MEDIENSPIEGEL 18.11.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo, Rössli, DS, GH)
- Schützenmatte: Securitas-Patrouille kostet 423'862 Franken
- Bahnhofpate in Action
- Anti-SVP-Tag: 3 Anzeigen
- Müslüm: Advents-Video-Dreh
- RaBe-Info 15.-18.11.10
- Stadtrats-Sitzung 18.11.10
- Sexwork BE: Gesetzesvorschlag Kanton
- Kein ruhiges Hinterland Köniz: Pyros auf Polizei
- Randstand Biel: Kein Alkitreff-Ersatz
- Rechtsextremismus: Freysinger; Division Helvetia; Gewaltstudie Burgdorf
- Sans-Papiers: Kontaktstelle LU
- Ausschaffungen: Schwangere; Staatsrechtler; Resozialisierung; Rechtsschutz; Rüge für BE; Gesicht zeigen; Faltblatt; Demos BE + ZH; Todesdrohungen; Sonderflüge
- Migration Control: Flüchtlinge in Griechenland
- Knast: Briefe von Silvia + Costa
- Police CH: Grenzwachtcorps-Knatsch; Punkrockfan KKS
- Sicherheitsfirmen: Zulassungsverfahren
- Big Brother: Drohnen gegen Gastor-Demos; Datenschutz SZ
- Big Brother Sport: Kosten-Chaos
- Ex-Squat ZH: Atlantis-Studiwohnungs-Run; Alternativkultur ZH
- Squat VD: BesetzerInnen + Königsfamilie einigen sich
- Rote Falken: Demo jetzt!
- Drogen: Kontrollierter Cannabisverkauf BS; Schmuggel; Bussenmodell SG; Hirndoping
- Alkohol: Gewaltfragen
- Zischengeschlecht: Uberparteiliche Solidarität
- Spitzel: Britischer Aktivist enttarnt
- Mumia Abu-Jamal: Popstar im 20 Minuten
- Hipop: Sissy Bounce
- Anti-Atom: Endlager; AKW-Standorte; Strahlenschutz; CH-Gau 1969; Mühleberg-Hang; geheime CH-Castor-Transporte; Bodenstärken; Majak-Uran; Energiewende

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REITSCHULE
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Do 18.11.10
16.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe" (bis 20.00 Uhr)
19.30 Uhr - Infoladen - Jahr des Antisexismus: Überraschungsfilm&Diskussion
20.00 Uhr - Kino - CULTURESCAPES CHINA: My Village 2008, Jia Zhitan, China 2009. In Anwesenheit von Wu Wenguang und Katharina Schneider Roos
20.00 Uhr - Frauenraum - PLAY YOURSELF - offene Bühne und Improvisation von Frauen für Frauen
21.00 Uhr - Rössli - Strotter Inst.; Toktek, Everest on tt (CH). - Electronica

Fr 19.11.10
16.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe" (bis 20.00 Uhr)
20.30 Uhr - Tojo - Was ich dir noch tanzen wollte. Ein bewegter Monolog. Tanz/ Choreografie: Karin Minger.
20.30 Uhr - Kino - CULTURESCAPES CHINA: My Village 2008, Zhang Huancai, China 2009
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: MAGNIFICO (SLO) & GYPSY SOUND SYSTEM (CH). -- Balkan!

Sa 20.11.10
10.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe" (bis 17.00 Uhr)
13.00 Uhr - Frauenraum - "Sie kam und blieb" präsentiert: Feministisches Netzwerktreffen
19.00 Uhr - Kino - CULTURESCAPES CHINA: My Village 2007, Shao Yuhzen, China 2008, DVD, 80 Min., Ov/e
20.30 Uhr - Tojo - Was ich dir noch tanzen wollte. Ein bewegter Monolog. Tanz/ Choreografie: Karin Minger.
21.00 Uhr - Kino - My Village 2008, Shao Yuhzen, China 2009, DVD, 70 Min., Ov/e
21.00 Uhr - Frauenraum - "Sie kam und blieb" präsentiert: Disco "Beauvoir" mit den DJ's Die Fernweh und agnetta
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: ZERO METHOD (DSCI4/HUN), TRACE (DSCI4/UK), Deejaymf (cryo.ch) VCA (biotic rec/CH) SIP (Selbstbeherrschung.ch). -- Drumnbass

So 21.11.10
10.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe" (bis 17.00 Uhr)
20.00 Uhr - Rössli - Overdrive Amp Explosion; The Twobadours (CH). - Indierock

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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kulturagenda.be 18.11.10

Karin Minger tanzt im Tojo sieben Mitteilungen

Die meisten überbringen Botschaften mittels Worten, Karin Minger sagt
es mit Tänzen. "Was ich dir noch tanzen wollte" heisst das neuste
Solostück der Berner Tänzerin und Choreografin. Es besteht aus sieben
Mitteilungen, die zusammen einen Monolog bilden. Ihre Bedeutung lässt
Minger offen. Das Publikum darf sie auf seine eigene Weise
interpretieren.
Tojo Theater, Bern. Fr., 19.11., und Sa., 20.11., jeweils 20.30 Uhr


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kulturagenda.be 18.11.10

3 Kulturtipps
von Raphael Urweider

Raphael Urweider ist Dichter und Theaterschaffender. Er hat unter anderem die zweite Folge der Theatersoap "Schnäu und dräckig" geschrieben.
Yann Mingard
"The Idea of Africa (re-invented)" in der Kunsthalle (bis 5.12.)

Ich schaue mir diese Ausstellung an, insbesondere die Fotos von J. D. Okhai Ojeikere aus Lagos, weil dieser Künstler weiss, dass Frisieren auch Kunst
sein kann.

Theater Marie mit "Moby Dick" im Schlachthaus (Do., 18.11., bis Sa.,
20.11.)

Weil die dicksten Freunde nicht immer die besten sind.

Strotter Inst., Toktek, Everest on tt im Rössli der Reitschule (Do., 18.11.)

Weil Strotter mit Plattenspielern stottert wie andere mit fünf Jonglierbällen gleichzeitig.

Ich würde jedem, der sich ausschaffen lassen möchte, die Ausstellung "The Idea of Africa (re-invented)" empfehlen …

… weil er dort genug kulturelle Gründe findet, die Schweiz zu verlassen und sich andernorts in eine Minderheit zu verwandeln.

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kulturstattbern.derbund.ch 18.11.10

Von Manuel Gnos am Donnerstag, den 18. November 2010, um 02:05 Uhr

Barfuss geht gar nicht

Mit dem Titel zu diesem Beitrag hätten wir auch gleich schon den einzigen negativen Punkt des Auftritts von La Brass Banda aus Bayern abgehandelt. Denn die fünf Herren, dem Teenageralter schon eine Weile entwachsen, verbreiteten gestern Abend im Dachstock eine umfassend gute Stimmung.

So waren denn die Befürchtungen* des Schreibenden schon nach wenigen Takten weggewischt. Weggewischt durch die vielfältige Dynamik, das äusserst sympathische Auftreten und weggewischt auch durch die geschickt eingesetzten Tempowechsel. Alles Eigenschaften, die viel zu häufig fehlen, wenn Punks antreten, die (volks-)musikalische Überlieferung ihrer Vorfahren in ein clubtaugliches Format zu giessen.

Die Akteure bei La Brass Banda vermochten mit einem hölzern charmanten Auftritt ein Wohlgefühl zu verbreiten, wie man es von Attwenger und der Youngblood Brass Band her kennt. Von ersteren entlehnen sie sich dabei den virtuosen Umgang mit dem Sprechgesang, von letzteren den kunstfertigen Einsatz der Tuba.

Man kann die Musik als bayerischen Gypsy-Brass bezeichnen. Oder man sagt dazu Balkan-Funk. Alpen-Jazz-Techno wäre als dritte Möglichkeit anzufügen. Wie auch immer man es nennt: Die Musik bewegt - die Beine genau so wie die Seele. Das Publikum im überraschend gut besuchten Dachstock wusste dies in angemessener Weise zu würdigen. Und voilà: ein gelungener Abend.
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* Die da sind: Bläsergedudel in Hochgeschwindigkeit unterlegt mit Ska-Offbeat-Gitarre, Schenkelklopfansagen, Raggamuffin-Gesang, Humpa-Humpa-Schlagzeug und Altherrenrock-Bassläufe.

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BZ 16.11.10

Abtauchen in die eigenen Sorgen

Reitschule

Die Ausstellung "Problemhuufe" versammelt Skulptur, Malerei, Fotografie und Installationskunst von 18 Kulturschaffenden, die sich mit dem Menschsein auseinandersetzen. Es handelt sich um eine der seltenen Kunstschauen in der Reitschule.

 Einen Menschen mit vielen Sorgen bezeichnet man gemeinhin als Problemhaufen. Zu diesem Thema hat eine lose Gruppe von Kunstschaffenden in der grossen Halle der Berner Reitschule die Ausstellung "Problemhuufe" auf die Beine gestellt. Das Kollektiv hat damit ein äusserst breites Thema gewählt, das Künstler schon immer beschäftigt hat. Und auch der US-Starautor David Foster Wallace sagte einst: "Fiktion, die nicht erforscht, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, ist keine Kunst." Das gilt auch für die bildende Kunst, die dann am stärksten ist, wenn sie die Betrachter selbst betrifft.

 Konfrontation mit sich selbst

 Muss eine Ausstellung zu diesem Thema aber nicht zwangsläufig traurig stimmen? Die Bildhauerin Isabelle Hofmann verneint: "Wir haben ja auch nach Lösungen gesucht." Sie selbst hat aus Holz eine im Raum schwebende Taucherglocke geschaffen. Das Objekt, das man aus Comics wie "Tim und Struppi" kennt, kann man sich über den Kopf ziehen. Was draussen geschieht, hört man so kaum noch, man ist auf sich selbst und seine Wahrnehmung konzentriert. Während man die Taucherglocke herunterzieht, bildet ein kleiner Kübel das Gegengewicht und fährt in die Höhe. "Wenn man Probleme hat, muss man sich auf sich selbst besinnen, aber die Konfrontation mit dem eigenen Ich ist nicht zwangsläufig angenehm", erklärt Hofmann die Idee hinter dem Werk. Der Kübel kann als Abfalleimer für die Nöte interpretiert werden.

 Neid und Trägheit

 Andere Skulpturen sind konventioneller und zum Teil etwas allzu plakativ. Bei Samuel Schaerer sitzt ein kleiner König auf den Schultern einer grossen Holzfigur. Der Mächtige kann nur auf Kosten anderer regieren, lautet in etwa die Botschaft. Ein Highlight ist die Malerei von Margaretha Eggimann, die den Vorkurs der Kunstgewerbeschule absolviert hat. Unabhängig von der grossen Ausstellung "Lust und Laster" im Kunstmuseum hat sie die sieben Todsünden mit sich selbst in den Hauptrollen nach per Selbstauslöser geschossenen Fotografien gemalt.

 Ihr Stil erinnert ein wenig an denjenigen der glamourösen Art-Déco-Malerin Tamara de Lempicka: Neid stellt Eggimann nicht etwa mit grünen Schlangen oder anderen mythologischen Symbolen dar, sondern indem sie sich selbst beim Putzen zeigt - eifersüchtig auf den Fernsehbildschirm schielend, in dem eine Frau in einem Prinzessinnenkleid gerade den roten Teppich betritt.

 Mit welcher Sünde kann sie sich am meisten identifizieren? "Mit allen ein bisschen, schliesslich konnte ich ja auch alle darstellen", erklärt sie schmunzelnd. Ein "Problemhuufe" ist sie deswegen bestimmt nicht. Ein Bild konnte sie schon vor der Vernissage verkaufen: "Die Trägheit", aller Laster Anfang, mit der sich wohl viele identifizieren können.

 Helen Lagger

 Ausstellung: bis am 28. November, in der grossen Halle der Reitschule. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 16 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag 10h bis 17 Uhr.

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kulturstattbern.derbund.ch 15.11.10

Von Benedikt Sartorius am Montag, den 15. November 2010, um 06:24 Uhr

Kulturbeutel 46/10

(...)

Herr Gnos empfiehlt:
La Brass Banda im Reitschule-Dachstock. Das Quintett aus München hat die bayerische Volksmusik aus dem Festzelt in die Clubs geholt, sie mit ungenierten Texten, zuckenden Offbeats und wummernden Bässen angereichert. La Brass Banda sind für den Süden Deutschlands, was Attwenger für Österreich sind - allerdings mit weniger Textintelligenz, dafür mit einem merklich höheren Partyfaktor. Sehr schön zu sehen bei ihrem wuchtigen Auftritt am Roskilde-Festival von 2009.

(...)

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kulturstattbern.derbund.ch 14.11.10

Von Grazia Pergoletti am Sonntag, den 14. November 2010, um 13:07 Uhr

Herrgott unter der Discokugel

http://newsnetz-blog.ch/kulturstattbern/files/2010/11/PB1401151.JPG
Hier sehen (vielmehr: erahnen) sie Michael Röhrenbach, den umtriebigen Co-Leiter des TOJO-Theaters, wie er heute Morgen um 5 seinem wohlverdienten Feierabend entgegenfiebert, sofern um diese Uhrzeit von Fiebern noch die Rede sein kann.

Die Disco war voll und ausgelassen, jedenfalls soweit ich das mitbekommen habe (mein DJ-Pult war sehr weit weg vom Tanzboden, was den Vorteil hatte, dass den Tanzenden weniger aufgefallen ist, dass die DJane altersmässig ungefähr ihre Mutter sein könnte. Höchstens von der Musik her, haha!). No Means No habe ich leider verpasst. Dafür habe ich noch feststellen dürfen, dass Herr Lars L. und ich denselben Lieblingshit 2010 haben, nämlich diesen hier (http://www.youtube.com/watch?v=mPXPIx1LlPY). Soweit mein Reitschulfest.

Michael Röhrenbach ist übrigens vor vielen Jahren von Hamburg hergekommen, wo er Mitverantwortlicher war im "Westwerk", einem kleinen feinen Kulturbetrieb, in welchem auch so lustige Leute wie zum Beispiel Rocko Schamoni wohnten. In Bern war er damals allerdings schon bekannt, zum Beispiel durch seine unnachahmliche Interpretation des Herrgotts in "Spaceboard Galuga". Herr Röhrenbach ist auch Verfasser der genialen Grüsse am Ende jeder Tojo-Mail, alleine deswegen lohnt es sich übrigens, diese Newsletter zu abonnieren!

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Blick am Abend 12.11.10

TOP Nicht verpassen!

 Nightlife Tipp

 Reitschulfest

 Fr-Sa, 22 Uhr, Reitschule, Neubrückstrasse 8.

 Die Reitschule feiert sich selbst und wohl auch das Nein des Berner Stimmvolks zu ihrer Schliessung. Ihrer Freude verleihen die Reitschule-Betreiber mit einem zweitägigen Fest Ausdruck, während dem neben Erman Erim, Manon, My Baby the Bomb und Hunter Valentine auch Monika Kruse (Bild) zu hören sein wird. usgang.ch

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SCHÜTZENMATTE
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BZ 13.11.10

Securitas bei Reitschule kostet fast halbe Million

 Sicherheitsdienste Die Berner Stadtverwaltung kauft Leistungen bei privaten Sicherheitsfirmen ein. Das kostet jährlich über 1,6 Millionen Franken.

 Alleine die Überwachung des Reitschule-Vorplatzes durch die Securitas AG kostet die Stadt Bern 423 862 Franken pro Jahr. Diese Zahl hat der Gemeinderat in seiner Antwort auf eine GB-Interpellation veröffentlicht. Das GB wollte von der Stadtregierung wissen, wie viele Verträge mit privaten Sicherheitsfirmen abgeschlossen werden.

 Poleposition für Securitas

 Insgesamt lässt sich die Stadtverwaltung die Sicherheitsaufträge an Private jährlich fast 1,6 Millionen Franken kosten (siehe Tabelle). Die meisten Verträge wurden mit der Securitas AG abgeschlossen. Daneben kommt unter anderem auch die Securitrans zum Zug. Diese Firma hat den Auftrag, den städtischen Teil des Bahnhofs zu überwachen. Die weiteren Sicherheitspartner der Stadtverwaltung sind Securiton und die Certas AG.

 Auftrag ohne Ausschreibung

 Ohne öffentliche Ausschreibung hat die Securitas AG von der Stadtverwaltung Aufträge im Gesamtwert von jährlich 520 000 Franken erhalten. So etwa das Überwachungsmandat des Reitschule-Vorplatzes oder der Bernmobil-Gebäude. "Bernmobil wird diese Verträge auf den nächstmöglichen Termin kündigen", schreibt der Gemeinderat. Danach werde der Auftrag ausgeschrieben. Ob die Überwachung des Reitschule-Vorplatzes weiterhin nötig sei, werde im Rahmen der Aufgabenportfolio-Analyse überprüft. "Sollte sich eine Bewachung des Reitschule-Areals weiterhin als notwendig und finanzierbar erweisen, wird der Vertrag im Jahr 2011 öffentlich ausgeschrieben", schreibt der Gemeinderat.

 Tobias Habegger

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Die einzelnen Aufträge

 Dienstleistung Kosten in Fr. pro JahrÜberwachung Kleine Schanze und Bundeshaus51 801.50

 Überwachung öffentlicher Raum Drogenanlaufstelle305 716.00

 Überwachung des städtischen Teils des SBB-Bahnhofs326 181.20

 Überwachung der Umgebung der Reitschule423 862.00

 Schliess- und Öffnungsdienst der Münsterplattform11 512.20

 Zutrittskontrolle Sozialamt an der Predigergasse 1060 600.00

 Nachtwache Entsorgungshöfe Egelsee und Fellerstrasse12 137.28

 Nächtliche Kontrollen im Werkhof Forsthaus11 952.00

 Alarmanlage Erlacherhof621.25

 Verkehrsdienste verschiedener Strassenbaustellen103 120.00

 Bewachung der EWB-Objekte96 415.00

 Revierkontrolle Baustelle KVA Forsthaus38 070.00

 Überwachung der Bernmobil-Gebäude100 000.00

 Bewachung von weiteren Verwaltungsgebäuden 36 624.60

 Übrige Aufträge7 540.86

 Total1 586 153.89

 Quelle: Berner Gemeinderat in einer Antwort auf einen Stadtratsvorstoss

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bern.ch/stadtrat 5.7.10 (Stadtratssitzung 25.11.10 )

10.000123 Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB): Private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000123/gdbDownload

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bern.ch/stadtrat 25.3.10

Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB): Private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum (eingereicht 25.03.10)

Die Stadt Bern hat viele Verträge mit den privaten Sicherheitsdiensten. Auf die Interpellation Luzius Theiler (GPB-DA)/Lea Bill (JA!): Bespitzelt Securitas auch in Bern? (08.000237) vom 26. Juni 2008 antwortete der Gemeinderat, dass zwischen der privaten Sicherheitsfirma Securitas AG und der Direktion SUE Verträge bestehen, die ca. 1 Million Franken ausmachen, dazu kommen noch Nachkredite von über 500'000 Franken. Folgende öffentliche Räume werden damit abgedeckt:

- Reitschule Bern

- Hodlerstrasse 22

- Kleine Schanze/Bundeshaus

- Bereich Publikumsanlagen Bahnhof

- Münsterplattform.

Aus dieser Antwort geht leider nicht hervor, ob auch andere Direktionen Verträge mit privaten Sicherheitsdiensten haben.

Die Fraktion GB/JA! bittet den Gemeinderat folgende Fragen zu beantworten:

1. Welche Verträge hat die SUE heute mit privaten Sicherheitsdiensten abgeschlossen? Wie hoch ist der Betrag pro Vertrag und wie hoch sind die Gesamtkosten der Aufträge an private Sicherheitsdienste heute?

2. Haben auch andere Direktionen Verträge mit privaten Sicherheitsdiensten? Wie hoch ist der Betrag pro Vertrag und wie hoch sind die Gesamtkosten der Aufträge an private Sicherheitsdienste im Rahmen der laufenden Rechnung und im Rahmen der Sonderrechnungen (inkl. Wohnbaufonds) heute?

3. Haben die ausgelagerten Betriebe (insbesondere StaBe) mit privaten Sicherheitsdiensten Verträge? Wie hoch ist der Betrag pro Vertrag und wie hoch sind die Gesamtkosten der Aufträge an private Sicherheitsdienste?

4. Welche der bestehenden Verträge wurden öffentlich ausgeschrieben und nach städtischem Beschaffungsrecht vergeben?


Bern, 25. März 2010

Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB), Jeannette Glauser, Natalie Imboden, Stéphanie Penher, Lea Bill, Rahel Ruch, Cristina Anliker-Mansour, Luzius Theiler, Regula Fischer, Rolf Zbinden

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BAHNHOF-PATINNEN
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Bund 13.11.10

Im Profil

René Peytrignet ist Bahnhof-Pate. Im Auftrag der SBB geht er auf "Tour" durch den Bahnhof Bern und macht die Leute auf Fehlverhalten aufmerksam. Simon Wälti

 "C'est le ton qui fait la musique."

 "Es war 2009, als mich ein Kollege, der schon als Bahnhof-Pate unterwegs war, fragte: ‹Was machst du eigentlich, wenn du pensioniert bist?› Ich sagte: ‹Ich suche ein ehrenamtliches Jöbli.› Und so habe ich mich bei den SBB gemeldet und bin nach einem einstündigen Bewerbungsgespräch auch angestellt worden. Derzeit sind wir im Bahnhof Bern dreizehn Paten und Patinnen. Die meisten sind wie ich pensioniert. Wir gehen immer zu zweit auf Tour und verschaffen der Bahnhofordnung Nachachtung, wie es so schön heisst. Dabei tragen wir Gilets mit der Aufschrift ‹Rail Fair›. Etwa zweimal pro Woche stehe ich für jeweils drei Stunden im Einsatz. Wir erhalten keinen eigentlichen Lohn, aber Gutscheine, zum Beispiel für SBB-Tageskarten."

 "Man muss mit den Leuten auskommen, muss immer freundlich, anständig und hilfsbereit sein. Wer meint, er könne sich als Polizist aufspielen, ist fehl am Platz. Wir sind keine Hilfssheriffs. ‹C'est le ton qui fait la musique›, sage ich immer. Bis jetzt habe ich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Ich wurde nie beschimpft oder sogar angegriffen. Nur einmal musste ich mit der Securitrans drohen, die für den Objektschutz in den Bahnhöfen zuständig ist. Ich führe das darauf zurück, dass ich mich auch immer korrekt verhalten habe.

 Rauchen in der Bahnhofhalle ist verboten, auch das Velofahren ist untersagt und das Sitzen auf den Treppen. Wir versuchen, den Jugendlichen, die häufig auf den Treppen sitzen, zu erklären, dass es sich nicht um eine Schikane handelt. Lange nicht alle Passanten und Bahnkunden benutzen die Rolltreppen, sie werden behindert, wenn Leute auf der Treppe sitzen. Die Jugendlichen wissen, dass es eigentlich nicht erlaubt ist. Sie stehen auf, wenn sie uns sehen, und entschuldigen sich zum Teil sogar. Wenn der SCB oder YB spielt, sind wir nicht im Einsatz, denn die SBB wollen uns keinen unnötigen Risiken aussetzen."

 "Nach meiner Einschätzung hat sich die Situation im Bahnhof Bern verbessert, nicht zuletzt dank dem Umbau. Es gibt auch viel weniger Randständige im Bahnhof, natürlich auch, weil die Polizei aktiv ist. Der Bahnhof ist sicherer geworden. Heute besteht unsere Hauptaufgabe darin, Auskunft zu erteilen. Manchmal ist es zum Beispiel für Touristen, die sich oben auf der Welle befinden, nicht ganz einfach, die Gepäckaufgabe am anderen Ende des Bahnhofs zu finden. Da haben wir sie auch schon zu ihrem Ziel begleitet. Die Leute sind dankbar, wenn wir ihnen helfen. Gerade im Gespräch mit Touristen ist es von Vorteil, wenn man auch Fremdsprachen wie Französisch oder Englisch spricht." "Früher war ich in der Militärverwaltung der Stadt Bern angestellt. Die Arbeit als Bahnhof-Pate ist aber nicht meine einzige Beschäftigung nach der Pensionierung. Ich bin Präsident des Schweizerischen Firmenfussballs. Im Kanton Bern gibt es zurzeit 43 Teams aus 28 verschiedenen Firmen. Früher habe ich für den FC Zeughaus gespielt, heute heisst der Verein FC Ruag. Ich war ein klassischer Manndecker, ein unangenehmer Gegenspieler, kein Stürmer hat gern gegen mich gespielt. Heute ist der Firmenfussball etwas weniger attraktiv als vor 15 oder 20 Jahren, es gibt auch weniger Mannschaften. Früher hatten die besten Teams 3.-Liga-Niveau, heute besteht wahrscheinlich eher 4.-Liga-Niveau. Zu meinen Hobbys gehören auch Wandern und Eisenbahnfahren durch die Schweiz, zusammen mit meiner Frau Helena, mit der ich seit 42 Jahren verheiratet bin."

 "Ich habe noch keine schlechten Erfahrungen gemacht."

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ANTI-SVP-TAG
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derbund.ch 18.11.10

Stadt zeigt drei Personen nach Anti-SVP-Aktionstag an

sda / bs

 Der Anti-SVP-Aktionstag von Linksautonomen auf dem Berner Bahnhofplatz hat ein juristisches Nachspiel: Die Stadt hat drei Personen angezeigt, weil die nötigen Bewilligungen für den Anlass fehlten.

 Am 6. Oktober luden Aktivistinnen und Aktivisten zu einem Anti-SVP-Aktionstag auf den Bahnhofplatz. Mit dem Anlass wollten sie ein Zeichen "gegen die rassistische Politik der SVP" setzen.

 Die Aktivisten befestigten Transparente am Baldachin, daneben gab es Konzerte und eine Aktion, bei der mit Paintball-Pistolen auf Metallfiguren geschossen wurde.

 Für diesen sogenannten "gesteigerten Gemeingebrauch" des öffentlichen Platzes sowie das Abspielen von Musik über Lautsprecher und den Betrieb einer Festwirtschaft hatten die Aktivistinnen und Aktivisten keine Bewilligung, wie die städtische Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie am Donnerstag mitteilte.

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Bund 18.11.10

Stadt reicht Strafanzeige ein

Der unbewilligte Anlass auf dem Bahnhofplatz vom 6. Oktober 2010 hat ein Nachspiel: Gegen drei Personen, die sich daran aktiv beteiligten, hat die Stadt im Namen des Polizeiinspektorats beim Untersuchungs-richteramt Bern-Mittelland Strafanzeige eingereicht.

Die Personen werden wegen Verletzung von kantonalem und städtischem Recht angezeigt. Konkret wird ihnen ein Verstoss gegen das kantonale Gastgewerbegesetz vorgeworfen, weil sie ohne Bewilligung eine Festwirtschaft betrieben haben. Zudem fehlten Bewilligungen für den sogenannt gesteigerten Gemeingebrauch des öffentlichen Platzes sowie das Abspielen von Musik mittels Lautsprecher (Musikanlage). Beim Anlass, mit dem an den Marsch der SVP durch Bern am 6. Oktober 2007 erinnert werden sollte, hatten Aktivistinnen und Aktivisten aus der linksautonomen Szene unter anderem Alkohol verkauft, Transparente am Baldachin befestigt und mit Paintballpistolen geschossen.

Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie

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MÜSLÜM
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Blick am Abend 17.11.10

Advent mit Müslüm

 NEU

 Müslüm kommt zurück! Am Wochenende dreht der Komiker sein neues Video.

 peter.pflugshaupt@ringier.ch

 Mit seinem ersten Hit "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" kämpfte er gegen die Reithallen-Initiative. Der Song schlug auch sonst ein, stürmte Youtube und landete in den Charts des Online-Musikladens iTunes. Das war vor zwei Monaten.

 Jetzt zieht der schrille Mann im pinken Anzug den nächsten Pfeil aus dem Köcher.

 Am kommenden Wochenende dreht Müslüm sein neues Video. Produziert wird der Klamauk in einer Villa an einem geheimen Ort. Der neue Song wird sehr weihnächtlich, mehr will Müslüm nicht verraten.

 Hinter dem neuen Song steht Rolf Widmer vom Sound Service Gümligen. Auch Gölä war am Anfang seiner Karriere bei Sound Service unter Vertrag. Ur-Türke Müslüm, beim gleichen Label wie Eidgenosse Gölä? Müslüm ist begeistert: "Gölä und ich sind ziemlich verschieden, aber wir haben auch viel gemeinsam, zum Beispiel die Tüpfli auf den Buchstaben."

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RABE-INFO
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Do. 18. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_18._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_18._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2018.%20November%202010
- 310 Arbeitsplätze gestrichen- Kanton und Gewerkschaft gehen auf die Barrikaden
- Ausschaffung trotz Schwangerschaft- Organisationen wehren sich dagegen
- Nachhaltigkeit in der Wasserindustrie- NGOs kritisieren Abkommen

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BZ 17.11.10

Rabe im Emmental

 Berner Kulturradio Der von einem Verein betriebene Berner Radiosender Rabe geht neu auch im Emmental übers Kabelnetz. Über die Frequenz 91,0 Megahertz können Hörerinnen und Hörer von Arni bis Zäziwil den teilweise ehrenamtlich gestalteten Sendungen lauschen - ganz ohne Werbepausen.
 pd

 Liste der neu aufgeschalteten Ortschaften: http://www.rabe.ch.

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Mi. 17. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_17._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_17._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2017.%20November%202010
- Manue, Twann und Spiegel- oder nur Manuel- die Stadt Bern stimmt über neues Schulreglement ab
- Internationaler Tag der Studierenden- Stipendieninitiative und die Nachwirkungen der Uni-Proteste
- Demokratische Wahlen führen nicht automatisch zum Frieden- Friedensforscher sprechen über das Phänomen

Links:
http://www.bern.ch/stadtverwaltung/bss/infobss/infobildung
http://www.stipendieninitiative.ch
http://www.swisspeace.ch/typo3/de/index.html

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Di. 16. november 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_16._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_16._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2016.%20November%202010
- Fair Fashion Rating - mit gutem Gewissen Kleider kaufen
- Klimakonferenz Cancun - Aufgabenliste für die Bundespräsidentin
- Von Mücken und schwangeren Jugendlichen - in unserer Serie über Burkina Faso besuchen wir ein Gesundheitszentrum

Links:
http://www.evb.ch/fairfashion
http://www.ououagadougouou.blogspot.com

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Mo. 15. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_15._November_2010.mp3&song_title=###TITLE###
- wo MigrantInnen stimmen und wählen können- auch ohne Schweizer Pass

- Einsatz für eine gerechte Welt- Pitch Staub kämpft für die Demokratisierung

Links:
http://www.baloti.ch
http://www.pitch-staub.com

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STADTRAT
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Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 18. November 2010 17.00 Uhr und 20.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus


NEUE LISTE////Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich (Besuchertribüne)
Traktanden

(..)
 
3. Kleine Anfrage Jimy Hofer (parteilos): Die Reitschule bietet mehr… (SUE: Nause resp. Stv.) 10.000262
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000262/gdbDownload

4. Kleine Anfrage Roland Jakob (SVP): Reitschulchaoten kosten den Steuerzahler und private Geschädigte viel Geld! (SEU: Nause resp. Stv.) 10.000263
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000263/gdbDownload

(...)
 
19. Postulat Fraktion SP/JUSO (Ursula Marti, SP) vom 15. November 2007: Grosse Schanze - grosse Chance: jetzt anpacken!; Fristverlängerung Prüfungsbericht (TVS: Rytz) 07.000387
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/07.000387/gdbDownload

(...)

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SEXWORK BE
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Bund 13.11.10

Keine Prostitution bei Schulen und Kirchen

 Der Kanton Bern will die Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern verbessern. Mit diesem Ziel legt er erstmals ein Gesetz über die Prostitution vor. Kernstück ist eine Bewilligungspflicht für Leute, in deren Verantwortung Prostitution ausgeübt wird.

 Das neue Gesetz stärkt zudem die Präventions- und Informationstätigkeit durch Behörden und private Fachstellen und führt neue Regeln im Bereich der Strassenprostitution ein. Es bezeichnet Orte, an denen die Strassenprostitution kantonsweit verboten sein wird. Das sind etwa Wohnzonen oder die Umgebung von religiösen Stätten, von Schulen und Heimen. Auf eine allgemeine Meldepflicht für Sexarbeitende hat die Kantonsregierung verzichtet.

 Voraussichtlich in der Novembersession 2011 wird der Grosse Rat die erste Lesung durchführen. Frühestens auf Mitte 2012 kann der Erlass in Kraft gesetzt werden.(sda)

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BZ 13.11.10

Mehr Schutz und Pflichten für Prostituierte

 neues GesetzBessere Arbeitsbedingungen und mehr Schutz vor Ausbeutung. Die bernische Kantonsregierung will das Gewerbe der Prostitution mit einem eigenen Gesetz besser regeln. Die Betroffenen selbst sind nicht nur begeistert.

 Prostituierte sollen besser vor Ausbeutung, Missbrauch und gesundheitlichen Gefahren geschützt werden. Diese Vorgabe hat der Grosse Rat 2009 beschlossen. Jetzt präsentiert der Regierungsrat des Kantons Bern das neu geschaffene Gesetz über die Ausübung der Prostitution. Bis Mitte Februar geht der Gesetzesentwurf jetzt in die Vernehmlassung.

 Mit der neu geschaffenen Bewilligungspflicht haben Prostitutionssalons und Escortservices strenge Voraussetzungen zu erfüllen. Haben die Betreiber schwere Straftaten begangen oder bieten sie keine Gewähr für eine rechtskonforme Ausübung der Tätigkeit, wird ihnen die Bewilligung verweigert. Die Betreiber von Salons und Services müssen zudem garantieren können, dass sich keine minderjährigen Personen in ihrem Verantwortungsbereich prostituieren. Bei Pflichtverletzungen drohen hohe Bussen, ein Bewilligungsentzug und ein mehrjähriges Berufsausübungsverbot.

 Die Kritik

 "Probleme bereitet uns die Bewilligungspflicht, aber nicht generell. Bei Betreibern von mehreren Salons oder grossen Etablissements ist es richtig, eine Bewilligung zu verlangen. Sie sollen Aufgaben erfüllen und Verantwortung übernehmen", sagte Martha Wigger, Leiterin der Beratungsstelle für Frauen im Sexgewerbe Xenia, gestern auf Anfrage.

 Der grosse Schwachpunkt des Gesetzes ist laut Wigger: "Wenn zwei bis drei Frauen in einer Arbeitsgemeinschaft tätig sind, müssen auch sie eine Bewilligung haben. Wir fordern, dass diese Frauen keine Bewilligung benötigen. Denn eine solche erhalten sie nur, wenn sie das Einverständnis des Hauseigentümers vorlegen können." Ein solches zu erhalten, sei nahezu aussichtslos. Kaum ein Hauseigentümer würde die Bewilligung dazu geben, dass Sexarbeiterinnen in seinem Haus offiziell tätig seien.

 Ein Beispiel: Eine Frau arbeitet in einer von ihr gemieteten Vierzimmerwohnung noch mit zwei Kolleginnen zusammen. Der Eigentümer weiss dies, hat die Wohnung aber nicht als Salon vermietet. Muss diese Praxis öffentlich gemacht werden, platzt diese Lösung. "Folglich wird diese Frau die Wohnung und den Arbeitsplatz verlieren und in die Illegalität abtauchen", folgert Martha Wigger. Keine Bewilligung braucht es nach dem Prostitutionsgesetz, wenn eine Frau allein in einem Salon arbeitet, den sie von einer Person gemietet hat, die nur einen Salon vermietet.

 Die Rechte

 Überhaupt sei es diskriminierend, die Einwilligung des Hauseigentümers zu verlangen, ereifert sich Wigger, "denn Prostitution ist seit 1942 ein legales Gewerbe. Andere Betriebe benötigen dieses Einverständnis nicht." Schon heute habe es zu wenig Arbeitsräume für Sexarbeiterinnen. "Mit dem neuen Gesetz wird die Situation noch verschärft", kritisiert Xenia-Leiterin Wigger. Positiv ist für sie jedoch, dass die Beratungsstellen per Gesetz gestärkt werden sollen und die Bevölkerung vor unzumutbaren Störungen geschützt werden soll. Die Rechte der Sexarbeiterinnen würden gestärkt und ihre Pflichten geregelt.

 Der Schutz

 Die Prostitution geniesst den verfassungsrechtlichen Schutz der Wirtschaftsfreiheit und hat sich wie jedes Gewerbe den gewerbe-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen zu unterwerfen. Neue Regeln führt das Gesetz bei der Strassenprostitution ein. Es bezeichnet einzelne, genau umschriebene Orte, an denen die Strassenprostitution im ganzen Kanton Bern verboten sein wird. Den Gemeinden steht es aber frei, Ausnahmen vorzusehen. Von der Strassenprostitution betroffen ist heute in erster Linie die Stadt Bern. Sie wird ihre bisherige Praxis auch unter Geltung des neuen Rechts fortsetzen können.

 Das neue Gesetz erleichtert die behördliche Kontrolle des Prostitutionsgewerbes. Es fördert und koordiniert die Zusammenarbeit unter den Behörden und den privaten Fachstellen. Der Informationsfluss unter den Behörden und privaten Fachstellen wird gesetzlich geregelt. Datenschutzrechtliche Vorgaben schützen die Privatsphäre der Sexarbeiterinnen. Entscheidend ist für Xenia-Leiterin Wigger, dass der Regierungsrat darauf verzichtet, eine allgemeine Meldepflicht für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter einzuführen. Eine solche hätte laut Xenia nur "eine unnötige Repressalie" geschaffen. Wer als Ausländerin legal als Sexarbeiterin tätig sein wolle, werde bereits heute registriert: bei der Migrationsbehörde, der Arbeitsmarktbehörde, im AHV-Register und bei der Gemeinde. Seit September 2009 werde zudem von ausländischen Sexarbeiterinnen der Nachweis einer geregelten selbstständigen Tätigkeit verlangt.
 Urs Egli

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Grenchner Tagblatt 13.11.10

Die Prostituierten und die Bevölkerung schützen

 Prävention Der Kanton Bern erhält erstmals ein Prostitutionsgesetz

Bruno Utz

 Prostituierte und Stricher sollen besser vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden. Und auch die Bevölkerung soll weniger unter den störenden Begleiterscheinungen der Prostitution leiden. Diese Ziele verfolgt das erste bernische Prostitutionsgesetz, das die Polizei- und Militärdirektion (POM) von Hans-Jürg Käser (FDP) bis am 14.Februar 2011 in die Vernehmlassung gegeben hat.

 "Bei Personen, in deren Verantwortungsbereich Prostitution ausgeübt wird, ist das grösste Ausbeutungs- und Missbrauchspotenzial zu orten", schreibt die POM. Dazu zählten Betreiberinnen und Betreiber von Prostitutions-Salons und Escort-Services. Deshalb ist im Gesetz eine "strenge Bewilligungspflicht" für die Leiter solcher Betriebe vorgesehen. "Haben sie in der Vergangenheit schwere Straftaten begangen oder bieten sie aus anderen Gründen keine Gewähr für eine rechtskonforme Ausübung der Tätigkeit, wird ihnen die Bewilligung verweigert", schreibt die POM.

 Keine Minderjährigen

 Zu den Pflichten, welche Betreibern von Sexlokalen auferlegt werden, gehört, dass sich in ihrem Verantwortungsbereich keine minderjährigen Personen prostituieren. Diese Forderung erhob unter anderem der Langenthaler Grossrat Daniel Steiner (EVP) in einer Motion. Bei Verstössen drohten Konsequenzen wie hohe Busse, ein Bewilligungsentzug und ein mehrjähriges Berufsausübungsverbot.

 Das neue Gesetz stärkt zudem die Präventions- und Informationstätigkeit durch die Behörden und private Fachstellen wie Xenia und Aids Hilfe Bern (vergleiche Kasten). Die Beratung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern stelle ein nützliches und effektives Mittel im Kampf gegen Ausbeutung und Missbrauch dar, heisst es in der Meldung weiter.

 Neue Regeln führt das Gesetz zudem bezüglich der Strassenprostitution ein. Es bezeichnet genau die Orte, an denen die Strassenprostitution kantonsweit verboten sein wird. Den Gemeinden werden strengere Verbote ermöglicht, aber auch Ausnahmeregelungen. Verboten wird die Strassenprostitution etwa in Wohnzonen, an Bushaltestellen sowie bei Friedhöfen, Schulen, Spitälern und Heimen.

 Das neue Gesetz erleichtert auch die behördliche Kontrolle des Prostitutionsgewerbes. Es fördert und koordiniert zudem die Zusammenarbeit unter den Behörden und den privaten Fachstellen. Eine allgemeine Meldepflicht für Sexarbeiterinnen und -arbeiter ist aber nicht vorgesehen. Einerseits wegen der zusätzlichen Stigmatisierung, andererseits wegen des "nicht zu unterschätzenden bürokratischen Aufwands".

 Gemäss polizeilichen Schätzungen prostituieren sich im Kanton Bern etwa 1150 Personen. Und es bestehen etwa 210 Salons. Eine Studie geht jedoch von mindestens 1800 Personen aus.

 Anstoss zum Gesetz gab eine vom Grossen Rat im März 2009 mit 136 gegen 6 Stimmen überwiesene Motion von Christine Häsler (Grüne) sowie von Räten der SVP, FDP und SP.

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KEIN RUHIGES HINTERLAND
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BZ 15.11.10

Mit Feuerwerk gegen Polizisten

 Liebefeld Beim Neuhausplatz kam es in der Nacht auf Samstag gegen 3 Uhr zu einem Scharmützel zwischen Jugendlichen und der Polizei.

 In der Nacht auf Samstag trieben gegen 3 Uhr beim Neuhausplatz im Könizer Liebefeldquartier Jugendliche ihr Unwesen. Aus der Anwohnerschaft rief jemand die Polizei und meldete, es würden Sachbeschädigungen begangen und die jungen Leute seien am Randalieren, wie Polizeisprecherin Ursula Stauffer erklärt.

 Als die Polizei dann vor Ort war, unterzog sie mehrere Anwesende einer Personenkontrolle. Während dieser Kontrolle wurden aus einer benachbarten Liegenschaft plötzlich Feuerwerkskörper gegen die Polizisten abgefeuert.

 Auch Balkone von umliegenden Häusern dienten als Zielscheiben. Verletzt wurde dabei niemand.

 Schliesslich forderten die Polizisten Verstärkung an und versuchten, die Täter anzuhalten. Doch wehrten sich diese laut Mitteilung der Polizei zum Teil vehement. Gegen zwei Personen wurde deshalb auch Pfefferspray eingesetzt. Schliesslich konnten mehrere Personen angehalten oder kontrolliert werden.

 Es sei möglicherweise nicht gelungen, alle Beteiligten anzuhalten, sagt Polizeisprecherin Stauffer. Gemäss ihren Angaben handelt es sich bei den Tätern um junge Erwachsene im Alter von rund 20 Jahren.

 Ob die Männer der Polizei bereits bekannt sind, lässt Stauffer offen. Weitere Ermittlungen seien in Gang. Mehrere Personen müssten mit einer Strafanzeige rechnen.
 pd/lp

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police.be 13.11.10

Köniz: Feuerwerkskörper gegen Poizisten

13. November 2010

pkb. Am frühen Samstagmorgen feuerten junge Personen in Köniz mehrere Feuerwerkskörper gegen Polizisten ab. Diese setzten schliesslich Pfefferspray ein.

Am Samstag, 13. November 2010, um etwa 0030 Uhr unterzog die Kantonspolizei Bern an der Könizstrasse mehrere Personen einer Personenkontrolle. Plötzlich wurden die Polizisten dabei aus einer angrenzenden Liegenschaft mit Feuerwerkskörpern beschossen. Zudem wurden von der Liegenschaft aus gezielt Pyrotechnika auf Balkone von umliegenden Häusern abgefeuert. Verletzt wurde dabei niemand.
Nachdem die Polizisten Verstärkung angefordert hatten, wurde versucht, die Täterschaft anzuhalten. Da sich diese teilweise vehement wehrte, musste gegen zwei Personen Pfefferspray eingesetzt werden.
Weitere Ermittlungen sind im Gang. Mehrere Personen haben mit einer Strafanzeige zu rechnen.

(ust)

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RANDSTAND BIEL
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bernerzeitung.ch 15.11.10

Vorderhand kein Ersatz für "Alkitreff"

sda / js

 Für den im September geschlossenen Bieler "Alkitreff" dürfte es vorderhand keinen Ersatz geben.

 Negative Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit habe man nach der Schliessung nicht festgestellt, schreibt die Stadt in einer Mitteilung vom Montag.

 Der Gemeinderat beschloss deshalb, in Sachen "Alkitreff" keine weiteren Schritte zu unternehmen und insbesondere kein neues Provisorium für den Winter zu schaffen, wie Gemeinderätin Barbara Schwickert auf Anfrage sagte.

 Nicht ausgeschlossen ist aber, dass es mittelfristig wieder eine derartige Einrichtung geben wird. Die Stadt will einen Drogenbericht erarbeiten lassen, der die Situation breit erfasst und aufzeigt, welche Infrastruktur benötigt wird.

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bielertagblatt.ch 15.11.10

Kein neuer Alkitreff

Der Gemeinderat hat an der Sitzung vom 12.November 2010 beschlossen, keine weiteren Schritte in Sachen Alkitreff zu unternehmen.

(mt) Der Gemeinderat habe an der Sitzung vom 12. November 2010 vom Bericht der Sicherheitsdirektion zu den Auswirkungen der Ende September erfolgten Auflösung des Alkitreffs Kenntnis genommen: "Es kann festgestellt werden, dass sich aus der Schliessung des Alkitreffs für die öffentliche Sicherheit keine negativen Auswirkungen ergeben haben."

Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse habe der Gemeinderat beschlossen, in Sachen Alkitreff keine weiteren Schritte zu unternehmen und insbesondere keine neues Provisorium schaffen zu wollen.

Sollte sich die Situation künftig ändern und würden sich neue Erkenntnisse ergeben, aus denen sich ein allfälliger Handlungsbedarf ableiten lässt, werde der Gemeinderat die Situation neu beurteilen.

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RECHTSEXTREMISMUS
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20 Minuten 18.11.10

Geht Freysinger an Neo-Nazi-Treffen?

 PARIS. Der Bloc Identitaire, eine Gruppe französischer Rechtsextremisten, kündigt die Teilnahme von SVP-Nationalrat Oskar Freysinger an einem Treffen der Gruppe an. An der internationalen Tagung am 18. Dezember in Paris werden rund 20 Rechtsaussen-Bewegungen erwartet. Eines der Konferenz-Themen: Möglichkeiten für Westeuropa zu finden, um sich "gegen die Offensive des Islams zu wehren".

 Freysinger sagt, er sei von einem Freund eingeladen worden. Wer hinter der Tagung steckt, habe er nicht gewusst. Dabei ist laut Experten klar, dass der Bloc Identitaire dem neofaschistischen Gedankengut nahesteht. Selbst SVP-Vizepräsident Yvan Perrin sagt: "Ich persönlich würde nicht an ein solches Treffen gehen." Auch Freysinger überlegt es sich noch einmal: "Wenn es sich wirklich um ein Treffen von Neo-Nazis handelt, werde ich nicht teilnehmen."

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20 Minutes 18.11.10

Oskar Freysinger hôte de l'extrême droite française

 meeting. Le Bloc identitaire, faction politique issue de l'extrême droite, a annoncé la venue prochaine du conseiller national valaisan à un rassemblement islamophobe.

 Des assises internationales sur l'islamisation se tiendront le 18 décembre à Paris à l'appel d'une vingtaine de mouvements de la droite dure. Une conférence à laquelle des orateurs expliqueront comment "résister à l'offensive de l'islam". Invité de marque: l'UDC Oskar Freysinger, "artisan de la votation contre les minarets", stipule le tract du Bloc identitaire. "J'ai répondu à l'invitation d'un ami", précise le conseiller national valaisan. "S'il s'agit en définitive d'un rassemblement de néonazis, je n'irai pas", assure-t-il, surpris d'être ainsi "récupéré" par une mouvance radicale qu'il ne connaît pas. Etonnant, selon Karl Grünberg: "Les interventions de Freysinger sont pourtant souvent reprises par les sites web de ces groupuscules." Le président de SOS racisme a d'ailleurs organisé lundi une conférence pour dénoncer la montée de ces extrêmes. Jean-Yves Camus y était invité. "Le Bloc identitaire est à la recherche d'une respectabilité politique, explique le politologue français. L'UDC représente la réussite du populisme et Freysinger le rebelle qui sait parler à un jeune auditoire." Si pour lui le Bloc ne prône pas les valeurs du IIIe Reich, il n'en demeure pas moins xénophobe et désireux de "purifier l'Europe de son islam". "Personnellement, je n'irais pas à un tel rassemblement", lance le vice-président de l'UDC, Yvan Perrin. "Il appartient à Oskar de savoir où il met les pieds, moi j'ai déjà affronté la presse suite à l'affaire Baettig, c'est beaucoup de travail." -  Shahïn Ammane

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 Baettig déjà invité du Bloc identitaire

 Le conseiller national UDC jurassien a été l'hôte d'un meeting en octobre 2009. Il avait alors prononcé un discours virulent et très applaudi sur les minarets. Mis toutefois mal à l'aise par les propos xénophobes des autres orateurs, il avait quitté le rassemblement. Mais des journalistes de l'émission "Mise au point" avaient immortalisé la scène, provoquant un scandale.

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Tagesanzeiger 17.11.10

Fusstritte an der Chilbi liessen sich nicht beweisen

 Die Beweislage war dünn. Deshalb sprach das Gericht den Angeklagten vom Vorwurf der versuchten Körperverletzung frei.

 Von Patrick Gut

 Schönenberg/Horgen - An der Chilbi in Schönenberg war es im Sommer 2009 zu einer Rauferei zwischen jungen Erwachsenen gekommen. Einer der Beteiligten, ein damals 17-jähriger Schüler aus Wädenswil, wurde am Boden liegend mit Fusstritten gegen den Hinterkopf und in den Rücken traktiert. Dabei erlitt er Blutergüsse am Hinterkopf. Für die Fusstritte soll ein heute 19-jähriger Handwerkerlehrling aus Richterswil verantwortlich sein. Er musste sich gestern wegen versuchter Körperverletzung und Tätlichkeiten vor dem Horgner Bezirksgericht verantworten.

 Er habe als 16-Jähriger in Wädenswil ein paar Lampen demoliert und sei dafür mit zwei Tagen gemeinnütziger Arbeit bestraft worden, gab der Handwerkerlehrling zu Protokoll. Sonst sei er noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Die ihm vorgeworfene Tat stritt er ab. Es sei zuerst zu einem verbalen Streit gekommen am Rande der Schönenberger Chilbi, er selber habe sich im Hintergrund gehalten. Dann seien auch Ohrfeigen ausgeteilt worden. Worum es beim Streit gegangen sei, wisse er nicht mehr.

 Weshalb Stahlkappenschuhe?

 An dieser Stelle hakte der Richter nach: "War die Division Helvetia, bei der Sie Mitglied sind, ein Thema?" Der Angeklagte bestätigte diese Vermutung nicht. Der Richter wollte es noch etwas genauer wissen: Ob es sich bei der Division Helvetia um eine rechtsextreme Gruppierung handle, fragte er. "Weniger", meinte der Lehrling bloss. Es sei eine Gruppe von fünf oder sechs Kollegen. "Eher patriotisch gedacht." Inzwischen habe man sich aufgelöst. Der Richter hakte nach: Ob er mit seinen Kollegen an die Chilbi gegangen sei, um eine Schlägerei zu provozieren? "Weniger", entgegnete der Angeklagte auch auf diese Frage.

 Ungewöhnlich erschien dem Richter, dass der junge Mann mitten im Sommer an einer Chilbi Stahlkappenschuhe getragen hatte. "Bei der Arbeit habe ich immer diese Schuhe getragen und sie waren mir sehr bequem. Zudem bekam ich von den Turnschuhen Schweissfüsse", sagte der Angeklagte. So habe er die Schuhe halt auch in der Freizeit getragen.

 Der Richter konfrontierte den Lehrling mit den Aussagen einer Zeugin, die bei einer Befragung den Angeklagten als Täter identifizierte, bei einer zweiten Befragung aber unsicher war. Der Angeklagte blieb bei seiner Darstellung, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Nach kurzer Beratung sprach das Gericht den Lehrling vom Vorwurf der versuchten Körperverletzung frei. Die Zeugenaussagen seien diffus und teilweise widersprüchlich, und es ergebe sich kein schlüssiges Bild vom Vorfall.

