MEDIENSPIEGEL 27.11.10
(Online-Archiv:
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Frauenraum, DS, Kino, Rössli)
- Squat BE: Ultimatum für die Moserstrasse
- RaBe-Info 25.+26.11.10
- AJZ Biel: Bald umzingelt von bürgerlichen Freiräumen
- Anti-SVP: Besetzung Lausanne; Farbe für SVP Bern;
Aktionismus
- Club-Leben: Opfer Mokka-Schlägerei noch immer in Pflege
- Squat FR: Scheinbesetzung
- Sempach: Neues Schlachtfeier-Konzept
- Sexwork: Lösungsansätze ZH; Freier-Bussen TI
- Anti-Feminismus: Rudel-Denken
- Police CH: Bussen-Revolte; Schusswaffen Bahnpolizei
- Big Brother: Soap Opera
- Big Brother Sport: Pyro-Debatte
- Antisemitismus: Studie zur CH-Nachkriegszeit
- Asyl: Revision zurück zum Absender
- Ausschaffungen: Aufruf der Hundert; die andere CH;
(Alp)TräumerInnen; Grenzen Ausschaffungshaft
- Migration Control: Gadhafi als Türsteher Europas
- Anti-Atom: Alpiq zu Niederamt; Abstimmung VD; Krebsfälle
Asse;
Abstimmung BE/SG; Todeszone Majak; Benken; Wellenberg; Alpiq;
Mühleberg; Fricktal; Tiefenlager
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REITSCHULE
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So 28.11.10
10.00 Uhr - Grosse Halle - Ausstellung "Problemhuufe"
(bis 17.00 Uhr)
20.00 Uhr - Rössli - 2MEX (USA) & PICKSTER ONE
(USA). - Hiphop
Di 30.11.10
20.30 Uhr - Tojo - Lustiger Dienstag 49. Mehr als
Variété. LuDi-Crew und Gäste
Fr 03.12.10
19.00 Uhr - Tojo - Cousin Ratinet. Théâtre
de la
grenouille. Regie: Charlotte Huldi. Ab 6 Jahren
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: RUSSKAJA
(AUT/RUS) & DJ
Rane. - Ska, Russendisko
Sa 04.12.10
15.00 Uhr - Tojo - Cousin Ratinet. Théâtre
de la
grenouille. Regie: Charlotte Huldi. Ab 6 Jahren
So 05.12.10
15.00 Uhr - Tojo - Cousin Ratinet. Théâtre
de la
grenouille. Regie: Charlotte Huldi. Ab 6 Jahren
Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch
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BZ 27.11.10
Amnesty international
Tanz gegen Gewalt an Frauen
Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor alltäglich. Im
Rahmen
der angelaufenen Kampagne
"16 Tage gegen Gewalt an Frauen" findet heute Samstag das
Tanzspektakel Tabou statt. Die Frauenrechtsgruppe von Amnesty
International führt die Veranstaltung mit Hip-Hop und Breakdance
um 20 Uhr im Frauenraum der Berner Reitschule durch.pd
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Blick am Abend 26.11.10
Nightlife Tipp
Panteon Rococo (MEX)
Fr, 21 Uhr, Reitschule Dachstock, Neubrückstr. 8.
Hierzulande kennt man Panteon Rococo als gelegentliche
Vorband
von Die Ärzte. Die mexikanische Latin Ska-und Mestizo-Band wurde
vor rund 15 Jahren in Mexiko-Stadt gegründet und unterstützt
die mexikanischen Zapatisten, die seit vielen Jahren für die
Rechte der Ureinwohner in der mexikanischen Provinz Chiapas streiten.
usgang.ch
TOP Nicht verpassen!
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Bund 25.11.10
Film "Jung und jenisch"
Unterwegs daheim
Es ist nicht immer so lustig, das Zigeunerleben: Karoline
Arn und
Martina Rieder porträtieren junge Jenische.
Aus dem Radio scheppert Pepe Lienhards "Swiss Lady", und
wenn das
Handy läutet, jodelts - es sind fast zu typische Schweizer, die
Karoline Arn und Martina Rieder in ihrem Film "Jung und jenisch"
porträtieren. Aber eben nur fast. Denn diese Leute sind Fahrende,
Jenische, die im Winter in Wohnwagen und Containern auf dem
Gelände eines Freibads leben und im Sommer auf die Reise gehen,
wie sie sagen. Die Filmemacherinnen wollten erfahren, wie es sich lebt
als junge Schweizer Fahrende - eine anerkannte nationale Minderheit -
und begleiteten eine Familie ein Jahr lang.
Familie, das ist bei den Jenischen oft ein grösserer
Verbund
von Verwandten und Verschwägerten, die immer wieder auf denselben
Durchgangsplätzen haltmachen. Es hat auf den ersten Blick etwas
von Campingromantik, das Haarewaschen am Hydranten, das Kochen am
Gasherd, die Jassrunde im Freien. Und die Freiheit, Waschmaschine und
Satellitenschüssel in Kürze wieder einzupacken und sich an
einen neuen Ort aufzumachen.
Noch immer verbreitet sind aber auch die Vorurteile der
Sesshaften, wie jene Szene zeigt, in der ein junger Anwohner "sein
Territorium" verteidigen will - und nach einem Gespräch
feststellt, dass diese Fahrenden ja recht normale Leute seien.
Umgekehrt sind aber auch die Jenischen reserviert gegenüber den
Sesshaften, nicht zuletzt, weil das "Kinder-der-Landstrasse"-Trauma
noch immer nicht überwunden ist.
Vieles erscheint trotz allem fremd: die Rollenverteilung
unter
den Geschlechtern ("Wie bei den Neandertalern: Er bringt das Fleisch,
sie kocht es", scherzt ein junges Paar); das Hausieren; der Umstand,
dass junge Jenische mit 15 zu arbeiten beginnen und spätestens mit
20 Kinder haben. Und dass auch Fahrende Ferien machen: Die
porträtierten Jenischen campen im Herbst jeweils einen Monat im
Bündnerland - um sich auf der Jagd zu erholen.(reg)
Kino in der Reitschule Do, 25. Nov., Fr, 26. Nov. (in
Anwesenheit
der Filmemacherinnen), Sa, 27. Nov. (mit Lesung von Willi Wottreng),
jeweils 20.30 Uhr.
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BZ 25.11.10
Gar nicht nur lustig, dieses "Zigeunerleben"
FilmpremiereEin Jahr lang waren zwei Bernerinnen mit
Schweizer
Fahrenden unterwegs. Mit "Jung und jenisch" ist ihnen ein ehrlicher und
aufklärerischer Dokfilm gelungen. Der Weg dazu war allerdings
steinig.
"Es war ein Spiel, ein stetes ‹Händele›, erinnert
sich
Karoline Arn. Die Regisseurin wirft einen Seitenblick auf
Co-Regisseurin Martina Rieder, die nickt zustimmend. Ein Jahr lang
haben die beiden Bernerinnen Schweizer Fahrende auf ihrer Reise
begleitet. Die Kamera hat festgehalten, wie die zwei jenischen Paare
Pascal und Miranda und Jeremy und Franziska leben und arbeiten, wovon
sie träumen und welchen Problemen sie ausgesetzt sind.
Das war gar nicht so leicht, wie es klingt. Denn es gab
einige
Hindernisse zu überwinden. Zum Beispiel sind Pläne für
Jenische absolut nicht verpflichtend. So entschieden sich die
Porträtierten manchmal unverhofft, am nächsten Tag ganz
woanders als geplant hinzuziehen. Es gab Versteckspiele, Rieder und Arn
wussten nicht, wo sich die beiden Paare überhaupt aufhielten, sie
mussten sie in der ganzen Schweiz suchen. "Schliesslich fingen wir an,
es so zu machen wie sie", erzählt Martina Rieder. Man meldete
telefonisch einige Tage vorher einen Besuch an - und nahm bis dahin
keine Anrufe mehr entgegen, damit der Termin nicht wieder abgesagt
werden konnte. Ein Spiel, über das die Beteiligten in guten
Momenten auch immer wieder gemeinsam lachen konnten.
Hierarchie umgangen
Es gab auch andere Schwierigkeiten, zum Beispiel, dass
Fremde auf
Plätzen von Fahrenden nicht gerne gesehen werden - und dass manche
Fahrende schlicht und einfach nicht gefilmt werden wollten. "Ich musste
immer aufpassen, dass ich nichts filmte, was sie nicht wollten",
erklärt Rieder. Kam hinzu, dass sie sich entschieden hatten, junge
Menschen ins Zentrum zu rücken - und dabei eigentlich die
traditionelle Hierarchie der Jenischen umgingen: "Gegen aussen treten
normalerweise nur die älteren Männer", sagt Arn.
Klischees widerlegt
Dank ihrer Hartnäckigkeit und der Unterstützung
von
Daniel Huber, Vater von Jeremy und Präsident der Dachorganisation
der Schweizer Jenischen, kamen sie schliesslich doch ans Ziel. Huber
war von Anfang an begeistert von der Idee des Films, vielleicht nicht
zuletzt weil er die immer gleichen Fragen der Sesshaften satthatte: Wie
lebt ihr? Und wie verdient ihr euer Geld? Darauf gibt "Jung und
jenisch" eine Antwort. Und widerlegt ganz nebenbei Klischees, die
Jenischen anhaften. Zum Beispiel wenn die Kamera festhält, wie
Franziska ihren Wohnwagen ausgiebig putzt.
Arn und Rieder wollen ihren Film in Zukunft auch in
Schulen
zeigen. Denn die schwere Vergangenheit der Jenischen in der Schweiz, wo
während Jahrzehnten Kinder aus ihren Familien gerissen wurden, sei
zwar aufgearbeitet, wie sie heute lebten, sei jedoch nahezu unbekannt.
Marina Bolzli
Berner Filmpremiere "Jung und jenisch": heute Donnerstag
bis
Samstag, jeweils 20.30 Uhr, Kino in der Berner Reitschule. Heute und
morgen in Anwesenheit der Regisseurinnen. Am Samstag mit Lesung von
Willi Wottreng aus seinem neuen Buch "Zigeunerhäuptling".
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Bund 25.11.10
Sounds 2Mex
Der singende Azteken-Krieger
Es gibt weiss Gott viele Maulhelden im Zweige der
amerikanischen
Sprechgesangsmusik. Doch einer hat diesen Titel aufgrund seiner
künstlerischen Rastlosigkeit wahrlich verdient. Der Mann heisst
Alejandro Ocana, ist besser bekannt unter seinem Kampfnamen 2Mex und
seit über 15 Jahren im Rap-Geschäft tätig, und die
Hip-Hop-Chronisten berichten, er habe bis heute über 35
Tonträger veröffentlicht. 2Mex ist ein Maulheld im besten
Sinne des Wortes - er besitzt eine schnelle Zunge, hat viel zu sagen
und ist ein bescheidener freundlicher Mensch geblieben.
Mit Will.i.am in der Highschool
Als er seine Karriere als Rapper und Produzent begann,
schien
alles möglich für den beleibten Mann mit mexikanischem
Stammbaum. Er ging mit einem gewissen Will.i.am zur Highschool, der
kurz darauf mit den Black Eyed Peas durchstartete, ein anderer
Schulkollege namens Ahmad landete mit 16 Jahren einen amerikaweiten
Rap-Hit. Auch 2Mex träumte von solchen Grosserfolgen, die ihm
jedoch trotz einer beachtlichen Karriere bis heute versagt geblieben
sind. Vor allem seine Beiträge in der multiethnischen Band
Visionaries ab Mitte der Neunzigerjahre bescherten ihm grosses Ansehen
im Hip-Hop-Underground. Mitte der Nullerjahre wurde er öfter im
Zusammenhang der so genannten Aztec-Warriors-Bewegung erwähnt,
kreative mexikanische Secondos, die an die Brown-Pride-Bewegung der
Mestizo-Latinos in den Sechzigerjahren anknüpften.
Angriffige Poppigkeit
Für sein neuestes Werk hat sich 2Mex für einmal
ganze
zwei Jahre Zeit gelassen, und obwohl es auf den rabiaten Namen "My
Fanbase Will Destroy You" getauft wurde, ist es eines der
zugänglichsten Alben seiner Karriere geworden. Der dereinst
temporär aufkeimende Zorn ist einer mal souligen, mal etwas
angriffigeren Poppigkeit gewichen. Vor allem seine Kooperation mit dem
Mars-Volta-Keyboarder Ikey Owens ist lobend herauszustreichen, mit dem
er unter dem Bandnamen Look Diggers ganz nebenbei das Sub-Genre des
Fusion-Hip-Hop erfunden hat.(ane)
Reitschule RössliSonntag, 28. November, 20 Uhr.
Support:
Pickster One (USA).
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WoZ 25.11.10
Sa, 27. November
Das Tanzspektakel Tabou ist eine Performance, die die
Ängste, die Scham, die Verletzungen der Frauen durch Gewalt, aber
auch ihre Ressourcen zur Heilung und Bewältigung thematisiert.
Bern Frauenraum der Reitschule, 20 Uhr.
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SQUAT BE
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Bund 26.11.10
Hausbesetzer fordern Migros zu Gesprächen auf
Das anonyme Besetzerkollektiv, das seit einer Woche
illegal in
dem leer stehenden Haus an der Moserstrasse 33 im Breitenrainquartier
wohnt, fordert die Migros als Besitzerin der Liegenschaft zu
Verhandlungen über eine Zwischennutzung auf. "Wir sind bereit,
Kompromisse einzugehen und über Bedingungen zu diskutieren",
schrieben sie gestern in einem Communiqué. Die
Räumlichkeiten des Hauses seien "im besten Zustand", die
Infrastruktur sei "tipptopp". Demgegenüber sagt die Migros, das
Haus verfüge weder über Wasser noch über Gas und eine
Zwischennutzung sei auch aus Haftungsgründen nicht möglich.
Die Migros werde sich erst dann mit den Besetzern an einen Tisch
setzen, wenn diese aus der Anonymität getreten seien und das Haus
geräumt hätten ("Bund" vom Mittwoch).(pmg)
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BZ/Thuner Tagblatt 26.11.10
Migros stellt Ultimatum an die Hausbesetzer
Breitenrain. Gestern Morgen erhielten die 15 Besetzer des
Hauses
an der Moserstrasse 33 Besuch aus der Migros-Chefetage. Laut einem der
Besetzer hat sich Anton Gäumann, Leiter Direktion Fachmarkt und
Einkaufscenter, zu ihnen begeben. "Er war ganz nett und ist okay",
sagte ein Besetzer, der sich Stifu Moser nennt, am Telefon.
Die Nachricht, welche Gäumann dem Kollektiv
Moserstrasse
überbrachte, war ein Ultimatum: "Bis am Montag um 18 Uhr
können die Leute unsere Liegenschaft verlassen und den
rechtswidrigen Zustand aufheben, ohne rechtliche Folgen zu
befürchten", sagte Migros-Aare-Sprecher Thomas Bornhauser.
Ob das 15-köpfige Kollektiv das Haus freiwillig
räumt,
ist laut Stifu Moser unklar. "Eigentlich will die Familie Moser ja bis
zum Abriss dort wohnen", sagte er.
tob
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RABE-INFO
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Fr. 26. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_26._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_26._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2026.%20November%202010
- Das Italienische unter Druck: Schlechte Noten für die
vielsprachige Schweiz
- Sodis: Einfache Wasserentkeimung mit Hilfe der Sonne zum
Schutz vor
Cholera
- UNO-Milleniumsentwicklungsziele: Verpflichtung für die
humanitäre Schweiz
Links:
http://www.sodis.ch/index
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Do. 25. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_25._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_25._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2025.%20November%202010
- Frauenklinik Bern: Hilfe für Opfer von sexueller Gewalt
- Schlechte Arbeitsbedingungen: AssistenzärzteInnen fordern
Einhaltung der Gesetze
- Staat und Kirche: Untersuchung der Finanzflüsse in der
Schweiz
Links:
http://frauenheilkunde.insel.ch/14588.html
http://www.wir-bleiben-dran.ch
http://www.snf.ch/d/medien/medienmitteilungen/seiten/2010.aspx
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AJZ BIEL
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Bund 26.10.10
"Grosszügiger Freiraum" in der Bieler Innenstadt
Bieler Exekutive plant einen Platz, Wohn- und Gewerberaum
und
einParkhaus.
Die Bieler Stadtregierung treibt ihr ambitioniertes
Überbauungsprojekt "Esplanade" in der Innenstadt voran. Die erste
Etappe wird jetzt dem Parlament vorgelegt. Auch das Volk soll im
kommenden Mai mitreden. Die Neugestaltung des Quartiers rund um das
Kongresshaus gibt seit Jahrzehnten zu reden. Schon bei seinem
Amtsantritt 1990 sei er mit der Planung für das Gaswerkareal
konfrontiert worden, sagte der scheidende Stadtpräsident Hans
Stöckli gestern vor den Medien. Jetzt soll das ganze Gelände
endlich ein neues Gesicht erhalten. Nur das Autonome Jugendzentrum
(AJZ) im Gaskessel darf bestehen bleiben. Für 2,8 Millionen
Franken soll es sogar renoviert und erweitert werden, weil die
Jugendszene im Gegenzug die Villa Fantaisie verlassen muss.
Neu entstehen sollen im Herzen Biels ein grosser
öffentlicher Platz, Wohn- und Gewerberaum sowie ein unterirdisches
Parkhaus für 500 Autos. Geplant ist auch ein neues, zentrales
Verwaltungsgebäude - ob es tatsächlich gebaut wird, ist aber
offen. Dieses Projekt wurde der zweiten Etappe zugewiesen, der
Entscheid soll 2012 fallen.
Zuerst aufräumen
In einem ersten Schritt muss das Gebiet von Altlasten
befreit
werden. Die Entsorgung kostet 8 Millionen Franken. So viel Geld ist in
etwa durch den Verkauf des Grundstücks auf der Nordseite des
Gaswerkareals zu erwarten. Die Alpine Finanz Immobilien AG kann dort zu
einem späteren Zeitpunkt Wohn- und Gewerberaum schaffen.
Beide Geschäfte - Entsorgung und Landverkauf -
sollten
voraussichtlich im kommenden Mai dem Volk vorgelegt werden. Die
Stimmberechtigten sollen dannzumal auch 15,2 Millionen Franken für
die Oberflächengestaltung freigeben. Der Gemeinderat verspricht
für das Geld einen "grosszügigen Freiraum" zum Spazieren,
Verweilen und Spielen. Dazu müssen allerdings erst einmal die
Autos unter die Oberfläche verbannt werden, wie Baudirektor Hubert
Klopfenstein sagte. Der Stadtrat soll deshalb grünes Licht
für ein unterirdisches Parkhaus geben. Die Baukosten belaufen sich
auf 28 Millionen Franken. Als Bauherrin ist die Parking Biel AG
vorgesehen.
"Einmalige Chance"
Die Neugestaltung des ehemaligen Gaswerkareals biete eine
einmalige städtebauliche Chance, betont die Stadt in ihrem
Botschaftsentwurf ans Volk. Ein neues innerstädtisches Quartier
könne im Umfeld von Kongresshaus und Neumarktstrasse entstehen -
ein Ort zum Wohnen und Leben, Arbeiten und Einkaufen. (sda)
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20 Minuten 26.10.10
Bieler planen neues Quartier
BIEL. Ein neuer, öffentlicher Platz zum Spazieren,
Verweilen
und Spielen, Wohn- und Gewerberäume sowie ein Parkhaus für
500 Autos: Die Stadt Biel plant auf dem Gaswerkareal den Bau eines
ganzen Quartiers. Über das Millionen-Projekt soll das Bieler
Stimmvolk nächsten Mai befinden können. Ein Gebäude auf
dem Areal darf allerdings bleiben: das autonome Jugendzentrum im
Gaskessel. Es soll für 2,8 Millionen Franken renoviert und
erweitert werden.
