteien und Verbänden lancierte
Energiewende-Initiative will, dass EWB bis 2030 ohne Atomstrom
auskommt. Der Gegenvorschlag des Gemeinderats gibt für den
Atomausstieg bis 2039 Zeit. EWB hält diesen Zeithorizont für
realistisch und hat den Ausstieg mit Beteiligungen an deutschen
Windparks gestartet. Bei Annahme der Initiative müsste EWB Strom
teuer auf dem Markt zukaufen - dies würde einen Wertverlust von
351 Millionen Franken bedeuten.azu
Wie sauber ist Strom aus Erdgas?
Neben der Verteuerung der Strompreise (siehe Haupttext)
argumentieren die Gegner des Atomausstiegs zudem mit einer
Verschlechterung der CO2-Bilanz, welche der Verzicht auf AKW bringe.
Sie zielen dabei vor allem auf die neue Kehrrichtverbrennungsanlage KVA
Forsthaus, welche mit ihrer Inbetriebnahme 2012 zu einem grossen
Kraftwerk wird. In der EWB-eigenen Anlage wird künftig nicht nur
Kehricht, sondern auch Holz und Gas verbrannt und so rund 350
Gigawattstunden Energie produziert. Damit kann EWB die Strommenge aus
dem französischen AKW Fessenheim mehr als kompensieren: Das AKW,
das 2015 vom Netz geht, produziert für EWB jährlich 130
Gigawattstunden.
Während die Verbrennung von Holz CO2-neutral ist, gilt dies
für Erdgas natürlich nicht. Laut EWB-Chef Daniel Schafer
werden in der neuen KVA jährlich 100 000 Tonnen CO2 freigesetzt.
Zum Vergleich: Im Rahmen der Klimaplattform, eines Vorzeigeprojekts der
Stadt Bern, sparten 43 Firmen letztes Jahr 5151 Tonnen CO2 ein. Seit
1990 sank der gesamte CO2-Ausstoss in der Stadt um knapp 50 000 Tonnen.
Trotzdem weise die neue KVA eine positive CO2-Bilanz auf, sagt
Schafer. Weil durch die neue KVA kein Strom am internationalen Markt
eingekauft werden müsse, könne EWB 57 000 Tonnen CO2
einsparen. Schafer erinnert daran, dass auch Atomstrom nicht
CO2-neutral sei. Insbesondere beim Abbau, aber auch beim Transport von
Uran werde CO2 freigesetzt.azu
--
Kriegskasse der Atom-Lobby ist bereits prall gefüllt
AKW-Abstimmung Vor dem wegweisenden Urnengang zur Zukunft der
Kernenergie im Kanton Bern füllen sowohl Gegner wie auch
Befürworter ihre Kassen für den Abstimmungskampf. Den
AKW-Anhängern fliesst deutlich mehr Geld zu.
Eine Faustregel besagt: Eine wirksame Abstimmungskampagne kostet
in einem Kanton von der Grösse Berns mindestens 200 000 Franken.
Das gilt auch für die Kernkraft-Abstimmung vom 13. Februar 2011,
wenn die Bernerinnen und Berner darüber befinden, ob sie den
Ersatz des AKWs Mühleberg befürworten oder der Kernenergie
den Rücken kehren wollen (siehe Kasten).
In der Tendenz sieht es so aus, als würden die AKW-Gegner
für ihre Werbekampagne diese Summe nur knapp erreichen. Das
Anti-Mühleberg-Komitee wird von den Umweltverbänden
angeführt, namentlich vom WWF Bern. Mit dabei sind weiter
Greenpeace, die Grünen und die SP. Laut Jörg Rüetschi
vom WWF wird es kaum möglich sein, für Inserate und Plakate
viel mehr als besagte 200 000 Franken aufzutreiben.
Ein Grund dafür, dass die Kernkraftgegner nicht mehr Mittel
zur Verfügung haben, ist die Ständeratsersatzwahl. Ebenfalls
am 13. Februar wird bekanntlich der vakante Berner Sitz im Stöckli
neu besetzt. Und da die SP bestrebt ist, mit Kandidatin Ursula Wyss
ihren Sitz zu verteidigen, setzt die Partei praktisch alle Mittel
für den Ständeratswahlkampf und nicht für die
AKW-Abstimmung ein.
Mehr Geld für Befürworter
Deutlich feudaler präsentiert sich drei Monate vor der
Abstimmung die finanzielle Situation im bürgerlichen und
wirtschaftsnahen Lager. Der Handels- und Industrieverein des Kantons
Bern (HIV) etwa wirft zwischen 100 000 und 150 000 Franken auf, um
für ein Ja zum Mühleberg-Ersatz zu werben. HIV-Direktor
Adrian Haas, der das Pro-Komitee der Wirtschaftsverbände
anführt, hofft aber auf zusätzliche Spenden. "Ich hoffe, dass
von den Mitgliedern des HIV und den anderen Verbänden nochmals
mindestens 50 000 Franken zusammenkommen." Speziell denkt Haas dabei an
Zustüpfe des Hauseigentümerverbands sowie der
Dachorganisation Berner KMU.
Damit hätten die Befürworter dann die gleiche Summe
gesammelt wie die Mühleberg-Gegner. Den Unterschied zugunsten der
Kernkraft-Anhänger macht jedoch die Berner Sektion von Aves
(Aktion für eine vernünftige Energiepolitik der Schweiz): Die
von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen präsidierte
Organisation steuert für den Abstimmungskampf rund 150 000 Franken
bei. Dieser Betrag wird vor allem in Inserate investiert. Die Kampagne
ist kürzlich angelaufen und erklärt, weshalb der Kanton Bern
aus Sicht von Aves nicht auf den Ersatz des AKWs Mühleberg
verzichten kann.
Das Ergebnis der Milchbüchleinrechnung: Die
AKW-Befürworter verfügen für den Abstimmungskampf mit
rund 350 000 Franken fast über doppelt so viel Geld wie die
AKW-Gegner.
BKW spendet nichts
Der Energiekonzern BKW, der das AKW betreibt, darf sich
bekanntlich nicht aktiv in den Abstimmungskampf einmischen, wie der
Berner Regierungsrat diese Woche einmal mehr deutlich gemacht hat (wir
berichteten). Gestern bekräftigte BKW-Sprecher Antonio Sommavilla,
das Unternehmen werde sich an diese Direktive halten. Auch Spenden an
den HIV oder Aves werde die BKW nicht ausrichten.
Auch wenn die Spiesse nicht gleich lang sind, ist die Abstimmung
noch lange nicht entschieden: Sowohl Gegner wie auch Befürworter
der Kernenergie rechnen am 13. Februar mit einem äusserst knappen
Ausgang.
Philippe Müller
Die AKW-Befürworter haben für den Abstimmungskampf rund
doppelt so viel Geld zur Verfügung wie die Atomgegner.
--
Noch ein weiter Weg
Neue AKW Die drei Energiekonzerne Alpiq, Axpo und BKW wollen je
ein neues Atomkraftwerk der neusten Generation bauen und haben beim
Bund ein Rahmenbewilligungsgesuch eingereicht. Die drei Standortkantone
Bern, Aargau und Solothurn müssen bis Anfang 2011 eine
Stellungnahme zuhanden des Bundes abgeben und die Frage beantworten,
wie sie einem AKW-Neubau gegenüberstehen. Der Kanton Bern
lässt diese Frage am 13. Februar 2011 vom Stimmvolk beantworten.
Es handelt sich dabei um eine konsultative Abstimmung. Das
heisst: Ein Ja zum Mühleberg- Ersatz bedeutet noch nicht
automatisch, dass ein neues AKW gebaut werden kann. Bei einem Nein
dagegen stünden die Chancen, dass der Kanton Bern vom Bund den
Zuschlag für Mühleberg II erhält, eher schlecht. Der
Entscheid, ob und wo neue AKW gebaut werden, fällt zwischen 2012
und 2013 im eidgenössischen Parlament, wobei der definitive
Entscheid in einer Volksabstimmung fallen wird. phm
--
Professor für Ausstieg
AtomkraftDer St. Galler HSG-Professor und Energie-Experte Rolf
Wüstenhagen plädiert für ein Umdenken in der
Energiepolitik und für den Atomausstieg.
"Die Technologie ist weiter, als viele denken", sagte Rolf
Wüstenhagen in einem Interview im "St. Galler Tagblatt".
Wüstenhagen ist Professor für Management erneuerbarer
Energien und Co-Direktor des Instituts für Wirtschaft und
Ökologie der Universität St. Gallen (HSG).
Im Zusammenhang mit der Initiative "Stadt ohne Atomstrom",
über die in St. Gallen am 28. November abgestimmt wird, empfiehlt
der Energie-Experte ein Umsteigen auf Alternativenergie ohne Umwege.
Solar- und Windenergie seien zwar noch relativ teuer. Sie
erstarkten aber "so rasant, dass sie bald wettbewerbsfähig sein
werden". Je früher sich eine Stadt um Beteiligungen an
erneuerbaren Energien bemühe, desto grösser sei die Chance,
gute Verträge abzuschliessen.
Wüstenhagen erwähnte als Beispiel Zürich: Die
Stadt habe in kurzer Zeit Investitionen in deutsche Windparks
getätigt, "die schon jetzt so viel Strom produzieren, wie 49 000
Haushalte verbrauchen". Zürich liege damit im Trend. "Immer mehr
Kunden wollen erneuerbare Energien."
Auch in der Schweiz gebe es gute Windenergie-Projekte, zum
Beispiel in Collonges im Wallis oder im Jura. In der Solarenergie biete
die starke Sonneneinstrahlung in den Alpen Chancen. Der Weg führe
in der Schweiz daneben über Geothermie und über
"Plus-Energie-Häuser", die vor Ort Sonnenenergie nutzten.
sda
---
Tagesanzeiger 11.11.10
Zu wenig Dampf in der AKW-Debatte: Grüne engagieren sich
stärker
Anders als ihre deutschen Kollegen protestieren die Zürcher
Grünen nur lau gegen den Bau neuer AKW und eines Endlagers. Das
soll sich nun ändern.
Von Stefan Häne
Zürich - Der Unterschied ist frappant: Während sich in
Süddeutschland unter Führung der Grünen breiter
Widerstand gegen ein mögliches Endlager im Zürcher Weinland
formiert, ist im Kanton Zürich der Protest kaum wahrnehmbar. Im
grenznahen Jestetten sprechen grüne Politiker provokativ vom
"Atommülllager Zürich" (TA vom Dienstag).
Und was tun ihre Zürcher Parteikollegen? Zu wenig, findet
die Grüne Ex-Kantonsrätin Susanne Rihs-Lanz, die im Sommer
nach zwölf Jahren im Parlament zurückgetreten ist. Ihre
Partei müsse in ihrem "Urthema" aktiver werden. Rihs-Lanz'
Position findet in der Partei Zuspruch. Letzte Woche haben grüne
Politiker den Verein "Klar! Züri Unterland" gegründet. Dieser
will, wie die schon länger bestehende Mutterorganisation "Klar!
Schweiz", "kein Leben mit atomaren Risiken". Rihs-Lanz versucht nun,
Kontakte mit Grünen aus dem süddeutschen Raum zu
knüpfen, um eine "starke Allianz zu bilden".
"Zu technokratisch"
Nachholbedarf ortet auch Nationalrätin Marlies
Bänziger. Sie will "die Widerstandskraft wiedererwecken". Die
Grünen hätten ihren Sachverstand zur verbesserten
möglichen Sicherheit eines allfälligen Lagers eingebracht.
Dabei, räumt Bänziger ein, habe sich ihre Partei aber "stark
auf die technokratischen Diskussionen eingelassen".
Rihs-Lanz verweist auf den Kurs, den ihre Partei in der
Atompolitik fährt. Solange der Ausstieg aus der Atomenergie nicht
beschlossen ist, kommt für die Grüne Partei ein Endlager -
Grüne nennen es ein "endloses Zwischenlager" - nicht infrage. Aus
diesem Grund, so Rihs-Lanz, habe sich die Kantonalpartei in ihrer
Arbeit auf den Atomausstieg fokussiert. "Es ist höchste Zeit, dass
wir auch die Endlagerfrage breit thematisieren." Ansonsten werde die
Zürcher Bevölkerung von der Nagra über den Tisch gezogen.
Dampf machen soll nun eine neue parteiinterne Arbeitsgruppe. Der
Kanton Zürich als Mitbesitzer des Stromkonzerns Axpo nimmt in den
kommenden Wochen Stellung zu den Rahmenbewilligungsgesuchen von Axpo
(und BKW) für den Bau neuer Atomkraftwerke. Die Grünen wollen
dabei Gegensteuer zur atomfreundlichen Haltung der Zürcher
Regierung geben, auch im Hinblick auf die kantonalen Wahlen im
Frühling, wie Bänziger sagt. Ob ihre Partei öffentliche
Proteste organisieren wird, lässt Bänziger offen. Philipp
Maurer, Co-Präsident der Kantonalpartei, beurteilt Sitzblockaden
und ähnliche Formen zivilen Ungehorsams skeptisch: "Wir wollen
konstruktive Debatten führen."
Träge wegen der SP?
Auch Esther Guyer, Fraktionschefin der Grünen, will "nicht
ungezielt ins Feld sitzen und protestieren". "Gorleben ist jetzt. Einen
derart aktuellen Aufhänger gibt es hier nicht." Vehement
bestreitet Guyer, die Grünen seien träge geworden, weil sie
wegen der schwächelnden SP quasi im Schlafwagen zu Wahlerfolgen
kämen. Guyer verweist auf die parlamentarische Arbeit und auf die
Demonstrationen, die ihre Partei wie 2008 in Benken mitgeprägt
habe. Der Protest damals war getragen von wütenden Atomgegnern. Zu
dieser Emotionalisierung werde es wieder kommen, sagt
Nationalrätin Bänziger. Sie geht davon aus, dass
spätestens dann eine Volksbewegung entsteht, wenn es zur
Abstimmung über den Bau neuer AKW oder den Standort des Endlagers
kommt.