 Teleskop-Schlagstock im Auto

 Gänzlich ungeschoren kam der Angeklagte doch nicht davon. Er war diesen Sommer mit einem Teleskop-Schlagstock im Handschuhfach seines Wagens erwischt worden. Damit hat er gegen das Waffengesetz verstossen. Das Gericht verurteilte ihn zu einer geringfügigen Geldstrafe. Der beschlagnahmte Schlagstock dient nun der Zürcher Kantonspolizei zu Ausbildungszwecken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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 Division Helvetia

 Braune Gruppierung

 Die Bezeichnung "Division Helvetia" taucht im Internet im Zusammenhang mit rechtsextremen Gruppierungen auf. Hans Stutz, Journalist und Experte auf dem Gebiet des Rechtsextremismus, erwähnt die Division Helvetia etwa in seiner Liste mit Meldungen zu Rechtsextremismus und Rassismus in der Schweiz. In einem einschlägigen Forum taucht ein Nutzer mit diesem Namen auf. Auf der Website "Blick nach rechts", welche nach eigenen Angaben über das rechtsextreme Spektrum berichtet und Rechtsextremismus bekämpft, findet die Division Helvetia ebenfalls Erwähnung. Und zwar im Zusammenhang mit einem Neonazi-Skinhead-Treffen in Thüringen im September 2009. Unklar ist, ob es sich bei der Division Helvetia um verschiedene Gruppierungen mit dem gleichen Namen handelt. (pag)

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Bund 17.11.10

Gewaltstudie: Kettiger darf wissen, wer Auskunft gab

 Bundesgericht heisst eine Beschwerde von Anwalt Daniel Kettiger gegen die Burgdorfer Behörden gut.

 Die Stadt Burgdorf ist kein Hort für Rechtsextreme. Dort gibt es auch nicht mehr Gewalt als anderswo. Zu diesem Fazit kam eine Studie, die der Burgdorfer Gemeinderat vor drei Jahren beim Psychologen Allan Guggenbühl in Auftrag gegeben hatte. Die Studie basierte auf Interviews mit 19 "Schlüsselpersonen", die vom Burgdorfer Gemeinderat vorgängig definiert worden waren. In der Folge entbrannte ein heftiger Disput über den Aussagewert des Ergebnisses. Anwalt Daniel Kettiger vermutete eine "tendenziöse Auswahl" und verlangte Einsicht in die Liste der Interviewten. Er berief sich dabei auf das Öffentlichkeitsprinzip im kantonalen Informationsgesetz, wonach jedermann Einsicht in amtliche Akten erhält, "soweit keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen". Der Gemeinderat lehnte das Gesuch ab, und der Statthalter bestätigte den Entscheid, nachdem der Gemeinderat 9 von 19 Namen offengelegt hatte. Personen, die über persönliche Gewalterfahrung gesprochen hatten, waren mit der Bekanntgabe ihres Namens nicht einverstanden.

 Könnte die Forschung leiden?

 Kettiger blitzte mit seiner Beschwerde daraufhin auch vor Verwaltungsgericht ab. Anders als die Vorinstanzen begründete es sein Nein aber nicht mit Gründen des Datenschutzes, sondern mit dem Schutz der Forschung. Anonymität und Vertraulichkeit seien in der Sozialforschung von grosser Bedeutung, befand das Gericht gestützt auf ein Gutachten. Ohne zugesicherte Anonymität könnten bei heiklen Themen kaum noch aussagekräftige Sozialstudien erstellt werden.

 "Wertvolle Hinweise auf Qualität"

 Laut Bundesgericht stehen einer Einsichtnahme in die Namensliste nun aber weder private noch öffentliche Interessen entgegen. Das private Interesse sei gering, weil der Bericht weder wörtliche Zitate noch Beobachtungen enthalte, die einzelnen Personen zugeordnet werden könnten. Die Feststellungen im Bericht seien "durchwegs sehr allgemein gehalten", halten die Richter in Lausanne fest. Demgegenüber gebe es ein gewisses öffentliches Interesse an einer Antwort auf die Frage, auf welche Quellen sich der Bericht stütze. Dieses Interesse sei umso gewichtiger, "als die Quellen von einer politischen Behörde definiert wurden und der Bericht in Zukunft als Grundlage für konkrete Massnahmen dienen könnte". Eine Bekanntgabe der Liste könne mithin "wertvolle Hinweise auf die Qualität der Grundlage des Berichts geben", hält das Bundesgericht fest. Wer die Kosten von Prozess und Gutachten bezahlt, wird das Verwaltungsgericht beurteilen müssen.(bob)

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BZ 16.11.10

Kettiger darf die Namen wissen

 BundesgerichtBurgdorf muss dem streitbaren Anwalt Daniel Kettiger verraten, wer Allan Guggenbühl vor drei Jahren Red und Antwort gestanden ist. Und den Psychologen zur Aussage gebracht hat, die Emmestadt sei kein Hort der rechten Gewalt.

 Der Gang durch die Instanzen dauerte mehrere Jahre, nacheinander blitzte Daniel Kettiger bei der Stadt, beim Regierungsstatthalter und zuletzt beim Verwaltungsgericht ab. Jetzt erfährt der streitbare Anwalt, der sich dem Kampf gegen den Rechtsextremismus verschrieben hat, eine späte Genugtuung: Das Bundesgericht gibt seinem Begehren statt und verknurrt die Stadt Burgdorf dazu, ihm Einsicht in die Namensliste zu gewähren, die 2007 eine Basis der umstrittenen Gewaltstudie von Allan Guggenbühl bildete.

 Im Auftrag der Burgdorfer Behörden untersuchte der bekannte Kinder- und Jugendpsychologe damals, wo in der Emmestadt von wem und in welchem Mass Gewalt ausgeübt wird. Anlass gaben verschiedene Pöbeleien zwischen Jugendlichen aus der rechten und linken Szene, die zum Teil sogar schweizweit Schlagzeilen machten. Im Zuge seiner Arbeit interviewte Guggenbühl 19 Personen, die ihm vom Gemeinderat namentlich so vorgegeben worden waren - und damit begann für Kettiger das Problem.

 Der Anwalt machte nie ein Geheimnis daraus, dass ihm das Resultat von Guggenbühls Arbeit völlig zuwiderlief. Besonders in die Nase stach ihm die Schlussfolgerung, dass Burgdorf kein Hort der rechten Gewalt sei. Umso stärker pochte er in der Folge darauf, zu wissen, auf wessen Aussagen der Psychologe seine Erkenntnis abstützte. Was ihm - bekanntlich - bis heute eben verweigert wurde.

 Nur die Namen

 Während Stadt und Regierungsstatthalter ihr Nein vor allem mit dem Hinweis darauf begründeten, man habe den Interviewpartnern Vertraulichkeit zugesichert, berief sich das Verwaltungsgericht auf ein öffentliches Interesse. Wenn die Namen offengelegt würden, argumentierte es, wäre bei ähnlichen Studien "mit einer Verringerung der Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu rechnen". Und dies sei zugunsten der Wissenschaft zu vermeiden.

 Wie ganz anders argumentiert da das Bundesgericht. Schon Kettiger hatte in seinem Begehren darauf hingewiesen, dass es ihm um die reine Namensliste gehe und von einer Verletzung der Anonymität nur dann die Rede sein könne, wenn bekannt würde, wer genau für welche Aussagen verantwortlich sei. Ähnlich sehen es nun auch die höchsten Richter. Für sie ist klar, dass die Öffentlichkeit die für die Studie so zentralen Quellen kennen soll. Zumal die Interviewpartner "von einer politischen Behörde definiert wurden und der Bericht möglicherweise in Zukunft als Grundlage für konkrete Massnahmen dienen wird".

 Keine wörtlichen Zitate

 Mit der Anonymität haben die Richter bei alledem kein Problem. Es sei ja nie versprochen worden, dass sich die Vertraulichkeit auch auf die Namen beziehe. Deshalb könne weder von einem Vertrauensbruch noch davon die Rede sein, dass bei einer Bekanntgabe der Namen die künftige Arbeit der Wissenschaft erschwert werde.

 Vor allem aber fänden sich im Bericht "weder wörtliche Zitate noch konkrete Beobachtungen, welche allenfalls einzelnen Personen zugeordnet werden könnten". Die Studie sei ohnehin sehr allgemein gehalten. "So wird geschrieben, dass sich etliche Interviewpartner besorgt über die Verwahrlosung des öffentlichen Raums geäussert hätten oder dass sich zwei interviewte Personen nicht wirklich auf eine Diskussion eingelassen, sondern mit ideologischen Floskeln geantwortet hätten."

 Stephan Künzi

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bernerzeitung.ch 15.11.10

Gewaltstudie: Burgdorfer Anwalt kann Interviewten-Liste einsehen

sda / asu

 Im Streit um eine Studie zu Gewalt in Burgdorf hat der Anwalt Daniel Kettiger vom Bundesgericht Recht erhalten: Er kann die Liste der Befragten, welche die Gemeinde Burgdorf für die Studie zusammengestellt hatte, einsehen.

 Hintergrund des Streits ist die Studie "Gewalt im Burgdorf?" aus dem Jahr 2007. Darin kommt der Jugendpsychologe Allan Guggenbühl zum Schluss, dass Burgdorf kein Hort extremer Jugendgewalt sei. Er interviewte für die Untersuchung im Auftrag der Gemeinde Burgdorf 19 sogenannte "Schlüsselpersonen".

 Der damals in Burgdorf wohnhafte Kettiger, der mehrmals Opfer rechtsextremer Gewalt vor Gericht vertrat, kritisierte die Studie heftig und wollte wissen, welche Personen Guggenbühl dafür befragt hatte. Da der Burgdorfer Gemeinderat als Auftraggeber die Liste der Interviewten vorgab, bezweifelte Kettiger die Repräsentativität.

 Das bernische Verwaltungsgericht lehnte die Einsichtnahme ab, weil aus seiner Sicht die Anonymität von Auskunftspersonen zu schützen ist. Andernfalls würden sich solche Personen nicht mehr für Auskünfte zur Verfügung stellen. Das öffentliche Interesse am Schutz der Forschung überwiege das Recht auf Akteneinsicht.

 Nur Aussagen geschützt

 Das Bundesgericht sieht dies indes anders, wie aus dem Urteil vom 29. Oktober hervorgeht. Der Beschwerdeführer Kettiger sandte es am Samstag den Medien zu. Es bestehe kein öffentliches Interesse, das der Bekanntgabe der Identität der Interviewten entgegen stehe, hält das Gericht fest.

 Es unterscheidet insbesondere zwischen der Bekanntgabe des Namens und der Aussagen der Interviewten. Die Vertraulichkeit im Rahmen der Studie betreffe lediglich die Aussagen, aber nicht, ob jemand an der Studie teilgenommen hat. Es könne kein Vertrauensbruch gegenüber den Teilnehmern geltend gemacht werden.

 Das Interesse zu wissen, auf welchen Quellen der Bericht basiere sei wichtig, weil die Quellen von einer politischen Behörde definiert wurden und der Bericht womöglich als Grundlage für konkrete Massnahmen dienen könnte, heisst es weiter.

 Hinweise auf Qualität

 Das überwiege das Interesse der einzelnen Personen an der Geheimhaltung ihres Namens. Die Liste der interviewten Personen liefere "wertvolle Hinweise auf die Qualität" der Grundlagen, auf denen der Bericht basiert, auch wenn dieser gar nicht mit dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit auftrete.

 Eine Veröffentlichung der Aussagen stand indes nie zur Diskussion. Kettiger wollte einzig die Identität der "Schlüsselpersonen" wissen, zu denen Betroffene, aber auch Behördenmitglieder und Journalisten gehörten.

 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Kettiger müsse in die Liste der Personen, die von der Gemeinde Burgdorf für die Studie erstellt wurde, Einsicht erhalten. Über die Kostenaufteilung muss nochmals das Verwaltungsgericht entscheiden. Kettiger hatte die Kosten für ein Gutachten, das gegen ihn ausfiel, übernehmen müssen. (Urteil 1C_284/2010 vom 29.10.2010)

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Langenthaler Tagblatt 15.11.10

Bundesgericht Burgdorfer Namensliste wird publik

 Im Gegensatz zum Burgdorfer Gemeinderat, dem Regierungsstatthalteramt und Verwaltungsgericht kommt das Bundesgericht zum Schluss, die Namen der Interview-Partner zur Studie "Gewalt in Burgdorf?" müssten dem Anwalt Daniel Kettiger offengelegt werden (wir berichteten). Jugendpsychologe Allan Guggenbühl kam darin 2007 nach 19 Gesprächen mit Betroffenen, Behörden- und Medienvertretern zum Schluss, die Emmestadt sei kein Hort der Gewalt. Kettiger, der mehrfach auch Opfer rechtsextremer Gewalt vertreten hat, kritisierte die Form und damit die Inhalte scharf. Im Gegensatz zu allen vorangehenden Instanzen sieht "Lausanne" nun kein öffentliches Interesse, das einer Publikation der Interview-Liste entgegenstünde. Zu wissen, auf welchen Quellen der Bericht basiere, sei wichtig für dessen Interpretation, so das am Samstag von Kettiger versandte Urteil. Wer was sagte hingegen falle durchaus unter den Quellenschutz. So weit ging Kettigers Forderung aber gar nicht erst. (sat)

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Telebärn 14.11.10

Fertig mit der Geheimniskrämerei
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/fertig-mit-der-geheimniskramerei/c=84713&s=1081286

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SANS-PAPIERS
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Zofinger Tagblatt 17.11.10

Den Menschen ohne Papiere helfen

Roger Manzardo

 Luzern Für "Sans-Papiers" gibt es eine neue Kontaktstelle. Als Gründungsmitglieder sind namhafte Organisationen beteiligt.

 Am Wochenende gründeten in Luzern verschiedene Organisationen und engagierte Einzelpersonen den Verein "Kontakt und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern". Es sei im Interesse der ganzen Gesellschaft, dass der Aufenthalt dieser Menschen geregelt werde, gab sich Gründungspatin alt Nationalrätin Cécile Bühlmann überzeugt.

 Berichte bereits bestehender Stellen in Aarau, Basel, Bern und Solothurn zeigen, wie notwendig und dringend der Einsatz für Sans-Papiers ist. Sie leben meist seit vielen Jahren in grosser Angst und Unsicherheit, fast ohne Möglichkeit, mit jemandem über eine nachhaltige Lösung für ihren Aufenthalt und über gesundheitliche oder soziale Alltagsnöte zu sprechen. Präsidentin Nicola Neider (Katholische Kirchgemeinde Luzern) stellte die Gründungsversammlung unter das Motto der Bundesversammlung, "... dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen".

 Fachleute schätzen, dass es im Raum Luzern rund 2000 bis 5000 Betroffene gibt, in der ganzen Schweiz sind es 100000 bis 300000. Die Kontakt- und Beratungsstelle soll in kirchlichen Räumen untergebracht werden. Sie wird mit einem Pensum von 50 Stellenprozenten für Fachleute aus Sozialarbeit und Recht ausgestattet. Es werden auch Freiwillige mitarbeiten. Bereits seit Ende Mai ist eine Gruppe von Jus-Studenten aktiv, die ehrenamtlich Beratungen anbietet.

 Auf breiter Basis

 Als Gründungsmitglieder sind folgende Organisationen dabei: Amnesty International Luzern, Caritas Luzern, Christkatholische Kirchgemeinde Luzern, Demokratische Juristen Luzern, Katholische Kirche Luzern, Luzerner Asylnetz, Luzerner Gewerkschaftsbund, SAH Zentralschweiz, Schweizerischer Katholischer Frauenbund Luzern, VPOD. In den Gründungsvorstand wurden gewählt: Nicola Neider Ammann (Katholische Kirche Luzern, Präsidium), Marie Alice Blum (Katholische Kirche Luzern), Marcel Budmiger (Luzerner Gewerkschaftsbund), Felix Kuhn (Luzerner Asylnetz), Luca Langensand (Demokratische Juristen) und Thomas Thali (Caritas Luzern).

 Nebst Cécile Bühlmann wirken Rechtsprofessorin Martina Caroni und Gassenseelsorger Sepp Riedener als Gründungspaten. Ein Beirat mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Kirchen, Politik und Wirtschaft soll die Arbeit des Vereins begleiten. Eine der Aufgaben des Vereins ist es, die Finanzierung der Kontakt- und Beratungsstelle für eine Pilotphase von zwei Jahren sicherzustellen. Die Katholische Kirch- gemeinde hat eine Anschubfinanzierung von 20000 Franken gesprochen.

 In der ganzen Schweiz gibt es schätzungsweise 100000 bis 300000 Betroffene.

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AUSSCHAFFUNGEN
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Bund 18.11.10

Protest gegen Ausschaffung von schwangeren Frauen

 Rund 50 Menschen haben gestern vor dem Berner Amthaus gegen die Ausschaffung von schwangeren Frauen demonstriert. Sie folgten einem Aufruf des Bleiberecht-Kollektivs Bern, das mit der Kundgebung auf das Schicksal von zwei Kamerunerinnen aufmerksam machte. Die beiden Frauen seien im fünften und sechsten Monat schwanger, heisst es in einem Communiqué des Kollektivs. "Noch nicht geboren, schon in Haft, bald ausgeschafft", stand auf einem Transparent. Das Bundesamt für Migration (BFM) nahm zu dem Fall der zwei Kamerunerinnen keine Stellung.(sda)

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20 Minuten 18.11.10

Gegen die Ausschaffung von Schwangeren

 Bern. Gegen 50 Menschen haben gestern vor dem Berner Amthaus gegen die Ausschaffung schwangerer Frauen demonstriert. Sie folgten einem Aufruf des Bleiberecht-Kollektivs Bern. Dieses wollte mit der Kundgebung auf das Schicksal von zwei Kamerunerinnen aufmerksam machen. Den beiden Frauen droht die Ausschaffung mit Zwangsmassnahmen und dem damit verbundenen psychischen und körperlichen Stress trotz Schwangerschaft.

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BZ 18.11.10

Staatsrechtler kneifen

 SVP-InitiativeStaatsrechtsprofessoren kritisieren die Information des Bundesrats im Vorfeld der Abstimmung. Öffentlich dazu stehen will jedoch keiner.

 Drei Staatsrechtsprofessoren üben gegenüber dieser Zeitung massive Kritik an den Erläuterungen des Bundesrats zur Abstimmung vom 28. November. Darin suggeriere die Landesregierung, dass mit Annahme der SVP-Initiative Ausländer wegen Bagatellen ausgeschafft würden. Diese Darstellung sei "Blödsinn", sagt der Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an einer grossen Schweizer Universität. "Das ist eine unseriöse Information der Stimmbevölkerung". Aus Angst vor Konsequenzen stehen er und seine Kollegen jedoch nicht namentlich zu ihren Aussagen. Würde heute abgestimmt, so fände die Ausschaffungsinitiative wohl eine knappe Mehrheit. Dies das Resultat der 2. SRG-Umfrage. asSeite 13

 Prognose

 Stimmen Sie für die Ausschaffungsinitiative?

 Ja 54%

 Nein 43%

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Professoren üben harte Kritik am Bundesrat - und verstecken sich

 SVP-Initiative Drei renommierte Staatsrechtsprofessoren üben vernichtende Kritik an den Ausführungen des Bundesrats im Abstimmungsbüchlein zur Ausschaffungsinitiative. Aus Angst, dem falschen politischen Lager zugerechnet zu werden, stehen sie jedoch nicht namentlich zu ihren Aussagen.

 Ausschaffungsinitiative oder Gegenvorschlag? Im Abstimmungskampf liegen die Nerven blank. Die Diskussion zu den Vorlagen ist von Emotionen statt von sachlichen Argumenten bestimmt. Davor scheint auch der Bundesrat nicht gefeit: In ihren Erläuterungen zur Volksabstimmung schreibt die Landesregierung, dass die von der Initiative vorgeschlagene Liste mit den für eine Wegweisung massgebenden Straftatbeständen zu stossenden Resultaten führen würde. Dies verdeutlicht der Bundesrat an folgendem Beispiel: "So müsste etwa ein in der Schweiz aufgewachsener ausländischer Jugendlicher wegen eines einmaligen und geringfügigen Einbruchdiebstahls automatisch weggewiesen werden."

 Diese Zeitung wollte von drei verschiedenen Staatsrechtsprofessoren wissen, ob diese Aussage richtig ist. Immerhin hat sie die Landesregierung mit dem sogenannten Abstimmungsbüchlein an alle Stimmberechtigten verteilt. Das Urteil der Gelehrten fiel vernichtend aus.

 "Regierung so plump wie SVP"

 Diese Darstellung des Bundesrats sei "Blödsinn", sagt der Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an einer grossen Schweizer Universität. "Das ist eine unseriöse Information der Stimmbevölkerung." Beim Durchlesen des Abstimmungsmaterials sei er erschrocken: "Darin argumentiert der Bundesrat ebenso plump wie die Gegenseite." Kritik übt der Staatsrechtler auch am "Arena"-Auftritt von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. "Sie machte dort juristische Falschaussagen." Auf die Frage, ob er sich namentlich zitieren lasse, wehrte der Professor ab. Der Grund: Mit solchen Äusserungen werde man "sofort in die rechte Ecke gedrängt".

 Diese Zeitung befragte einen weiteren Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an einer weiteren grossen Schweizer Universität. Dieser sagt: "Bei den Argumenten des Bundesrats stimmen einige Aussagen nicht." Namentlich zitieren lassen will auch er sich nicht. Der Grund: "Ich kritisiere doch nicht vor der Abstimmung ein paar dumme Äusserungen des Bundesrats und sorge so dafür, dass die Initiative angenommen wird."

 Der dritte der Befragten - Professor für öffentliches Recht und Europarecht an einer Schweizer Universität und Inhaber eines Lehrstuhls - sagte schlicht: "Diese Aussage in der Botschaft ist falsch." Mit seinem Namen dazu stehen wollte auch er nicht. "Ich will den Bundesrat nicht tadeln."

 Lieber anonym bleiben wollen offenbar sogar jene Wissenschaftler, die das überparteiliche juristische Pro-Komitee unterstützen. Dies sagt zumindest dessen Gründer Manuel Brandenberg: "In unseren Reihen sind auch Professoren - diese wollen aber namentlich nicht genannt werden."

 Der Grund für das harsche Urteil der Professoren über das Abstimmungsbüchlein: In seinen Erläuterungen suggeriert der Bundesrat, dass Ausländer bei Annahme der Initiative wegen Bagatelldelikten automatisch ausgeschafft würden. In Tat und Wahrheit müssten jedoch National- und Ständerat definieren, welche Delikte zu einem Landesverweis führten. Dies sieht der Initiativtext explizit vor: "Der Gesetzgeber umschreibt die Tatbestände (...) näher."

 Zitat mit Bedingungen

 Diese Zeitung befragte übrigens noch einen vierten Gelehrten, der mit einer interessanten Variante aufwartete. Er, ein ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Staatsrecht an der Uni Bern, sagt: "Das Abstimmungsbüchlein ist in dem Punkt mangelhaft, als der Bundesrat zwar im wiedergegebenen Abstimmungstext, nicht aber in seinen Argumenten darauf hinweist, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Ausschaffungstatbestände zu umschreiben hat." Zu diesem Satz steht er sogar namentlich - allerdings unter einer Bedingung: Es sei zu erwähnen, dass er den Gegenvorschlag unterstütze. Der Name des Professors: Jörg Paul Müller.
 Andrea Sommer

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 Darum Geht es

 Der Initiativtext:

 Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:

 Artikel 121 Abs. 3-6 (neu)

 3 Sie (die Ausländerinnen und Ausländer) verlieren unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status ihr Aufenthaltsrecht sowie alle Rechtsansprüche auf Aufenthalt in der Schweiz, wenn sie:

 a. wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, wegen einer Vergewaltigung oder eines anderen schweren Sexualdelikts, wegen eines anderen Gewaltdelikts wie Raub, wegen Menschenhandels, Drogenhandels oder eines Einbruchsdelikts rechtskräftig verurteilt worden sind;   oder

 b. missbräuchlich Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe bezogen haben.

 4 Der Gesetzgeber umschreibt die Tatbestände nach Absatz 3 näher. Er kann sie um weitere Tatbestände ergänzen.

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 Kritik an Sommaruga

 Stellungnahme In der Abstimmungs-"Arena" des Schweizer Fernsehens vom 5. November sagte SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die Ausschaffungsinitiative führe dazu, dass von schweren Verbrechen bis zu Bagatelldelikten alle gleich behandelt würden. Auch würden Ausländer wegen Bagatellen ausgeschafft. Etwa für das falsche Ausfüllen einer Zeile auf einem AHV-Formular. Oder wegen des Tauschs "von ein paar Gramm Cannabis gegen eine CD".

 Aussagen, die laut den befragten Staatsrechtlern falsch sind. Diese Zeitung konfrontierte die Bundesrätin und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am Dienstag mit dieser Kritik und bat um eine Stellungnahme. Bis gestern Abend liess das EJPD lediglich verlauten, dass man an den Aussagen festhalte. Die Begründung ist noch ausstehend.as

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NZZ 18.11.10

Resozialisieren oder mit Ausschaffung rechnen?

 Wie die Zürcher Gefängnisse mit dem Dilemma der langen Wegweisungsverfahren umgehen

 Weil Wegweisungsverfügungen angefochten werden können, bleibt manchmal bis zum Haft-ende offen, ob ein ausländischer Straftäter definitiv ausreisen muss. Dies schafft unlösbare Probleme im Vollzugsalltag.

 Dorothee Vögeli

 Auch wenn das Migrationsamt innert Kürze die Wegweisung eines verurteilten Straftäters verfügt, dauert es oft lang, bis der Entscheid definitiv ist. Wegen des Rekursrechts bleibt manchmal bis zur Haftentlassung unklar, ob der Verurteilte das Land verlassen muss. Allerdings sind die Chancen auf einen Erfolg bei den Rekurs- und Beschwerdeinstanzen gering: Gemäss Zürcher Migrationsamt werden schätzungsweise 80 Prozent aller Wegweisungsverfügungen angefochten; gesamthaft werden aber nur 5 Prozent der Rekurse gutgeheissen. Deshalb kommt es in den meisten Fällen nach erfolgter Strafverbüssung zum Wegweisungsvollzug. Ist die sofortige Ausreise nicht möglich, weil zum Beispiel die Reisepapiere fehlen, die Herkunftsstaaten die Rückübernahme verweigern oder sich die Betroffenen der Wegweisung widersetzen, kommen sie direkt ins Ausschaffungsgefängnis am Zürcher Flughafen.

 Unterschiede im Strafvollzug

 Doch wie gestalten die Zürcher Gefängnisse den Vollzug bei Straftätern, bei denen noch nicht klar ist, ob sie anschliessend sofort ausreisen oder in Durchsetzungs- oder Ausschaffungshaft kommen? Wie unterscheidet sich ihr Haftvollzug von Straftätern mit einem definitiven Wegweisungsentscheid? Letzteren werden in der Regel keine Vollzugslockerungen gewährt, wie Florian Funk, Leiter des Rechtsdiensts des Amts für Justizvollzug, sagt. Hinsichtlich der gefängnisinternen Bedingungen wie Unterbringung, Betreuung, Beschäftigung, Arbeitsentgelt oder Freizeitmöglichkeiten gibt es hingegen keine Unterschiede.

 Allerdings müsse auch bei den internen Beschäftigungsprogrammen berücksichtigt werden, ob der Gefangene auf ein Leben in der Schweiz vorbereitet werden muss oder ob er das Land nach Verbüssung der Strafe sofort zu verlassen hat. "Ein vertiefter Deutschkurs für letztere Gruppe ergibt keinen Sinn. Allerdings kann ein Basis-Deutschkurs für die Betroffenen wie für die Betreuer den alltäglichen Vollzug insbesondere bei langjährigen Strafen ungemein erleichtern", hält Funk fest.

 Zu einer auf die hiesige Integration ausgerichteten schrittweisen Öffnung gehören in der letzten Phase externe Arbeitseinsätze, welche die Häftlinge auf die berufliche Wiedereingliederung vorbereiten. Da laut Funk auch bei Urlauben und Versetzungen die Fluchtgefahr zu berücksichtigen ist, werden Personen, welche die Schweiz im Anschluss an den Vollzug verlassen oder "aller Voraussicht nach verlassen müssen", solche Lockerungen verwehrt.

 Um Klarheit über das Haftregime zu haben, wäre es daher von grossem Vorteil, wenn der Wegweisungsentscheid des Migrationsamts möglichst früh vorliegen würde - im Idealfall bereits beim Strafantritt. Dies ist laut Funk allerdings selten. Eigentlich falle darunter nur die Gruppe der sogenannten Kriminaltouristen. Bei diesen muss das Migrationsamt keine Abwägung zwischen dem Schutz der Öffentlichkeit und den privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz vornehmen. Sie können nach Absitzen der Strafe ohne Verfügung sofort weggewiesen werden. In allen anderen Fällen muss das Migrationsamt die Gewährung des Bleiberechts prüfen und den Wegweisungsentscheid begründen. Dieser ist rechtlich anfechtbar, die Verfahren können langwierig sein, insbesondere bei Ausländern mit Niederlassungsbewilligung oder mit einem Schweizer Ehepartner.

 Dilemma der Ungewissheit

 Wenn ein erstinstanzlicher Entscheid vorliegt oder "zumindest aufgrund gefestigter Praxis" des Migrationsamts letztlich mit einem definitiven Wegweisungsentscheid zu rechnen ist, werden auf hiesige Integration hinzielende Vollzugslockerungen verweigert, wie Funk ausführt. Damit ergibt sich jedoch folgendes Dilemma: Fehlt bis zur Entlassung der definitive Entscheid oder gewähren die Gerichte wider Erwarten das Aufenthaltsrecht, dann muss manchmal in letzter Sekunde noch eine Stelle für ein Arbeitsexternat gesucht werden. Wegen der knappen Zeit gelingt dies nicht immer.

 Trotzdem werde niemand ganz unvorbereitet aus der Haft entlassen, betont Funk. Auch innerhalb der Gefängnismauern werde die Resozialisierung durch geeignete Schulung, Beschäftigung oder Möglichkeiten des Kontakts mit der Aussenwelt wie Besuche und Telefonate gefördert. Besonders schwierige Situationen entstehen, wenn ein Häftling im offenen Vollzug den definitiven Wegweisungsentscheid erhält. Ein solcher Perspektivenwechsel kann Kurzschlusshandlungen bewirken. Sie führen laut Funk manchmal dazu, dass ein Häftling wegen erhöhter Fluchtgefahr in den geschlossenen Vollzug versetzt werden muss. Zahlen zu solchen Fällen gibt es keine. Wie Funk sagt, gehören die Dilemmas, welche die Verflechtung der straf- und ausländerrechtlichen Dimensionen schafft, zum Vollzugsalltag.

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NZZ 18.11.10

Rechtsschutz bei Ausschaffungshaft

 Ziselierte Regelung

 fel. Lausanne · Die Ausschaffungshaft muss nach spätestens 96 Stunden von Amtes wegen durch einen Richter überprüft werden. Verlangt der inhaftierte Ausländer allerdings zuvor schon seine Haftentlassung, muss der Haftrichter laut einem Urteil des Bundesgerichts die Haftüberprüfung umgehend in die Wege leiten. Die im Gesetz vorgeschriebene amtliche Überweisung der Sache an den Richter wird in diesem Fall durch die Eingabe des Gefangenen "zeitlich überholt".

 Einschränkend wird im einstimmig ergangenen Entscheid der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung ausgeführt, dass die Möglichkeit, sofort den Haftrichter anzurufen, nicht bedeutet, dass dieser bereits vor Ablauf von 96 Stunden entscheidet. Anzumerken bleibt, dass der Inhaftierte frühestens einen Monat nach der erstmaligen Haftüberprüfung wieder um Haftentlassung ersuchen kann (Art. 80 Abs. 2 und 5 Ausländergesetz).

 Urteil 2C_823/2009 vom 19. 10. 10 - BGE-Publikation.

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BZ 17.11.10

Rüge für "zu restriktive" Berner Justiz

 Das Bundesgericht kritisiert die Berner Behörden: Zu Unrecht seien diese auf das Haftentlassungsgesuch eines Türken in Ausschaffungshaft gar nicht eingetreten.

 Stefan Wyler

 Der Türke, der sich vor Bundesgericht beschwerte, ist längst ausgeschafft. Sein Gesuch um sofortige Entlassung aus der Ausschaffungshaft ist somit obsolet - doch das Bundesgericht hat den Fall dennoch an die Hand genommen: Der Fall, so argumentiert es in seinem gestern veröffentlichten Urteil, werfe eine grundsätzliche Frage auf, die sich immer wieder stelle, aber kaum je rechtzeitig überprüft werden könne.

 Der 43-jährige Türke war am 9. November 2009 vom Berner Migrationsamt in Ausschaffungshaft versetzt worden. Am 10. November stellte er ein Gesuch um Haftentlassung. Die Berner Haftrichterin aber trat darauf nicht ein. Begründung: Eine ordentliche Haftprüfung nach Ausländergesetz habe noch gar nicht stattgefunden. Und ein Ausländer könne ein Haftentlassungsgesuch erst einen Monat nach der Haftüberprüfung stellen. Das Berner Verwaltungsgericht bestätigte diesen Entscheid.

 Das Bundesgericht sieht dies nun anders: Die Berner Justiz habe den Begriff Haftentlassung nur nach einer Bestimmung im Ausländergesetz interpretiert und damit das Gesuch "viel zu restriktiv bzw. zu formalisiert" ausgelegt. Laut Ausländergesetz muss ein Richter spätestens nach 96 Stunden die Rechtmässigkeit der Haft überprüfen. Und ein Ausschaffungshäftling kann erst einen Monat nach dieser Prüfung ein Haftentlassungsgesuch einreichen. Diese 96-Stunden-Frist aber, so erklärt nun das Bundesgericht, sei eine Frist, die sich an die Ausländerbehörde richte. Sie hindere keinen Festgenommenen, schon vorher ein Gesuch um Freilassung zu stellen. Schliesslich garantierten die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) jedem Häftling, dass er jederzeit einen richterlichen Entscheid über die Rechtmässigkeit der Haft verlangen könne. Diese Garantien habe die Berner Justiz verletzt. Die Berner Behörden hätten auf das Gesuch um sofortige Haftentlassung eintreten müssen.

 Das Bundesgericht hiess darum die Beschwerde gut und verurteilte den Kanton Bern, dem ausgeschafften Türken eine Prozessentschädigung von 2000 Franken zu bezahlen.

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20 Minuten 16.11.10

"Gesicht zeigen" gegen Ausschaffungsinitiative

 BERN. Schweizer Musiker bekennen Farbe: Stress, Greis und Co. mobilisieren ihre Fans auf Facebook für die Aktion "Zeig dein Gesicht". Und damit gegen die Ausschaffungsinitiative.

 Zwei Wochen gibt es die Facebook-Aktion "Zeig dein Gesicht" erst - und bereits hat sie mehrere tausend Anhänger. Unter ihnen auch diverse Prominente, die damit Stellung gegen die Ausschaffungsinitiative beziehen. Vor der Abstimmung vom 28. November hat auch Rapper Stress "sein Gesicht gezeigt" und macht mit dem Spruch "Deine Herkunft darf deine Rechte nicht beeinflussen" auf dem Internetportal für "zweimal Nein" und somit gegen die SVP mobil.

 Damit nicht genug: Auch Mundartmusiker Greis führt aus: "Ein Rechtssystem, das das Strafmass von der Herkunft abhängig macht? Nie wieder!" Bei der Aktion ebenfalls mit dabei sind die DJs Dani König und Alex Dallas, die Rapper Bandit und Skor sowie Dabu Fantastic und Admiral James T. - sie alle schickten ihren Spruch mitsamt Bild ein, um das Projekt zu supporten. Initiiert wurde das Ganze von einer Gruppe parteiloser Medien- und Kulturschaffender, unter ihnen Oliver Dredge. Dieser ist froh um die prominente Unterstützung, denn "so erreichen wir eine breitere Öffentlichkeit". Bei einer weiteren Online-Aktion namens "Aufruf der hundert" setzen sich indes auch Carlos Leal, Bettina Oberli und Samir gegen die Initiative ein.  

DAVID CAPPELLINI

http://www.facebook.com/neinneinfaces

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Indymedia 15.11.10

"An die Umherziehenden" Faltblatt zu Migration ::

AutorIn : Abschaffen? Wer? Sabotieren! Hier und Jetzt!         

Dieses Faltblatt wurde in und um die Demonstration verteilt, die am Samstag unter dem moderaten Spruch "Ausschaffungen abschaffen" in Zürich stattfand und an der sich etwa 600 Leute beteiligten. Die darin enthaltenen Texte sind:

- An die Umherziehenden (etwas gekürzte und angepasste Version eines Textes, der sich schon seit längerem im Umlauf befindet)
- Überall in Europa: Revolten in den Lagern
- Spartakus ist zurück, es lebe Spartakus
- Richtige Fragen stellen

- Der soziale Krieg hinter dem schweizer Frieden (Chronologie von Revolten bezüglich der Ausschaffungsmaschinerie und Gefängnissen)

Zum selber ausdrucken:
Datei 1: A3 vorne und hinten bedrucken, falten
Datei 2: A4 vorne und hinten bedrucken, in gefaltetes A3 legen     
    
Datei1 - PDF zum ausdrucken: A3 - Seite 1,2, - 5,6
http://ch.indymedia.org/media/2010/11//78716.pdf
Datei2 - PDF zum ausdrucken: A4 - Seite 3,4
http://ch.indymedia.org/media/2010/11//78717.pdf

Mehr : http://ch.indymedia.org/de/2010/11/78714.shtml

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Blick am Abend 15.11.10

Gruppe "Olaf" inszeniert Mörgeli-Klage

 DUBIOS

 Alois B. Stocher (Foto rechts) ist Leiter der "Organisation zur Lösung der Ausländerfrage". Kurz: Olaf. Als Quasi-SVPler inszeniert er sich im Internet - doch seine wahre Identität ist geheim. Mit immer neuen Aktionen hält er sein Projekt am köcheln - und schreckt auch vor Unwahrheiten nicht zurück. Heute meldet Alois B. Stocher, dass SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli mit einer Klage droht. "Obwohl wir uns von der Olaf Schweiz vehement für die konsequente Umsetzung der SVP-Ausländerpolitik einsetzen, droht uns SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli mit rechtlichen Schritten, falls wir die Facebook-Seite von Dr. Alois Stocher nicht binnen einer Woche löschen." Einziges Problem: Mörgeli weiss nichts von der Aktion. "Ich bin doch nicht so blöd und adle die Olaf-Aktion mit einer Klage", sagt Christoph Mörgeli heute morgen zu Blick am Abend. bö

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NZZ 15.11.10

Demonstration gegen Ausschaffung

 bai. · Schätzungsweise 200 Personen aus dem Umkreis des revolutionären Aufbaus und der linksautonomen Szene haben am Samstagnachmittag an einer unbewilligten Demonstration gegen die Ausschaffungsinitiative teilgenommen. Der Zug setzte sich kurz nach 13 Uhr 30 am Central in Bewegung. Die Demonstranten marschierten durchs Niederdorf zum Opernhaus, machten dort kehrt, um über den Limmatquai wieder Kurs aufs Niederdorf zu nehmen. Etwa um 16 Uhr löste sich der Zug auf. Einige Gebäude wurden mit Plakaten beklebt oder beschriftet, und kurzzeitig wurden einige Trams und Autos am Weiterfahren gehindert.

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Indymedia 14.11.10

Communique zur Demo 13.11. in Zürich ::

AutorIn : auf die Strasse!         

An der gestrigen Demonstration "Faschistische Tendenzen bekämpfen- Ausschaffungen abschaffen! haben in Zürich gegen 1000 Personen lautstark und entschlossen teilgenommen.

Der Protest richtete sich nicht nur gegen die ausländerfeindliche Initiative der SVP mit der Abstimmung von 28. September sondern auch gegen diesen Staat und seinen Schergen mit ihrer tagtäglichen menschenverachtenden und ausgrenzenden repressiven Migrationspolitik.

Die Stimmung war gut und es wurden Parolen wie: SVP Rassistenpack - wir haben dich zum Kotzen satt; No Border No Nation - Stop Deportation skandiert.

Hier das Demo-Flugi:

Hinschauen... und handeln! Faschistische Tendenzen bekämpfen ! Ausschaffungen abschaffen!

Wir gehen heute am 13. November 2010 zusammen auf die Strasse um ein klares Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung zu setzen. Jede und Jeder ist aufgerufen daran teilzunehmen!

Am 28. November 2010 wird über die rassistischen Ausschaffungsinitiativen abgestimmt. Dies ist aber nur die Spitze des Eisberges der tagtäglichen Hetzpropaganda der Medien gegen AusländerInnen. Wir wollen uns nicht weiter spalten lassen, noch in In- und AusländerInnen, Beschäftigte und Arbeitslose, Jung und Alt, SchwarzarbeiterInnen und legal Ausgebeutete. Denn diese Spaltung dient letztendlich lediglich den Mächtigen, damit sich die Wut nicht gegen die Profiteure und den Staat richtet!

Fremdenfeindlichkeit ist eine weit verbreitete Reaktion auf die gravierenden Probleme unserer Zeit. Angst um "das Wohl der Nation", die Arbeitsstelle, die Wohnung und sogar um die heimatliche Natur: In der Überfremdung der Eidgenossenschaft sehen viele ZeitgenossInnen das Problem für ihr ganzes Elend. Für sie gibt es kein Problem, für welches sich nicht AusländerInnen als Sündenböcke heranziehen liessen. Während Monaten wird das stereotype Bild vom Ausländer als generell kriminell und als Störenfried gezeichnet und dadurch ein rassistisches Klima gefördert. Beteuerung wie jene, dass "man ja nicht alle Ausländer meine", sind eine billige Ausflucht. Sie ändern nichts daran, dass der Ausländer pauschal als Straftäter in den Fokus rückt.


Die Regierung und die Parteien betreiben eine auf Emotionen und Ängsten basierende Politik, mit der gezielt Ängste geschürt und Hass gesät wird gegen über "AusländerInnen". So behauptet die SVP, dass an einer hohen Kriminalitätsrate AusländerInnen schuld seien. Es komme auf die Herkunft der Menschen an, ob mensch kriminell sei oder nicht. Soziale Verhältnisse und Fluchtgründe werden ausser Acht gelassen. Des Weiteren befindet die SVP MigrantInnen, die keinen Job/Lehrstelle finden als nicht integrationswillig. Es werden aber menschen aufgrund ihres Namens benachteiligt und ausgeschlossen, somit wird es erheblich schwerer eine Lehrstelle/Anstellung zu erhalten.

Besonders bedenklich an der Initiative ist, dass sie die Ausschaffung von Personen in Staaten ermöglicht, in denen Folter und andere menschenrechtswidrige Bestrafungen praktiziert werden. Ausnahmen von diesem Prinzip sind nicht vorgesehen. Damit wird das zwingende Völkerrecht verletzt, an welches die Schweiz gebunden ist. Die Ausschaffung betrifft ausserdem nicht nur die erst kürzlich eingewanderten Personen, sondern auch die nachfolgenden Generation der MigrantInnen, jene Menschen also, die in der Schweiz aufgewachsen sind oder bereits seit Jahrzehnten hier leben. Manche von ihnen kennen nicht einmal mehr ihr ursprüngliches Heimatland. Den vom Parlament bevorzugten Gegenvorschlag ist nicht besser, als die Initiative selber. Der Gegenvorschlag nimmt viele Anliegen der Initiative auf, formuliert sie lediglich etwas weniger problematisch. Es ist ein Versuch der Mitteparteien ihren WählerInnen zu zeigen, dass auch sie in der Lage sind eine harte Ausländerpolitik umzusetzen, unabhängig davon, welche neuen Schwierigkeiten damit geschaffen werden. Beide Vorlagen heizen die Ausländerfeindlichkeit weiter an. und leisten weder einen Beitrag zur Lösung des scheinbaren "Problems der Kriminalität" noch der Integration.

Der Staat mit all seinen Behörden und Ämtern bestimmt, wer dazugehört, wer geduldet und wer hier nicht erwünscht ist. Dazu kommen alltägliche Schikan durch die Polizei. Kriegsprofiteure wie z.b. Die RUAG, verdienen mit ihren Waffenexporten Milliarden; klopfen dann die Menschen hier an die Pforten Europas um vom Krieg zu flüchten, werden sie kriminalisiert und ausgeschafft.

Wir stellen diese System grundsätzlich in Frage, welches den Boden ebnet für Rassismus und Faschismus. Und kämpfen für die Abschaffung dieses Systemes und Staates ansonsten der Faschismus weitergehen wird. Ihre hochgepriesene Sicherheit dient zuallererst denen, die von dieser Wirtschaft profitieren, nämlich den Mächtigen und Reichen.

Es ist ein tagtäglicher Kampf, den wir gemeinsam bestreiten müssen. Wo immer FaschistInnen am Werk sind, zögern wir nicht, Widerstand zu leisten. Kämpfen wir zusammen gegen Rassismus, Faschismus und Sexismus! Der antirassistische und antifaschistische Kampf ist ein Teil des Kampfes für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Herrschaft.

Für eine selbstbestimmte, solidarische Welt ohne Ausbeutung, Herrschaft und Krieg!

Zürich, 13. November 2010

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Sonntag 14.11.10

SVP-AUSSCHAFFUNGSINITIATIVE

 Todesdrohung gegen Ex-Bundesgerichtspräsidenten

 Abstimmungskampf eskaliert - Giusep Nay beobachtet eine "brandgefährliche Gewaltspirale"

Von Nadja Pastega

 Zwei Wochen vor der Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative liegen die Nerven blank. Politiker, die sich exponieren, sagen, seit der EWR-Vorlage von 1992 hätten sie nie mehr derart gehässige Reaktionen erhalten.

 Der Tiefpunkt sind Todesdrohungen gegen den ehemaligen Bundesgerichtspräsidenten Giusep Nay, der in einem Interview gegen die Initiative Stellung nahm. In einem anonymen Schreiben sei ihm angekündigt worden, die Schergen seien bereits unterwegs zu ihm, sagt Nay. "So etwas habe ich noch nie erlebt." Diskussionen würden in der gegenwärtigen Stimmung verunmöglicht. "Das hat mit Demokratie nichts zu tun, sondern ist eine reine Ausländer- und Minderheitenhetze, die - wie die Gegenreaktionen zeigen - zu einer brandgefährlichen Gewaltspirale führt."

 Nay weiter: "Die 1930er-Jahre kommen einem da unweigerlich in den Sinn, wie auch die Neonazi-Szenen in unseren Nachbarländern, die niemals in unserer freien und demokratischen Schweiz Platz greifen dürfen."

 Zu einem Zwischenfall kam es am SVP-Grossanlass vom 6. November in Zürich, wie erst jetzt publik wird. Ein junger Mann mit einem 30 Zentimeter langen Messer wollte sich in den Saal schleichen. Er blieb in der Kontrolle hängen, wurde der Polizei übergeben und im Kastenwagen abgeführt. Seiten 2/3

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Hass-Klima: Ex-Bundesrichter erhält Todesurteil per Post

 Alt Bundesgerichtspräsident Giusep Nay und mehrere Politiker sagen, sie hätten noch nie bei einer Abstimmung derart gehässige und bedrohliche Reaktionen erlebt. Es fällt sogar der Vergleich mit den 30er-Jahren

Von Nadja Pastega

 Die Ausschaffungsinitiative lässt die Emotionen hochgehen wie zuletzt die EWR-Abstimmung 1992. An einem SVP-Anlass wurde ein Besucher, der ein Messer bei sich trug, abgeführt.

 Es sei einfach "widerlich", was sie mit der Post bekomme, sagt Marlies Bänziger. Einzelheiten? Gibts keine. Die grüne Nationalrätin will Nachahmungstäter nicht ermuntern. Bänziger tourt in diesen Tagen durch die Schweiz, tritt an Podiumsdiskussionen gegen die Ausschaffungsinitiative an. Im Saal, erzählt Bänziger, schlage ihr jeweils "eine latente Wut" entgegen. Jetzt schwappt der Volkszorn auch in ihren Briefkasten.

 Es herrsche eine Stimmung, die "eine ausgrenzende Volksbewegung heranzüchten" wolle, sagt Bänziger. Sie spricht von einer "gefährlichen Entwicklung". Sie wirft der SVP vor, "eine Ventilstimmung gegen Ausländer" zu schüren.

 Wie leicht die aufgeheizte Stimmung in blanke Aggression umschlagen kann, weiss alt Bundesrichter Giusep Nay: "Nachdem ich mich in einem Interview mit sachlichen, rechtlichen Argumenten gegen die Ausschaffungsinitiative ausgesprochen habe, bekam ich per Post mein Todesurteil." In dem anonymen Schreiben sei ihm gedroht worden, die Schergen seien bereits unterwegs. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagt Nay, "obwohl ich mich auch früher schon zu heiklen Themen öffentlich geäussert habe."

 Das KlimA ist aufgeputscht wie selten zuvor. Die Ausschaffungsinitiative, sagt der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr, "ist die emotionalste Abstimmung seit dem EWR". Die Initiative gehe "den Leuten direkt unter die Haut".

 Die aufgeladene Atmosphäre entlud sich am vorvergangenen Donnerstag in der Zürcher Gemeinde Dietikon in einem Eklat. Anlass war eine dringliche Interpellation von SVP-Gemeinderat Rochus Burtscher. Dieser wollte vom Stadtrat wissen, ob gegen sechs zum Teil vorbestrafte Migranten aus Dietikon, die am Zürcher Hauptbahnhof eine junge Frau belästigt und einen Schweizer niedergeschlagen hatten, bereits Ausweisungsmassnahmen getroffen worden seien. SP-Gemeinderat Peter Wettler ergriff das Wort - wenig später endete die Sitzung im Tumult. "Ich habe eine ziemliche Breitseite gelandet, das gebe ich zu", sagt Wettler. "Aber was da abgeht, trägt deutlich fremdenfeindliche Züge." Seine Rede eröffnete er mit dem Satz "Die braune Liesel kenn ich am Geläut", ein Zitat aus dem Wilhelm Tell. "Nach 40 Sekunden wurde ich von der gesamten SVP-Fraktion niedergebrüllt." Jetzt bekomme er "grässliche Mails". Jemand habe ihm sogar ein Couvert mit Hundekot in den Briefkasten geworfen.

 Wie enthemmt der Abstimmungskampf inzwischen geführt wird, bekommt auch die SVP zu spüren. Die Partei muss für die Delegiertenversammlung am4. Dezember neue Räumlichkeiten suchen. Die Universität Lausanne lehnt es ab, einen Saal zur Verfügung zu stellen: An der Hochschule sind Flugblätter eingegangen, die dazu aufforderten, Fenster einzuschlagen, Räumlichkeiten zu verwüsten und Autoreifen zu zerstechen. Auf der linksradikalen Internet-Plattform Indymedia wird bereits eine Grossdemonstration angekündigt, sollte die Ausschaffungsinitiative angenommen werden: "Der Ton der SVP wird schärfer - die Demoreaktionen auch!"

 Zu einem Zwischenfall kam es auch am SVP-Grossanlass vom 6. November in Zürich. Das aufgebotene Sicherheitspersonal habe am Eingang Gesichtskontrollen durchgeführt und einen jungen Mann gefilzt, sagt SVP-Nationalrat Hans Fehr, "Er wollte mit einem 30 Zentimeter langen Messer in den Saal." Der Mann sei der Polizei übergeben und im Kastenwagen abgeführt worden.

 Doch das sind für die SVP Kleinigkeiten. Der Anlass sei "super gelaufen", jubelt Fehr. Die Mobilisierung sei "beispiellos". 1100 Personen hätten am 6. November im Saal gesessen und das Streitgespräch zwischen Christoph Blocher und Daniel Vischer (Grüne) verfolgt. Man habe "heftig und lautstark" diskutiert, "aber so muss es auch sein".

 Der grüne Nationalrat Vischer, der bereits an mehreren Podien teilgenommen hat, kennt die Atmosphäre im Land. "Es hat eine Emotionalisierung stattgefunden", sagt Vischer: "Die Stimmung ist so aufgeheizt, dass man gar nicht diskutieren kann."