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ANTI-SVP
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Landbote 27.11.10
splitter & späne
Als Journalist ist man es sich gewohnt, dass Politiker
nicht
zufrieden damit sind, wie man über etwas berichtet. Die SVP geht
nun aber mit ihrer Kritik noch einen Schritt weiter: Sie beanstandet
bei der Ombudsstelle des Schweizer Fernsehens, dass weder die
"Tageschau" noch "10 vor 10" über eine Mitteilung der Partei
berichtet hat. Manipulation durch Unterlassung sei das. In der
fraglichen Mitteilung zeigt sich die Partei empört darüber,
dass ihr Büro in Lausanne vorübergehend von linken Chaoten
besetzt wurde. Wie wichtig diese Mitteilung war, hätten die
Kollegen beim Fernsehen aber auch wirklich merken müssen. Immerhin
war sie mit "Demokratie in Gefahr" überschrieben.
Um Missverständnisse vorzubeugen: Natürlich geht
es
nicht an, wenn Parteibüros besetzt werden. Und dass der SVP in der
ganzen Waadt niemand eine Halle für die Delegiertenversammlung vom
kommenden Samstag vermieten will, spricht auch nicht gerade für
den Kanton. Nun tagt die Partei unter freiem Himmel. Immerhin: Das
grosse Schlottern wird sicher die nötige mediale Aufmerksamkeit
bringen.
Die SVP tagt übrigens nicht zum ersten Mal unter
freiem
Himmel. Bisher geschah dies allerdings im Sommer und ganz freiwillig.
Die Partei nannte es SVP-Landsgemeinde. Ironie der Geschichte: Als die
SVP vor 13 Jahren ein solches Partei-Open-Air abhielt, setzte sich ihre
Ausserrhoder Sektion zur gleichen Zeit gerade erfolgreich für die
Abschaffung der Landsgemeinde in ihrem Kanton ein.
MICHAEL BRUNNER
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Bund 27.11.10
Farbanschlag auf Haus von Peter Bernasconi
Stadt Bern - In der Nacht auf Donnerstag haben Unbekannte
mehrere
Farbbeutel auf das Haus des Stadtberner SVP-Präsidenten Peter
Bernasconi geworfen. Bernasconi, der den Sachschaden auf 10 000 bis 13
000 Franken schätzt, hat Anzeige gegen unbekannt erstattet.
Er bestätigte damit einen Artikel in der "Berner
Zeitung"
von gestern. Bernasconi sagte, der Farbanschlag könnte mit seinem
Engagement für das umstrittene Migros-Provisorium auf dem
Kasernenareal im Stadtberner Quartier Breitenrain zusammenhängen.
Die Farbbeutel hätten einen grossen Schaden
angerichtet,
führte der Präsident der SVP Stadt Bern und der SVP
Bern-Mittelland aus. Nicht nur die Fassade wurde in Mitleidenschaft
gezogen, sondern auch der Zaun und der Bodenbelag. Über ein
Fenster drang Farbe auch ins Innere des Hauses.(sda)
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Telebärn 26.11.10
Farbattacke auf Haus von SVP-Chef
http://www.kyte.tv/ch/telebaern/farbattacke-auf-haus-von-svpchef/c=84713&s=1093785
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Indymedia 26.11.10
Communique zur Fassadenverschönerung am Svp
Hauptgebäude
AutorIn : das tapfere Schneiderlein
In der Nacht auf den 25.11. wurde dem SVP-Sekretariat der Stadt
Bern
und somit gleichzeitig dem Wohnsitz von Grossrat Peter Bernasconi neue
Farbe verpasst.
In der Nacht auf den 25.11. wurde dem SVP-Sekretariat der Stadt
Bern
und gleichzeitig Wohnsitz von Grossrat Peter Bernasconi neue Farbe
verpasst. Damit soll auf die rechtspopulistische SVP, sowie auf die
Ohnmacht, Wut und Ablehnung gegenüber der kommenden
Ausschaffungsinitiative einer rechtspopulistischen und rassistischen
Partei aufmerksam gemacht werden.
Den AktivistInnen ist bewusst, dass diese Aktion weder etwas
verändert noch die SVP von ihrem Weg abbringt, allerdings sehen
wir dies als einen Schritt, unseren Unmut und unsere Ablehnung gegen
die hasserfüllte und menschenverachtende Politik kundzutun.
Wir laden alle dazu ein, es uns gleichzutun.
das tapfere Schneiderlein
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Weltwoche 25.11.10
Meinungsfreiheit
Links, zwei, drei, vier
Von Andreas Kunz
In Basel, Zürich und Lausanne kommt es fast
täglich zu
linksextremen "Aktionen". Die rot-grünen Stadtregierungen
verharmlosen diese oder schweigen.
In Basel waren am Montagmorgen die Töfflis der
Zeitungsverträger mit fremden Schlössern angekettet, so dass
die Basler Zeitung (BaZ) nicht ausgeliefert werden konnte. Am Abend
hätte BaZ-Mehrheitsaktionär Tito Tettamanti auf Einladung der
Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft (SVG) eine Rede halten
sollen. Nach einer angekündigten Protestkundgebung von "Basels
starker Alternative" ("Basta!"), zu deren Gründungsmitgliedern die
SP-Ständerätin Anita Fetz und der Soziologe Ueli Mäder
gehörten, sagte die SVG den Anlass ab. Tettamanti reagierte
überrascht: "Eine neue Erfahrung für mich: Redeverbot."
Weniger überrascht reagierte der Basler
Regierungspräsident Guy Morin (Grüne). Er "bedaure" zwar die
Absage, liess er seine Sprecherin auf Anfrage knapp ausrichten. Seine
"Sorge um Basel", die er in der NZZ am Sonntag verkündete, gilt
aber weiterhin nur der neuen BaZ-Führungsriege um Tettamanti.
Narrenfreiheit geniessen Linksextreme auch in anderen
links
regierten Städten. In Zürich wurde am Samstag der Eingang des
SVP- Sekretariats mit Backsteinen zugemauert. Für den kommenden
Abstimmungssonntag sind weitere Störaktionen und unbewilligte
Demonstrationen geplant. Über das Internet wird dazu aufgerufen,
die Ausschaffungsinitiative zu "sabotieren", zu "stören, wo es
geht", und den Befürwortern "ins Schienbein zu treten", um "eine
eigene, revolutionäre Perspektive zu erkämpfen". Eine grosse
Gegenwehr der Polizei müssen die Extremisten nicht
befürchten. Schon nach der Abstimmung über das Minarettverbot
im letzten Jahr konnten sie ungehindert das SVP-Sekretariat
verwüsten.
Hilfe vom Gaddafi-Anwalt
In der linken Hochburg Lausanne können die
Extremisten sogar
auf die tatkräftige Unterstützung der Behörden
zählen. Nachdem die SVP für den 4. Dezember das Palais de
Beaulieu für einen Sonderparteitag gemietet hatte, entzog ihr die
Lausanner Gewerbepolizei die Bewilligung. Die Gewerkschaft Unia, die am
gleichen Tag in einem anderen Raum des Gebäudes ebenfalls eine
Versammlung abhalten wollte, hatte sich gegen den SVP-Anlass gewehrt.
Unia-Anwalt Charles Poncet, bekannt geworden als Advokat von Libyens
Diktator Gaddafi, hatte erfolgreich gedroht, dass es in der Woche nach
der Abstimmung zur Ausschaffungsinitiative zu "Reibereien" kommen
könnte, wenn sich die Gewerkschafter im gleichen Haus wie die SVP
aufhielten würden.
Die SVP musste in die Universität Lausanne (Unil)
ausweichen
und wollte ihren Parteitag nun im gleichen Saal abhalten, in dem die SP
kürzlich ihr Programm zur "Überwindung des Kapitalismus"
beschlossen hatte. Bald aber tauchten Flugblätter auf, die dazu
aufforderten, Fenster einzuschlagen, Räumlichkeiten zu
verwüsten und Autoreifen zu zerstechen. Studenten und
Assistierende protestierten ebenfalls. Man dürfe "keiner Partei
Raum geben, die mit Lügen politisiert". Die
Universitätsleitung knickte ein. Laut Generalsekretär Marc de
Perrot hat die Uni die Versammlung der SVP nur unter der Bedingung
akzeptiert, dass der Uni-Betrieb nicht gestört werde. Diese Basis
sei mit den Drohungen, die teilweise aus dem eigenen Hause stammten,
nicht mehr gegeben gewesen. Da die SVP in der ganzen Lausanner Umgebung
keinen geeigneten Raum für ihren Parteitag gefunden hat, wird sie
ihn nun unter freiem Himmel halten müssen: auf einer Weide des
SVP-Grossrats Jean-Marc Sordet in der 400-Seelen-Gemeinde Coinsins.
Wie beurteilen die Waadtländer Behörden den
Zustand der
in der Bundesverfassung festgeschriebenen Versammlungs- und
Meinungsäusserungsfreiheit in ihrem Kanton? Auf Anfrage der
Weltwoche verurteilt Sicherheitsdirektorin Jacqueline de Quattro (FDP)
die "schlimmen und inakzeptablen Störmanöver gegen die SVP"
und garantiert die Sicherheit für "sämtliche politischen
Veranstaltungen" im Kanton. Der Lausanner Polizeidirektor Marc
Vuilleumier (Partei der Arbeit) hingegen lässt ausrichten, dass er
"keine Analyse der Vorfälle vornehmen kann, bevor sie nicht im
Stadtrat besprochen werden". Gegenüber dem Lokalblatt 24 heures
hatte Vuilleumier die Drohungen noch als "Teil der
Stigmatisierungs-Politik der SVP" abgetan.
Es verwundert nicht, dass sich die Linksextremisten
geradezu
aufgefordert fühlten, einige Tage nach den Aussagen des
Polizeidirektors die SVP-Geschäftsstelle in Lausanne zu
stürmen. Etwa zwanzig Chaoten drangen am letzten Donnerstag
gewaltsam in das Gebäude ein, beschimpften die Mitarbeiter, warfen
Unterlagen aus dem Fenster und richteten ein Chaos an. Die
herbeigerufene Polizei konnte sechs Personen festnehmen - wovon sich
zwei offiziell als Journalisten auswiesen.
In den Deutschschweizer Medien war der Angriff auf eine
Geschäftsstelle der grössten Schweizer Partei kaum eine
Randnotiz wert. Die Sendungen "Tagesschau" und "10 vor 10" des
Schweizer Fernsehens berichteten am gleichen Tag lieber minutenlang
über "Energiesparen beim Hausbau" oder ein Popkonzert von Kirsty
Bertarelli. Der Aargauer SVP-Ständerat Maximilian Reimann reichte
daraufhin eine Beschwerde bei der Ombudsstelle ein. "Nicht auszudenken,
wie das Schweizer Fernsehen wohl darüber berichtet hätte,
wenn rechtsextreme Chaoten die Geschäftsstelle einer Linkspartei
gestürmt hätten", schreibt Reimann.
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CLUBLEBEN
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BZ/Berner Oberländer 27.11.10
Afrikaner wurden provoziert
Schlägerei in ThunDie Kapo Bern rekonstruiert im
Schlussbericht ihrer Ermittlungen die brutale Schlägerei im
"Mokka".
Die Polizei hat die Ermittlungen mit dem Schlussbericht
zur
heftigen Auseinandersetzung vom 26. auf den 27. Februar in der
Café-Bar Mokka in Thun abgeschlossen (vgl. gestrige Ausgabe).
Das teilte die Kantonspolizei gestern in einem Communiqué mit.
In besagter Nacht Ende Februar hatten sich mehrere
Personen
verschiedener Nationalitäten eine wüste Schlägerei
geliefert, bei der Mesfen Semer Hagos aus Eritrea, der vor dem Vorfall
in Heimberg lebte, schwere Kopfverletzungen davontrug. Nach
monatelangem Spitalaufenthalt lebt Hagos derzeit in einem Krankenheim
der Region Thun. Nach der Schlägerei musste er Hirnoperationen
über sich ergehen lassen. Zudem musste ein Teil seiner
Schädeldecke entfernt werden. Heute geht es dem Opfer besser: Er
kann wieder gehen und sprechen. An die Schlägerei erinnert sich
Hagos allerdings nicht. Die Polizei teilte gestern mit, dass er bis
heute nicht befragt werden konnte. Im Rahmen der Ermittlungen zur
"Mokka"-Schlägerei hat die Polizei rund 40 Personen - teilweise
mehrmals - befragt. Somit lägen rund 100 Befragungsprotokolle vor.
Zahlreiche Spuren seien ausgewertet und verschiedene Dossiers erstellt
worden.
"Afrikaner tanzten friedlich"
Die Kapo Bern rekonstruiert den Vorfall im Untergeschoss
der
Café-Bar Mokka nach Abschluss der Ermittlungen so: Eine
ausländische Gruppierung provozierte die Gruppe Afrikaner, die
sich auf der Tanzfläche aufhielt - tanzend und in friedlicher
Stimmung. In der Folge kam es zu einer Auseinandersetzung, die von
beiden Seiten teilweise mit grosser Brutalität
geführt wurde: Die Beteiligten setzten Fäuste und Flaschen
ein. Neben Mesfen Semer Hagos erlitten fünf weitere Personen -
jeweils ein Mann aus Eritrea und Äthiopien sowie je eine Person
aus Mazedonien, Kosovo und der Schweiz - Verletzungen.
Vier Männer waren nach der Auseinandersetzung in
Untersuchungshaft genommen worden. Zwei der mutmasslichen Täter
befinden sich im vorzeitigen Strafantritt. Falls keine weiteren
Beweisanträge gestellt werden, soll bis Ende Jahr Antrag auf
Überweisung der Angeschuldigten durch die Staatsanwaltschaft an
das zuständige Gericht gestellt werden.
ddt/pkb
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Bund 27.11.10
Schlägeropfer lebt heute im Heim
Thun - Vor knapp einem Jahr gingen in einem Thuner Lokal
zwei
Ausländergruppen aufeinander los. Ein Mann aus Eritrea wurde
schwer verletzt. Nach Monaten im Spital lebt das Opfer heute in einem
Heim. Die Schlägerei vom 27. Februar 2010 zog umfangreiche
Ermittlungen nach sich, die nun abgeschlossen sind, wie die Berner
Kantonspolizei gestern mitteilte. Rund 40 Personen wurden zum Teil
mehrmals befragt.
Die Ermittler kommen zum Schluss, dass an jenem Abend eine
Gruppe
von Afrikanern im Ausgehlokal Mokka war und friedlich tanzte. Eine
andere Ausländergruppe provozierte die Afrikaner. Die beiden
Gruppen gingen mit Fäusten und Flaschen aufeinander los, "zum Teil
mit grosser Brutalität", wie die Polizei schreibt. Ein Mann aus
Eritrea wurde dabei so schwer verletzt, dass er nun in einem
Krankenheim leben muss. Er konnte bis heute nicht befragt werden. Bei
der Schlägerei wurden fünf weitere Personen verletzt. Vier
Männer wurden in Untersuchungshaft genommen, zwei davon befinden
sich bereits im vorzeitigen Strafantritt.(sda)
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BZ/Berner Oberländer 26.11.10
Opfer geht es besser - der Fall wird bald überwiesen
schlägerei in thunVier Täter, vier Verletzte:
Heute vor
neun Monaten kam es im Mokka in Thun zu einer brutalen Schlägerei.
Mittlerweile geht es dem Hirn verletzten Opfer wieder besser. Der
polizeiliche Ermittlungsbericht ist erstellt, der Untersuchungsrichter
will den Fall Ende Jahr ans Gericht überweisen.
Genau heute vor vier Monaten gab es im Mokka in Thun eine
brutale
Schlägerei. Vier Männer wurden in Untersuchungshaft gestellt.
Drei Personen waren leicht verletzt, ein Mann schwer verletzt. Der
polizeiliche Ermittlungsbericht wurde, wie nach umfassenden Recherchen
in Erfahrung gebracht werden konnte, am 18. November fertig erstellt
und wird diese Tage dem zuständigen Thuner Untersuchungsrichter
Christian Josi weitergeleitet. Dieser ist die Voraussetzung dafür,
dass er die Voruntersuchung für die Tat, die in der Nacht vom 26.
auf den 27. Februar stattfand, abschliessen und an das Gericht
überweisen kann.
Dem schwer verletzten Mesfen Semer Hagos aus Eritrea, der
mit
B-Ausweis in Heimberg gewohnt hat, geht es besser. Trotz seiner
Hirnverletzung macht er jeden Tag Fortschritte und kann wieder gehen
und sprechen.
Von den Angeschuldigten befinden sich zwei im vorzeitigen
Strafvollzug, ein Mann wartet auf den Übertritt von der
Untersuchungshaft zum vorzeitigen Strafantritt und der vierte wurde als
so genannte Ersttäter vorübergehend frei gelassen.
Der Hauptangeschuldigte, der dem 28-Jährigen die
Hirnverletzung zugefügt hat, befindet sich zurzeit in der
Strafanstalt Witzwil. Der Thuner erhielt bereits Hafturlaube und wurde
in Thun gesichtet.
sft Seite 10
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Schwerpunktthema ● Neun Monate nach der
Schlägerei in
thun
Opfer kann wieder gehen und sprechen
Schlägerei im mokka thun Er kann wieder gehen,
sprechen und
macht täglich viele Fortschritte: Das schwer verletzte Opfer der
brutalen Schlägerei in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar,
Mesfen Semer Hagos aus Heimberg, erholt sich langsam. Noch bleibt
trotzdem unklar, welche bleibenden Spuren die Hirnverletzung
hinterlassen wird.
Mesfen Semer Hagos sitzt am hintersten Tisch. Er
beobachtet die
vielen Leute im Kaffee in Thun und lächelt immer wieder seinem
Freund Ibrahim Ahmed Hassan zu, der neben ihm sitzt. "Mesfen, wie
heisst du?", fragt er ihn. Dieser lächelt. "Mesfen, sprich mir
nach: M-e-s-f-e-n", sagt Hassan und macht mit den Händen neben dem
Mund die Bewegung der Aussprache nach. Hagos spricht die Buchstaben
aus, den Namen Mesfen dabei zu hören, ist schwierig.
"Obwohl seine Glieder auf der rechten Körperseite zum
Teil
gelähmt sind, kann er seit ein paar Wochen wieder gehen und hat
angefangen, Worte und Teile von Sätzen nachzusagen", erklärt
der Sudanese Ibrahim Ahmed Hassan, der seinem hirnverletzten Freund
seit der blutigen Schlägerei im Mokka in der Nacht vom 26. auf den
27. Februar zur Seite steht (wir berichteten).
Keine Erinnerungen an die Tat
Im März musste Mesfen Semer Hagos aus Eritrea, der
über
einen B-Ausweis verfügt und vor der Tat in Heimberg gewohnt hat,
nach Hirnoperationen einen Teil der Schädeldecke entfernt werden.
Heute sind die Haare nachgewachsen, sein gesundheitlicher Zustand ist
viel besser. "Auf der Strasse erkennt er meistens die Menschen wieder.
Auch hat er mir sogar den Weg zu seiner einstigen Wohnung gezeigt",
freut sich Hassan. Doch an die Schlägerei habe er keine
Erinnerung, weshalb er bis jetzt auch nicht befragt worden sei.