---
Aargauer Zeitung 11.11.10
"Betroffene Region würde an Attraktivität verlieren"
Laufenburg Eingabe des Gemeinderats zum Tiefenlager Bözberg
Im Sachplanverfahren Geologisches Tiefenlager Bözberg
läuft vom 1. bis 30. November das öffentliche
Anhörungsverfahren. Der Gemeinderat Laufenburg hat sich mit dem
Thema befasst und hält in seiner Eingabe folgende Punkte fest:
"Es muss vermutet werden, dass ein solches Tiefenlager a priori
niemand vor seiner Haustür oder in seiner Nähe haben will.
Aus verständlichen Gründen sind deshalb viele Bedenken und
Ängste an den Informa-tionssitzungen vorgebracht worden."
Die gewonnenen Eindrücke führen nach Bekanntgabe des
Gemeinderats Laufenburg zu folgenden Überlegungen: "Vor
irgendwelchen ideologischen Standpunkten ist das Thema ‹Sicherheit› zu
behandeln. Aus diesem Grund muss der ausgewählte Standort in jeder
Hinsicht, zweifelsfrei und unverhandelbar den Sicherheitsstandards
vollumfänglich genügen. Finanzielle Überlegungen zum
Thema Sicherheit sind dabei in den Hintergrund zu stellen. Es
müssen objektive und von unabhängiger Seite entsprechende
Gutachten vorliegen, in welchem auch international anerkannte Experten
und Organisationen die Sicherheitsstudien zu prüfen und zu
kommentieren haben."
Auswirkungen aufs Trinkwasser?
Weiter fragt der Gemeinderat Laufenburg in seiner Eingabe: "Sind
durch das Tiefenlager Auswirkungen auf Personen und Umwelt,
insbesondere auf unser Trinkwasser, zu erwarten, wenn nein, warum
nicht? Bei einem Dammbruch des Schluchsees ist zu erwarten, dass
grenznahe Schweizer Gebiete überschwemmt werden. Welche
Auswirkungen hätte deshalb ein Dammbruch des Schluchsees auf das
Tiefenlager Bözberg? Wenn keine Auswirkungen zu erwarten sind,
weshalb nicht?"
Den Gemeinderat Laufenburg nimmt wunder, welche Auswirkungen
Naturereignisse auf ein Tiefen- lager haben können, zum Beispiel
Hochwasser, Überschwemmungen, Erdrutsche, Erdfall und anderes. Die
Behörde will auch wissen, welche Auswirkungen ein Erdbeben der
Intensität ab 7,5 auf der Richterskala auf das Tiefenlager
hätte.
Bereits durch AKW belastet
Einige Gemeinden seien durch die Atomkraftwerk-Standorte, aber
auch durch das Zwischenlager (Zwilag) in Würenlingen bereits
"belastet", so der Gemeinderat Laufenburg. Und weiter: "Ein Tiefenlager
im Bözberg würde die Region zusätzlich belasten. Es ist
davon auszugehen, dass die betroffene Region an Attraktivität
verliert und die jahrelangen Anstrengungen zur Ansiedlung von
natürlichen und juristischen Personen arg strapaziert würden."
"Immobilienpreise würden fallen"
"Es ist zu befürchten, dass die Liegenschaftspreise, die
Landpreise und auch die Mieten massiv sinken würden und mit
finanziellen Einbussen zu rechnen wäre. Bei einem allfälligen
Standort Bözberg hätte die ganze Region deshalb massive
Nachteile zu tragen. In einem solchen Fall wären nicht nur die so
genannten Standortgemeinden, sondern die ganze Region zu
berücksichtigen. Unabhängig eines Standortentscheids,: Wie
soll der finanzielle Ausgleich für die betroffene Region
ausgestaltet werden?"
Der Gemeinderat stellt die Frage in den Raum: "Was sind die
Kriterien und Gewichtungen für einen finanziellen Ausgleich in der
vom Standort betroffenen Region?"
Die Planung für das Tiefenlager erfolge auf dem Stand der
heutigen Technik und Wissenschaft, heisst es in der Eingabe des
Gemeinderats Laufenburg. Unabhängig des Standorts müssten
deshalb der Zugang zum eingelagerten Material und die
Rückholbarkeit der Abfälle stets gewährleistet sein.
Der Gemeinderat Laufenburg erwartet deshalb von den
Verantwortlichen des Projekts, dass alle diese vorstehenden
Überlegungen in die weitere Bearbeitung der Pläne für
ein Tiefenlager Bözberg einbezogen werden. (az)
Welche Auswirkungen hätte ein Erdbeben der Stärke 7,5
auf der Richterskala auf das Tiefenlager Bözberg?
---
St. Galler Tagblatt 11.11.10
Eine Frage der Fristen
Atom-Ausstieg Am 28. November stimmen die städtischen
Stimmberechtigten nebst dem Geothermie-Kredit auch über die
SP-Initiative "Stadt ohne Atomstrom" und den Gegenvorschlag des
Stadtparlaments ab. Beide Vorlagen fordern den Atom-Ausstieg: Bei der
Initiative soll dieses Ziel schrittweise ab 2018, beim Gegenvorschlag
bis spätestens 2050 erreicht werden.
Gehen bei Annahme der Initiative "Stadt ohne Atomstrom"
plötzlich die Lichter aus? Könnte ein allfälliger
Versorgungsengpass ab 2018 mit erneuerbaren Energien beseitigt werden?
Und was hat das mit dem Kinok zu tun? Ein Streitgespräch zwischen
Roger Dornier und Felix Birchler.
Die Anti-Atomstrom-Bewegung in Deutschland ist wieder erwacht.
Gerade rechtzeitig auf den Abstimmungskampf "Stadt ohne Atomstrom",
Felix Birchler?
Felix Birchler: Die Bewegung hat in der Tat wieder Auftrieb
erhalten. Ob das die Abstimmung in St. Gallen jedoch beeinflusst, kann
ich nicht sagen. Das Thema zumindest ist auf die politische Agenda
zurückgekehrt.
Die Bundesregierung will die AKW-Laufzeiten um durchschnittlich
zwölf Jahre verlängern. Roger Dornier, begrüssen Sie
diesen Ausstieg aus dem Ausstieg?
Roger Dornier: Langfristig wollen auch wir den Ausstieg und
setzen ebenso auf erneuerbare Energien. Die Regierung in Deutschland
ist nun aber zum Schluss gekommen, dass die Zeit für einen
Ausstieg noch nicht reif sei. Das deckt sich mit unseren Ansichten.
Entsprechend argumentieren die Initiativgegner mit
Gefährdung der Versorgungssicherheit. Ein Ausstieg zum jetzigen
Zeitpunkt sei "grobfahrlässig". Haben Sie keine Angst, dass in St.
Gallen plötzlich die Lichter ausgehen, Herr Birchler?
Birchler: Grobfahrlässig ist das Festhalten am Atomstrom.
Die Gefahren sind nicht erst seit Tschernobyl bekannt. Kernenergie ist
zwar veraltet, endgültig ersetzt werden muss sie jedoch erst in
etwa zwanzig bis dreissig Jahren. Bis dahin sind Alternativen gefunden,
die bei entsprechendem politischen Willen auch gefördert werden.
Atomstrom habe zu Unrecht ein schlechtes Image, haben Sie
unlängst im Stadtparlament gesagt, Herr Dornier. Wie gelangen Sie
als branchenfremder Rechtsanwalt zu dieser Überzeugung?
Dornier: Ich setze mich seit Jahren mit Energiefragen
auseinander, habe das AKW Gösgen besucht und mir vor Ort einen
Eindruck verschafft. Ich sehe die Gefahren der Atomenergie durchaus,
wehre mich aber gegen deren Verteufelung.
Waren Sie auch schon in Gösgen oder sonst in einem
Atomkraftwerk, Herr Birchler?
Birchler: Nein. Ich wüsste nicht, was ich dort Spannendes
entdecken könnte.
Sie könnten sich informieren lassen.
Birchler: Bei den AKW-Betreibern wird man kaum neutrale
Informationen erhalten.
Herr Dornier wurde also eingeseift?
Birchler: Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich gehe gerne mit
ihm ins AKW Gösgen, wenn es dann ausgeschaltet wird.
Gemäss einer repräsentativen Umfrage von Demoscope im
Auftrag des WWF sind 69 Prozent der Befragten gegen Atomenergie. Wie
gehen Sie mit dieser Zahl um?
Dornier: Umfragen sind immer mit grosser Vorsicht zu geniessen,
mit umso grösserer, wenn sie vom WWF kommen.
Birchler: Nicht der WWF, Demoscope hat die Umfrage gemacht, die
übrigens andere Studienergebnisse bestätigt: Die
Bevölkerung will keinen Atomstrom.
In einem Leserbrief mutmassen Sie, Herr Birchler, die Atomlobby
finanziere den gegnerischen Abstimmungskampf. Wie viel Geld fliesst in
die Kampagne, Herr Dornier?
Dornier: Ich weiss es nicht, ich bin einfaches Komiteemitglied.
In einem Komitee, das auch dem moderateren Gegenvorschlag mit
einem Ausstiegsszenario bis 2050 nichts abgewinnen kann. Warum?
Dornier: Wir wehren uns dagegen, einen abstrakten Energieartikel
in die Gemeindeordnung aufzunehmen. Visionen gehören da nicht
hinein. Heute zu sagen, dass wir in vierzig Jahren keinen Atomstrom
mehr beziehen, finde ich unseriös und unehrlich. Ohnehin wäre
damit nicht ausgeschlossen, dass wir bei Versorgungsengpässen
Strom dereinst zwar nicht mehr aus AKWs, dafür aus
Kohlekraftwerken bestellen müssten.
Das wäre angesichts des zusätzlichen CO2-Ausstosses
tatsächlich die energetische Bankrotterklärung.
Birchler: Ich erinnere an den Initiativtext, der die
Förderung von erneuerbaren Energien fordert. Der Bezug von Strom
aus Kohlekraftwerken wäre eine klare Missachtung dessen.
Kein Strom aus AKW, keiner aus Gas- und Kohlekraftwerken: Wie
erfüllt die SN Energie künftig ihren Versorgungsauftrag?
Birchler: Wind-, Wasser-, Solarenergie, Biomasse…
Dornier: Das reicht nirgends hin.
Birchler: Heute noch nicht, aber bald. Davon bin ich
überzeugt.
Dornier: Ich sage Ihnen, was wirklich passieren wird: Der Strom
für den Normalverbraucher verteuert sich massiv und Grosskunden
werden dank der Strommarktöffnung weiterhin günstigen
Atomstrom beziehen.
Birchler: Das ist eine Behauptung. Zweifellos aber wird der
Strompreis auch künftig Marktschwankungen ausgesetzt sein. Bei
Annahme der Initiative sind deshalb zwingend Massnahmen zur
Energieeffizienz und zum Stromsparen zu ergreifen.
Laut Stadtrat wäre bei einem Ja zur Initiative auch der
Beteiligungsvertrag mit SN Energie neu auszuhandeln. Mit welchen
Konsequenzen?
Birchler: Vertragsdetails zwischen Stromlieferant und Stadt sind
leider nicht öffentlich. Wohl müssten die Verträge aber
neu ausgehandelt werden. Das wäre dann die Aufgabe von Stadtrat
Fredy Brunner, der vor kurzem viel Lob bekommen hat für den
Glasfaser-Deal mit der Swisscom.
Basel bezieht keinen Atomstrom, Zürich wird ebenfalls
aussteigen. Warum soll das St. Gallen nicht können, Herr Dornier?
Dornier: Basel und Zürich sind links regierte Städte.
Ob sie längerfristig aussteigen können, wird sich erst zeigen.
Birchler: Zürich hat den Atomausstieg 2008 mit 76 Prozent
gutgeheissen. Alles Linke? Ich bleibe dabei: Der Ausstieg ist eine
Frage des politischen Willens.
Noch einmal: warum kann St. Gallen nicht, was Zürich
anstrebt?
Dornier: Weil wir andere Verträge haben und einen
Atomstromanteil von aktuell 54 Prozent. Wir müssten bereits ab
2018 aussteigen, in Zürich ist das erst zwanzig Jahre später
der Fall.
Wie viel Atomstrom müssten wir ab 2018 denn ersetzen?
Birchler: Das ist Teil der geheimen Verträge. Wir wissen es
nicht.
Eine Prognose: Wie sieht das städtische Strom-Portfolio 2018
aus?
Birchler: Ein Teil des Atomstroms wird durch Windenergie ersetzt
sein. Zu wie vielen Prozenten, weiss allein die SN Energie.
Dornier: Bei den erneuerbaren Energien tippe ich auf Wasser-
kraft. Und auch bei der Geothermie sind wir dann viel weiter.
Und 2050?
Dornier: Bis dahin wird die Menschheit dank des technologischen
Fortschritts weitere Energiequellen erschlossen haben…
Birchler: …und den Atomausstieg sicher geschafft haben.
Ein Nebenschauplatz zum Schluss. Herr Dornier, Sie haben in einem
Leserbrief das Kinok kritisiert, das einen Anti-Atom-Film ins Programm
aufgenommen hat. Was soll daran schlecht sein?
Dornier: Ich bin skeptisch, wenn sich mit viel Steuergeld
subventionierte Kultur einseitig in die Politik einmischt.
Darf die Hand, die einen füttert, nicht mehr gebissen werden?
Birchler: Im Gegenteil, das muss selbstverständlich
möglich sein.
Gesprächsleitung:
Andreas Nagel, Ralf Streule
--
Person
Roger Dornier
Der FDP-Stadtparlamentarier ist Mitglied des Abstimmungskomitees
"2× Nein zum Verzicht auf Atomstrom". Der 44jährige Anwalt
ist Leiter des Rechtsdiensts der St. Galler Kantonalbank. Er ist
verheiratet und Vater einer Tochter.
Person
Felix Birchler
Der Co-Präsident der SP-Stadtpartei ist Mitinitiant der
Volksinitiative "Stadt ohne Atomstrom". Der 32-Jährige ist
Soziologe, Unia-Gewerkschaftssekretär und mitverantwortlich
für die "3 × Ja"-Abstimmungskampagne.