 Das ist für alt Bundesrichter Giusep Nay alarmierend. Er zeigt sich äusserst besorgt vom Stil, den Abstimmungskampf mit Niederschreien anderer Meinungen zu führen - und dem Verunmöglichen von Diskussionen. Was von den Initianten auch noch ausdrücklich befürwortet werde. "Das hat mit Demokratie nichts zu tun, sondern ist eine reine Ausländer- und Minderheitenhetze, die - wie die Gegenreaktionen zeigen - zu einer brandgefährlichen Gewaltspirale führt", warnt Nay: "Die 1930er-Jahre kommen einem da unweigerlich in den Sinn, wie auch die Neonaziszenen in unseren Nachbarländern, die niemals in unserer freien und demokratischen Schweiz Platz greifen dürfen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden da die richtige Antwort wissen."

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Sonntagszeitung 14.11.10

EU kritisiert Ausschaffungsflüge

 Flugbegleiter: Der Schweiz droht ein Verfahren

 Zürich Die EU kritisiert, dass das Bundesamt für Migration erst ab Sommer 2011 Ausschaffungsflüge begleiten lässt. Laut den Schengen/Dublin-Regeln wäre dies ab Januar 2011 Pflicht. Die Schengen-Richtlinie sei von den Mitgliedsstaaten bis zum 24. Dezember dieses Jahres umzusetzen.

 "Bei einer Verzögerung könnte die EU ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten" sagt EU-Sprecher Michele Cercone. Die EU-Kommission werde genau überprüfen, ob die Regeln eingehalten werden.

 In Österreich ist die EU-Richtlinie "längst Standard", sagt Rudolf Gollia, Sprecher des Bundesinnenministeriums in Wien. Als Folge des Todes eines Auszuschaffenden begleiten seit 2001 Mitglieder des Vereins Menschenrechte Österreich die Flüge. Die Beobachtungen hätten zu einer humanitäreren Behandlung der Auszuschaffenden geführt, bestätigt Ausschaffungsbeobachter Günter Ecker.

 Die Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) fordert schon seit Jahren solche Flugbegleiter. Für SFH- Sprecher Adrian Hauser ist es "absolut unverständlich", warum dies das BFM seit Jahren versäumt hat. Die SFH strebe ein ähnliches Modell an wie in Deutschland, wo ein Beobachter bei Missständen bei der Flugleitung intervenieren kann.  

Niklas Zimmermann

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Sonntagszeitung 14.11.10

Künstler gegen Ausschaffung

 Über 100 Kulturschaffende rufen dazu auf, zweimal Nein in die Urne zu legen

 Von Petra Wessalowski

 Zürich "Wenn ich das nächste Mal vergewaltigt werde, bin ich froh, wenn es ein Schweizer ist." Mit dieser provokativen Aussage setzt sich die Regisseurin Katja Früh für ein zweifaches Nein bei der Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative der SVP vom 28. November ein. "Ich will damit die Absurdität aufzeigen, sich als Opfer eines Verbrechens zu überlegen, ob der Täter ein Schweizer ist oder nicht."

 Sie ist eine von 120 Kulturschaffenden, die sich mit dem "Aufruf der hundert" gegen die Auflösung der Rechtsgleichheit seit heute auf dem Internet einsetzt (www.kunst-und-politik.ch/100). Darunter ist die Elite der Schweizer Autoren, Filmer und Künstler, unter anderem Lukas Bärfuss, Patrick Frey, Gardi Hutter, Franz Hohler, Carlos Leal, Adolf Muschg, Melinda Nadj Abonji, Bettina Oberli, Samir, Christoph Schaub, Ruth Schweikert, Peter Stamm, Peter Weber und Urs Widmer.

 "Wir haben genug von der Fremdenhetze und dem Angriff auf die Menschenrechte", sagt Guy Krneta, Autor und Vorstandsmitglied des Netzwerks "Kunst + Politik", das zuletzt mit den Kurzfilmen von Micha Lewinsky gegen die Ausschaffungsinitiative für Aufsehen sorgte.

 Ziel ist es, möglichst viele Bürger zu mobilisieren. Das könnte knapp werden, denn laut dem Politologen Andreas Ladner haben rund 50 Prozent bereits abgestimmt.

 Gemäss Claude Longchamp stärkt der Aufruf das Selbstbewusstsein der Bürger, die zweimal Nein stimmen wollen, denn die Befürworter wirkten etwas isoliert. "Sukkurs tut da sicher gut." Darüber hinaus glaubt der Meinungsforscher nicht, dass die Aktion viel Wirkung zeigt.

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Blick am Abend 12.11.10

Mit Schuhen gegen SVP

 PROTEST

 "Dasselbe Paar Schuhe!" Mit diesem Slogan führte das überparteiliche Komitee "bern.2xnein.ch" heute Morgen rund um den Hauptbahnhof eine Aktion durch. Überall lagen mit Klebeband zusammengehaltene Schuhe mit der Aufschrift "Ausgeschafft" herum. Ob Ausschaffungsinitiative oder Gegenvorschlag, das sei dasselbe Paar Schuhe, findet das Komitee. pp

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MIGRATION CONTROL
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Rundschau 17.11.10

Flüchtlingshölle Griechenland

Die Flüchtlingsrouten nach Italien und Spanien sind geschlossen, jetzt kollabiert das Asylsystem in Griechenland: Eine erschütternde Reportage von überfüllten Flüchtlingslagern und von Einheimischen, die gewalttätig gegen die Gestrandeten vorgehen.
http://videoportal.sf.tv/video?id=bdfad153-8107-45ed-bcda-ace3970c6e9e

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KNAST
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Indymedia 17.11.10

Solidaritätsbotschaft von Silvia ::

AutorIn : AAZ: http://www.anarchistische-aktion.ch.vu     
    
IN SOLIDARITÄT MIT DEN IN CHILE (CASO BOMBAS) AM 14. AUGUST VERHAFTETEN 14 ANARCHISTINNEN MIT ALLEN CHILENISCHEN UND MAPUCHE POLITISCHEN GEFANGENEN, MIT ALLEN KÄMPFENDEN INDIGENEN VÖLKERN     

Von aussen erhalte ich leider wegen der äusserst lange dauernden Zensur nur fragmentarische Infos über einen starken repressiven Schlag in Chile mit vielen verhafteten anarchistischen Genossinnen und über einen Hungerstreik der gefangenen Mapuche.
Obwohl ich die aktuelle Lage nicht genau kenne möchte ich mit diesen Zeilen meine ganze Solidarität und Nähe zu allen verhafteten chilenischen Genossinnen und den hungerstreikenden gefangenen Mapuche übermitteln. Auf das meine Botschaft diese Gitter überwinde und bis in die chilenischen und argentinischen Knäste gelange...
Ich ergreife die Gelegenheit zu einigen kurzen Überlegungen.
Das Volk der Mapuche setzt sich tagtäglich mit der Repression und Gewalt des Staates und dessen "carabineros" auseinander, mit der Enteignung ihrer Gebiete und der Macht der Multis wie Benetton. Von Protesten mit Mahnwachen, Strassenblockaden und Demos ausgehend, wurde der Kampf mit den vielen Angriffen und Sabotagen jener stärker und breiter, die nicht mehr bereit sind die Herrschaft des Staates und von Multis wie Benetton über ihre ursprüngliche Gebiete und ihre eigenen Leben passiv zu erleiden. Einen wichtigen qualitativen Sprung nach vorne können wir auch in Chile feststellen, mit sehr vielen Aktionen, Bekennungen und immer vertiefteren analytischen Schreiben und Reflexionen. Wahrlich wichtige und bedeutende Beiträge für ein Wachstum der gesamten internationalen revolutionären Bewegung.
Zahlreich sind die Angriffe des FLA (Frente de Liberacion Animal) und FLT (Frente de Liberacion de la Tierra) gegen Metzgereien, Tierzuchtanstalten, Telefonantennen, Masten, Forschungsanstalten... mit einer Botschaft gegen jeden Autoritarismus und Speziesismus.
"(...) Wir betrachten die Technologie als Mittel zu Förderung der Entfremdung und Kontrolle der Mächtigen über die Ausgebeuteten. (...)Wir könnten noch viel mehr sagen über die oberflächlichen Beziehungen, die von den Technologien vorangetrieben werden die definitiv nicht neutral sind" ( Von einer Aktion gegen eine Mobiltelefonantenne der "Banda Salvaje e Insurrecta en Guerra Contra la Dominacion", Mai 2010, Santiago del Chile)
"(...) Tausende Tiere werden täglich von der Mastindustrie und von der menschlichen Gier ermordet, die gerechtfertigt wird durch die Idee, dass Tiere Ressourcen zum Wohle der Menschen sind. Weder die falschen Absichten hinter einer guten Ernährung, noch der Wille eines falschen Gottes rechtfertigen den täglichen Genozid der Fleischindustrie. Darum findet Speziesismus einzig und allein im Autoritarismus seine Rechtfertigung, auch wenn es vielen einige Mühe bereitet es einzugestehen." (Aus einer Aktion gegen eine Metzgerei, FLA, Mai 2010, Santiago del Chile).
Wir müssen uns vor der Gefahr einfacher Mythisierungen hüten in dem wir die Urvölker und Kämpfe in anderen Ländern in ein fremdes und exotisches Mäntelchen hüllen, um hingegen im Bewusstsein auch der Unterschiede den Wert und die Bedeutung ihrer Kämpfe anzuerkennen. Aber wir sollten uns nicht nur darauf beschränken, auf die Revolten anzustossen, die in anderen Ländern ausbrechen, und uns hinter der Tatsache verstecken, dass es sich um von den unseren unterschiedlichen Kontexten handelt, was bloss Rechtfertigungen zur Weiterführung unseres bequemen Alltags sind. Es ist einfach Zuschauerin vor einem Computerbildschirm zu sein, auf einem weichen Sessel, viel schwieriger ist es aufzustehen und die eigenen radikalen Worte in Praxis umzusetzen. Es gibt keine Ausflüchte, wir kennen die direkten Verantwortlichen der andauernden Ausbeutung und Zerstörung. Aber diese Bewusstheit muss mit der Analyse der aktuellen Herrschaftsverhältnisse und der Verbindung unter allen Ausbeutungsformen vereint werden, um einen langfristigen Kampf aufzubauen.
Ein zeitlich unsteter Widerstand, der auf Grund momentaner "Tendenzen" von einem Ziel zum anderen springt, und sich nur von einem momentanen und flüchtigen Enthusiasmus tragen lässt, kann nie zum starken Kampf werden mit der Fähigkeit, die Grundlagen dieses Systems anzugreifen.

Die letzte übrig gebliebenen Stämme sind, in der Verteidigung ihrer ursprünglichen Gebiete und somit ihres Überlebens, ein Bollwerk in der Verteidigung der letzten Biosphären, die der Ausbeutung und Zerstörung noch entgangen sind. Den Biotechmultis, für die Produktion von Soja, Mais, Zucker, Palmöl, Biotreibstoffen...Den Holzbau-, Erdöl-, Wasserkraftunternehmen. Der Gewinnung seltener und kostbarer Metalle für elektronische Bestandteile, dem unterirdischen und Tagesabbau von Kohle...Was einige Beispiele der unendlichen Verheerung sind, die bis ins Innerste dieser Erde reicht, als Tentakel dieses industriellen und technologischen Ungeheuers auf der unendlichen Suche nach neuen Energieressourcen und Rohstoffen um weiter zu überleben. Diese Tentakel abzutrennen ist unsere Aufgabe...
An der Seite der Stämme des Amazonas, der Mapuche, der BäuerInnen Indiens, der Kämpfer im Niger delta...
Gegen das Imperium Benetton, jeden Multi und dieses Todessystem. Gegen alle Repression und die Unterdrückung und Ausrottung der ursprünglichen Völker.
Auch zum Gedenken an unsere im Kampf Gefallenen wie der Genosse Mauricio Morales, der im Feuer des Kampfes, in den Augen und Herzen aller KämpferInnen immer weiterleben wird...
Jenem Mond des Saturns, den die australischen UreinwohnerInnen immer noch im Himmel leuchten sehen...
Jenem leisen Klang aus dem Innersten der Erde...
Kaum hörbare Echos urtümlicher Melodien und rhythmischer Klänge, zeitlos, raumlos, antike Schlachtlieder erschallen erneut und entzünden den Mut aller Seelen zum Kampf...

Silvia Guerini, Knast Biel, Schweiz, Oktober 2010

Dieser Text entspricht selbstverständlich Sinn und Inhalt unseres kollektiven Hungerstreiks 10.-30. September 2010 voll und ganz! d. Üb. m.c.

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Indymedia 12.11.10

Brief von Costa zu seiner Versetzung ::

AutorIn : Costa, Billy, Silvia, Marco Liberi!         

Liebe GenossInnen

Seit Do. 21. Oktober bin ich hier im U-Gefängnis von Thun im Kt. Bern. Die Versetzung vom Gefängnis in Bern war sehr schnell und ohne Ansage, kaum Zeit um schnell meine Ware zu packen, den Wärtern zu übergeben und einige Leute im Abteil zu verabschieden.     
    
Bei meiner Ankunft (bei) kam ich eine gewisse Rigidität beim Sicherheitspersonal zu spüren, ich dachte es sei ein wenig die "Eintritts-Gepflogenheil”, auch wegen den sprach bedingten Kommunikationsproblemen; nachher machten andere Verhaltensweisen klar, dass sehr wahrscheinlich auch die Gründe meiner hastigen Versetzung in Betracht zu ziehen sind, Gründe, die mir Niemand gesagt hat. Bei der Ankunft meiner Ware von Bern begannen die Überraschungen, ich wurde aufgefordert nur drei Bücher und drei Briefe aus der Korrespondenz auszusuchen, der Rest ginge alles zu den Effekten. Da ich Anwaltspost und noch zu beantwortender Korrespondenz vermischt und einige Bücher noch nicht gelesen hatte, aber vor allem weil ich die Effektenlager der Gefängnisse kenne, habe ich mich gewehrt. Es war wie mit den Feuerwehrleuten von Fahrenheit 415 sprechen, eine echte Papier-Phobie: zu viele Bücher, zu viele Briefe..., zu viele Zeitschriften, zu viel Drucksachen; vielleicht zu viel Solidarität (?). Eine der Rosinen, die ich verstehen konnte mit meinem kein Deutsch und etwas mehr Französisch, war die Definition von Bibliothek für meine kaum zwanzig Bücher. Zuletzt schlug ich vor und es wurde akzeptiert, dem Besuch am nächsten Tag alle beantwortete Post und die schon gelesenem Bücher und Zeitschriften raus zugeben: was ich ja schon in Bern mit den Büchern machte.
Am Tag danach beruhigte sich die Lage beim Gespräch mit dem Sicherheitschef ein wenig, wenigstens war nicht mehr von diesem absurden Zahlen die Rede.
Mit dem Gefängniswechsel war meine grosse Sorge, dass auch die Besuchsumstände von Bern sich verändern würden; und tatsächlich auf meine "internen Anfragen” liess mich die Direktion wissen, dass die Besuche nur eine Stunde dauern würden und mit hoher Trennscheibe. Im letzten Moment vor dem Montagsbesuch konnte ich erfahren, dass die Bundesanwaltschaft wieder die vorherige Bewilligung wie in Bern bestätigt hat: keine Trennscheibe. Zwei Stunden Besuch (weil die Angehörigen aus Italien kommen) unter Anwesenheit eines Polizeifunktionärs als Zuhörer.
Üblicherweise findet man bei einem Gefängniswechsel et welche bessere und schlechtere Umstände vor; was von der Struktur aber vor allem von der Hausordnung abhängt, die jede Direktion immer zu personalisieren neigt.
Muss schon sagen, eine Verbesserung der Lage wie in Bern war keine Kunst, da es eine Struktur ist, deren Hermetische Abschliessung der helle Wahnsinn ist. Hier hat es ein grosses 3,5 Meter hohes Fenster, das elektronisch geöffnet werden kann um von ausser Frische Luft zu bekommen. Der untere Fensterteil ist hingegen abgeschlossen mit einer nahen äusseren Sicht-blende zur Verhinderung jeglicher Aussicht. Mit der Ernährung ist es gut gegangen einfach weil ich mit dem Küchenverantwortlichen sprechen konnte, der übrigens sehr zuvorkommend war; in nur zehn Minuten konnte ich gutes veganes Essen mit wichtiger Verbesserungen gegenüber vorher absprechen, für dasselbe Ergebnis brauchte ich in Bern 3 Monate und viele Diskussionen mit nicht immer definitiver und positiven Resultaten. Sonst ist die Lage schlechter als in Bern, der gemeinsame Hof für etwa 20 Gefangene ist äusserst klein und mit Gitter und engmaschigem Maskendraht überdacht und fast ohne Unterstand wem es regnet.
Ein Wärter empfahl für die restlicher 23 Stunden völligen Einschlusses: "Leuten nur für die Medikamente”; wie jedes Gefängnis, so verleugnet auch das hier sich nicht, Psychopharmaka sind der verbreitetste Aspekt und werden grosszügigst verteilt. Aber welch eine Verfälschung, sie als Medikamente zu bezeichnen, wobei Knast voller solcher Lügen oder Fälschungen der Realität ist: Psychopharmaka gehören zur Dimension Knast, sie arbeiten langsam aber beharrlich an der Auflösung des Individuums.
Wie in Bern, so kann auch hier gearbeitet werden, dieselbe entfremdende Aktivität: Schachteln zusammensetzen, die dann die Swatch-Uhren des berühmten Schweizer Uhrenmultis beherbergen werden. Der Lohn ist von Typ "Akkordarbeit”, auf Grund der produzierten Menge, in diesem Fall entsprechen etliche Stunden Tagesarbeit wenig mehr als dem "Wert” eines Beutels Kaffee. Effektiv Arbeit die Mehrheit der Genfänger "nicht wegen dem Geld sondern eher als Zeitvertreib”; ich denke aber nicht, dass der Swatch-Multi diese Arbeit so gering-schätzt.
Die Knäste stellen für viele Multis eine Art von südlichen Inseln der, die in der Reichen und Fortgeschrittenen Welt zerstreut sind. Denn wenn der Süden der Welt für sie seit jeher ein Territorium zur Plünderung und Ausbeutung ist, so gitt dasselbe auch für jeden Ort, wo es Ausgeschlossene und Ausgebeutete hat. Ist es etwa purer Zufall, dass immer mehr jene hinter Mauern landen, die den unaushattbaren Bedingungen im eigenen Land zu entrinnen versuchen? Unsichtbare Ausgebeutete in den glitzerndem Metropolen des Westens so lange möglich, dann hatt eingeschlossen: wegen einer abgelaufenen Aufenthaltsbewilligung oder Macke eine Politikers, der gerade an der Macht ist, aber wieder hört die Ausbeutung nicht auf.
Durch eine Karte der Internationalen Roten Hilfe aus Zürich weiss ich auch von der Versetzung von Marco in einen eher abgelegenen Kanton. Noch weiss ich nichts von Silvia und Billy aber klar ist, dass eine Zerstreuung im Gange ist, als Folge der Streikinitiativen in den verschiedenen Gefängnissen und den hier in der Schweiz und in Italien organisierten Soliinitiativen. Die Zensur erlaubt mir nicht, sehr viele Infos zu erhalten über das, was so überall ablauft, aber diese Aufregung in der Repression lässt vermuten dass die Initiativen nicht unbemerkt bleiben.
Abgesehen davon, dass solche Formen der Repressalie nichts aufhalten können von der starken biovielfättigen verbreiten Solidarität in viele Kämpfen und ganz sicher wird es alle jene nichts entmutigen, die noch kommen.

Allen eine feste Umarmung
Gefängnis Thun, 26. Okt. 2010
Costantino Ragusa

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POLICE CH
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NZZ 15.11.10

Grenzwache soll Kompetenzen abgeben
 
Kanton will Aufgabenabgrenzung

 bai. · Der Zürcher Regierungsrat will als erster Kanton dem Grenzwachtkorps (GWK) Kompetenzen wieder wegnehmen, die man im Jahr 2008 im Zusammenhang mit dem Schengener Abkommen an die Grenzwache abgetreten hatte. Wie Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein in der "Sonntags-Zeitung" bestätigt, soll an die Kantonspolizei zurückgegeben werden, was sich beim Delegieren von sicherheitspolizeilichen Kompetenzen an das GWK nicht bewährt hat. Erfahrungen hätten gezeigt, dass eine genauere Kompetenzabgrenzung erforderlich sei.

 Als grenznaher Kanton sei Zürich an einer optimalen Zusammenarbeit mit dem GWK interessiert, so Hollenstein. Das GWK solle aber seine Kernaufgaben erfüllen, statt Pflichten zu übernehmen, für welche die kantonalen Polizeien zuständig seien. Insbesondere sollen die Grenzwächter laut Regierungsratsbeschluss auf kantonalzürcherischem Gebiet keine Verkehrskontrollen mehr durchführen. In diesem Zusammenhang hat man laut dem FDP-Kantonsrat Martin Farner schlechte Erfahrungen gemacht.

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Newsnetz 14.11.10

Grenzwächter sollen keine Verkehrskontrollen mehr machen

sda / pbe

 Als erster Kanton will Zürich dem Grenzwachtkorps (GWK) Aufgaben wieder wegnehmen, die 2008 den Grenzwächtern abgetreten wurden. Insbesondere soll das GWK keine Verkehrskontrollen mehr durchführen.

 Die Erfahrungen in den vergangenen zweieinhalb Jahren hätten gezeigt, dass eine genauere Kompetenzabgrenzung erforderlich sei, sagte Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) in einem Interview mit der "SonntagsZeitung". Was sich nicht bewährt habe, solle zurückgenommen werden. Zoll- und abgaberechtliche Aufgaben des Bundes müssten von kantonalen Polizeiaufgaben abgegrenzt werden.

 Der Regierungsrat lehne es ab, dass der Bund polizeiliche Befugnisse erhalte, die in die Polizeihoheit der Kantone liegen. Letztlich solle das Grenzwachtkoprs (GWK) "einfach seine Kernaufgaben erfüllen statt Aufgaben zu übernehmen, für welche die kantonalen Polizeien zuständig sind". Als grenznaher Kanton sei Zürich an einer optimalen Zusammenarbeit mit dem GWK interessiert. "Das bedingt aber, dass jeder weiss, welche Aufgaben er hat und welche Kompetenzen ihm zustehen", stellte der CVP-Regierungsrat fest.

 Vereinbarung anpassen

 Bereits im Juli dieses Jahres hatte der Zürcher Regierungsrat die Sicherheitsdirektion beauftragt, mit dem Grenzwachtkorps die 2008 abgeschlossene Vereinbarung neu zu verhandeln. In den vergangenen zwei Jahren habe sich gezeigt, dass die Regelung "gewisse Unzulänglichkeiten aufweist und dass ungelöste Schnittstellen bestehen", heisst es im Regierungsbeschluss.

 Insbesondere soll das Grenzwachtkorps keine Verkehrskontrollen mehr durchführen. Nicht bewährt habe sich auch die selbstständige Ahndung von Betäubungsmitteldelikten, bei Vergehen gegen das Waffengesetz und das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer sowie die Verhaftung und Zuführung von ausgeschriebenen Personen.

 Widerstand im Kantonsrat

 Widerstand gegen die Kontrolltätigkeit des Grenzwachtkorps regte sich auch im Zürcher Kantonsrat. Mit nächtlichen Verkehrskontrollen und Kontrollen in Zügen, weitab von den Landesgrenzen", hätten Grenzwächter in jüngster Zeit "für Unmut und Erstaunen" gesorgt, stellte ein FDP-Kantonsrat in einer Anfrage im Kantonsparlament fest.

 Abgeschlossen wurde die Zusammenarbeitsvereinbarung mit dem GWK in Zusammenhang mit dem Schengener Abkommen. Mit der Öffnung der Grenzen im Personenverkehr wurden Zollkontrollen vermehrt ins Landesinnere verlegt. Seither agiert das GWK oft im selben Raum wie die Kantonspolizeien.

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Sonntagszeitung 14.11.10

Schikane durch Grenzwächter

 Zürcher wollen das Korps zurückbinden

 Zürich Die Zürcher Regierung hat genug vom Verhalten des Grenzwachtkorps - nun will sie die Vereinbarung mit dem GWK abändern. Die Abmachung regelt, welche Aufgaben Grenzwächter im Kanton übernehmen dürfen. Neben rechtlichen Bedenken ist die Regierung mit der Arbeit des GWK unzufrieden. Unter anderem kam es zu Schikanen gegenüber der Bevölkerung. Die neue Präsidentin der Polizeidirektorenkonferenz, Karin Keller-Sutter, sieht sich bestätigt: Der Entscheid zeige, dass dringender Klärungsbedarf über die Rolle des GWK bestehe.SeiteN 5 und 23

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Zürich stoppt Grenzwächter

 Nach Schikanen will die Regierung die GWK-Verkehrskontrollen beenden

 Von Matthias Halbeis

 Zürich/Bern Ein Bäcker erzählt, wie er letzten Sommer um zwei Uhr nachts auf dem Weg zur Backstube von mehreren Beamten des eidgenössischen Grenzwachtkorps (GWK) gestoppt wurde: Er musste zum Alkoholtest, das Fahrzeug wurde kontrolliert, die Beamten spulten das ganze Programm ab. Das einzige Ergebnis: Der Mann kam in Unterstammheim ZH eine Stunde zu spät zur Arbeit.

 Es sind Vorfälle wie dieser, die den Zürcher Regierungsrat dazu bewogen haben, als erster Kanton dem GWK Kompetenzen wieder wegzunehmen, die man zuvor an die Grenzwache abgetreten hat. Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) bestätigt: Was sich beim Delegieren von sicherheitspolizeilichen Kompetenzen ans GWK nicht bewährt habe, soll zurückgenommen werden (vgl. Interview unten). Insbesondere soll das GWK laut Regierungsratsbeschluss auf K antonsgebiet keine Verkehrskontrollen mehr durchführen.

 Das Protokoll der entscheidenden Regierungsratssitzung vom Juli 2010 lässt keine Zweifel aufkommen: Die Zusammenarbeit zwischen dem GWK und der Kantonspolizei im Grenzraum hat sich für die Zürcher Regierung nicht wunschgemäss entwickelt: "In den vergangenen zwei Jahren hat sich gezeigt, dass die Regelung gewisse Unzulänglichkeiten aufweist und dass ungelöste Schnittstellen bestehen." Das Kommando der Kantonspolizei habe das GWK auf die Probleme hingewiesen und gefordert, "Mängel zu beheben". Überraschend ist, dass sich gemäss Protokoll das GWK selbst bei der Ausübung von Kernaufgaben nicht bewährt hat: bei der selbstständigen Ahndung von Betäubungsmitteldelikten, bei Vergehen gegen das Waffengesetz und das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer.

 SP-Chopard sieht im Zürcher Entscheid einen Präzedenzfall

 Insbesondere die Verkehrskontrollen des GWK sorgen in der Grenzregion des Kantons für Diskussionen. FDP-Kantonsrat Martin Farner bestätigt: "Nächtliche Kontrollen durch das GWK haben zu mehreren negativen Reaktionen geführt." Der Gemeindepräsident von Unterstammheim hat im Zusammenhang mit der Bäcker-Kontrolle reagiert: "Dieses Vorgehen war für mich der Anlass, im Kantonsrat Fragen zu stellen, wie der Regierungsrat die Auswirkungen von sicherheitspolizeilichen Tätigkeiten des Grenzwachtkorps sieht." Für ihn ist klar: "Wenn Kontrollen derart durchgeführt werden, ist nachvollziehbar, dass die Bevölkerung solche als Schikane ansieht."

 Die eidgenössische Zollverwaltung will weder den Entscheid des Regierungsrates noch die Kritik zu ihrer Kontrolltätigkeit kommentieren: Man stehe mit den betroffenen Instanzen des Kantons Zürich in Kontakt, sagt Sprecher Walter Pavel. Wenn es im Rahmen eines Vertrags oder einer Vereinbarung offene Punkte gebe, werde man dies direkt und bilateral mit den betroffenen Partnerorganisationen besprechen. Für Anpassungen der Vereinbarungen sei man gesprächsbereit.

 Der Entscheid des Grenzkantons Zürich könnte zum Präzedenzfall werden: So fordert Nationalrat Max Chopard (SP, AG) einmal mehr eine Auslegeordnung darüber, wer in der Schweiz in der inneren Sicherheit für welche Bereiche zuständig ist: "Wenn wir uns eine Vielzahl von Akteuren leisten, sind solche Kompetenzüberschneidungen vorprogrammiert."

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 Das sind die Szenarien für das Grenzwachtkorps

 Der Bundesrat diskutiert nächsten Mittwoch über die Verschiebung des Grenzwachtkorps vom Finanz- ins Justizdepartement.

 Auch der Bundesrat streitet um das Grenzwachtkorps (GWK). Am Mittwoch ist die Departementsreform traktandiert, bei der es um die Neuzuteilung verschiedener Bundesämter geht. Für das GWK gibt es drei Szenarien. Entweder es bleibt im Finanzdepartement. Eine zweite Variante geht davon aus, dass die Grenzwächter genügend Kapazität haben, um Aufgaben im Migrationsbereich für das Bundesamt für Polizei von Simonetta Sommaruga zu übernehmen. Die dritte Variante schlägt die Umteilung ins Justizdepartement vor. André Eicher, Zentralsekretär der Gewerkschaft Garanto, setzt sich für den Verbleib im Finanzdepartement ein. Das GWK sei personell unterdotiert, gerade bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Auch eine Verschiebung ins Justizdepartement sei nicht zu verantworten, denn dann drohten teure Doppelspurigkeiten. Derzeit seien die Synergien mit dem zivilen Zoll gross. Bereits in zwei Wochen sollen definitive Entscheide fallen.  (PW)

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"Jeder soll seinen Job machen"

 Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein erklärt, warum die Zürcher Regierung Kompetenzen zurück will

 Wieso hat Zürich entschieden, Kompetenzen vom Grenzwachtkorps (GWK) zurückzuholen?

 Mir liegt an einer guten Zusammenarbeit mit dem GWK. Aber die Erfahrungen in den letzten zweieinhalb Jahren - so lange ist unsere Vereinbarung mit dem GWK in Kraft - zeigen, dass eine genauere Kompetenzabgrenzung erforderlich ist. Was sich nicht bewährt hat, soll zurückgenommen werden. Und: Zoll- und abgaberechtliche Aufgaben des Bundes sind klar von kantonalen Polizeiaufgaben abzugrenzen.

 Zürich war schon sehr zurückhaltend damit, Kompetenzen an den Bund abzutreten. Was führt dazu, dass Sie jetzt zurückbuchstabieren?

 Der Regierungsrat lehnt es ab, dass der Bund polizeiliche Befugnisse erhält, die in der Polizeihoheit der Kantone liegen. Letztlich soll das GWK einfach seine Kernaufgabe erfüllen statt Aufgaben zu übernehmen, für welche die kantonalen Polizeien zuständig sind. Einfach ausgedrückt: Jeder soll seinen Job machen, aber mit dem Partner gut zusammenarbeiten.

 Problematisch an der bisherigen Situation ist, dass der Bürger nicht weiss, welche Truppe wo welche Kompetenzen hat. Was ist Ihre Haltung?

 Die Bevölkerung soll sicher sein und sich sicher fühlen. Und sie soll in der Polizei einen verlässlichen Partner haben. Wegen des knappen Sollbestands aller Polizeikorps sind wir gerade im grenznahen Raum an einer optimalen Zusammenarbeit mit dem Grenzwachtkorps interessiert. Das bedingt aber, dass jeder weiss, welche Aufgaben er hat und welche Kompetenzen ihm zustehen.

 Was erwarten Sie von der neuen Finanzministerin Evelyne Widmer-Schlumpf, die ja die oberste Chefin des GWK ist?

 Ich bin zuversichtlich, dass ihr als Juristin und langjährige kantonale Regierungsrätin viel an einer klaren Regelung liegt.

 Interview: Matthias Halbeis

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Sonntagszeitung 14.11.10

"Das würden Sie mir nicht zutrauen! Ich war ein absoluter Punkrock-Fan"

 Die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter über ihre wilde Zeit in London, Massnahmen gegen die zunehmende Kriminalität, ihre gescheiterte Bundesratswahl und zwei Fehlgeburten

 Von Sebastian Ramspeck UND Joël Widmer (Text) und Marc Wetli (Fotos)

 Nicht erst seit ihrer Bundesratskandidatur vor gut sieben Wochen ist sie eine der bekanntesten Regierungsrätinnen der Schweiz: Karin Keller-Sutter, die "eiserne Lady aus der Ostschweiz", wie Journalisten sie immer wieder gerne nennen. Am Freitag wurde Keller-Sutter zur Präsidentin der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) gewählt und hat damit eine Schlüsselfunktion für die innere Sicherheit der Schweiz inne. Nüchtern wie Keller-Sutters öffentliche Auftritte ist auch ihr Büro mit Blick aufs St. Galler Kloster: grauer Teppichboden, braunes Pult, weisse Orchideen.

 Frau Keller-Sutter, Glückwunsch zur Wahl! Sie wirken stets diszipliniert. Kommt es eigentlich vor, dass Sie mal ein Glas zu viel trinken und nach Mitternacht ins Bett gehen?

 Dass ich erst nach Mitternacht ins Bett komme, das kommt schon vor. Dass ich zu viel trinke - eher nein. Ich bin eine Anhängerin der Benediktinerregel. Da geht es darum, dass man für sich selbst den Tag strukturiert. Das habe ich gelernt.

 Sie sagten einmal, dass Sie morgens um fünf Uhr aufstehen. Müssen Sie in Ihrer neuen Funktion noch mehr arbeiten - und noch früher aus dem Bett?

 Einmal fragte mich ein Journalist, wann ich an dem Tag aufgestanden sei. Ich sagte: um fünf Uhr. Seither stehe ich für die ganze Nation um fünf Uhr auf.

 Sie sind Langschläferin?

 Normalerweise stehe ich zwischen Viertel nach fünf und halb sechs auf. Daran wird meine neue Funktion nichts ändern. Ich habe gern Zeit für mich am Morgen, gehe mit dem Hund spazieren.

 Sie kandidierten für den Bundesrat, wären vermutlich nationale Justiz- und Polizeiministerin geworden. Nun sind Sie Präsidentin der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren. Welches Amt hat mehr Einfluss auf die innere Sicherheit?

 Für die innere Sicherheit sind die Kantone zuständig, insofern erachte ich deren Einfluss als entscheidend.

 Sie sind also mächtiger als Simonetta Sommaruga?

 Wir haben unterschiedliche Funktionen. Die Kantone haben viel Einfluss, was Organisation und Konzeption anbelangt, und sie erlassen das Polizeirecht. Dagegen ist der Bund für die Gesetzgebung zuständig - etwa beim Strafrecht. Die Macht ist geteilt.

 Ihr Vorgänger Markus Notter war sechs Jahre KKJPD-Präsident. Angenommen, Sie bleiben auch sechs Jahre: Was werden Sie bewirken?

 Ich habe schon als Vizepräsidentin die Politik mitgeprägt, zum Beispiel bei der Vereinheitlichung der Polizeiausbildung. Mir ist vor allem wichtig, dass wir in den kommenden Jahren konzeptionelle Arbeit leisten und Antworten auf eine grundsätzliche Frage finden: Wie erbringt man Sicherheit in diesem Land?

 Wo liegt das Problem?

 Wir leben in einer 24-Stunden-Gesellschaft, drei von vier Menschen in einer Stadt. Die Mobilität ist grösser denn je, die soziale Kontrolle geringer. Seit 30 Jahren nimmt die Gewaltkriminalität zu. Das ist die eine Seite. Auf der andern wird immer unklarer, wer in diesem Land Sicherheit erbringt: Es gibt Kantons- und Stadtpolizeien, das Grenzwachtkorps, die Bahnpolizei, die Militärpolizei - und immer mehr private Sicherheitsfirmen.

 Was ist zu tun?

 Die Kantone müssen noch enger zusammenarbeiten. Es gibt das Projekt des "Sicherheitsverbunds Schweiz", das eine engere Kooperation vorsieht - zwischen den Kantonen, aber auch zwischen der Kantons- und Bundesebene.

 Der neue Armeebericht schlägt 35 000 Soldaten für die Unterstützung der Polizei vor. Brauchen Sie so viel Hilfe?

 Der Grundauftrag der Armee ist die Landesverteidigung. Aber in der heutigen Bedrohungslage ist der wahrscheinlichste Ernstfall ein Einsatz zugunsten der Polizei. Der ehemalige Chef des Führungstabs der Armee sagte ja selbst: Wenn im Rheintal die Panzer über die Grenze kommen, haben sie sich verfahren.

 Was wäre ein solcher Ernstfall?

 Das Hauptproblem ist die Durchhaltefähigkeit. Bei einem Terroranschlag, aber zum Beispiel auch, wenn das Stromnetz ausfallen würde, können Aufgaben entstehen, welche die Polizeikräfte übermässig binden, zum Beispiel mit der Verkehrsregelung. Nach rund 72 Stunden käme die Polizei dann an ihre Belastungsgrenzen.

 Eigentlich bräuchte die Schweiz mehr Polizisten.

 Man könnte die Polizeibestände auf solche Lagen ausrichten, aber das ist politisch nicht machbar. Darum soll man auf die Armee zurückgreifen können.

 Namhafte Juristen sind der Ansicht, solche Armeeeinsätze, aber auch die Einsätze des eidgenössischen Grenzwachtkorps, seien verfassungswidrig, weil sie die Kantonshoheit verletzen.

 Es gibt verschiedene Lehrmeinungen. Grundsatzfragen sind wichtig, aber wir müssen im Alltag handeln können. Im Ereignisfall kann man nicht mit der Verfassung am Strassenrand wedeln, statt zu helfen.

 Die Kritik am Grenzwachtkorps bezieht sich aber nicht auf Extremsituationen, sondern auf den alltäglichen Einsatz.

 Zwischen Armee und Polizei sind die Rollen mittlerweile klar verteilt. Unklar ist dagegen, ob das Grenzwachtkorps bei seinen Einsätzen im Landesinnern dem Kommando der jeweiligen Kantonspolizei unterstellt ist. Ich kann mir verschiedene Modelle vorstellen: im Minimum eine Einsatzunterstellung, im Maximum die Integration des Grenzwachtkorps in die Kantonspolizeien.

 Der Kanton Zürich will jetzt die Kompetenzen des Korps wieder beschneiden.

 Früher hiess es immer: Keller-Sutter hat ein Problem mit dem Grenzwachtkorps. Der Entscheid in Zürich zeigt, dass tatsächlich Klärungsbedarf besteht, und zwar dringend. Auch der Ständerat befasst sich jetzt mit dem Thema.

 Ihr KKJPD-Vorgänger war der Zürcher Regierungsrat Markus Notter. Er sagte in einem Interview, Politiker würden unter Selbstüberschätzung leiden. Es sei nicht entscheidend, ob Frau X. oder Herr Y. ein Departement führe. Korrekt?

 Bis zu einem gewissen Grad schon, ja. Ich würde es aber nicht so absolut formulieren. Ich bin auch der Meinung, dass eine Person die Politik prägen kann, wenn sie Sachen anpackt. Man kann unternehmen oder unterlassen.

 Sie selbst fördern mit Ihren vielen Auftritten die Personalisierung. Schaden Sie der Politik?

 Es gibt immer die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Mich stört die Personalisierung, aber sie ist heute wohl ein Preis, den man bezahlt, um gewisse Projekte anzustossen. Aber bei deren Umsetzung ist die Personalisierung nicht förderlich. Es kann der Eindruck entstehen, es gehe nur um Herrn Y. Da ist es wichtig, dass man eine Distanz zu sich selber hat.

 Vor der Bundesratswahl hiess es, Sie würden sich dort engagieren, wo Sie Aufsehen erregen, und die Alltagsarbeit im Departement vernachlässigen.

 Die Kritik, die Sie ansprechen, wurde von der SP St. Gallen geschürt. Wenn man sich für eine solche Wahl exponiert, werden auch die untersten Schubladen geöffnet. Ich führe mein Departement im sehr engen Austausch mit meinen Amtsleitern. Ich bin mehr als zehn Jahre im Amt, und eine solche Kritik habe ich von den eigenen Leuten nie gehört. Dabei arbeite ich immer noch mit den gleichen Amtsleitern zusammen.

 Wir haben bereits über Ihre Selbstdisziplin gesprochen. Sie sind in einem Wirtshaus aufgewachsen - hat die Völlerei sie abgeschreckt?

 Ja, teilweise schon. Vor allem die alkoholisierten Menschen, die aus der Rolle fallen.

 Das hat Sie also geprägt.

 Was mich mehr geprägt hat, ist der Kontakt zu den Leuten. Meine Eltern hatten ein Restaurant, in dem alle, vom Fabrikdirektor bis zum Arbeiter, verkehrten. Ich lernte, alle gleich zu behandeln.

 Welche Menschen haben Sie am meisten geprägt?

 Ich wuchs mit drei älteren Brüdern auf und musste mich behaupten. Die Auseinandersetzung mit meinem Vater hat mich sicher auch sehr geprägt. Er war ein konservativ denkender Mensch. Er sah die biologische Rolle der Frau, gestand ihr deshalb nur einen beschränkten Wirkungskreis zu. Zum andern war ihm aber auch wichtig, dass ich etwas lerne, um nicht von einem Mann abhängig zu sein. Meine Mutter war ja auch eine Geschäftsfrau.

 Lebt Ihr Vater noch?

 Nein, mein Vater ist bereits 1989 gestorben. Nicht einmal meine Wahl in den Wiler Gemeinderat hat er miterlebt.

 Ihre steile Karriere konnte er nicht verfolgen.

 Ich konnte ihm nicht zeigen, dass Frauen auch übers Bügeln hinaus andere Berufungen haben können.

 Eine ehemalige Schulkollegin sagte uns, Sie seien die Klassenhübscheste gewesen, von den Männern umschwärmt.

 Ehrlich? (Schmunzelt.) Das finde ich nett. (Lacht.) Das weiss ich nicht mehr!

 Das vergisst man doch nicht!

 Hat sie das gesagt?

 Ja. Und Sie seien aufmüpfig gewesen gegenüber den Lehrerinnen.

 Ja, ich wurde für mein Betragen gerügt, weil ich oft Sachen infrage stellte.

 Damals haben Sie auch den Joint geraucht, den Sie einmal erwähnten?

 Das war später, während des Studiums. Ich war ja eine starke Zigarettenraucherin.

 Sie hatten eine wilde Phase?

 Ja - das würden Sie mir nicht zutrauen! Ich war sogar an Punkrock-Konzerten.

 Punkrock?

 Ich war ein absoluter Punkrock-Fan. Ich lebte Anfang der 1980er- Jahre ein Jahr in London und war mehrmals an Konzerten von The Clash. Auch an Konzerten anderer Band - Lords of The New Church zum Beispiel.

 Sie haben sich auch entsprechend gekleidet?

 Ja! (Lacht.)

 Nämlich?

 Schwarze Kleidung, schwarze Fingernägel. Strümpfe mit Löchern waren damals auch in Mode. Ich höre übrigens immer noch gerne Rock, auch The Clash.

 In St. Gallen gibt es alternative Lokale, wo Bands wie The Clash heute spielen würden - das sind nicht Orte, an denen Sie Sympathien geniessen.

 Das weiss ich nicht, aber das sind sicher eher Lokale, in denen sich die linke Szene bewegt. Ich war schon damals, in London, sehr politisch, aber nicht links, eher liberal. Für mich ging es um die Musik. Früher, an der Kanti, hatte ich durchaus linke Ideen. Ich hatte Kollegen, die sich an den Zürcher Jugendunruhen beteiligten, und durchaus Verständnis dafür, dass Jugendliche Freiräume forderten. Meine Eltern hatten daran überhaupt keine Freude.

 Heute hätten Sie auch keine Freude an solchen Aktivisten?

 Ich bin auch heute noch der Meinung, dass Jugendliche Freiräume haben sollen. Und solange Proteste friedlich sind, habe ich kein Problem damit.

 Sie sagten, Sie seien früh liberal geworden. Wie?

 Bei uns zu Hause wurde viel politisiert, mein Vater stand der CVP nahe, er war sehr katholisch und konservativ, hatte aber als Gewerbler auch liberale Ansichten. Das war der erste Teil meiner Prägung. In der Schulzeit las ich dann viel über die Aufklärung, die Französische Revolution. Die Idee, dass Religion Privatsache und der Bürger mündig sei, dass der Staat mit seinem Gewaltmonopol die Freiheit garantieren soll, das hat mich schon als Schülerin fasziniert. In Montreal in Kanada habe ich dann Politikwissenschaften studiert, und als ich zurückkam, war klar, dass ich einer Partei beitreten will.

 Sind Sie gläubig?

 Hm. (Denkt nach.) C. G. Jung sagte einmal: "Ich glaube nicht, ich weiss." Dieser Satz ist mir geblieben - ich würde allerdings nicht so weit gehen.

 Sie haben unsere Frage nicht beantwortet.

 Das ist keine einfache Frage. Es ist einfach zu sagen: Ich bin nicht gläubig.

 Aber eine Politikerin darf nicht sagen, dass sie ungläubig ist?

 Nein. Da kennen Sie mich schlecht. Ich wurde katholisch geprägt und würde das nie verleugnen. Ich bin eine Anhängerin von Hans Küng und seinem theologischen Verständnis. Was man mir als junge Katholikin beigebracht hat - Gut und Böse, Himmel und Hölle, der katholische Glaube ist der einzig richtige: Davon bin ich keine Anhängerin. Mir ist, wie bereits erwähnt, die Benediktinerregel sehr wichtig, davon habe ich viel gelernt: Distanz zu mir selbst. Demut und Gelassenheit. Das ist auch Glaube.

 Religion ist auch in der Politik ein grosses Thema. Sind Sie für ein Kopftuchverbot an Schulen?

 Ich bin für eine pragmatische Haltung: Die Schulgemeinde soll das selbst entscheiden können. Ich war an einer Klosterschule, da gab es eine Hausordnung; wir mussten die Arme bedecken. Mit solchen Vorschriften habe ich kein Problem.

 Der St. Galler Erziehungsrat unter Leitung Ihres Regierungsratskollegen Stefan Kölliker von der SVP empfiehlt ein Kopftuchverbot.

 Wie gesagt: Meiner Meinung nach soll die Schulgemeinde das selbst entscheiden. In meiner Heimatgemeinde Wil sagt die Schulgemeinde beispielsweise: Kopftuchtragen alleine ist keine religiöse Pflicht - eine Muslimin, die eines tragen will, muss alle religiösen Pflichten wahrnehmen, auch beten und so weiter.

 Wenn Sie entscheiden müssten - Kopftuchverbot, ja oder nein?

 Mich stört die Vorstellung, dass die Frau im öffentlichen Raum ihren Kopf bedecken soll. Aber klar: Auch in unserer Kultur gibt es das Kopftuch, wer zum Papst geht, trägt auch eines. Letztlich geht es in der Schule um eine Abwägung zwischen Religionsfreiheit auf der einen, Chancengleichheit, Integration auf der anderen Seite. Letzteres erachte ich als wichtiger.

 Ein anderes Thema, das Ihren Kanton umtreibt, ist der FC St. Gallen. Der Club sollte zunächst vom Staat gerettet werden. Haben Sie diese Lösung auch persönlich befürwortet?

 Wir haben uns den Entscheid in der Regierung nicht einfach gemacht. Ich ritze nicht am Kollegialitätsprinzip. Die Frage war: Was passiert mit der Stadionruine, wenn wir nichts machen? Eine Ruine wäre keine Lösung gewesen.

 Aus liberaler Sicht schon.

 Sie müssen dem Stadtparlament dankbar sein, dass es kein Geld sprechen wollte und am Ende eine private Lösung gefunden wurde.

 Im Nachhinein kann man das so sehen. Sicher ist, dass jetzt alle die private Lösung bevorzugen. Bei der UBS war es das gleiche Problem: Hätte der Bundesrat sagen sollen, wir machen Feierabend, das interessiert uns nicht?

 Aus liberaler Sicht: Ja, hätte er sagen müssen.

 Dann hätten unzählige Kleinsparer und KMUs ihr Geld verloren. Die Verluste hätte die Gesellschaft tragen müssen.

 Der Fall FC St. Gallen zeigt doch, dass der Staat manchmal auch dann hilft, wenn es gar nicht nötig gewesen wäre.

 Als Regierung tragen Sie die Verantwortung. Sie können nicht einfach jedes Risiko eingehen.

 Sie selbst sind mit der Bundesratswahl ein grosses Risiko eingegangen. Nach Ihrer Niederlage sagten Sie, der Tag sei Ihr Hochzeitstag und für Sie daher trotzdem ein Freudentag. Tatsächlich waren Sie traurig!

 Nein, das ist nicht wahr. Ich bin sehr gut auf diese Niederlage vorbereitet gewesen, es ist keine Welt zusammengebrochen. Ich bin jetzt KKJPD-Präsidentin, das ist auch eine spannende Aufgabe.

 Sie werden als St. Galler Ständeratskandidatin für die Wahlen 2011 gehandelt, als Ersatz für Ihre Parteikollegin Erika Forster. Könnten Sie dann Regierungsrätin bleiben?

 Nein, ein Doppelmandat käme für mich nicht infrage. Ob ich für die Ständeratswahl antrete, ist offen. Erika Forster ist jetzt Ständeratspräsidentin und hat keine Eile, ihr Mandat abzugeben. Meine Partei hat auch keine Eile. Und ich habe auch keine.

 Warum sind Sie eigentlich nicht Bundesrätin geworden? Weil viele denken wie SVP-Nationalrat J. Alexander Baumann: "Ich halte Frau Keller für zu karrierebewusst"?

 Interessant, wenn ein Mann, der Unternehmer ist und Militärkarriere gemacht hat und mich überdies gar nicht persönlich kennt, so etwas sagt.

 Weil die anderen Parteien der FDP keine Strahlefrau gönnen wollten?

 Es gibt Parlamentarier, die mir das so gesagt haben: Man wollte keine junge FDP-Frau im Bundesrat. Es war ein demokratischer Entscheid. Punkt. Es bringt mich keinen Millimeter weiter, wenn ich meine Nichtwahl analysiere.

 Haben Sie Fehler gemacht?

 Nein, das glaube ich nicht. Ich habe ein gutes Resultat erzählt, es war knapp, am Ende ging es um eine Stimme, deretwegen ich nicht in den letzten Wahlgang kam. Bundesbern ist eine geschlossene Gesellschaft. Der persönliche Kontakt zu den Bundesparlamentariern hat gefehlt.

 Es gibt FDPler, die sagen, Ihnen gehe eine Politikerqualität völlig ab: gesellig sein, mit dem Fussvolk Bier trinken, schunkeln.

 Privat bin ich gesellig - aber an einem Parteianlass bin ich in einer Rolle: Ich bin als Regierungsrätin dort. Mein Ziel ist nicht, dass sich die Leute daran erinnern, mit mir bis um zwei Uhr morgens geschunkelt zu haben.

 Es gab FDP-Bundesräte, die vor allem für ihre Geselligkeit bekannt waren.

 Gut, okay. Aber es gehört nicht zu meinem Pflichtenheft, mit jedem "frère cochon" (enger Freund) zu sein.

 Sie wollen Grenzen setzen?

 Ich mache nicht jeden Sauglattismus mit, ich bin kein Pausenclown.

 Einige Monate vor der Bundesratswahl sagten Sie einer Journalistin, Sie hätten zwei Fehlgeburten erlitten und sich deshalb ganz auf die Karriere konzentriert ...

 Eine Westschweizer Journalistin machte ein Fernsehinterview mit mir und stellte Fragen nach Karriere, Familie, verglich mich mit "Madame Metzler" und "Madame Leuthard", die hätten ja auch keine Kinder: "C'était un choix!" ("Das war eine Wahl!") Ich zögerte. Was sollte ich darauf antworten? Schliesslich sagte ich: Nein, es war keine Wahl, ich hatte zwei Fehlgeburten. Ohne die wäre mein Leben anders verlaufen. Mein Kind wäre jetzt 18.

 Die Journalistin wirkte verstört.

 Es war einer dieser Momente, in denen ich spürte, dass es sehr starke vorgefasste Ansichten gibt. Eine Karrierefrau! Ich habe manchmal auch solche vorgefassten Meinungen. Und dann denke ich: Nein - gaats no! Man meint zu wissen, wen man vor sich hat. Davor muss man sich hüten. Dann erlebt man immer wieder Überraschungen.