"Mesfen erinnert sich immer wieder an Dinge und erkennt
seinen
Bruder auf der Foto", sagt Hassan. Dieser lebe im Sudan und habe ein
Gesuch gestellt, damit er sich in der Schweiz um seinen Bruder
kümmern könnte. "Mesfen könnte auch bei einer Tante in
Äthiopien leben."
Rehabilitation in der Klinik
Zurzeit wohnt das hirnverletzte Opfer in einem Heim in der
Region
Thun. "Als er zu uns kam im August, war er für alles auf Hilfe
angewiesen und konnte nur im Rollstuhl fortbewegt werden", erinnert
sich Silvia Mosimann, die Teamleiterin des Wohnbereichs im Heim. Er
habe sich sehr gut erholt vom intensiven Aufenthalt in der
Rehabilitationsklinik in Basel und mache seither jeden Tag enorme
Fortschritte. "Ihm fehlt noch die Muskelkraft, doch seine weitere
Genesung hat noch Potenzial", ist sie überzeugt. Deshalb stehe die
Diskussion für einen erneuten Rehabilitationsaufenthalt in der
Spezialklinik in Basel bevor.
Peter Huber, der Anwalt von Mesfen Semer Hagos, wartet auf
den
Gerichtstermin (vgl. Text unten). "Im Moment setzen wir alles daran",
bestätigte er, "dass das Rehabilitationspotenzial von Herrn Semer
optimal ausgeschöpft werden kann."
Heimberg ist zuständig
Die Gemeinde Heimberg ist im Auftrag des Schweizerischen
Roten
Kreuzes, welches die Kosten von Mesfen Semer Hagos finanziert und diese
via Lastenausgleich dem Kanton weiter verrechnet, für den
anerkannten Flüchtling zuständig. "Wir koordinieren die
finanziellen Aufgaben und sichern die Beistandsschaft", erklärt
Konrad Steiner, Abteilungsleiter der Sozialdienste. "Wir sorgen
dafür", ergänzt Sozialarbeiterin Eva Salathé, "dass
Herr Semer zum Beispiel Taschengeld erhält, für ihn Kleider
gekauft werden können und dass Termine klappen, wie beispielsweise
solche mit der Klinik in Basel."
"Seine positive Entwicklung hat uns alle überrascht",
freut
sie sich, die später sogar eine Anschlusslösung für
möglich hält. "Sobald er ein wenig arbeiten kann, wäre
ein Platz in einer geschützten Werkstatt eine Variante."
"Was für eine sinnlose Tat"
Die Wände im Erdgeschoss der Café-Bar Mokka
sind neu
gestrichen, das Blut längst entfernt. Nichts erinnert mehr an die
brutale Schlägerei. "Der Vorfall ist heute bei uns nur noch selten
ein Thema, wird es aber wieder werden, sobald die Gerichtsverhandlung
beginnt", sagt MC Anliker alias Beat Anliker. Es sei ein
unglücklicher Zufall, dass die Tat in seinem Lokal geschehen sei.
"Die Einbussen und der Umsatzverlust kann ich jedoch weder genau
abschätzen noch beurteilen, in welchem Zusammenhang dies alles
steht."
Alles in allem koste dieser traurige Fall, vom Gericht
über
die Genesungs- und Sozialkosten bis zu den Anwälten, mindestens
1,5 Millionen Franken. "Eine solche Schlägerei", findet Beat
Anliker, "ist in jeder Hinsicht etwas Sinnloses."
Franziska Streun
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Ermittlungen
Bericht ist fertig Während Mesfen Semer Hagos, das
schwer
verletzte Opfer von der blutigen Schlägerei im "Mokka" in Thun,
täglich Fortschritte in seiner Genesung macht (vgl. oben), wurden
die Abklärungen hinter den Kulissen durchgeführt. "Der
polizeiliche Ermittlungsbericht steht kurz vor dem Abschluss", sagte
Heinz Pfeuti, Pressesprecher der Kantonspolizei, auf Anfrage. "Wir
werden dieser Tage mit einer Mitteilung weiter darüber
informieren."
Der zuständige Regierungsrat Hans-Jürg
Käser (FDP)
wollte es genauer wissen und fragte nach: "Laut dem Polizeikommandanten
wurde der Ermittlungsbericht am 18. November beendet und wird nun
fertig erstellt."
Laut den Recherchen hat sich allerdings das Erstellen des
Berichtes über mehrere Wochen hinweg verzögert.
Begründet wurde dies gemäss Korrespondenzen unter anderem mit
dem tragischen Bootsunfall auf dem Bielersee, dem Fall Kneubühl
und Entführungen in Interlaken. Doch auf die Frage, ob diese
Verzögerungen vertretbar seien, ging die Kantonspolizei nicht ein.
Brisant ist: Der angeschuldigte Haupttäter, der sich
in der
Strafanstalt in Witzwil im vorzeitigen Strafvollzug befindet und einem
der Opfer eine Hirnverletzung zugefügt hatte, wurde in Thun
bereits im Hafturlaub gesehen. Das heisst, dass sich Täter und
Opfer theoretisch in der Stadt hätten begegnen können. fs
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Die Polizei hat die Ermittlungen beendet
Wann kommen die täter vor gericht?Die vier Täter
der
brutalen Schlägerei warten wie die vier Opfer auf die
Gerichtsverhandlung. Nach neusten Auskünften ist der polizeiliche
Ermittlungsbericht soeben abgeschlossen worden und wird nächstens
an den zuständigen Untersuchungsrichter Christoph Josi in Thun
überwiesen. Brisant ist: Der angeschuldigte Haupttäter, der
sich in der Strafanstalt in Witzwil im vorzeitigen Strafvollzug
befindet und einem der Opfer eine Hirnverletzung zugefügt hatte,
wurde in Thun bereits im Hafturlaub gesehen. Das heisst: Täter und
Opfer hätten sich begegnen können.
Während Mesfen Semer Hagos, das schwer verletzte
Opfer von
der blutigen Schlägerei im Mokka in Thun, täglich
Fortschritte in seiner Genesung macht (vgl. oben), wurden die
Abklärungen hinter den Kulissen durchgeführt. "Der
polizeiliche Ermittlungsbericht steht kurz vor dem Abschluss", sagte
Heinz Pfeuti, Pressesprecher der Kantonspolizei, auf Anfrage. "Wir
werden dieser Tage mit einer Mitteilung weiter darüber
informieren." Der zuständige Regierungsrat Hans-Jürg
Käser (FDP) wollte es genauer wissen und fragte nach: "Laut dem
Polizeikommandanten wurde der Ermittlungsbericht am 18. November
beendet und wird nun fertig erstellt."
Verzögert, da überlastet?
Laut den Recherchen hat sich allerdings das Erstellen des
Berichtes über mehrere Wochen hinweg verzögert.
Begründet wurde dies gemäss Korrespondenzen unter anderem mit
dem tragischen Bootsunfall auf dem Bielersee, dem Fall Kneubühl
und Entführungen in Interlaken. Doch auf die Frage, ob diese
Verzögerung vertretbar sei, ging die Kantonspolizei nicht ein.
Mit dem Vorliegen des Berichtes wird der Ball wieder beim
zuständigen Untersuchungsrichter Christian Josi in Thun liegen.
Bis Ende Jahr abgeschlossen?
"Falls keine weiteren Beweisanträge gestellt werden,
kann
der Fall bis Ende Jahr abgeschlossen werden", erklärt Josi, der in
Thun als Stadtrat kandidiert. So, dass die Anklageschrift dem
Staatsanwalt zwecks Zustimmung überwiesen werden könne.
Danach wird der Termin für die Gerichtsverhandlung in Thun
festgesetzt. Wann dies sein könne, sei offen. "Da der Aktenumfang
gross ist, muss mit einer entsprechenden Vorbereitungszeit gerechnet
werden", schätzt Christian Josi.
In Witzwil und in Thorberg
Gemäss den Recherchen sowie den
Telefongesprächen mit
den Anwälten der Angeschuldigten* befinden sich zwei der vier
Verhafteten nicht mehr in Untersuchungshaft, sondern im vorzeitigen
Strafantritt: Der Hauptangeschuldigte B. D. (Mazedonien) weilt in der
Strafanstalt Witzwil und D. T. (Serbien) in der Strafanstalt Thorberg
in Krauchthal. Bei D. V. (Schweiz) hat sich der Tatverdacht als falsch
erwiesen. Er hielt sich zwar laut Recherchen im "Mokka" auf, war jedoch
nicht involviert. Wegen anderer Vorwürfe betreffend
Schlägereien zusammen mit den Inhaftierten wurde er trotzdem in
Untersuchungshaft in Thun belassen. Zwar wurde auch ihm der vorzeitige
Strafantritt bewilligt, doch er wartet noch auf einen Platz in einer
Anstalt. G. A. (Serbien) hingegen ist nicht mehr in Haft. Er wurde als
sogenannter Ersttäter vorübergehend frei gelassen.
Wer einen Antrag auf vorzeitigen Strafantritt stellt,
bekennt
sich im Grundsatz im Sinne der Anklage für schuldig. In einem
offenen Vollzug kann ein Hafturlaub beantragt wer-den - so geschehen
bei B. D. Der laut Recherchen mehrfach wegen Schlägereien
vorbestrafte Mazedonier, der dem Eriträer die Hirnverletzung
zugefügt hat (wir haben berichtet), wurde in Thun gesehen. Die
beiden hätten sich auf offener Strasse begegnen können.
Haupttäter in Urlaub in Thun
"Bei einer vorzeitigen Einweisung in den Strafvollzug wird
die
Urlaubskompetenz delegiert", erklärt Christian Margot, Leiter der
Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern. Dies seien im
Fall von B. D. der Untersuchungsrichter und die Verantwortlichen der
Strafanstalt in Witzwil. "Ob und wie lange ein Hafturlaub bewilligt
werden kann, wird anhand von internen Richtlinien entschieden." In der
Regel handle es sich dabei in den Anfängen um einige Stunden und
nicht um Tage.
"Ich wurde von den Zuständigen in Witzwil angefragt,
ob
Einwände gegen einen sporadischen Hafturlaub bestehen, was ich
verneint habe", präzisiert Christian Josi. Den Untersuchungszweck,
den Vorfall zu klären und sicherzustellen, dass der Angeschuldigte
für die Gerichtsverhandlung anwesend ist, sehe er damit nicht
gefährdet. "Da sich das Opfer in der Rehabilitation befindet",
ergänzte er, "war damals davon auszugehen, dass es nicht zu einer
Begegnung kommen kann."
Arbeitgeber ist enttäuscht
Einer, der B. D. bestens kennt, wartet ebenfalls auf die
Gerichtsverhandlung: "Ich habe ihm viele Chancen gegeben und bin
enttäuscht", gesteht Carlo Kilchherr, sein ehemaliger Arbeitgeber
(Kilchherr Malerei und Gipserei AG) und Thuner SVP-Grossrat und
Gemeinderatskandidat.
"Herr D. wird nicht mehr bei uns arbeiten können
beziehungsweise höchstens noch, wenn er als unschuldig
erklärt und frei gelassen würde."
Franziska Streun
* Die Namen sind der Redaktion bekannt.
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SQUAT FR
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Indymedia 26.11.10
Schnee-Sauvage in Fribourg - Freiraum jetzt!
AutorIn : manta
Gestern Abend feierten wir eine Sauvage auf dem Place Python in
Fribourg. Für Konzert, Feuer, Pizza, Suppe, Glühwein und
Spiele war gesorgt. Der Schnee gab dem ganzen einen surrealen Anstrich.
Wir haben auch dort gepennt...
Wer Bilder hat, bitte Upload.
Es folgt das neue Communiqué:
Liebe Repression, wir lassen uns den Humor und die Feierlaune
nicht
nehmen
Mit der Fake-Wieder-Besetzung des !immer noch! leerstehenden
Hauses an
der Rue de l'industrie 24 haben wir den selben Humor angewandt wie du,
Liebe Repression, als du mit einem Lächeln im Gesicht in unsere
Häuser eingebrochen bist und uns liebevoll die Tür gezeigt
hast.
Wir haben uns gut amüsiert als wir deinen Handlangern, den
Polizisten, unseren Freunden und Helfern, aus angenehmer Distanz beim
Fotografieren und Planen der Räumung des falschen Squats zuschauen
durften. Auch die Zivilpolizisten, die in ihren engen Joggingkleidern
in der Kälte patrouillierten, waren einfach nur süss. Es war
so leicht wieder in das verbarrikadierte und zugemauerte Haus zu
gelangen. Danke für die witzigen Barrikaden!
://netter-hausbesetzer-aus
Wir verstecken uns nicht hinter den heuchlerischen Normen dieser
Gesellschaft. Das keimfreie Grinsen der Polizeisprecher und Politiker
überzeugt uns ganz und gar nicht. Sie haben uns nichts zu sagen:
Wir können an einem Tag einen falschen Squat eröffnen und am
nächsten Tag drei echte. Wir können auch die Strasse, die
Präfektur und die Kathedrale besetzen. Es geht uns um die konkrete
Wiederaneignung enteigneter Räume und Lebensmöglichkeiten,
jetzt!
Wir feiern an diesen Donnerstag (25. November) auf dem Place
Python
eine Sauvage.
Wir haben keinen Platz mehr für unsere Konzerte und Raves?
Machen
wir sie auf der Strasse!
Wir haben keinen Platz für unsere Voküs, unsere
Bibliothek,
unseren Gratisladen und unsere Druckerei? Machen wir unser Zeug auf der
Strasse!
Wir können nirgends mehr pennen? Gehen wir auf die Strasse!
Sie haben uns auf die Strasse gesetzt. Wir sind auf der Strasse.
Wir
nehmen uns die Strasse zurück.
Kollektiv Raie Manta
raiemanta@riseup.net
http://manta.ch.gg
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Freiburger Nachrichten 26.11.10
Hausbesetzung war bloss ein grosser Witz
Mit einem "wilden" Apero feierte das Kollektiv Raié
Manta
gestern Abend auf dem Python-Platz die vorgetäuschte Besetzung der
Industriegasse 24.
Pascal Jäggi
Freiburg Wenn draussen Raie Manta steht, müssen noch
keine
Besetzer drin sein. Die angekündigte zweiwöchige
Wieder-Besetzung des Hauses an der Industriegasse 24 hat sich als Witz
entpuppt. Wie das Kollektiv mitteilte, sollte gezeigt werden, dass die
Besetzer jederzeit wieder in ein Haus eindringen könnten. Zwar
haben sie draussen Transparente aufgehängt, doch hatten sie nie
vor, wie angekündigt zwei Wochen in dem baufälligen
Gebäude zu verbringen, erklärte ein Aktivist gegenüber
den FN.
Zur Feier des Scherzes hat das Kollektiv gestern Abend den
Pavillon auf dem Pythonplatz "besetzt". Rund 30 Sympathisanten trafen
sich zur Unterstützung der Besetzer. Die Kantonspolizei erschien
mehrmals, die Diskussionen verliefen aber einvernehmlich. Kurz vor 20
Uhr trat eine Zweimann-Band auf, zum Aufwärmen wurde Holz
verfeuert, die Sympathisanten tranken Bier. Mit Plakaten und Flyern
machten die Aktivisten auf ihr Anliegen aufmerksam. Matratzen lagen
bereit, um die Nacht vor Ort zu verbringen.
Alles kann besetzt werden
Ziel der Veranstaltung: "Wir haben keinen Platz für
unsere
Konzerte oder unseren Gratisladen? Dann gehen wir eben auf die
Strasse", heisst es im Communiqué von Raie Manta. Im Weiteren
freut es sich diebisch über Polizisten, die das leere Haus
überwacht haben sollen, und den leichten Weg zurück ins Haus,
trotz zugemauerten Eingängen. Die Besetzer wollen nicht aufgeben.
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La Liberté 26.11.10
Fribourg
Les squatters s'amusent bien
Marc-Roland Zoellig
Vendredi dernier, le collectif Raie Manta avait
revendiqué, communiqué et banderoles à l'appui, la
réoccupation du numéro 24 de la rue de l'Industrie. Afin,
disaient-ils, d'obliger le préfet de la Sarine Carl-Alex
Ridoré à entamer le dialogue. Une grosse rigolade: en
réalité, les petits plaisantins se sont contentés
de pénétrer dans le bâtiment condamné en
empruntant un passage secret, ont accroché quelques banderoles
aux balcons, puis sont retournés dans leurs appartements.
D'où le morne sentiment de vide qui se
dégageait de
ce pseudo-squat ("LL" de samedi). "Nous avons bien rigolé en
voyant la police venir prendre des photos et des agents en civil monter
la garde durant de longues heures devant ce faux squat", se marrent les
squatters fantômes dans un flyer distribué hier soir lors
d'un apéro sauvage - et en musique - à la place Python.
Le préfet Carl-Alex Ridoré a-t-il lui aussi
rigolé en apprenant la supercherie? Mercredi, il
s'étonnait en tout cas du ton revendicateur employé par
les membres du collectif Raie Manta. Qu'il affirme avoir invités
à exprimer leurs revendications bien avant leur dernière
action.
"Le 12 novembre, j'ai écrit une lettre à
plusieurs
membres du collectif (dont la plupart ont des adresses à
Fribourg ou ailleurs, ndlr) pour leur dire ce que je leur avais
déjà expliqué la veille, sur le pas de porte de la
préfecture", expose le préfet. A savoir qu'il
était prêt à les écouter présenter
leurs projets culturels. "Il est vrai que j'avais alors refusé
qu'ils entrent tous à l'intérieur des locaux de la
préfecture, afin de garantir la sécurité du
personnel. Mais ils n'avaient pas souhaité envoyer une
délégation."
Dans sa lettre du 12 novembre, le préfet leur a
expliqué qu'il accepterait néanmoins de rencontrer
l'ensemble du collectif en dehors des heures de bureau. Depuis, c'est
silence radio, affirme Carl-Alex Ridoré. Qui rappelle qu'il
avait déjà adressé au collectif, le 14 octobre,
une missive dans laquelle il affirmait "être à
disposition" pour discuter de projets culturels. "Dans les limites de
mes attributions, c'est bien volontiers que je vous informerai et vous
orienterai sur les opportunités existantes de concrétiser
de tels projets et sur les démarches à entreprendre pour
y parvenir", peut-on lire dans ce courrier adressé en
recommandé. "Je suis conscient du problème de manque de
locaux pour les artistes", affirme Carl-Alex Ridoré. "Je ne l'ai
pas découvert avec ces occupations de maisons. Mais il y a un
ordre légal à respecter", rappelle-t-il.
Le préfet parle-t-il un langage trop
alambiqué pour
Raie Manta? Le dialogue de sourds semble en tout cas se poursuivre.
"Tout le monde n'a pas reçu sa lettre", explique un membre du
collectif. "Et nous ne lui avons effectivement pas encore
répondu." I
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SEMPACH
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20 Minuten 25.11.10
Schlachtfeier: Neues Konzept
SEMPACH. Der Kanton Luzern will mit einem neuen Konzept
Extremisten von der Sempacher Schlachtfeier fernhalten. So wird auf den
Umzug vom Städtchen aufs Schlachtfeld verzichtet, der jeweils von
extremen Gruppierungen genutzt wurde. Zudem wird die Feier statt wie
bisher am letzten Juni-Samstag neu am ersten Sonntag im Juli
stattfinden. Dies verhindert eine Terminkollision mit dem Altstadtfest.