---
Weltwoche 11.11.10
Geschichten
"Eine sehr teure Variante"
Axpo-Chef Heinz Karrer nimmt Stellung zu den Vorwürfen der
Lieferung von verschmutztem Uran aus Russland, warnt vor der
zunehmenden Versorgungsunsicherheit und davor, dass die Kosten für
erneuerbare Energien zu einem volkswirtschaftlichen Problem werden.
Von Carmen Gasser
Ein "Rundschau"-Report deckte kürzlich auf, dass die Axpo
schmutziges Uran aus Russland bezieht. Was haben Sie unternommen?
Wir haben auf die Vorwürfe damals gesagt, dass wir
abklären wollen, aus welcher Quelle das aufbereitete Uran kommt.
Das haben wir mittlerweile getan. Wir haben bei unserem Lieferanten
Areva mehrere Lieferverträge für Uran. Jener aus dem Jahr
2003 läuft bis 2010. Unter diesem Vertrag wurden etwa 10 Prozent
in Mayak aufbereitetes Uran verwendet. Einen zweiten Vertrag haben wir
2005 abgeschlossen. Er läuft noch bis 2020. Hier
überprüfen wir ebenfalls die Herkunft des Urans.
Noch vor kurzem hatten Sie alle Vorwürfe bestritten. Warum
erst jetzt das Eingeständnis?
Wir sind einer der ersten KKW-Betreiber auf der Welt, die eine
auf die Anlage bezogene Umweltdeklaration ausweisen. Entsprechend haben
wir Druck auf unsere Lieferanten ausgeübt. Auf deren vertragliche
Verpflichtungen und Aussagen haben wir uns bisher verlassen.
Weshalb dauern die Abklärungen so lange?
Die Lieferkette ist kompliziert. Unser Vertragspartner hat
wiederum einen Vertragspartner in Russland, der wieder mehrere Partner
hat, die Uran aufbereiten. Aufgrund unseres Bekenntnisses zur
Nachhaltigkeit haben wir regelmässig unsere Lieferanten befragt,
ob es sich um hochangereichertes Uran handelt und welche Prozesse zur
Herstellung verwendet wurden. Bislang konnten wir jedoch noch nicht
vollständig klären, ob und welche Zulieferfirmen davon
betroffen sind.
Offensichtlich hat jegliche Kontrolle versagt.
Genau genommen, haben wir es durch unsere erhöhte
Transparenz und die verschärfte Kontrollpolitik erst
ermöglicht, diesen Fall ans Licht zu bringen. Wir haben vor
fünf Jahren beschlossen, für all unsere Produktionsanlagen
eine Umweltzertifizierung vorzunehmen, um zu wissen, welche Prozesse
angewendet, welche Energie und welche Abfälle produziert werden.
Wir arbeiten seither nur mehr mit Partnern zusammen, die entsprechend
zertifiziert sind. Auch unser französischer Partner Areva und
seine Partner, mit denen wir in Russland zusammenarbeiten, sind
zertifiziert. Nur beim letzten Teil der Lieferkette sind wir erst
dabei, dies zu klären. Dort fielen uns Ungereimtheiten auf.
Greenpeace hat den Fall in die Medien gebracht .
Wurden die Lieferungen aus dem russischen Mayak mittlerweile
gestoppt?
Wir haben Abnahmeverpflichtungen bis ins Jahr 2020 aufgrund eines
Vertragsabschlusses aus dem Jahr 2005. Zuerst wollen wir jetzt genau
klären, wie die Situation in Mayak wirklich ist. Dass vor
Jahrzehnten Umweltsünden zu Lasten der Bevölkerung begangen
wurden, ist allgemein bekannt. Wir wollen wissen, wird heute sauber
produziert und welche Anstrengungen werden unternommen, um die
Situation in und um Mayak zu verbessern. Zudem prüfen wir, welche
Möglichkeiten wir in Bezug auf den bestehenden Vertrag haben.
Wie wollen Sie einem derartigen Desaster in Zukunft vorbeugen?
Wir werden unsere Lieferanten bei der Beschaffung noch
konsequenter auf die Einhaltung von internationalen Standards
verpflichten. Wir wollen, dass bei der Aufbereitung unseres Urans alle
Grenzwerte und Richtlinien eingehalten werden.
Wie steht es mit Ihren Gaslieferverträgen mit dem Iran? Der
Iran nutzt die Einnahmen, um seine atomare Stellung zu festigen.
Bisher ist weder Gas noch Geld geflossen. Es stellt sich die
Frage, welche Strategie für ein Land besser ist, damit es zu einer
friedlichen Lösung kommt: Isolation oder Zusammenarbeit? Es hat in
letzter Zeit gegenüber dem Iran international eine politische
Verschärfung gegeben. Deshalb ist der Vertrag im Moment sistiert.
Zurück zur Schweiz. Sie sprachen davon, dass im Winter die
Lichter ausgehen würden. Stehen Sie zu dieser Aussage?
So etwas habe ich nie gesagt. Das war eine Interpretation in
einer Schlagzeile einer Zeitung. Was ich gesagt habe, war, dass wir in
Zukunft mit instabileren Situationen rechnen müssen. Früher
hatten wir viel freie Produktions- und Netzkapazitäten. Doch wenn
der Verbrauch immer steigt und gleichzeitig die Kapazitäten nicht
angepasst werden, gibt es irgendwann Probleme. In Frankreich
beispielsweise gab es letzten Winter in einigen Regionen
Stromausfälle.
Stand die Schweiz schon einmal vor einem Black out?
Schon mehrere Male. Auch in Italien und Deutschland gab es in den
letzten Jahren Black outs. Da schlitterte die Schweiz nur ganz knapp
daran vorbei. Instabil sind auch die Kantone Wallis und Tessin,
aufgrund der Netzsituationen.
Weshalb gehen in der Schweiz die Lichter aus, wenn die deutsche
Stromversorgung kollabiert?
Mit dem Ziel einer höheren Versorgungssicherheit in Europa
sind die Netze der EU-Länder seit Jahrzehnten zusammengeschaltet.
Wenn die Schweiz ein Problem hat, hilft Deutschland oder Frankreich aus
und umgekehrt. Wenn jedoch in mehreren Ländern praktisch
gleichzeitig Probleme entstehen, kann es kritisch werden. So geschehen
vor ein paar Jahren in Mitteleuropa.
Wladimir Putin dreht mindestens einmal im Jahr den Gashahn zu und
demonstriert, welche machtpolitische Bedeutung Gas und die Energie
haben. Wie stark ist die Schweiz diesem Ränkespiel ausgeliefert?
Grösse allein ist nicht ausschlaggebend. Die Schweiz ist
international gut vernetzt und hilft mit, aufgrund ihrer neutralen
Haltung politische Eskalationen zu verhindern. Als Unternehmen sind wir
in einer guten Ausgangssituation aufgrund unserer Infrastrukturen,
unseres Kraftwerkparks und unserer internationalen
Energiehandelskompetenzen.
Ist es ein Nachteil für die Stromwirtschaft, dass die
Schweiz nicht der EU angehört?
Für unseren Sektor würde sich nichts ändern,
sofern wir in nächster Zeit in Zusammenhang mit der Diskussion um
das bilaterale Stromabkommen keine Nachteile erfahren. Europa
profitiert von der Schweiz. Wir sind ein Transitland, und es ist
für Europa wesentlich, dass wir unsere Kraftwerke, insbesondere
unsere Wasserkraftwerke, in die Versorgungssicherheit einbringen.
Die Schweiz kann im Notfall auch drohen?
Die theoretische Möglichkeit gäbe es zwar, aber
realpolitisch ist das nicht machbar. Doch die Schweiz muss sich nicht
mit der "Indianerrolle" zufriedengeben. Sie darf selbstbewusst im
internationalen Kontext auftreten.
Die "Stromlücke" ist mittlerweile zu einem geflügelten
Wort geworden. Haben die Energieversorger geschlafen?
Viele Jahre lang wurde in Europa aufgrund von
Überkapazitäten nicht mehr investiert. Zu Beginn dieses
Jahrzehnts jedoch wurden gewisse Kapazitäten schneller abgebaut,
als man gedacht hatte. Aufgrund der höheren Auflagen im
Umweltbereich mussten beispielsweise ältere Kohle-, Gas- und
Ölkraftwerke abgestellt werden. In der Stromindustrie kann man
nicht den Schalter umkippen und auf die Schnelle neue Anlagen bauen.
Der ehemalige deutsche Umweltminister Jürgen Trittin
bezeichnete die drohende Stromlücke als Mythos. Mittlerweile
trügen in Deutschland erneuerbare Energien 17 Prozent zur
Stromproduktion bei.
Herr Trittin hat explizit darauf hingewiesen, dass er dies nur
auf Deutschland bezieht. 17 Prozent ist in der Tat eine hohe Zahl.
Allerdings gibt es berechtigte Zweifel in Bezug auf die Erreichung der
Planzahlen in Deutschland. Bei Onshore-Windanlagen stösst man
zunehmend auf den Widerstand der Bevölkerung und des
Naturschutzes. Bei Offshore-Anlagen sieht man sich zudem mit
technischen Herausforderungen konfrontiert. Überdies wird die
Netzanbindung schwierig werden. In der Schweiz gibt es Beispiele von
dreissig Jahren Verfahrenszeit, bis eine Leitung gebaut werden kann.
Die Ziele des deutschen Umweltbundesamtes sind also illusorisch,
bis 2050 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen beziehen zu
können?
Politiker, die heute diese Aussagen machen, übernehmen
für die Nichteinhaltung der Ziele im Jahr 2050 ja keine
Verantwortung.
Ein Prozent des Axpo-Stroms stammt aus Solar- und
Windenergieprojekten. Das sieht ganz nach Alibiübung aus.
Wir haben uns 2005 gefragt, welches Potenzial in der Schweiz
für erneuerbare Energien besteht, und haben daraus unsere
Strategie abgeleitet. Wir sind heute bei weitem der grösste
Produzent erneuerbarer Energie in der Schweiz. Wir sagen, was wir tun,
und tun auch, was wir sagen. In absoluten Zahlen bleibt die Menge
natürlich noch gering.
Ist erneuerbare Energie der richtige Weg zur CO2-Vermeidung?
Die CO2-Vermeidung durch die Förderung von erneuerbaren
Energien ist eine sehr teure Variante. Das Geld könnte man
beispielsweise mit einem Cap-and-Trade-System effizienter einsetzen.
Die Kosten werden volkswirtschaftlich zunehmend zu einem Problem. Und
wir stehen erst am Anfang.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Spanien hat zwischen 2001 und 2009 28 Milliarden Euro an
Fördergeldern für erneuerbare Energien gesprochen. Doch die
Investitionen decken nur 1 Prozent des Energiebedarfs von Spanien. Ein
Arbeitsplatz wurde somit mit 500 000 Franken subventioniert. Dieses
Geld fehlt irgendwo anders in Spanien, sei es beispielsweise im
Infrastrukturbereich, im Gesundheits- oder im Bildungswesen. In
Deutschland ist es noch extremer. Dort wurden im gleichen Zeitraum
für 67 Milliarden an Fördergeldern Verpflichtungen
eingegangen.
Zum Schluss: In der Wüste Nordafrikas soll unter dem Namen
Desertec ein gigantisches Solarprojekt entstehen. Wie sinnvoll ist
dieses?
Desertec dürfte in ferner Zukunft einen gewissen Teil
Europas mit Strom beliefern. Doch das Projekt befindet sich in, ich
sage mal: politisch anspruchsvollen Ländern. Hierzulande gibt es
in den Berggebieten den Wasserzins. Die Gemeinden lassen sich
dafür entschädigen, dass man Wasserkraft für die
Stromerzeugung nutzbar macht. Ich könnte mir vorstellen, dass es
irgendwann so etwas wie Sandzinsen geben wird. Eigentlich wollte man
mit diesem Projekt die Abhängigkeit reduzieren. Doch es wird zu
einer anderen Art von Abhängigkeit führen.
---
Bund 10.11.10
Problemlose Atommülltransporte nach Würenlingen
AKW Mühleberg - Gestern Morgen ist die Odyssee des
Castor-Transports ins deutsche Zwischenlager Gorleben nach 91 Stunden
zu Ende gegangen. Zuletzt waren die Polizisten gar mit einbetonierten
Atomgegnern konfrontiert.
Zu solchen Szenen kommt es in der Schweiz nicht. "Die Transporte
ins zentrale Zwischenlager Würenlingen verlaufen problemlos", sagt
Antonio Sommavilla, Sprecher der BKW Energie AG. Jährlich werden
im Atomkraftwerk Mühleberg 36 Brennelemente ausgewechselt. Alle
zwei Jahre bringen zehn LKW diese hochradioaktiven Stoffe in
Spezialbehältern nach Würenlingen. Dort werden sie
zwischengelagert, bis die Frage der Endlagerung gelöst oder die
Wiederaufbereitung im Ausland erneut aufgenommen wird. (rw) - Seiten 5,
20
--
Atommüll: Mühleberg-Würenlingen einfach
Alle zwei Jahre fahren zehn Lastwagen mit ausgedienten
Brennelementen von Mühleberg nach Würenlingen. Probleme gibts
dabei keine.
Reto Wissmann
91 Stunden waren die elf Castor-Behälter mit radioaktiven
Abfällen unterwegs, bevor sie gestern Morgen im
niedersächsischen Atommülllager Gorleben ankamen. Tausende
Atomgegner hatten während Tagen mit allen Mitteln versucht, den
Transport zu blockieren. Ihnen gegenüber sollen insgesamt 20 000
Polizisten gestanden haben. Der Einsatz hat Millionen gekostet und
zahlreiche Verletzte gefordert. Die Politik ist ratlos, wie es mit den
Atommülltransporten weitergehen soll (siehe Seite 5).