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 Strahlefrau, Hardlinerin, Bundesratskandidatin

 Karin Keller-Sutter, 46, wuchs in Wil SG auf, wo sie mit ihrem Mann lebt. Keller-Sutter absolvierte eine Ausbildung als Dolmetscherin in Zürich, studierte Politikwissenschaft in London und Montreal sowie Pädagogik in Freiburg. Sie machte eine steile politische Karriere in der FDP St. Gallen und ist seit 2000 kantonale Justiz- und Polizeidirektorin. Keller-Sutter hat sich über die Kantonsgrenzen hinaus als Sicherheitspolitikerin profiliert - unter anderem gegen die Gewalt im Sport. Bei der Bundesratswahl am 22. September unterlag sie ihrem Parteikollegen Johann Schneider-Ammann.

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SICHERHEITSFIRMEN
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St. Galler Tagblatt 13.11.10

Regeln für Sicherheitsfirmen

 Die Kantone wollen das Zulassungsverfahren für private Sicherheitsfirmen schweizweit einheitlich regeln. In der Westschweiz gibt es Widerstand.

 Lausanne. An ihrer Herbstkonferenz verabschiedeten die Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) gestern Freitag ein weiteres Konkordat. Einheitliche Regeln in einem einzigen Konkordat seien nicht möglich gewesen, sagte der Zürcher Justizdirektor Markus Notter. Die Westschweizer Kantone halten nämlich an ihrem bestehenden Konkordat fest. In der Westschweiz besteht bereits seit 1996 ein Konkordat für die Zulassung von privaten Sicherheitsfirmen.

 "Grosser Fortschritt"

 Die Regelungen hätten sich bewährt - insbesondere wegen des geringen Verwaltungsaufwandes, sagte der Waadtländer Justizdirektor Philippe Leuba. In der Westschweiz sind private Sicherheitsfirmen bewilligungspflichtig. Das Konkordat der übrigen Kantone strebt darüber hinaus eine Bewilligungspflicht für die einzelnen Angestellten an. Die Kantone müssen nun in den kommenden zwei Jahren dem einen oder dem anderen Konkordat beitreten.

 "Aus Sicht des Bundes sind diese Konkordate ein grosser, begrüssenswerter Fortschritt", sagte Marc Schinzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Justiz. Da mehrere Deutschschweizer Kantone bisher gar keine Regelungen für private Sicherheitsfirmen kennen, können Sicherheitsfirmen sich in einem Kanton niederlassen und die in einem anderen Kanton geltenden strengeren Regeln unterlaufen. Nicht in den Geltungsbereich des Konkordats fällt die Tätigkeit von in der Schweiz ansässigen privaten Sicherheitsfirmen, die in ausländischen Konflikt- und Krisengebieten tätig sind. Die Zulassung solcher Firmen will der Bund einheitlich regeln. Bis Ende Jahr muss das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement dem Bundesrat dazu einen Bericht vorlegen.

 Der Bundesrat stellte in diesem Bereich Handlungsbedarf fest, nachdem mit der Aegis Group - mit 20 000 Mitarbeitern eine der weltweit grössten Söldnerfirmen - ihren Holdingsitz nach Basel verlegt hatte.

 Spitzel eingeschleust

 Im Inland warf in der Vergangenheit ein Fall der Securitas Wellen. In der Westschweiz geriet das Unternehmen vor zwei Jahren ins Zwielicht, nachdem bekanntgeworden war, dass es im Auftrag des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé bei der globalisierungskritischen Organisation Attac Spitzel eingeschleust hatte. Wegen Verjährung der strafrechtlich relevanten Vorwürfe kam es in dem Fall nicht zum Prozess.

 Präsidium neu besetzt

 Die KKJPD hat an ihrer Konferenz das Präsidium neu besetzt. Neue Präsidentin ist die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter. Sie folgt auf den Zürcher Regierungsrat Markus Notter.

 Die KKJPD beschloss zudem einen Ausbau des Entführungsalarmsystems. Ab Februar werden die Alarmmeldungen im Falle von Entführungen auch per SMS auf Handys von freiwillig registrierten Benutzern übermittelt.

 Weiter sollen die Kantone über den Sicherheitsverbund Schweiz die Sicherheitspolitik künftig als "gleichberechtigte Partner" mitgestalten, wie es in der Mitteilung der KKJPD heisst.

 Überdies will die KKJPD die Empfehlungen für Einstufungen von Kinofilmen nach Alter vereinheitlichen. Die zuständige Kommission "Jugendschutz im Film" soll sich auf die Empfehlungen der deutschen Filmwirtschaft stützen.

 Die in der KKJPD versammelten Regierungsräte sprachen sich in einer Konsultativabstimmung mit 31 zu 6 Stimmen zudem gegen die Ausschaffungs-Initiative und für den Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament aus. (sda)

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BIG BROTHER
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WoZ 18.11.10

Deutschland

 Drohnen gegen DemonstrantInnen

 Wenn man einen "fliegenden Spion" besitzt, muss man ihn auch einsetzen, hat sich Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) wohl gedacht. Ende letzter Woche wurde bekannt, dass die niedersächsische Polizei bei den Protesten gegen den Castor-Transport zwischen dem 5. und 9. November vier Mal eine Überwachungsdrohne eingesetzt hat - und so die Persönlichkeitsrechte der Anti-Atom-DemonstrantInnen verletzte. Laut der Polizei in Lüneburg sei einer der Einsätze ein "reiner Testflug" gewesen, über die Details der weiteren Flüge ist bis anhin noch nichts bekannt.

 Laut dem Internetportal MVregio hat die Drohne jedoch Bilder geliefert, die "bei der nachträglichen Aufklärung von Straftaten eine Rolle spielen könnten". MVregio beruft sich dabei auf polizeiinterne Informationen. Der niedersächsische Datenschutzbeauftragte Jo a chim Wahlbrink erklärte die Fotos und Videoaufnahmen der Drohne für unzulässig. Polizei oder Innenministerium hätten Informationen über Sinn und Zweck des Drohneneinsatzes zur Prüfung vorlegen müssen.

 Auch die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg bezeichnet den Drohneneinsatz als "rechtlich äusserst problematisch". Gemäss ihrem Sprecher Wolfgang Ehmke kommt im Umfeld der Castor-Demonstrationen "nach dem angeblichen Übungsflug eines Tornado-Aufklärers am 8. November und dem offensichtlich rechtswidrigen Eingreifen eines französischen CRS-Gendarmen nun noch mehr parlamentarische Aufklärungsarbeit hinzu".

 Bei den Protesten war es vonseiten der Polizeieinheiten zudem zum massiven Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken gekommen, wie der Anwalt Peer Stolle in einem Interview mit der Tageszeitung "taz" sagte. Stolle hat die Castor-Proteste als "anwaltlicher Beobachter" begleitet. "Der Einsatz erfolgte ohne Ankündigung oder Vorwarnung." Einige Polizisten benutzten sogenannte Totschläger und hätten gezielt auf die Köpfe der DemonstrantInnen eingeschlagen. "Es gab mehrere Fälle von Gehirnerschütterungen und Knochenbrüchen, über 900 Personen erlitten Augenreizungen durch Pfefferspray." sw

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Bund 18.11.10

Polizei registriert Verdächtige als "Täter"

 Der Datenschützer taxiert die Datenbank der Schwyzer Kantonspolizei als nicht gesetzeskonform.

 Maurice Thiriet

 Der Schwyzer Unternehmer A. B.* ist 1996 wegen eines Betrugsdeliktes mit der Schwyzer Polizei in Kontakt gekommen. Vergangenen Sommer verlangte er Einsicht in seine Akte im System ABI, dem Automatisierten Büro- und Informationssystem der Schwyzer Kantonspolizei, und sah, dass er dort im Zusammenhang mit dem 14 Jahre alten Betrugsverdacht als "Täter" bezeichnet ist. Auf Reklamation von B. verlangte die Kapo Schwyz von B., ein entsprechendes Urteil oder eine Einstellungsverfügung zuzuschicken, damit der Eintrag ergänzt werden könne.

 Darauf reagierte B. nicht. Stattdessen schaltete er den Datenschutzbeauftragten des Kantons Schwyz ein, Jules Busslinger. Auf dessen Intervention ergänzte die Schwyzer Kantonspolizei den Datenbankeintrag in "‹Tatverdächtiger›, gemäss Empfehlung des Öffentlichkeits- und Datenschutzbeauftragten", wie aus einem Schreiben von Busslinger an B. hervorgeht.

 Hans Blum, Chef Betrieb und Recht bei der Kapo Schwyz, der wegen des "Täter"-Eintrags bereits zweimal von B. verzeigt worden ist, räumt den Fehler ein. "Die ABI-Einträge werden von einem 14 Jahre alten Rapportsystem übernommen, das Sachverhalte und Personen nicht einheitlich klassifiziert. In Einzelfällen kann es deshalb zutreffen, dass Verdächtige oder Angeschuldigte als ‹Täter› eingetragen sind, auch wenn sie freigesprochen wurden oder das Verfahren eingestellt wurde", sagt Blum. Das Problem löse sich Anfang 2011, wenn nach neuer Strafprozessordnung nur noch von "Beschuldigten" die Rede sei.

 Für Datenschützer Busslinger ist das Problem so längst nicht einfach gelöst. Im Gegenteil. Einerseits bleiben die Einträge von vor 2011 unverändert stehen. "Andererseits dürfte im ABI bis 2011 die Unschuldsvermutung generell missachtet worden sein, denn der Begriff ‹Täter› erscheint als Spaltenüberschrift und liegt somit in jedem einzelnen Eintrag vor", sagt Busslinger. Und solche Einträge seien nicht rechtmässig. "Zum Zeitpunkt des Ersteintrags im System hat auch die Polizei von der Unschuldsvermutung auszugehen", sagt Busslinger. Er hat von der Kapo Schwyz verlangt, dass diese Einträge geändert werden. Und: "Ich werde nächstes Jahr kontrollieren, ob das gemacht wurde", sagt Busslinger. Neben der falschen Bezeichnung von Angeschuldigten als Tätern stösst sich Busslinger auch daran, dass einmal gemachte Einträge nicht automatisch aktualisiert werden. Auch wenn ein Angeschuldigter freigesprochen oder ein Verfahren gegen ihn eingestellt wird, figuriert er, wenn nicht gleich als "Täter", so weiterhin wenigstens als Tatverdächtiger im ABI. Das kann den Betroffenen nicht nur im Kanton Schwyz Scherereien bringen. Laut dem Schwyzer Datenbankregister gehören nicht nur das Schwyzer, sondern auch "andere Polizeikorps", die nicht näher definiert sind, zu "regelmässigen Empfängern" der ABI-Daten, in denen rund 60 000 Personen verzeichnet sind. Das kann für Verzeichnete, die etwa grundlos wegen häuslicher Gewalt angezeigt worden sind, weitreichende Konsequenzen haben. Sind sie einmal als Gewalttäter im ABI verzeichnet, wird sich die Polizei bei einer allfälligen neuerlichen Begegnung von Vorgehen und Ausrüstung her auf einen Gewalttäter einstellen.

 Datenschutzgesetz verletzt

 Busslinger ortet hier eine systematische Verletzung des Schwyzer Datenschutzgesetzes. "Die Strafprozessordnung sieht nicht vor, dass die Gerichte den Ausgang der Strafverfahren an die Polizei zurückmelden müssen", sagt Busslinger. Zwar ändert die Kapo Schwyz die ABI-Einträge mittlerweile auf Begehren von Verzeichneten und gegen Nachweis der Freispruchsurkunden oder Einstellungsverfügungen, wie Blum sagt. Doch das genügt laut Busslinger nicht. "Einzig die automatische Meldung der Verfahrensausgänge seitens der Gerichte an die Kapo würde aus ABI eine dem Datenschutzgesetz entsprechende Datenbank machen. ABI dient der Fahndung und Ermittlung von Personen. Nach dem geltenden Datenschutzgesetz müssen die Daten deshalb lückenlos aktualisiert werden", sagt Busslinger.

 * Name der Redaktion bekannt

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BIG BROTHER SPORT
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NZZ 17.11.10

Durcheinander bei Sicherheitskosten

 Schweizer Fussballklubs werden für Polizeieinsätze gegen Hooligans unterschiedlich stark zur Kasse gebeten

 Die finanziellen Abgeltungen für Polizeieinsätze gegen Hooligans entwickeln sich zu einem föderalistischen Durcheinander. Die unterschiedlichen Ansätze für die Fussballklubs führten zu einer Wettbewerbsverzerrung, kritisiert der FC St. Gallen.

 Jörg Krummenacher, St. Gallen

 Rainer Sigrist und Bill Mistura, der abtretende Verwaltungsratspräsident und der CEO der Betriebs-AG des St. Galler Stadions, haben im Stadtparlament keine Freunde mehr. Erst vor kurzem hatte dieses einen städtischen Beitrag an die inzwischen mit privaten Geldern geretteten Stadiongesellschaften verworfen, nicht zuletzt aus Unmut über das Verhalten von Sigrist und Mistura. Am Vorabend eines Parlamentsentscheids über die Abgeltung der Sicherheitskosten liessen die beiden den Fraktionen nun einen Brief zukommen, in dem sie unverhohlen rechtliche Schritte in Aussicht stellen, sollte das Parlament nicht in ihrem Sinn entscheiden.

 Abzug eines Sockelbeitrags

 Am Dienstagabend liess das St. Galler Stadtparlament die Herren Sigrist und Mistura wiederum abblitzen: Deren Schreiben grenze an Nötigung. Inhaltlich entschied das Stadtparlament einstimmig, der Betriebs-AG ab nächstem Jahr 60 Prozent der Sicherheitskosten zu verrechnen, abzüglich eines Sockels von 200 Einsatzstunden pro Spiel für die "polizeiliche Grundversorgung". Das dürfte der Stadionbetreiberin, der letzte Saison - ohne Sockel - 1,06 Millionen Franken verrechnet wurden, immerhin eine Ersparnis von gegen 400 000 Franken pro Jahr bringen.

 Betriebs-AG und FC St. Gallen hatten gewünscht, dass die Regelung nicht, wie nun geschehen, in einen Reglementstext gegossen, sondern vertraglich fixiert wird, zudem hätten sie eine Abgabe pro Matchbesucher oder eine Pauschalgebühr bevorzugt. Die neue Regelung, schreiben Sigrist und Mistura, sei "massiv wettbewerbsverzerrend".

 Tatsächlich spiegelt die Auseinandersetzung den Wirrwarr um die Kostenübernahme von Polizeieinsätzen gegen Hooligans. So unbedarft das Schreiben ans St. Galler Stadtparlament war, so zutreffend ist die Kritik der Wettbewerbsverzerrung. Während andere der zehn Super-League-Vereine noch nicht oder kaum an den Sicherheitskosten beteiligt werden, zahlt der FC St. Gallen, umgerechnet pro Besucher, den vorderhand höchsten Betrag. Roger Schneeberger, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, bestätigt das Ungleichgewicht: "Wir möchten eine Vereinheitlichung, dies mit Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klubs und ihr Mittun bei den Massnahmen gegen Hooliganismus."

 Varianten und Beschwerden

 Dies zu erreichen, dürfte schwierig werden, sind die Vereinbarungen doch individuell zwischen den Vereinen und den Kantons- oder Stadtbehörden abzuschliessen. Gültige, wenn auch stark voneinander abweichende Vereinbarungen kennen derzeit, neben dem FC St. Gallen, nur vier Vereine: Der FC Basel zahlt der öffentlichen Hand 1 Franken 80 pro Besucher für die Sicherheit, der FC Thun lediglich 15 Rappen, während den Berner Young Boys ein jährlicher Pauschalbetrag von 60 000 Franken verrechnet wird. In Luzern, wo der Fussballklub bis anhin 1 Franken 50 pro Zuschauer zahlt, laufen Verhandlungen mit dem Kanton für eine neue Lösung, während in Bellinzona und Sion seitens der Behörden noch keine Vorschläge auf dem Tisch liegen. In Zürich, wo ein Bonus-Malus-System angewendet werden soll, sind die beiden Klubs mit der Stadt juristisch im Clinch, und auch Xamax Neuenburg ficht die Rechnungen des Kantons an. Roger Schneeberger bleibt trotzdem zuversichtlich: "Wir sind auf Kurs, die Lösungen brauchen jedoch mehr Zeit als geplant."

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EX-SQUAT ZH
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Tagesanzeiger 15.11.10

Verlosung im Atlantis

 Run auf Studentenzimmer für 400 Franken

 Die Nachfrage übersteigt das Angebot massiv. 60 Leute wollten die ersten 18 günstigen Zimmer im Luxushotel mieten.

 Von Patrik Berger

 Zürich - Unternehmer Werner Hofmann fackelt nicht lange. Am Dienstag waren noch die Besetzer im Haus, am Samstag liess der Mann aus Buchs bereits die erste Verlosung der neuen Studentenzimmer durchführen. 18 Buden standen zur Verfügung, 60 Interessenten waren vor Ort. Das Los musste entscheiden.

 Die Aufregung war gross in der edlen Empfangshalle des ehemaligen Hotels Atlantis. Die Wohnungssuchenden fanden schon früh am Morgen den Weg hoch zum stattlichen Gebäude. Angelockt wurden sie alle von der Aussicht auf eine günstige Studentenbude im ehemaligen Luxushotel. 400 Franken inklusiveNebenkosten müssen die Studierenden für ihr Zimmer im Monat bezahlen - für Zürcher Verhältnisse ein Schnäppchen.

 Hofmann ist "stolz"

 Am Empfang wurden die Studenten begrüsst, hier konnten sie Fragen stellen und sich für die Verlosung der Zimmer einschreiben. Dann wurde eine Kugel nach der anderen gezogen - exakt 18‑mal. Mehr Zimmer stehen erst im Dezember zur Verfügung, die Renovationsarbeiten laufen noch. Jedes Zimmer wird laut einem Bericht von TeleZüri für 1500 Franken erneuert. Es bekommt einen neuen Teppich und einen frischen Anstrich verpasst.

 Werner Hofmann, die treibende Kraft hinter dem Projekt, strahlte, als er ins Mikrofon von TeleZüri sprach: "Ich bin stolz, endlich ist meine Vision von günstigen Zimmern für Studenten und Lehrlinge Wirklichkeit geworden. Drei Jahre hat das alles gebraucht." Hofmanns Vertrag mit den Atlantis-Besitzern läuft bis Ende 2011. Er spekuliert aber auf eine Verlängerung um drei Jahre, sodass sich die Sache nicht nur für die Studenten, sondern auch für ihn auszahlt.

 Als auch die 18. und letzte Kugel gezogen war, löste sich das Grüppchen in der Lobby auf. Wer ein Zimmer zugelost erhielt, der nahm einen ersten Augenschein. All die anderen trotteten enttäuscht von dannen. Sie werden gewiss wiederkommen, wenn die nächsten Zimmer versteigert werden.

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Limmattaler Tagblatt 15.11.10

Nach Besetzung Studenten in Atlantis eingezogen

 Am Dienstag waren noch Besetzer im ehemaligen Luxushotel Atlantis, am Samstag fand nun die erste Verlosung der neuen Studentenzimmer statt. Insgesamt 18 Zimmer standen zur Verfügung, 60 Interessentinnen und Interessenten waren vor Ort erschienen. Das Los musste entscheiden. Mehr Zimmer stehen laut "tagesanzeiger.ch" erst im Dezember zur Verfügung. Atlantis-Mieter Werner Hofmann zeigte sich zufrieden: "Ich bin stolz. Endlich ist meine Vision von günstigen Zimmern für Studenten und Lehrlinge Wirklichkeit geworden." (ant)

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20 Minuten 15.11.10

Viele Studenten wollen ins Hotel Atlantis einziehen

 ZÜRICH. Bereits gegen 200 Studenten haben sich für eines der 150 Zimmer im Atlantis angemeldet. Die meisten schwärmen von der fantastischen Aussicht.

 In Scharen pilgerten am Samstag Studenten und Lehrlinge zum früheren Luxushotel Atlantis. Ihr Ziel: eines der renovierten Studentenzimmer zu ergattern. Darunter Mathematik-Studentin Lena Schütte (21) und Biologie-Studentin Anne Kern (20). "Wir sind durch die Besetzung darauf aufmerksam geworden", sagen sie und zeigen sich nach einem Rundgang begeistert: "Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist wirklich gut." 400 Franken monatlich kostet eine so genannte Students-Box inklusive neuem Kühlschrank, Teppich und Anstrich. Wirtschafts-Student Marco Koch (25) hat sich ebenfalls angemeldet: "Ich wollte eigentlich mit Kollegen eine WG gründen, aber in Zürich eine Wohnung zu finden, ist praktisch unmöglich, jetzt versuch ichs allein." Koch hofft - wie die meisten anderen - auf eine Students-Box mit Aussicht über die Stadt. Davon schwärmt auch Wirtschafts-Student Joshua Giuliano (20): "Das Panorama macht alles wett - sogar die fehlende Kochgelegenheit." Letzteres bereitet Corinne Bruderer (48) jedoch Sorgen: "Ich bin hier, weil mein Sohn hier einziehen möchte - alles ist super, doch wo soll er sich was kochen können?"

 Laut Projektleiterin Ivana Egloff erhält jede Students-Box eine Mikrowelle. "Schon heute ziehen die ersten 18 Studenten ein", sagt Egloff. Bis gestern seien gegen 200 Bewerbungen für die rund 150 Zimmer eingegangen. "Und man kann sich weiter bewerben."  

Roman Hodel

 info@tescon-tsc.ch

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NZZ am Sonntag 14.11.10

Zürich möchte so gern wieder wild sein

 Mehr Mut! Mehr Räume! Das fordern junge Kreative von der Stadtpräsidentin. Dabei hat Zürich in den letzten Jahren die Alternativkultur stark unterstützt und so vielleicht zu Tode gefördert.

Von Regula Freuler

 Seit drei Monaten ist Peter Haerle der neue Kulturchef der Stadt Zürich - der erste nach 27 Jahren, in denen sein Vorgänger Jean-Pierre Hoby die Kultur der Stadt massgeblich geprägt hat. "Welche Kultur braucht Zürich?", hiess das Podiumsgespräch, zu dem Haerle letzten Montag einlud. 300 Interessierte kamen. Der Tenor an diesem Abend lautete: Zürichs Kultur sollte mutiger sein. Und Zürichs Kultur braucht mehr Räume.

 Die Forderung nach mehr und zahlbaren Räumen ist einerseits naheliegend: Die Bevölkerung ächzt unter hohen Mieten und Wohnungsnot; das ehemalige Hotel "Atlantis", das seit 22. Oktober von Kulturaktivisten besetzt war, am Tag nach dem Podium geräumt werden sollte und in der Nacht auf Dienstag freiwillig verlassen wurde, bot ein akutes Beispiel.

 Andererseits kann man beim reichhaltigen kulturellen Angebot in der Stadt fragen: Wem fehlt es noch an Unterstützung? Die letzten dreissig Jahre waren ein einziger Siegeszug der alternativen Kultur, die damals mit Gegenkultur gleichgesetzt werden konnte. Ende der siebziger Jahre gab es in Zürich das Opernhaus, das Schauspielhaus, das Kunsthaus, die Tonhalle und ein paar Kinosäle. Allein im Bereich Museen werden heute 21 Häuser direkt oder indirekt von der Stadt unterstützt. Im Bereich Theater werden von 81 Spielstätten 10 direkt subventioniert, viele weitere indirekt. 2011 werden Fördergelder in der Höhe von knapp 96 Millionen Franken vergeben. Die einstige Gegenkultur ist etabliert.

 "Heute gehen 4,7 Millionen Franken in die freie Szene, projektbezogen und nicht an Institutionen gebunden", betont Corine Mauch im Gespräch. Wer würde da nicht einen Ort, einen Zustupf für seine Tanz-Performance, für seinen Lyrikband bekommen?

 Institutionen sollen Profil zeigen

 Und noch eine gute Nachricht für Künstler und sonst Kreative: Corine Mauch möchte das Schwergewicht bei der Förderung etablierter Institutionen wie Schauspielhaus oder Kunsthaus nicht über die bereits vorgesehenen Projekte hinaus stärken, weil dort in den letzten Jahren viel investiert worden sei. Auf die Frage, worauf das neue Leitbild, das im Sommer 2011 vorstellt wird, den Fokus richtet, können Mauch und Haerle noch keine näheren Angaben machen. Sicher ist, dass die bisherige Förderpolitik nicht umgekrempelt wird. Und dass die Institutionen sich klarer profilieren müssen. "Die Tendenz ist, dass alle alles machen wollen. Da ist es unsere Aufgabe, zu steuern", sagt Mauch.

 Klar ist, dass die Stadt die Forderung nach bezahlbaren Räumen zur Kenntnis genommen hat und in dieser Richtung aktiv ist - wenngleich sie es beim "Atlantis" nicht war. In Schwamendingen wird ein ehemaliges Amag-Gebäude gemietet und zur Verfügung gestellt. Und vom Container-Dorf "Basislager" in der Binz ist Mauch geradezu begeistert. Es gilt als Vorzeigeprojekt - und in der Szene als hip. Die Stadt ist in Gesprächen, das "Basislager" zu kaufen.

 Während die Stadt beim Problem der Räumlichkeiten zu einer Entschärfung beitragen kann, muss die Forderung nach mehr Mut an die Kulturschaffenden direkt gehen. Oder soll Gegenkultur staatlich gefördert werden? Willkommen in Absurdistan! Aber was heisst das eigentlich: mehr Mut? Steckt hinter solchen Äusserungen nicht einfach die romantische Sehnsucht des partygesättigten Stadtzürchers nach mehr Bewegung, nach Aufbruch? Hat uns das überreiche kulturelle Angebot zu Adabeis gemacht? Fehlt die Not als Nährboden für Kreativität? Hat man in Zürich Widerständiges, sich Reibendes zu Tode gefördert? Schliesslich beisst man die Hand nicht, die einen füttert - und wenn man es tut, bleibt man unglaubwürdig.

 Aufbruch beginnt im Kopf

 Bei diesem diffusen Wunsch sind wohl nicht in erster Linie unkonventionelle Kunstprojekte gemeint, denn für jede Sonderkunstform scheint es ein Plätzchen und ein Töpfchen zu geben. Es geht, so war während der Podiumsdiskussion herauszuhören, um Unruhe, bis zu einem gewissen Grad auch um Gegenkultur. Und wo findet diese noch statt? In besetzten Räumen wie dem "Atlantis"? Eigentlich müsste man sagen: Aufbruch beginnt in den Köpfen. Erst danach braucht man Räume. "Mir gefällt der Ausdruck Gegenkultur nicht", sagt Corine Mauch. "Es geht doch nicht einfach darum, gegen etwas zu sein, sondern etwas Eigenes zu initiieren. Da gehört das Erobern der Räume zwangsläufig ein Stück weit dazu." Sie nennt das "Helsinki" als positives Beispiel. Keine Frage, der von Pipilotti Rists Bruder Tom geführte Musikklub ist auch ein ziemlich hipper Ort. Wie steht es aber mit weniger hippen Besetzungsaktionen?

 Beim ehemaligen Fabrikareal an der Üetlibergstrasse 111, ebenfalls in der Binz, das seit 2006 von Kulturschaffenden und Alternativen besetzt wird, zeigt sich der Staat kulant. Das Areal gehört dem Kanton. Mangels Abbruchtermin gibt es vorerst kein neues Räumungsultimatum. Man wird weitgehend in Ruhe gelassen. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Besetzer - sie lassen sich nicht individuell, sondern nur als Kollektiv "Familie Schoch" zitieren - ihr Projekt weniger als Kultur- und Veranstaltungsort verstehen denn "als Teil einer vielschichtigen Subkultur, zu der auch Widerständigkeit gehört". Es geht ihnen nicht per se um Kultur wie der "Familie Donovan" (so nannten sich die "Atlantis"-Besetzer), die im Geiste des legendären Chelsea Hotel in New York einen Raum für nichtkommerzielle Kultur schaffen wollte. An der Üetlibergstrasse gibt es Werkstätten, Probe- und Trainingsräume; manche der 40 Bewohner sind freiberuflich künstlerisch tätig, andere haben Jobs. "Uns geht es um Selbstbestimmung und gemeinschaftliches Leben", sagt "Familie Schoch". Auch sie sieht das Hauptproblem in den hohen Preisen, der Raumknappheit und der "Verregulierung". "Was wir wollen, kann uns niemand geben, deshalb kümmern wir uns selber darum." Man kann ihnen nur recht geben: Wer seine Kreativität ans Kulturamt delegiert, kann auch weiterhin Party machen.

 Corine Mauch

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SQUAT VD
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24 Heures 13.11.10

Squat de Clarens: pas d'expulsion immédiate

Christophe Boillat

 Une tentative d'accord est en cours entre les squatters et la famille royale de Bahreïn. Si aucune conciliation n'est possible, la justice tranchera

 Les squatters du Collectif Tesla qui occupent depuis début septembre deux villas de Clarens, propriété de la famille royale de Bahreïn, sont allés s'expliquer devant le Tribunal de Vevey, hier. Ils sont sous le coup de deux plaintes, pénale et civile. C'est cette dernière qui était examinée hier. C'est le Collectif Tesla dans son ensemble et deux autres squatters qui étaient intimés par le propriétaire - six enfants du roi de Bahreïn. Lesquels demandent par la voix de leur conseil, Me Olivier Freymond, l'expulsion de la dizaine de personnes présentes dans leurs deux villas contiguës de la rue du Lac. "L'installation des squatters s'est faite sans l'accord des propriétaires. C'est donc clairement une usurpation de la possession. " Mais les squatters, défendus par Me Jean-Michel Dolivo, contestent la "possession" des deux villas. "Nous avons un besoin impérieux de nous loger et ces maisons sont totalement abandonnées depuis des années", plaide B. C. Un témoin raconte: "J'ai visité les maisons. Elles n'ont aucun confort, il n'y a pas de mobilier, ni d'effets personnels. Même pas de radiateurs. "

 Le procès a été suspendu. Car les deux avocats ont fait part de la volonté de trouver un accord d'ici au 30   novembre. Si aucune convention relative au départ programmé des squatters n'est signée d'ici là, le tribunal devra prendre une décision sur le fond. D'ici là, les squatters restent dans les royales propriétés. Christophe Boillat

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ROTE FALKEN
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WoZ 18.11.10

Rote Falken
 
"Nicht mit unserer Welt"

 Das Motto von Lilith und Fanny heisst "Spiel, Spass und Solidarität".  Am Samstag gehen sie für Mitbestimmung, Frieden und gegen die Zerstörung der Welt auf die Strasse.
 
Von Fredi Lerch (Text) und Ursula Häne (Foto)

 Ein gemütlicher Raum im Tiefparterre eines Genossenschaftshauses beim Kinderspital in Zürich: Das ist der Treffpunkt der Roten Falken von Zürich, einer Gruppe von sechs- bis fünfzehnjährigen Kindern und Jugendlichen. Dabei sind zum Beispiel die Gymnasiastin Fanny (12) und die Drittklässlerin Lilith (9).

 Die Roten Falken sind im Vorbereitungsstress: Am 20. November 1989 hat die Uno ihre Kinderrechtskonvention ratifiziert   - am 20. November wollen die Zürcher Falken deshalb, wie schon letztes Jahr, mit einer "Demo für Kinderrechte" auf die Strasse. In den letzten Wochen haben sie Transparente gemalt, Flyer geschrieben und daneben Reden und ein Strassentheater vorbereitet für die Schlusskundgebung. Am Samstag selbst wird man noch den Wagen vorbereiten müssen. Lilith erklärt: "Auf dem Wagen ist die Soundanlage. Drumherum hängen wir unsere Transpis. Und dann hängen wir den Wagen an einen Traktor, der damit durch die Stadt fährt."

 "Losed ois zue!" Das ist der Titel des ersten Demothemas in diesem Jahr. Fanny: "Uns ist es wichtig, dass wir Kinder mitbestimmen können - vor allem in der Schule oder in Quartierfragen, die uns direkt betreffen. Dass immer die Erwachsenen entscheiden, finden wir blöd."

 Der Wiener Pädagoge und Sozialdemokrat Anton Tesarek gründete die Roten Falken in den zwanziger Jahren als Jugendorganisation der SPÖ. Bald gab es erste Gruppen in der Schweiz. In ihren besten Zeiten hatten die Schweizer Falken einen nationalen Dachverband mit 41 Ortsgruppen.

 Das zweite Demothema ist der Frieden. Lilith erzählt von den Kindersoldaten: "Viele Kinder sterben im Krieg. Und viele Kinder müssen flüchten. Kommen sie in die Schweiz, müssen sie sich verstecken, damit sie nicht in den Krieg zurückgeschickt werden." Weil das so sei, hätten sich die Roten Falken an der Demo im letzten Jahr speziell gegen die Illegalisierung von Kindern in der Schweiz gewehrt.

 Der dritte Demopunkt ist beiden "mega wichtig": der Schutz der Umwelt. Jetzt wird Fanny deutlich: "Die Welt wird immer mehr versaut. Was können wir später noch machen, wenn sie schon fast futsch ist? Darum sagen wir: ‹Nicht mit unserer Welt!› Genau genommen haben die Erwachsenen die Welt von uns ausgeliehen. Später werden sie sie uns zurückgeben müssen."

 Bei der Demo für Kinderrechte gehe es darum, zu zeigen, warum die drei Demo themen wichtig seien. Und wichtig sei auch, zu den "konkreten Sachen" zu kommen, sonst bringe alles nichts. "Wir hoffen", sagt Lilith, "dass am Samstag viele Leute kommen und mithelfen, etwas zu ändern." Letztes Jahr haben die rund dreissig Zürcher Falken mit ihren zehn Leiter Innen gut dreihundert Leute mobilisiert, die bis zur Schlusskundgebung auf dem Bürkliplatz mitgezogen sind. Diesmal sollen es mehr sein.

 Neben der Kinderrechtedemo gibt es noch eine zweite, die das Falken-Jahr prägt: jene am 1. Mai. Auch sonst greifen die Falken immer wieder politische Themen auf, diskutieren etwa über alternative Energien oder fragen: "Woher kommt unser Essen?" Doch auch Basteln, Baden und Spielen im Wald kommen nicht zu kurz. Das Jahr ist geglie dert durch das Pfingstlager, das Sommerlager, die Wintersonnenwende und das Lager während des Knabenschiessens, an dem auch die Eltern der Roten Falken teilnehmen. Zum Teil finden diese Lager im Falken-Haus im Mösli auf dem Üetliberg statt. Man war aber in den letzten Jahren zusammen auch im Tessin, im Puschlav oder im Waadtländer Jura.

 "Spiel, Spass und Solidarität", das sei, so Fanny, das Motto der Roten Falken. Dabei sei es so, dass sie, nicht die Leitenden, bestimmten. "Eigentlich planen jeweils wir Kinder, was an den nächsten Treffen geschehen soll. Die Leiter sind mehr dazu da, zu helfen, unsere Ideen umzusetzen."

 Die Kinder und Jugendlichen sind zusätzlich durch ein "Falkenversprechen" in neun Punkten verbunden. Punkt 8 lautet zum Beispiel: "In unserem Leben gibt es Wichtigeres als den Besitz von Geld und teuren Dingen."

 Die Roten Falken sehen sich in der wechselvollen Tradition der sozialistischen Erzie hungsarbeit des 20. Jahrhunderts. In den letzten Jahrzehnten schien es nur noch bergab zu gehen: Immer weniger Sektionen waren aktiv; der Dachverband wurde 1996 aufgelöst. Heute gibt es noch Rote Falken in Zürich (mit Zuzüger­Innen aus Biel) und in Bern. Doch zumindest in Zürich steigen die Mitglie derzahlen wieder: Die Falken kehren zurück! Wer könnte auch bestreiten, dass "Spiel, Spass und Solidarität" ein sehr gutes Motto ist für das 21. Jahrhundert?

 Demo für Kinderrechte: Samstag, 20. November, 13 Uhr, Helvetiaplatz in Zürich. Kontakt: http://www.rotefalken.ch

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DROGEN
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Basler Zeitung 18.11.10

Kontrollierter Cannabisverkauf

 Mit 52 zu 17 Stimmen befürwortet der Rat einen Pilotversuch

 Entkriminalisierung

 Das Votum von Thomas Mall (LDP) hatte grossen Unterhaltungswert. Er hält rein gar nichts von einem Pilotversuch zum kontrollierten Verkauf von Cannabis ins Basel. "Das macht doch keinen Sinn", findet Mall. Da verbiete man Kindern in der Schule Cola zu trinken und füttere sie mit "Pro-Specie-Rara-Äpfeln", aber zur Beruhigung sollen sie einen "Bollen Hanf" vom Staat erhalten. Laut Mall konsumiert man Cannabis nur um des Rausches willen, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Der Vorschlag zur Teilnahme an einem Pilotversuch zum Hanfverkauf, wie er auch in Zürich durchgeführt werden soll, kommt von SP-Fraktionspräsidentin Tanja Soland. Abgegeben würde Cannabis nur an Erwachsene. Soland: "Es geht um die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums." Mit dem wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch soll herausgefunden werden, ob eine Legalisierung Sinn machen würde. Soland erhofft sich auch eine Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und mehr Prävention. Nur SVP, LDP und EVP/DSP-Fraktion waren dagegen, eine klare Mehrheit aber dafür, dass die Regierung die Teilnahme an diesem Pilotversuch prüft. daw

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bazonline.ch 17.11.10

Keine Strafe für Kiffer

sda / amu

Cannabis-Konsumenten müssen sich möglicherweise bald nicht mehr vor der Polizei in Acht nehmen.

 Ein Vorstoss für die Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums hat im baselstädtischen Grossen Rat eine Mehrheit gefunden: Der Rat überwies am Mittwoch einen SP-Anzug für einen Pilotversuch zum kontrollierten Verkauf von Cannabis mit 52 gegen 17 Stimmen.

 Die Regierung hatte sich bereit erklärt, das Anliegen zu prüfen und dann zu berichten. Die LDP pochte jedoch auf gleiche Rechte für Alle nach der Bundesverfassung, was keine Ausnahme für das Drogenverbot erlaube. Ein Cannabis-Abgabeversuch etwa mit medizinischen Indikationen bringe sicher "massiven Missbrauch".

 SVP hält Cannabis für gefährlich

 Die Liberalen wiesen zudem auf Unterschiede zwischen Alkohol und Cannabis hin: So sei bei Letzterem immer der Rausch das Ziel, beim Alkohol aber nur ein Nebeneffekt. Die SVP erinnerte ferner an das Volks-Nein an der Urne von 2008 gegen die Cannabis-Legalisierung in der Schweiz. Cannabis sei gemäss neuen Studien gefährlicher Stoff.

 Die SP wollte nicht über Moral und Sucht streiten, sondern mit der Entkriminalisierung die Strafverfolger entlasten. Die kontrollierte Abgabe - ab 18 Jahren - solle wissenschaftlich begleitet werden. Die Regierung solle ein Konzept für Aufklärung und Beratung über die Gefahren aller Rauschmittel an Schulen ausarbeiten.

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Newsnetz 17.11.10

Drogenbanden erobern die Lüfte

dapd / pbe

 Der neuste Trend im Schmuggel von Drogen: Südamerikanische Banden kaufen gebrauchte Jets, packen sie voll mit Kokain und schicken sie über den Atlantik. Die Behörden sind machtlos.

 Mangels Überwachung können die grossen Flieger den Ozean leicht unbemerkt überqueren. "Der Himmel ist die Grenze", prahlte ein Schmuggler aus Sierra Leone laut Gerichtsakten vor einem Informanten der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA. Scott Decker, Professor für Kriminologie an der Universität des Staates Arizona und Experte für Schmuggelmethoden, findet die neue Flugroute wegen der grossen Entfernungen und des Umstands bemerkenswert, dass das Fliegen grosser Maschinen gar nicht so einfach ist. Von Venezuela nach Westafrika sind es rund 5500 Kilometer.

 Die UN-Behörde für Drogenkriminalität macht warnend auf die illegale Luftfracht aufmerksam, seit am 2. November 2009 in Mali in der Wüste eine ausgebrannte Boeing 727 entdeckt wurde. Drogenschmuggler waren den Ermittlungen zufolge mit der Maschine aus Venezuela gekommen, hatten sie entladen und in Brand gesteckt. In einigen Fällen wurden auch Geschäftsflugzeuge benutzt wie eine Gulfstream II, die 2008 in Guinea-Bissau landete, und eine weitere Gulfstream, die 2007 vor dem Flug von Venezuela nach Sierra Leone gestoppt wurde.

 Eingesetzte Methoden aussergewöhnlich

 Im letzten Jahr brachten eine Reihe von Festnahmen Licht in die Sache. Die Verfahren laufen vor einem Bundesgericht in New York, weil ein Teil des ausgeflogenen Kokains für die USA bestimmt gewesen sein soll. Die Menge des gelieferten Kokains und die dabei eingesetzten Methoden seien "aussergewöhnlich", heisst es in einer Anklageschrift. Die Staatsanwaltschaft sprach von einer Verschwörung mit dem Ziel, "mit Frachtflugzeugen riesige Mengen Kokain in alle Welt zu liefern".

 Decker sieht in gewisser Weise einen Rückfall in die 70er und 80er Jahre, als Drogenpiloten ungehindert von Kolumbien in die Nähe der US-Grenze flogen. Damals schickten Gangsterbosse wie Amado Carillo, Spitzname "The Lord of the Skies" (Der Herr des Himmels), Jets mit bis zu 15 Tonnen Kokain nach Nordmexiko.

 DC-8 zum Schnäppchenpreis

 In letzter Zeit kamen eine Reihe einschlägiger Fälle in den USA vor Gericht. So wurde mithilfe von Undercover-Agenten die Valencia-Arbelaez-Organisation zerschlagen, die gerade für zwei Millionen Dollar ein Flugzeug für eine monatliche Verbindung zwischen Venezuela und Guinea gekauft hatte. Eigenen Angaben zufolge hatte die Gruppe bereits sechs Maschinen zwischen Südamerika und Westafrika im Dienst.

 Ein in Kolumbien und Liberia ansässiger Ring flog auf, als eines der Flugzeuge im Mai vor dem Start in Venezuela mit zwei Tonnen Kokain an Bord beschlagnahmt wurde. Laut Staatsanwaltschaft wollten sie zweimal monatlich fliegen. Ein Angeklagter berichtete von fünf weiteren Maschinen mit ähnlichen Touren. Ein Urteil im Fall Francisco Gonzalez Uribe wird in diesem Monat erwartet. Der Kolumbianer wurde abgehört, als er grosse Flugzeuge wie eine vierstrahlige DC-8 zu kaufen versuchte.

 Der kolumbianische Experte Carlos Moreno weiss mehrere Gründe dafür, warum die Transatlantikfliegerei für die Drogenbarone zunehmend attraktiv geworden ist. So sei der Kokainverbrauch in Europa in den letzten zehn Jahren gestiegen, in den USA aber stagniert. Ausserdem sei es durch bessere Radarüberwachung schwieriger geworden, Kokain direkt in die USA zu schaffen. Zudem wurden in der weltweiten Rezession hunderte Frachtflugzeuge ausser Dienst gestellt und sind jetzt billig zu haben. So werden auf einschlägigen Websites DC-8 schon für 275'000 Dollar (202'000 Euro) angeboten.

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10vor10 16.11.10

Kifferparadies St. Gallen

Etwa jeder fünfte Schweizer konsumiert Cannabis. Kiffen ist in der Schweiz nach wie vor illegal - alle Versuche zur Legalisierung sind gescheitert. Der Kanton St. Gallen hat ein Bussenmodell eingeführt. Wer erwischt wird, zahlt in Bar und wird nicht mehr kriminalisiert. "10vor10" wollte wissen, was die Bussenregel taugt.
http://videoportal.sf.tv/video?id=13bf9b60-05f9-4ab1-8c07-d4b32b7e663a

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Zürichsee-Zeitung 13.11.10

Hirndoping Zweckentfremdete Medikamente sollen fit für die Leistungsgesellschaft machen

 Mit Chemie mehr Schein als Sein

 Schöner, schneller, schlauer - auf die Zunahme kosmetischer Eingriffe für einen perfekten Körper folgt nun das Hirndoping für die effizientere Informationsverarbeitung. Die Wirkung ist fragwürdig.

 Gabriele Spiller

 Wenn gesunde Menschen Pillen schlucken, geht es meistens um Leistungssteigerung. Wer wünscht sich nicht eine höhere Konzentration, ein stärkeres Erinnerungsvermögen oder einen wacheren Verstand. Manche möchten aber auch im Alltag ganz einfach "besser drauf" sein, vielleicht, weil es gerade Ärger in der Familie gegeben hat oder aussergewöhnliche psychische Belastungen anstehen. Parallel zum Angebot an Psychopharmaka steigt auch bei Gesunden die Akzeptanz, sogenannte "Neuro-Enhancer" (vom Englischen to enhance = aufwerten) zu verwenden. Studenten, die vor Prüfungen Ritalin einnehmen, um ihre Aufmerksamkeit zu steigern, sind nur eine Ausprägung einer Leistungsgesellschaft, die bisher gültige Grenzen überschreitet.

 "Diese Entwicklung wird von den Medien hochgeschaukelt", interveniert der Psychiater und Suchtmediziner Thilo Beck. Er ist Chefarzt der Arud Zürich (Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen) und hat einen Überblick über die Nachfrage nach Beratungsangeboten. Beck hat sich mit dem aus den USA über Deutschland in die Schweiz einstrahlenden Thema beschäftigt und relativiert die Debatte. Es waren Wissenschaftler, die in renommierten Fachzeitschriften ein Plädoyer für das Brain-Doping hielten und darauf hinwiesen, dass die ethische Debatte dem zweckentfremdeten Medikamentengebrauch hinterherhinke. Vor allem sei nicht absehbar, welche Wunderpillen die Pharmazie noch bereitstelle, damit jedermann seine Gehirnleistung bei Bedarf tunen könne, sofern er sich die Lifestyle-Medikamente leisten kann.

 Herausforderung Neuroethik

 Ist das noch fair? Während das Doping im Sport immer schwieriger nachgewiesen werden kann, gilt es doch als Regelverstoss, der mit Ausschluss geahndet wird. Gedopte Prüflinge, aber auch Spitzenmanager, die ihrem Unternehmen durch ihre ständige Präsenz einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen, werden zurzeit nicht sanktioniert. Auch der Einsatz legaler Drogen, vom Kaffee über Alkohol bis zu Beruhigungs- und Schlafmitteln, wird in der Regel stillschweigend akzeptiert.

 Die Gesellschaft geht von einem mässigen und verantwortungsvollen Umgang des Einzelnen mit den bisher bekannten Neuro-Enhancern aus, auch wenn manchmal Grauzonen existieren. Vor allem im Hinblick auf neue Substanzen ist eine fundierte Begleitforschung nötig, die die Auswirkungen von Hirndoping untersucht, und zwar unabhängig von der Pharmaindustrie.

 Therapien statt Verbote

 Es ist anzunehmen, dass es auch beim Neuro-Enhancement Nutzergruppen gibt, die den Gebrauch einer nicht per se abhängig machenden Droge übertreiben. Für sie schlagen die Befürworter eher die Einrichtung von Therapiegruppen ein, als die Einnahme grundsätzlich zu verbieten. Auch für potenziell süchtig machende Tätigkeiten wie die Beschäftigung mit dem iPhone, dem Internet oder Extremsportarten gebe es keine Auflagen. Und wer könne eigentlich etwas gegen die "happy pill" haben, die uns alle umgänglicher macht? Die moralische Debatte ist angestossen, und sie sollte geführt werden, bevor uns die Realität einholt.

 Thilo Beck, was sind Ihre Erfahrungen in der Beratungspraxis: Stellt der Gebrauch von Psychopharmaka zur Leistungssteigerung in Zürich ein Suchtpotenzial dar?

 Nein. Meiner Ansicht nach wird weitaus mehr darüber gesprochen als wirklich angewendet. Wir haben keine Patienten, die wegen Problemen mit Neuro-Enhancement zu uns kommen. Das grösste Suchtpotenzial stellen immer noch Schlaf- und Beruhigungstabletten dar. Ausserdem experimentieren Jugendliche zunehmend mit Tabletten aus dem elterlichen Apothekerschrank in Kombination mit Alkohol.

 Gibt es Trends im Bereich pharmakologischer Verschreibungen?

 Die Einnahme von Ritalin nimmt immer weiter zu, weil viele ADHS-Betroffene, insbesondere Erwachsene, gar nicht diagnostiziert waren. Insofern ist es ein berechtigter Anstieg. Man weiss heute, dass die Hälfte der von ADHS betroffenen Kinder die Symptome auch im Erwachsenenalter beibehält. Gemessen an allen Verschreibungen ist der Anteil der Erwachsenen allerdings weiterhin gering.

 Welches sind die beliebtesten kognitiven Enhancer?

 Am weitesten verbreitet ist Kaffee und Tabak. Dann gibt es wenige, die stark wirksame Stimulanzien konsumieren. Die meisten hören aber wieder damit auf, da sie keine signifikanten Verbesserungen ihrer Leistungsfähigkeit feststellen.

 Und wie kommen die Konsumenten an die Substanzen?

 Hier dürfte der Internethandel die grösste Rolle spielen. Aber sicher kommt es auch mal vor, dass jemand, der Ritalin verschrieben bekommt, dies quasi als Freundschaftsdienst an einen Bekannten abgibt. Ein eigentliches Dealen ist mir nicht bekannt.

 Welche Medikamente eignen sich fürs Brain-Doping?

 Man kann Stimulanzien wie Amphetamine oder Ritalin, also "Wachmacher", einsetzen. Andere versuchen es mit Anti-Dementiva, Medikamenten, die man für die Alzheimerbehandlung verschreibt, um ihre Gedächtnisleistung zu steigern. Dann gibt es noch den Ansatz, dass man Anti-Depressiva, wie zum Beispiel Prozac in den USA, zur Stimmungsaufhellung konsumiert.

 Wie sieht es mit der Wirkung aus?

 Wissenschaftliche Belege gibt es wenige, denn die Medikamente sind für kranke Personen entwickelt und geprüft worden, für die eine ganz andere Ausgangslage vorliegt. Eine dauerhafte Steigerung der persönlichen Leistungsfähigkeit ist nicht zu beobachten. Im Gegenteil: Das Verstärken bestimmter kognitiver Fähigkeiten geht bei Gesunden zulasten anderer informationsverarbeitender Prozesse. Auch wurde mit Testaufgaben aufgezeigt, dass vor allem Personen mit einem unterdurchschnittlichen Leistungsvermögen, zum Beispiel einem tiefen Intelligenzquotienten, von einer Verbesserung profitierten.

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ALKOHOL
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Presseportal 18.11.10

Sucht Info Schweiz : Gewaltig gefährdet - wenn Alkohol im Spiel ist

 Lausanne (ots) - Am 18.   November 2010 ist Nationaler Aktionstag Alkoholprobleme. Alkohol und Gewalt sind häufig miteinander verbunden. Unter dem Motto "Gewaltig gefährdet" sensibilisieren Alkoholfachstellen Betroffene und die Bevölkerung in der ganzen Schweiz für das erhöhte Gewaltrisiko bei Alkoholmissbrauch.

 Daniel (Name geändert), 36-jährig, ist Banker in leitender Position. Er bezeichnet sich selbst sowohl als engagierten Berufsmann als auch als trinkfesten Lebemann. Daniel ist geschieden und hat zwei Kinder. Am Arbeitsplatz lernte er Larissa (Name geändert) kennen und lieben. Sie ist 32 Jahre alt, ledig und kinderlos. An Firmenanlässen, bei Abendessen, im Ausgang trinken beide regelmässig und kräftig Alkohol. Dabei kam es im letzten halben Jahr vier Mal zu Gewalthandlungen. Gefühle der Unsicherheit und Eifersucht gipfeln in Anschuldigungen, Provokationen und gegenseitigen Tätlichkeiten. Nüchtern wäre nichts passiert, erklärt Daniel.

 Nach einer durchzechten Nacht mit Freunden kam es in den Ferien auf Kreta zur Eskalation. Im Nachhinein kann sich Daniel an nichts mehr erinnern. Er weiss nur noch, dass er Larissa am nächsten Morgen blutend und weinend, völlig verstört und schockiert auf dem Boden der Veranda liegen sah. Er habe ihr während Minuten Faustschläge und Fusstritte gegeben, berichten die anwesenden Kollegen. Seither ist die Beziehung instabil. Man rät Larissa, sich zu trennen. Daniel schämt sich, vor sich, Larissa und seinen Freunden. Heute ist er in einer Alkoholtherapie und absolviert eine Gewaltberatung.