Ebenfalls geplant sind ein Forum zur Geschichte und ein
Mittelalterfest. Der Kanton will sich damit laut einer Mitteilung
lebendig, traditionsreich und zukunftsorientiert präsentieren.
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SEXWORK
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Landbote 27.11.10
"Schweizer Freier benutzen keine Boxen"
Sabine Arnold
Als Lösung für die Probleme im Sexgewerbe
schlagen
Fachfrauen Aufenthaltserlaubnisse für alle Prostituierten oder
einen überwachten Strassenstrich vor.
ZÜRICH - Das Problem ist vor allem der Strassenstrich
am
Zürcher Sihlquai. Darüber waren sich die vier Fachfrauen, die
am Donnerstagabend im Theater Stadelhofen diskutierten, ziemlich einig.
Die Prostituierten, die auf der Strasse ihre Dienste anbieten, seien
schlechter geschützt als Prostituierte in Clubs. Der
Strassenstrich belaste zudem das Quartier.
Organisiert wurde das Podium von Teilnehmerinnen des
Mentoringprogramms der Zürcher Frauenzentrale.
SVP-Nationalrätin Sylvia Flückiger sagte: "Die Situation ist
dort eskaliert." Grund sei die Personenfreizügigkeit, die es
Frauen aus Europa ermögliche, in der Schweiz legal als
Prostituierte zu arbeiten. Die schlechte Erfahrung, die Zürich
mache, wollte die Aargauerin in anderen Kantonen verhindern, deshalb
forderte sie den Bundesrat in einem Postulat zum Handeln auf.
Staatsanwältin und CVP-Kantonsrätin Silvia Steiner gab zu
bedenken, dass man am Sihlquai "bei Weitem nicht nur Zürcher
Nummernschilder" sehe. Deshalb sei es nicht nur ein Stadtzürcher
Problem. Sie sehe Parallelen zur ehemaligen Drogenszene am Platzspitz
und am Letten und spreche deshalb von einer "offenen
Prostitutionsszene". Rebecca Angelini von der Fachstelle Frauenhandel
und Frauenmigration meinte, dass der Schluss "Mehr
Osteuropäerinnen, mehr Probleme" zu einfach sei.
Wohin mit Strassenstrich?
"NZZ"-Redaktorin Brigitte Hürlimann befasste sich in
ihrer
Dissertation mit dem Thema Prostitution. Das Bundesgericht habe bereits
1975 befunden, dass die Wirtschaftsfreiheit auch für Prostituierte
gelte und der Strassenstrich deshalb legal sein müsse. Angelini
warnte davor, diesen "in die Industrie abzuschieben". Es komme nur ein
Ort dafür in Frage, an dem die soziale Kontrolle
gewährleistet sei. Flückiger erwähnte Olten als
Beispiel, wo der Strassenstrich auf gut überschaubare 500 Meter
beschränkt wurde.
Als Lösung wurden auch die sogenannten
"Verrichtungsboxen"
diskutiert, die bereits in mehreren deutschen Städten zur
Anwendung kommen. Angelini begrüsste zwar die
Sicherheitsvorkehrungen für die Sexarbeiterinnen, zum Beispiel den
Alarmknopf. Eine Massnahme gegen Ausbeutung seien sie jedoch nicht.
Steiner sagte: "Schweizer Freier benutzen keine Boxen. Sie suchen die
Anonymität und die Schnelligkeit."
Hürlimann fragte, weshalb eine Prostituierte ihre
Dienste
nicht in ihrer eigenen Wohnung anbieten dürfe. "Das würde
niemanden stören und wäre sicherer als auf der Strasse."
Frauen, die sich eine Wohnung leisten können, seien meist
unproblematisch, sagte Steiner. Angelini plädierte dafür,
auch für Frauen aus Nicht-EU-Ländern die Prostitution zu
legalisieren. Dem widersprach Steiner: "Unser Bestreben muss sein, dass
so wenige Frauen wie möglich kommen." (sa)
---
St. Galler Tagblatt 26.11.10
Gesetz gegen illegale Prostitution
Als erster Kanton will das Tessin die Strafbarkeit
für
Kunden von illegalen Sexarbeiterinnen einführen. Wichtiger noch
als die fällige Busse sei, dass fehlbare Freier auf die
Polizeiwache zitiert würden. Das habe abschreckende Wirkung.
Gerhard Lob
lugano. Prostitution ist grundsätzlich erlaubt. Doch
bei den
regelmässig durchgeführten Polizeikontrollen in den
einschlägigen Lokalen im Tessin fällt die hohe Zahl illegal
praktizierender Prostituierter auf, das heisst von Frauen oder
Transvestiten, die sich nicht bei der Polizei gemeldet haben und keine
Steuern bezahlen. Dabei existiert seit Inkrafttreten des kantonalen
Prostitutionsgesetzes 2001 eine entsprechende Meldepflicht. Zurzeit
sind 840 Personen im kantonalen Verzeichnis registriert. Ungefähr
die Hälfte dürfte aktiv im Sexgewerbe tätig sein. Die
Zahl der Illegalen wird aber gleich hoch sein.
Kriminalität eindämmen
Das kantonale Innendepartement will diesem Treiben nicht
länger zusehen. Es hat dieser Tage den Entwurf für eine
Gesetzesrevision in die Vernehmlassung geschickt, welche der
Ausübung der illegalen Prostitution den Kampf ansagt. Dies
insbesondere, um den Sumpf an Kriminalität, der sich rund um das
horizontale Gewerbe ausbreitet, einzudämmen: Delikte wie
Menschenhandel, Wucher, Ausnützen abhängiger Personen oder
Drogenkonsum. "Man muss mit den romantischen Vorstellungen von der
Prostitution endgültig aufräumen", sagt der Tessiner Polizei-
und Justizdirektor Luigi Pedrazzini (CVP) mit Verweis auf dieses
kriminelle Umfeld.
Der Gesetzesentwurf sieht denn auch vor, dass Bordelle
oder
erotische Lokale einer Bewilligungspflicht unterliegen. Ein Gerant ist
für den ordnungsgemässen Ablauf rechtlich verantwortlich, das
heisst auch für die polizeiliche Anmeldung der dort tätigen
Prostituierten. Die Polizei kann die Einhaltung der Regeln jederzeit
kontrollieren. Damit entfällt der bisher nötige richterliche
Durchsuchungsbefehl für ein Lokal.
Auf die Wache zitieren
Neu sollen auch die Freier zur Rechenschaft gezogen werden
-
allerdings nur diejenigen, die sich mit illegalen Prostituierten
ausserhalb der autorisierten Lokale einlassen. Das Gesetz sieht Bussen
ab 200 Franken vor. "Wichtiger noch als der Betrag ist die Tatsache,
dass fehlbare Freier auf die Polizeiwache zitiert werden", meint Guido
Santini, Chefbeamter im Innendepartement, der bei der Ausarbeitung des
Gesetzentwurfes federführend war. Dies erzeuge einen
abschreckenden Effekt. Viele Freier wollten auf alle Fälle
vermeiden, dass Polizeikorrespondenz in Zusammenhang mit Prostitution
nach Hause geschickt werde und allenfalls Familienangehörigen in
die Hände falle. Laut Santini ist die Strafbarkeit von Freiern
eine Schweizer Premiere. Auch in Westschweizer Kantonen, welche
detailliert in Sachen Prostitution legiferiert haben, gebe es bis anhin
keine entsprechende Regelung.
Neben der Strafbarkeit von Kunden legt das neue Tessiner
Gesetz
zudem Zonen fest, in denen keine Prostitution ausgeübt werden
kann. Dabei handelt es sich um Wohnquartiere oder Gebiete in direkter
Nähe zu Schulen oder Spitälern.
Das Departement hat die Vorschläge bis Ende Jahr in
die
Vernehmlassung geschickt. Danach wird eine definitive Version
ausgearbeitet, vom Staatsrat diskutiert, verabschiedet und an die
Legislative überwiesen. Angesichts dieser Zeitspannen wird das
Gesetz wohl erst nach den Erneuerungswahlen vom April 2011 im Grossen
Rat diskutiert werden.
Florierendes Gewerbe
Die Prostitution ist im Tessin ein florierendes Gewerbe.
Rund 30
Bordelle, Kontaktlokale und erotische Saunen gibt es in einem Kanton
mit gut 300 000 Einwohnern. Dazu kommen etliche Privatwohnungen. Im
Jahr 2000 kam eine Erhebung der Behörden auf rund tausend
Sexarbeiterinnen. Diese Zahl dürfte heute etwas tiefer liegen. Die
Frauen stammen vor allem aus osteuropäischen und
südamerikanischen Ländern. Sie profitieren auch von der
Nähe zu Italien. Italienische Kunden fahren gerne in ein Tessiner
Freudenhaus, wo sie sich unbeobachtet fühlen und der Service
komfortabler ist als im eigenen Land. In Italien sind Bordelle
verboten. Dort floriert der Strassenstrich, der von kriminellen Banden
kontrolliert wird.
---
Bund 25.11.10
Tessiner Gesetzesvorschlag
Wer illegale Prostituierte freit, soll mindestens 200
Franken
Busse zahlen
Als erster Kanton will das Tessin Freier büssen. Das
soll
sie vor dem Verkehr mit illegalen Sexarbeiterinnen abschrecken.
René Lenzin, Lugano
Die Tessiner Behörden ziehen die Schrauben im
Rotlichtmilieu
weiter an. Seit dem 1. Oktober erteilen sie keine
Kurzaufenthaltsbewilligungen mehr für Kabaretttänzerinnen von
ausserhalb der EU. Nun planen sie gar eine schweizerische Premiere: Sie
haben ein Gesetz in die Vernehmlassung geschickt, das Freier
verpflichtet, die Legalität von Prostituierten zu
überprüfen. Wer bei einer Sexarbeiterin oder einem
Sexarbeiter ohne gültige Papiere erwischt wird, soll künftig
eine Busse von mindestens 200 Franken bezahlen müssen. Diese
Bestimmung ist Teil eines ganzen Katalogs, mit dem das Tessin das bald
zehnjährige Gesetz über Erotiklokale und Prostitution
erheblich zu verschärfen gedenkt.
Bereits heute gibt es im Tessin eine Meldepflicht für
Prostituierte. Gut 800 Frauen aus dem horizontalen Gewerbe sind derzeit
registriert. Fast ebenso hoch dürfte jedoch die Zahl jener
Prostituierten sein, die sich nicht melden wollen - oder nicht melden
können, weil sie sich illegal in der Schweiz aufhalten. Bei ihnen
wollen die Behörden durchgreifen, weil sie hier besonders oft
schmutzige Geschäfte wie Menschenhandel und Ausbeutung orten. Die
Bussen gegen die Kunden illegaler Prostituierter zielt weniger auf das
Portemonnaie als auf die Abschreckung. Die Angst vor peinlichen
Kontakten mit der Polizei oder gar vor Bussenzetteln im Briefkasten
soll die Freier davon abhalten, die Dienste von Illegalen in Anspruch
zu nehmen.
Italiener schätzen Diskretion
Neu will der Kanton auch eine Bewilligungspflicht für
Striplokale und Bordelle einführen. Zudem soll die Polizei
künftig Kontrollen und Hausdurchsuchungen in diesen Etablissements
auch ohne richterliche Bewilligung vornehmen dürfen. Schliesslich
legt der Kanton Zonen fest, in denen keine solchen Betriebe zugelassen
sind: Darunter fallen Wohnquartiere, Pärke sowie Gebiete in der
Nähe von öffentlichen Gebäuden, Schulen, Kirchen und
Friedhöfen.
Die Prostitution ist im Tessin besonders verbreitet, weil
viele
Norditaliener die diskreteren Bordelle und Saunaklubs dem verbotenen
Strassenstrich in ihrem Land vorziehen. Allerdings beginnen sich immer
mehr Tessiner Gemeinden gegen die Umwandlung von Hotels und Bars in
Bordelle zu wehren. Bisher mussten sie dazu auf die Bau- und
Zonenordnung mit den entsprechend langwierigen Verfahren
zurückgreifen. Neu soll ihnen die Bewilligungspflicht helfen.
Das Milieu nimmt solche Restriktionen aber nicht einfach
hin.
Gegen die Schliessung von Bordellen gibt es immer wieder Rekurse.
Verschiedene Nachtklubbetreiber sind entschlossen, die neue Praxis bei
den Kurzaufenthaltsbewilligungen bis vor Bundesgericht anzufechten. Ob
es Widerstand gegen die vorgeschlagenen Bussen für Freier gibt,
wird sich in der Vernehmlassung und in der politischen Debatte zeigen.
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ANTI-FEMINISMUS
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Südostschweiz 26.11.10
"Wir sind kein Rudel Frauenhasser"
Urs Bleiker aus Pfäffikon ist Präsident des
Schweizerischen Vereins Antifeministen. Dieser wurde im September
dieses Jahres gegründet. Seine Mitglieder bekämpfen weltweit
die feministische Ideologie.
Mit Urs Bleiker sprach Andreas Züger
Herr Bleiker, Sind Sie verheiratet?
Nein, ich bin ledig und kinderlos. Ich entspreche dem
Klischee
vom Mann, der keine Frau abbekommen hat.
Wie sieht Ihre grundsätzliche Haltung gegenüber
Frauen
aus?
Ich habe gar keine grundsätzliche Haltung. Es gibt
3,5
Milliarden Frauen auf der Welt, die sind alle unterschiedlich.
Erklären Sie in ein paar Sätzen die
Beweggründe
für Ihr Engagement.
1981 gab es eine Volksabstimmung über
Gleichberechtigung.
Ich dachte damals, dass dies eine gute Sache sei, Männer und
Frauen profitieren davon. Dem war aber nicht so. Ein Beispiel: Das
niedrigere Rentenalter für Frauen gegenüber Männern
blieb. Mir kam die Abstimmung so vor: Was zugunsten der Frau ist,
bleibt, was zugunsten der Männer ist, ändert.
Was änderte sich denn für Männer?
Nach der Abstimmung erklärte der "Tages-Anzeiger",
dass das
Blatt ab sofort nicht mehr nur "Bürger", sondern "Bürgerinnen
und Bürger" schreibt. Aber nach wie vor gab es nur Mörder und
Betrüger, keine Mörderin oder Betrügerin. Da ist mir
aufge- fallen, dass etwas nicht stimmt. Weiter ist auch die
Ungerechtigkeit der Gerichte bei Scheidungen augenfällig.
Schicksale gewisser Männer haben mich aufgeschreckt. Sie erlebten
schlimme Scheidungen mit dem vollen Programm: Ihre Kinder bekamen sie
nicht mehr zu Gesicht, manchmal wurde ihnen von den Ex-Frauen sexuelle
Belästigung gegenüber den Kindern vorgeworfen, obwohl das
gelogen war. Und trotzdem mussten sie die Unwahrheit des Vorwurfs
beweisen.
"Frauen sollten Militärdienst leisten"
Finden Sie, dass Frauen und Männer ins Militär
sollten?
Ich finde selbstverständlich, dass auch Frauen gehen
müssten.
Sind Sie für eine klassische Rollenverteilung:
Männer
zur Arbeit, Frauen an den Herd?
Diesbezüglich bin ich für gar nichts. Die Paare
sollen
das selber entscheiden. Schlecht finde ich aber, dass man steuerlich
begünstigt wird, wenn nur ein Elternteil arbeitet. Eine solche
Entscheidung soll nicht durch den Staat manipuliert werden.
René Kuhn, Vizepräsident des Vereins
Antifeministen,
bezeichnete "linke Emanzen" als "ausgelumpte Vogelscheuchen" und
"Mannsweiber". Führen Sie einen radikalen Verein?
Jein. Es lebt niemand schlechter auf der Welt, weil er das
Wort
Vogelscheuche ausgesprochen hat. Wir bekämpfen etwas Radikales,
das heute von der Gesellschaft akzeptiert wird. Ein Beispiel:
Statistiken über häusliche Gewalt zeigen seit Jahren dasselbe
Bild: Der Mann verprügelt die Frau. Das wird über Politik und
Medien immerzu verbreitet. Das stimmt aber so nicht. Wie wir unsere
Anliegen nach aussen tragen, ist schon radikal, ja. Radikal ist aber
vor allem das jahrzehntelange Vorgehen von Justiz, Politik und Medien,
die feministische Unwahrheiten verbreiten.
Wie meinen Sie das?
Die Presse hat über Jahrzehnte versagt. Sie hat
ungeprüft viele Sachen übernommen, zum Beispiel die
Lüge, dass Frauen für die gleiche Arbeit 20 Prozent weniger
Lohn erhalten als Männer. Das ist Unsinn. Ich weiss, wie solche
Statistiken zurechtgebogen wurden. Auch Zahlen der häuslichen
Gewalt wurden ungeprüft übernommen.
"Dass Frauen weniger verdienen, ist eine Lüge"
Auf der Vereinshomepage sind verschiedene Zitate
publiziert. Zum
Beispiel "Es gibt drei Arten von Frauen: die Schönen, die
Intelligenten und die Mehrheit".
Das ist nicht von mir, aber ich stehe dahinter, dass man
das
aufgeführt hat. Diese Sprüche sollen provozieren, auch wenn
ich nicht alle unterschreiben würde. Oskar Lafontaine sagte einst:
"Emanzen verhüten mit dem Gesicht". Das ist witzig und provokativ,
aber meiner Ansicht nach nicht schlimm.
Die "Weltwoche" bezeichnete die Mitglieder Ihres Vereins
als
"verschüchtert, weinerlich, wehleidig". Stimmt das?
Der Artikel ist schlecht. Anlass zum Bericht war das erste
Internationale Antifeminismus-Treffen (siehe Kasten). Die Journalisten
wollten Randale sehen und Männer, die "Scheissweiber" schreien.
Dem war aber nicht so. Wir sind kein Rudel Frauenhasser.
Immer mehr Männer üben Frauenberufe aus und
umgekehrt.
Stört Sie das?
Das ist gut und recht, jeder soll machen, was er will. Das
Problem entsteht erst dort, wo sehr viele Frauen Kunstgeschichte oder
Soziologie studieren, dann aber das Gejammere von Feministinnen
losgeht, weil viele Frauen einen Hochschulabschluss haben, aber so
wenige an der Spitze von Grossunternehmen stehen. Dann muss ich sagen:
Ein Studium in Maschinenbau oder Wirtschaft wäre besser gewesen.
Sind in Ihrem Verein auch Frauen dabei?
Ja, etwa ein Achtel der Mitglieder ist weiblich.
Was sind die Beweggründe der Frauen, dem Verein
beizutreten?
Schwierig zu sagen. Eigentlich könnte diesen Frauen
die
aktuelle Situation egal sein, sie profitieren ja. Ich weiss aber, das
viele Mütter von Knaben Probleme haben mit feministischen
Lehrerinnen, die Mädchen bevorzugen. Es kommen auch Frauen zu uns,
die etwas gemacht haben aus ihrem Leben und sich das feministische
Gejammere nicht mehr anhören wollen.
Sie haben bestimmt auch schon Diskussionen mit
Feministinnen
geführt. Bleibt eine Diskussion da sachlich?
Da muss ich Sie enttäuschen, ich diskutiere nicht mit
Feministinnen. Es bringt nichts. Wissen Sie: Mit Gläubigen kann
man auch nicht diskutieren, ob das, was sie glauben, richtig oder
falsch ist.
Seit den letzten Bundesratswahlen sind die Frauen im
Bundesrat in
der Mehrheit. Ein Problem für Sie?