Auch im Kernkraftwerk Mühleberg fallen hochradioaktive
Abfälle an. Deren Transport ins Zwischenlager in Würenlingen
geht jedoch jeweils in aller Stille und ohne jegliche Proteste
über die Bühne. Laut Antonio Sommavilla, Sprecher der BKW
Energie AG, wechselt das Werk pro Jahr 36 Brennelemente aus. Verpackt
in Spezialbehälter, werden sie alle zwei Jahre per LKW in den
Aargau transportiert. Ansonsten erfolgt die Anlieferung von
radioaktiven Abfällen beim Zwischenlager Würenlingen
vorwiegend per Bahn. Wegen der schwierigen Topografie fehlt jedoch in
Mühleberg ein Industriegleis. Beim nächstgelegenen
Bahnanschluss eine spezielle Verladestation für die viele Tonnen
schweren Behälter zu bauen, wäre zu aufwendig. Daher fahren
nun alle zwei Jahre Castor-Transporter das Gefahrengut unter
Polizeischutz ins 130 Kilometer entfernte Würenlingen.
Ruhe seit den Neunzigerjahren
Auf militante Demonstranten trifft die BKW während solcher
"Kampagnen" nicht. "Die Transporte nach Würenlingen verlaufen
heute problemlos", sagt der BKW-Sprecher. Er weiss lediglich von einem
Vorfall Mitte der Neunzigerjahre, als Atomgegner einen Transport von
ausgedienten Brennelementen von Mühleberg ins Ausland blockieren
wollten. Unterdessen gilt jedoch für solche "Exporte" zur
Wiederaufbereitung ein Moratorium bis 2016.
Neben den ausgedienten Brennelementen fallen in Mühleberg
pro Jahr auch rund 50 Kubikmeter leicht- oder mittelaktive Abfälle
an. Diese werden in zehn Transporten jährlich ebenfalls nach
Würenlingen gebracht, jedoch ohne zusätzliche
Sicherheitsmassnahmen. Sämtliche Transporte sind jedoch
genehmigungspflichtig, und die Verpackung der radioaktiven Abfälle
richtet sich nach internationalen Vorschriften.
Am Zwilag Würenlingen ist die BKW mit 10,7 Prozent
beteiligt. Alle anderen Schweizer Atomkraftwerkbetreiber sind ebenfalls
Teilhaber. Im 2001 eröffneten Komplex werden schwach- und
mittelradioaktive Abfälle verarbeitet. Hochaktive ausgediente
Brennelemente warten in einem Zwischenlager auf die Lösung der
Endlagerfrage oder auf eine Wiederaufbereitung. Laut Angaben der Zwilag
Würenlingen AG war diese Lagerhalle Ende 2009 zu 16 Prozent
belegt. Anders als in Gorleben ist in Würenlingen kein Endlager
geplant.
---
Schaffhauser Nachrichten 10.11.10
Widerstand gegen Endlager Südranden
Widerstandsstrategien gegen ein Atommüll-Endlager Südranden
bildeten das Thema der von der IG Lebensraum Klettgau
durchgeführten Infoveranstaltung. Auch eine Delegation des
erfolgreichen Widerstandes am Weiienberg war zugegen.
VON HANS-CASPAR RYSER
BERINGEN Während der vergangenen Tage prägten die gewaltlosen
Protestdemonstrationen in Deutschland gegen die Castor-Transporte von
Atombrennstäben die Schlagzeilen. Doch nun hat der
Atommülltransport den Bestimmungsort mit zweitägiger
Verspätung erreicht. Aller Protest umsonst?
Beharrlichkeit im Widerstand
Die beharrliche Verfolgung der von einer breiten Bevölkerung
getragenen Widerstandsstrategie könne sehr wohl die Einrichtung
eines Atommüll-Endlagers in einer Region verhindern. Das betonte
Paolo Fuchs vom Widerstand für den Wellenberg anlässlich der
Diskussionsveranstaltung der IG Lebensraum Klettgau zum
Anhörungsverfahren und Widerstand Atommüll-Endlager
Südranden. Und der muss es ja wissen.
Mit der Hartnäckigkeit der früheren Urkantone zur
Befreiung von fremden Vögten habe die Bevölkerung der Region
Wolfenschiessen/Engelberg so lange erbitterten Widerstand geleistet,
bis die Nagra den Endlagerstandort Wellenberg fallen liess, getreu der
Erkenntnis, dass ein Endlager dort gebaut wird, wo der Widerstand der
Bevölkerung am geringsten ist.
Richtige Strategie entscheidend
Wie Paolo Fuchs betonte, sei es mit einigen medienwirksamen
Demonstrationen nicht getan. Die Widerstandsbewegung Wellenberg
gründe auf einer wohldurchdachten Strategie, welche allen
politischen Widerständen zum Trotz durchgezogen worden sei. Im
Unterschied zum Kanton Schaffhausen, wo die Regierung sogar über
einen gesetzlichen Auftrag zur Verhinderung von Atommüll-Endlagern
verfüge, habe die damalige Nidwaldner Regierung aus
pekuniären Interessen der Nagra angeboten, im Kanton
Probebohrungen für ein Endlager durchzuführen. Und dieser
Verrat der Regierung habe dann die Bevölkerung zum Widerstand
wachgerüttelt und rechtzeitig geeint.
Sozioökonomische Auswirkungen
Die sozioökonomischen Auswirkungen seien für die fast
ausschliesslich vom Tourismus abhängige Region unbezifferbar
gewesen. Die im ganzen Tal an den Bergflanken angebrachten
Widerstandsparolen wie "Hütet Euch am Wellenberg" oder
"Atommühl im Wellenberg: nie" seien auch vom Tourismus mitgetragen
worden, zumal langjährige Feriengäste sogar den Grossteil der
finanziellen Mittel für den Widerstand aufgebracht hatten Das
Wellenberg-Widerstandsmodell sei nicht auf Schaffhausen
übertragbar Doch empfahl Fuchs den Schaifhau senil, unbedingt den
Rheinfall als Scharnier zwische4 den Atommüll-Endlagern Benken und
Südranden klug in den Widerstand einzubringen.
Startmoderator vom Südranden
Etwas nüchterner zu und her ging es dann bei der von Othmar
Schwank präsentierten Funktion als sogenannter Startmoderator im
Rahmen des vom Bundesamt für Energie vorgegebenen
Partizipationsverfahrens bei der Standortevaluation für ein
Endlager Beim nach wie vor reichlich undurchsichtigen Sachplanverfahren
kritisierte er insbesondere den viel zu engen Zeitrahmen und die
fehlende Möglichkeit für die Bevölkerung, bei
sicherheitsrelevanten Fragen mitzureden. Während der Opalinuston
als Lagergestein wissenschaftlich unbestritten sei, zeitige das
vorgängige Handling des Atommülls noch viel zu viele
Unsicherheiten. Schwank plädierte deshalb vehement für eine
Zwischenlagerung von Atommüll in bestehenden Stollen.
Diese Argumentation wurde denn auch von Daniel Leu,
Fachbereichsleiter Tiefenlager radioaktive Abfälle des
interkantonalen Labors, unterstützt. Dabei sprach er sich
ebenfalls klar für eine gewährleistete Rückholbarkeit
von Atomabfällen aus. Leu unterstützte auch die von Schwank
geforderte Einführung alternativer Energien zur Eindämmung
des nach wie vor anfallenden Atommülls. Diese Vorgehensweise wurde
dann auch in der anschliessenden Diskussion klar unterstützt.
---
Thurgauer Zeitung 10.11.10
Bedenken zum Endlager: Anhörung läuft noch
Barbara Hettich
Bis Ende November läuft noch die öffentliche
Anhörung zur 1. Etappe des Standortauswahlverfahrens für die
Lagerung radioaktiver Abfälle. Die Gemeinde Schlatt werde ihre
Bedenken anmelden, sagt Gemeindeammann Kurt Engel.
SchlatT - Die Unterlagen wiegen mehrere Kilos und wer sich
intensiv mit der 1. Etappe des Standortauswahlverfahrens eines
geologischen Tiefenlagers auseinandersetzen will, sollte dafür
mehrere Tage einrechnen. Allein der technische Bericht der Nagra
(Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver
Abfälle), die im Auftrag des Bundes Standorte untersucht hat und
abschliessend sechs mögliche Standorte vorschlägt, ist
über 400 Seiten stark. Dazu kommen folgende Gutachten und
Stellungnahmen:
• Sicherheitstechnisches Gutachten des Eidgenössischen
Nuklearsicherheitsinspektorats Ensi (192 Seiten)
• Stellungnahme zur Sicherheit und bautechnischen Machbarkeit von
der Kommission Nukleare Entsorgung KNE (103 Seiten)
• Beurteilung der Sammelprofile und der hergeleiteten
Wirtgesteine von Swisstopo (46 Seiten)
• Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission für
nukleare Sicherheit KNS zum Gutachten des Ensi (50 Seiten)
• Zwei Berichte des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE zu
den Entwürfen der Planungsperimeter (54 Seiten) und zur
raumplanerischen Beurteilungsmethodik für den Standortvergleich
(112 Seiten)
• Stellungnahme zur 1. Etappe vom Ausschuss der Kantone (60
Seiten)
• Zwei Berichte vom Bundesamt für Energie BfE,
Ergebnisbericht (23 Seiten) und Erläuterungsbericht (27 Seiten)
Die Unterlagen liegen in der Staatskanzlei in Frauenfeld und auch
auf der Gemeindeverwaltung Schlatt öffentlich auf. In Schlatt,
weil die Gemeinde durch den Standort "Zürcher Weinland" am Rande
direkt betroffen wäre.
Ist der Laie mit einer solchen Flut von Informationen
überfordert? Ja, sagt Gemeindeammann Kurt Engel. Das
Standortauswahlverfahren sei ein sehr komplexes Verfahren und der Bund
habe bislang sehr offen kommuniziert. Dazu gehöre eben auch, dass
sämtliche Unterlagen öffentlich aufgelegt werden. Man wolle
sich nicht dem Vorwurf aussetzen, es werde etwas verschwiegen. Zudem
gebe es Fachleute, die es schätzen, wenn umfassend dokumentiert
werde.
Jeder kann schreiben
Von der Komplexität der Unterlagen sollten sich die
Bürger aber nicht einschüchtern oder entmutigen lassen, sagt
Kurt Engel: "Jeder Verein, jede Privatperson kann dem Bundesamt
schreiben, welche möglichen Folgen ein Endlager für sie
hätte." Auch die Gemeinde Schlatt werde ihre Bedenken einbringen,
sagt der Gemeindeammann. Bislang sei das Standortauswahlverfahren fair
verlaufen. Man werde weiter darauf achten, dass die radioaktiven
Abfälle dort gelagert werden, wo sie auch am sichersten sind,
politisches Kalkül dürfe keine Rolle spielen.
Diesbezüglich könne er die Proteste in Deutschland gut
nachvollziehen. Denn mittlerweile sei erwiesen, dass sich Opalinuston
als Wirtgestein besser eigne als der Salzstock in Gorleben. "Ich habe
lieber ein sicheres Endlager vor der Haustür, als ein unsicheres
nur wenige Hundert Kilometer entfernt", so Engel.
BARBARA HETTICH
Stellungnahmen
Bis 30. November an Bundesamt für Energie, Herr Omar El
Mohib, 3003 Bern.
---
St. Galler Tagblatt 10.11.10
"Es gibt viele falsche Überzeugungen"
Die Stadt St. Gallen stimmt über den Atomausstieg ab, in
Deutschland hingegen werden AKW-Laufzeiten verlängert. Der
HSG-Energieexperte Rolf Wüstenhagen erklärt, wie realistisch
ein Atomausstieg ist - und was er mit einem Orientierungslauf zu tun
hat.
Herr Wüstenhagen, Basel und Zürich wollen
zukünftig auf Atomstrom verzichten, Bern und St. Gallen stimmen
über einen Ausstieg ab. Eine Entwicklung, die Sie freut?
Rolf Wüstenhagen: Was mich vor allem freut: Das Thema
erneuerbare Energien ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dies
zeigen Umfragen bei Energiekonsumenten, dies zeigt aber auch die
Zustimmung des St. Galler Stadtparlaments zum Gegenvorschlag zur
Atomstrom-Initiative.
Atomstrom hat aber auch Vorteile: Er ist der sichere Wert im
Strommix vieler Städte und er ist CO2-neutral. Ist ein Ausstieg
überhaupt nötig?
Wüstenhagen: Den Vorteilen stehen Risiken gegenüber.
Die Investitionskosten für neue Kraftwerke sind sehr hoch, das
Risiko des Unfalls ist da, mit der Endlagerung muten wir zudem
kommenden Generationen einiges zu. Dazu kommt die Gefahr von Missbrauch
der Kernenergie. In der internationalen Diskussion wird es immer
schwieriger, gewissen Ländern wie Iran aus politischen
Gründen Kernkraft zu verbieten. Das birgt grosse Gefahren.
Müssen wir sofort aussteigen? Wir können auch warten,
bis die Uranvorkommen in 40 bis 60 Jahren ohnehin zur Neige gehen.
Wüstenhagen: Es geht ja bei der Abstimmung nicht um den
sofortigen Ausstieg, sondern um die Beteiligung an neuen Kraftwerken.
Warum heute in etwas investieren, wofür es absehbar bessere
Lösungen gibt? Solar- und Windenergie erstarken so rasant, dass
sie bald wettbewerbsfähig sein werden. Die Windenergie-Erzeugung
wächst mit 30 Prozent jährlich, dies seit 20 Jahren.
Ähnlich ist die Situation bei der Solarenergie: Das
Elektrizitätswerk Zürich zahlte für die Kilowattstunde
Solarstrom vor eineinhalb Jahren noch 60 Rappen, heute bekommt es
wesentlich günstigere Angebote. Die St. Galler Stadtwerke hingegen
verrechnen mir die Kilowattstunde immer noch für einen Franken.
Wenn sich dies ändert, muss man den Leuten die Atomkraftwerke
nicht mehr verbieten.
Sie setzen also auf eine automatische Ablösung des
Atomstroms durch wettbewerbsfähige erneuerbare Energien und sind
gegen einen "erzwungenen" sofortigen Atomausstieg, wie ihn die
Initiative in St. Gallen verlangt?