 Mehr Risiken unter Alkoholeinfluss "Gewaltig gefährdet" lautet das Motto des diesjährigen Nationalen Aktionstages Alkoholprobleme vom 18. November. Fachleute informieren die Bevölkerung über das erhöhte Risiko für Gewalt im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch. Ein neuer Flyer thematisiert die Problematik für ein breites Publikum. Zwar führt ein problematischer Alkoholkonsum nicht automatisch zu Gewaltakten. Alkohol und Gewalt treten aber häufig zusammen auf, so wie bei Daniel und Larissa. Für häusliche Gewalt gilt: 30 bis 40% der Delikte werden unter Alkoholeinfluss verübt. Auch bei Sportanlässen, am Wochenende oder im Nachtleben ist bei Gewaltvorfällen oft Alkohol im Spiel. Die Ursachen von Gewalt sind stets komplex; Alkoholkonsum kann, nebst anderen Faktoren, eine Rolle spielen.

 "Alkohol kann Konflikte und Stress zuspitzen und die Selbstwahrnehmung einschränken, die es braucht, um schwierige Situationen gewaltfrei auszuhalten", erklärt Martin Bachmann vom mannebüro züri, dem ältesten Männerbüro und der ersten Täterberatungsstelle der Schweiz. Häufiger als Frauen sind Männer als Täter betroffen, ungeachtet von Alter, Beruf und sozialem Status, so die Erfahrung in Zürich. Nicht nur das Risiko Gewalt auszuüben steigt durch problematischen Alkoholkonsum, sondern auch jenes, Opfer zu werden - wie dies bei Larissa der Fall war.

 Gewalt nicht nur auf der Strasse Studien zeigen: Jugendliche, die früh Gewalt ausüben, neigen häufiger zu späterem Alkoholkonsum. "Dabei darf nicht vergessen werden, dass die meisten Gewaltakte von Erwachsenen ausgeübt werden, oft in den eigenen vier Wänden, ausserhalb der medialen Aufmerksamkeit", betont Silvia Steiner, Präventionsfachfrau bei Sucht Info Schweiz.

 Was Prävention leisten kann Die Prävention muss auf verschiedenen Ebenen ansetzen, um Alkoholmissbrauch und Gewalt vorzubeugen. Und je früher sie stattfindet, desto besser. Preiserhöhungen und Verkaufsregulierungen, z.B. bei Sportanlässen, sind laut Weltgesundheitsorganisation wirksame Mittel, um Gewaltvorfälle zu vermindern. Diesbezüglich hebt sich die Schweiz von fast allen europäischen Ländern ab: Bei Sport- und Kulturanlässen existieren keine national geltenden Verbote oder Einschränkungen.

 Gefragt ist zudem ein stärkerer Einbezug von Gewaltfragen in der Alkoholberatung - und umgekehrt. "Wenn es gelingt, den Alkoholkonsum bei gewalttätigen Eltern und Gewalt bei trinkenden Eltern frühzeitig zu erkennen und zu therapieren, ist dies wohl indirekt die wichtigste Gewalt- und Alkoholprävention für Kinder und Jugendliche", sagt Silvia Steiner. Auch können Programme in Schule und Ausbildung Gewalt und Alkoholmissbrauch vorbeugen, vor allem, wenn sie langfristig angelegt und in umfassende alkoholpolitische Massnahmen eingebettet sind.

 Nationaler Aktionstag Alkoholprobleme Der Nationale Aktionstag Alkoholprobleme vom 18.   November 2010 sensibilisiert die Öffentlichkeit für den problematischen Alkoholkonsum. Suchtfachstellen aus der ganzen Schweiz tragen mit Informationsveranstaltungen und weiteren Aktivitäten dazu bei, das Thema zu enttabuisieren und Betroffenen sowie deren Angehörigen Mut zu machen, die bestehenden Hilfsangebote zu nutzen. "In fast jedem Kanton finden in diesem Jahr aus Anlass des Aktionstags spezielle Aktivitäten statt", freut sich Co-Projektleiter Markus Theunert vom Fachverband Sucht.

 Der Aktionstag, der in diesem Jahr unter dem Motto "Gewaltig gefährdet" steht, wird gemeinsam organisiert vom Fachverband Sucht, von GREA (Groupement romand d'études des addictions), INGRADO (servizi per le dipendenze), dem Blauen Kreuz, den Anonymen Alkoholikern (AA), der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM) und Sucht Info Schweiz. Ein neuer Flyer thematisiert die Wechselwirkung zwischen Gewalt und Alkoholkonsum.

 Diese Medienmitteilung finden Sie auch auf der Internetseite von Sucht Info Schweiz http://www.sucht-info.ch/de/ sowie auf www.aktionstag-alkoholprobleme.ch

 Kontakt: Monique Helfer Mediensprecherin Sucht Info Schweiz Tel. 021 321 29 74 E-Mail: mhelfer@sucht-info.ch

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ZWISCHENGESCHLECHT
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Indymedia 13.11.10

LU: Überparteilich gegen Zwitter-Genitalverstümmelung ::

AutorIn : Zwischengeschlecht.org         

Das gab es auf der ganzen Welt noch nie: Auf Initiative einer christlichen Parlamentarierin und Mutter unterzeichnet ein Viertel eines gesamten Parlaments, darunter zwei Drittel Frauen, quer durch alle Parteien einen politischen Vorstoß, der Transparenz über Genitalverstümmelung in Kinderkliniken in ihrem Einflussbereich verlangt und die Regierung zur Stellungnahme auffordert!     
    
So geschehen aktuell in der Innerschweiz im 120-köpfigen Luzerner Kantonsrat:

Erna Müller-Kleeb (CVP) und 29 MitunterzeichnerInnen (15 CVP, 4 FDP, 1 SP, 8 Grüne, 1 SVP) berufen sich auf Medienauftritte und öffentliche Klagen zwangsoperierter "Intersexueller" während der letzten 12 Monate und stellen dem Regierungsrat als Reaktion darauf 11 Fragen rund um "die Praxis frühkindlicher kosmetischer Genitaloperationen, Kastrationen, Hormontherapien und andere medizinisch nicht dringend notwendigen Eingriffe an Kindern mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen" im Kanton Luzern.

Ein historischer Tag für alle von kosmetischen Zwangsoperationen Betroffenen oder Bedrohten - und für alle, die sie in ihrem Kampf um körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung unterstützen!

>>> Mehr Info:
http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2010/11/12/Luzern-ueberparteilich-gegen-Genitalverstuemmelungen-in-Kinderklinik

>>> Der Vorstoß im Wortlaut (PDF):
http://zwischengeschlecht.org/public/Anfrage-Kanton-Luzern_9-11-10.pdf
>>> Offener Brief an das Kinderspital Luzern, 22.8.2010:
http://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Offener-Brief-Kantonsspital-Luzern-22.08.2010
>>> "Der Zwang zum Geschlecht" - Zentralschweiz am Sonntag, 22.8.10:
http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2010/09/05/%22Der-Zwang-zum-Geschlecht%22-Zentralschweiz-am-Sonntag-22.8.10
>>> Kosmetische Genitaloperationen im Kinderspital Luzern:
http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2010/08/22/Kosmetische-Genitaloperationen-im-Kinderspital-Luzern

http://Zwischengeschlecht.org
Regelmässige Infos:  http://zwischengeschlecht.info

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SPITZEL
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Indymedia 16.11.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/11/78747.shtml

Aktivist in Grossbritannien als Bulle enttarnt ::

AutorIn : AAZ     : http://www.anarchistische-aktion.ch.vu     

Ein paar kurze Notizen über diesen Fall: Am 21.10. wurde in Grossbritannien ein langjähriger Aktivist als Polizist enttarnt. Er hat auch außerhalb des UK viele Kontakte zu radikalen Bewegungen gehabt, unter anderem nach Berlin.     
http://ch.indymedia.org/images/2010/11/78748.png

Es handelt sich um Mark "Stone", auch "Flash" genannt. Sein richtiger Name ist Mark Kennedy. Er war nach eigenen Angaben von 2000 bis Ende 2009 als Polizist tätig und gleichzeitig als Aktivist stark aktiv. Auch vor dem Jahr 2000 war er bei der britischen Polizei tätig, deshalb handelt es sich bei ihm nicht um einen üblichen "Informanten" oder angeworbenen "Spitzel", sondern um einen Polizisten in Reinnatur.

Mark engagierte sich in vielen Bereichen der autonomen Bewegung: von Earth First!, zu Tierrechtsaktionen, Klima-Camps, Freiräume, Antifa usw. Er reiste gerne durch Europa, beteiligte sich an zum Beispiel an Gipfelprotesten und pflegte europaweite Kontakte. In Deutschland war er vor allem in Berlin zwischen 2005 und 2010 gerne zu Gast gewesen.

Ob er tatsächlich Ende 2009 aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist, wie er während seiner Aussage vor den Personen, die ihn konfrontiert haben gesagt hat, bleibt unklar und unwahrscheinlich, bzw. ändert daran nichts.
Er war auch auf zahlreichen eMail-Listen eingetragen, bitte checkt, ob eine dieser Adressen auf euren Verteilern ist:
-  flashwheels@yahoo.co.uk
-  markstone@o2email.co.uk
-  trailertrashheroe@yahoo.co.uk
und in etwa: ms1969@.......

Seitdem er enttarnt wurde und dies öffentlich gemacht wurde, sind alle Interneteinträge über und von ihm (wie z.B. bei Facebook) aus dem Netz verschwunden, das gleiche gilt für Telefonkontakte.

Wir denken, dass es extrem wichtig ist, die Nachricht so breit wie möglich zu streuen, denn es ist unklar, was für genaue Aufgaben er während seiner Dienstzeit übernommen hat. Sicher ist, dass er europaweit eingesetzt wurde und mensch kann davon ausgehen, dass die Kooperation zwischen den verschiedenen Polizeikräften gut gepflegt und wichtige Informationen an die verschiedenen Behörden übermittelt worden sind.

Wir halten jegliche Spekulationen für gefährlich, wichtiger ist dass jede/r über seine/ihre möglichen Kontakte mit ihn nachdenkt, sowie über das eigene Sicherheitskonzept, ohne dabei in Paranoia zu verfallen.

Durch ein Zeichen des Zufalls wurde nur ein paar Tagen zuvor in Genua, Italien, eine 22-jährige peruanische Studentin als Informantin der Polizei enttarnt: sie war innerhalb der letzten paar Jahre in der autonomen, antagonistischen Bewegung aktiv und übermittelte Informationen an die italienische Polizei.
 http://www.abc-berlin.net

In diesem Sinne, Augen offen halten.

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MUMIA ABU-JAMAL
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Blick am Abend 15.11.10

HINTERGRUND

 Der Popstar im Todestrakt

 MORD

 Mumia Abu-Jamal sitzt seit 30 Jahren in der Todeszelle. Jetzt wird sein Fall neu aufgerollt.

 gerhard.schriebl@ringier.ch

 In Philadelphia sprach eine Jury Mumia Abu-Jamal schuldig. Der 28-jährige Journalist und Taxifahrer wurde zum Tode verurteilt - wegen Mordes an Polizist Danny Faulkner. Das war am 2. Juli 1982. Seither sitzt er im Gefängnis. Dort schrieb er sechs Bücher, empfing Nobelpreisträger und Intellektuelle, schrieb Kolumnen oder moderierte Radiosendungen. Mumia Abu-Jamal ist der berühmteste Todeskandidat der Welt. Während er in seiner Todeszelle sass, ernannten ihn unter anderen San Francisco, Paris und Venedig zum Ehrenbürger. Abertausende Menschen auf der ganzen Welt feiern den heute 56-jährigen Abu-Jamal als Helden. Nach Bob Marley ziert kein anderer Mann mit Dreadlocks so viele Plakate und T-Shirts wie der Todeskandidat AM 8335. Ehrerbietungen für einen verurteilten Mörder?

 Viele von Mumia Abu-Jamals Verehrer sind von seiner Unschuld überzeugt, die er selber stets beteuerte. Die beim Prozess vorgelegten Beweismittel zeichnen jedoch ein anderes Bild: Am 9. Dezember 1981 begann Abu-Jamal um ein Uhr morgens seine Taxischicht, seinen Job als Radiomoderator hatte der Bürgerrechtler wegen "mangelnder Objektivität" verloren. Um vier Uhr setzte Abu-Jamal einen Kunden in Philadelphias Rotlichtquartier ab. Ganz in der Nähe verhaftete der Polizist Danny Faulkner Abu-Jamals Bruder William Cook (Abu-Jamal hiess gebürtig Wesley Cook), weil dieser ohne Licht falsch durch eine Einbahnstrasse gefahren sei. Als Faulkner Cook Handschellen anlegte, habe Abu-Jamal laut der Anklage auf Faulkner geschossen. Dieser habe sich umgedreht und zurückgefeuert, bevor er hinfiel. Der verwundete Abu-Jamal sei dann zu Faulkner hingegangen und habe seinen Revolver leergeschossen. Augenzeugen und ein Ballistiker bestärkten die Version der Anklage, und der frühere Black-Panther-Aktivist wurde zum Tode verurteilt.

 Der Prozess warf allerdings einige Fragen auf. So lehnte der Staatsanwalt mehrere schwarze Juroren ohne Begründung ab, und Abu-Jamal verteidigte sich - zu seinem Nachteil - selbst. In den letzten drei Jahrzehnten wurde Abu-Jamals Fall immer wieder neu aufgerollt, immer wieder stand er im Rampenlicht, und immer geht es um mehr als den Mord von 1981.

 Mumia Abu-Jamal wurde im Gefängnis zur Ikone der Unterdrückung der Schwarzen und zum Exempel der "unfairen US-Justiz".

 Seit letzter Woche wird der Fall vor einem Berufungsgericht neu aufgerollt. Kurz zuvor hatte sein Anwalt sein Mandat niedergelegt. Er war der fünfte Verteidiger des berühmten Todeskandidaten.

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 Ehrenbürger von mehreren Städten.

 GUT ZU WISSEN

 Ikone der schwarzen Bürgerrechtler

 In Philadelphia herrschte bis Ende der 70er-Jahre offener Rassismus, der auch bei der Polizei verbreitet war. Wesley Cook, der sich später Mumia Abu-Jamal nannte, war bereits 1968 im Alter von 14 Jahren bei der Black Panther Party als Hilfs-Pressesprecher aktiv und wurde wegen Verbreitung militanter Flugblätter von der Schule verwiesen. Nach einem Streit trat Abu-Jamal 1971 aus der Black Panther Party aus und engagierte sich bei der grün-radikalen Move-Bewegung.

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HIPHOP
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Süddeutsche Zeitung 16.11.10

Niemand geht in den Club, um nachzudenken

 In New Orleans dominieren Transvestiten die Hip-Hop-Szene: Ist "Sissy Bounce" nur versaute Powackelei oder das nächste große Pop-Ding?

JONATHAN FISCHER

 "Duck 0ff", das bedeutet in etwa "Untertauchen", steht in Neon-Lettern über dem unscheinbaren Schuppen an der Thureaud Avenue in New Orleans‘ rauem 7th Ward. Doch schon wegen der auf dem Mittelstreifen geparkten Autokolonnen samt einiger Einsatzwagen des New Orleans Police Department ist der Club kaum zu verfehlen. Nach dem Passieren eines Waffendetektors, der aussieht wie ein wackliges Metalltor, wird der Besucher von zwei schrankbreiten Typen abgeklopft. "Okay, Sir". Dann erst öffnet sich die Türe zum Club, der eigentlich nur ein schwach beleuchteter langer Raum ist mit niedrigen Decken, Linoleumboden und einer Kabine in der offensichtlich ein DJ an der Arbeit ist - und vor dessen Sichtfenster zwei tätowierte und aus ihren übergroßen Polos quellende Türsteher die Arme verschränken, als ob hier ein Geldtransport gesichert werden müsste. Die Stimmung schwankt zwischen Vorfreude und latenter Aggression. An den Wänden lungern Jungs mit blitzenden Sonnenbrillen. Doch den größten Teil des Clubs nehmen junge Frauen mit strassbesetzten Medaillons in hautengen Tops und Leggins ein. Gelegentlich nehmen sie für ein paar Takte den erbarmungslos knatternden Bounce-Beat auf. Mit anderen Worten: Sie bewegen ihre Becken ruckartig hoch und runter. Auf allen Vieren. Lind in einer Frequenz, die selbst die zerhackten Gesangsparts dieser lokalen Hip-Hop-Spielart mehrfach überholt.

 Doch das sind nur Aufwärmübungen.

 Alle warten hier auf den Star des Abends, den Rapper, pardon die Rapperin, die die Tanzfläche in Wallung bringen soll: Sissy Nobby. Die angestaute Spannung im Club entlädt sich in einer wilden Prügelei zwischen einem halben Dutzend Frauen. Dann, kurz vor zwei Uhr nachts der erlösende Schrei: ..Nooooubeee!" Eine dickliche kleine Energiekugel im Leopardentop und mit bunter Plastikbrille tanzt herein.

 Nooouubeee! " Wenn Bounce-DJs routinemäßig die Melodien ihrer Songs zerhacken, dann imitiert Nobby diesen Sound mit stotternden Raps. "Do it baby, stick it! Like a sis - sis - sis - sissy!" Nobby ist biologisch gesehen zwar ein Mann. Doch lässt er sich gerne als Frau anreden. "Sissy" oder "Schwuchtel" mögen anderswo Schimpfwörter sein - in Nöw Orleans nicht, hier schmückt er die Stars der örtlichen Bounce-Szene: Sissy Jay, Sissy Gold oder die Gruppe Sissies With Attitude. Auch Katey Red, Big Freedia und Vockah Redu kündigen sich gerne als "Sissies" oder "Punks" an.

 Im Lexikon des Bounce steht der Begriff für homosexuelle, männliche Transvestiten. In New Orleans haben ihre Auftritte während des Mardi Gras Tradition, sind sie in Marching Bands und als Cheerleader vertreten. Doch seit einiger Zeit laufen die Sissies auch im Hip-Hop ihren heterosexuellen Kollegen den Rang ab.

 Die jüngsten Bounce-Hits jedenfalls gehen fast ausschließlich auf ihr Konto.

 Und hebeln ganz nebenbei einige der imgeschriebenen Gesetze des extrem homophoben Südstaaten-Hip-Hops aus den Angeln: Wo hat man hier schon einmal Typen gesehen, die nicht nur ungeniert Frauentänze aufführen, sondern dabei auch noch über schwule Sexualität schwadronieren? Offensichtlich funktioniert Bounce nach ganz eigenen Spielregeln: Zwar befeuerten die Beats dieser Hip-Hop-Spielart schon Hits von Superstars wie Lil‘ Wayne oder Beyoncä, letztlich bleibt der sogenannte Sissy Bounce stark lokal verwurzelt. So bemühen etwa Rapper hier selten die Sprachfinessen ihrer New Yorker Kollegen. Viel wichtiger ist die Interaktion mit dem Publikum: " Shake it for the 6th ward, work it for the 7th ward!" kiekst Nobby ins Mikro. Die Angesprochenen johlen zurück. Selbst im Rahmen der Stadtaufwertung kürzlich planierte Sozialsiedlungen werden rituell ausgerufen. Jenseits aller sexueller Identitäten geht es um einen gemeinsamen örtlichen Bezug über alle Genregrenzen hinweg. Ihre Call-and-Response-Vocals entlehnen die Bounce Rapper den traditionellen Chants der Black Indians, in prachtvollen Federkostümen auftretenden Tanztruppen. Nicht selten spielen Brassbands im Rahmen von Bounce-Parties und Bounce-Rapper gastieren ihrerseits auf Aufnahmen befreundeter Jazzmusiker wie Trombone Shorty, Shamarr Allen oder Kermit Ruffins. Das letzte Album der lokalen weißen Funkhelden Galactic vereinte gar ehrwürdige Soullegenden wie Allen Toussaint und Irma Thomas mit deren schwulen Enkeltöchtern Big Freedia, Katey Red und Sissy Nobby. Die New York Times bezeichnete New Orleans als "kulturelles Galapagos".

 Als Geburtsjahr der neuen Musikgattung Bounce gilt 1991. Damals veröffentlichte MC T. Tucker den Song "Where Dey At", ein Chant, der über einem rohen, abgespeckten Beat einzig und allein auf maximale Tanz-Animation abzielte.

 Derselbe, "Triggaman" genannte Rhythmus hat seitdem nicht nur Tausende nachfolgender Bounce-Songs unterfüttert. Er inspirierte auch die Entstehung verwandter und kommerziell sehr erfolgreicher Spielarten des Südstaaten-Rap wie etwa Crunk. Ebenfalls relativ schlicht - oder traditionsbewusst - sind die k~aps: Die hektischen "Uhop and cut"- Beats lassen keinen Platz für langatmige Geschichten. Also werden altbewährte Phrasen, Schlagwörter und gnadenlos eindeutige Beschreibungen von Sexualakten rekombiniert. Die Sissy Rapper haben hier lediglich die Beziehu.ngsebene verschoben: Sie spielen mit Beinamen wie "dick eater". Und hellen die Beatwalzen durch leichtere Disco-Samples auf. Vor gut zehn Jahren brachte Katey Red, ein knapp 1,90 Meter großer schwuler Transvestit aus den Melpomene Projects, das erste Sissy Bounce Album auf den Markt:,, Melpomene Block Party".

 Seitdem hat die heute 31-jährige Katey Red durchschnittlich fünf Auftritte pro Woche absolviert und die Tür für eine ganze Reihe von Sissy Rappern geöffnet. Einige von ihnen tragen Perücken und Frauenkleider, andere wie Sissy Nobby definieren sich eher über ihre Sprache und ihren Tanzstil. "Schwulle haben es im Alltag in New Orleans nicht leichter als anderswo", sagt Nobby, "aber wir werden geliebt, wenn wir auf der Bühne stehen".

 Die Sissies können auf eine lange Pop-Geschichte schwuler und schwarzer Transvestiten und Showmänner zurückblicken: Esquerita und Little Richard gehörten mit ihrer dicken Schminke und den pomadierten Frisuren ebenso dazu wie die New Orleans Legende Patsy Vidalia. In Frauenkleidern präsentierte der schwule Entertainer von den vierziger bis in die sechziger Jahre das Programm des legendären "Dew Drop Inn" Clubs, seine Drag-Kostüme waren Stadtgespräch. Mindestens ebenso berüchtigt war der gelegentlich crossdressende Soulsänger Bobby Marchan: Lange nach dem Versiegen seiner lokalen Hitsträhne organisierte er einige der ersten Hip-Hop-Shows für das Cash Möney Label (das den Rapper Lii‘ Wayne hervorbringen sollte). Gemeinsame musikalische Interessen wiegen in New Orleans schwerer als homophobe Berührungs-ängste. Doch ob die flamboyanten Sissy Stars den Hip-Hop wirklich vom Testosteron-Wahnsinn befreien können? Sissy Nobby bringt jedenfalls eine Ausgelassenheit auf die Bühne, die dem in Machismo erstarrten Hip-Hop leider allzu oft fehlt. Ein halbes Dutzend Mädchen - es bleibt unklar, ob sie Teil der Show sind oder bloß begeisterte Fans - reihen sich rund um Nobby, strecken ihm ihre vibrierenden Hinterteile entgegen, und führen den typischen hypersexualisierten Tanz des Bounce auf: "Pop and Wobble". Die Tanzfläche füllt sich mit jungen Frauen, die es ihnen nachtun.

 Und jetzt wird deutlich, dass sie, wie bei den meisten Sissy-Bounce-Shows, die Mehrheit des Publikums stellen. Klar ist auch, dass die Männer kaum wegen der schwulen Sex-Raps gekommen sind - sondern um den Frauen beim Tanzen zuzuschauen. Und Nobby selbst? Sie hüpft mit dem Mikro herum, als ob sie Wespen in den Turnschuhen hätte. Macht sich über Männer lustig, die nicht zu ihrer schwulen Orientierung stehen und beugt sich plötzlich selbst nach vorne. Kreischkonzert: Auch Sissiös können den "Pop and Wobble"! Vielleicht erklärt die Party-Euphorie im "Duck Off", warum Millionen Fans Sissy Nobbys Videos wie "Spining Top" oder "Arch Yo Back" anklicken, obwohl es da kaum mehr zu sehen gibt als amateurhaft gefilmte Powackeleien. Ob der Sissy-Boom bald auch über New Orleans hinauskommt? Katey Red und Big Freedia haben zuletzt erfolgreiche Tourneen absolviert, die sie bis nach Brooklyn führten. Doch die Major Labels trauen sich nicht dran an den Sissy-Rap. Noch nicht: Die Raps klängen für ein Publikum nördlich der Mississippi-Hafenstadt doch etwas zu einseitig versaut. Nobby juckt das nicht: "Die Menschen in New Orleans gehen nicht in den Club, um über Texte nachzudenken - sie wollen die Energie spüren. Den Blues wegtanzen. Und sich vergewissern, dass sie immer noch leben!"

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ANTI-ATOM
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Oltner Tagblatt 18.11.10

Nein zum Atom-Endlager im Niederamt

 Olten Letzten Samstag führte der Verein "Niederamt ohne Endlager NoE" eine Standaktion am Oltner Bifang-Markt durch. Es wurde auf das so genannte Anhörungsverfahren aufmerksam gemacht, dass noch bis Ende November 2010 läuft. Darin können Gemeinden, Einzelpersonen und Organisationen versuchen, ihre Meinung und Anliegen kundzutun. Bis heute konnte keine Behörde der NoE sagen, was dieses Verfahren im jetzigen Zeitpunkt bringen soll, es schmeckt stark nach einer Alibiübung. Trotzdem oder gerade erst recht sammelte und motivierte NoE die Passant(inn)en zum Protest mittels einer Anhörungs-Einsprachekarte. Dazu brauchte es meist keine grossen Diskussionen, viele wollten sofort etwas gegen das drohende Atom-Endlager im Niederamt unternehmen. (mgt)

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Landbote 18.11.10

Alternative zu Endlager gefordert

Laufen am Rheinfall - Verschiedene kernkraftkritische Vereinigungen und Parteien präsentierten gestern in Laufen am Rheinfall ihre Haltungen zum Anhörungsprozess bei der Standortsuche nach einem geologischen Tiefenlager für die Entsorgung radioaktiver Abfälle. Dabei forderten die Vertreter die Abkehr von einem Endlager und den Ausstieg aus der Kernenergie. Statt eines Endlagers könnte ein geologisches Zwischenlager, in dem die Abfälle ständig überwacht werden, für die Entsorgung des Atommülls dienen. Ein Endlager wird nicht als sicher erachtet. (cwe) lSeite 21

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Vetorecht für Standorte gefordert

 Christian Weiss

 Die Gegner eines Atomendlagers im Weinland legten gestern ihre Standpunkte dar. Dabei forderten sie eine echte Mitsprache der betroffenen Regionen. Auch wurde die Zurückhaltung der Weinländer Gemeindebehörden kritisiert.

 Laufen am Rheinfall - In einer öffentlichen Anhörung konnten sich die Interessenverbände zum Thema Atomendlager an das Bundesamt für Energie wenden. In Laufen am Rheinfall präsentierten gestern die kernkraftkritischen Organisationen und Parteien ihre Forderungen den Medien. Dabei stellte Jean-Jacques Fasnacht von Klar! Schweiz fest, dass die Entschlossenheit zum Widerstand bei den Weinländer Gemeindebehörden fehle: "Sie verstecken sich hinter neutralen Parolen", so sein Urteil.

 Wie der Weinländer SP-Kantonsrat Markus Späth anmerkte, werde der Standort dannzumal nach politischen und nicht nach sicherheitstechnischen Überlegungen gewählt. Wer sich nicht wehre, bekäme schliesslich das Endlager auch. Und dies wäre nach Ansicht von Späth auch aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht fatal: Schon bevor das Endlager seinen Betrieb aufnähme, würde das Bevölkerungs- und das Arbeitsplatzwachstum im Weinland stagnieren. In den nächsten Jahrzehnten könnten dem Zürcher Weinland Steuerausfälle in zweifacher Millionenhöhe drohen.

 "Nicht ohne beträchtlichen Neid", wie es Späth ausdrückte, schaue man deshalb nach Schaffhausen, wo sich Regierung und Kantonsrat entschieden gegen ein Endlager stellen. Der Verfassungsauftrag des Regierungsrates, sich gegen jedes Atommülllager auf Kantonsgebiet zu wehren, wurde vor Kurzem auf die an Schaffhausen angrenzenden Gebiete ausgedehnt.

 Kritik wurde gestern auch an der Partizipation der Bevölkerung geäussert: "Man hat uns ein Mitwirkungsverfahren versprochen, jetzt heisst es auf einmal Anhörungsverfahren", sagte Iren Eichenberger von der Ökoliberalen Bewegung Schaffhausen.

 Atomausstieg als Ziel

 Der Schaffhauser SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr kündigte denn auch an, dass er in Bern eine Parlamentarische Initiative einbringen werde, welche den möglichen Endlagerstandorten ein Vetorecht einräumen würde, wie es das schon vor der Revision des Kernenergiegesetzes gegeben hat. "Keiner Region soll ein Endlager aufgezwungen werden können", formulierte Fehr seine Forderung. Die jetzigen Partizipationsmöglichkeiten seien ein pseudodemokratisches Verfahren.

 Die Endlagergegner kritisierten aber nicht nur das politische Verfahren. Sie äusserten auch grundsätzliche Zweifel an der Sicherheit von Endlagern für radioaktive Abfälle. Martina Munz, Schaffhauser SP-Kantonsrätin und Ko-Präsidentin der Interessengemeinschaft Lebensraum Klettgau, befand, dass der Entsorgungsnachweis, wie ihn die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen des Bundes abgesegnet hat, eben nicht erbracht sei: "Mit heutiger Technologie kann der Atommüll nicht sicher entsorgt werden." Es sei eine naive Wissenschaftsgläubigkeit, wie man sie schon bei der vermeintlich unsinkbaren Titanic erlebt habe, dass die Abfälle für eine Million Jahre sicher versorgt werden können.

 Munz sprach sich stattdessen für ein geologisches Zwischenlager (siehe "Nachgefragt") aus, bei dem die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle auf lange Zeit gewährleistet ist. Bei einem Endlager, wie es jetzt geplant ist, sei eine solche Rückholbarkeit nur so lange gewährleistet, wie es nicht gefüllt und damit auch nicht verschlossen sei.

 Der allgemeine Tenor der gestern in Laufen anwesenden Gruppierungen weist zudem eindeutig in einen endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie. Nationalrat Fehr bezeichnete diesbezüglich die jüngsten Ereignisse als Rückschlag. Einerseits habe das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat drei neue Standorte für mögliche Atomkraftwerke ausgewiesen. Zudem sei im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation der Atomgegner Moritz Leuenberger durch den "Atom-Turbo" Doris Leuthard abgelöst worden.

CHRISTIAN WEISS

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 Objektive Kriterien sollen über Lagerort entscheiden
 
Christian Weiss

 Auch das Forum Opalinus, in dem die Weinländer Gemeinderäte vertreten sind, teilte vor Kurzem mit, mit welchen Forderungen sie in der Frage der Atomendlagerstandorte ans Bundesamt für Energie getreten sind.

 Verena Strasser, Gemeindepräsidentin von Benken und Präsidentin des Forums Opalinus, zeigt sich dabei erleichtert, dass während der ersten Etappe des Sachplanverfahrens alle sechs möglichen Lagerstandorte für radioaktive Abfälle (Jurasüdfuss, Bözberg, Nördlich Lägern, Wellenberg, Südranden und Zürcher Weinland) intensiv und mit Sorgfalt auf ihre sicherheitstechnische Eignung geprüft worden seien. Schliesslich seien bis 2008 die Gemeinden Benken, Marthalen und Trüllikon alleine im Fokus der Aufmerksamkeit um ein Tiefenlager gestanden.

 Strasser fordert aber eine noch bessere Untersuchung der anderen fünf Standorte: "Die Regionen müssen vergleichbar sein. Diese Vergleichbarkeit ist aktuell noch nicht gegeben." Das Forum Opalinus erwartet, dass auch in der zweiten Etappe alle sechs möglichen Standortregionen weiter geprüft werden. Strasser kritisiert, dass der Fokus zu früh auf Benken gerichtet worden sei und deshalb das Zürcher Weinland ein allzu grosses Gewicht für ein mögliches geologisches Tiefenlager erhielt.

 Auch beim Forum Opalinus betrachtet man wie bei den kernkraftkritischen Verbänden (siehe oben) das Partizipationsverfahren für die Bevölkerung eher kritisch. Dabei wird aber weniger die Mitsprachemöglichkeit an sich beanstandet, sondern das aufwendige Verfahren. So sagt Strasser: "Wir stellen fest, dass mit dem Aufbau verschiedener operativ tätiger Gremien Verwirrung in der Wahrnehmung der Bevölkerung entsteht und so letztlich das Gegenteil der beabsichtigten Transparenz bewirkt wird." Zudem seien die betroffenen Standortregionen dreimal vergrössert worden. Im Falle des Weinlandes sind aktuell 24 Zürcher, acht Schaffhauser, drei Thurgauer und vier deutsche Gemeinden involviert. "Damit ist die Grenze erreicht", so Strasser.

 Das Forum fordert auch, dass das Auswahlverfahren nicht von Ideologien beherrscht wird, sondern Fakten zählen. "Die Wissenschaftlichkeit nach objektiven Kriterien und damit die grösstmögliche Sicherheit stehen im Vordergrund", so die Forumspräsidentin. Das Forum verpflichtet sich zudem dazu, die Bevölkerung bestmöglich zu informieren. (cwe)

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 Nachgefragt

 Martina Munz - Kantonsrätin Schaffhausen, SP

 "Im Zwischenlager kann der Atommüll kontrolliert werden"

 Christian Weiss


 Sie stossen jetzt mit der Idee eines geologischen Zwischenlagers vor. Das klingt nach einem Ablenkungsmanöver, damit man den Endlagergegnern nicht vorwerfen kann, sie würden keine Lösungen zur Atommüllentsorgung bringen und nur verhindern wollen.

 Das ist nicht die Idee. Was wir unter keinen Umständen verantworten können, ist ein unsicheres Endlager. Aber natürlich gibt es schon heute durch die bestehenden Kraftwerke Atommüll. Und auch wir wollen für diesen Müll eine geeignete Lösung finden. Dafür muss aber nach besseren und sichereren Methoden der Entsorgung geforscht werden.

 Ein solches geologisches Zwischenlager bräuchte aber auch ein möglichst sicheres Wirtsgestein. Dann wäre doch wieder das Weinland in der engsten Auswahl?

 Welches der geeignete Standort für ein solches Zwischenlager wäre, das müssten unabhängige Experten bestimmen. Für uns ist entscheidend, dass die sicherste Lösung angestrebt wird und nicht jene, die für die Atomkonzerne die billigste ist. Der riesengrosse Unterschied zum geplanten Endlager wäre, dass bei einem Zwischenlager der Atommüll in Behältern untergebracht würde, die ständig kontrolliert werden könnten. Geschähe etwas Unvorhergesehenes, könnte man im Gegensatz zum Endlager augenblicklich reagieren. Möglicherweise hätten aber bei einem Zwischenlager sichere Transportwege eine höhere Priorität, weshalb ein solches Lager näher an den Orten zu liegen käme, wo der Atommüll anfällt.

 Sie verlangen aber auch, dass ein Atommülllager keiner Region aufgezwungen werden darf. Dass also ein möglicher Standort in einer Volksabstimmung sagen kann, ob er ein Lager will oder nicht. An einem solchen Vetorecht würde doch auch ein Zwischenlager scheitern?

 Ich bin überzeugt davon, dass wir eine Entsorgungslösung in der Schweiz finden, der auch die betroffene Bevölkerung zustimmen kann, wenn wissenschaftlich überzeugend dargelegt ist, dass die Methode sicher ist und wenn die Betroffenen in den Standortgemeinden wissen, dass kein zusätzlicher Müll mehr produziert wird.

 Sie wollen also den Entsorgungsstandort erst bestimmen, wenn der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossene Sache ist?

 Ja. Den Bau eines Zwischenlagers würden wir erst nach einem Atomausstieg akzeptieren. Bei dieser Energieform ist nicht nur die sichere Entsorgung ein Problem. Wie man beispielsweise ein stillgelegtes Atomkraftwerk sicher zurückbaut, ist bis heute technisch nicht gelöst. Auch dort besteht also noch Forschungsbedarf.
INTERVIEW: CHRISTIAN WEISS

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Südostschweiz 18.11.10

Berner AKW-Entscheid gerät zum "Signal für die Schweiz"

 Demnächst stehen in Bern kommunale und kantonale Abstimmungen zum Atomstrom an. Parteien und Lobbyisten schauen genau auf die Stimmzettel, um daraus Schlüsse für die nationale AKW-Abstimmung zu ziehen.

 Von Barbara Spycher

 Bern. - In den nächsten Jahren werden die Schweizerinnen und Schweizer an der Urne über den Bau neuer Atomkraftwerke (AKW) entscheiden. Der Ausgang ist offen, in den Städten aber zeichnet sich ein deutlicher Trend ab: Richtung Atomausstieg. Basel hat ihn bereits umgesetzt, Zürich per 2044 beschlossen, und am 28. November stimmt auch St. Gallen über eine langfristige Abkehr vom Atomstrom ab. Am gleichen Tag kommt in der Stadt Bern eine Initiative des Grünen Bündnisses an die Urne, die einen Ausstieg bis 2030 verlangt. Die Regierung will sich mit einem Gegenvorschlag bis 2039 Zeit lassen.

 60 Prozent Atomstrom

 Bei einem Wegfall von Atomstrom hat Bern durchaus eine grosse Lücke zu schliessen: Das stadteigene Elektrizitätswerk EWB beliefert seine Kunden derzeit mit 60 Prozent Atomstrom, der grösstenteils aus den AKW Gösgen und Fessenheim in Frankreich stammt, an denen es beteiligt ist. Doch das EWB hat vorgerechnet, dass es anders geht: Bis 2039 will das städtische Werk den billigen Strom aus den Beteiligungen an alten, abgeschriebenen AKW nutzen und so erneuerbare Energien finanzieren.

 Finanzielle Argumente

 Ein Umstieg bis 2030 wäre zwar laut EWB möglich, aber mit finanziellen Verlusten im dreistelligen Millionenbereich verbunden. Finanzielle Argumente machen denn auch FDP und SVP gegen den geplanten Atomausstieg geltend: Die Strompreise würden sich verdoppeln und die Gewinne des Elektrizitätswerkes zugunsten der Stadtkasse sinken. EWB-Chef Daniel Schafer hingegen sagt, eine exakte Prognose zur langfristigen Entwicklung von Strompreisen wäre unseriös. "Sicher aber ist, dass erneuerbare Energien in Zukunft günstiger werden, bei der Kernenergie ist vom Gegenteil auszugehen."

 Es ist wahrscheinlich, dass die rot-grüne Stadt Bern zumindest den Gegenvorschlag annimmt. Und schon im Februar folgt der nächste bernische AKW-Stimmungstest vor dem nationalen Volksentscheid. In einer konsultativen Abstimmung werden die Bernerinnen und Berner im Kanton nach ihrer Meinung zu einem neuen AKW in Mühleberg gefragt.

AKW-Befürworter Rolf Schweiger, Zuger FDP-Ständerat und Präsident der Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz (Aves), verfolgt mit Spannung, wie unterschiedlich in Bern die städtische und die kantonale Abstimmung ausfallen werden. Er ist auch gespannt, wie sich das Verhalten von einer "eher theoretischen, langfristigen" Abstimmung in der Stadt Bern zu einer "konkreteren" über den Bau eines neuen AKWs verändert.

 Statement gegen Stromlücke

 Auf der gegnerischen Seite misst man bereits dem Stadtberner Entscheid eine grosse Bedeutung zu. Beat Jans, Basler SP-Nationalrat und Co-Präsident von "Nie wieder Atomkraftwerke", sagt: Ein deutliches Ja der Berner wäre ein "Signal für die Schweiz". Auch Sabine von Stockar von der Schweizerischen Energiestiftung erachtet einen Atomausstieg der Berner als Bestätigung für eine Entwicklung, die sich von Genf bis Schaffhausen abzeichne: "Städte und Gemeinden wollen eine unabhängige, dezentrale und saubere Stromversorgung." Im Kampf gegen die gewichtige Lobby der grossen Stromkonzerne hofft Stockar auf weitere Städte, die dem Beispiel folgen - auch, weil so Gegenbeispiele entstehen, die im nationalen Abstimmungskampf 2013 oder 2014 genutzt werden könnten.

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Grenchner Tagblatt 18.11.10

Grüne kritisieren AKW-Gutachten

 Standort Die Grünen Kanton Solothurn zeigen sich in einer Mitteilung befremdet vom Gutachten über die Standortfrage für neue AKW. Obwohl längst wissenschaftlich erwiesen sei, dass eine ausreichende Versorgung der Schweiz mit erneuerbaren Energien und der Verbesserung der Energieeffizienz erreicht werden kann, begründe das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) den Bau neuer AKW mit der Versorgungssicherheit. Die Grünen kritisieren die Aussage, dass alle Bedingungen für die Erteilung der Rahmenbewilligung nun erfüllt seien. "Dem ist aber nicht so, denn darunter fällt auch der Nachweis für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle." Dieser Nachweis sei längst nicht erbracht, denn es ist absolut unklar, wo ein Endlager gebaut werden kann. "Die Grünen werden sich entschieden gegen den Bau neuer AKW engagieren." Im Frühling 2011 können die Kantone zum Bau neuer AKW Stellung nehmen und im Sommer werden alle Schweizer die Möglichkeit haben, Einwendungen und Einsprachen einzureichen. (mgt)

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Thurgauer Zeitung 18.11.10

Atomkritiker suchen Schulterschluss
 bor

 Über die Parteigrenzen hinweg formieren sich die Gegner neuer Atomkraftwerke. Im Kanton Thurgau hat sich gestern die "Allianz Thurgau Nein-zu-neuen-AKWs" gegründet.

 Weinfelden - Die alten Zeiten der Atomkraftgegner sind vorbei. Meetings, Sponti-Versammlungen in besetzten Häusern mit rauchenden Aktivisten und strickenden Aktivistinnen sind nur noch Nostalgie. Heute stricken Atomkraftgegner an Vereinsstatuten und gehen bei ihren Aktionen geplant und gezielt vor. Die Medien werden in diesen Prozess erst eingebunden, wenn Aktionen beschlossen sind. So hält es auch die Allianz Thurgau.

 Gegen die drei AKWs

 Der gestern neu gegründete Verein sucht den Schulterschluss der Atomkritiker. Unter dem Dach der Allianz Thurgau sollen sich alle atomkritischen Privatpersonen, Vereine, Organisationen und Verbände zusammenschliessen, um gegen die beantragten drei neuen Atomkraftwerke in der Schweiz zu kämpfen. Zwar ist im Thurgau selbst kein Atomkraftwerk geplant, aber im Hinblick auf eine eidgenössische Volksabstimmung 2013 oder 2014 soll auch die Thurgauer Bevölkerung mobilisiert werden.

 Heute sind gut 50 Personen, sechs Thurgauer Parteien (GP, SP, EVP, GLP, Junge Grüne, Juso), zwei Firmen (Nutronic AG, PVT-Schweiz) und zwei Verbände (Pro natura, WWF Thurgau/Bodensee) Mitglieder des neugegründeten Vereins "Allianz Thurgau Nein-zu-neuen-AKWs". Man verstehe sich eher als Bewegung denn als Verein im klassischen Sinn, sagte Präsident Urs Oberholzer an der Gründungsversammlung. Deshalb will man auch auf Mitgliederbeiträge verzichten und sich durch Spenden und Gönner finanzieren. Ausserdem ist das Ende der Allianz zunächst mit der Volksabstimmung in drei bis vier Jahren programmiert. Eine erste Aktion, die auf die Gefahren eines Endlagers in Benken aufmerksam machte, war eine Demonstration mit Atommüllfässern in Diessenhofen. Weitere Ideen für Aktionen wurden im Anschluss an die Gründungsversammlung besprochen.

 Der erste Vorstand

 Diese wählte auch den neuen Vorstand. Mitglieder sind: Präsident Urs Oberholzer Roth, Romanshorn, Kassiererin Regula Streckeisen, Romanshorn, und Aktuarin Erica Willi-Castelberg, Arbon. Hinzu kommen noch je ein Vertreter der beteiligten Parteien sowie der beiden Verbände. Ziel des Vereins ist es, die Atomkraft zu stoppen und erneuerbare Energien massiv auszubauen.l  

STEFAN BORKERT

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 Teil der Allianz Schweiz

 Die Thurgauer Allianz gegen neue AKWs ist der kantonale Ableger der Schweizer Allianz. In deren Charta heisst es, dass sich die Mitglieder dem gemeinsamen Ziel verpflichten, die Gewinnung von atomarer Energie zu stoppen. Sie würden den politischen Einsatz leisten, um den Bau neuer Atomkraftwerke in der Schweiz abzuwenden. AKWs würden eine unannehmbare Gefahr darstellen. Das Entsorgungsproblem sei noch nicht gelöst. Ausserdem würden AKWs die Entwicklung erneuerbarer Energien behindern (bor)

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WoZ 18.11.10

AKW-Bewilligungsverfahren

 Eine Scharade mit Nebenwirkungen

 AKWs verursachen schon im Normalbetrieb gesundheitliche Schäden. Das belegen immer mehr Studien. Trotzdem sollen in der Schweiz neue Anlagen gebaut werden. Frühestens in drei Jahren können die Schweizer StimmbürgerInnen darüber befinden. Doch zur Abstimmung kommt wohl nur ein Blankoscheck für die Atomindustrie.

 Von Susan Boos

 Rund um die deutschen und Schweizer Atom an la gen fehlen Tausende von Kindern - insbesondere Mädchen. Konkret ist die Rede von bis zu 20 000 Mädchen, die in den letzten vierzig Jahren "verloren gegangen sind", weil ihre Mütter während der Schwangerschaft in der Umgebung von AKWs gelebt haben. Das belegt eine soeben erschienene Studie (vgl. Interview nächste Seite). Sie dürfte die Atomdebatte neu befeuern: Bislang wusste man aufgrund der deutschen Kinderkrebsstudie, dass in der Nähe der Atommeiler überdurchschnittlich viele Kinder an Leukämie erkranken. Die neue Studie legt nun aber nahe, dass das Problem noch gravierender ist und Embryonen so stark geschädigt werden können, dass sie absterben.

 Die AKW-Frage treibt das Land um wie seit bald zwanzig Jahren nicht mehr. In Bern und St. Gallen kommen am 28. November Vorlagen vors Stimmvolk, die von den städtischen Stromversorgern den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie verlangen. Die Stadt Zürich hat schon entschieden, sich vom Atomstrom zu verabschieden. Basel lebt bereits atomstromfrei.

 Drei neue Atomkraftwerke

 Gleichzeitig werden neue AKW-Projekte konkreter. Am Montag stellten das Bundesamt für Energie (BFE) und das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) ihre Gutachten zu den Rahmenbewilligungsgesuchen für die geplanten drei Atommeiler vor. Es geht dabei um das sogenannte Ersatzkernkraftwerk Mühleberg bei Bern, das Ersatzkernkraftwerk Beznau nördlich von Baden und das Neubauprojekt Niederamt bei Gösgen. Die ersten beiden Projekte werden vom bernischen Unternehmen BKW FMB Energie und dem Ostschweizer Energiekonzern Axpo gemeinsam vorangetrieben. Das AKW Niederamt hingegen wird von der Alpiq geplant, die zu fast einem Viertel dem französischen Energieriesen Electricité de France (EDF) gehört.

 Die Rahmenbewilligungsgesuche sind wichtig, weil gemäss dem neuen Kernenergiegesetz über sie abgestimmt werden kann. Damit möchte man ein zweites Kaiseraugst verhindern: 1975 besetzten AKW-GegnerInnen das Baugelände, es entstand daraus eine der stärksten Schweizer Politbewegungen. Das soll nicht noch einmal passieren. Deshalb unterstehen alle nuklearen Neubauprojekte dem fakultativen Referendum. Schon in drei Jahren könnte über die neuen Meiler abgestimmt werden.

 Doch worüber genau? Im Rahmenbewilligungsgesuch steht wenig, was wirklich relevant ist. Die AKW-Bauer müssen sich darin nicht einmal darauf festlegen, wie gross ihre Anlagen werden sollen. Man erfährt nicht, welchen Reaktortypen sie planen, einen Siede- oder einen Druckwasserreaktor. Der Siedewasserreaktor gibt im Normalbetrieb mehr Radioaktivität ab als der andere Typ - was in Anbetracht der Diskussion über die Kinderleukämie und die "verlorenen Mädchen" von grosser Bedeutung ist.

 Das Chaos von Olkiluoto

 In den Rahmenbewilligungsgesuchen steht auch nicht, welches Reaktormodell von welchem Hersteller gebaut wird. Man wird also bei der Abstimmung nicht wissen, wie das Ding aussieht, welche sicherheitstechnischen Probleme es hat, wer es baut, wie teuer es wird. Das alles zu wissen, wäre jedoch zentral. Denn mit dem Vorzeigeneubau, dem Europäischen Druckwasserreaktor EPR, der zurzeit im finnischen Olkiluoto hochgezogen wird, läuft vieles schief. Den Reaktor baut Areva, eine staatliche Schwesterfirma der EDF. Ursprünglich hätte er vor einem Jahr ans Netz gehen sollen, nun heisst es, er sei vermutlich 2013 fertig. Die Baukosten steigen unablässig, haben sich schon fast verdoppelt und erreichen bald sechs Milliarden Euro.

 Vor einem Jahr warnten zudem die Atomaufsichtsbehörden von Finnland, Frankreich und Britannien in einer gemeinsamen Stellungnahme vor den Konstruktionsproblemen des EPR. Das normale Betriebssystem des Reaktors und das Sicherheitssystem sind so stark miteinander vernetzt, dass es zur Katastrophe kommen könnte (siehe WOZ Nr. 8/10).

 Gut möglich, dass der EPR auch in der Schweiz gebaut wird - weil die EDF ein grosses Interesse haben dürfte, bei Gösgen einen ihrer französischen Reaktoren hinzustellen.

 Entmachtete Kantone

 Auch dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat scheint das Durcheinander in Olkiluoto nicht geheuer. Dezent, doch unmissverständlich verlangt es im Gutachten: Die Kraftwerksbauer hätten für die "Projektierungs- und Auslegungsphase sowie für die Bauphase ein Managementsystem zu implementieren". Dazu schreibt das Ensi: "Die Managementtätigkeiten beeinflussen die Sicherheit und Qualität der Abläufe (…). Einerseits können Probleme, welche auf Mängel im Management bezüglich Sicherheit und Qualität in früheren Projektphasen zurückzuführen sind, häufig nicht mehr rückgängig gemacht werden.

 Andererseits ist eine nachträgliche Überprüfung von bereits erfolgten Tätigkeiten und Prüfungen kaum mehr möglich." Das ist eine höfliche Umschreibung des Chaos von Olkiluoto: Dort wurde das Betonfundament schludrig gegossen, mit falschen Plänen gearbeitet, und Arbeiten wurden wegen Zeit- und Spardruck schlecht ausgeführt.

 In seinen Gutachten macht das Ensi noch weitere Auflagen. Unter anderem muss bei Mühleberg genauer untersucht werden, ob der Hang hinter dem geplanten Atomkraftwerk nicht rutschen könnte. Beim Beznau-Standort muss hingegen abgeklärt werden, ob ein starkes Hochwasser die Atomanlage gefährden könnte. Der neue Reaktor soll auf dieselbe Aareinsel gebaut werden, auf der Beznau I und II stehen - das Gutachten sagt nichts darüber aus, ob ein solches Hochwasser auch diese beiden Reaktoren gefährden würde.

 Haben die AKW-Bauer einmal die Rahmenbewilligung erhalten, können die Kantone nicht mehr mitreden. Bei der Baubewilligung haben sie nichts mehr zu sagen - dabei werden erst dann die delikaten Details festgelegt. Das Kernenergiegesetz sieht vor, dass die AKW-Bauer keine kantonalen Baubewilligungen brauchen. Alle Bewilligungen kommen direkt vom Umwelt- und Energiedepartement Uvek, das inzwischen von der atomstromfreundlichen CVP-Bundesrätin Doris Leuthard regiert wird.

 Die Stimmberechtigten dürfen nur über die Rahmenbewilligungsgesuche abstimmen, in denen eigentlich nichts steht - womit einer Technologie mit gemeingefährlichen Nebenwirkungen ein Blankoscheck ausgestellt wird. Ein neues Medikament, das Fehlgeburten im selben Ausmass provoziert, wäre längst verboten.