Früher hätte ich wohl gesagt: Oh Gott, nicht
noch mehr
Weiber. Das hat sich aber geändert. Ich finde, dass die
Frauenmehrheit feministische Ideologien genau gleich trägt wie
vorher die Männermehrheit. Ich mache mir nicht die Illusion, dass
mit sieben Männern alles besser wäre. Das Bundesgericht, das
am laufenden Band ungerechte Urteile bei Scheidungen ausspricht, ist
ein gutes Beispiel: Die meisten Richter sind Männer. Feminismus
ist kein Frauenproblem, sondern ein Problem der Menschheit.
Im vergangenen Sommer erhielt Ihr Verein kein Konto bei
der
Zürcher Kantonalbank. Fühlen Sie sich akzeptiert in der
Bevölkerung?
Ja, ich behaupte bei mehr als 50 Prozent der Leute. Bei
Diskussionen mit den Leuten höre ich oft das Wort "endlich".
Endlich sagt mal jemand öffentlich etwas.
--
"Die Behörden haben Angst"
Das erste Internationale Antifeminismus-Treffen musste
wegen
angekündigter Randale an einen geheimen Ort verlegt werden.
Trotzdem ist Urs Bleiker mit dem Anlass zufrieden. "Wir haben etwas
ausgelöst", ist er überzeugt. Kurz vor dem Treffen
veröffentlichte das Bundesamt für Statistik Zahlen zu
häuslicher Gewalt. Erstmals war der Anteil an Frauen als
Täter höher angegeben. "Das war kein Zufall", ist Bleiker
überzeugt. "Die Behörden krebsen zurück, weil es
verheerend wäre, wenn ans Licht käme, dass sie jahrzehntelang
gelogen haben." (azü)
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POLICE CH
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Bund 25.11.10
Bussen-Frust
Wenn Polizisten Taubenfütterer jagen sollen
Die Polizei wehrt sich gegen die geplante Ausweitung des
Bussenkatalogs: Sie habe Wichtigeres zu tun, als für den Staat
Geld einzutreiben.
Antonio Cortesi
Ein kürzlich gefällter Entscheid des Luzerner
Kantonsrats gab in Polizeikreisen viel zu reden: Diesem zufolge muss
die Polizei im kommenden Jahr 700 000 Franken mehr an Bussengeld
einnehmen. "Damit werden wir vom Staat als Kassierer missbraucht",
ärgert sich Max Hofmann, Generalsekretär des Verbands
Schweizer Polizeibeamter. Primäre Aufgabe der Polizei müssten
die Prävention und die Bekämpfung von Kriminalität sein.
Bussen für alles und jedes
Der Ärger ist verständlich. Denn die
Tatbestände,
bei denen die Polizei Bussen verteilen muss, haben massiv zugenommen.
Dies vor allem wegen der Littering-Gesetze, die es bald in jeder Stadt
gibt. Dabei muss die Polizei für alles Mögliche und
Unmögliche den Bussenzettel zücken. Ein paar Beispiele:
Auf den Boden spucken kostet in Wallisellen 30, in Gossau
SG 60
Franken.
Wer in Luzern die Zigarettenkippe aus dem Autofenster
wirft, wird
mit 40 Franken gebüsst.
Öffentliches Urinieren kostet in Winterthur 80, in
St.
Moritz gar 150 Franken.
In vielen Städten gibts zudem Bussen für das
Wegwerfen
von Kaugummis, öffentliches Erbrechen, unfachgemässes
Entsorgen von Hundekot und fürs Taubenfüttern.
Hinzu kommt für die Polizei der Frust, dass es
schwierig
ist, die Sünder in flagranti zu erwischen. Oder der
Ordnungshüter wird einfach ausgelacht. Alex Bukowiecki,
Littering-Experte des Schweizerischen Städteverbands, räumt
denn auch "Probleme beim Vollzug" ein. Damit die Littering-Verbote
nicht bloss "Papiertiger" bleiben, rät er den Behörden, "sich
auf konzertierte Aktionen zu beschränken, verbunden mit
Sensibilisierungskampagnen".
Auslagerung "falsch"
Um die Polizei zu entlasten, haben einzelne Gemeinden das
Bussenverteilen an private Organisationen delegiert. Dies hält Max
Hofmann jedoch für den falschen Ansatz: Beim direkten Kontakt mit
fehlerhaften Personen könne es schnell brenzlig werden, besonders
wenn Alkohol im Spiel sei. "Ordnungsbussen müssen deshalb eine
hoheitliche Massnahme des Staates bleiben", sagt der
Polizeibeamten-Sekretär.
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NLZ 25.11.10
Regierung will Schusswaffen
Transportpolizei
red. Angehörige der Transportpolizei sollen mit
Schusswaffen
ausgerüstet werden können: Das schreibt die Zuger Regierung
in ihrer Vernehmlassung zur Verordnung über die Sicherheitsorgane
der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (VST) des Bundes.
Den Aufgaben entsprechend
Im Unterschied zum Sicherheitsdienst habe die
Transportpolizei
weitergehende polizeiliche Aufgaben, argumentiert Zug gegenüber
dem Bund. Transportpolizisten hätten eine ordentliche
Polizeiausbildung zu durchlaufen, die eine Ausbildung im Umgang mit
einer Schusswaffe beinhalten. Sie seien ihren Aufgaben und der
Gefährdungslage im öffentlichen Raum entsprechend
auszurüsten. "Für eine Ausrüstung mit Schusswaffen
spricht sodann der Umstand, dass heute schon auch die
Einsatzkräfte des Grenzwachtkorps, der Kantonspolizeien und der
Militärischen Sicherheit ihre Aufgaben in öffentlichen
Verkehrsmitteln bewaffnet wahrnehmen."
Kosten mit Kantonen absprechen
Die Kosten sollen aber nicht über das
Bestellverfahren zu
Lasten des öffentlichen Verkehrs gehen, sondern sollen - geht es
nach Zug - im Voraus mit den Kantonen vereinbart werden.
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BIG BROTHER
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WoZ 25.11.10
Bundeskriminalpolizei
Der Bundes polizist und das Schoggiherz
Ein Terrorermittler der Bundeskriminalpolizei
übersetzt
Abhörprotokolle. Plötzlich wird er selbst Gegenstand einer
umfassenden Überwachung. Es folgt eine fristlose Entlassung. Eine
Seifenoper aus dem Innern des "FBI der Schweiz".
Von Dinu Gautier
Am 21. August 2008 wird ein Bundespolizist fristlos
entlassen.
Thierry Vasale (alle Namen von PolizistInnen geändert) ermittelte
zuletzt gegen Terrorismusverdächtige. Fünf Polizisten bringen
ihn sofort nach Hause und ziehen dort seinen Dienstpfefferspray ein.
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) informiert alle Polizeistellen,
Vasale sei wegen "schwerer Dienstvergehen" gefeuert worden. Seither ist
der 44-jährige Vater zweier Kinder arbeitslos.
Gut zwei Jahre später sitzen fünf Beamte der
Bundeskriminalpolizei (BKP) in einem Besprechungszimmer zusammen und
lauschen ihrem Chef. Ihre Arbeit unterliegt strengen
Sicherheitsbestimmungen, ermitteln sie doch in Fällen von
Terrorverdacht, Menschenhandel oder organisierter Kriminalität.
Der Abteilungsleiter "Ermittlungen Mitte" ermahnt die Anwesenden, vor
Gericht keine Auskunft zu "operativen Fragen" zu geben.
Im Briefing geht es weder um einen geplanten Schlag gegen
die
Mafia noch um das Abhören von Menschenhändlern, sondern um
einen Betrugsprozess vor dem Kreisgericht Bern-Laupen - gegen den
ehemaligen Mitarbeiter Thierry Vasale. Das Fedpol wirft ihm vor, mit
der Stempeluhr getrickst zu haben. Das Delikt: neuneinhalb Stunden
angeblich nicht geleistete Arbeitszeit. Anzeige erstattete die Fedpol
nicht etwa kurz nach der Entlassung, sondern fast ein Jahr später,
nachdem Vasale einen arbeitsrechtlichen Rekurs gewonnen hatte.
Ein Freund? Oder Gott?
Unschön an Strafverfahren ist - aus Sicht der Fedpol
- das
Öffentlichkeitsprinzip. Und so erstaunt es nicht, dass der
Prozess, der am 8. November dieses Jahres beginnt, nicht wie sonst
üblich auf der Homepage des Gerichts angekündigt wurde. Die
Richterin ist denn auch sicht- und hörbar erstaunt, als der
Reporter das Verhandlungszimmer im Berner Amthaus betritt.
Der erste BKP-Zeuge wird gleich von der Richterin
gerügt:
"Das ist keine wahnsinnig tolle Anzeige, die Sie da geschrieben haben."
Rasch wird klar: Die BKP-Kader haben ihren eigenen Mitarbeiter
umfassend überwacht.
Der Reihe nach: Als nach den Anschlägen des 11.
September
2001 innert kürzester Zeit die Bundeskriminalpolizei, eine Art
schweizerisches FBI, aufgebaut wurde, bekam auch der langjährige
Gemeindepolizist Thierry Vasale eine Stelle bei der BKP-Zweigstelle in
Lausanne. Dort war er fortan mit Geldwäschereifällen befasst.
So habe man etwa die Geldwäschereimethoden eines Genfer
Drogengrosshändlers aufklären können oder
Korruptionsgelder in Millionenhöhe abgefangen und beschlagnahmt,
die von Nordamerika via Schweizer Banken nach Vietnam hätten
verschoben werden sollen. "Das waren hochkomplexe Ermittlungen", sagt
Vasale heute. Eine spezifische Ausbildung hätten die Beamten zwar
nie erhalten, mit der Zeit sei man aber "autodidaktisch besser
geworden". Berufsbegleitend schliesst der Ermittler ein Jurastudium ab.
Vor Gericht wird ein Bundesstaatsanwalt aussagen, Vasale habe "zu
seiner vollsten Zufriedenheit" mit ihm zusammengearbeitet, er sei
"proaktiv" und voller "guter Ideen" gewesen.
Vasale, der sich selbst als eine Person beschreibt, die
mitdenkt
und auch Chefs zu kritisieren wagt, wechselt nach Problemen mit seinem
Vorgesetzten im Jahr 2007 in die BKP-Zentrale nach Bern. Im Sommer 2008
wird er zu einer grossen, streng geheimen Antiterror ermittlung
"abdetachiert". Seine Aufgabe: Übersetzung abgehörter
Gespräche. Gearbeitet wird in einem sonst leer stehenden
Grossraumbüro, wo bei grösseren Ermittlungen Beamte
verschiedener Abteilungen zusammengezogen werden.
Mit Max Lachs, dem Kommissariatsleiter für
Terrorermittlungen, habe es Reibereien gegeben, sagt Thierry Vasale
heute. "Ich machte ihn etwa darauf aufmerksam, dass wir
möglicherweise nicht befugt sind, Gespräche abzuhören,
wenn ein Verdächtiger im Ausland mit einer anderen Person redet,
die ebenfalls im Ausland sitzt." Vasale behauptet, in den ersten Tagen
im Detachement weder Arbeit noch einen Arbeitsplatz gehabt zu haben.
Meinungsverschiedenheiten habe es auch mit dem Chefübersetzer
gegeben: "Wenn die Verbindung schlecht ist und man nicht genau
hört, ob jemand von Gott oder von einem Freund spricht, und man
trotzdem einfach Gott ins Protokoll schreibt, dann finde ich das sehr
heikel", so Vasale.
Vasale isst ein Brötchen
Was dann geschah, aus der Sicht der BKP-Kader: Am 11.
August 2008
traten Max Lachs und Gottfried Brülisauer, stellvertretender
Abteilungsleiter "Ermittlungen Mitte", aus dem Lift und sahen Vasale
bei der Stempeluhr stehen. Vasale habe "komisch geschaut" (Lachs)
beziehungsweise "sich unnatürlich verhalten" (Brülisauer).
Dann habe er das Gebäude verlassen. Gottfried Brülisauer
überprüfte daraufhin die Stempeluhrdatenbank und fand heraus,
dass Vasale ein- statt ausgestempelt hatte. Was taten die beiden Kader
nun? Sie "informierten die Linie". Aus dem Beamtendeutschen
übersetzt: Sie petzten nach oben - bis zur Leitung der
Bundeskriminalpolizei.
Sofort wurden Massnahmen getroffen, um herauszufinden, was
es mit
dem komischen Blick und dem unnatürlichen Verhalten auf sich haben
könnte. Gottfried Brülisauer wies den Mann am Empfang an,
fortan jedes Betreten und Verlassen des Gebäudes des
Verdächtigen minutengenau zu protokollieren und auch gleich noch
zu schauen, ob er die Stempeluhr betätige. (Der Empfangsmann dazu:
"Über den Auftrag habe ich mich schon gewundert, weil so etwas
sonst nicht unsere Aufgabe ist.")
Brülisauer kontrollierte von nun an elektronisch die
Ein-
und Ausstempelungen und begann ein "Journal" zu verfassen, in dem er
säuberlich die Erkenntnisse im Fall Thierry Vasale protokollierte.
Das im Gerichtssaal vor ihm liegende Journal will er der Richterin
nicht aushändigen, obwohl darin, wie er selbst sagt, "keine
operativen Angaben" enthalten seien. Später kommt das Journal -
mit einigen geschwärzten Stellen - doch noch zu den Akten. In
einem Begleitschreiben der Fedpol-Rechtsabteilung heisst es: "Das
Journal enthält Namen bzw. Kurzzeichen von unbeteiligten
Mitarbeitenden, die aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes
abgedeckt wurden." Blöd nur, hat die Rechtsabteilung schludrig
geschwärzt: Fünf zusätzliche BKP-Beamte bleiben
identifizierbar.
Zwei Einträge aus dem Journal:
• "Dienstag, 19.8.2008, 12 Uhr 06: Vasale stempelt aus.
12 Uhr
07: Vasale trifft in der Bäckerei Sterchi ein, wo sich
gleichzeitig Lachs befindet. Vasale kauft 1 Stück Apfelkuchen und
2 Schoggiherz. Spricht Lachs an und sagt ‹Salut, les grandes esprits se
rencontrent›."
• "Donnerstag, 21.8.2008, 6 Uhr 40: Bürokontrolle.
Büro Vasale abgeschlossen. Mit Passepartout geöffnet. Vasale
sitzt am Pult und isst ein Brötchen. Ist sichtlich
überrascht."
Dazwischen wird jede Bewegung Vasales protokolliert. Man
hat
jetzt nicht mehr nur Zugriff auf die Stempeluhr, sondern auch aufs
interne Badge-Sicherheitssystem. Brülisauer erfährt, wann und
wo Vasale Türen öffnet. Dem Gericht wird die Fedpol aber nur
eine Liste der ersten vier Tage überreichen. Den Rest habe man
gelöscht.
Mal sind es drei Minuten, ein anderes Mal 59 Minuten, die
Brülisauer zur Betrugssumme hinzuzählt. Er gibt dem Gericht
als weiteren Beweis zwei Fotos ab. Aufgenommen wurden sie aus seinem
Büro im 4. Stock. Sie zeigen einen Mann (Vasale?) von oben, im
Joggingtenue vor dem geheimnisvollen Gebäude am Hol zi ko fen weg
8 (vgl. "Bäckerei, HW8 und geheime Telefonnummern"). Journal: "12
Uhr 50: Lachs begibt sich in den Duschraum EG. Müller
erzählt, dass sich vorher Vasale hier bereit gemacht und zum
Joggen gegangen sei. 12 Uhr 55: Lachs begibt sich nochmals in den
Duschraum. Kleider von Vasale hängen in der Dusche. Lachs
fotografiert sie." Zur Erinnerung: Der Mann, der hier die Treppen rauf-
und runterläuft, um die Kleider eines Mitarbeiters zu
fotografieren, ist Kommissariatsleiter für Terrorismusermittlungen
…
Von der Buchbinderin zur Ermittlerin
Neben der Stempeluhr von Vasale wird auch jene von
Antoinette
Galurin überwacht. Die heute 35-Jährige verbrachte mehrmals
Mittagspausen mit Vasale. Vor Gericht verweigert sie auch Antworten auf
Fragen, die sich nicht auf "Operatives" beziehen. Man erfährt
aber, wie man heutzutage Mitarbeiterin der Fedpol wird. Max Lachs sagt
aus, dass die Frau eines Arbeitskollegen Galurin als Mitarbeiterin
empfohlen habe. Galurin ist gelernte Buchbinderin, nach der Lehre
verkaufte sie Stoff (Textilien - nicht Drogen). Vom Fedpol wurde sie
ursprünglich befristet im Stundenlohn angestellt, war "operativ
tätig". Was heisst das? Von der Textilienverkäuferin direkt
zur verdeckten Ermittlerin? Darauf gibt es keine Antwort. Seit August
2008 ist sie jedenfalls fest im Kommissariat Terrorermittlungen
angestellt, zuständig für Adminis tratives.
Vasale ist ungehalten, als Antoinette Galurin aussagt. Er
schreit. Er ist überzeugt, die Chefs hätten sie als Spitzelin
auf ihn angesetzt. Sie habe ihn verleitet, längere Mittagspausen
zu machen. Am Tag seiner Entlassung habe sie ihn gebeten, bei ihr zu
Hause Möbel umzustellen. Das sei ein Vorwand gewesen, damit die
Chefs im Gebäude ungestört seine fristlose Entlassung
hätten vorbereiten können. Galurins Vorgesetzte bestreiten,
sie auf Vasale angesetzt zu haben. Auf die Frage, ob sie auf Geheiss
der Vorgesetzten oder aus Zufall in jener Zeit ihre Mittagspause mit
ihm verbracht habe, antwortet Galurin etwas kryptisch: "Das geschah
freiwillig."
Nach zwei Verhandlungstagen wird nicht wie geplant ein
Urteil
gefällt. Es wird aus Zeitgründen ins nächste Jahr
verschoben. Gegenstand des Urteils wird lediglich die Frage sein: War
das ein Betrug nach Strafgesetzbuch? Eine andere Frage bleibt dagegen
offen: Würde ein Staat einer solchen Truppe vertrauen, gäbe
es tatsächlich ernsthaften Grund zur Annahme, Terrorist Innen
könnten ihm gefährlich werden?
--
Auf Häusersuche
Bäckerei, HW8 und geheime Telefonnummern
Die Fedpol-Kader geben sich vor Gericht redlich Mühe,
diskret zu bleiben. Einer wird während des Prozesses gefragt: "Wo
befindet sich das Kommissariat für verdeckte Ermittlungen?"
Antwort: "Hierzu bin ich nicht befugt, Aussagen zu machen. Ich weiss
nicht, wo das Kommissariat Verdeckte Ermittlungen seinen Stand ort
hat." Lieber redet man in Codes. Das Gebäude, in dem Thierry
Vasale gearbeitet hat, heisst HW8. Hauptwache 8? Eine Suche im Internet
ergibt nur Treffer in Umweltberichten des Fedpol. Keine Adresse, keine
Angaben über die Zahl der dort angestellten Mit ar bei ter In nen.
Auf einer internen Mitarbeiterliste der Bundesverwaltung sind
normalerweise Name, Kürzel, Büro- und Telefonnummern
vermerkt. Bei allen Personen aus HW8, die im Prozess auftauchen, fehlen
Büro- und Telefonnummern.