Wüstenhagen: Dass in der Initiative die Grundsatzfrage
gestellt wird, ob die Beschaffungspolitik der Stadt mit der
Geschwindigkeit des Wandels im Energiemarkt Schritt hält, finde
ich nachvollziehbar. Die Frage ist hier: Braucht's einen "Schubs" oder
läuft der Umstieg von selbst? Die Innovationsforschung spricht von
einer "Pfadabhängigkeit": Wenn ein Unternehmen auf einem bequemen
Weg unterwegs ist, kann ein Impuls Sinn machen, um es davon
abzubringen. Ich mache Orientierungslauf: Auch hier macht sich dieses
Phänomen bemerkbar. Liegt ein Posten auf einer Anhöhe abseits
des Wegs, braucht es einen bewussten Impuls, dass man nicht dem
bequemen, breiten Weg folgt und das Ziel aus den Augen verliert.
Die Initiative wäre also ein "Schubs" in die richtige
Richtung?
Wüstenhagen: Befindet sich ein Unternehmen in einer
Pfadabhängigkeit, kann es hilfreich sein, wenn jemand Leitplanken
gibt. Ein gutes Beispiel ist Zürich: Das politisch formulierte
Ziel in der Stadt, sich in Richtung 2000-Watt-Gesellschaft zu bewegen
und auf Atomstrom zu verzichten, hat eine grosse Dynamik
ausgelöst. Zürich tätigte in kurzer Zeit Investitionen
in deutsche Windparks, die schon jetzt so viel Strom produzieren, wie
49 000 Haushalte verbrauchen.
Der Gegenvorschlag des St. Galler Stadtparlaments gibt als Ziel
den Ausstieg per 2050 vor. Ebenfalls ein gangbarer Weg?
Wüstenhagen: Es ist ein Abwägen: Welchen
Ausstiegsmoment zwischen heute und 2050 hält man für richtig?
Wenn eine Stadt aber weiss, wohin sie will: Warum geht sie auf Umwegen
zum Ziel? Nehmen wir die Geothermie als gutes Beispiel: Zunächst
wollte die Stadt Wärme mit einem Gaskraftwerk gewinnen, dieses
dann später mit Geothermie ersetzen. Dann hat man sich gefragt:
"Warum überhaupt dieser Umweg?" und hat direkt das
Geothermie-Projekt aufgegleist. Es gibt einen Kontrast zwischen dieser
mutigen Herangehensweise im Wärmebereich und derjenigen im
Strombereich.
Aber der Strom würde wohl teurer, wenn die Stadt auf
Atomstrom verzichtet.
Wüstenhagen: In diesem Argument stecken Annahmen. Fährt
die Stadt wirklich günstiger, wenn sie lange auf einen
Atomstrom-Ausstieg wartet? Sie kommt zwar in den nächsten Jahren
in den Genuss der heutigen Konditionen. Je früher sie sich aber um
Beteiligungen an erneuerbarer Energien bemüht, desto grösser
ist die Chance, dass sie gute Verträge abschliessen kann. Je mehr
Städte nachziehen, desto knapper werden die Angebote. Der ideale
Ausstiegszeitpunkt muss vor diesem Hintergrund abgewägt werden.
Er könnte im Jahr 2050 liegen…
Wüstenhagen: …oder auch wesentlich früher. Es wird sich
schon in einigen Jahren die Frage stellen, was man mit auslaufenden
AKW-Verträgen macht. Wenn man sich wieder an einem AKW beteiligt
und dies wieder mit dieser langen Perspektive macht, dann wird man 2048
wieder am gleichen Punkt wie heute stehen.
Nun behaupten aber Gegner, dass ein Atomausstieg einer kleinen
Stadt wie St. Gallen nicht viel bewirkt. Die Signalwirkung sei klein,
zudem würden dann ganz einfach andere Gemeinden den Atomstrom
beziehen.
Wüstenhagen: Im Strommarkt spielt Angebot und Nachfrage wie
in anderen Bereichen. Immer mehr Kunden wollen erneuerbare Energien.
Die Frage für eine Stadt muss sein: Wo kriege ich in Zukunft Strom
her, der preiswert und umweltverträglich ist? Eine Stadt muss es
nicht kümmern, wie der Atomkraftwerk-Betreiber seinen Strom los
wird.
Sie haben die schnelle Entwicklung bei der Solarenergie
angesprochen. Solarstrom kann aber - zum Beispiel im Winter und bei
Dunkelheit - die entscheidende Grundlast nicht tragen.
Wüstenhagen: Das ist richtig, aber wenn man den Mix
verschiedener erneuerbarer Energien anschaut, sieht es anders aus.
Wind- und Sonnenenergie ergänzen sich gut. Biomasse und Geothermie
produzieren rund um die Uhr Strom. Und die Schweizer Wasserkraft kann
die verbleibenden Schwankungen ausgleichen. Wichtig ist es, das
Strom-Portfolio einer Stadt langfristig auf den Strommix der Zukunft
auszurichten.
Windenergie hat einen grossen Nachteil: Windturbinen sind nicht
sehr schön anzusehen. In der Schweiz ist zudem der Platz knapp.
Wüstenhagen: Bei der Ästhetik von Windturbinen gehen
die Meinungen auseinander, das stimmt. Aber es gibt in der Schweiz gute
Windenergie-Projekte, eines zum Beispiel im Wallis in Collonges, ein
anderes im Jura. Auch auf dem Gotthard ist einiges geplant. Für
die Schweiz sehe ich aber auch grosse Chancen bei der Solarenergie: In
den Alpen ist die Sonneneinstrahlung stark. In St. Antönien gibt
es zum Beispiel ein interessantes Pionierprojekt: Lawinenverbauungen
werden mit Solarmodulen versehen. Der Weg führt in der Schweiz
zudem über Geothermie und Häuser, die mehr Energie liefern
als sie brauchen. Diese "Plusenergiehäuser" gibt es schon heute.
Es spricht vieles dafür, Solarenergie "vor Ort" zu produzieren.
Nicht alle sind so optimistisch wie Sie. Ein schneller
Atomausstieg ist für viele eine Träumerei.
Wüstenhagen: Es gibt in der Energiebranche viele langgehegte
Grundüberzeugungen, die sich in der Vergangenheit bewährt
haben. Seit einigen Jahren ist aber ein enormer Wandel im Gang. Wenn
man's vertiefter anschaut, tun sich sehr viele Möglichkeiten auf.
Positiv ist, dass es immer einfacher wird, Fortschritte zu sehen. Im
Zug spiele ich oft ein Spiel mit meiner Tochter. Was sieht man beim
Vorbeifahren mehr: Rote Autos oder Solardächer? Das
Verhältnis bewegt sich immer mehr zugunsten der Sonnenenergie.
Zwischen Friedrichshafen und Ulm hält es sich schon heute die
Waage, auf dem Weg von St. Gallen nach Zürich noch nicht. Auch das
kann sich schnell ändern.
Ralf Streule
--
Person
Rolf Wüstenhagen
Der Professor für Management erneuerbarer Energien ist einer
der Direktoren des Instituts für Wirtschaft und Ökologie an
der HSG. Seine Forschung widmet sich dem Entscheidungsverhalten von
Energie-Investoren und -Konsumenten im Zusammenspiel von Markt und
Politik. Er war von 2004 bis 2010 Mitglied der Eidgenössischen
Energieforschungskommission und vertritt die Schweiz im Leitautorenteam
des Weltklimarats für einen Sonderbericht über die Rolle
erneuerbarer Energien für den Klimaschutz. Er hat an
Universitäten in Kopenhagen, Vancouver, Lissabon und Helsinki
doziert.
--
"Wird originelle Aktionen geben"
Der Abstimmungskampf um die Atomstrom-Initiative ist lanciert,
aber dennoch nicht richtig aus den Startlöchern gekommen. Die
Komitees haben aber noch "geheime" Trümpfe in den Ärmeln.
In zweieinhalb Wochen stimmen St. Gallerinnen und St. Galler
über die Initiative "Stadt ohne Atomstrom" ab. Bei einem Ja wird
die Stadt beauftragt, aus laufenden Atomstrom-Verträgen
auszusteigen, bei einem Nein sind Verlängerungen von
AKW-Verträgen bis auf weiteres möglich. Und bei der Annahme
des Gegenvorschlags des Stadtparlaments wird sich die Stadt zum Ziel
nehmen, bis 2050 atomstromfrei zu sein - bei dieser Ausgangslage und
einer derart von Ideologien triefenden Grundsatzdebatte müsste der
Abstimmungskampf eigentlich toben.
Kaum öffentliche Diskussionen
Tut er aber nicht. Im Vergleich zur heissumkämpften
Städte-Initiative von Anfang Jahr scheinen die Komitees dieses Mal
um einiges kleinere Brötchen zu backen. Ein Indiz sind die
spärlichen Leserbriefe, ein weiteres die wenigen öffentlichen
Diskussionsveranstaltungen zur Abstimmung in der Stadt. Im Stadtbild
sind seit vergangener Woche immerhin die Plakate des Nein-Komitees zu
sehen.
Dass bis jetzt weniger Feuer im Abstimmungskampf ist, hat laut
SP-Co-Präsident und Ja-Komitee-Mitglied Felix Birchler mit der
Konstellation der Lager zu tun. "Zuerst musste man sich finden", sagt
er. Lange sei unklar gewesen, wer dem Nein-Komitee angehöre und
wie argumentiert werde. Zudem habe sich bei der Städte-Initiative
stark ausgewirkt, dass sich die nationale "Umverkehr"-Organisation
finanziell am Abstimmungskampf beteiligt habe. Doch auch diesmal sei
vom Ja-Komitee noch mit Plakaten zu rechnen. Zudem werde es noch
Strassenaktionen geben. Wie genau diese aussehen wird, könne er
noch nicht sagen, aber "sicher etwas Originelles".
Nein-Komitee ist auch bereit
FDP-Stadtparlamentarier Roger Dornier, Mitglied des
Nein-Komitees, führt den bisher ruhigen Abstimmungskampf ebenfalls
auf die späte Formierung der Abstimmungslager zurück. Auch er
verspricht noch Aktionen auf der Strasse. Doch auch hier heisst es:
Genauere Infos folgen. (rst)
---
Bund 9.11.10
Leben und Sterben mit der Schweiz
Jenseits der Grenze, im deutschen Jestetten, formiert sich der
Widerstand gegen das nur wenige Kilometer entfernte "Atommülllager
Zürich", im unmittelbar betroffenen Zürcher Weinland hingegen
ist es ruhig.
René Donzé
Das Plakat hängt im deutschen Altenburg, zwei Autominuten
von der Zürcher Gemeinde Rheinau entfernt. "Atommüll-Endlager
am Rheinfall?", steht in fetten schwarzen Lettern auf giftig gelbem
Grund. Im Oktober hingen noch mehr solcher Transparente entlang der
deutschen Strassen im grenznahen Raum. In der Zwischenzeit sind viele
entfernt worden. Vorübergehend. "Das Gesetz erlaubt uns solche
Plakate nur im Zusammenhang mit Veranstaltungen", sagt Markus
Weissenberger, Vorsitzender der Grünen von Jestetten/Altenburg,
der grenznahen Gemeinde mit 5000 Einwohnern. "Aber wir suchen nach
Lösungen, um unseren Protest besser sichtbar zu machen."
Die Opposition ist in Jestetten nicht bloss visuell
präsenter als im Kanton Zürich, auch die Wortwahl ist
schärfer. Weissenberger spricht nicht von einem Tiefenlager im
Weinland oder im Randen oder bei den Lägern (vgl. Grafik und
Kasten). Er spricht vom "Atommülllager Zürich". Und er sagt:
"Ich hoffe, es wird den Zürchern bewusst, dass sie sich ein
Problem einhandeln, wenn bei ihnen eine solche Anlage gebaut wird."
"Mir ghöret doch zäme"
Auch seine Heimat wäre betroffen, wenn die Nagra
tatsächlich ein paar Kilometer weiter südlich Atommüll
im Boden vergraben würde, sagt Weissenberg: Die Wirtschaft geriete
ins Stocken, der Tourismus würde leiden. Ein Unfall so nahe am
Rhein - der Wasserschlagader Europas - hätte ungeheure
Auswirkungen. "Wir leben und sterben mit der Schweiz", sagt der
Familienvater, der seit Geburt in Jestetten lebt und als Mechatroniker
in Winterthur arbeitet: "Mir ghöret doch zäme."
Die Deutschen sorgen sich mehr als die Schweizer und machen ihren
Sorgen lautstark Luft. Vor zwei Jahren, als in Benken eine grosse
Demonstration stattfand, waren sie in der Überzahl. Sogar aus dem
niedersächsischen Gorleben - dem Mekka der deutschen
Anti-Atombewegung - fuhren Busse vor. Unlängst demonstrierten 400
Personen vor der Jestetter Gemeindehalle, als dort das Schweizer
Bundesamt für Energie (BFE) eine Informationsveranstaltung
durchführte. Die Fragen am Schluss der Veranstaltung wollten kein
Ende nehmen. Und jetzt formiert sich die überparteiliche Jestetter
Bürgerinitiative Hochrhein Aktiv.
"Die Planung ruft Ängste in der Bevölkerung hervor",
sagt Ira Sattler, die Bürgermeisterin von Jestetten. Die
parteilose Frau spricht leise und wählt ihre Worte mit Bedacht.
Als Profipolitikerin sitzt sie einem 18-köpfigen, mehrheitlich
bürgerlichen Gemeinderat vor, der Position gegen das Endlager
bezieht. Jestetten wird von drei möglichen Standorten in die Zange
genommen. "Das Atommüll-Tiefenlager ist gar keine richtige
Entsorgung, sondern eine Deponie", sagt sie. "Das Wort Entsorgung
vermittelt den Eindruck, das Problem sei gelöst, doch das ist
nicht der Fall." Natürlich müsse eine Lösung für
den radioaktiven Abfall gefunden werden. Aber Sattler argwöhnt,
dass es der Schweiz pressiere, "um wieder neue Atomkraftwerke bauen zu
dürfen".
Sie kritisiert, dass das "ob und wie" der Entsorgung bereits
feststeht und die Mitwirkung der betroffenen Regionen einzig die
Oberflächenanlagen betrifft. Das Standortauswahlverfahren sei
bloss ein "Feigenblattverfahren", dessen Ergebnis eigentlich schon
feststehe. "Die Sache wurde falsch aufgezäumt." Zuerst wurde in
Benken gebohrt, dann der dortige Untergrund für geeignet befunden
und mit dem Entsorgungsnachweis genehmigt. Erst danach wurden mit dem
Sachplanverfahren noch andere Standorte ins Spiel gebracht: "Es
müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht am Schluss
Zürich Nordost als beste Lösung bezeichnet würde."