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 Der Fahrplan

 Laut den Vorgaben des Bundesamtes für Energie (BFE) hat die Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit bis Ende Jahr Zeit für ihre Stellungnahme zum Rahmenbewilligungsgesuch. Danach stehen den Kantonen drei Monate zur Verfügung, um sich zu äussern. Mitte des nächsten Jahres werden die Gesuche dann öffentlich aufgelegt, allerdings sind sie schon heute auf der Website des BFE einzusehen.

 Im Frühling 2012 soll die Botschaft vorliegen, dann wird das Geschäft in den Räten behandelt. Die Frist für die Unterschriftensammlung begänne demnach im Frühling 2013, womit die Abstimmung noch Ende 2013 stattfinden könnte. Die Baubewilligungen dürften bis 2017 erteilt werden, zwischen 2025 und 2027 sollten die Anlagen den Betrieb aufnehmen.

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 Aktiv gegen AKW (I)

 Daniel Jeseneg, 28

 Als Daniel Jeseneg 1982 geboren wurde, war das Atomkraftwerk schon da. Als kleiner Junge stieg er manchmal vor dem Elternhaus in Gretzenbach, Kanton Solothurn, aufs Velo und fuhr mit den Schulkollegen einen Kilometer runter zum Aarefeld bei Gösgen, wenn Greenpeace vorbeikam für eine Protestaktion, und schaute zu. Im Schatten des Kühlturms ist er also aufgewachsen, und doch musste er erst Jahre später ins Schaffhausische fahren, wo er nach dem Abschluss am Lehrerseminar Solothurn zu unterrichten begann, um das Staunen über seinen Herkunftsregion zu hören. "Aus Gösgen?", fragten sie und klopften Sprüche.

 Jeseneg entstammt einer bürgerlichen Familie, sein Vater, Mitglied der CVP, war jahrelang Gemeindepräsident von Gretzenbach und traf sich regelmässig mit Vertretern der Energiewirtschaft, über das AKW fiel kaum ein schlechtes Wort, weder zu Hause noch in der Schule. Erst in den Zeitungsarchiven erfuhr er von den Protestaktionen in Gösgen Ende der siebziger Jahre, bevor das AKW 1979 schliesslich gebaut worden war. Jeseneg, der sich seit einem Jahr an der Kunsthochschule Luzern zum Dokumentarfilmer ausbilden lässt, begann zu recherchieren und nahm Kontakt mit AktivistInnen von damals auf. Daraus soll nun ein Film werden. Diese Arbeit hat Jeseneg, dessen Abstimmungscouverts bisher auf dem Müll gelandet sind, erst zum politisch interessierten Menschen gemacht. "Ich denke, meine Entwicklung ist typisch für meine Generation. Ich bin ein Kind der Neunziger, geprägt von Individualismus und Möglichkeitsvielfalt. Die Aktivisten der siebziger Jahre hingegen wurden durch die Abgrenzung von der Elterngeneration geprägt."

 Dieser Drang gehe der jüngeren Generation ab und mit ihm auch das handfeste politische Programm, glaubt er. Für seinen Film über die Protestbewegungen gegen die Schweizer Atompolitik hat er auch die Jungen Grünen von heute besucht, an einer Parteisitzung in Solothurn, und zugehört, wie sich seine Generation parteipolitisch betätigt: in der Sprache der Traktanden und Beschlüsse, geleitet von globalen, für Daniel Jeseneg weniger fassbaren Idealen. "Die Jungen sagen, sie machen Politik für die soziale Gerechtigkeit und für Umweltschutz. Die Alten sagen, sie engagierten sich gegen das Werteumfeld ihrer Eltern. Ich meine, Letzteres prägt das politische Bewusstsein stärker." So ist aus Jeseneg zwar kein Aktivist geworden, aber einer, der sich durch die Auseinandersetzung mit der Bewegungsgeschichte eine eigene Haltung angeeignet hat. Seither liest er Zeitungen, nicht nur die Gratisblätter, und engagiert sich auf Onlineforen in politischen Diskussionen. Auch sein Verhältnis zum Vater hat sich verändert - allerdings zum Guten: "In der Atompolitik sind wir nicht mehr einer Meinung, aber wir stehen uns näher: Ich interessiere mich für seine Kenntnisse, er sich für meinen Film." Andreas Schneitter

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 Aktiv gegen AKW (Ii)

 Michaela Lötscher, 24

 Michaela Lötscher erinnert sich gerne an das vorletzte Wochenende, als sie mit einer Gruppe von fünfzehn Leuten nach Gorleben in ihr erstes Protestcamp fuhr. Sie besuchte das Aktionstraining, sie lernte, wie man Polizeiblockaden durchschreitet, wie man sich wegtransportieren lässt, wie man den gewaltfreien Widerstand übt. Es gab Musik, Spiele, Gespräche bis tief in die Nacht, "eine Superstimmung", sagt sie. Doch als sie am folgenden Dienstag nach der Räumung der Strassenblockade den Castor-Transport vorbeirollen sah, "hat mich das tief bewegt". Elf Lastwagen, 123 Tonnen Atommüll. "Mir tun die Leute in der Region leid, die in Nachbarschaft mit diesem Material leben müssen."

 Lötscher, als Laborantin für Pflanzenbio logie tätig, ist keine Protesttouristin, sondern überzeugt, dass Blockadeaktionen wie in Gorleben ein wichtiges Zeichen für einen Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Atomkraft setzen können. Sie wuchs in Rheinfelden nahe Kaiseraugst auf, wo sie viele Geschichten über die "Heldentaten" der Generation ihrer Eltern gegen das geplante AKW zu hören bekam, und als sie mit der Schule einst das AKW Gösgen besichtigte und man ihr dort erzählte, wie ungefährlich es sei, da war sie, wie sie sagt, "schon längst sensibilisiert".

 Seit 2008 ist Michaela Lötscher Mitglied bei der Greenpeace-Regionalgruppe Basel, ausserdem bei der Bewegung "Menschenstrom gegen Atom". Sie hat sich für die Sanierung von Chemiemülldeponien in der Nordwestschweiz eingesetzt, im vergangenen Frühling den Pfingstmarsch gegen neue Atomkraftwerke von Olten nach Aarau mitorganisiert, und vor einigen Wochen verteilte sie Flyer am Euroairport Basel-Mulhouse, die für eine Reduktion des CO2-Ausstosses warben. Lötscher ist eine politisch Aktive ausserhalb der politischen Parteien und damit, glaubt sie, "eine Minderheit in meiner Generation, in der das Vertrauen, als Einzelne etwas gegen die Machtinteressen in der Politik ausrichten zu können, eher schwach vorhanden ist". Den Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 haben Menschen ihres Alters nicht miterlebt, sodass Atomenergie für umweltverträglicher gehalten werde als die Ener gie ge win nung aus Kohle oder Öl. "Ich bin aber davon überzeugt, dass es heute genug Möglichkeiten gibt, unseren Strombedarf mit erneuerbaren Energien zu decken." Manche würden dies Idealismus nennen, sagt Lötscher, "ich nicht. Für mich ist das ein Zeichen von gesundem Menschenverstand."

 Andreas Schneitter

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WoZ 18.11.10

Strahlenschutz und AKW

 Die fehlenden Mädchen

 Tausende von Kindern kommen wegen radioaktiver Strahlung nicht auf die Welt allein in Deutschland und in der Schweiz. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie. Claudio Knüsli, Onkologe in Basel und Präsident der ÄrztInnen gegen Atomkrieg Schweiz *, erklärt die Ergebnisse der Untersuchung.

 Interview: Susan Boos

 WOZ: Glaubt man der vor kurzem in München publizierten Studie, sind Atomkraftwerke eigentliche Embryokiller: Sie sollen allein in Deutschland und der Schweiz die Geburt von bis zu 20 000 Mädchen verhindert haben. Kann man die Studie ernst nehmen?

 Claudio Knüsli: Sehr wohl. Sie wurde von drei renommierten Wissenschaftlern - Ralf Kusmierz, Kristina Voigt und Hagen Scherb   - verfasst. Voigt und Scherb arbeiten in München beim Helmholtz-Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das vom Staat getragen wird. Kusmierz ist an der Universität Bremen tätig.

 Was genau haben die drei untersucht?

 Sie versuchten herauszufinden, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Anzahl geborener Knaben respektive Mädchen und der Wohndistanz zum nächsten Atomkraftwerk. Dabei kamen sie zu hochsigni fikanten Resultaten. Sie haben herausgefunden, dass in einem Umkreis von 35 Kilometern um die Atomanlagen - konkret geht es dabei um 27 Anlagen in Deutschland und 4 in der Schweiz   - im Verlaufe der letzten vierzig Jahre ein Verlust von 10 000 bis 20 000 Lebendgeburten bei Mädchen nachweisbar ist.

 Es wurden also bis zu 20 000 Mädchen weniger geboren, als normalerweise zu erwarten wäre?

 Genau.

 Und warum ist das wichtig?

 Normalerweise werden 105 bis 106 Knaben pro 100 Mädchen lebend geboren. Im Verlaufe des Lebens verändert sich dieses Zahlenverhältnis - das Sex Odds genannt wird   -, zum Zeitpunkt der Geburt ist es jedoch weitgehend stabil, es sei denn, Stress wie Krieg oder radioaktive Verstrahlung belasten die Bevölkerung. Vergleicht man die Sex Odds verschiedener Orte, lässt sich ziemlich einfach feststellen, ob in einer bestimmten Region Mädchen oder Jungen fehlen. Nach dem Super-GAU von Tschernobyl konnte man in jenen Gebieten Europas und Asiens, die durch die radioaktive Wolke verseucht worden waren, eine sprunghafte und anhaltende Veränderung der Sex Odds registrieren.

 Dann hat also schon Tschernobyl dazu geführt, dass weniger Mädchen auf die Welt kamen?

 Richtig.

 Warum sind vor allem Mädchen betroffen?

 Weibliche Embryonen sind offenbar noch strahlenempfindlicher als männliche. Grundsätzlich reagieren alle Embryonen äusserst strahlenempfindlich - und je kleiner sie sind, desto empfindlicher sind sie. Dies lässt sich durch letale Mutationen, also tödliche Veränderungen im Erbgut der Keimzellen oder der Embryonen erklären, bedingt durch die Verstrahlung mit radioaktiven Stoffen wie Cäsium-137. Deshalb kommt es dann zu spontanen Aborten der befruchteten Eizellen respektive der Embryonen.

 Männliche Embryonen sind davon ebenfalls betroffen: Beobachtungen aus Dänemark vor und nach 1986 legen nahe, dass die radioaktive Verstrahlung durch Tschernobyl auch viele fehlende Knabengeburten verur sacht hat. Auf etwa drei fehlende Mädchen geburten kommt eine fehlende Knabengeburt.

 Dann fehlen also insgesamt noch viel mehr Kinder?

 Ja, davon muss man ausgehen. Gemäss den vorliegenden Daten fehlen - als Folge des Reaktorunfalls in Tschernobyl 1986 - in Europa und Teilen Asiens mindestens eine Million Kinder! Anders als in den USA, die von Tschernobyl kaum betroffen waren.

 Zurück zur eingangs erwähnten Studie: Was bedeutet sie für die Schweiz?

 Die drei Wissenschaftler haben auch die Geburten einbezogen, die es in den letzten vierzig Jahren im 35-Kilometer-Radius um die Schweizer Atomkraftwerke gab, das waren 1,78 Millionen Lebendgeburten. Auch hier lässt sich nachweisen, dass Mädchen fehlen. Hochgerechnet sind es jedes Jahr mehrere Dutzend Mädchenlebendgeburten, die bei uns verloren gehen.

 Ist das hieb- und stichfest?

 Die Resultate sind hochsignifikant, sie halten auch strengen statistischen Zusatztesten wie einer Sensitivitätsanalyse stand. Man kommt an diesen Resultaten der verlorenen Kinder in der Umgebung von AKWs nicht vorbei. Es muss angenommen werden, dass die radioaktive Strahlung, die die AKWs auch im Normalbetrieb abgeben, dafür verantwortlich ist. Es kann zusätzlich auch zu Erbgutveränderungen kommen, die nicht sofort tödlich wirken, sondern erst Jahre später zu schweren Erkrankungen wie Leukämie führen. Wir müssen die genetischen Veränderungen sehr ernst nehmen, denn das Erbgut - "das kostbarste Gut der Menschheit", wie dies die Weltgesundheitsorganisation einmal formuliert hat - wird nachweislich geschädigt. Eine verantwortungsbewusste Gesellschaft darf sich deshalb die folgenschwere Atomtechnologie nicht leisten. Die medizinischen Argumente sind nicht zu übersehen, deshalb müssen wir auf Atomenergie verzichten.

 * Die ÄrztInnen der Organisation PSR/IPPNW Schweiz setzen sich für die weltweite Abschaffung der Atomwaffen und den Ausstieg aus der zivilen Atomtechnologie ein: www.ippnw.ch

 Der vollständige Text der Studie "Is the human sex odds at birth distorted in the vicinity of nuclear facilities?" von Ralf Kusmierz, Kristina Voigt, Hagen Scherb ist in der englischen Version zu finden unter: www.tinyurl.com/scherb

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Bund 17.11.10

Endlager

 Baselbieter Regierung gegen Atomabfälle an Bözberg

 Die Baselbieter Regierung will keine Atomabfälle an Bözberg und Jura-Südfuss. Die Behörden des Kantons würden sich im Rahmen des Sachplanverfahrens "mit den ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln" dagegen wehren. Aufgrund der Kantonsverfassung und des kantonalen Gesetzes über den Schutz der Bevölkerung vor Atomkraftwerken seien die Behörden verpflichtet, gegen die zwei potenziellen Standorte im Sachplan geologische Tiefenlager zu intervenieren. Baselland befinde sich gemäss eidgenössischer Notfallschutzverordnung in der Gefahrenzone 2 von 20 Kilometern - und damit in der Nachbarschaft.(sda)

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sf.tv 17.11.10

Atom-Technik in der Schweiz begann mit einem GAU

sf/fref

 Ab 2020 werden die ersten der fünf Schweizer AKW abgeschaltet. Als Ersatz möchten die grossen Stromkonzerne neue leistungsfähigere Reaktoren bauen - drei Projekte sind eingereicht worden. Begonnen hat die Geschichte der Schweizer Atom-Technik mit dem Versuchsreaktor in Lucens (VD). Dieser endete 1969 wenige Stunden nach Betriebsaufnahme mit einem der weltweit schwerwiegendsten Atom-Unfälle.

 Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg weltweit die Begeisterung für die zivile Nutzung der Atom-Technik. Auch die Schweiz hatte das Ziel, möglichst rasch eigenen Strom aus AKW zu gewinnen. Man glaubte in den späten 1950er-Jahren gar, die Schweiz sei wegen ihrer Perfektion prädestiniert für das Vorantreiben der damals noch jungen Technologie.

 Ab 1955 wurden drei Projekte zur Entwicklung eines Atom-Reaktors "made in Switzerland" vorangetrieben. Ein Zusammenschluss aus Unternehmen, Kantonen, Gemeinden und Elektrizitätsfirmen der Westschweiz favorisierte einen Siedewasser-Reaktor nach US-amerikanischem Vorbild mit Standort Lucens (VD). An einem zweiten Projekt arbeiteten die Deutschschweizer Elektrizitätswerke, die SBB und die BBC (später ABB).

 Warnungen in den Wind geschlagen

 Firmen wie Sulzer, Contraves, Escher-Wyss und Oerlikon aber auch die ETH Zürich unterstützten das Projekt Thermatom, das die Realisierung eines selbst entwickelten Schwerwasser-Reaktors unter der ETH Zürich vorantrieb.

 Das Interesse der Industrie war klar. Sie befürchteten, dass die von ihnen produzierten Dieselmotoren bald Vergangenheit sein würden und nur noch Atom-Technologie gefragt sein werde. Die Zukunft ganzer Wirtschaftskreise würden von einem eigenen Atomreaktor abhängen, wurde argumentiert.

 Trotz Warnungen wegen des hohen Risikos - unter anderem von Rudolf Sontheim, dem ersten Präsidenten der Reaktor AG und späteren BBC-Verwaltungsrat - fiel der Entscheid für das Thermaton-Projekt.

 Der Zuschlag für das Projekt war ein Kompromiss: Die 50 Millionen Franken Subventionen vom Bund waren an die Bedingung geknüpft, dass sich die Industrie auf eines der drei laufenden Atom-Technik-Pläne einigt.

 Lucens als Kompromiss-Projekt

 So entstand aus den drei Projekten eines. Die Partner einigten sich auf das Vorantreiben des selbst entwickelten Reaktors der Thermatom. Als Betriebsort wurde eine unterirdische Felskaverne in Lucens gewählt.

 Der damalige Atomdelegierte des Bundesrates, Jakob C. Burkhard, schien sich des Gefahrenpotentials des Reaktors von Lucens bewusst gewesen zu sein. "Das Projekt der Thermatom enthält einen grossen Teil an origineller Pionierarbeit, aber auch das grössere Risiko", verkündete er noch bevor der Beschluss gegen die anderen beiden Projekte gefallen war.

 Brennelement explodiert bei erstem Testlauf

 Und tatsächlich, die bösen Geister, die man rief, erschienen prompt: Der atomare Alleingang der Eidgenossenschaft führte zu einem der schwerwiegendsten Zwischenfälle der zivilen Atom-Technik weltweit: Der Atomunfall von Lucens (VD).

 Die Probleme in Lucens begannen schon während der Bauphase anfangs 1960er-Jahre. Wegen des damaligen Baubooms fehlten den beauftragten Baufirmen ständig die nötigen Arbeiter. Die Arbeiten verzögerten sich. Zudem gab es immer wieder undichte Stellen und Probleme im Kühl-Kreislauf.

 Bei einem ersten Testlauf explodierte 1965 ein Brennelement. Zwei Jahre später stieg Sulzer aus der Reaktor-Entwicklung aus - das Unternehmen sah ein, dass es keinen Sinn machte, in Konkurrenz zum Ausland eigene Atom-Reaktoren entwickeln zu wollen.

 BBC (die heutige ABB) hatte sich schon während der Verhandlungen um Subventionen zurück gezogen. Die Vertreter der Elektrizitätswerke bevorzugten die Nutzung der amerikanischen Technologien. Und bereits Ende 1964 war das erste Atomkraftwerk Beznau bestellt worden, nur wenige Monate später folgte die Bestellung für Mühleberg.

 Zu jenem Zeitpunkt war das Projekt Thermatom bereits im Bau. Die verbliebenen Firmen stellten sich mit aller Kraft gegen das Ende von Lucens. Nach weiteren Testbetrieben und Revisionen wurde am 21. Januar 1969 der Betrieb aufgenommen.

 Als die Kühlgebläse an diesem Tag zu laufen anfingen, schien das Problem mit den Dichtungen behoben zu sein. Zuvor hatte sich bei Testläufen im Kühlmittel CO2 immer wieder Wasser gefunden.

 GAU mit Ankündigung

 Der Reaktor wurde kurz nach Mitternacht angefahren. Brisant: Nur eines der neu entwickelten Brennelemente war zuvor in einem Testreaktor getestet worden - und erst noch ohne Erfolg. Nach wenigen Monaten war das Element durchgeschmolzen und kontaminierte den Versuchsreaktor.

 Kurz vor fünf Uhr morgens gab Lucens fünf Megawatt Leistung ab. Die Equipe stellte aber eine aussergewöhnliche Kühlmittelaktivität fest. Die Ursachen wurden noch gesucht, als der Schichtleiter entschied, die Leistung weiter hochzufahren.

 Während die Leistung in den folgenden Stunden weiter erhöht wurde, hatte sich - von der Mannschaft unbemerkt - die Magnesiumhülle des Brennelements 59 so stark aufgeheizt, dass sie schmolz. Die Oberfläche des Uranstabs wurde freigesetzt, das Uran verflüssigte sich. Schliesslich entzündete sich der atomare Brennstoff am Kühlmittel.

 Nun gingen im Kontrollraum sämtliche Alarme gleichzeitig los. Insgesamt 38 Fehler-Signale gingen ein. Die Sicherheitssysteme leiteten eine Schnellabschaltung ein.

 Unklare Folgen für die Umwelt

 Die Kaverne riegelte sich zwar automatische von der Umwelt ab. Die Luftklappen schlossen jedoch zu spät und eine radioaktive Wolke konnte durch den Abluftkamin entweichen.

 Als die Strahlung auch im Kontrollraum erheblich stieg, zog sich die Mannschaft in ein Nebengebäude zurück. Eine Notbesatzung blieb mit Gasmasken vor Ort.

 Eine gute Stunde nach dem Alarm wurde festgestellt, dass in den umliegenden Gemeinden die Werte "weit über der maximal zulässigen Konzentration für ein unbekanntes Isotopengemisch" liegen. Doch das gemessene Plutonium kam gemäss den Experten der Kommission für Überwachung der Radioaktivität nicht aus dem zerstörten Reaktor, die Herkunft blieb unklar.

 24 Stunden nach dem Unfall war die Luft im Kommandoraum nicht mehr belastet. Auch in der Reaktor-Kaverne sank die Radioaktivität. Die akute Phase des Zwischenfalls wurde kurz darauf für abgeschlossen erklärt.

 Nachdem eine Untersuchungskommission den Vorfall während Monaten untersucht hatte, wurden zwei der drei Kavernen mit Beton versiegelt. Die Demontagearbeiten dauerten bis Ende 1971. Der Untersuchungsbericht wurde jedoch erst zehn Jahre später abgeliefert. Alle Erklärungsversuche zur Ursache scheiterten aber an unauflösbaren Widersprüchen.

 Obwohl 1995 noch immer Wasser mit erhöhter Cäsium-137-Konzentration aus dem Berg rann, entliess der Bund den Reaktor von Lucens aus dem Atomgesetz. Die unversiegelten Kavernen-Räume wurden als Lager für Kunstobjekte übernommen und eine Werkstatt für Tierpräparatoren wurde eingerichtet.

 Erst 2003 wurden die letzten sechs Behälter mit radioaktiven Abfällen ins Zwischenlager bei Würenlingen (AG) gebracht.

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Finanz und Wirtschaft 17.11.10

KKW-Standorte geeignet

 Erster Schritt zu neuen Kernkraftwerken - Hohe Sicherheitsanforderungen

Peter Morf

 Die erste Hürde auf dem langen Weg zu neuen Kernkraftwerken ist genommen: Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) hat die drei vorliegenden Gesuche um Rahmenbewilligungen für neue Kernkraftwerke geprüft und für gut befunden. Im Juni 2008 wurde das Gesuch für einen Neubau am bestehenden Standort Gösgen eingereicht und im Dezember desselben Jahres Gesuche für Neubauten in Beznau und Mühleberg.

 Das Ensi hat die Gesuche mit Blick auf die Standorteigenschaften, die nukleare Sicherheit, den Sabotage- und Terrorschutz, die spätere Stilllegung sowie die Entsorgung der radioaktiven Abfälle geprüft. Es kommt zum Schluss, dass alle drei Gesuche den rechtlichen Anforderungen genügen und auch die hohen Sicherheitsbestimmungen einhalten. Diese sind deutlich restriktiver als bei den bestehenden Kernkraftwerken. Obwohl das Ensi alle drei Standorte als geeignet ansieht, hat es für alle Gesuche gewisse zusätzliche Auflagen gemacht, die noch erfüllt werden müssen. Sie betreffen in erster Linie die Erdbebengefährdung.

 Mit der Prüfung der Rahmenbewilligungen durch das Ensi wurde der Bewilligungsprozess für neue Kernkraftwerke angestossen. Diese werden nötig, weil sich die Laufzeit der bestehenden Werke dem Ende zuneigt und die Stromversorgung anders in nützlicher Frist nicht sichergestellt werden kann. Im nächsten Schritthat sich nun die Kommission für nukleareSicherheit zu den Gesuchen zu äussern, danach werden Stellungnahmen der Kantone eingeholt.

 Für den Frühsommer 2011 ist die öffentliche Auflage der Projekte geplant. Ein Jahr später sollte der Bundesrat entscheiden und die entsprechende Botschaft dem Parlament zuleiten. Der Entscheid der Bundesversammlung untersteht dem fakultativen Referendum, die Volksabstimmung könnte gegen Ende 2013 stattfinden. Die neuen Werke - wohl eher deren zwei als drei - könnten ungefähr im Jahr 2025 in Betrieb genommen werden. pm

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Presseportal 16.11.10

AVES Schweiz zufrieden mit erstem Okay für Ersatz-Kernkraftwerke

 Zug (ots) - Nachdem sich Bundesrat und Schweizer Volk wiederholt zur Kernenergie bekannt haben, begrüsst die Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz (AVES) das heutige offizielle Okay bezüglich Standorteignung für neue KKWs. Das Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) bescheinigt den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn die Eignung ihrer vorgeschlagenen Standorte für den Bau von Ersatz- Kernkraftwerken. Das ist ein guter Schritt in die sichere Schweizer Stromzukunft. Der sich längst abzeichnenden Stromversorgungslücke in unserem Lande können wir nur mit unserem bewährten Strommix aus erneuerbarer Energie und Kernkraft realistisch begegnen.

 Mit dem heute veröffentlichten Gutachten der Sicherheitsbehörden sieht die AVES ihre Forderungen bestätigt, dass Behörden und alle politisch relevanten Kräfte der sicheren, kostengünstigen, CO2- freien und eigenständischen Stromversorgung in unserem Lande höchste Aufmerksamkeit schenken müssen.

 Mindestens zwei (Ersatz-)Kernkraftwerke

 Die ab 2017 auslaufenden Strombezugsrechte mit Frankreich, die Abschaltung der dienstältesten KKW Beznau 1 und 2 sowie Mühleberg ab 2020, der Wille zur CO2-Reduktion und nicht zuletzt der stark steigende Strombedarf verlangen zwingend den (Ersatz-)Bau von mindestens zwei grossen Kernkraftwerken in der Schweiz.

 Stromverbrauch steigt trotz Effizienz

 Trotz zunehmender Effizienz auch bei Häusern und Elektrogeräten steigt der Stromverbrauch pro Bewohner. Weg von fossilen Energien bedeutet zum Beispiel auch Wärmepumpen (die 20 Prozent Strom brauchen) oder Elektroautos. Bestünde die Hälfte des heutigen Schweizer Autoparks aus Elektroautos, bräuchte dies, laut Bundesamt für Energie, die Produktionsmenge eines ganzen Kernkraftwerks. Aehnliches gilt auch für den öffentlichen Verkehr: Die SBB, die heute schon auf 30 Prozent Atomstrom angewiesen sind, werden in den nächsten 20 Jahren um einen Viertel wachsen.

 Erneuerbare reichen nicht

 Weil die Ausbaumöglichkeiten bei der Wasserkraft weitgehend ausgeschöpft sind und die erneuerbaren Energiequellen (Wind, Photovoltaik, Biomasse) auf viele Jahrzehnte hinaus die kommende Stromlücke nicht zu schliessen vermögen, muss mit dem Bau von mindestens zwei Kernkraftwerken schnellstmöglichst ernst gemacht werden. Das heutige positive Gutachtendes des ENSI zur Standorteignung ist ein wichtiger Schritt dazu.

 Die Aktion für vernünftige Energiepolitik der Schweiz (AVES) und ihre welsche Schwesterorganisation FRE (Fédération romande pour l'Energie) setzen sich für die sichere, ausreichende, sparsame und möglichst CO2-freie Stromversorgung unseres Landes ein. Die AVES umfasst rund 6000 Mitglieder, darunter 100 National- und Ständeräte sowie viele Mitglieder kantonaler und gemeindlicher Legislativen und Exekutiven. Das Präsidium liegt zurzeit bei Ständerat Rolf Schweiger (FDP/ZG). Dem Vorstand der AVES Schweiz gehören auch Nationalrätin Elvira Bader (CVP/SO), die Nationalräte Werner Messmer (FDP/TG) und Hans Killer (SVP/AG) sowie Ständerat Filippo Lombardi (CVP/TI) an.www.aves.ch

 ots Originaltext: AVES Schweiz Internet: www.presseportal.ch

 Kontakt: Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz / AVES SChweiz Postfach 4733 6304 Zug Tel.: +41/41/544'25'44 Fax: +41/41/544'25'45 E-Mail: info@aves.ch Internet: www.aves.ch

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BZ 16.11.10

Die BKW muss nachbessern

AKW MühlebergDer Berner Energiekonzern BKW darf sich weiterhin Hoffnungen machen, in Mühleberg ein Atomkraftwerk der neusten Generation bauen zu können. Dies als Ersatz für die bestehende Anlage. Das Nuklearsicherheitsinspektorat des Bundes stellt dem Standort das Zeugnis "geeignet" aus. Dieselbe Beurteilung erhielten allerdings auch die beiden anderen infrage kommenden Standorte Gösgen und Beznau.

 Die BKW muss aber ihr Gesuch nachbessern und weitere Untersuchungen durchführen, welche die Sicherheit betreffen. Insbesondere besteht bis heute noch eine Unsicherheit darüber, ob der Hang hinter dem neuen AKW abrutschgefährdet ist. Ein geologisches Gutachten soll diese Frage prüfen.phm Seite 13

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Geologe prüft Hang beim AKW-Areal

AKW Mühleberg Die BKW bleibt für den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg im Rennen. Allerdings befürchten die Inspektoren des Bundes, dass der Hang hinter dem neuen AKW abrutschen könnte. Ein geologisches Gutachten soll Klarheit schaffen.

 Für die drei Stromkonzerne Alpiq, Axpo und BKW sowie die Atomkraftbefürworter ist es eine gute Nachricht, für Atomkraftgegner eine eher schlechte: Alle drei Standorte, die für den Neubau von je einem neuen Atomkraftwerk im Rennen sind, erhalten vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) die Beurteilung "geeignet". Das Ensi hat im Auftrag des Bundes alle drei Rahmenbewilligungsgesuche geprüft.

 Aus Sicht der nuklearen Sicherheit könne sowohl in Mühleberg wie auch in Beznau und Gösgen ein neues Atomkraftwerk gebaut werden, sagte Ensi-Direktor Hans Wanner gestern vor den Medien.

 Rutschgefahr in Mühleberg?

 Allerdings entspricht das Urteil erst einem Ja mit   Vorbehalt, denn zu allen drei Standorten verlangt das Ensi noch zusätzliche Studien und Überprüfungen, etwa zur Erdbebengefährdung.

 Einen zusätzlichen Vorbehalt macht die Behörde beim Projekt der BKW in Mühleberg. Das neue AKW, das in einer Entfernung von rund einem Kilometer zum bestehenden Werk gebaut werden soll, liegt laut Ensi in einem "potenziellen Rutschgebiet". Problematisch könnte laut der Behörde der Runtigenrain werden, der sich direkt hinter dem künftigen AKW aufbaut und eine Höhe von 560 Metern über Meer erreicht (siehe grosses Foto). Das Ensi fordert in seinem Gutachten die BKW auf, mit einem geologischen Gutachten die Hangstabilität zu belegen. "Die direkte Gefährdung des Standorts durch Rutschungen, Steinschlag und Felssturz ist genauer abzuklären." Diese Forderung zeigt, dass die Behörde sehr genau hinschaut und jedes erdenkliche Risiko abklären will.

 Die BKW ihrerseits beteuert, bereits vor der Einreichung des Gesuchs umfassende Tests durchgeführt zu haben. Dabei habe man auch die "unwahrscheinlichsten Szenarien" durchgespielt, etwa überdurchschnittliche Niederschlagsmengen über einen längeren Zeitraum, Erdbeben und Felssturz. Die BKW räumt ein, dass Steinschlag an jenem Standort zwar vorkomme. Aber: "Das Gefährdungspotenzial, das vom Hang ausgeht, hat unseres Erachtens nicht ein Ausmass, welches den sicheren Betrieb der neuen Anlage in irgendeiner Form beeinträchtigen würde", sagt Sprecher Antonio Sommavilla. Die BKW wolle ihre Einschätzung durch ein geologisches Gutachten jedoch prüfen lassen und versuchen, die Bedenken der Behörde auszuräumen.

 Die BKW empfindet die zusätzlichen Auflagen des Ensi nicht als Wettbewerbsnachteil, sondern legt Wert auf die Feststellung, dass Mühleberg von der Behörde als geeigneter Standort für ein neues AKW eingestuft werde. Tatsächlich steht im Gutachten: "Die Ergebnisse haben nach Einschätzung des Ensi gezeigt, dass keine Eigenschaften vorhanden sind, die den Standort Mühleberg grundsätzlich in Frage stellen."

 Der definitive Entscheid, ob in Mühleberg ein neues AKW gebaut werden kann, entscheidet jedoch nicht das Nuklearsicherheitsinspektorat, sondern das Bundesamt für Energie (siehe Kasten).

 Mindestens ein Kühlturm

 Dem Gutachten sind weiter einige Details zum geplanten AKW-Ersatz in Mühleberg zu entnehmen. Im Gegensatz zur bestehenden Anlage wird das neue AKW über mindestens einen grossen Hybridkühlturm verfügen. Er dürfte rund 60 Meter in die Luft ragen (kleines Bild). Denkbar ist aber auch, dass anstelle eines grossen Turms zwei kleinere aufgestellt würden. Diese hätten zwar einen kleineren Durchmesser, kämen aber auch auf eine Höhe von etwa 50 Metern.

 Noch nicht festgelegt ist, welcher Reaktortyp im AKW eingebaut würde. Das Ensi macht hierzu lediglich die Auflage, dass es sich um einen Reaktor der neusten Generation handeln müsse. Im Gesuch der BKW ist erst allgemein die Rede von einem Leichtwasserreaktor mit einer Leistung von höchstens 1600 Megawatt. Das entspricht dem Vierfachen des heutigen AKW. Was die Kosten der Anlage betrifft, so zieht die BKW offenbar die Lehren aus dem Finanzdebakel in Finnland, wo die Baukosten aus dem Ruder laufen, und rechnet mit einem Gesamtbetrag von sieben bis neun Milliarden Franken.

 Philippe Müller
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 Jeder Stromkonzern verfolgt seine Interessen

 Stichwort Die Energieunternehmen sind zufrieden mit dem günstigen Urteil des Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi). Die Gutachten bringen sie im Standortstreit aber keinen Schritt weiter: Alpiq, Axpo und BKW beharren auf ihren Projekten. Verhandlungen sind zwar im Gang, eine Einigung ist aber nicht in Sicht.

 Einig sind sich die Energieunternehmen immerhin darin, dass der Bau von drei neuen Atomkraftwerken nicht realistisch ist. Trotzdem haben alle drei ein eigenes Gesuch eingereicht: Alpiq jenes für Gösgen, Axpo und BKW je eines für Beznau und Mühleberg. Seither versuchen sie, sich auf zwei Standorte zu einigen. Bisher ohne Erfolg, wie die Unternehmen am Montag bestätigten.

 Die harte Haltung der Stromkonzerne überrascht nicht: Es geht einerseits um viel Geld, das sich mit dem Betrieb eines AKW verdienen lässt, andererseits um die Marktmacht in der Strombranche.sda

 So gehts weiter

 Nächste Schritte Das Gutachten zu den drei Rahmenbewilligungsgesuchen von Alpiq, Axpo und BKW war lediglich ein erster Schritt in einem langwierigen Verfahren. Das sind die nächsten Etappen:

 2011: Die drei Kantone Aargau (Standort Beznau), Bern (Mühleberg) und Solothurn (Gösgen) geben zuhanden des Bundes ihre Haltung gegenüber neuen AKW bekannt. Im Kanton Bern findet dazu am 13. Februar eine konsultative Volksabstimmung statt. Mitte 2011 sollen sämtliche Projekte dann öffentlich aufliegen und die Einsprachefrist beginnen.

 2012: Der Bundesrat verabschiedet eine Botschaft an die eidgenössischen Räte. Entscheid der Bundesversammlung.

 2013: Volksabstimmung (nur, falls das Referendum ergriffen wird).

 2014-2025: Bei einem Ja an der Urne: Einreichung der Baugesuche. Danach beginnen die langjährigen Vorbereitungs- und Bauarbeiten.

 2025−2027: Nach einer Testphase könnten die neuen Atomkraftwerke ans Netz gehen.phm

 Das verlangt der Bund

 Forderungen Neben einer Studie zur Erdbebengefährdung und zur Rutschgefahr am Runtigenrain muss die BKW weitere Antworten nachreichen. Die meisten dieser Auflagen gelten jedoch für alle in Frage kommenden Standorte:

 Bestimmung der Häufigkeit der Flugzeugabstürze in der Region und Überprüfung, ob das AKW den Absturz eines F/A-18-Jets unbeschadet überstehen würde;

 Angaben zum Brandschutzkonzept bei Waldbränden;

 Konzept zur Sicherung der Baustelle.phm

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Le Temps 16.11.10

Votes en cascade dans le canton de Berne

 Le sort de la centrale existante de Mühleberg doit encore être fixé

B. W.

 Le sort de Mühleberg I doit encore être tranché

 Les tensions sont vives dans le canton de Berne, où l'on va voter deux fois de suite sur l'atome. Le 28 novembre, les habitants de la capitale sont appelés à se prononcer sur une initiative populaire communale et un contre-projet de la municipalité. Ces deux textes demandent que la société d'électricité locale EWB renonce à l'énergie d'origine nucléaire. L'initiative exige cet abandon d'ici à 2030, le contre-projet donne à la compagnie locale un délai supplémentaire de neuf ans.

 Les enjeux ne sont pas minces. Selon les autorités, EWB devra investir au moins 470   millions pour trouver d'autres ressources énergétiques. En parallèle, elle doit renoncer aux droits de concession qu'elle retire de la centrale de Gösgen, ce qui représente un manque à gagner de 39   millions par an.

 Deux mois plus tard, le 13   février, c'est la population du canton qui s'exprimera sur l'avenir de la centrale de Mühleberg. Le Conseil exécutif, à majorité rose-verte, est opposé au remplacement de l'usine plantée au bord de l'Aar. Mais le Grand Conseil, à majorité de droite, est favorable à la construction d'une nouvelle unité. Le peuple donnera son avis en février, dans le cadre d'un vote consultatif.

 En parallèle, la question de la prolongation de la durée de vie de la centrale existante doit être réglée. En principe, le réacteur de Mühleberg devrait s'arrêter le 31   décembre 2012. Il y a un an, le Conseil fédéral a cependant décidé d'accorder à ses exploitants une prolongation illimitée de son utilisation. L'ISFN a donné son accord.

 Des recours ont été déposés au Tribunal administratif fédéral (TAF) par une centaine de riverains. Cette cour a rendu une première décision intermédiaire en juillet. Elle a ordonné au Département fédéral de l'énergie de mettre à sa disposition tous les rapports sur lesquels l'ISFN et lui-même se sont appuyés pour donner leur feu vert à la prolongation de l'exploitation de l'usine. Le TAF doit encore, avant de trancher sur le fond, décider si les opposants pourront eux aussi avoir accès à ces documents sensibles.

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Bund 16.11.10

Neue Atomkraftwerke: Leichter Vorteil für Gösgen

 Die Bewerber für ein neues Kernkraftwerk sind noch alle im Rennen. Bei Beznau und Mühleberg fordern die Fachleute des Bundes aber zusätzliche Abklärungen.

 Fabian Renz und Sarah Nowotny

 Ein "wichtiger Meilenstein" auf dem Weg zu neuen Atomkraftwerken sei erreicht worden. Dies stellten die Stromkonzerne Axpo und BKW FMB Energie AG sowie die mit ihnen konkurrierende Alpiq gestern übereinstimmend fest. Die Unternehmen haben für ihre Rahmenbewilligungsgesuche allesamt das Gütesiegel des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) erhalten. Wie deren Direktor Hans Wanner vor den Medien erklärte, sind sowohl Beznau AG und Mühleberg, wo sich Axpo und BKW im Verbund bewerben, als auch Gösgen SO, wo Alpiq bauen will, als Kraftwerk-Standorte geeignet.

 Ein leichter Vorteil für Gösgen lässt sich dennoch konstatieren - auch wenn Ensi-Chef Wanner Wert auf die Feststellung legte, man habe keine Rangierung vorgenommen. Alpiqs Gösgen-Gesuch hat die Sicherheitsauflagen umfassend erfüllt. Zwar muss der Konzern sein Projekt noch um ein Messnetz zur Erfassung von Erdbeben und eine entsprechende Gefährdungsanalyse ergänzen. Doch trifft diese Vorgabe auch die Axpo und die BKW. Darüber hinaus lassen die Gesuche für Beznau und Mühleberg, anders als jenes für Gösgen, im Urteil des Ensi noch wichtige sicherheitsrelevante Fragen offen. Für Mühleberg müssten insbesondere die durch Felssturz, Steinschlag und Rutschungen drohenden Gefahren noch genauer analysiert werden, fordert das Inspektorat (siehe Kasten). Beim Beznau-Projekt wiederum ist nach Ansicht der Fachleute die Überflutungsgefahr nicht genügend einkalkuliert. Immerhin soll das geplante Kraftwerk auf einer Insel in der Aare zu stehen kommen.

 Trotz dieser Rügen für die Konkurrenz hütete sich Alpiq-Sprecher Andreas Werz gestern, als Triumphator aufzutreten. "Unsere Position hat sich sicher nicht verschlechtert", meinte er nur.

 Heikle Reaktor-Wahl

 Viele sicherheitstechnische Aspekte werden allerdings ohnehin erst viel später im Rahmen eines etwaigen Baubewilligungsverfahrens geklärt. Ein solches wird erst eingeleitet, nachdem das Parlament und allenfalls das Volk zum Bau grundsätzlich Ja gesagt haben. Zu den offenen Fragen, die noch viel zu reden geben dürften, gehört beispielsweise die Wahl des Kernreaktors. Die Atom-kritische Schweizerische Energie-Stiftung kritisiert es als "fahrlässig", dass das Ensi hierzu nicht schon vor der Volksabstimmung Klarheit schafft.

 Der weitere Fahrplan ist recht ehrgeizig. Anfang 2011 erhalten die Kantone Gelegenheit zur Stellungnahme. Für Mitte 2012 ist geplant, dass der Bundesrat über die Rahmenbewilligungen entscheidet. Die Volksabstimmung soll gegen Ende 2013 stattfinden können.

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AKW-Mühleberg

 Die Angaben der BKW sind laut ENSI zum Teil "wenig plausibel"

 Das von der BKW in Mühleberg vorgesehene Werk glänzt im Urteil des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI durchaus nicht nur als Musterschüler. Hänge in der Umgebung des potenziellen AKW-Standorts seien auf ihr Gefährdungspotenzial zu untersuchen, schreibt das ENSI. "Kann eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden, sind vertiefte Abklärungen vorzunehmen, die die Hangeigenschaften und die Auswirkungen von Erdbeben und Starkregen umfassen." Und genau hier hapert es offenbar bei der BKW, hält das ENSI doch fest, die "Angaben des Gesuchstellers zur direkten Gefährdung des Standorts durch Rutschungen, Steinschlag und Felssturz sind teilweise widersprüchlich und wenig plausibel". So werde ohne Begründung behauptet, grössere Erd- und Felspakete lösten sich höchstens bei Erdbeben ab. "Extreme Niederschläge können den Gesteinsverband aber ebenfalls lösen, wie etwa der Bergsturz von Goldau 1806 zeigte." Solch klar kritische Worte sind im vorsichtig formulierten ENSI-Gutachten eher die Ausnahme. Bei der BKW glaubt man nicht, dass die Kritik ein schlechtes Omen für den Konkurrenzkampf mit den anderen geplanten AKW sei. "Grundsätzlich stützt das Inspektorat unsere Aussage, wonach ein Kernkraftwerk in Mühleberg in Sachen Sicherheit unbedenklich ist", sagt BKW-Sprecher Antonio Sommavilla. "Uns ist aber bewusst, dass wir das Projekt noch weiterentwickeln können. Deshalb nehmen wir die Ensi-Vorschläge selbstverständlich entgegen." Zeit hat die BKW für weitere Abklärungen, bis sie ein Gesuch um die Baubewilligung stellt - falls überhaupt, ist es erst in einigen Jahren so weit. (sn)

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Basler Zeitung 16.11.10

AKW-Standorte abgesegnet

 Bewerber um neue Atomkraftwerke haben die erste Hürde geschafft

 Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) gab gestern grünes Licht - und machte ein paar Auflagen - für den Bau neuer Kernkraftwerke an den bisherigen Standorten Gösgen, Beznau und Mühleberg.

 Um den Bau eines Atomkraftwerkes bewerben sich der Stromkonzern Alpiq am Standort Gösgen sowie die Konzerne Axpo und BKW an den Standorten Beznau und Mühleberg. Aus Sicht der nuklearen Sicherheit könne an allen drei Standorten ein neues Kernkraftwerk gebaut werden, sagte Ensi-Direktor Hans Wanner gestern vor den Medien in Bern.

 Weitere Auflagen

Der Schutz von Mensch und Umwelt vor Radioaktivität könne sichergestellt werden. In den Rahmenbewilligungsgesuchen machten die Bewerber laut Wanner weitgehend vollständige und korrekte Angaben. Aus Sicht des Ensi haben sie zudem auch den Nachweis für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle erbracht.

 Mit Blick auf eine Baubewilligung formuliert das Ensi allerdings Auflagen. Unter anderem sollen weitere Abklärungen zur Erdbebengefährdung und zur Strahlenbelastung in der Umgebung gemacht werden. Laut Hans Wanner sind die Anforderungen an die geplanten Atomkraftwerke höher als jene an die bereits existierenden. Beispielsweise muss die Schutzhülle einem Absturz von Flugzeugen jeglicher Grösse standhalten. Die bestehenden Anlagen erfüllen diese Anforderung nicht. Sie müssen deshalb auf andere Weise sicherstellen, dass es bei einem Absturz nicht zu einer Kernschmelze käme.

 Das letzte wort. Als Nächstes nimmt nun die Kommission für nukleare Sicherheit Stellung zu den Ensi-Gutachten. Anfang des Jahres 2011 werden dann die Kantone die Gelegenheit erhalten, sich zu den drei Gesuchen zu äussern. Die öffentliche Auflage erfolgt Mitte 2011. Der Bundesrat wird voraussichtlich Mitte 2012 über die drei Gesuche entscheiden. Danach ist das Parlament am Zug. Das letzte Wort wird das Volk haben: Eine Volksabstimmung könnte gegen Ende 2013 stattfinden.  SDA  > Seite 5

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Grünes Licht für unbekannte Atomkraftwerke

 Die drei Schweizer AKW-Projekte überwinden die erste von zahlreichen Hürden

 Hanspeter Guggenbühl

 Die alten Schweizer Kernkraftwerk-Standorte Gösgen, Beznau und Mühleberg eignen sich auch für neue Atomkraftwerke. Zu diesem Schluss kommt die Aufsichtsbehörde Ensi. Doch wesentliche Fragen bleiben offen.

 Die Stromkonzerne Axpo, BKW und Alpiq reichten 2008 Gesuche für eine Rahmenbewilligung ein, um auf dem Gelände ihrer bisherigen Atomkraftwerke in Beznau, Mühleberg und Gösgen drei neue Atomkraftwerke (AKW) bauen zu können. Die "Rahmenbewilligung" ist die erste von drei Bewilligungen, die es für den Bau und Betrieb von neuen AKW braucht. Dafür müssen die Projektanten ein mehrstufiges Verfahren durchlaufen. Das verlangt das Kernenergiegesetz von 2003.

 Den ersten Schritt zur Rahmenbewilligung hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) gestern vollzogen und dabei "alle drei Standorte" als "geeignet" beurteilt. In seinen drei fachtechnischen Gutachten kommt das Ensi zu folgendem Schluss: "Die Angaben der Gesuchsteller sind technisch fundiert und die gesetzlichen Anforderungen werden erfüllt. Aus Sicht der nuklearen Sicherheit könnte an allen drei Standorten ein neues Kernkraftwerk gebaut werden."

 Laut Gesetz kann die Rahmenbewilligung dann erteilt werden, wenn am betreffenden Standort "der Schutz von Mensch und Umwelt sichergestellt werden kann", andere Gesetze nicht verletzt werden und "der Nachweis für die Entsorgung der anfallenden radioaktiven Abfälle erbracht ist". Diese Voraussetzungen seien bei allen drei Standorten erfüllt, urteilt das Ensi, nachdem es in seinen Gutachten die Standorte punkto Gefährdung durch Geologie, Erdbeben, Industrieanlagen, Verkehrswege, Überflutung und punkto Strahlenschutz geprüft hat.

 Nachprüfungen. Um die Anforderungen für eine spätere Baubewilligung ebenfalls erfüllen zu können, verlangt das Ensi allerdings eine Reihe von zusätzlichen Abklärungen. Dazu gehören vertiefte Analysen von Erdbebengefahren sowie ein "Organisations-Managementsystem", das Gefährdungen durch menschliches Versagen minimiert. Weitere Anforderungen betreffen zwei der drei Standorte: Beim BKW-Standort in Mühleberg müssen die Gefahren durch Hangrutsche beurteilt werden; beim Axpo-Standort in Beznau, inwieweit sich Aufschüttungen zum Schutz vor Überflutungen auf die kerntechnischen Anlagen auswirken.

 Nun folgen politische Entscheide: Bis Ende Jahr muss die Kommission für nukleare Sicherheit die Gutachten beurteilen. Bis Ende März 2011 sollten die Stellungnahmen der Kantone vorliegen, die zum Teil kantonalen Volksabstimmungen unterliegen. Danach folgen Stellungnahmen von Bundesstellen, die öffentlichen Auflagen der Projekte sowie Einspracheverfahren. 2012 wird der Bundesrat über die Bewilligungsgesuche beschliessen, im Zeitraum 2012/2013 das Parlament. Voraussichtlich Ende 2013 oder 2014 kann das Volk entscheiden, weil AKW-Gegner längst das fakultative Referendum angekündigt haben.

 Doch wesentliche Fragen bleiben offen. So haben die drei AKW-Betreiber in spe noch nicht entschieden, welche zwei ihrer drei Projekte sie realisieren wollen, und wie gross ihre geplanten Atommeiler sein sollen; die Angaben in den Rahmenbewilligungsgesuchen schwanken zwischen 1100 und 1600 Megawatt Leistung. Ebenfalls offen bleibt die Wahl des Reaktortyps. Zur Diskussion stehen Modelle aus Europa, etwa der Druckwasserreaktor EPR, der zurzeit in Finnland erprobt wird.

 Diese für die nukleare Sicherheit wichtigen Fragen müssen laut Kernenergiegesetz erst bei der Baubewilligung geklärt werden. Das heisst: Wenn Bundesrat, Parlament und Volk über die Rahmenbewilligungen für neue Atomkraftwerke entscheiden, wissen sie noch nicht, welcher Reaktortyp gewählt wird und wie gross die geplanten AKW sein sollen.

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 Da Meilenstein, dort bedenklich

 Reaktionen. BKW und Axpo bezeichneten die Gutachten in einer gemeinsamen Medienmitteilung als "Meilenstein". Die geforderten zusätzlichen Abklärungen wollen sie "selbstverständlich in der geforderten Tiefe" vornehmen. Auch Economiesuisse nahm zufrieden von den Gutachten Kenntnis. Der Wirtschaftsdachverband wünscht sich jedoch ein rascheres Vorgehen. Für die Schweiz sei die rechtzeitige Bereitstellung ausreichender Kraftwerkskapazität von grundlegender Bedeutung.

 Die AKW-Gegner, etwa die Schweizerische Energie-Stiftung oder die Allianz "Nein zu neuen AKW", bestreiten, dass es überhaupt neue Anlagen braucht. Die Stellungnahme des Ensi halten sie für bedenklich: Die Energieunternehmen könnten den Schutz von Menschen und Umwelt nicht garantieren, wenn sie noch nicht einmal wüssten, welcher Reaktortyp und welche Kontrollsysteme verwendet werden sollen, heisst es in einer Stellungnahme.  SDA

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St. Galler Tagblatt 16.11.10

Grünes Licht für AKW-Projekte

 Die alten Schweizer AKW-Standorte Beznau, Mühleberg und Gösgen eignen sich auch für neue Atomkraftwerke. Zu diesem Schluss kommt die Aufsichtsbehörde. Doch das Bewilligungsverfahren lässt wesentliche Fragen offen.

 Hanspeter Guggenbühl

 bern. Die Stromkonzerne Axpo, BKW und Alpiq reichten 2008 Gesuche für eine Rahmenbewilligung ein, um auf dem Gelände ihrer bisherigen Atomkraftwerke in Beznau, Mühleberg und Gösgen drei neue Atomkraftwerke (AKW) bauen zu können. Die "Rahmenbewilligung" ist die erste von drei Bewilligungen, die es für den Bau und Betrieb von neuen AKW in der Schweiz braucht. Dafür müssen die Projektanten ein mehrstufiges Verfahren durchlaufen. Das verlangt das Kernenergiegesetz von 2003.