Bekannt ist nach den Zeugenbefragungen lediglich, dass es
in der
Nähe von HW8 eine Bäckerei Sterchi und eine Tramhaltestelle
gibt (vgl. Text oben). In Bern und Umgebung sind sechs Bäckereien
des Unternehmens Sterchi im Telefonbuch. Nur eine davon in der
Nähe von Tramgleisen: im Weissenbühlquartier, an der
Tramlinie 3. Eine Sichtung der Umgebung per Google Earth zeigt, dass in
der Nähe vor allem Mehrfamilienhäuser und Villen stehen. Nur
drei Gebäude dürften Bürobauten sein. Davon steht eines
am Holzikofenweg 8. Bingo: HW8. Keine Einträge im Telefonbuch zu
dieser Adresse. dig
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BIG BROTHER SPORT
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Bund 26.11.10
Die Pyrofackel - Gefahr und Garant für die
Stadionatmosphäre
Für die Fans ist die Pyrofackel ein Symbol der
Freiheit,
ihren Verein so zu feiern, wie sie wollen. In der Politik könnte
sie nun zu einem heissen Thema werden.
Marc Schiess
"Wer kennt diesen Mann?" Unter diesem Titel
veröffentlichte
die Kantonspolizei Bern vorgestern ihren neusten Fahndungsaufruf im
Internet. Gesucht wird ein Schnauzträger mit umgehängtem
Fanschal. Von Überwachungskameras geschossene Bilder des
Verdächtigen ergänzen den Beschrieb. Der Betreffende wird
verdächtigt, an der Finalissima YB - FCB am 16. Mai "Pyrotechnika
- Leuchtfackeln - ins Stadion hineingebracht und in den Fansektoren
gezündet" zu haben.
Entbrannt ist mittlerweile auch in der Politik eine
Diskussion,
mit welchen Mitteln das Problem des illegalen Feuerwerks in Stadien
gelöst werden soll. Dass die bis zu 2000 Grad heissen, nicht
löschbaren Fackeln in den Fanzonen für die umstehenden, oft
dicht gedrängten Personen potenziell lebensgefährlich sind,
wird weder von links noch rechts bestritten. Dass die rot gleissenden
Fackeln zu einem stimmungsvollen Fussballmatch gehören, ist
für viele Fans jedoch ebenso selbstverständlich.
Kontrollierte Abschüsse
Die Delegiertenversammlung der SP Stadt Bern beschloss nun
als
erste Partei ein Positionspapier zum Thema Fanarbeit. Darin wird eine
Idee präsentiert, die beide erwähnten Aspekte der
Leuchtfackel berücksichtigt. Gemäss Auskunft von
SP-Grossrätin Flavia Wasserfallen sollen in einem abgesperrten
Bereich der Fankurve kontrolliert Leuchtfackeln gezündet werden
können. "Mit der heutigen Regelung kommt es eher zu
gefährlichen Situationen", erklärt Wasserfallen.
Ob die Idee wirklich umsetzbar wäre, wird von
Nationalrätin Christa Markwalder (FDP) bezweifelt: "Ich kann mir
nicht vorstellen, dass es sicherheitstechnisch machbar ist, Orte
einzurichten, wo solche Leuchtkörper abzufeuern wären". Zudem
sei das Pyro-Verbot nicht da, um Fans zu schikanieren, sondern um
Besucher zu schützen.
"Idee ist absoluter Humbug"
Totale Ablehnung erfährt die SP-Idee von
SVP-Nationalrat
Adrian Amstutz: "Es ist absoluter Humbug, in Stadien das Abfeuern von
Pyrotechnika zu erlauben." Man solle dafür nicht noch
"Spielplätze" einrichten.
Nicht ganz unerwartet steht die - neben Markwalder und
Amstutz -
dritte Ständeratskandidatin Ursula Wyss (SP) der von der
Stadtberner SP vorgeschlagenen Massnahme wohlwollend gegenüber:
"Es ist ein sinnvoller Vorschlag, da er ermöglicht, das
Bedürfnis der Fans nach Feuerwerk in einer sicheren Art zu
befriedigen, bei der niemand zu Schaden kommt."
Frei sein, auch spontan zu zünden
Ob die Fans die legalen Abschussplätze dann auch
benutzen
würden, ist aber alles andere als sicher. Der kürzlich von
der "Berner Zeitung" interviewte "P. J.", ein YB-Fan, der
regelmässig Pyrofackeln ins Stadion schmuggelt und abbrennt, freut
sich zwar, "aus der Politik mal was anderes zu hören". Seiner
Ansicht nach würde die Legalisierung aber nichts bringen, wenn sie
mit unzähligen Auflagen verbunden wäre. Der 24-jährige
Student betonte, dass man in der Fankurve frei sein wolle, "auch
spontan zu zünden - etwa nach einem Torerfolg oder wenn ein
euphorisches Lied angestimmt wird". Eine Gefährdung der
umstehenden Personen ist für ihn nicht gegeben: "So, wie wir die
Fackeln brauchen, tendiert die Unfallgefahr gegen null."
Österreich mit Ausnahmeregel
Die Frage, ob "P. J." ein ungefährlicher Biedermann
ist, wie
er sich selber sieht, oder ein Brandstifter wird zurzeit vom Gesetz
noch klar mit Zweiterem beantwortet: Die Verwendung von pyrotechnischen
Gegenständen in Menschenmengen wird gemäss Artikel 225 des
Strafgesetzes sowie Artikel 37 des Sprengstoffgesetzes mit bis zu
fünf Jahren Gefängnis bestraft. Anders in Österreich:
Wie der Onlineausgabe der österreichischen Zeitung "Der Standard"
zu entnehmen ist, dürfen im östlichen Nachbarland seit Beginn
der aktuellen Saison erstmals seit 1974 legal Pyrofackeln gezündet
werden. Dies dank einer Ausnahmebestimmung im Pyrogesetz.
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ANTISEMITISMUS
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Tacheles Nr. 47 26.11.10
STUDIE ZUR JÜDISCHEN ZEITGESCHICHTE IN DER SCHWEIZ
Antisemitismus in der Nachkriegszeit
Der Historiker Zsolt Keller hat in seiner soeben
erschienen
Studie die Geschichte des Ressorts "Abwehr und Aufklärung" des
Schweizerischen lsraelitischen Gemeindebunds aufgearbeitet. Das Buch
gibt einen Einblick in den Schweizer Nachkriegsantisemiti‘smus sowie
seine Bekämpfung durch den Gemeindebund zwischen den Jahren 1943
und 1960. In einem Vorabdruck publiziert tachles Textauszüge aus
dem Buch.
VON ZSOLT KELLER
Das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte die Schweiz in
einer
gewissen Kontinuität. Die Selbstwahrnehmung breiter
Bevölkerungsschichten war vom Gefühl geprägt, eine
historische Bewährungsprobe als Kleinstaat bestanden zu haben. Das
Schweizer Judentum wurde vom direkten Zugriff des Hitler-Regimes zwar
verschont, war aber während den Verfolgungen und der Ermordung
eines Grossteils der europäischen Juden isoliert.
Die Zeit der Bedrohung erlebte es in einem Zustand der
"Lähmung,
Anpassung und Empörung zugleich" (Jacques Picard). Die Schoah
hinterliess neben unzähligen Toten und einer Vielzahl von
Heimatlosen auch tiefe emotionale Wunden.
Dementsprechend stellte sich die Realität des
Schweizerischen
Israelitischen Gemeindebunds (SIG) anders als die der nicht
jüdischen Schweiz dar. Das Moment einer erfolgreich bestandenen
Bewährungsprobe liess sich ins Geschichtsbild der jüdischen
Schweiz kaum integrieren.
Die beiden Realitäten mit ihren jeweiligen
Geschichtsbildern waren
nicht vereinbar.
Während die Exponenten des SIG immer wieder auf das
Schicksal der
Verfolgten und auf die sechs Millionen Opfer der Schoah und damit
verbunden des Antisemitismus hinwiesen, brachte ihre Umwelt dem Leiden,
ausgelöst durch die nationalsozialistischen Judenverfolgungen,
wenig Sensibilität entgegen. 1945 bildete die Wahrnehmung
respektive die Rezeption der nationalsozialistischen Judenverfolgung
und -vernichtung eine unüberwindbare Trennlinie zwischen der
jüdischen Schweiz und der überwiegenden Mehrheit ihrer
Umwelt. [...] Die Schoah galt als ein Teil der deutschen Geschichte.
Der letale Antisemitismus richtete sich nicht gegen die "jüdischen
Mitbürger" in der Schweiz. Eine Sichtweise, die auch Pascal
Delamuraz in der Schweizer "Weltkriegsdebatte" Mitte der 1990er Jahre
artikuliert. Mehr noch: Jegliche Kritik des Gemeindebundes am Verhalten
der Schweiz galt in den unmittelbaren Nachkriegsjahren in den Augen der
Behörden als unstatthaft und stand im Verdacht der
"Undankbarkeit". [...]
Der Gemeindebund blickte 1945 einer unsicheren Zukunft entgegen.
Den
Antisemitismus sahen seine Exponenten als bei weitem nicht
überwunden an. Im Gegenteil, sie rechneten fest mit einem
Erstarken judenfeindlicher Tendenzen am Ende des Krieges. Mit dem 1944
neu geschaffenen Ressort "Abwehr und Aufklärung", dem die
"Kommission des SIG zur Abwehr des Antisemitismus" angegliedert war,
stellte sich der Gemeindebund den neuen Herausforderungen. Die 1936
gegründete Pressestelle des SIG, die Juna, stand ihm zur Seite.
Versuch der strafrechtlichen Ahndung des Antisemitismus
Die Gremien des SIG verfolgten bei der "Abwehr" des
Antisemitismus im
Wesentlichen zwei Stossrichtungen: Eine erste Stossrichtung versuchte,
eine juristische Verfolgung des Antisemitismus in Form einer
"Kollektivehrverletzung respektive -beleidigung" im Schweizer
Rechtssystem zu erreichen. Ausgangspunkt dieser Bestrebungen war eine
im Krieg erlassene Notverordnung des Bundesrates, die unter der
Bezeichnung "Demokratieschutzverordnung" unter anderem auch eine
Ahndung der Hetze gegen einzelne Gruppen ihres Glaubens oder ihrer
Rasse wegen vorsah. Bedingung zur Ahndung solcher Vorfälle
wäre allerdings gewesen, dass der Antisemitismus, als Aufruf zum
Hass und zur Verfolgung der jüdischen Bevölkerungsgruppe
verstanden, eine Definition als juristischer Tatbestand erfahren
hätte.
Das politische Mittel zum Erreichen seiner Forderungen sah
der
Gemeindebund in Eingaben, die er vornehmlich an den Bundesrat und die
Bundesanwaltschaft richtete, sowie in der Pflege vielfältiger
Kontakte zu Parlamentariern und in die oberen Etagen der
eidgenössischen Verwaltung. Führender Kopf dieser
Kontaktnahmen war Georges Brunschvig, der von Bern aus die Geschicke
des Gemeindebundes leitete. [...]
Einer juristischen Verfolgung von antisemitischen Fällen
entzogen
sich die eidgenössischen Verfolgungsbehörden nach dem Krieg
konsequent. Die Bundesanwaltschaft war bestrebt, in einer Zeit des
Abbaus des bundesrätlichen Notrechts keine Präzedenzen zu
schaffen. Die Bundesanwaltschaft pathologisierte die Antisemiten und
ihren Antisemitismus. Die "Judenfrage" war in den Augen der
Bundesanwaltschaft auch nach dem Krieg gerechtfertigt. Die
"Demokratieschutzver-Ordnung)" wurde ausser Kraft gesetzt und der
Schutz, der allerdings nie eine juristische Anwendung erfuhr, ging
verloren.
Die Bestrebungen des SIG von 1949/50, bei einer
Teilrevision des
Schweizerischen Strafgesetzbuches eine Strafbarkeit antisemitisch
motivierter Ausserungen und Taten als "Kollektivbeleidigung" zu
erreichen, scheiterten am Widerstand weiter politischer Kreise, die
eine massive Einschränkung der von der Verfassung garantierten
Meinungs- und Pressefreiheit beftirchteten. Der Bundesrat lenkte ein
und liess die Forderung des SIG fallen. Die Schweizer Juden waren
antisemitischen Anfeindungen, die von der Schweiz ausgingen, bis zur
Einführung der "Antirassismus-Strafnorm" im Jahre 1995 schutzlos
ausgeliefert. Gegen antisemitische Pamphlete aus dem Ausland bot der
"Bundesratsbeschluss vom 29. Dezember 1948 betreffend
staatsgefährliches Propagandamaterial" hingegen Schutz. Die
Gründung des Staates Israel verschaffte dem Judentum
völkerrechtliches Gewicht. Mit Blick auf den Schutz der guten
politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und
Israel schritten die Bundesbehörden bei antisemitischen
Postsendungen aus dem Ausland - auch auf die Bitte des SIG hin -
vehement und mit Nachdruck ein. [...]
"Bei uns wie überall?"
Die Auseinandersetzung mit der Schweizer Geschichte geht sehr
oft mit
der positiv gewerteten Einsicht einher, dass diese von einer grossen
Kontinuität geprägt sei. Leider trifft diese Feststellung
auch auf den Antisemitismus zu. Die rhetorische Frage "Bei uns wie
überall?", mit der Friedrich Külling seine Dissertation 1977
überschrieb, zeugt von einer Tabuisierung und Ausblendung des
Antisemitismus als Bestandteil des helvetischen Alltages und der
Schweizer Geschichte. Der SIG verstand den Antisemitismus primär
als einen BegrifL den es aus einer juristischen Perspektive zu
definieren galt. All seine Bemühungen im Kampf gegen den
Antisemitismus in der Schweiz galten genau diesem Bestreben, dem jedoch
kein Erfolg beschieden war.
Eine zweite Perspektive, die der Gemeindebund
gegenüber dem
Antisemitismus in der Schweiz einnahm, war eine theologische. Der
Antisemitismus galt in dieser Leseart als theologisch interpretierbarer
Begriff, der durch den gegenseitigen Dialog zwischen Judentum und
Christentum überwunden und in eine positive Definition des
Gegenübers umgewandelt werden konnte. Diese Diskussion wurde
vorwiegend von den Rabbinern in der Schweiz geführt und entzog
sich dadurch über weite Strecken der "Kontrolle)) des SIG. [...]
Noch während meiner Rekrutenschule Mitte der 1990er Jahre
habe ich
erlebt, dass wir einen "gestampften Jud", eine Fleischkonserve,
‚vorgesetzt bekamen.
Das Judenfeindliche und Unappetitliche dieses Ausdruckes ging im
männerbündischen Gebaren unter. Immerhin legten einige meiner
Mit-Rekruten die Büdhse auf die Seite. Ob aus Ekel oder Protest
kann ich nicht beurteilen. Mich störte dieser Begriff sehr, er
machte wütend.
Abwiegelnd wurde mir versichert, dass die Bezeichnung ja nicht
böse - und schon gar nicht antisemitisch - gemeint sei. Diesen
Ausdruck "kannte man halt". Der Vater sprach davon, der Bruder kannte
ihn auch. Erinnerungen verbinden. Mit Blick auf die, die nichts vom
"gestampften Jud" essen wollten, war von einer
"Übersensibilität" die Rede. Argumente, die sich auch in der
unmittelbaren Nachkriegszeit in der Presse und in Korresponden-zen
finden lassen. Einige Jahre später bekam ich als Student Akten des
Gemeindebundes in die Hände. Der SIG hatte sich bezüglich des
"gestampften Jud" bereits 1962 bei den militärischen Stellen
beschwert. Diese versprachen, dieser Unsitte Einhalt zu gebieten. Der
"gestampfte Jud" hielt sich jedoch im militärischen Sprachgebrauch
kontinuierlich und hartnäckig weiter.
Der Gemeindebund blieb dem Antisemitismus gegenüber
bis zum
heutigen Tage wachsam und passte seine Abwehrarbeit den Gegebenheiten
der Zeit an. Der latente oder manifeste Antisemitismus, so wie er sich
in den Augen des SIG präsentierte und nach wie vor
präsentiert, wird bis auf den heutigen Tag im Archiv des
Gemeindebundes dokumentiert. Die Analyse des Antisemitismus muss
weitergehen, da er eine die Demokratie zersetzende Wirkung hat. Deshalb
kann und darf nicht nur der Gemeindebund grösstes Interesse daran
haben, antisemitische Erscheinungsformen zu kennen und ihnen
entgegenzutreten. Hier sind alle Bürgerinnen und Bürger eines
demokratischen Staates gefordert.
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ASYL
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BZ 26.11.10
Ohrfeige für Blocher und Widmer-Schlumpf
Asylgesetz Die Ständeratskommission schickt die
Asylgesetzrevision zurück ans Justizdepartement - Bundesrätin
Sommaruga solls nun richten.
Das Justizdepartement muss neue Vorschläge für
die
Asyl- und Ausländergesetzrevision erarbeiten. Die vom Bundesrat
vorgeschlagenen Änderungen hat die staatspolitische Kommission des
Ständerats diese Woche einstimmig zurückgewiesen. Mit der
Begründung, die Gesetzesänderungen seien
"Pflästerlipolitik". Vielmehr müsse der Vollzug gestrafft und
verbessert werden.
Die Ablehnung der Kommission sei ganz grundsätzlich,
wie
Rolf Büttiker (FDP, SO) auf Anfrage sagt. "Bei jeder
Asylgesetzrevision hat man versprochen, das Asyl- und
Ausländerwesen werde jetzt reorganisiert, danach sei alles besser.
Schon Christoph Blocher hat das gesagt." Tatsächlich sei mit allen
Gesetzesrevisionen der letzten Jahre nie eine Verbesserung eingetreten.
"Das Problem liegt nicht beim Gesetz, sondern beim
Vollzug.
Dieser muss gestrafft werden", sagt Büttiker. Doch die Kommission
übte auch Detailkritik. Der umstrittenste Änderungsvorschlag
des Bundesrats war die Abschaffung der Möglichkeit, auf Schweizer
Vertretungen im Ausland Asylgesuche stellen zu können. "Wenn die
Leute im Ausland keine Asylgesuche mehr stellen können, kommen sie
eben in die Schweiz", sagt Büttiker. Auch die Halbierung der
Beschwerdefrist in Asylverfahren von 30 auf 15 Tage stiess auf Kritik
sowie die Ablösung der Hilfswerke bei den Anhörungen der
Asylbewerber.
Weiter hatte der Bundesrat vorgeschlagen, politische
Tätigkeiten in der Schweiz, die nur dem Flüchtlingsstatus
dienen sollen, strafrechtlich zu verfolgen.
Die Absage an all diese Vorschläge ist nicht nur eine
Rüge an Eveline Widmer-Schlumpf, die als Justizministerin die
Vorlage verantwortet hat. Man wolle der neuen Departementsvorsteherin
Simonetta Sommaruga auch die Chance geben, im Ausländer- und
Asylbereich selber Pflöcke einzuschlagen.
Claudia Blumer, Newsnetz
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Landbote 26.11.10
Ständeräte für starke Verkürzung des
Asylverfahrens
Die Staatspolitische Kommission des Ständerates ist
mit den
Vorschlägen des Bundesrates zur Verschärfung des Asyl- und
Ausländerrechts nicht zufrieden.
Bern - Bis Ende März soll nach dem Willen der
Ständeratskommission die neue Justizministerin Simonetta Sommaruga
prüfen, wie das Asylverfahren "grundlegend und wesentlich"
verkürzt werden könnte. Kommissionssekretär Martin Graf
bestätigte gestern eine entsprechende Meldung von
"Tages-Anzeiger"/Newsnetz. Die Kommission hatte den Entscheid vom
Dienstag nicht bekannt gegeben. Kommissionsmitglied Rolf Büttiker
(FDP, SO) sagte auf Anfrage, der Prüfungsauftrag komme einer
Rückweisung gleich. Der Entscheid fiel laut Büttiker
einstimmig. Die Kommission sei mit den Vorschlägen der
früheren Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf nicht zufrieden,
es handle sich um "Pflästerlipolitik". Das Problem liege
primär beim Vollzug, dieser müsse gestrafft werden.