Zürich Nordost ist vor allem Benken im Weinland. Von
Jestetten aus sind das zehn Kilometer. Die Fahrt im Auto geht über
eine gedeckte Holzbrücke, durch das pittoreske Rheinau, wo eine
Schweizer Fahne deutlich macht, in wessen Landen man sich nun bewegt.
Die Strasse führt vorbei an der Stelle, wo die Nagra 1995
Probebohrungen durchgeführt hat. Zeichen des Protestes sind nicht
zu sehen. "Das Tiefenlager war in der Bevölkerung noch gar nie
richtig ein Thema", sagt Verena Strasser (SVP), Präsidentin der
770-Seelen-Gemeinde Benken. An der Veranstaltung des Bundesamts
für Energie in Trüllikon habe sie kaum Mitbürger
gesehen, und auch an der Demo 2008 hätten nur wenige teilgenommen.
Warum? "Vielleicht, weil wir es gut gemacht haben mit der
Information", sagt Strasser. Sie ist auch Präsidentin des Forums
Opalinus, das die Gemeinden Benken, Marthalen und Trüllikon 2002
gegründet haben. "Wir pflegen ein neutrales Verhältnis zur
Endlager-Frage", sagt sie. Es gehe um Information, nicht um Opposition.
Laut einer von der Nagra finanzierten Studie hätten 2005 knapp
zwei Drittel der Weinländer ein Endlager in der Region akzeptiert,
wenn auch viele mit "ungutem Gefühl". Angst hatten die Leute
primär vor einer Polarisierung wie in Gorleben. In den deutschen
Nachbarorten war die Ablehnung grösser (vgl. Grafik).
Verena Strasser sagt, die Schweiz habe nun einmal den
radioaktiven Abfall produziert und müsse jetzt dafür eine
Lösung finden. Ein nach heutigem Wissen sicheres Lager unter dem
Boden sei ihr lieber, als wenn das Problem exportiert werde. "Wir
schauen dem Zeugs besser selber", sagt die Hausfrau und Bäuerin.
In einem Punkt ist sich die Benkemer Gemeindepräsidentin aber mit
ihrer Jestetter Amtskollegin einig: Man hätte von allem Anfang an
verschiedene Standorte evaluieren müssen "und sich nicht auf
Benken einschiessen dürfen".
Ohne Vorschlaghammer
Wer die Weinländer Endlager-Gegner sucht, wird bei den
Behörden kaum fündig. Er landet im Ärztezentrum
Marthalen, bei Jean-Jacques Fasnacht, Co-Präsident von Klar
Schweiz. "Die Opposition lebt sehr wohl", diagnostiziert er. "Aber wir
schlagen nicht mit dem Vorschlaghammer drein." Seit 16 Jahren schon
leistet Klar Schweiz Widerstand gegen die Nagra-Pläne. Im
Weinland, wo zwei Drittel der Stimmberechtigten bürgerlich und vor
allem SVP wählen, hätten Linke und Grüne aber einen
schweren Stand, sagt Fasnacht. "Eine Fundamentalopposition wäre
kontraproduktiv."
Als Kampftruppe sorgen im Weinland ein paar junge Aktivisten des
Strahlenbundes für Farbtupfer - etwa wenn sie illegal
Vogelscheuchen und Kreuze entlang der A4 aufstellen. Klar Schweiz
jedoch marschiert durch die Instanzen. Fasnacht will, dass am Ende in
jeder Gemeinde die Bevölkerung sagen darf, wie sie zum Endlager
steht. Er nennt das Kantonsparlament von Schaffhausen als Vorbild, das
unlängst die Opposition gegen ein Endlager in der Nachbarschaft im
Gesetz verankert hat. "Im Weinland wäre ein solches Plebiszit vor
zehn Jahren noch negativ ausgefallen", sagt er. Jetzt aber steige die
Skepsis mit zunehmender Information. "Die Opposition wird sich auch bei
uns verdichten", sagt Fasnacht. Die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit werde gepflegt, er brauche aber keine Nachhilfe von
deutscher Seite: "Wir sind demonstrationstechnisch auf der Höhe.
Und wir werden unsere Sache auch knallhart durchziehen."
Weitere Berichte Seite 5
--
Sechs mögliche Standorte
Der Bundesrat muss entscheiden
Die deutsche Gemeinde Jestetten sieht sich gleich von drei
möglichen Standorten für ein Atomendlager in der Schweiz
umgeben. Am längsten im Gespräch ist das Gebiet "Zürich
Nordost" im Zürcher Weinland, das seit dem Entsorgungsnachweis
2002 als geeignet gilt. Ebenfalls infrage käme aus Sicht der Nagra
auch "Nördlich Lägern" im Zürcher Unterland. In diesen
zwei Gegenden könnte ein Endlager für hoch radioaktive
Abfälle (HAA), aber auch für schwach- und mittelaktive
Abfälle (SMA) gebaut werden. Im Südranden im Kanton
Schaffhausen wäre ein SMA-Lager denkbar. Als weitere Standorte in
der Schweiz gelten der Bözberg (AG), der Wellenberg (NW, OW) und
der Jura-Südfuss (SO, AG).
Derzeit läuft ein Anhörungsverfahren bei Behörden
und Verbänden, zu dem auch die betroffenen deutschen Gemeinden
eingeladen sind. Voraussichtlich Mitte 2011 wird der Bundesrat
entscheiden, welche Standortgebiete im Auswahlverfahren bleiben. Bis
2014 sollen mindestens zwei Standorte pro Lagertyp festgelegt werden,
die dann bis 2019 vertieft untersucht werden. Erst danach kann die
Nagra das Rahmenbewilligungsgesuch einreichen. (rd)
--
"Wir dürfen den Nachkommen nicht ungelöste Probleme
hinterlassen"
BDP-Stadträtin Sonja Bietenhard erklärt, warum ihre
Partei den Atomausstieg der Stadt Bern bis 2039 unterstützt, einen
schnelleren Ausstieg gemäss der Initiative "Energiewende Bern"
aber ablehnt.
Interview: Simon Thönen
Bei den zwei Energievorlagen werben die meisten Stadtparteien
für ein doppeltes Ja oder ein doppeltes Nein. Die BDP sagt Nein
zur Energiewende-Initiative und Ja zum Gegenvorschlag - weshalb?
Wir unterstützen das Anliegen von "Energiewende Bern": dass
das stadteigene Werk EWB nur noch in erneuerbaren Strom investiert und
die AKW- Beteiligungen aufgibt. Wir finden es aber abenteuerlich, dies
bereits bis 2030 zu tun, wie es die Initiative fordert. Der
Gegenvorschlag sieht eine Frist bis 2039 vor. Die zusätzlichen
neun Jahre ermöglichen es, die Beteiligung von EWB am
Kernkraftwerk Gösgen auszuschöpfen. Ein schnellerer Ausstieg
würde uns 350 Millionen Franken kosten - dieses Geld würden
wir lieber in erneuerbare Energien investieren.
Dies ist die Position des Gemeinderats und des
CVP-Energiedirektors Reto Nause. Dennoch sind BDP und CVP nun die
einzigen bürgerlichen Parteien, die den Atomausstieg bis 2039
unterstützen.
Da müssen wir präzisieren: Wir unterstützen den
Atomausstieg bis 2039 für die Stromversorgung der Stadt Bern. Dies
ist noch keine grundsätzliche Position zur Kernenergie. Wir sind
dafür, dass die bestehenden Kernkraftwerke weiter genutzt werden.
Wir sehen aber auch die Probleme. So ist die Endlagerung von atomaren
Brennstäben nach wie vor ungelöst. Wir dürfen in Bern
nicht die Hände in den Schoss legen, sondern müssen ein
Zeichen setzen: EWB soll in erneuerbare Energien investieren. Die
nationale Energiestrategie ist ein anderes Thema, zu dem wir uns noch
nicht geäussert haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die BDP
Stadt Bern ein neues AKW Mühleberg unterstützt.
Würde der Atomausstieg der Stadt Bern denn noch Sinn machen,
falls vor den Toren der Stadt ein neues AKW in Mühleberg gebaut
wird?
Es ist durchaus möglich, dass ein kleinerer Stromversorger
wie EWB eine Strategie verfolgt, die für sein Versorgungsgebiet
gut ist. Auf nationaler Ebene reden wir von einer Versorgung in viel
grösseren Dimensionen. Entscheidend wird sein, dass wir eine
sichere Stromversorgung haben.
Viele Stadtberner dürfte die Frage, ob sie erneut ein AKW in
der Nachbarschaft haben, stärker beschäftigen als die
EWB-Strategie.
Die Ausstiegsstrategie von EWB ist sehr konkret, es geht um
Investitionen, die nun getätigt werden sollen. Darüber
entscheiden wir jetzt. Ob in Mühleberg wirklich ein neues
Kernkraftwerk gebaut wird und ob die Endlagerung gelöst werden
kann - diese Fragen werden uns bestimmt noch länger als ein
Jahrzehnt beschäftigen. Es könnte ja auch sein, dass das
Schweizervolk dereinst neue Kernkraftwerke ablehnt - dann hätten
wir gar nichts. Dann würden wir in der Stadt Bern in zehn oder
fünfzehn Jahren mit derselben Strategie beginnen, die wir heute
schon starten können. Es geht auch um Verantwortung: Wir
müssen der nachfolgenden Generation mehr hinterlassen als
ungelöste Versorgungsfragen und Endlagerprobleme.
Im Abstimmungskampf war die differenzierte Position der
BDP-Stadtpartei bisher nicht sichtbar - dafür kämpft
BDP-Grossrat Mathias Tromp für ein doppeltes Nein.
Letzte Woche haben wir mit der CVP unser "Mitte-Komitee 2039"
vorgestellt, am Donnerstag findet die Pressekonferenz dazu statt. Was
die BDP-internen Differenzen und die unterschiedlichen Meinungen
angeht: Wir sind eine liberale Partei und schreiben niemandem seine
Meinung vor.
Auf kantonaler Ebene ist die BDP pronuklear und via
BKW-Verwaltungsratspräsident und BDP-Präsident Urs Gasche eng
liiert mit der BKW. Wurde die Stadtpartei von dieser Seite unter Druck
gesetzt?
Was heisst Druck? Es gibt Leute innerhalb der Partei, die uns
überzeugen wollen. Aber Druck anders als mit Argumenten, mit
Fragezeichen oder mit hochgezogenen Augenbrauen verspüren wir
nicht. Das muss man fairerweise sagen - und Druck anderer Art
würde ich auch nicht akzeptieren.
--
Regierung verlangt von BKW Mässigung
Der Regierungsrat will den Energiekonzern BKW verpflichten, sich
künftig bei Abstimmungen zurückzuhalten. Er ist bereit, eine
entsprechende Motion von Nadine Masshardt (SP, Bern) anzunehmen. Der
Regierungsrat solle sich dafür einsetzen, dass die BKW ihre
finanziellen Beteiligungen in Abstimmungskampagnen und -komitees beende
oder zumindest offenlege, forderte Masshardt. Schliesslich dürfe
es nicht sein, dass Stromkonsumenten zum Beispiel AKW-Propaganda mit
dem Begleichen ihrer Stromrechnung unterstützen müssten,
schrieb Masshardt mit Blick auf die Abstimmung über den Ersatz des
AKW Mühleberg am 13. Februar 2011.
Unternehmen wie die BKW, die mehrheitlich in öffentlichem
Besitz seien, sollten vor Abstimmungen grundsätzlich keine
Informations- und Kommunikationsmassnahmen finanzieren, schreibt der
Regierungsrat. Zulässig sei hingegen eine eigene Information, wenn
sie sachlich und verhältnismässig sei. Im Fall von
Mühleberg habe der Regierungsrat dem BKW-Verwaltungsrat bereits im
April mitgeteilt, das er eine Einmischung in die anstehende kantonale
Volksabstimmung ablehne.
BKW-Sprecher Antonio Sommavilla sagte auf Anfrage, es gebe zur
Mühleberg-Abstimmung keine aussergewöhnliche Finanzierung.
Man wolle den eigenen Standpunkt via die existierenden
Informationskanäle wie Kundeninformationen, die Firmen-Website und
Medienmitteilungen einbringen. Die BKW richte ihre Information
grundsätzlich nach den geltenden Informationsgesetzen und der
Bundesgerichtspraxis. "Wenn jemand verfälschte Infos abgibt,
werden wir reagieren. Wir haben das Recht, unseren Standpunkt
darzulegen", fügte Sommavilla hinzu. Die BKW unterstütze aber
keine Partei und keine Organisation finanziell. (sda)
---
20 Minuten 9.11.10
Stromkonzerne im AKW-Streit
BERN. Die BKW mischt sich mit einem Kampagnenbudget von 500 000
Franken in den Abstimmungskampf um das AKW Mühleberg ein. Diese
Propaganda auf Kosten der Stromkonsumenten müsse unterbunden
werden, fordert die SP per Vorstoss. Der Regierungsrat stimmt zu und
setzt sich im BKW-VR ein, dass der Konzern nicht länger
Volksentscheide beeinflusst. Ungerührt rührt EWB-CEO Daniel
Schafer die Werbetrommel. Mit Gemeinderat Reto Nause plädiert er
in einer Videobotschaft für den Atomausstieg.
http://www.ewb.ch/atomausstieg2039
---
nzz.ch 9.11.10
Geheime Atommülltransporte durch die Schweiz
Behörden verschweigen Zeitpunkt und Route von Fahrten bewusst
Während in Deutschland praktisch jeder Castor-Transport von
Massenprotesten begleitet wird, kommt es in der Schweiz kaum je zu
Demonstrationen oder Blockaden von Atommüll-Transporten. Warum das
so ist, hat einen einfachen Grund.