 "Alle Standorte geeignet"

 Den ersten Schritt zur Rahmenbewilligung hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) gestern vollzogen und dabei "alle drei Standorte" als "geeignet" beurteilt. In seinen drei fachtechnischen Gutachten kommt das Ensi zu folgendem Schluss: "Die Angaben der Gesuchsteller sind technisch fundiert, und die gesetzlichen Anforderungen werden erfüllt. Aus Sicht der nuklearen Sicherheit könnte an allen drei von den Gesuchstellern vorgeschlagenen Standorten ein neues Kernkraftwerk gebaut werden."

 Laut Gesetz kann die Rahmenbewilligung dann erteilt werden, wenn am betreffenden Standort "der Schutz von Mensch und Umwelt sichergestellt werden kann", andere Gesetze nicht verletzt werden und "der Nachweis für die Entsorgung der anfallenden radioaktiven Abfälle erbracht ist". Diese Voraussetzungen seien bei allen drei Standorten erfüllt, urteilt das Ensi, nachdem es in seinen Gutachten die Standorte punkto Gefährdung durch Geologie, Erdbeben, Industrieanlagen, Verkehrswege, Überflutung und punkto Strahlenschutz geprüft hat.

 Nachprüfungen erforderlich

 Um die Anforderungen für eine spätere Baubewilligung ebenfalls erfüllen zu können, verlangt das Ensi allerdings eine Reihe von zusätzlichen Abklärungen. Dazu gehören vertiefte Analysen von Erdbebengefahren sowie ein "Organisations-Managementsystem", das Gefährdungen durch menschliches Versagen minimiert. Weitere Anforderungen betreffen zwei der drei Standorte:

 • Beim BKW-Standort in Mühleberg brauche es zusätzliche Abklärungen, um Gefahren durch Hangrutsche zu beurteilen.

 • Beim Axpo-Standort in Beznau sei abzuklären, inwieweit sich Aufschüttungen zum Schutz vor Überflutungen auf die kerntechnischen Anlagen auswirken.

 Viele politische Hürden

 Für ihre fachtechnischen Gutachten benötigte das Ensi zwei Jahre. Nun folgen politische Entscheide zur Rahmenbewilligung: Bis Ende Jahr muss die Kommission für nukleare Sicherheit die Gutachten beurteilen. Bis Ende März 2011 sollten die Stellungnahmen der Kantone vorliegen, die zum Teil kantonalen Volksabstimmungen unterliegen. Danach folgen Stellungnahmen von Bundesstellen, die öffentliche Auflagen der Projekte sowie Einwendungs- und Einspracheverfahren. 2012 wird der Bundesrat über die Bewilligungsgesuche beschliessen, im Zeitraum 2012/2013 das Parlament. Voraussichtlich Ende 2013 oder 2014 kann das Volk entscheiden, weil AKW-Gegner längst das Referendum angekündigt haben.

 Fragen bleiben offen

 Doch wesentliche Fragen bleiben offen. So haben die drei AKW-Betreiber in spe noch nicht entschieden, welche zwei ihrer drei Projekte sie realisieren wollen, und wie gross ihre geplanten Atommeiler sein sollen; die Angaben in den Rahmenbewilligungs-Gesuchen schwanken zwischen 1100 und 1600 Megawatt Leistung. Ebenfalls offen bleibt die Wahl des Reaktortyps. Zur Diskussion stehen Modelle aus Europa, etwa der Druckwasserreaktor EPR, der zurzeit in Finnland erprobt wird, sowie Modelle aus den USA oder Japan.

 Katze bleibt im Sack

 Diese für die nukleare Sicherheit wichtigen Fragen müssen laut Kernenergiegesetz erst bei der Baubewilligung geklärt werden. Das heisst: Wenn Bundesrat, Parlament und Volk über die Rahmenbewilligungen für neue Atomkraftwerke entscheiden, wissen sie noch nicht, welcher Reaktortyp gewählt wird und wie gross die geplanten AKW denn genau sein sollen.

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NZZ 16.11.10

Offene Fragen zu AKW-Projekten

 Sicherheitsbehörde erteilt grünes Licht und Auflagen zu vorgeschlagenen Standorten

 Die von den Stromkonzernen vorgeschlagenen Standorte für AKW der neuen Generation erachtet das Nuklearsicherheitsinspektorat als geeignet. Viele Fragen dürften aber erst nach der Volksabstimmung geklärt werden.

 Davide Scruzzi, Bern

 Am Montag hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) seine Gutachten zu den Rahmenbewilligungsgesuchen für neue AKW präsentiert. Das Fazit: Die im Rennen stehenden Standorte Gösgen (Stromkonzern Alpiq) sowie Mühleberg und Beznau (Stromkonzerne BKW und Axpo) sind geeignet. Dieser Befund war absehbar, denn an allen drei Orten stehen schon heute Kernkraftwerke - allerdings nicht von der nun geplanten Grösse.

 Noch keine Einigung

 Die Unternehmen verhandeln schon seit zwei Jahren über die Realisierung der Vorhaben als Partnerwerke, zumal für die Landesversorgung zwei neue Anlagen ausreichen. Ob die in den Ensi-Berichten verlangten technischen Abklärungen zur politisch nötigen Priorisierung zweier Standorte führen werden, ist schwer abzuschätzen. Während seitens von Axpo oftmals betont wurde, man stehe kurz vor einer Einigung mit Alpiq, erklären die Vertreter von Alpiq jeweils, auf den Verlauf der Vernehmlassungsverfahren und technischen Abklärungen zu warten. Auch das Parlament könnte - kurz vor der Volksabstimmung - einen Standortentscheid fällen (siehe Zusatztext).

 Obwohl das Ensi die geologischen Faktoren an allen drei Orten als geeignet erachtet, verlangt es ergänzende Untersuchungen wie auch den Ausbau eines Messnetzes zur Erfassung von "Mikrobeben". Auflagen formuliert das Ensi auch beim Schutz von vertraulichen Informationen. Eine zentrale Forderung betrifft die Organisation der Bauphase. Dies ist gerade vor dem Hintergrund laufender AKW-Projekte im Ausland verständlich. So kam es etwa beim Bau eines Reaktors im finnischen Olkiluoto zu massiven Kostenüberschreitungen, weil Probleme bei der Umsetzung von Sicherheitsstandards aufgetreten sind.

 Verschiedene Ensi-Auflagen und -Hinweise betreffen nur einzelne Standorte. In Mühleberg muss etwa die Stabilität eines Hangs untersucht werden. Unklarheiten stellt das Ensi beim Hochwasserschutz in Beznau fest. Der Fall eines "alle 10 000 Jahre stattfindenden Hochwasser-Ereignisses" sei "noch nicht abschliessend dargelegt worden". Bauliche Massnahmen dagegen seien zwar möglich, es müssten aber auch die Auswirkungen solcher Aufschüttungen auf die jetzigen Reaktoren von Beznau geklärt werden. Auch Aspekte des Klimawandels werden berücksichtigt.

 Für den Standort Niederamt (Gösgen) sind keine ortsspezifischen Auflagen aufgeführt. In den drei, rund 160-seitigen Ensi-Berichten finden sich zu allen Projekten "Hinweise" auf nötige Darlegungen der Auswirkungen von Bauarbeiten auf den Betrieb der jetzigen AKW. Laut Ensi-Direktor Hans Wanner sind jene offenen Fragen lösbar. Die Bauarbeiten sollen keinen Einfluss auf die Sicherheit der jetzigen Reaktoren haben. Lösbar seien auch die Auflagen punkto Strahlenbelastung beim gleichzeitigen Betrieb neuer und bisheriger Anlagen an einem Standort - ein Zustand, der aber wohl nur bei Gösgen lange andauern würde.

 Die Rahmenbewilligungsgesuche enthalten die Grundzüge des Projekts, also Grösse und Lage der Bauten, das Reaktorsystem (bei allen Projekten ein Leichtwasserreaktor), die Leistungsklasse (etwa 1000 bis 1600 Megawatt) und das Hauptkühlsystem (in allen Fällen ein Hybridkühlturm, der kaum Schwaden erzeugt). Auch raumplanerische und ökologische Aspekte werden in dieser Phase des Verfahrens berücksichtigt. Zu den radioaktiven Abfällen wird auf das laufende Tiefenlager-Auswahlverfahren verwiesen. Erst bei der Einreichung der Baubewilligung nach der Referendumsabstimmung werden sich die Konzerne für den genauen Reaktortyp entscheiden müssen. Zur Auswahl stehen Anbieter wie Areva, Toshiba-Westinghouse oder General Electric Hitachi. Auch die Erfüllung der Ensi-Forderungen muss erst im Hinblick auf die Baubewilligung erfolgen.

 Kritik an Zeitplan

 Dass der Typenentscheid erst nach der Abstimmung fällt, stösst bei AKW-Gegnern auf Kritik. Doch entspricht dies den gesetzlichen Vorgaben. Die Frage nach der Typenauswahl ist zudem nicht nur mit komplexen technischen Abwägungen verbunden, sondern erfolgt auch im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens, weil die Firmen grösstenteils im Besitz der Kantone sind.

 Es besteht die Absicht, sich bei der neuen AKW-Generation hierzulande auf einen einheitlichen Bautyp zu einigen. Das Ensi verlangt prinzipiell die Ausrüstung mit verbesserten Sicherheitssystemen der neusten Reaktorgeneration. Laut Hans Wanner werden derzeit aber keine konkreten Anforderungen gestellt, wie der in den Areva-Reaktoren vorgesehene "Core-Catcher" zum Auffangen und Kühlen des Kerns im unwahrscheinlichen Fall einer Kernschmelze. Hingegen wird das Ensi verlangen, dass eine Kernschmelze "mit geeigneten Mitteln beherrscht" werden kann, wobei der "Core-Catcher" eine von mehreren Lösungen darstellt.

 Für die neuen Anlagen gelten auch punkto Erdbebensicherheit und Flugzeugabstürze höhere Anforderungen als für die heutigen. Im Fall eines Flugzeugabsturzes muss neu auch der volle Aufprall eines modernen Grossraumflugzeuges beherrscht werden können. Von den jetzigen Anlagen sind laut dem Ensi Leibstadt und Gösgen für einen solchen Fall ausgerüstet. Beznau und Mühleberg sind mit absturzsicheren Notstandsgebäuden nachgerüstet worden.

 Betrieb startet nicht vor Mitte der 2020er Jahre

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 dsc. · Der Weg zum Bau neuer Atomkraftwerke folgt dem Rahmenbewilligungsverfahren, das im Kernenergiegesetz festgelegt ist. Das Gutachten des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) hätte einige Monate früher präsentiert werden sollen, im vergangenen Jahr schickte die Behörde die Gesuche aber zur Überarbeitung an die Stromunternehmen zurück. Auf Ende Jahr hin wird sich die Kommission für nukleare Sicherheit zu den Ensi-Gutachten äussern. Ab Mitte nächsten Jahres läuft das Vernehmlassungsverfahren, wofür einige Kantone noch Volksabstimmungen durchführen. Auch Nachbarstaaten sind zu Stellungnahmen eingeladen. 2012 formuliert dann der Bundesrat eine Botschaft zuhanden des Parlaments, das bis 2013 einen Entscheid fällen dürfte. Dieser ist dann dem fakultativen Referendum unterstellt. Unklar ist, ob dem Volk ein oder zwei Gesuche gleichzeitig vorgelegt werden. Ende 2013 oder 2014 ist mit der Volksabstimmung zu rechnen. Anschliessend behandelt der Bund die Baubewilligung. Die Entscheide zur Baubewilligung wie auch zur Betriebsbewilligung sind nicht dem Referendum unterstellt, können aber gerichtlich angefochten werden. Ein neues AKW könnte Mitte der 2020er Jahre ans Netz gehen, so Franz Schnider, Vizedirektor des Bundesamts für Energie.

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Blick 16.11.10

Beznau, Mühleberg, Gösgen. Wo werden neue AKW entstehen? Sicher ist nur: Nicht überall.

 Standort-Streit um Bau von AKW

 Die Schweizer Stromgesellschaften Alpiq, Axpo und BKW wollen an den heutigen Standorten Beznau AG, Mühleberg BE und Gösgen SO drei neue Atomkraftwerke bauen. Die bisherigen Meiler gehen zwischen 2020 und 2040 vom Netz. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) präsentierte gestern die Gutachten zu den drei Rahmenbewilligungsgesuchen.

 Das Ergebnis der Prüfung überrascht nicht: "Alle drei Standorte sind für den Neubau von AKW geeignet", sagt Ensi-Direktor Hans Wanner. Allerdings braucht es weitere Abklärungen - beispielsweise zur Gefährdung durch Erdbeben. Beznau muss zudem den Hochwasserschutz eingehender betrachten. Und Mühleberg die Gefahr durch Hangrutsche, Felssturz und Steinschlag in den Griff bekommen.

 Auch wenn sich alle drei Standorte eignen - drei neue Atomkraftwerke sind politisch nicht durchsetzbar. Das weiss auch Atomministerin Doris Leuthard. Sie hält den Bau eines neuen Atomkraftwerks für realistisch. FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger, Präsidentin des Nuklearforums Schweiz, sieht das ähnlich.

 Vorerst will aber niemand verzichten.

 Alle drei Stromkonzerne betonen: "Wir führen miteinander Gespräche." Eine Einigung ist jedoch nicht in Sicht. Bringt eine Konsultativabstimmung im Kanton Bern im Februar 2011 zu einem neuen AKW Mühleberg die Vorentscheidung? "Ein Nein an der Urne würde eine Schwächung des Standorts Mühleberg bedeuten", sagt ein Sprecher der BKW.  Hubert Mooser

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Zürichsee-Zeitung 16.11.10

Atomkraftwerke Anti-Atom-Bewegung kritisiert Sicherheitsgutachten des Nuklearinspektorats

 Etappensieg für Stromkonzerne

 Für das Eidgenössische Nuklearinspektorat sind alle drei Standorte, auf denen die Strombranche neue Atomkraftwerke bauen will, geeignet und sicher. Die AKW-Gegner finden das Urteil verfrüht.

 Marcello Odermatt, Bern

 Ob es dereinst neue Atomkraftwerke in der Schweiz geben wird, klärt sich erst in einigen Jahren definitiv. Klar ist nur: Drei Gesuche für eine Rahmenbewilligung liegen seit 2008 auf dem Tisch. Und alle drei Gesuche können weiterverfolgt werden. Zu diesem Schluss kommt das Eidgenössische Nuklearinspektorat (Ensi), das alle Standorte in seinen gestern veröffentlichten Gutachten als "geeignet" betrachtet. Es handelt sich um ein Neubauprojekt des Kraftwerks Niederamt neben der bestehenden Anlage in Gösgen AG, geplant vom Stromkonzern Alpiq, sowie um den Ersatz der Atomkraftwerke Beznau SO und Mühleberg BE, geplant von den Stromkonzernen Axpo und BKW.

 Geringe Unterschiede

 Aufgrund der Überprüfung stellt das Ensi nun fest: "Die Gesuchsteller ha-ben nachvollziehbar dargelegt, dass die Sicherheit von Mensch und Umwelt und die Sicherung der Anlage gewährleistet sind", sagt Direktor Hans Wanner. An allen Orten könnten punkto nuklearer Sicherheit, Sabotage- und Terrorschutz sowie hinsichtlich späterer Stilllegung und Entsorgung radioaktiver Abfälle Atomkraftwerke gebaut werden. Allerdings macht das Ensi den Konzernen Auflagen, die erst im Rahmen des Baugesuchs geklärt sein müssen (vgl. Kasten). Welches der drei Gesuche das beste ist, lässt das Ensi offen. "Die Unterschiede sind nicht enorm", so Wanner.

 Mögliche Volksabstimmung 2013

 Die Ensi-Beurteilung ist der erste Schritt in einem noch Jahre dauernden politischen Verfahren. Zunächst folgt bis Ende Jahr eine Stellungnahme der Kommission für nukleare Sicherheit (KNS), die das federführende Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) von Doris Leuthard sowie den Bundesrat berät. Anfang 2011 können sich die Kantone zu den Rahmenbewilligungsgesuchen äussern. Die öffentliche Auflage, in der Einsprachen möglich sind, erfolgt Mitte 2011. Voraussichtlich Mitte 2012 wird der Bundesrat, dessen Energiestrategie den Ersatz oder Neubau von Atomkraftwerken explizit vorsieht, entscheiden. Es ist davon auszugehen, dass maximal zwei neue Werke bewilligt werden. Denn selbst innerhalb der Strombranche herrscht die Meinung, dass zwei neue Werke für die Stromversorgung reichen und sich daher die Konzerne noch vor dem Bundesratsentscheid auf zwei Standorte einigen. Derzeit laufen entsprechende Verhandlungen. Nach dem Bundesrat muss das Parlament den Beschluss genehmigen, und später wohl auch das Volk, weil ein fakultatives Referendum vorgesehen ist. Eine Volksabstimmung könnte Ende 2013 stattfinden. Die Inbetriebnahme wäre frühstens zwischen 2025 und 2027 möglich.

AKW-Gegner: ein "Hohn"

 Dass es nie so weit kommt, dafür will die Allianz "Nein zu neuen AKW" sorgen. Jürg Buri, Präsident der Allianz, die Parteien und Organisationen aus dem Umweltbereich vereint, kündigt schon an: "Wir werden die nötigen Unterschriften für ein Referendum problemlos sammeln."

 Seine Kritik setzt allerdings bereits beim laufenden Verfahren an, das er "fragwürdig" nennt. Denn nicht Gegenstand der Expertisen waren die Reaktortypen. Geklärt wird dies erst im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens, also nach der Volksabstimmung. Laut Wanner kämen zwar nur Typen der neusten und damit sichersten Generation in Frage. Für Buri indes ist es unverständlich, dass das Ensi die neuen AKW bereits als sicher klassifiziert, obschon unklar ist, welche Reaktortypen eingebaut werden. Geradezu als "Hohn" bezeichnet er zudem das Ensi-Urteil, wonach auch punkto Stilllegung und Entsorgung keine Probleme bestünden. "Das Entsorgungsproblem ist überhaupt nicht gelöst", sagt Buri. Ein Tiefenlager existiere in der Schweiz noch nicht. Und von Stilllegung habe das Ensi ohnehin noch keine Erfahrung. Buri wirft der Ensi Naivität vor: "Aufgrund dieser Daten kann man gar nicht beurteilen, ob die neuen AKW sicher sind oder nicht."

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 Vertiefte Abklärungen gefordert

 Laut dem Direktor des Eidgenössischen Nuklearinspektorats (Ensi), Hans Wanner, seien die Angaben in den Rahmenbewilligungsgesuchen vollständig und korrekt. Mit Blick auf eine Baubewilligung formuliert das Ensi allerdings Auflagen. So sollen alle drei Standorte weitere Abklärungen zur Erdbebengefährdung treffen. Eine weitere Auflage betrifft die Strahlenbelastung in der Umgebung. Heute beträgt die maximal zulässige Strahlenexposition 0,3 Millisievert pro Jahr. Das Ensi hält nun fest, dass dieser Richtwert für den gesamten Standort gilt, also auch dann, wenn die alten AKW während einer Übergangsphase parallel zu den neuen Anlagen in Betrieb sind. Für den auf einer Aare-Insel gelegenen Standort Beznau verlangt das Ensi zusätzliche Angaben zum Hochwasserschutz. Bei Mühleberg wiederum müssen die Gesuchtssteller vertiefte Untersuchungen punkto Rutschgefahr durchführen, weil das Kraftwerk auf einem "potenziellen Rutschgebiet" gebaut werden soll.

 Laut Wanner sind die heutigen Anforderungen höher als jene an die bereits existierenden Kraftwerke. Beispielsweise muss die Schutzhülle einem Ab- sturz von Flugzeugen jeglicher Grösse standhalten. Die bestehenden Anlagen erfüllen dies noch nicht.

 Die betroffenen Stromkonzerne nahmen gestern gelassen von den zusätzlichen Auflagen Kenntnis. Axpo und BKW würden diese Aspekte bei der Erarbeitung der entsprechenden Unterlagen in der geforderten Tiefe berücksichtigen, teilten die Konzerne mit. Das Kernenergiegesetz sehe vor, dass beim Bau eines Kernkraftwerks zuerst Grobprüfungen und Machbarkeitsstudien erarbeitet und diese dann wo nötig durch Detailprüfungen vertieft werden. Die Gesuche befänden sich derzeit in diesem Verfahrensschritt. (sda/mob)

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10vor10 15.11.10


Neue AKW für die Schweiz

Heute hat das Nuklearsicherheitsinspektorat des Bundes ein Gutachten zu möglichen AKW-Standorten in der Schweiz veröffentlicht. "10vor10" berichtet aus Finnland, wo seit fünf Jahren ein neues AKW gebaut wird. Massive Baumängel heizen den Streit um die Anlage an.
http://videoportal.sf.tv/video?id=02c88696-3860-41c1-b86b-9e616b8ed42a

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Tagessschau 15.11.10


Atomkraftwerke nehmen neue Hürde

Drei Gesuche für den Bau eines neuen Atomkraftwerks sollen weiter verfolgt werden. Das Eidgenössische Nuklear-Sicherheitsinspektorat ENSI erachtet sowohl Beznau (AG) als auch Gösgen (SO) und Mühleberg (BE) als geeignet.
http://videoportal.sf.tv/video?id=f80eb8fa-a36f-4fd1-97b8-5cae084f980e

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Reaktionen auf ENSI-Entscheid

Greenpeace und die Allianz "Nein zu neuen Atomkraftwerken" kritisieren die Befunde des ENSI. Die Stromproduzenten hingegen freuen sich über den Entscheid.
http://videoportal.sf.tv/video?id=cff4496a-0585-4575-a016-99708cdac96a

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Newsnetz 15.11.10

"Es gibt eine schweigende Mehrheit für AKW"

Matthias Chapman

 Die AKW-Debatte in der Schweiz steuert unweigerlich dem nächsten Showdown entgegen. Bereits jetzt treten für Vertreter der jeweiligen Lager gegeneinander an.

 Im Februar 2007 hat der Bundesrat beschlossen, die bestehenden Kernkraftwerke in der Schweiz zu ersetzen oder durch Neubauten zu ergänzen. Bereits im Juni 2008 haben die Energie-Konzerne Alpiq, Axpo und BKW beim Bund Gesuche für die geplanten Ersatz-AKW in Mühleberg (BE), Beznau (AG) und Gösgen (SO) eingereicht.

 Anfang 2011 erhalten die Kantone Gelegenheit, sich zu den drei Gesuchen zu äussern. Die öffentliche Auflage erfolgt Mitte 2011. Der Bundesrat wird voraussichtlich Mitte 2012 über die drei Gesuche entscheiden. Danach ist das Parlament am Zug.

 Volksabstimmung in drei Jahren

 Das letzte Wort wird das Volk haben: Eine Volksabstimmung könnte gegen Ende 2013 stattfinden. Bei einem Ja würden das oder die neuen AKW zwischen 2025 und 2027 ans Netz gehen.

 Mit dem Engergiepolitiker und früheren Nationalrat Rudolf Rechsteiner sowie dem AKW-Befürworter und Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen treten für bereits jetzt Vertreter der jeweiligen Lager gegeneinander an.

 Pro AKW: Christian Wasserfallen Drei Eingaben für neue AKW in der Schweiz haben wir. Wie viele braucht es tatsächlich? Im Moment zwei und zwar Mühleberg und Beznau. Das ist die realistische Variante. Mit drei würden wir das Fuder überladen. Weil Gösgen zuletzt abgeschaltet wird, muss man mit einem Ersatz an diesem Standort zuwarten. Die Option für ein drittes AKW müssen wir bei Bedarf prüfen.

 Der Bundesrat wird über drei Gesuche entscheiden. Wie werden diese ausfallen? Grundsätzlich können alle drei Gesuche positiv bewertet werden. Wie wir heute erfahren haben, sind aber gewisse Nachbesserungen zum Beispiel in der Erdbebensicherheit nötig. Es ist aber dringend nötig, dass die Konzerne Axpo, BKW und Alpiq sich jetzt auf zwei Standorte einigen.

 Wie werden Debatte und Entscheide im Parlament verlaufen? Die Grenzlinie zwischen Befürwortern und Gegnern ist ziemlich scharf. Es wird eine klare Mehrheit für neue Atomkraftwerke geben. Ich appelliere aber an die Gegenseite, die Debatte sachlich und konstruktiv zu führen, und ich will nicht in jedem zweiten Satz das Wort Tschernobyl hören.

 Haben neue AKW beim Volk eine Chance? Das Referendum in dieser Frage ist fakultativ, aber dass es kommt, davon gehe ich aus. Es gibt eine schweigende Mehrheit für AKW. Wer äussert sich schon gerne öffentlich für Kernenergie? Für eine Volksabstimmung bin ich aber optimistisch, da AKW den riesigen Vorteil haben, CO2-arm viel Strom in bester Qualität produzieren zu können. Ein erster Test dazu findet am 13. Februar in Bern statt. Es ist aber nur eine Konsultativabstimmung.

 Wie würde die Schweiz die Energieversorgung ohne neue AKW sicherstellen? Dann müssen wir im Ausland einkaufen. Bei der Wasserkraft ist wegen der Gesetzgebung kein Ausbau mehr möglich. Wind und Sonne gebe ich in naher Zukunft kaum mehr als 5 Prozent Potenzial. Wenn die Geothermie in 20 Jahren kommt, ist das zu spät. Vielleicht muss die Schweiz auch auf Gaskombi-Kraftwerke setzen, was ich aber aufgrund des CO2-Ausstosses nicht befürworte.

 Wann hat die Schweiz ein Atommüll-Endlager? Die in der Schweiz anfallenden radioaktiven Abfälle müssen grundsätzlich im Inland entsorgt werden. Daher werden wir werden ein solches Lager haben, das ist klar. Ich schätze es wird 2040 bis sowohl schwach- und mittelaktive (bis 2030) als auch hochaktive Elemente ein fertiges Lager haben. Das Schweizervolk wird das gutheissen. Das Kernenergiegesetz sieht auch hier einen Entscheid des eidgenössischen Parlaments mit fakultativem Referendum vor.

 Wann wird in der Schweiz das letzte AKW abgeschaltet? Ich gehe davon aus, dass wir eine zweite Generation solcher Kraftwerke bauen werden. Das könnte aber gleichzeitig auch die letzte Generation AKW sein. Wann diese abgeschaltet werden, kann ich nicht sagen. Aber die Hoffnung, dass dannzumal alternative Energien unseren Bedarf abdecken, scheint dann aber realistisch.

 Christian Wasserfallen ist FDP-Nationalrat und Präsident der AKW-freundlichen Aves-Sektion Bern. Aves steht für Aktion für eine vernünftige Energiepolitik.

 Kontra AKW: Rudolf Rechsteiner

 Drei Eingaben für neue AKW in der Schweiz haben wir. Wie viele braucht es? Wir brauchen kein neues AKW. Das gilt nicht nur für die Schweiz. Auch international sind wir mit der erneuerbaren Energie soweit, dass die Abdeckung des Bedarfs möglich ist. In der Schweiz könnten allein schon Solardächer, also Photovoltaikanlagen, mehr Energie als alle AKW im Land liefern.

 Der Bundesrat wird über drei Gesuche entscheiden. Wie werden diese ausfallen? So wie der Bundesrat zusammengesetzt ist, wird er alle drei durchwinken. Um damit aber durchzukommen, wird die Regierung zuerst eines bringen und das als Kompromiss verkaufen. Die nächsten beiden nach gleichem Prinzip. Jede Anlage wird aber vors Volk müssen, weil wir jedes Mal das Referendum ergreifen.

 Wie werden Debatte und Entscheide im Parlament verlaufen? Am umstrittensten ist das AKW-Geschäft in der CVP. Dort ist nämlich die Basis gegen neue AKW. Bei der SVP hat es zwar auch viele Gegner. Die Bauern getrauen sich aber nicht, Nein zu sagen. Sie machen das erst bei der Volksabstimmung, weil sie auf ihrem Scheunendach eine Solaranlage bauen wollen.

 Haben neue AKW beim Volk eine Chance? Ich gehe nicht davon aus. Bis dann - geplant ist eine Abstimmung für 2013 - werden die erneuerbaren Energien dank der Einspeisevergütung nochmals stark zulegen. In den nächsten zwei Jahren werden dank gesunkenen Preisen für Solarpanels mindestens 10'000 neue Anlagen montiert. Und in jedem Dorf wird es Installateure geben, die begreifen, dass diese Technologie ihre Zukunft ist.

 Wie würde die Schweiz die Energieversorgung ohne neue AKW sicherstellen? Gemeinsame Windfarmen mit Nachbarländern in der Nordsee. Ein starkes inländisches Ausbauprogramm. Energie aus Biomasse und Sonne müssen gefördert, Elektroöfen durch Heizen mit Pellets oder Wärmepumpen ersetzt werden.

 Wann hat die Schweiz ein Atommüll-Endlager? Ich halte das Ansinnen einer endgültigen Lösung für nicht realisierbar. Die Abfälle müssen kontrolliert und rückholbar sein. Und wer kann das auf diese langen Zeiten schon garantieren.

 Wann wird in der Schweiz das letzte AKW abgeschaltet? Nach dem nächsten Unfall. Nein ehrlich, diese Industrie gibt keinen Standort preis. Auch wenn das Volk zu neuen AKW Nein sagt, werden die bestehenden Anlagen weiterbetrieben. Selbst in Deutschland, wo die Laufzeiten verlängert wurden, wird die Atomenergie schneller ausgedient haben als in der Schweiz.

 Rudolf Rechsteiner sass von 1995 bis 2010 im Nationalrat. Er machte sich als Energiepolitiker einen Namen, wobei er sich aktiv im Kampf gegen die Atomenergie engagierte.

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Blick am Abend 15.11.10

Die AKWs stehen am richtigen Ort

 AUFSICHT

 Das sagen die Nuklearexperten. Das letzte Wort wird das Volk haben, frühestens 2013.

 Die Atomkraftwerke in der Schweiz kommen in die Jahre. Deshalb haben die Betreiber von Gösgen (SO), Beznau (AG) und Mühleberg (BE) bereits Gesuche für den Ersatz ihrer Atomkraftwerke gestellt. Heute hat nun das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) sein Gutachten dazu veröffentlicht. Und darin die Standorte als sicher bezeichnet.

 Die Angaben der Gesuchssteller seien "technisch fundiert", und die gesetzlichen Anforderungen würden erfüllt, sagten ENSI-Vertreter an einer Medienkonferenz. Darin eingeschlossen ist die Entsorgung der radioaktiven Abfälle. Einzig die Frage, ob die Standorte auch Erdbeben standhalten, muss noch genauer abgeklärt werden. Brisant dabei ist, dass dort die heutigen AKWs stehen. Die Betreiber jubeln bereits und sprechen von einem Meilenstein.

 Als Nächstes ist nun die Kommission für nukleare Sicherheit am Zug. Dann sind die Kantone dran. Der Bundesrat wird Mitte 2012 über die Erteilung der Rahmenbewilligungen entscheiden. Danach ist das Parlament an der Reihe. Das Volk kann dann Ende 2013 abstimmen. hcq

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sft.tv 15.11.10

AKW: Alle drei Standorte sind möglich

sda/blur

 Für den Bau von neuen Kernkraftwerken kommen die Standorte Gösgen (SO), Beznau (AG) und Mühleberg (BE) in Frage. Zu diesem Schluss kommt das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) in seinem Bericht zu den Rahmenbewilligungsgesuchen der drei Kraftwerkbetreiber. Weitere Abklärungen seien aber nötig, schreibt die Aufsichtsbehörde.

 Keiner der drei Standorte weist Eigenschaften auf, die den Bau eines neuen Kernkraftwerks grundsätzlich in Frage stellen. Bei der Überprüfung der Gesuche hat das ENSI dennoch Sachverhalte festgestellt, die einer weiteren Klärung bedürfen.

 Das ENSI fordert von den Gesuchstellern weitere Abklärungen zur genaueren Bestimmung der Erdbebengefährdung der Standorte. Diese Daten sollen nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik bei der seismischen Auslegung der Anlagen berücksichtigt werden.

 Langer Weg

 Die Gutachten werden nun als nächstes von der Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) beurteilt. Anfang 2011 erhalten dann die Kantone Gelegenheit, sich zu den drei Rahmenbewilligungsgesuchen zu äussern. Die öffentliche Auflage erfolgt Mitte 2011.

 Der Bundesrat wird voraussichtlich Mitte 2012 über die drei Gesuche entscheiden. Danach ist die Reihe am Parlament. Das letzte Wort im umstrittenen Atom-Dossier wird das Volk haben. Die Beschlüsse des Parlaments unterliegen dem fakultativen Referendum. Eine Volksabstimmung könnte gegen Ende 2013 stattfinden.

 Die drei Rahmenbewilligungsgesuche waren im Jahr 2008 eingereicht worden. Um eine Bewilligung bewerben sich der Stromkonzern Alpiq am Standort Gösgen, sowie die Konzerne Axpo und BKW für Beznau und Mühleberg.

 Die Antragssteller möchten die bestehenden Anlagen nach einer kurzen Phase des Parallelbetriebs durch einen Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft ersetzen. Bei den drei Neubauprojekten handelt es sich um Kernkraftwerke mit Leichtwasserreaktoren, die mit einem Hybridkühlturm betrieben werden sollen. Die geplante elektrische Leistung der neuen Kernkraftwerke ist wesentlich höher als die der bestehenden Anlagen.

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presseportal 15.11.10

BKW FMB Energie AG und Axpo / Sicherheitsbehörden bescheinigen Standort-Eignung

 Bern (ots) - Im Rahmenbewilligungsverfahren zu den Ersatz-Kernkraftwerken (Ersatz-KKW) Beznau und Mühleberg ist ein wichtiger Meilenstein erreicht. Demnach sind die Standorte Beznau und Mühleberg für den Bau der Ersatz-KKW geeignet. Dies bescheinigt das Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) in seinem definitiven Gutachten für das Bundesamt für Energie (BFE).

 Im Dezember 2008 haben die beiden führenden Schweizer Energieunternehmen Axpo und BKW FMB Energie AG (BKW) gemeinsam je ein Rahmenbewilligungsgesuch für die Ersatz-Kernkraftwerke in Beznau (AG) und in Mühleberg (BE) eingereicht. Die Rahmenbewilligungsgesuche legen in je sechs Teilberichten dar, dass sich die beiden Standorte für den Bau und den sicheren Betrieb eines Kernkraftwerks der neusten Generation eignen. Erarbeitet wurden die Gesuche durch die Resun AG, eine gemeinsame Planungsgesellschaft von Axpo und BKW. Der Ersatz der beiden Kernkraftwerke Beznau und Mühleberg erfolgt im Einklang mit der bundesrätlichen Energiestrategie, die als eine von vier Stossrichtungen ausdrücklich den Ersatz der bestehenden bzw. den Neubau von Kernkraftwerken befürwortet.

 Nach Einreichung durch die Projektanten wurden die Gesuche in einem ersten Schritt durch das ENSI, das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Amt für Raumplanung (ARE) einer Grobprüfung unterzogen. Aufgrund dieser ersten Prüfung haben Axpo und BKW Unterlagen nachgeliefert und einzelne Angaben präzisiert. Per 30. September 2010 hat das ENSI nun zuhanden des Bundesamtes für Energie (BFE) die definitiven Gutachten erarbeitet. Darin kommt die Behörde zum Schluss, dass die Standorte Beznau und Mühleberg für den Bau eines Kernkraftwerkes geeignet sind.

 Das ENSI weist in seinem Gutachten auf einige Punkte hin, die im Rahmen der Vorbereitung der Baubewilligungsgesuche vertieft abgeklärt werden müssen. Axpo und BKW werden diese Aspekte bei der Erarbeitung der entsprechenden Unterlagen selbstverständlich in der geforderten Tiefe berücksichtigen. Der gesamte Verfahrensablauf wie auch der für den jeweiligen Verfahrensstand geforderte Detaillierungsgrad der Gesuche sind im Kernenergiegesetz geregelt. Dieses sieht vor, dass beim Bau eines Kernkraftwerks - wie auch bei anderen grossen Infrastrukturprojekten - zuerst Grobprüfungen und Machbarkeitsstudien erarbeitet und diese dann wo nötig durch Detailprüfungen vertieft werden. Die Rahmenbewilligungsgesuche befinden sich gegenwärtig in diesem Verfahrensschritt.

 Über Axpo Der Axpo Konzern mit der Axpo AG, der Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW) sowie der EGL AG ist ein führendes Schweizer Energieunternehmen mit lokaler Verankerung und internationaler Ausrichtung. Stromproduktion, Handel, Verkauf und Dienstleistungen sind in den Unterneh-mensgruppen vereint. Axpo versorgt zusammen mit Partnern rund 3 Millionen Menschen in der Schweiz mit Strom. Die Axpo Holding AG ist zu 100 Prozent im Besitz der Nordostschweizer Kantone.

 Weitere Informationen: www.axpo.ch

 Über BKW Die BKW FMB Energie AG ist mit 3'592 Mio. CHF Umsatz (2009) eines der bedeutendsten Schweizer Energieunternehmen. Sie beschäftigt rund 2'800 Mitarbeitende und deckt alle Stufen der Energieversorgung ab: von der Produktion über den Transport und Handel bis hin zum Vertrieb. Sie versorgt direkt und indirekt über ihre Vertriebspartner mehr als eine Million Menschen in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Mit ihrem Handels- und Vertriebsgeschäft engagiert sich die BKW zudem in ausgewählten ausländischen Märkten. Der BKW-Produktionspark umfasst Wasserkraftwerke, ein Kernkraftwerk sowie Anlagen neuer erneuerbarer Energien (Wind und Sonne). Dank ihrem Engagement für erneuerbare Energien und ihren Ökostromangeboten unter der Angebotsmarke 1to1 energy ist die BKW heute die grösste Ökostromanbieterin in der Schweiz. Die BKW unterhält auch ein weit verzweigtes, engmaschiges Stromnetz. Die Leitungen erreichen eine Länge von rund 20'000 Kilometern. Zusammen mit den zahlreichen Schalt- und Transformierungsanlagen erschliessen sie das Versorgungsgebiet bis zu den abgelegensten Orten.

 Weitere Informationen: www.bkw-fmb.ch

 Kontakt: Axpo Holding AG Corporate Communications Media-Hotline 0800 44 11 00

 BKW FMB Energie AG Media Communications Tel. +41 31 330 51 07

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Bund 15.11.10

Basler "Einmischung" in Atom-Abstimmung

 Kurz vor der Stadtberner Abstimmung über den Atomausstieg meldet sich der Kanton Basel-Stadt zumindest indirekt zu dieser Vorlage zu Wort: In einer Broschüre über erneuerbare Energien, die am Samstag ausserkantonalen Zeitungen wie auch "Bund" und "Berner Zeitung" beilag, plädiert die Basler Regierung in corpore für den Ausstieg aus der Atomenergie. Finanziert wurde die Broschüre grösstenteils mit Mitteln aus der Basler Ökostromabgabe.

 Dies sehr zum Ärger des Berner Handels- und Industrievereins, von Berner KMU sowie der Kantonalparteien von SVP und BDP. In einer Pressemitteilung kritisierten sie die Zeitungsbeilage als "ungehörigen Akt von politischer Einmischung des Kantons Basel-Stadt", zumal die Broschüre mit "Zwangsabgaben" auf Strom finanziert sei.

 Für einmal scheinen damit die gängigen Rollen vertauscht: Sonst sind es im Kanton Bern die rot-grünen Parteien, die kritisieren, dass die halbstaatliche BKW mit dem Geld ihrer Stromkunden Propaganda zu Energievorlagen betreibt. Zuletzt übrigens, als die BKW eine Abstimmungskampagne zu Mühleberg im Kanton Waadt finanzierte.(st)

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BZ 15.11.10

BZ Standpunkt

 Mit Geduld in eine Zukunft ohne Atomstrom

 BZ-Stadt-Chef  Adrian Zurbriggen  über die Energiewende-Initiative

 Zwei energiepolitische Fragen mit sehr weit reichenden Folgen haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Stadt Bern am 28. November zu beantworten. Erstens die Schicksalsfrage, ob die Stadt aus der Kernenergie aussteigen soll. Zweitens die Portemonnaie-Frage, in welchem Tempo ein allfälliger Atomausstieg geschehen soll. Die Energiewende-Initiative von links-grüner Seite will den Ausstieg in 20 Jahren. Der Gegenvorschlag des Gemeinderates, den auch der städtische Stromversorger EWB und Parteien der Mitte unterstützen, wollen eine Frist von 30 Jahren. SVP und FDP lehnen beides ab.

 Soll die Stadt aus der Kernenergie aussteigen? Ja, sie soll diesen zukunftsweisenden Schritt wagen. Zwar kommt momentan noch 60 Prozent des Stadtberner Stroms aus AKWs. Trotzdem droht keine Stromlücke. EWB hat den Atomausstieg solide aufgegleist und bereits eingeleitet. Hinter dem Szenario von EWB stecken keine weltfremden Ökovisionen, es basiert stattdessen auf einer seriösen und detaillierten Planung - unter anderem auch darüber, wie viel zusätzlichen Strom Bern braucht, weil immer mehr Menschen Elektrovelos und -autos benutzen.

 EWB als Stadtwerk mit relativ kleinem Versorgungsgebiet steht bei dieser Frage in einer ganz anderen Position als die BKW. Während letztere in Mühleberg selber ein Kernkraftwerk betreibt, also Atomstrom produziert, besitzt EWB bloss kleine Minderheitsbeteiligungen an den AKWs in Gösgen und Fessenheim. Es macht EWB nicht abhängiger, wenn sich das Unternehmen an Windparks in Deutschland und Solaranlagen in Italien beteiligt statt an Atomanlagen im Aargau und in Frankreich.

 Im Gegenteil: Mit dem Atomausstieg wird EWB seine Abhängigkeit eher reduzieren können. Denn ein wichtiger Pfeiler der Ausstiegsstrategie von EWB ist das Kombikraftwerk in der neuen Kehrichtverbrennungsanlage Forsthaus. Ab 2013 werden dort jährlich 338 Gigawattstunden produziert - diese Menge kompensiert den Wegfall des AKW Fessenheim gleich ums Doppelte.

 Allerdings: Von dieser Leistung werden bloss zehn Prozent durch das Verbrennen von einheimischem, CO2-neutralem Holz gewonnen. Der grosse Rest ist Erdgas - und das kommt aus eher unberechenbaren Ländern wie Russland oder dem Iran und ist alles andere als klimaneutral. Beim Abbau und Transport von Uran aus USA, Kanada, Australien oder Südafrika für AKWs wird zwar ebenfalls CO2 freigesetzt, aber in kleinerem Masse. Angesichts der immer noch ungeklärten Endlagerungsfrage von Atomabfällen, den Sicherheitsbedenken sowie den politischen und finanziellen Risiken der Kernkraft erscheint das neue Kombikraftwerk als kleineres Übel.

 Die Gegner des Atomausstiegs argumentieren mit einer Verdoppelung des Strompreises. Klar, der Atomausstieg ist nicht gratis zu haben, Ökostrom ist teurer Strom. Doch auch Atomstrom wird in Zukunft teurer werden (siehe Ausgabe vom letzten Donnerstag). Demgegenüber prognostizieren die Fachleute, dass "grüner" Strom in Zukunft günstiger zu haben sein wird.

 So oder so steigen die Energiepreise. Die Konsumenten sind dem aber nicht hilflos ausgeliefert: Strompreiserhöhungen lassen sich mit besserer Energieeffizienz zumindest abdämpfen - das beginnt schon beim konsequenten Ausschalten der Kaffeemaschine.

 Das führt zur Portemonnaie-Frage. EWB hat den Atomausstieg seriös vorbereitet und auf einen Horizont von dreissig Jahren ausgelegt. Eine Annahme der Initiative käme einer Geringschätzung der von EWB geleisteten Arbeit gleich.

 Vor allem aber wäre es ein beispielloses finanzielles Harakiri. Bei Annahme der Initiative entstünde eine temporäre Stromlücke: EWB müsste auf den günstigen Strom aus Gösgen verzichten, bevor genügend erneuerbare Energie als Ersatz zur Verfügung steht. Folge: EWB müsste auf dem Markt teuren Strom einkaufen - der dann wohl ebenfalls aus AKWs käme.

 Im Falle eines Ja zur Initiative rechnet EWB mit einem Wertverlust von 40 Millionen Franken pro Jahr oder insgesamt 351 Millionen. Die vorzeitige Abschlachtung der Milchkuh EWB kann sich die Stadt Bern nicht leisten: Dank den Gewinnausschüttungen von EWB konnten in den letzten Jahren Löcher in der Stadtkasse vermieden werden.

 Es tönt doppelzüngig, wenn EWB so lange wie noch möglich vom eigentlich verpönten Atomstrom profitieren will. Doch mit dem Erlös kann sich EWB die Investitionen in eine atomstromfreie Zukunft finanzieren.

 Diese Aussicht ist zehn Jahre mehr Geduld wert. Darum: Ja zum Gegenvorschlag, Nein zur Initiative.

 adrian.zurbriggen@

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Aargauer Zeitung 15.11.10

Castor-Transport: Wegen der Sicherheit geheim

Michael Spillmann

Atommüll Transporte ins Zwischenlager nach Würenlingen sind geheim. Sollen so mögliche Proteste und Störaktionen verhindert werden?

 Die Bilder der Demonstrationen gegen den Castor-Transport nach Gorleben (D) gingen um die Welt. Insgesamt 11 Behälter mit 123 Tonnen Atommüll wurden transportiert. Wie die Zeitung "Der Sonntag" berichtete, war - vor dem Transport durch Deutschland - im Oktober ein bisher nicht bekannter Atommüll-Transport aus der Wideraufbereitungsanlage im französischen La Hague ins Zwischenlager nach Würenlingen durchgeführt worden. Dabei soll es sich um drei Transportbehälter mit Hülsen und Endstücken aus der Wiederverarbeitung von ausgedienten Brennelementen gehandelt haben. Der Transport sei "planmässig und ohne Zwischenfälle" verlaufen.

 Für Schutz vor Terrorakten

 Gemäss den Verantwortlichen sind für solche Transporte erhöhte Sicherheitsanforderungen nötig: Strecke und Zeitplan sind geheim. Die Geheimhaltung erfolge in erster Linie aus Gründen des Schutzes vor möglichen Terrorakten. Informationen zu den Transporten gehen immer erst dann an die Öffentlichkeit, wenn das Material in Würenlingen eingelagert ist und die Behälter wieder in Richtung Frankreich abgesandt wurden, sagte ein Axpo-Sprecher dem "Sonntag". Aber: Dient die Geheimhaltung auch dazu, mögliche Störaktionen oder Demonstrationen zu verhindern? Die Verantwortlichen wollen sich nicht in die Karten schauen lassen. "Das kann ich nicht bestätigen. Hauptgrund ist der Schutz vor Terrorakten", erklärt Axpo-Sprecherin Anahid Rickmann auf Anfrage.

 Zu Störaktionen war es zuletzt in den 1990er-Jahren gekommen: Damals haben Greenpeace-Aktivisten versucht, einen Atommüll-Transport aufzuhalten.

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Basellandschaftliche Zeitung 15.11.10

Atommüll: Deutsche und Schweizer messen Bodenstärke unterschiedlich

 Endlagerstandort Machen 13 Meter wirklich den Unterschied? Der Basler Nationalrat Beat Jans von der Vereinigung "Nie wieder Atomkraftwerke" (NAW) und Axel Mayer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) sind jedenfalls verwirrt: Die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern mit den meisten Atomkraftwerken in Deutschland wehrten sich vehement gegen die Aufnahme von deutschem Atommüll, unter anderem mit der Begründung, die Bodenschicht Opalinuston im deutschen Süden sei mit bis zu 100 Metern nicht mächtig genug. (In Norddeutschland sei der Ton 1000 Meter mächtig.) Die Schweizer Atomlobby argumentiere derweil gerade, dass die Opalinustonschicht im Schweizer Norden mit einer Mächtigkeit von 113 Metern ein optimaler Standort für Atommüll sei.

 NWA und BUND fragen die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner deshalb in einem offenen Brief, ob es "einen geologischen oder einen politischen Unterschied zwischen dem Opalinuston in der Schweiz und dem Opalinuston in Süddeutschland" gebe. Sonst müssten doch entweder auch die Tone in Bayern und Baden-Württemberg für ein Endlager infrage kommen oder Bayern und Baden-Württemberg mit Vehemenz gegen die Atommüllpläne der Schweiz vorgehen. (bz)

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Basler Zeitung 15.11.10

Kritik an Axpos Uranlieferant wirkt

 Umweltbelastung in Majak wird untersucht

 Der Schweizer Energiekonzern Axpo will nach kritischen Berichten über einen Uranlieferanten abklären, ob und wie der Betrieb der russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak die Umwelt belastet.

 Umweltschutzkreise hatten kritisiert, dass die Axpo Brennelemente mit teilweise schmutzigem Uran aus Russland verwendet (BaZ vom Samstag).

 "Wir wollen ganz genau wissen, wie in Majak heute gearbeitet wird", sagte Axpo-Chef Manfred Thumann gegenüber der Zeitung "Sonntag". Zu diesen Untersuchungen ziehe Axpo auch externe Experten bei. Erst dann werde die Axpo aufgrund der Faktenlage entscheiden, ob sie den Vertrag mit ihrem Lieferanten kündigt oder nicht.

 "Wir haben mehrere Verträge mit unserem französischen Lieferanten Areva, die eine Brennelementefertigung durch die russische Firma MSZ Elektrostal beinhalten", erklärt Thumann. In einem dieser Verträge sei festgelegt, dass die Brennstäbe rund 10 Prozent Uran aus Majak aufweisen. Dieser Vertrag laufe aber in einem Jahr aus. Laut Thumann existiert aber noch ein zweiter Vertrag, der bis 2020 läuft. Ob dabei ebenfalls Uran aus Majak verwendet werde, kläre die Axpo derzeit ab. Zu diesem Zweck seien Axpo-Mitarbeiter letzte Woche mit Vertretern von Areva bei Elektrostal gewesen. Die Lieferkette sei lang, und Axpo würde nun den weiteren Lieferanten Schritt für Schritt nachgehen.

 Altlasten

Es sei bekannt, so Thumann, dass es in Majak Altlasten gebe. Es stelle sich die Frage, ob von der heutigen Wiederaufbereitung ein weiteres Risiko ausgehe und ob die Umwelt weiter belastet werde - oder eben nicht. Greenpeace hatte die Betreiber von Schweizer Atomkraftwerken aufgefordert, aus Urangeschäften mit Russland auszusteigen. Das Uran für ihre Brennstäbe stamme zum Teil aus der russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak - laut Greenpeace einer der verstrahltesten Orte der Welt.

 Die Betreiber der Kernkraftwerke Gösgen und Beznau hatten Mitte September gegenüber der Sendung "Rundschau" des Schweizer Fernsehens SF bestätigt, dass ihre Brennstäbe zum Teil wiederaufbereitetes Uran aus Majak enthalten.  SDA

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Basellandschafltiche Zeitung 15.11.10

Atommüll: Deutsche und Schweizer messen Bodenstärke unterschiedlich

 Endlagerstandort Machen 13 Meter wirklich den Unterschied? Der Basler Nationalrat Beat Jans von der Vereinigung "Nie wieder Atomkraftwerke" (NAW) und Axel Mayer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) sind jedenfalls verwirrt: Die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern mit den meisten Atomkraftwerken in Deutschland wehrten sich vehement gegen die Aufnahme von deutschem Atommüll, unter anderem mit der Begründung, die Bodenschicht Opalinuston im deutschen Süden sei mit bis zu 100 Metern nicht mächtig genug. (In Norddeutschland sei der Ton 1000 Meter mächtig.) Die Schweizer Atomlobby argumentiere derweil gerade, dass die Opalinustonschicht im Schweizer Norden mit einer Mächtigkeit von 113 Metern ein optimaler Standort für Atommüll sei.

 NWA und BUND fragen die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner deshalb in einem offenen Brief, ob es "einen geologischen oder einen politischen Unterschied zwischen dem Opalinuston in der Schweiz und dem Opalinuston in Süddeutschland" gebe. Sonst müssten doch entweder auch die Tone in Bayern und Baden-Württemberg für ein Endlager infrage kommen oder Bayern und Baden-Württemberg mit Vehemenz gegen die Atommüllpläne der Schweiz vorgehen. (bz)

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sf.tv 14.11.10

Wie sicher ist Majak? - Axpo prüft russischen Atom-Partner

sf/sda/coro/from

 Der Schweizer Energiekonzern Axpo geht Vorwürfen nach, schmutziges Uran aus der Wiederaufbereitungsanlage Majak zu verwenden. Mit Experten werde derzeit abgeklärt, ob der Betrieb in Majak die Umwelt belaste, sagte Axpo-Konzernchef Manfred Thumann dem "Sonntag".