Der Bundesrat hatte im Mai Änderungen des Asyl- und
Ausländerrechts verabschiedet - mit dem Ziel, den Vollzug zu
beschleunigen und die Attraktivität der Schweiz als Asylland zu
senken, wie Widmer-Schlumpf damals sagte. Nach dem Willen des
Bundesrates soll es nur noch in bestimmten Ausnahmefällen
Nichteintretensverfahren geben. In allen übrigen Fällen soll
ein rasches und einheitliches materielles Verfahren durchgeführt
werden. Die Beschwerdefrist will der Bundesrat von 30 Tagen auf 15 Tage
verkürzen. Als flankierende Massnahme zum gestrafften Verfahren
sollen Hilfswerke den Asylsuchenden eine vom Bund finanziell
unterstützte allgemeine Beratung anbieten. Abschaffen will der
Bundesrat weiter die Möglichkeit, ein Asylgesuch in einer
Schweizer Botschaft im Ausland einzureichen. Auch bei den
Asylgründen will der Bundesrat die Schraube anziehen.
Dienstverweigerer und Deserteure sollen kein Asyl erhalten, wenn nicht
noch andere Asylgründe vorliegen. (sda)
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AUSSCHAFFUNGEN
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WOZ 25.11.10
"Aufruf der Hundert"
Der Ort, die Zeit, das Wort
Die Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative und
den
Gegenvorschlag von diesem Wochenende hat viele
KünstlerInnen mobilisiert. Kunst+Politik hat dazu einen "Aufruf
der Hundert" veröffentlicht.
Von Adrian Riklin
Ein Jahr ist vergangen, seit sich die Mehrheit der
Schweizer
StimmbürgerInnen für das Minarettverbot ausgesprochen hat.
Der vorläufige Höhepunkt von Verschärfungen in der
Ausländerpolitik hat zu einer ausserparlamentarischen Opposition
geführt. So etwa haben sich neben dem Club Helvétique, der
sich für eine Stärkung der Demokratie (und die Rechte von
Minderheiten) einsetzt, unter dem Namen Kunst+Politik
Schriftstellerinnen und Künstler zusammengetan: Sie wollen sich
mit ihren Mitteln in die öffentliche Diskussion einbringen und so
der ausländerfeindlichen Stimmung eine Kraft entgegensetzen (siehe
WOZ Nr. 38/10).
Die drohende Annahme der Ausschaffungsinitiative (oder des
Gegenvorschlags) hat zusätzliche Kräfte mobilisiert. Die drei
von Kunst+Politik lancierten Kurzfilme "Vor die Tür" des
Filmemachers Micha Lewinsky haben eine Beachtung gefunden, die die
Erwartungen weit übertroffen hat. Das gilt auch für die
mediale Präsenz einer von Kunst+Politik organisierten
Veranstaltung im Zürcher Theater Neumarkt vor zwei Wochen - mit
AutorInnen wie Erica Pedretti, Ruth Schweikert, Melinda Nadj Abonji,
Franz Hohler oder Peter Stamm.
Pflichtliteratur - Pflichtlektüre?
Tief blicken liess die Diskussion dazu auf "Tagesanzeiger
Online"
- oder eher: die überwältigende Zustimmung zur zynischen
Onlineberichterstattung. 180 LeserInnen taten ihre Meinung kund, drei
Viertel entpuppten sich als glühende BefürworterInnen der
menschenrechtsfeindlichen Initiative. Zum Ausdruck brachten sie einmal
mehr den Hass auf "Intellektuelle". Ein weiteres Beispiel dafür,
wie breitensporttauglich das Bashing geworden ist - und wie
es von Medienkonzernen angeheizt wird.
Ein direkter Zusammenhang zwischen intellektuell und
kriminell
wurde noch nicht hergestellt: Und doch sieht sich der nachdenkliche
Künstler bei solchem Zeitgeist mit der Frage konfrontiert, ob es
nicht besser wäre, sich auf die eigentliche Arbeit zu
konzentrieren (unter der Voraussetzung, dass es sich dabei um
Auseinandersetzungen mit menschlichen und also gesellschaftlichen
Verhältnissen handelt) - statt sich im Aktivismus zu
verausgaben. Will heissen: die handwerkliche Aufgabe auf sich zu nehmen
und an Gedanken, Satzgebilden und Sprachbildern zu arbeiten, die sich
nötigenfalls auch noch in fünfzig Jahren einsetzen liessen.
Wie jener Satz von Max Frisch aus dem Jahre 1955: "Wir riefen
Arbeitskräfte, und es kamen Menschen."
Ansonsten kann die voreilige Funktionalisierung des Wortes
im
Dienst einer politischen Sache umgehend im Flachgebiet gut gemeinter
Parolen enden. Solche sind auch im "Aufruf der Hundert" auf der Website
von Kunst+Politik zu finden. Zuweilen hat man den Eindruck, man lese
Arbeiten von LiteraturstudentInnen, die dazu geprügelt wurden, ein
paar originelle Sätze zum vorgegebenen Thema zu verfassen.
Was auf die Pflichtliteratur folgt, liegt auf der Hand:
Pflichtlektüre. Doch ist Literaturkritik fehl an diesem Platz.
Hier geht es nicht um einen Talentwettbewerb. Es geht um Recht. Kommt
hinzu: Der Fluch der Schriftstellerin, die sich öffentlich zu Wort
meldet, um ihre Haltung zur politischen Situation kundzutun, besteht
zunehmend darin, dass sie zunächst als Fotomodell wahrgenommen
(und bewertet) wird, dann als Autorin - und erst viel später, wenn
überhaupt, als Citoyenne.
Realpoetisches Einleuchten
Vielleicht besteht die Kunst unter solchen Bedingungen
darin, auf
möglichst alle äusseren Erkennungsmerkmale der Kunst zu
verzichten: nicht also im künstlerischen Kleid aufzutreten,
sondern überhaupt erst den Ort und den Zeitpunkt für das
passende Wort zu finden und den Ton. Wer sucht, der findet solche Worte
auch im "Aufruf der Hundert": Sätze, die auch noch in fünfzig
Jahren in einem Schulbuch stehen könnten. Zeitlos aktuelle
Sätze, die vor den Abstimmungen auf grossen Plakaten geschrieben
stehen sollten - und auch in den Tagen und Jahren danach. Texte, die
nicht pseudopolitisch blenden, sondern realpoetisch einleuchten. Zum
Beispiel Franz Hohlers "Gegenvorschlag":
"Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: / Art.
121
Abs. 3-5 (neu) / I / 3 im Wissen darum, dass ohne sie / a) weder
Häuser, Strassen noch Tunnels gebaut würden, / b) weder
Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Hotels und Restaurants
betrieben würden, / c) weder Abfall, Reinigung, Verkehr und
Informatik bewältigt würden, / bedankt sich die
Eidgenossenschaft bei allen Ausländerinnen und Ausländern,
die hier arbeiten. / Sie gibt ihrer Freude darüber Ausdruck, dass
sie mit ihrer Tätigkeit das Leben in unserem Lande
ermöglichen und heisst sie als Teilnehmer dieses Lebens
willkommen. / 4 Sie hofft, dass es ihnen gelingt, sich mit
den hiesigen Gebräuchen vertraut zu machen, ohne dass sie ihre
Herkunft verleugnen müssen. / 5 Sollten sie straffällig
werden, unterliegen sie denselben gesetzlichen Bestimmungen wie die
Schweizer Bürgerinnen und Bürger. / II /
Übergangsbestimmungen: / Dieser Gegenvorschlag bedarf nicht der
Volksabstimmung. Er tritt für jedermann vom Moment an in Kraft, da
er dessen Richtigkeit erkannt hat."
Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung. Oder frei nach
Max
Frisch: Jetzt nur die Wut nicht verlieren - und die Sprache.
Alle Texte unter dem Titel "Aufruf der Hundert" unter:
http://www.kunst-und-politik.ch
--
Reporter ohne Grenzen
"Bilder zum Lesen"
Für einmal thematisiert die Organisation Reporter
ohne
Grenzen nicht die von Krieg und Gewalt geprägte Aktualität.
Der neue Fotoband mit den hundert Bildern zur Pressefreiheit nimmt
einen mit auf eine Welt- und Zeitreise durch die vergangenen
fünfzig Jahre - betrachtet durch die Linse des Schweizer
Fotografen Jean Mohr. "Bilder zum Lesen" wünschte sich Mohr in dem
Band versammelt. Poetische Blicke auf eine Welt des Mysteriösen
und Schönen. Denn auch das sind Bilder gegen das Vergessen. Sie
zeugen von Alltagssituationen und Lebensweisen in Palästina,
Nordkorea oder Griechenland, die längst verschwunden sind.
Im Begleittext zum Buch bezeichnet Schriftsteller John
Berger
seinen Weggefährten als zurückhaltenden Beobachter, dessen
unerschütterlicher Realismus von einer geheimen Vision inspiriert
sei. Ein bemerkenswertes Kompliment an einen Fotografen, der an der
Seite humanitärer Organisationen jahrzehntelang Schauplätze
von Krieg und Katastrophen dokumentiert hat. mei
Reporter ohne Grenzen: "Jean Mohr. 100 Bilder für die
Pressefreiheit". Labor et Fides. Genf 2010. 144 Seiten. 16 Franken.
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WoZ 25.11.10
Kommentar
Es gibt eine andere Schweiz
Von Franz Hohler
Nach einem Gespräch mit einem SVP-Gemeinde rat auf
dem Markt
in Oerlikon überlegte ich mir, ob ich irgendetwas gegen die Enge
des Bildausschnittes tun könnte, der aus der
Ausschaffungsinitiative spricht. Ich beschloss dann, auch einen
Verfassungsartikel vorzulegen, schrieb einen "Gegenvorschlag", der den
Blick auf die Frage etwas erweiterte, und schickte ihn der
Kulturredaktion des "Tages-Anzeigers". Dort erschien er am 1. November,
und ab dann trat er einen Gang an, der mich in Erstaunen versetzte.
Er wurde von vielen, die ihn gelesen hatten, kopiert und
weitergereicht, er machte als E-Mail-Attachment die Runde, fand Eingang
in Predigten, Pfarrblätter und Facebook, in Schulhäuser,
Klassenzimmer und Grossraumbüros, er schlich sich als Leserbrief
in die Zeitungen, es gab spontane Sammlungen, damit er als Inserat
erscheinen konnte, in Gemeindeanzeigern, Tageszeitungen und
Gratisblättern, viertelseitig, halbseitig, ganzseitig, zum Teil
mit den Unterschriften derjenigen, die die Publikation mittrugen, zum
Teil wurde eine Anzeige auch von Einzelnen bezahlt, Schülerinnen
und Schüler, die etwas beitragen wollten, "weil wir noch nicht
abstimmen dürfen", verteilten ihn in Trams und Bussen,
Studentinnen und Studenten klebten ihn frühmorgens auf die
Titelseiten der Gratiszeitungen oder hängten ihn als
handgeschriebenes Plakat auf, eine Frau vergrösserte ihn auf
Weltformat und stellte sich damit auf den Marktplatz, um mit den Leuten
zu diskutieren, mein Nachbar brachte ihn von einem Café nach
Hause, in dem er zum Mitnehmen auflag, eine Schulvorsteherin
ergänzte ihn um einen weiteren Artikel, der die ausländischen
Schulkinder mit einbezog, meine Mailbox füllte sich so schnell,
dass mir der Provider den Speicherplatz erweiterte, eine Frau schrieb
mir, ihr seien im Zug die Tränen gekommen, als sie das "20
Minuten"-Inserat gesehen habe, ein Gymnasiast schrieb, er habe meinen
Gegenvorschlag in "seine persönliche Verfassung" aufgenommen - ich
bin überwältigt.
Wie immer die Abstimmung ausgeht, ich weiss, dass es auch
eine
andere Schweiz gibt, eine Schweiz jenseits von xenophobem
Donnergrollen, wie immer die Abstimmung ausgeht, ich werde die Hoffnung
nicht verlieren.
---
WoZ 25.11.10
Ausschaffungsabstimmung
Vernünftige gegen TräumerInnen?
Das gibt Ärger: Flüchtlingshilfe-Chef Beat
Meiner
bezichtigt die WortführerInnen eines doppelten Neins zu
Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag als Zyniker und Träumer
und sucht die Allianz mit FDP-Hardliner Philipp Müller. Dabei
kämpft seine eigene Basis gegen den Gegenvorschlag.
Von Dinu Gautier
Kurz vor der Abstimmung über Ausschaffungsinitiative
und
Gegenvorschlag liegen die Nerven blank: In den Reihen der
InitiativgegnerInnen ist ein Konflikt eskaliert. Im Zentrum der
Aufregung: Beat Meiner, der Generalsekretär der Schweizerischen
Flüchtlingshilfe (SFH), der AnhängerInnen eines doppelten
Neins hart kritisierte.
Zur Eskalation führte eine Pressekonferenz am letzten
Freitag in Bern, wo um ein Ja zum Gegenvorschlag geworben wurde. Es
nahmen teil: Bea Heim und Andy Tschümperlin (beide SP), Gerhard
Pfister (CVP), Philipp Müller (FDP) - und Beat Meiner. Das Motto
des Anlasses: "Herz und Verstand müssen gewinnen". Meiner
bezeichnete die Anwesenden als eine "Koalition der Vernünftigen"
und bezichtigte jene, die sich für ein doppeltes Nein einsetzen,
der "Träumerei".
Dachverband gegen Mitglieder
Die Flüchtlingshilfe ist ein Dachverband, der von
fünf
NGOs getragen wird. Davon setzen sich die grössten drei offiziell
für ein doppeltes Nein ein: Amnesty International, Caritas und
Heks. Alles Träumer? Daniel Graf, Mediensprecher von Amnesty
International, hält fest: "Wir waren an dieser Pressekonferenz
nicht beteiligt." Amnesty setze sich konsequent für ein doppeltes
Nein ein, weil auch der Gegenvorschlag Vorurteile gegenüber der
ausländischen Wohnbevölkerung verstärken und zu
"diskriminierender Doppelbestrafung" führen könne.
Fragt sich, wieso die drei Organisationen trotz Mehrheit
im
SFH-Vorstand die Ja-Parole nicht verhinderten. Beat Meiner sagt, der
Vorstand habe im Juni einstimmig ein Ja gutgeheissen. Daniel Graf: "Im
Vorstand der SFH gab es keine offizielle Abstimmung. Unsere Vertretung
konnte sich nicht abschliessend dazu äussern, da wir zu diesem
Zeitpunkt - wie auch andere Hilfswerke - noch keine Abstimmungsparole
gefasst hatten." Die Pressestelle des Heks verweigert jeden Kommentar.
Caritas-Direktor Hugo Fasel war nicht erreichbar. Offenbar haben es die
Organisationen versäumt, das Thema nach ihrer Parolenfassung in
der SFH erneut zu traktandieren.
Nicht nur die Stossrichtung der Pressekonferenz, sondern
auch
Meiners Auftritt neben Philipp Müller gibt zu reden. Müller
hat sich einst mit einer Initiative einen Namen gemacht, die den
AusländerInnenanteil in der Schweiz auf 18 Prozent
beschränken wollte. Seither profiliert er sich in Parlament und
Medien als Hardliner in Asyl- und Migrationsfragen. Am Donnerstag, sagt
Müller, habe ihn Meiner für die Pressekonferenz angefragt,
und er habe spontan zugesagt.
Ueli Leuenberger, Präsident der Grünen, zeigte
sich in
einer Mail an Beat Meiner enttäuscht: "Du und Dein neuer Wegge
fährte (18-Prozent-Müller) bezeichnen uns als Träumer.
Ausgerechnet uns, die sich seit Jahrzehnten für Flüchtlinge
und MigrantInnen engagieren."
"Reichlich bizarr"
Verärgert hat die Pressekonferenz auch
Solidarité
sans frontières. Die Organisation koordiniert Aktivitäten
der asyl- und migrationspolitischen Basisbewegungen. Für
Generalsekretär Moreno Casasola ist die Allianz mit Müller
"reichlich bizarr". Er schickte Beat Meiner einen offenen Brief, in dem
er dessen Position als "nicht nachvollziehbar" bezeichnete. Der
Gegenvorschlag übernehme die fremdenfeindliche Idee der Initiative
und giesse sie in eine juristisch korrekte Form, was die Grundidee
wiederum verharmlose. "Der Integrationsartikel wird dazu führen,
dass das Parlament neue Integrationsforderungen aufstellt und
gleichzeitig die Förderung vernachlässigt", sagt Casasola.
Selbst der Schriftsteller Franz Hohler intervenierte bei
Beat
Meiner. Sein Konterfei war auf der SFH-Website gleich neben dem
Konferenz-Communiqué zu sehen, obwohl Hohler öffentlich
für ein doppeltes Nein eintritt.
Beat Meiner nimmt Stellung: "Ohne Kompromisse gibt es in
der
Politik keine Lösungen", so der SFH-Chef. Auf die Frage, was denn
ein Philipp Müller mit "Herz und Verstand" zu tun habe, sagt
Meiner: "Jeder hat Herz und Verstand, der für den Gegenvorschlag
kämpft." Er habe sich selber aktiv für das Zustandekommen des
Gegenvorschlags eingesetzt. "Mir war bald klar: Nur damit ist die sehr
populäre Ausschaffungsinitiative zu stoppen." Was zunächst
eine rein taktische Überlegung gewesen sei, habe sich in eine
inhaltliche gewandelt, als der Integrationsartikel aufgenommen wurde.
"Künftig müssten Bund, Kantone und Gemeinden bei allen
Geschäften die Frage der Integration berücksichtigen - und es
ist sonnenklar, dass viel mehr Mittel in diese zentrale Aufgabe
fliessen würden." Das sei insgesamt positiv, auch wenn er den
repressiven Teil nicht toll finde, so Meiner. "Die allermeisten, die
sich für ein doppeltes Nein einsetzen, tun dies sicher aus edlen
Motiven. Die Parteistrategen und Wortführer hingegen betreiben mit
ihren falschen Behauptungen offenbar lieber Symbol- als Sachpolitik.
Sie handeln überdies zynisch, weil sie ganz genau wissen, dass die
Initiative ohne Gegenvorschlag mit mindestens sechzig Prozent
Zustimmung angenommen würde. Zynisch deshalb, weil dies eben auf
dem Buckel derjenigen geschieht, für die sie sich einzusetzen
vorgeben."
Das wiederum lässt Valentina Smajli nicht gelten. Die
gebürtige Kosovarin ist Geschäftsleitungsmitglied der SP:
"Alle fortschrittlichen Organisationen, die sich mit Migration
beschäftigen, auch jene der Migranten selber, setzen sich für
ein doppeltes Nein ein - ausser die SFH", so Smajli.
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NZZ 25.11.10
Engere Grenze für Ausschaffungshaft
(sda) · Ab dem 1. Januar gelten neue Regeln bei
Ausschaffungen. Der Bundesrat hat auf diesen Zeitpunkt Änderungen
des Ausländer- und Asylgesetzes in Kraft gesetzt. Es handelt sich
um Anpassungen an die Rückführungsrichtlinie der EU, zu denen
die Schweiz nach dem Schengenabkommen verpflichtet ist. Damit wird die
Höchstdauer der Ausschaffungshaft von 24 auf 18 Monate
verkürzt. Neu können zudem Personen, die sich illegal in der
Schweiz aufhalten, nicht mehr formlos, sondern nur in einem Verfahren
weggewiesen werden. Ferner müssen auf Ausschaffungsflügen
unabhängige Beobachter mitreisen. Das Bundesamt für Migration
hat dafür bisher keine Organisation gefunden. Es will die Aufgabe
demnächst ausschreiben.