Andrea Hohendahl
Atomproteste, wie sie in Deutschland seit Jahren immer wieder
vorkommen, gibt es in der Schweiz nicht. Dies hat einen einfachen
Grund: Die Route und der Zeitpunkt dieser Fahrten bleiben geheim. In
Deutschland erfährt jedoch die Öffentlichkeit den
voraussichtlichen Termin und die Route der Strahlentransporte.
Genehmigung einsehbar
"Das sind Erfahrungswerte", sagt ein Aktivist. Dass dem so ist,
bestätigt Anja Schulte-Lutz vom deutschen Bundesamt für
Strahlenschutz: "Wir erteilen eine Transportgenehmigung für
hochradioaktive Abfälle." Diese kommt laut Schulte-Lutz ins
Internet. Die Protestgruppen wissen aus Erfahrung, dass die
Castor-Transporte jeweils im Herbst stattfinden. "Wir tun dies der
Transparenz wegen", sagt die Sprecherin vom Bundesamt für
Strahlenschutz. Eine Verpflichtung bestehe nicht.
Theoretisch wäre es auch in der Schweiz möglich, an die
Daten der Atommüll-Transporte zu gelangen. Doch: "Dies ist
für uns kein Schauplatz", sagt die Sprecherin von Greenpeace
Schweiz, Franziska Rosenmund auf Anfrage. Anders als in Deutschland
stünden der Schweiz demoratische Mittel zur Verfügung, um
sich gegen Atomkraftwerke einzusetzen.
Bei der Grünen Partei tönt es ähnlich. Der Fokus
der politischen Protestbewegung in der Schweiz liegt auf dem Endlager
für atomare Abfälle, sagt Miriam Behrens,
Medienverantwortliche der Grünen Partei.
Über Geheimhaltung erstaunt
Daher erstaunt es auch nicht weiter, wenn das Bundesamt für
Energie gegenüber der Sendung "10 vor 10" mitteilt, die
Öffentlichkeit werde bewusst nicht über die Transporte mit
atomaren Abfällen informiert. Laut der Sprecherin des Bundesamts,
Marianne Zünd sind seit 2009 bereits zwei Transporte von La Hague
in Frankreich nach Würenlingen ins Zwischenlager gelangt. Proteste
und Kundgebungen fanden keine statt.
Dennoch ist Grünen-Sprecherin Behrens überrascht, dass
die Atommüll-Transporte in der Schweiz stattfinden, ohne dass die
Bevölkerung auch nur im Geringsten über den Zeitpunkt und die
Strecke orientiert wird. Bei Greenpeace sieht man dies gelassener. "In
diesem Punkt üben wir Zurückhaltung", heisst es bei der
Umweltorganisation. Frühere Aktionen, etwa bei
Verladestationen, sind laut Rosenmund auf wenig Resonanz gestossen.
---
Südostschweiz 9.11.10
"Szenen wie in Deutschland sind hier undenkbar"
Zweimal pro Jahr kommen Castor-Behälter aus Frankreich in
die Schweiz. Proteste wie in Deutschland gab es aber zuletzt vor 20
Jahren.
Von Roman Schenkel
Bern. - "Pro Behälter so viel Strahlung wie in Tschernobyl",
sprang gestern allen Besuchern der Website von Greenpeace Schweiz
entgegen. Dazu ein Wärmebild des deutschen Castor-Zugs, welches
die hohe Strahlung der Behälter aufzeigen soll. Nicht nur im
Internet ist die Schweizer Sektion von Greenpeace aktiv: Eine Gruppe
von 15 Schweizern ist nach Angaben der Umweltschutzorganisation sogar
an die Demonstrationen gereist, um den Castor-Transport auf seiner
Fahrt ins Zwischenlager Gorleben zu stoppen oder zumindest zu
verlangsamen (siehe Kasten).
Während die Proteste gegen Atommüll-Transporte in
Deutschland so viele Demonstranten wie schon lange nicht mehr anziehen,
wird in der Schweiz deswegen längst kein Aufstand mehr gemacht.
Auch von Greenpeace nicht: "Wir akzeptieren die Zwischenlagerung von
Atommüll in Würenlingen als kleineres Übel", sagt Stefan
Füglister von Greenpeace Schweiz.
Logische Folge der Atomkraft
Wichtig sei, dass der hoch radioaktive Atommüll nicht mehr
durch halb Europa gefahren werde, betont Füglister. "Wir
können den Schweizer Atommüll nicht auf andere Länder
abschieben", sagt er. Der Atommüll und das Zwischenlager seien die
logische Folge, solange es in der Schweiz Kernkraftwerke gebe.
"Für die nächsten 20 Jahre ist dies der gangbarste Weg,
danach muss aber eine andere Lösung gefunden werden", sagt
Füglister. Die Protestwelle in Deutschland erklärt er sich
mit der Symbolkraft von Gorleben: "Gorleben ist der Fiebermesser der
Anti-Atom-Bewegung Deutschlands." Der Ort sei stark verknüpft mit
der Diskussion um ein Endlager. "Die Atomgegner gehen davon aus, dass
aus dem Zwischenlager Gorleben nach und nach ein Endlager wird", sagt
Füglister.
Zwei Transporte in die Schweiz
In der Schweiz gibt es pro Jahr mehrere Atommüll-Transporte
ins Zwischenlager Würenlingen im Kanton Aargau. Sie bestehen aus
radioaktivem Material der fünf Schweizer Kernkraftwerke oder aus
radioaktiven Rückständen, die bei der Wiederaufbereitung in
Frankreich anfallen. "2010 sind bisher zwei Transporte ins
Zwischenlager gelangt", sagt Roland Keller, Mediensprecher des
Zwischenlagers. "Im März kamen per Lastwagen 69 abgebrannte
Brennelemente vom Kernkraftwerk Leibstadt, im April brachte ein Zug
drei Castor-Behälter aus der französischen
Wiederaufbereitungsanlage La Hague." Die Transporte seien ohne
Zwischenfälle verlaufen. Szenen wie in Deutschland seien in der
Schweiz "undenkbar", so Keller. 1990 hätten Greenpeace-Aktivisten
zum letzten Mal versucht, einen Atommüll-Transport ins
Zwischenlager aufzuhalten.
Moratorium bis 2016
Die Ausfuhr von radioaktiven Abfällen aus der Schweiz ist
bis 2016 verboten. Bis dann gilt das Moratorium, das mit der Revision
des Kernenergiegesetzes 2006 beschlossen wurde. "Die Exporte von
radioaktivem Material, die vor dem Moratorium getätigt wurden,
kommen nun nach und nach in die Schweiz zurück", erklärt
Keller die Transporte aus dem Ausland. Bei der Wiederaufbereitung der
Brennelemente fielen Rückstände an, welche die Schweiz
zurücknehmen müsse, so Keller.
--
Die Schweizer sind "gekommen, um zu bleiben"
Eine Gruppe von Schweizer Greenpeace-Aktivisten demonstriert
gegen den Castor-Transport im niedersächsischen Gorleben.
Von Sarah Weber
Gorleben. - "Nein, Angst vor der Polizei haben wir keine", sagt
die 24-jährige Michaela Lötscher aus Basel. Die
Umweltaktivistin ist extra nach Deutschland gereist, um den Transport
mit dem hoch radioaktiven Atommüll ins Zwischenlager in Gorleben
zu blockieren. Nach den Ausschreitungen am Wochenende sei es jetzt auf
der Strasse bei der Sitzblockade friedlich, erzählt Lötscher.
Am Rande komme es zwar noch vereinzelt zu Übergriffen, die
Blockaden verliefen bisher aber gewaltfrei. Die Demonstranten
hätten sogar Flugblätter verteilt, auf denen sie Polizisten
und Atomgegner zur Gewaltfreiheit aufriefen. Auch vom Nieselwetter
lässt sich die Baslerin die Laune nicht verderben: "Wir sind
ausgerüstet, haben warme Kleider und es wurden Wärmedecken
verteilt. Zudem sitzen wir auf der Strasse auf Stroh."
Jeden einzeln weggetragen
Der Zug mit den elf Spezialbehältern wird seit Tagen durch
Gleisblockaden immer wieder aufgehalten. Die Polizisten mussten die
Atomgegner von den Gleisen wegtragen. Gestern kam dann der Zug mit
einem Tag Verspätung bei der Verladestation in Dannenberg an.
Darauf wurden die Castoren mit dem radioaktiven Müll auf Lastwagen
umgeladen, damit sie die letzten 20 Kilometer bis zum Zwischenlager in
Gorleben auf der Strasse zurücklegen können. Auf dieser
Strasse werden die Transporter schon von den Demonstranten erwartet,
die nicht vorhaben, das Feld freiwillig zu räumen: "Wir sind
gekommen, um zu bleiben", hält Michaela Lötscher fest.
---
Basellandschaftliche Zeitung 9.11.10
"Ist kein Journalist da, schlagen sie zu"
Augenzeuge Basler Atomgegner berichtet über Demonstrationen
gegen Castortransport nach Gorleben
Daniel Haller
Im Landkreis Lüchow Dannenberg in Niedersachsen
demonstrieren Tausende gegen Atommüll-Transporte ins Zwischenlager
Gorleben. Die Basellandschaftliche Zeitung erreichte gestern Mittag den
Basler Aktivisten Dominik - seinen vollen Namen möchte er nicht
nennen - auf einer Kreuzung mitten in Dannenberg. Dort wurden die
Castor-Behälter von der Bahn für die Fahrt nach Gorleben auf
Lastwagen umgeladen.
Seit wann sind Sie vor Ort und was haben Sie gemacht?
Dominik: Seit Freitag bin ich hier und habe an Schienen- und
Strassenblockaden teilgenommen.
Wie ist die Stimmung?
An dieser einfachen Kreuzung in Dannenberg stehen
14Polizeifahrzeuge. Wenn ich das ganze Polizei- und Armeearsenal hier
sehe und bei den Einsätzen das tiefe Brummen der Helikopter
höre, kommt mir der Bosnienkrieg in den Sinn.
Ist das wirklich so militärisch?
Die Polizei rollt bei Räumungen in Kolonnen mit 60
Polizeifahrzeugen an. Da sind nicht nur Wasserwerfer dabei, sondern
auch Mowag-Räumungspanzer.
Die Polizei kritisiert selbst die überlangen Einsätze.
Entsteht da nicht auch angesichts gemeinsamen Schlafmangels und des
für alle gleich kalten Wetters eine Art Schicksalsgemeinschaft?
Nein, überhaupt nicht. Dazu ist ihr Vorgehen zu brutal.
Die Polizei hat aber gesagt, sie würde auf die
körperliche Unversehrtheit der Demonstrierenden Rücksicht
nehmen.
Sie geht sehr unterschiedlich vor. Sind Medien vor Ort,
läuft es relativ zivilisiert ab. Ist aber kein Journalist da,
schlagen sie mit erschreckender Rücksichtslosigkeit zu. Das
moralisch Bedenklichste, was ich je erlebt habe, ist ein Polizeiangriff
auf Sanitäter, die gerade dabei waren, Leute, die mit
Pfeffersprayverletzungen am Boden lagen, zu versorgen. Eigentlich
könnte die Polizei ruhig ihre Arbeit machen und die Leute einfach
wegtragen. Aber ich habe gesehen, wie drei Frauen, die am Boden sassen
und die Hände in die Luft streckten, einfach mit den
Schlagstöcken niedergeknüppelt wurden.
Bekommt man da nicht einfach Angst?
Angesichts dieser Brutalität muss sich jede und jeder
fragen, was überwiegt: Unsere Angst, einen bleibenden Schaden
davonzutragen, oder der Wille, das Demonstrationsrecht auszuüben.
Wo übernachtet man bei einer tagelangen Aktion, die im
Freien bei Minustemperaturen stattfindet?
Ich habe in Camps und bei Familien geschlafen, die spontan
Demonstranten aufnehmen. Die Bevölkerung hilft mit Essen, warmem
Tee, Unterkunft, übernimmt Shuttledienste und sucht Schleichwege
für die Demonstranten, um ins militärisch abgeriegelte Gebiet
zu kommen.
Sie trägt also den Protest mit?
An fast jedem Haus hängt das gelbe Kreuz als Symbol des
Protests. Ich schätze, dass hier 80 bis 90 Prozent der
Bevölkerung gegen das atomare Zwischenlager - das
möglicherweise zum Endlager wird - und gegen die Castortransporte
sind.
Wie reagiert sie auf die Polizei?
Das rücksichtslose Vorgehen des Staats löst
zusätzliche Wut aus und wirkt traumatisch. So fragte gestern
Morgen der Vater der Familie, bei der wir übernachten konnten:
"Wie kann ich meinen Kindern beibringen, dass die Polizei im Alltag
sinnvolle Aufgaben erfüllt, wenn sie sehen, wie die Polizei hier
mit Panzern ankommt, um uns etwas aufzuzwingen?"
Haben Sie auch mit Polizisten gesprochen?
Ich habe versucht, mit einem Polizisten zu diskutieren. Er sagte,
dass wir bald alle in ein Lager gesteckt und umerzogen würden. So
eine Antwort weckt - ausgerechnet in Deutschland - böse
Erinnerungen.
---
10vor10 8.11.10
Schweizer Atommüll-Proteste möglich
Die wohl teuerste Bahnfahrt durch Deutschland kostet 40 Millionen
Franken. 20'000 Polizisten bewachen den Castor-Transport. Die
Demonstranten konnten mit den schwersten Protesten seit langem den
Transport von Atommüll verzögern. "10vor10" wollte wissen, ob
solche Aktionen auch in der Schweiz möglich wären.
http://videoportal.sf.tv/video?id=da6464a2-0249-45f2-ae82-744cdcb96257
---
Migros Magazine 8.11.10
Reportage
Au cœur de l'eldorado atomique
La presqu'île d'Olkiluoto en Finlande est une place forte
du nucléaire, en avance sur son temps et enviée de
partout. Notamment par une Suisse qui songe à renouveler ses
centrales et à creuser un emplacement en profondeur pour ses
déchets.
Sûrement de l'humour finlandais: une grande éolienne
accueille le visiteur à l'entrée de la presqu'île
d'Olkiluoto, qui abrite, sur 15 kilomètres carrés, tout
de même deux centrales nucléaires, une troisième en
construction, et bientôt une quatrième. Ainsi qu'un
dépôt (lire encadré) pour les déchets
faiblement et moyennement radioactifs.