 "Wir wollen ganz genau wissen, wie in Majak heute gearbeitet wird", erklärte Thumann in dem Interview. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte die Betreiber von Schweizer Atomkraftwerken aufgefordert, aus Uran-Geschäften mit Russland auszusteigen. Denn das Uran für ihre Brennstäbe stamme zum Teil aus der russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak, laut Greenpeace eine der verstrahltesten Orte der Welt.

 Axpo habe mehrere Verträge mit seinem französischen Lieferanten Areva, die eine Brennelementfertigung durch die russische MSZ Elektrostahl beinhalte, sagte Thumann. Bei einem dieser Verträge wiesen die Brennstäbe rund 10 Prozent Uran aus Majak auf. Dieser Vertrag laufe in diesem Jahr aus.

 Ein zweiter Vertrag dauere aber bis 2020. Ob dabei ebenfalls Uran aus Majak verwendet werde, kläre Axpo derzeit ab. Zu diesem Zweck seien Mitarbeiter des Schweizer Energiekonzerns letzte Woche mit Vertretern von Areva bei Elektrostal gewesen. Die Lieferkette sei lang, und Axpo würde nun den weiteren Lieferanten Schritt für Schritt nachgehen.

 Dass es in Majak Altlasten gebe, sei allgemein bekannt, räumte Thumann ein. "Es stellt sich die Frage, ob von der heutigen Wiederaufbereitung in Majak ein Risiko ausgeht und die Umwelt weiter belastet wird - oder eben nicht." Erst nach genauer Abklärung der Situation werde auf Grund der Faktenlage entschieden, ob Axpo den Vertrag mit den Lieferanten kündigt oder nicht.

 Recherchen der "Rundschau" im September haben ergeben, dass es bezüglich Majak sehr wohl Grund zur Besorgnis gibt.

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Sonntag 14.11.10

Atom-Müll: Vor Gorleben gab es einen Transport nach Würenlingen

 Im Oktober wurde ein bisher nicht bekannter Transport durchgeführt - 12 weitere Lieferungen folgen bis 2018

von Sandro Brotz

 Schweizer Anti-AKW-Aktivisten nutzen die Debatte um die Schlacht von Gorleben - und warnen vor den Risiken bei Atommüll-Transporten.

 Gorleben steht für den längsten, teuersten und umkämpftesten Castor-Transport. 92 Stunden dauerte es, die 11 Behälter mit 123 Tonnen Atommüll ans Ziel zu bringen. 20000 Polizisten waren gegen mindestens so viele Demonstranten im Einsatz. Zurück blieben rund 1000 Verletzte, 1316 Verhaftete, 172 Strafverfahren, 117 sichergestellte Traktoren protestierender Bauern - und Kosten von über 30 Millionen Franken.

 Still und leise konnte dagegen ein bisher nicht bekannter Atommüll-Transport aus der Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague ins Zwischenlager nach Würenlingen durchgeführt werden. "Insgesamt drei Transportbehälter wurden dem Zwilag vor gut einem Monat angeliefert", bestätigt Axpo-Sprecher Roland Keller gegenüber dem "Sonntag".

 Es handle sich um Hülsen und Endstücke aus der Wiederaufarbeitung von ausgedienten Brennelementen im Eigentum des Kernkraftwerks Gösgen. Der Transport sei planmässig und ohne Zwischenfälle verlaufen. Bis anhin war von einem Transport im Frühling die Rede. Dass die offizielle Information über einen zweiten Transport erst in den kommenden Tagen und nach Gorleben erfolgt, sei keine Absicht. Informiert werde immer erst dann, so Keller, "nachdem die Behälter im Zwilag eingelagert sind und die leeren Transportbehälter wieder zurück nach La Hague gesandt wurden".

 Zwölf ähnliche Transporte mit Polizeieskorte wird es bis 2018 geben (siehe Grafik). Dabei werden insgesamt 32 Behälter mit mittel- und hochaktiven Atom-Abfällen aus La Hague und Sellafield in Nordwestengland nach Würenlingen gebracht.

 Weil für solche Transporte erhöhte Sicherungsanforderungen gelten, werden Routen und Zeitpunkt nicht bekannt gegeben. "Für eine Änderung dieses Vorgehens brauchte es den entsprechenden politischen Willen", sagt Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie. "Die Geheimhaltung erfolgt auch aus Gründen des Schutzes vor möglichen Terrorakten."

 Jürg Joss vom Verein Fokus Anti-Atom, der früher als Automationstechniker auch im AKW Mühleberg arbeitete, nennt diese Begründung "willkürlich". Er weist darauf hin, dass die Transporte nach Würenlingen durch Dörfer, enge Strassen und teilweise nah an Gebäuden vorbeiführten. "Die Bevölkerung wird einem Risiko ausgesetzt, von dem man nicht weiss, wie hoch es ist", so Joss. In Gorleben hätten Wärmebildkameras die hohe Strahlenquelle gezeigt. "Die Menschen sollten zwingend über den Zeitpunkt der Transporte informiert werden."

 Das Risiko der Neutronenstrahlung sei unklar, sagt Stefan Füglister von der Zürcher Kampagnenforum GmbH und ehemaliger Greenpeace-Kampagnenleiter: "Man tappt schlicht im Dunkeln. Beim Castorzug nach Gorleben haben unsere deutschen Greenpeace-Kollegen in 14 Meter Entfernung eine 480-fach erhöhte Strahlung gemessen." Der deutsche Physiker Heinz Smital, der diese Messung für Greenpeace Deutschland durchführte, erklärt gegenüber dem "Sonntag": "Wir wollten aufzeigen, wie weit weg noch ein so stark erhöhtes Strahlenfeld auftritt." Es gebe keine Schwelle, so Smital, "unter der Strahlung als völlig unbedenklich angesehen werden kann".

 Doch eine Information der Bevölkerung entlang der Castorstrecke hält Axpo-Chef Manfred Thumann für nicht nötig: "Da die Strahlung ständig überwacht wird, können wir mit Sicherheit ausschliessen, dass vom Transport Strahlung ausgeht" (siehe Interview).

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 Was heisst Castor?

 Castor steht für "Cask for Storage and Transport of Radioactive Material"und bezeichnet einen Spezialbehälter für radioaktives Material. Jeder Behälter aus Gusseisen mit Kugelgrafit ist6,1 Meter lang und hat einen Durchmesser von 2,43 Metern.

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NZZ am Sonntag 14.11.10

Basel-Stadt mischt sich in Berner Abstimmung ein

 In der Bundesstadt wurde eine Kernkraft-kritische Broschüre verteilt, die von Basel finanziert wurde. In Bern spricht man von einem "ungehörigen Akt".

 "Neue Energie für die Schweiz" ist der Titel der 40-seitigen Broschüre, die am Samstag auch vom "Tages-Anzeiger" und von der "Basler Zeitung" verbreitet wurde. Darin geht es vordergründig um erneuerbare Energien. Im Editorial finden sich aber auch Sätze wie "Atomkraftwerke . . . sind gefährlich und hinterlassen Abfall für Hunderttausende von Jahren". Die Verteilung der Broschüre erfolgt zwei Wochen, bevor die Stadtberner Stimmberechtigten über die Atomausstiegs-Initiative "EnergieWendeBern" abstimmen.

 Pikant daran ist, dass die Broschüre zu 75 Prozent aus dem baselstädtischen Energie-Förderungsfonds finanziert wurde. Dieser Fonds wird durch Zuschläge auf dem Strompreis gespeist. Verankert ist die atomkritische Haltung der Stadt Basel im Atomschutzgesetz von 1978. Dieses verpflichtet die Behörden, "mit allen ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln darauf hinzuwirken, dass auf dem Kantonsgebiet oder in dessen Nachbarschaft keine Atomkraftwerke errichtet werden".

 Die Basler Aktion provozierte harsche Kritik. Der Handels- und Industrieverein, Berner KMU sowie die SVP und die BDP kritisierten in einem gemeinsamen Communiqué, dass "staatlich verordnete Zuschläge auf den Strompreisen für die Finanzierung eines unverhältnismässigen Feldzuges gegen die Kernenergie und gegen das in Mühleberg geplante Ersatz-Kernkraftwerk eingesetzt werden". Es sei ein ungehöriger Akt von politischer Einmischung des Kantons Basel-Stadt, heisst es im Communiqué. (sda)

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Sonntag 14.11.10

Jetzt schickt der Axpo-Chef seine Experten nach Russland

 Manfred Thumann geht den Vorwürfen nach, mit schmutzigem Uran aus der Wiederaufbereitungsanlage Majak zu arbeiten

Von Yves Demuth

 In Deutschland protestierten Tausende gegen Atommülltransporte. Befürchten Sie, dass deutsche Aktivisten vermehrt in der Schweiz gegen Endlagerstandorte nahe der deutschen Grenze protestieren werden?

 Manfred Thumann: Darüber will ich nicht spekulieren. Wenn es solche Anzeichen gäbe, würden wir entsprechend reagieren.

 In der Schweiz sind Protestaktionen bei Transporten ins Zwischenlager Würenlingen selten. Warum?

 Ich bin froh darüber, dass wir keine Zustände wie in Deutschland haben. Dies liegt auch daran, dass wir mit Organisationen wie Greenpeace und WWF über Atommülltransporte diskutieren. Wir können mit allen Nichtregierungsorganisationen eine Diskussion auf sachlichem Niveau führen. Deshalb sind die Transporte heute nicht sehr umstritten.

 Sie geben die Transportdaten wegen Terrorgefahr nicht bekannt. Wie gross ist diese tatsächlich?

 Wie gross die Gefahr ist, beurteilen wir jeweils nicht selbst. Das öffentliche Interesse an einem Transport ist aber in jedem Fall geringer als die Möglichkeit, mit einer Publikation der Transportdaten Attacken Vorschub zu leisten.

 Ein gewisses Strahlenrisiko kannbei den Transporten nicht ausgeschlossen werden. Warum werden deshalb nicht zumindest die Anwohner informiert?

 Da die Strahlung ständig überwacht wird, können wir mit Sicherheit ausschliessen, dass vom Transport Strahlung ausgeht. Bestünde ein Strahlenrisiko, dürften wir kein radioaktives Material transportieren.

 Neben Atommüll machte auch schmutziges Uran Schlagzeilen. In Ihren Brennelementen ist Uran aus der verstrahlten Wiederaufbereitungsanlage Majak in Russland, wie die "Rundschau" aufdeckte. Sie sagten, der entsprechende Brennstoffliefervertragsei "praktisch erfüllt". Sind Sie das Problem los?

 Wir haben mehrere Verträge mit unserem französischen Lieferanten Areva, die eine Brennelementfertigung durch die russische Firma MSZ Elektrostal beinhalten. Bei einem dieser Verträge weisen die Brennstäbe rund 10 Prozent Uran aus Majak auf, und dieser Vertrag läuft in diesem Jahr aus. Ein zweiter Liefervertrag dauert aber bis 2020. Ob dort ebenfalls Uran aus Majak verwendet wird, klären wir derzeit ab.

 Wie lange wird das dauern?

 Axpo-Mitarbeiter waren zusammen mit unserem Lieferanten Areva vergangene Woche bei MSZ Elektrostal. Die Lieferkette ist aber lang. Wir werden nun den weiteren Lieferanten Schritt für Schritt nachgehen. Wie lange dies dauern wird, hängt sehr stark von involvierten Stellen ab. Aber wir wollen es genau wissen.

 Axpo-Mitarbeiter gehen bis nach Majak, um die Lieferkette zu prüfen?

 Dies ist möglich.

 Werden Sie den Vertrag kündigen, wenn Material aus Majak drin ist?

 Nicht unbedingt. Ist Uran aus Majak in der Lieferkette drin, wollen wir zuerst die Situation dort überprüfen. Dass es dort Altlasten gibt, ist allgemein bekannt. Es stellt sich die Frage, ob von der heutigen Wiederaufbereitung in Majak ein Risiko ausgeht und die Umwelt weiter belastet wird - oder eben nicht. Wir wollen ganz genau wissen, wie in Majak heute gearbeitet wird. Zu diesem Zweck ziehen wir auch externe Experten bei.

 Wenn Sie also zum Schluss kommen, dass die Region von der aktuellen Wiederaufbereitung nicht weiter verstrahlt wird, kündigen Sie den Vertrag nicht - trotz eigener Umweltdeklaration?

 Wir wollen zuerst die Situation ganz genau klären. Dann werden wir aufgrund der Faktenlage entscheiden und diesen Entscheid auch kommunizieren.

 Grünen-Nationalrat Geri Müller kritisierte, Sie pflegen "einen kreativen Umgang mit der Wahrheit". Es entstand der Eindruck, Sie wollten vertuschen, dass Beznau womöglich bis 2020 mit schmutzigem Uran arbeitet.

 Dieser Vorwurf stimmt nicht. Ich habe in der "Rundschau" klar gesagt, dass es noch weitere Verträge gibt, die wir prüfen. Das lässt sich anhand der Aufnahmen leicht nachvollziehen. Zudem erfüllen wir alle gesetzlichen Auflagen sowie alle Transparenzauflagen. Unsere Partner Areva sowie MSZ Elektrostal sind entsprechend zertifiziert. Die Herkunft des Urans am Ende der Lieferkette prüfen wir nun.

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Bund 13.11.10

Leitartikel Abstimmung über "Energiewende Bern": Der Gegenvorschlag ist der Initiative vorzuziehen.

 Pragmatischer Weg in die Energiezukunft

Hans Galli

 Bern hat den Ausstieg aus der Atomenergie als längerfristiges Ziel schon vor über zehn Jahren beschlossen. "Die Stadt unterstützt die dezentrale Energieerzeugung und Energieversorgung und strebt an, umweltbelastende oder umweltgefährdende Energieträger, wie die Atomenergie, durch einheimische und regenerierbare Energie zu ersetzen": Dieser Satz steht in der Gemeindeordnung, welche im April 1999 vom Volk angenommen wurde. Der Anteil der Ja-Stimmen betrug 73 Prozent.

 In der Volksabstimmung vom kommenden 28. November geht es um das Tempo: Die Initiative "Energiewende Bern" fordert den Ausstieg bis ins Jahr 2030, der Gegenvorschlag des Stadtrats setzt die Frist bis Ende 2039 an.

 Heute 70 Prozent Atomstrom

 Der von Energie Wasser Bern (EWB) vermarktete Strom stammt heute zu 70 Prozent aus Atomkraftwerken. Die grössten Lieferanten sind die Atomkraftwerke Gösgen im Kanton Solothurn sowie Fessenheim in Frankreich.

 In Fessenheim steht ein Kraftwerk, dessen ursprünglich geplante Betriebsdauer von 30 Jahren bereits überschritten ist. Es entspricht bezüglich Sicherheit nicht dem neuesten Standard. Seine Abschaltung in absehbarer Frist wird keine grossen Auswirkungen für die Stadt Bern haben. EWB kann die ausfallende Strommenge mit der neuen Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) sowie dem angeschlossenen Holz- und Gaskraftwerk kompensieren. Diese Anlagen werden derzeit gebaut.

 Das Kernkraftwerk Gösgen ist auch schon über 30 Jahre alt, aber es ist auf eine Betriebsdauer von 60 Jahren ausgerichtet. Die Stilllegung ist für 2039 geplant. Der Gegenvorschlag des Stadtrates stellt auf dieses Datum ab: Der Atomausstieg der Stadt Bern soll mit dem Ende des heutigen AKW Gösgen zusammenfallen. EWB plant, den Wegfall des Atomstroms mit jährlichen Investitionen in erneuerbare Energien zu kompensieren. Gemäss Produktionsplan reichen die Erlöse aus dem Stromgeschäft, um die Investitionen zu finanzieren und einen jährlichen Gewinn an die Stadt abzuliefern.

 Bei dem von der Initiative geforderten Ausstieg bereits 2030 könnte die Stadt Bern weniger lang billigen Strom aus Gösgen beziehen. EWB beziffert die Kosten für den früheren Ausstieg auf 351 Millionen Franken. Überdies müssten die Investitionen in erneuerbare Energien beschleunigt werden. Beides würde sich negativ auf die Stadtkasse auswirken.

 Die Befürworter der Initiative erklären, EWB könnte seine Beteiligung von 7,5 Prozent am AKW Gösgen im Jahr 2030 verkaufen. Aber der Preis für die Aktien eines Kraftwerks, das nur noch eine kurze Lebensdauer hat, wäre wohl nicht allzu hoch. Zudem würde in Gösgen auch nach dem Rückzug Berns Strom produziert - die AKW-Gegner hätten nichts gewonnen.

 Der Gegenvorschlag zeigt einen pragmatischen Weg in die Energiezukunft der Stadt Bern auf. Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist zwar ein ehrgeiziges Ziel. Weil Bern aber bis 2039 Atomstrom beziehen kann, ist seine Energieversorgung nicht gefährdet. Falls sich das Szenario von EWB als unrealistisch erweisen sollte, könnte die Stadt auf ihren Entscheid zurückkommen.

 Ein finanzielles Risiko bilden zweifellos die geplanten Investitionen in ausländische Wind- und Sonnenkraftwerke. Geklärt werden muss auch die Frage, wie der Strom in die Schweiz kommen wird.

 Heikler Entscheid zu Mühleberg

 In den nächsten Jahren werden sich die Bürgerinnen und Bürger noch mehrmals zur Energiezukunft äussern können. Am 13. Februar 2011 ist die Abstimmung über die Vernehmlassung zur Rahmenbewilligung für ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg vorgesehen. Die Ausgangslage für diese kantonale Abstimmung ist anders als jene in der Stadt Bern: Das AKW Mühleberg muss viel früher stillgelegt werden als jenes in Gösgen. Zudem laufen die langfristigen Verträge über Stromlieferungen aus Frankreich aus. Ohne den Bau eines neuen Kraftwerkes wird die BKW Energie AG über deutlich weniger eigenen Strom verfügen.

 Auch wer in der Stadt Bern für den Atomausstieg stimmt, muss sich gut überlegen, ob dies für den ganzen Kanton ein gangbarer Weg ist.

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Tagesanzeiger 13.11.10

Deutsche diskutieren Schweizer Pläne für Atom-Endlager

 Wenn der Gemeinderat im deutschen Jestetten über die Pläne der Nagra spricht, kann sich auch das Publikum einmischen.

 Von René Donzé

 Jestetten/Zürich - Da soll noch einer sagen, nördlich der Schweizer Grenze beginne die direktdemokratische Wüste. Hierzulande verfassen Regierungen ihre Vernehmlassungsantworten im stillen Kämmerlein. In Jestetten bei Rheinau diskutierte am Donnerstag Bürgermeisterin Ira Sattler mit dem Gemeinderat an einer öffentlichen Sitzung ihre Stellungnahme ans Bundesamt für Energie (BFE) zu den Endlager-Plänen. Und sie nahm nicht bloss Anliegen der Volksvertreter ins Schreiben an die Schweizer auf, sondern auch solche aus dem Publikum.

 ZDF filmt mit

 Neben den 18 Gemeinderatsmitgliedern hatten sich 14 Zuschauer ins kleine Sitzungszimmer des Rathauses gepfercht. Ein Team des ZDF filmte die Debatte für eine Reportage vor dem Hintergrund der Massenproteste gegen die Castor-Transporte in Gorleben. Die 5000-Seelen-Gemeinde im süddeutschen Zipfel grenzt an die Kantone Zürich und Schaffhausen und ist gleich von drei möglichen Standorten für ein Endlager für radioaktive Abfälle umzingelt. Als mögliche betroffene Gemeinde räumt ihr das BFE ein Mitspracherecht ein. Zurzeit läuft das Anhörungsverfahren. Der Briefentwurf der Bürgermeisterin war den 18 Gemeinderäten aber zu brav formuliert. Schon der Einstieg, in dem sich Sattler für die Möglichkeit der Stellungnahme bedankt, stiess einer Politikerin sauer auf. "Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir angehört werden", sagte die Grüne Martina Sigg-Hermann.

 Misstrauen

 Mehrere Gemeinderäte äusserten den Verdacht, die Nagra habe bewusst einen Standort in Grenznähe vorgeschlagen, da die Deutschen nichts dazu zu sagen hätten. "Die Schweiz ist doch gross, und jetzt machen die ihr Endlager an die Grenze hin", sagte Reimund Hartmann (Grüne), und CDU-Vertreter Jürgen Osswald doppelte nach: "Man hat nicht zufällig die richtigen Gesteinsformationen in der Grenzregion gefunden." Jestetten müsse Mitbestimmung einfordern. Doch Sattler winkte ab: "Wir haben die gleichen Mitspracherechte wie die Schweizer Gemeinden, mehr können wir nicht verlangen." Bloss an der Schweizer Volksabstimmung könnten die Deutschen natürlich nicht teilnehmen.

 Einverstanden hingegen war sie mit anderen Einwänden. So will sie explizit festhalten: "Wir sind gegen ein grenznahes Atommülllager." Und sie wird fordern, dass sämtliche Standorte gleich gründlich untersucht werden, wie das bereits im Weinland geschehen ist, und nicht bloss zwei wie geplant.

 Zudem müsse der Zeitplan gelockert werden. Die Nagra will bis in acht Jahren den Standort festlegen. Irmgard Bäumle (SPD) argwöhnte, die Atomindustrie mache Druck, weil sie neue AKW bauen wolle. "Die Gefahr besteht, dass aus Zeitnot ein Lager zweiter Klasse gebaut wird." Aus dem Publikum kam der Wunsch nach einer umfassenden Überwachung aller Brennstäbe. Das will Sattler ebenso aufnehmen wie die dauerhafte Rückholbarkeit der Abfälle.

 Vereinzelt gab es auch pragmatische Stimmen. "Irgendwann muss der Grümpel doch in den Boden", sagte Wolfgang Lauer (Freie Wähler). Und Parteikollege Rainer Denzel meinte: "Ich fände ein Endlager vor der Haustür zwar auch schlimm, doch hätte ich das Gefühl, der Müll wäre dort in sicheren Händen."

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NZZ 13.11.10

Atompolitische Scharmützel nach Schweizer Art

Davide Scruzzi (dsc)

 In Deutschland wurde ein Transport von radioaktiven Abfällen zum Mekka für Aktivisten. In der Schweiz gibt es zu denselben Fragen eine Kaskade von Volksabstimmungen und Verfahren. Hierzulande ist also wie immer alles etwas netter, zu Sorglosigkeit besteht aber wenig Anlass. Von Davide Scruzzi

 Am Montag präsentiert das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat einen Bericht zu den Rahmenbewilligungsgesuchen für neue Atomkraftwerke. Es wird etwa um Erdbebensicherheit und Hochwasserschutz gehen. Eine Priorisierung unter den Neubau-Optionen Gösgen, Mühleberg und Beznau wird nicht vorgenommen, ortsbedingte Mehrkosten könnten aber die von der Stromwirtschaft anvisierte Einengung auf zwei Orte begünstigen. Nach solchen Präsentationen verschicken die AKW-Gegner jeweils gepfefferte Medienmitteilungen. Doch von Tumulten, wie jüngst in Deutschland, bleibt die Schweiz seit vielen Jahren verschont, obwohl die nuklearen Projekte kühn sind und das Land in der AKW-Frage gespalten ist: Die Befürworter neuer Werke sind, je nach Umfrage, nur leicht in der Überzahl. Dass die Lust an Demonstrationen hierzulande gering ist, hat bloss zu einem kleinen Teil mit freundlicheren politischen Umgangsformen zu tun. Zwar sang schon der Kabarettist Franz Hohler Ende der 1970er Jahre maliziös, dass in unserem Land alle "so nätt" seien, sogar die "Chärnchraftherre" zu ihren Gegnern. Relevanter ist aber, dass sich alle an den direktdemokratischen Bewilligungsverfahren ausrichten können, die der Bund für die AKW-Projekte und die Suche nach Tiefenlager-Orten für radioaktive Abfälle festgelegt hat. Die Atompolitik bleibt allerdings trotz allem auch in der Schweiz eine wichtige Bühne politischer Profilierungen - zulasten sachlicher Diskussionen.

 Wie stabil sind die Verfahren?

 Die Ergebnisse von Sololäufen in Form regionaler AKW-Volksabstimmungen werden die Stimmung im Land bald beeinflussen. In den Städten Bern und St. Gallen wird Ende Monat über den Atomausstieg der städtischen Elektrizitätswerke entschieden. Aufgrund der jahrzehntelangen Fristen und der Marktliberalisierung sind die praktischen Wirkungen und damit die Entscheide per se fragwürdig, der wichtigste Effekt eines Ja wäre jeweils die Beflügelung der nationalen Anti-AKW-Kampagne. Zu symbolischen Urnengängen kommt es nächstes Jahr auch in mehreren Kantonen, wenn über die - nicht verbindlichen - kantonalen Stellungnahmen zu den Kernkraftwerks-Gesuchen abgestimmt wird. Lange bevor also 2013 oder 2014 das Volk in einer eidgenössischen Referendumsabstimmung Ja oder Nein zu neuen Kernkraftwerken sagen wird, spitzt sich die Debatte in unausgegorenen regionalen Auseinandersetzungen zu, sie vermischt sich mit Forderungen zu erneuerbaren Energien und mit der komplexen Suche nach einem Tiefenlager für radioaktive Abfälle.

 Trotz diesen nicht explizit vorgesehenen regionalen Urnengängen erweisen sich die AKW-Verfahren als stabil. Der Gesetzgeber hat aus dem Chaos der 1980er Jahre gelernt. Damals brachten verworrene Verfahren rund um das geplante Werk in Kaiseraugst und Aktivisten auf dem Feld das Projekt zum Scheitern, die benötigten zusätzlichen Strommengen fliessen seitdem aus französischen AKW in die Schweiz. Mit dem nun angesetzten eidgenössischen Volksentscheid zum Kraftwerksneubau wird Demo-Romantikern die Legitimität entzogen - die politischen Wirkungsmechanismen solcher sozialer Bewegungen bleiben freilich schwer voraussehbar.

 Störfälle drohen aber eher beim Auswahlverfahren für die Orte zur Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle, weil - im Gegensatz zu den AKW-Projekten - der lokale Widerstand gross ist und die technischen Fragen komplex und teilweise nicht vollständig beantwortet sind. Da und dort trommeln Demonstranten schon auf Fässern. Wirkungsstärker ist aber zweifellos Opposition von den betroffenen Kantonen, die bereits jetzt umfangreichere geologische Abklärungen verlangen. Die Nagra, die Genossenschaft von Bund und AKW-Betreibern, wird diese Frage bald in einem Bericht klären. Eine für Kritiker unbefriedigende Antwort würde das weitere Verfahren trüben. Harsch sind bereits die Positionsbezüge aus Schaffhausen. Nicht nur lehnt die Regierung ein Tiefenlager in der Nähe kategorisch ab, aus Schaffhausen wurde gar der Vorschlag einer Endlagerung von Atommüll im Ausland ins Spiel gebracht. - Auch wenn man diese Option nicht a priori ignorieren sollte, zeigt doch der Blick nach Europa, dass derzeit eine gemeinsame Lösung nicht in Sicht ist.

 Bei der Frage nach der künftigen Stromversorgung winken im Ausland ebenfalls noch keine guten Lösungen für einen Ersatz der bisherigen AKW und der Langfristverträge mit Frankreich. Der weiträumige Austausch (Import) von Strom aus erneuerbaren Energien ist noch Zukunftsmusik. Bei der Förderung von erneuerbaren Energien im Inland sind ökologische und raumplanerische Grenzen bereits erkennbar, und die Sensibilität gegenüber Strompreiserhöhungen ist sattsam bekannt. Weit verbreitet ist der Wunsch nach dem Ausstieg aus der Kernenergie, rarer ist die Bereitschaft, die volkswirtschaftlichen Konsequenzen höherer Kosten bei Stromimporten zuzugeben oder nüchtern die Tatsache zu erkennen, dass nukleare Abfälle bereits vorhanden sind und eine weitere AKW-Generation am Grundproblem der Tiefenlagerung nichts ändert. Die rot-grüne Gleichung, wonach ein Zubau an erneuerbaren Energien einen Arbeitsplatzverlust in stromintensiven Branchen kompensiert, hat immer noch zu viele visionäre Variablen - der deutsche Rückzug beim Atomausstieg zeugt davon. Atomstrom dürfte bei einem Ausstieg vor allem durch Gas- und Kohlestrom ersetzt werden - klimapolitisch und punkto Versorgungssicherheit eine schlechte Lösung.

 Mehr Licht in Uran-Lieferwege notwendig

 Eine Fortführung der Atomenergie mit einem Ersatz auslaufender Kernkraftwerke bleibt also der derzeit praktikabelste energiepolitische Weg. Dieser setzt natürlich Analysen zur Rentabilität solcher Milliardenprojekte voraus sowie einen weiterhin dominierenden Stellenwert der Reaktorsicherheit. Punkto Uran-Herkunft erwacht bei den Stromkonzernen erst langsam das Bewusstsein, dass ökologisch zwielichtige Stationen in der Lieferkette nicht akzeptabel sind. Hätte Greenpeace mit den Enthüllungen um die weiterhin unklare Rolle des problematischen russischen Wiederaufbereitungsstandorts Majak bei den Brennstofflieferungen für das AKW Beznau bis kurz vor der eidgenössischen Abstimmung gewartet, wäre ein Nein an der Urne wohl die Folge gewesen.

 Kurzschluss-Effekte auf die AKW-Debatte können aber auch aus Schlagzeilen zum Tiefenlager-Verfahren erwachsen. Bund und Stromwirtschaft können sich keine Fehler erlauben. Die emotional aufgeladenen nuklearen Fragen, über die aufgrund der mitschwingenden Gefahrenpotenziale nur das Volk am Schluss entscheiden kann, bleiben allzu anfällig für tagesaktuelle Stimmungsschwankungen und Scharmützel, während Energie- und Umweltpolitik auf langfristigen Strategien fussen müssten. Von der Linken nun Kompromissbereitschaft und Sachlichkeit zu erwarten, ist auch südlich des Rheins Wunschdenken; zu gross ist bei Roten und Grünen der Bedarf nach einenden nuklearen Feindbildern. Zu hoffen bleibt, frei nach Franz Hohler, dass auch die AKW-Demonstranten "so nätt" bleiben und der Schweiz Szenen wie rund um das deutsche Atommülllager Gorleben erspart bleiben.

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St. Galler Tagblatt 13.11.10

"Auch Atomstrom hat Zukunft"

 ETH-Professor Horst-Michael Prasser ist zwar nicht gegen erneuerbare Energien, aber dezidiert für den Erhalt der Atomenergie. Wirtschaftliche Risiken bei einem Ausstieg hält er für höher als das Restrisiko eines AKW-Unfalls - eine Gegenposition zu HSG-Energieexperte Rolf Wüstenhagen.

 Herr Prasser, ein Atomausstieg in den kommenden Jahrzehnten sei möglich und mache Sinn, sagte HSG-Energieexperte Rolf Wüstenhagen kürzlich an dieser Stelle. Das sieht nach einer düsteren Zukunft aus für Sie als Professor für Kernenergiesysteme.

 Horst-Michael Prasser: Da mache ich mir keine Sorgen. Kernenergie ist ein so zentraler Bestandteil der Stromversorgung, dass ein Ausstieg auch langfristig wenig sinnvoll ist. Man müsste auf eine vergleichsweise kostengünstige Technologie verzichten, ohne dass sich ein Sicherheitsvorteil ergeben würde.

 Kein Sicherheitsvorteil? Die Herstellung von erneuerbaren Energien ist doch sicherer als diejenige von Atomenergie.

 Prasser: Erneuerbare Energien haben nicht nur Vorteile gegenüber der Kernenergie. Dies zeigt die Lebenszyklusanalyse, welche alle Parameter einer Energieumwandlungskette untersucht. Dabei wird folgende Frage gestellt: Wie viele Rohstoffe benötigt man, mit welchem Landbedarf ist das verbunden und welche Auswirkungen auf die Umwelt entstehen bei der Produktion einer bestimmten Energiemenge? Hier schneidet der Atomstrom teilweise besser ab als die regenerativen Energien. Würde man die durch AKW produzierte Energiemenge mit Solarzellen erzeugen wollen, dann hätte man für deren Produktion grössere Mengen an Rohstoffen aufzuwenden und es mit toxischen Substanzen zu tun.

 Was sich mit der Förderung von Solartechnologien ändern könnte.

 Prasser: Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will die beiden Energien nicht gegeneinander ausspielen. Die erneuerbaren Energien sind, wie auch die Kernenergie, um ein vielfaches besser als jede Nutzung von Kohle, Öl und Gas. Heute kommt mehr als 85 Prozent der Energie weltweit aus fossilen Quellen. Kernenergie und erneuerbare Energien wie die Solar- oder Windenergie müssen hier gemeinsam ins Feld geführt werden, um diesen Anteil zurückzudrängen - und nicht gegeneinander antreten.

 Dann spricht ja nichts gegen einen Entwicklungsschub für erneuerbare Energien. In der Stadt St. Gallen wird über einen Atomausstieg abgestimmt. Ein Ja würde den Erneuerbaren Vorschub geben.

 Prasser: In erster Linie gibt ein Ausstieg ein politisches Signal gegen die Atomenergie, was ich kontraproduktiv finde. Vielleicht bringt ein Ausstieg die Entwicklung erneuerbarer Energien zwar etwas weiter. Meiner Meinung nach müsste man aber Erneuerbare aktiv fördern - und nicht Atomstrom verbieten.

 Werden erneuerbare Energien gegenüber Atomstrom je wettbewerbsfähig sein?

 Prasser: Es ist unbestritten, dass die Kosten bei erneuerbaren Energien durch die Weiterentwicklung und die Massenproduktion kontinuierlich sinken werden. Doch sind dieser Entwicklung Grenzen gesetzt. Ich bezweifle, und das deckt sich mit seriösen Studien, dass Strom aus erneuerbaren Quellen eines Tages preiswerter wird als Atomstrom. Es wäre spannend zu sehen, wie die verschiedenen Techniken sich am Markt ohne politische Einflussnahme bewähren würden.

 Wirtschaftlichkeit hin oder her: Das Restrisiko bei AKW bleibt.

 Prasser: Ein schwerer Störfall ist auf einer Schweizer Anlage sehr unwahrscheinlich - Analysen liefern Wahrscheinlichkeiten von ganz grob einem Ereignis in einer Million Jahre.

 Was ist mit Tschernobyl?

 Prasser: Das war eine Zerstörung des Reaktors durch eine nicht mehr kontrollierbare Kettenreaktion in weniger als einer Sekunde. Das ist in den heute laufenden AKW und in allfälligen Neubauanlagen ausgeschlossen. Der Tschernobyl-Reaktor hatte einen gravierenden Konstruktionsfehler. Anders ist es bei einem schweren Störfall mit Kernschmelze, die nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Die Operateure haben heute jedoch Mittel in der Hand, um die Radioaktivität im Reaktorgebäude einzuschliessen und die Umwelt davor zu schützen. Neubauanlagen wären von vornherein so konstruiert, dies auch ohne Operator-Eingriffe zu bewerkstelligen.

 Nicht überall sind AKW so sicher wie in der Schweiz, nehme ich an.

 Prasser: Ich befürchte, Sie haben recht. Allerdings fruchten die grossen Anstrengungen bereits, die unternommen werden, um international zu einer Harmonisierung der Standards zu kommen. Es gibt einen internationalen Austausch zu Fragen der Reaktorsicherheit. Die internationale Atombehörde etwa sorgt für Unterstützung in den Ländern, in denen diese gebraucht wird.

 Ein weiteres Problem ist die Endlagerung des radioaktiven Atommülls.

 Prasser: Die heutigen Konzepte zur geologischen Tiefenlagerung des radioaktiven Abfalls sind fachlich überzeugend. Die Rückhaltung jedes einzelnen Bestandteils des Abfalls in den Lagerbehältern und im Tongestein wurde gründlich untersucht. Ich hätte überhaupt kein Problem damit, über einem Atomendlager zu leben.

 Und wenn Menschen in einigen 1000 Jahren auf unseren Atommüll treffen sollten?

 Prasser: Ich bin überzeugt, eine Gesellschaft, die über die Technik verfügt, an den Atomabfall in 700 Metern Tiefe heranzukommen, wird auch in der Lage sein, das Problem zu erkennen und dieses mit begrenztem Aufwand wieder in den Griff zu bekommen.

 All die Argumente, die Sie hier vorbringen, werden auch immer wieder von der Atomindustrie genannt. Atomgegner behaupten, dass dies nur aus wirtschaftlichen Eigeninteressen geschieht.

 Prasser: Die Nuklearindustrie wird oft bezichtigt, nur auf ihren Profit zu schauen. Zu Unrecht. Viele Befürworter der Kernenergie in Forschung und Industrie sind aus ihren Kenntnissen heraus der Überzeugung, dass Atomstrom zu einer umweltverträglichen Energieversorgung benötigt wird. Sie sind mit Herzblut bei der Sache.

 Ihr Lehrstuhl an der ETH wird von der Atomindustrie-Organisation Swissnuclear finanziert. Da sind Sie natürlich verpflichtet, sich für die Atomenergie einzusetzen.

 Prasser: Ich war Befürworter der Kernenergie, lange bevor ich von einer akademischen Auswahlkommission an die ETH Zürich berufen wurde. Mein Lehrstuhl wird von Swissnuclear finanziert, weil die Industrie ein vitales Interesse an der Weiterführung der universitären Ausbildung im Bereich Kerntechnik hat, nachdem die Professur meines Vorgängers nicht weitergeführt wurde. Der Kompetenzerhalt ist das wichtigste Motiv und Sie werden zugeben, dass das ein wichtiges Element der Sicherheitskultur ist.

 Zum Schluss ein Blick auf 2050. Wie sieht der Strommarkt in der Schweiz dann aus?

 Prasser: Prognosen zeigen, dass der Energiebedarf in Zukunft sinken, der Strombedarf jedoch ansteigen wird, weil fossile Energieträger im Bereich Wärmeversorgung und Individualverkehr durch Elektrizität ersetzt werden und der Einsatz von Öl und Gas zurückgehen. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung wird zunehmen, der Anteil der Kernenergie zurückgehen, aber in absoluten Zahlen wird mehr Kernenergie erzeugt werden müssen. Durch den technischen Fortschritt wird die Anzahl der notwendigen Kernkraftwerke geringer sein und es wird weniger Uran verbraucht werden als heute.

 Interview: Ralf Streule

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 Person

 Horst-Michael Prasser

 Der ETH-Professor für Kernenergiesysteme. Der deutsche Wissenschafter studierte vor dem Fall der Mauer im Energetischen Institut in Moskau und war 19 Jahre lang im Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden tätig. Der Spezialist für Reaktorsicherheit war massgeblich beteiligt an der Etablierung des Studiengangs "Master of Science in Nuclear Engineering" der ETH Zürich und EPF Lausanne.

 St. Gallen und Bern stimmen ab

 Am 28. November wird in den Städten St. Gallen und Bern über den Verzicht auf Atomstrom abgestimmt. St. Galler werden über die SP-Initiative "Stadt ohne Atomstrom" befinden, welche einen schrittweisen Atomstrom-Ausstieg ab 2018 verlangt. Ein Gegenvorschlag des Stadtparlaments nimmt sich den Atomausstieg bis ins Jahr 2050 zum Ziel. Gegen die beiden Vorlagen hat sich ein "2 x Nein-Komitee" gebildet. Die Versorgungssicherheit sei in der Stadt gefährdet, wenn man den Atomstrom per Reglement verbiete. (rst)

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Basler Zeitung 13.11.10

Spielende Kinder, strahlender Müll

 Die Aufbereitungsanlage Majak im Ural gilt als grösste atomare Dreckschleuder der Welt

 Stefan Scholl, Moskau

 Die Schweiz bezieht Atombrennstäbe aus der russischen Aufbereitungsanlage Majak. Jetzt will es Deutschland der Schweiz gleichtun - obwohl die Anlage selbst die Katastrophe von Tschernobyl in den Schatten stellt.

 Jahrzehntelang tränkten die Leute von Musljumowo ihr Vieh in der Tetscha, ihre Kinder schwammen in diesem Fluss. Sie hatten sich daran gewöhnt, dass den Rindern das Fell büschelweise ausfiel. Und die Knaben im Dorf erzählen Fremden eifrig, welche Verwandte an welchen Krebskrankheiten litten.

 Das Dorf Musljumowo liegt im Südural, 80 Kilometer von der Atomfabrik Majak entfernt, dem Epizentrum der vielleicht grössten Katastrophe in der Geschichte der Kernenergie. "Majak", zu Deutsch "Leuchtturm", liefert seit Jahren Brennstäbe für die Schweizer Atomkraftwerke und entsorgt auch Schweizer Atomabfall. Wladimir Tschuprow von Greenpeace Russland sagt: "Abgebrannte Schweizer Atombrennstäbe geraten über Frankreich nach Tomsk in Sibirien und von dort nach Majak. Dort werden sie wieder aufbereitet. Bei der Wiederaufbereitung wird ein Teil des radioaktiven Materials wieder verwendet, ein anderer Teil wird entsorgt."

 Jetzt möchte auch das deutsche Bundesland Sachsen in Ahaus gelagerten Atommüll aus einer längst abgeschalteten DDR-Forschungsanlage dort loswerden. Obwohl Majak nach Ansicht von Umweltschützern weiter die grösste atomare Dreckschleuder der Welt ist.

 Die "Produktionsvereinigung Majak" wurde nach dem Zweiten Weltkrieg unter grösster Geheimhaltung aus dem Boden gestampft. Ab 1948 gewann man dort das Plutonium für die erste Atombombe der Sowjetunion, startete insgesamt zehn Atomreaktoren. Bis heute gilt Majak als Grossküche der russischen Atomwaffenproduktion. Ein Komplex mit über 14 000 Mitarbeitern, einer Wiederaufbereitungsanlage sowie einem Endlager für atomaren Abfall.

 Katastrophale Schlamperei

Aber gerade was die Entsorgung angeht, gilt Majak als Synonym für katastrophale Schlamperei. Von 1949 bis 1956 kippte man 76 Millionen Kubikmeter atomare Abfälle direkt in den Fluss Tetscha, aus dem über 120 000 Menschen ihr Trinkwasser bezogen. 1956 wurde die Strahlung auffällig, man räumte zahlreiche Dörfer am Fluss und begann den Abfall in den Karatschaj-See umzuleiten. Ein Jahr später explodierte in Majak ein Tank mit hoch radioaktiven Abfällen, 100 Menschen starben sofort, 23 000 Quadratkilometer wurden verseucht. Der Staat hielt die Katastrophe bis 1989 geheim, erklärte den Bewohnern der 80 Kilometer entfernten Millionenstadt Tscheljabinsk den Lichtblitz des Atomschlags als nächtliches Wetterleuchten. Experten streiten, ob damals die gleiche oder doppelt so viel Strahlung frei gesetzt wurde wie beim Super-GAU von Tschernobyl.

 1967 trocknete ein heisser Sommer den mit Atomabfall vollgekippten Karatschaj-See aus, eine radioaktive Staubwolke verseuchte erneut 41 000 Quadratkilometer. Insgesamt trafen diese Strahlungskatastrophen über 400 000 Menschen. Nach Angaben des staatlichen Uralzentrums für Nuklearmedizin in Tscheljabinsk hat sich die Leukämierate unter den 28 000 am Tetscha-Fluss lebenden Menschen binnen zwanzig Jahren verdoppelt, Hautkrebs tritt heute viermal häufiger auf als früher. Und 96 von 100 Versuchspersonen leiden an mindestens fünf chronischen Krankheiten.

 verantwortlich. Majak aber leckt offenbar noch immer. 2003 liess die Aufsichtsbehörde Gosatomnadsor die Produktion dort zwischenzeitlich einstellen, weil weiter Atomabfall in den Tetscha gekippt wurde. 2005 geriet der Direktor der Anlage aus demselben Grund sogar vor Gericht. Er soll Gelder, die für die Entsorgung bestimmt waren, veruntreut haben. Er wurde aber amnestiert. Ökologen behaupten, die Verkippung gehe weiter. "Jährlich geraten über 500 Millionen Kubikmeter Strahlenabfall in den Fluss", sagt Greenpeace-Experte Tschuprow. "Für uns bedeutet die Zusammenarbeit der Schweiz oder Deutschlands mit Majak Teilnahme an der atomaren Verseuchung der Region Tscheljabinsk."

 2007 wurden die Bewohner von Musljumowo nach jahrzehntelangen Protesten umgesiedelt. Aber 1400 Bewohner landeten in einer Neubausiedlung, die knapp zwei Kilometer entfernt ist. "Diese Leute dienen weiter als medizinische Versuchskaninchen der Atomindustrie", sagt Tschuprow. Auch Einwohner klagen, man habe viele Familien mit bürokratischen Tricks dazu gebracht, dorthin umzuziehen.

 "Die Häuser sind besser, aber die Verseuchungsgefahr ist die gleiche", sagt die lokale Umweltschützerin Milja Kadirowa, deren beide Brüder an der Verstrahlung starben. Der verseuchte Fluss sei das einzige Gewässer in der Gegend. "Alle werden ihre Kühe weiter dort tränken, dort fischen. Und im Sommer gehen die Kinder in den Tetscha baden."

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 Majak und die Schweizer Atomwirtschaft

 "Verantwortungslos". In der Schweiz mag die Atomenergie keinen Dreck machen. Die russische Atomfabrik Majak aber ist ein realer Albtraum (siehe Text nebenan). Anfang September machte die "Rundschau" des Schweizer Fernsehens publik, dass die Schweizer Atomwirtschaft Brennstäbe aus dem verseuchten Gebiet bezieht. Im Fernsehmagazin wurde nachgewiesen, dass die Axpo Uran von der russischen Firma Elektrostahl bezieht. Diese wiederum lässt in Majak vorproduzieren. Die Axpo ist die Eigentümerin des Atomkraftwerks Beznau. "Das ist in keiner Weise zu verantworten", sagt Ruedi Rechsteiner, ehemaliger Basler SP-Nationalrat und Atomenergiekritiker der ersten Stunde. Das Problem der undurchsichtigen Beschaffung von Brennstäben beschäftigt die Politik schon seit Langem, ohne dass sich etwas bewegen würde. Nach dem Bericht der "Rundschau" fragte der grüne Aargauer Nationalrat Geri Müller den Bundesrat an, ob der Bundesrat weiterhin auf eine Deklarationspflicht von Brennstäben verzichten wolle. Energieminister Moritz Leuenberger räumte daraufhin ein, dass dazu die Handhabe fehle. Das Bundesamt für Energie habe die Betreiber der Atomkraftwerke inzwischen aber aufgefordert, auf freiwilliger Basis Informationen über die Herkunft der Brennmaterialien zu liefern. Das Amt habe damit alles Zumutbare versucht. "Mehr können wir in dieser Phase nicht erreichen."  sgr

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Tribune de Genève 13.11.10

J y etais

1986 La lutte contre l'atome fait rage à Genève

 La Constituante projette de biffer l'article 160E. L'occasion de replonger dans l'histoire de la lutte antinucléaire avec l'activiste Anne-Cécile Reimann. Elle y était

Laure Gabus

 Anne-Cécile Reimann soupire lors qu'elle évoque la position prise par la Constituante sur le nucléaire.

 Depuis vingt-quatre ans, la militante et son comité contre le nucléaire, ContrAtom, veillent au respect de l'article 160E de la Constitution, le texte énumérant les mesures prises par le Canton pour éviter de recourir au nucléaire. "Quand des chauffages électriques étaient installés à Genève, l'un d'entre nous se déguisait en ange gardien de l'article 160E et on criait: article 160E, violé!" se rappelle avec joie l'institutrice à la retraite.

 Au début d'octobre, les élus de la Constitutante prévoient de supprimer l'article 160E. Anne-Cécile Reimann déchante: "On croyait avoir gagné, mais voilà que tout ce qu'on a fait ces vingt dernières années est à recommencer. " Ce mois de novembre, ContrAtom repart au combat pour défendre le texte de loi adopté en 1986, quelques mois après la catastrophe de Tchernobyl.

 Manifs, rigolade et succès

 Ses années de militantisme, Anne-Cécile Reimann s'en souvient volontiers: "On était sérieux, mais qu'est-ce qu'on rigolait. " ContrAtom naît en 1985 pour s'opposer à la foire du nucléaire (ENC'86) qui se tiendra à Palexpo en juin 1986. Deux mois après Tchernobyl. "Les militants prenaient d'assaut les bus TPG qui amenaient les exposants. Ils s'enfuyaient dans les champs! La police était de notre côté. Un jour, un policier m'a dit: nous aussi, on a des enfants, nous aussi, on est contre le nucléaire", se souvient Anne-Cécile. Victoire: la foire ne reviendra pas. "Genève était vue comme un haut lieu de la résistance contre le nucléaire", se réjouit la militante.

 Son combat le plus long, ContrAtom le mène contre la centrale française de Creys-Malville, à 70 kilomètres de Genève. Superphénix, son réacteur, est mis en marche en janvier 1986. Face aux défaillances du réacteur, ContrAtom va lutter pour la fermeture de la centrale d'Isère. Entre 1988 et 1998, tous les premiers jeudis du mois, Anne-Cécile et ses compagnons manifestent devant le consulat de France de Genève. "Un jour, on a décidé d'occuper le consulat français. Le but était de passer un coup de fil à Matignon. On est resté 1 h 30! La police nous soutenait et n'intervenait pas, le consul est devenu fou. Du coup, on est resté au poste pendant des heures", raconte-t-elle hilare.

 "Là-bas, à Creys-Malville…" Lorsqu'elle évoque cette époque, ni une ni deux, Anne-Cécile Reimann entonne ses chants partisans. Ses refrains, ses panneaux jaunes aux slogans provocateurs, ses interventions au téléjournal et sa "deuch", une Citroën 2 CV couverte d'autocollants, sont devenus les symboles de la lutte genevoise contre la centrale française.

 Le retour des pronucléaires

 En 1998, la centrale est fermée. La victoire de ContrAtom sera de courte durée: "Le problème des déchets est loin d'être réglé. Il y a toujours cinq tonnes de plutonium et 5000 tonnes de sodium", précise Anne-Cécile. Côté suisse, "depuis que le peuple a accepté de revenir au nucléaire en 2003, les pronucléaires ont repris confiance", constate la retraitée.

 Pour Anne-Cécile Reimann, la décision de la Constituante traduit ce changement. Tout comme les discussions autour de la construction de trois nouvelles centrales et le maintien en fonction de la centrale abîmée de Mühleberg. Actuellement, "les déchets nucléaires suisses, stockés à l'usine de retraitement de La Hague pendant 25 ans, sont en train de revenir, souligne-t-elle. L'Allemagne connaît le même problème. A la télévision, j'ai vu que plein de jeunes manifestaient. Ici, notre mouvement n'est porté plus que par des anciens combattants. Les jeunes ne connaissent pas du tout le problème", regrette Anne-Cécile.

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Lettre du jour

 Genève contre Mühleberg…

Michel Barde

 Genève, 11   novembre. Lors d'une de ses toutes récentes séances, le Conseil municipal de la Ville de Genève a traité d'une proposition du Conseil administratif de débloquer 60 000 fr. destinés à subventionner le Comité bernois opposé à l'autorisation de poursuivre l'activité de la centrale nucléaire de Mühleberg. Il faut rappeler que cette autorisation a été donnée par le Detec présidé par le conseiller fédéral socialiste Moritz Leuenberger. La Ville de Genève n'ayant pas la capacité pour agir, elle a donc décidé de subventionner les recourants! La droite du Municipal s'y opposant, la majorité de gauche, pour bien montrer qui fait la loi, a dès lors doublé la mise en portant la subvention à 120 000 fr. , qui vient ainsi s'ajouter à celle de 25 000 fr. déjà versée en mai de cette année. Voilà donc 145 000 fr. des contribuables genevois - y compris ceux qui paient leurs impôts en ville sans y habiter et par conséquent sans y avoir leur mot à dire - qui partiront soutenir des recours plus ou moins fumeux. Ah, me dira-t-on, Genève ne fait que se conformer à sa Constitution qui implique de lutter contre le nucléaire! C'est oublier que le 18   mai 2003, le canton a refusé l'initiative populaire fédérale intitulée "sortir du nucléaire" et qu'il a également, le même jour, refusé le moratoire sur ce sujet.