Bien qu'idyllique, au milieu des pins, face à la mer,
l'endroit fait plutôt saliver les lobbys nucléaires que
les voyagistes. C'est ainsi qu'en septembre dernier le Forum
nucléaire suisse avait convié les médias à
une petite visite, là-bas, dans cet eldorado atomique, à
270 kilomètres au nord-ouest d'Helsinki. Bien normal à
l'heure où les discussions s'accélèrent sur le
renouvellement des cinq vieilles centrales confédérales.
Où, aussi, progresse la recherche d'un "site de
dépôt en couches géologiques profondes" pour les
déchets collatéraux.
A Olkiluoto, la troisième centrale en construction -
répondant au sobriquet attendu de "OL3" et capable de
résister à l'impact d'un avion de ligne - n'est autre que
le fameux EPR français nouvelle génération.
Premier réacteur à eau sous pression de ce type construit
dans le monde, sous la houlette d'Areva. Pas moins de 3500 personnes et
55 nationalités, 8 langues de travail sont à l'œuvre. A
partir de 2013, la centrale devrait assurer une production nette de
1600 MW, soit le double de la plus grosse centrale suisse à
Leibstadt. Ou encore davantage que Mühleberg et Beznau I et II
réunies. Toutes des centrales de deuxième
génération.
Avec en sus la promesse, selon Jean-Pierre Mouroux, le
responsable du projet OL3 chez Areva, "d'utiliser moins de combustibles
et de produire moins de déchets". Comment dit-on "trop fort!" en
finlandais? Sauf que, jusqu'ici, cet EPR a fait parler de lui par ses
explosions de coûts - devisé à 3 milliards, il en
coûtera au minimum 2 de plus - et ses 3 ans de retard sur les
délais. De quoi perdre en rentabilité ce qui a
été gagné en production.
Une bataille devant les tribunaux
Depuis, l'entreprise finlandaise TVO, commanditaire, et Areva en
sont à se battre devant les tribunaux, histoire de savoir qui va
payer l'ardoise. En gros, les Finlandais reprochent aux Français
les retards importants pris dans la construction et les Français
répliquent en accusant les Finlandais d'avoir lambiné
à délivrer les autorisations nécessaires et
octroyer une information suffisante aux fournisseurs et sous-traitants
(plus de 1700).
Dans une atmosphère qu'on pressent glaciale, Jean-Pierre
Mouroux et Jouni Silvennoinen, responsable du projet OL3 chez TVO,
s'accordent ce matin-là au moins sur une chose: les montants
exacts en jeu sont désormais de l'ordre du "secret
économique".
Près de quatre ans de retard
OL3 en tout cas aurait dû être livré
clés en main au printemps 2009. Il ne le sera, au plus
tôt, que fin 2012. Jean Puppin, responsable de la coordination
technique du chantier pour Areva, raconte "être là depuis
2005". Avant, dans un sourire crispé, d'évoquer la date
de son départ: "On verra bien, on ne fait plus de pronostics."
En Suisse, l'Inspection fédérale de la
sécurité nucléaire (IFSN) se montre d'autant plus
attentive à ce qui se passe à Olkiluoto que
l'intérêt de nouvelles centrales réside
également dans l'implication des entreprises locales. Des
séminaires d'information, des cours, des exemples de
réglementation sont déjà mis sur pied dans le cas
où le peuple, sans doute en 2013, se prononcera pour de nouveaux
réacteurs. Axpo, BKW (Forces Motrices Bernoises) et Alpiq sont
en tout cas sur les rangs.
Les ratés de l'EPR finlandais sont évidemment pris
comme argument par les adversaires d'un renouvellement du parc
nucléaire suisse. Du côté des pro-nucléaires
on rétorque que les retards pris par Areva sont surtout la
conséquence d'une longue période où l'Europe
n'avait plus bâti de centrales - en gros depuis Tchernobyl - et
qu'il y avait une nouvelle expérience, un nouveau savoir-faire
à acquérir. Le secrétaire du Forum
nucléaire suisse, Roland Bilang, a ainsi salué les
ingénieurs d'Areva à Olkiluoto en les qualifiant de
"pionniers ayant pris des risques dont les autres profiteront".
Une ONG critique la construction
Une ONG comme "Sortir du nucléaire" affirme que les
réacteurs de troisième génération seraient
particulièrement dangereux du fait que le système de
sécurité n'y est pas séparé du
système d'exploitation, "un peu comme si dans une voiture les
freins étaient dépendants du chauffage".
Jörg Starflinger, de l'Institut de génie
nucléaire de Karlsruhe - une structure cofinancée par
Areva, - était invité comme expert par le Forum
nucléaire suisse. Lui assure qu'au contraire les
réacteurs de la troisième génération sont
"plus sûrs que leurs prédécesseurs". Grâce
notamment à "un récupérateur de surface, à
l'intérieur du réacteur, dans lequel le cœur fondu
pourrait être refroidi efficacement en cas de fusion
accidentelle". Mieux: "Les effets seraient alors limités
à la centrale elle-même." Croix de bois, croix de fer.
Laurent Nicolet, de retour de Finlande
Photos Reuters / LDD
--
La grotte miraculeuse
D'abord une route goudronnée en pente douce qui s'enfonce
dans les profondeurs de la terre, puis, pour aller plus vite, des
ascenseurs, qui conduisent le visiteur 60 mètres plus bas. C'est
là que la société finlandaise Posiva Oy entrepose
les déchets faiblement et moyennement radioactifs. Son
directeur, Reijo Sundell, use d'un argument classique: les
déchets prennent très peu de place. Sous nos pieds
dorment ceux "des trente dernières années" avec encore
suffisamment d'espace pour "ceux des trente prochaines". Le tout dans
deux silos de 24 mètres de diamètre et de 34
mètres de profond.
Tout cela n'est pourtant que rigolade. La grande affaire, ce
sera, d'ici à 2020 et à 420 et 520 mètres de
profondeur, l'achèvement d'un lieu de stockage définitif
pour les déchets hautement radioactifs et entreposés pour
l'heure, comme en Suisse, dans un dépôt
intermédiaire.
Au bout d'une galerie d'accès de 5,5 kilomètres,
des forages de 8 mètres de profond seront pratiqués,
où viendront prendre place, à la verticale, les
containers de cuivre et d'acier d'un mètre de diamètre,
recelant les déchets. L'espace vide entre la roche et les
containers sera comblé par de la bentonite, "une cendre
volcanique naturelle, spécialement traitée,
étanche à l'eau".
Le challenge de ce genre d'ouvrage est qu'effectivement aucune
forme d'eau, à travers les millénaires, n'entre en
contact avec les déchets. Reijo Sundell se montre
catégorique: une telle installation résistera à
des événements aussi extrêmes que des tremblements
de terre et une calotte glaciaire qui recouvrirait la planète.
Même assurance chez son homologue suisse Markus Fritschi, membre
de la direction de la Nagra (Société coopérative
nationale pour le stockage de déchets radioactifs): "Le
problème du stockage des déchets en couches
géologiques profondes est techniquement résolu." La
Suisse a fait le choix de containers en acier qui seront enfouis non
pas dans du granit comme à Olkiluoto, mais de l'argile à
Opaline. Six sites sont encore sur les rangs pour accueillir dès
2030 les déchets faiblement et moyennement radioactifs et
dès 2040 les déchets hautement radioactifs.
---
Aargauer Zeitung 6.11.10
"Tiefenlager hier unerwünscht"
Atommülldeponie Der Planungsverband Fricktal Regio hat seine
Stellungnahme herausgegeben zur Vernehmlassung Sachplan geologisches
Tiefenlager, Etappe 1. Daraus geht hervor, dass der Bau und Betrieb
eines geologischen Tiefenlagers in der Region Bözberg mehreren
regionalen Entwicklungszielen widerspricht: "Vor diesem Hintergrund ist
ein geologisches Tiefenlager in unserer Region nicht erwünscht",
heisst es in der von Planungsverbandspräsident Hansueli
Bühler und Geschäftsführer Gerry Thönen
unterzeichneten Stellungnahme. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass
die Bezeichnung "Bözberg" zu einem Symbol für Negatives
werde, was die weitere positive Entwicklung der Region und der
Gemeinden beeinträchtige. (az) Seite 30
--
"Atommülldeponie in der Region unerwünscht"
Tiefenlager Fricktal Regio Planungsverband weist darauf hin, dass
mehreren regionalen Planungszielen widersprochen wird
Das Sachplanverfahren geologische Tiefenlager gewährleistet,
dass die Standorte für geologische Tiefenlager in einem fairen,
transparenten und partizipativen Verfahren evaluiert und bezeichnet
werden. Der Planungsverband Fricktal Regio anerkennt die grossen
Anstrengungen, die das federführende Bundesamt für Energie
unternommen hat und unternimmt, um die Öffentlichkeit über
das Sachplanverfahren geologische Tiefenlager im Raum
Bözberg/Oberes Fricktal zu informieren.
Aufgrund von Rückmeldungen aus den Mitgliedgemeinden und aus
der Bevölkerung stellt der Planungsverband aber fest, dass im
Zusammenhang mit der Vernehmlassung zur ersten Etappe des
Sachplanverfahrens eine weitergehende Unterstützung hilfreich
gewesen wäre. Namentlich eine zusammenfassende und auch für
Laien verständliche Broschüre mit den wichtigsten
Informationen zum Sachplanverfahren allgemein und zum Gegenstand der
ersten Etappe speziell hätte den Menschen den Zugang zur komplexen
Fragestellung und zu den umfangreichen Vernehmlassungsunterlagen
erleichtert.
Der Planungsverband Fricktal Regio hat im Rahmen eines breit
abgestützten partizipativen Prozesses ein regionales
Entwicklungskonzept (REK) erarbeitet und ist seit 2 Jahren daran,
dieses umzusetzen. Mit der Unterzeichnung der Fricktal-Charta haben
sich sämtliche Gemeinden unserer Region zu den im REK formulierten
Zielen bekannt und den Willen zur gemeinsamen Umsetzung im Rahmen von
Projekten erklärt. "Wir stellen fest, dass der Bau und Betrieb
eines geologischen Tiefenlagers in der Region Bözberg mehreren
regionalen Entwicklungszielen widerspricht. Vor diesem Hintergrund ist
ein geologisches Tiefenlager in unserer Region nicht erwünscht",
heisst es in der von Planungsverbandspräsident Hansueli
Bühler und Geschäftsführer Gerry Thönen
unterschriebenen Stellungnahme. Und weiter: "Wir anerkennen andrerseits
die Notwendigkeit, die in der Schweiz aus der Energiegewinnung sowie
aus Forschung, Technik und Medizin anfallenden radioaktiven
Abfälle dauerhaft und sicher zu entsorgen und sind bereit, uns am
Sachplanverfahren geologische Tiefenlager - namentlich an der
regionalen Partizipation - zu beteiligen. Oberstes Ziel bei der
Entsorgung radioaktiver Abfälle muss der dauerhafte Schutz von
Mensch und Umwelt sein. Dieses Ziel ist nicht verhandelbar."
"Bözberg" als Symbol für Negatives
Die Bezeichnung des Standortgebietes beziehungsweise der
Standortregion Bözberg steht für ein geografisches Gebiet,
das in der Schweiz nicht zuletzt wegen der gleichnamigen Eisenbahn- und
Autobahntunnel relativ bekannt und klar lokalisierbar ist. Es besteht
die Gefahr, dass die Bezeichnung "Bözberg" im weiteren Verlauf des
Sachplanverfahrens zu einem Symbol für etwas Negatives wird, was
die weitere positive Entwicklung der Region und der betreffenden
Gemeinden beeinträchtigt. Das gilt namentlich für die
Gemeinden, die beabsichtigen, sich im Rahmen eines Fusionsprojekts zur
Gemeinde Bözberg zusammenzuschliessen. Der Planungsverband Regio
Fricktal unterstützt den Wunsch der betroffenen Gemeinden und
beantragt für die Region Bözberg eine Bezeichnung, die keine
klare geografische Zuweisung zulässt. Das Startteam der Plattform
Bözberg wird in den nächsten Wochen nach geeigneten
Alternativen suchen und dem Bundesamt für Energie Vorschläge
unterbreiten.
Beurteilung der Sicherheit
Wichtigstes Kriterium für die Festlegung des Standortes
für ein geologisches Tiefenlager für radioaktive Abfälle
muss die Sicherheit sein. Der Planungsverband teilt die Beurteilung des
Ausschusses der Kantone (AdK), dass eine vorschnelle
sicherheitstechnisch-geologische Bewertung nicht akzeptabel ist. Die
qualitative Bewertung der höchsten Langzeitsicherheit muss
konsequent durchgeführt, mit etappengerechten
erdwissenschaftlichen Grundlagen dokumentiert und nachvollziehbar
dargelegt werden. Die Kriterien müssen nach ihrer
Sicherheitsrelevanz gewichtet und bewertet werden.
"Als regionaler Planungsverband sind wir weder fachlich noch
zeitlich in der Lage, zu beurteilen, ob die sicherheitstechnische
Überprüfung aktuell ausreicht, um die geologischen
Standortgebiete bereits heute festzulegen. Wir fordern aber, dass die
weiteren Abklärungen für alle Standortregionen auf den
gleichen und untereinander vergleichbaren technischen Wissensstand
gebracht werden. Es darf keinesfalls sein, dass ein Gebiet im
Auswahlverfahren bleibt oder ausscheidet, nur weil hier mehr oder eben
weniger geologische Fakten vorliegen als in anderen Gebieten. Ein
solches Vorgehen widerspricht klar dem Anspruch, sich bei der
Standortsuche nicht von weichen Faktoren, sondern vom Prinzip der
Sicherheit leiten zu lassen. Wenn es um die Sicherheit geht, haben Zeit
und Geld eine untergeordnete Rolle zu spielen", heisst es weiter in der
von Hansueli Bühler und Gerry Thönen unterschriebenen
Stellungnahme des Planungsverbandes. (az)
Eine Broschüre mit Informationen zum Sachplanverfahren
wäre für die Bevölkerung sehr nützlich gewesen.