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St. Galler Tagblatt 25.11.10
Neue Richtlinie bei Ausschaffung
bern. Der Bundesrat setzt Änderungen des
Ausländer- und
Asylgesetzes auf den 1. Januar in Kraft. Es handelt sich um Anpassungen
an EU-Normen. Weil die neue Richtlinie eine Weiterentwicklung des
Schengen-Abkommens darstellt, ist die Schweiz dazu verpflichtet, sie zu
übernehmen. Damit wird die maximale Dauer der Ausschaffungshaft
von 24 auf 18 Monate verkürzt. Neu ist auch, dass Personen, die
sich illegal in der Schweiz aufhalten, nicht mehr formlos, sondern nur
nach einem Verfahren weggewiesen werden können. Die Richtlinie
sieht ferner vor, dass auf Ausschaffungsflügen unabhängige
Beobachter mitreisen müssen. Dies stellt den Bund vor Probleme:
Das Bundesamt für Migration (BFM) hat bisher keine Organisation
gefunden, welche diese Aufgabe übernehmen will. Als
Übergangslösung sollen Mitglieder der Kommission zur
Verhütung von Folter die Flüge begleiten. (sda)
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MIGRATION CONTROL
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Die Zeit 25.11.10
Unser Türsteher
Libyens Staatschef Muammar al-Gadhafi soll
Flüchtlingsströme aus Afrika verhindern. Dafür wird er
von den Europäern hofiert wie kein anderer Diktator
VON ANDREA BÖHM
Wer im Golf von Sidra auf Fisch- fang geht, muss auf der
Hut
sein. Die libysche Küstenwache sucht dort nach
Bootsflüchtlingen. Manchmal bringt sie auch italienische Trawler
auf. Darum nahm Gaspare Marrone, Kapitän derAriete, in der Nacht
zum 13. September mit Volldampf Kurs in Richtung italienische
Küste, als ihn ein libysches Schnellboot auf internationalen
Gewässern zum Beidrehen aufforderte. Das nächste, was Marrone
hörte, waren Salven aus einem Maschinengewehr. Er schaffte es
unverletzt und mit durchlöcherter Bordwand bis zur nahe gelegenen
Mittelmeerinsel Lampedusa.
Der Vorfall löste in Italien Proteste der Opposition
aus.
Denn bei dem Schnellboot handelt es sich um ein Geschenk der
italienischen Regierung an Libyen zur Bekämpfung illegaler
Migration. Und in jener Septembernacht befanden sich neben
Angehörigen der libyschen Küstenwache auch italienische
Polizisten an Bord - als "technische Berater". Für den
italienischen Innenminister Roberto Moroni kein Grund zur Aufregung.
Libyen habe sich entschuldigt, die Patrouille habe den Trawler "wohl
mit einem Migrantenschiff verwechselt".
Die Schüsse auf die Ariete stehen nicht auf der
Tagesordnung, wenn sich an diesem Montag die Staats- und
Regierungschefs Europas und Afrikas in der libyschen Hauptstadt
Tripolis zum dritten Gipfel zwischen Europäischer und
Afrikanischer Union treffen. Und es ist der ganz große Auftritt
für den Gastgeber, einen Mann, der ohnehin nicht zu kleinen Gesten
neigt: Revolutionsführer Muammar al-Gadhafi, seit 1969 an der
Macht, ehemals Erzfeind der USA, in den achtziger Jahren
mutmaßlicher Drahtzieher eines Bombenanschlags auf eine Berliner
Diskothek, auf ein amerikanisches und ein französisches
Passagierflugzeug, Zielscheibe eines ebenso terroristischen
Luftangriffs der USA, Förderer zahlreicher Rebellenund
Terrorgruppen. Heute ist Gadhafi Mitstreiter des Westens im Kampf gegen
al-Qaida und Verhandlungspartner der Europäischen Union, die um
seine Gunst so hartnäckig buhlt wie bei keinem anderen
afrikanischen Staatsoberhaupt. Denn die EU wünscht sich Libyen in
der neuen Rolle eines verlässlichen Wirtschaftspartners und
Türstehers Europas, der Flüchtlinge und illegale Migranten
abhält.
Die Geschichte der Annäherung Europas an einen der
dienstältesten Diktatoren erzählt viel über die
politische Uberlebenskunst des Muammar al-Gadhafl. Sie erzählt
auch viel von Europas wachsender Schwierigkeit, strategische Interessen
wie die Steuerung von Migration mit dem viel beschworenen Kern seiner
Identität und seiner Außenpolitik zu vereinbaren: dem
Bekenntnis zu Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Berlusconis Libyen-Politik lautet: "Mehr Gas, weniger
illegale
Einwanderung"
Das Tauwetter zwischen Libyen und dem Westen beginnt unmittelbar
nach
den Terroranschlägen al-Qaidas vom 11. September2001. Gadhafi, zu
diesem Zeitpunkt noch Ziel amerikanischer und europäischer
Sanktionen, verdammt die Attentäter als "gottlose Verfechter eines
politischen Islams". Das tut er nicht nur aus taktischen Gründen.
Religiöser Fundamentalismus ist ihm ein Gräuel, und er sieht
ihn als Bedrohung seiner eigenen Macht. Im "Krieg gegen den Terror"
steht Gadhafi nun plötzlich auf der Seite des Westens. Als er zwei
Jahre später sämtliche Programme zur Herstellung von
Massenvernichtungswaffen stoppt und über zwei Milliarden Dollar
Schadensersatz für die Hinterbliebenen der Opfer des
Lockerbie-Flugzeugattentats hinterlegt, werden die Sanktionen
aufgehoben. Libyen bewegt sich aus seiner jahrzehntelangen Isolation
heraus. Der Mobilfunkmarkt und Internetcafés boomen, die
veralteten Olförderanlagen werden erneuert. Benzin bleibt
spottbillig, der Besitz eines Autos galt schon vorher als Grundrecht,
jetzt kommt die Satellitenschüssel als neues Statussymbol hinzu.
Die Jugend genießt nun libanesische Seifenopern, statt ödes
Staatsfernsehen zu schauen. Zumindest wirtschaftlich hat sich Libyen
dramatisch verändert. Die Frage ist: Hat sich auch Muammar
al-Gadhafi verändert?
Ja, fand vor drei Jahren die damalige EU-Kommissann für
Außenbeziehungen und Nachbarschaftspolitik, Benita
Ferrero-Waldner, und unterzeichnete im Juli2007 mit der libyschen
Regierung ein Memorandum of Understanding eine Absichtserklärung
für ein sogenanntes Rahmenabkommen, in dem die neue Zusammenarbeit
zwischen Europa und Libyen auf eine juristisch verbindliche Grundlage
gestellt werden soll. So werde, erklärte Ferrero-Waldner, "die
Beziehung zwischen der EU und Libyen gestärkt". Zu diesem
Zeitpunkt hatte der Oberste Gerichtshof Libyens gerade die Todesurteile
gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen
palästinensischen Arzt bestätigt, die "gestanden" hatten,
mehrere Hundert Kinder in einem Krankenhaus vorsätzlich mit dem
HI-Virus infiziert zu haben. Nach Intervention von Ferrero-Waldner und
Frankreichs damaliger First Lady Ckilia Sarkozy wurden der Arzt und die
Krankenschwestern freigelassen. Bulgarien erließ Libyen
Auslandschulden in Höhe von über 50 Millionen Dollar,
Cécilias Gatte Nicolas Sarkozy unterzeichnete am Tag nach der
Freilassung mit Gadhafi eine "Vereinbarung über atomtechnische und
militärische Zusammenarbeit". Und EU-Kommissarin Ferrero-Waldner
lobte die Politik Libyens, "seine Position in der internationalen
Gemeinschaft zu festigen".
Es ist eine alte Klage, dass die Vision einer gemeinsamen
wertegeleiteten EU-Außenpolitik immer wieder durch nationale
Alleingänge ihrer mächtigsten Mitgliedsländer
untergraben wird. Im Fall Libyen stellt sich allerdings die Frage, ob
eine solche gemeinsam formulierte Politik sehr viel anders ausgefallen
wäre oder ob die Mehrheit der Mitgliedsländer nicht ganz
willig dem Kurs folgt, den einzelne Nationen vorgeben. Was die
Umwerbung Libyens betreffe, so heißt es bei der ständigen
Vertretung Deutschlands bei der EU, "so waren wir nicht die
Hauptantreiber". Es seien Frankreich, Spanien, Malta und Zypern
gewesen. Deutschland habe den Prozess lediglich am Rande begleitet.
"Aber das, was die EU macht, können wir so mittragen."
Doch der eigentliche Hauptantreiber ist Italien - und ob dessen
Politik
tragbar ist, wird demnächst der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte überprüfen. "Mehr Gas, mehr Benzin,
weniger illegale Einwanderung" - mit diesen Worten hat Italiens
Ministerpriisident Silvio Berlusconi seine Libyen-Politik umschrieben.
Berlusconis Vorgehen ist weniger ein Vorstoß als eine Reaktion
auf eines der umstrittensten Themen innerhalb der EU: den Umgang mit
illegalen Einwanderern und Flüchtlingen. Seitdem sich die
EU-Mitgliedsländer - vor allem auf deutschen Druck - darauf
verständigt haben, dass Asylverfahren in dem Land durchgeflihrt
werden müssen, in dem der Asylbewerber das EU-Gebiet betreten hat,
wird das Flüchtlingsproblem buchstäblich an den Band Europas
gedrängt. Die Folgen sieht man aktuell in den katastrophalen
Asylunterkünften in Griechenland, das weder wifiens noch in der
Lage ist, humanitäre Mindeststandards einzuhalten und
Asylanträge zu bearbeiten. Die Folgen sah man bis vor einigen
Jahren auch in den überfüllten Aufnahmelagern auf Malta und
Lampedusa, wo, aus dem Transitland Libyen kommend, Tausende von
Bootsflüchtlingen anlandeten.
Inzwischen haben sich die Auffanglager inItalien deutlich
geleert. Warum? Weil Italien - zum Teil mit logistischer Hilfe der
europäischen Grenzagentur Frontex und in Kooperation mit der
libyschen Küstenwache - dazu übergegangen ist,
Bootsflüchtlinge auf hoher See abzufangen und nach Libyen
zurückzuverfrachten. Was ihnen dort droht, ist in den Berichten
von Amnesty International, Human Rights Watch, Pro Asyl oder dem
Flüchtlingsdienst der Jesuiten nachzulesen: Inhaftierung in
überflulten Gefängnissen, Unterernährung, Schläge
(vor allem für Flüchtlinge aus nicht muslimischen
Ländern), Abschiebung in überfüllten fensterlosen
Containern an die libysch-sudanesische Grenze, wo die Flüchtlinge
von libyschen Grenzern oft direkt wieder an Menschenschmuggler verkauft
werden. Bei einem Ausbruch im August 2009 aus dem Gefangenenlager
Ganfouda nahe der libyschen Stadt Benghazi töteten
Sicherheitskräfte mehrere Insassen durch Schüsse und
Messerstiche. Die Jesuiten weisen in ihrem Bericht nachdrücklich
darauf hin, dass es sich bei einem großen Teil der Migranten, die
von Libyen aus nach Europa zu gelangen versuchen, um Flüchtlinge
gemäß der Genfer Konvention handelt. Vor allem Somalier und
Eritereer haben aufgrund der Lage in ihren Heimatländern Anspruch
auf Schutz. Libyen aber kennt weder ein Asylverfahren, noch hat es die
Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet, noch erlaubt es dem
UN-Flüchtlingskommissariat, ungehindert im Land zuarbeiten.
Flüchtlinge in ein solches Land zurückzuschieben ist ein
Bruch des völkerrechtlichen Grundsatzes, wonach kein
Flüchtling in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem
sein Leben geflihrdet sein könnte. Ein italienischer Anwalt hat
nun den Fall von 24 Somaliern und Eritreern vor den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebracht, die von der
italienischen Marine vor Lampedusa aufgegriffen und den Behörden
in Tripolis übergeben wurden.
"Mit Gadhafi kann man keinen Deal über
Flüchtlingsschutz machen"
Bislang hat kein anderes EU-Mitgliedsland Italien für seine
push
back-Praxis kritisiert. Aber womöglich wird das Urteil des EMGR
jener italienisch-libyschen Partnerschaft einen Schlag versetzen, die
Berlusconi und Gadhafi im August 2008 in einem "Freundschafts- und
Kooperationsabkommen" besiegelt haben. Darin entschuldigt sich
Itälien für sämtliche Verbrechen auf libyschem Boden
während seiner Kolonialzeit und verpflichtet sich zu einer
Entschädigung in Höhe von fünf Milliarden Dollar
(zahlbar über die nächsten 25 Jahre). Im Gegenzug erhält
Rom Öl- und Gaslieferungen sowie die Hilfe beim "Kampf gegen
illegale Migration". Seither stattet Gadhafi Italien, wo seine
Staatsunternehmen inzwischen als Anteilseigner bei Fiat, der
UniCredit-Bank und dem Fußballklub Juventus Turin eingestiegen
sind, regelmäßige Besuche ab. Zuletzt im August 2010, kurz
vor dem Kugelhage! auf die Ariete. Der Revolutionsflihrer belehrte wie
schon im Jahr zuvor ausgewählte italienische Hostessen über
die Vorzüge des Korans und die Freiheiten libyscher Frauen,
propagierte den Islam als Religion Europas und forderte an der Seite
des strahlenden Berlusconi von der EU jährlich mehrere Milliarden
Euro, um Europa "vor der Invasion hungernder und ignoranter Afrikaner"
zu schützen.
Kurz zuvor hatte Gadhafi auf Vermittlung Berlusconis seine
Auseinandersetzung mit der Schweiz vorläufig unterbrochen, die
2008 durch die kurzzeitige Festnahme eines Sohnes Gadhafis in dem Land
ausgelöst worden war. Der Revolutionsführer stoppte daraufhin
alle Öllieferungen in die Schweiz, zog Geld von Schweizer Konten
ab, forderte die Zerschlagung des gesamten Landes, nahm zwei Schweizer
Geschäftsleute in Libyen quasi als Geiseln und verhängte
zwischenzeitlich einen Visumstopp für sämtliche Bürger
aus den Schengen-Ländern.
Erst nach mehreren Berner Demutsgesten setzte Gadhafi
seinen
"Heiligen Krieg" gegen die Schweiz fürs Erste aus. Spätestens
zu diesem Zeitpunkt hätte man in Brüssel einen Aufschrei der
Empörung darüber erwartet, wen die EU da als Partner zu
kaufen versucht. Es wurden auch Zweifel laut. Nicht in der Kommission,
nicht im Europäischen Rat, auch nicht Berlin, Paris oder Rom,
sondern im Europäischen Parlament.
Das versuchte im Juni 2010 - nach den wiederholten
italienisch-libyschen push back-Operationen und unmittelbar nach der
Vollstreckung von 18 Todesurteilen in libyschen Gefängnissen -‚
mit einer Resolution in die Bremsen zu steigen. Keine Vereinbarung,
kein Abkommen, solange Libyen nicht die Genfer
Flüchtlingskonvention und andere Menschenrechtsabkommen
unterzeichnet und umsetzt, lautete die Forderung der Parlamentarier.
Und: Transparenz bei den Verhandlungen. Das Parlament weiß bis
heute nicht, unter welchen Maßgaben die Kommission mit Tripolis
verhandelt. Franziska Brantner, Abgeordnete der Grünen,
argwöhnt, dass die EU tatsächlich eine
"Rücknahmeklausel" durchsetzen will, Libyen also verpflichtet
werden soll, de facto sämtliche im Mittelmeer aufgegriffenen
Flüchtlinge zurückzunehmen - auch solche, die in Europa
Anspruch auf Schutz vor Krieg und Verfolgung hätten. Brantner ist
keineswegs grundsätzlich dagegen, dass die EU auch mit
undemokratischen Regimes Dialoge führt. "Aber mit Gadhafi kann man
keinen Deal über Flüchtlingsschutz machen." Die Frage ist, ob
der politische Wille für solche Erwägungen überhaupt
noch da ist oder ob Brüssel sich auf den Versuch beschränken
wird, Europas neuem Türsteher wenigstens ein paar humanitäre
Manieren beizubringen.
Am 4. Oktober 2010, genau drei Wochen nach den
Schüssen auf
den italienischen Trawler Ariete, unterzeichnete eine EU-Delegation
unter Leitung von Stefan Füle, Kommissar für Erweiterung und
Nachbarschaftspolitik, und Innenkommissarmn Cecilia Malmstro.m in
Tripolis eine Vereinbarung über "Migrationskooperation". Rund 50
Millionen Euro will die EU nun vor Ort investieren - unter anderem in
eine verbesserte Uberwachung der libyschen Grenzen und eine bessere
Betreuung und Versorgung illegaler Migranten. Gerade weil die Lage
für Flüchtlinge in Libyen so prekär sei, sagt
Malmstroem, müsse man alles unternehmen, um ihren Schutz zu
verbessern. "Den Status quo hinzunehmen ist für mich keine Option.
Nichts zu tun, weil Libyen sich womöglich nicht als
verlässlicher Partner erweist oder die Genfer Konvention nicht
unterzeichnet, wäre unmenschlich." Was stimmt. Nur beginnt die
Unmenschlichkeit eben nicht erst in libyschen Haftlagern, sondern
bereits mit der europäischen Strategie des push back, des
gewaltsamen Zurückschiebens von Flüchtlingen.
Die EU-Flüchtlings- und Migrationspolitik, so
heißt es
in einer Analyse des European Council on Foreign Relations, habe
wahrscheinlich wie kaum ein anderer Politikbereich Europas
Glaubwürdigkeit in Sachen Demokratie und Menschenrechte
beschädigt - und das in einer Phase, da Länder wie China,
Russland oder Iran die Deutungshoheit Europas in Sachen Demokratie und
Menschenrechte immer erfolgreicher infrage stellen. Auch dadurch
verliert Europa an Macht und Autorität. Libyen verweist in den
Verhandlungen mit der EU gern auf den katastrophalen Umgang mit
Flüchtlingen in Griechenland und auf die unzähligen
Migranten, die auf dem Weg zur Festung Europa im Mittelmeer ertrunken
sind.
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ANTI-ATOM
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Le Temps 27.11.10
"Le projet de centrale nucléaire au Niederamt est bon au
plan
technique et politique"
Giovanni Leonardi, président de la direction du
groupe
d'électricité Alpiq
Propos recueillis par Willy Boder
Propos recueillis par Willy Boder Le Temps: L'inspection
fédérale de la sécurité nucléaire a
avalisé trois dossiers de nouvelles centrales, dont celui de
Niederamt, à proximité du réacteur de Gösgen,
qui concerne directement Alpiq. Etes-vous satisfait?
Giovanni Leonardi: Cette approbation marque le
début d'un
long processus administratif et politique clairement
réglementé par la loi. La branche électrique
décidera sans doute au début de l'année 2012, soit
avant la publication du message du Conseil fédéral, quels
projets il convient de réaliser. Conformément à la
nouvelle stratégie énergétique du Conseil
fédéral, qui s'appuie aussi sur l'énergie
nucléaire, la branche électrique est d'avis que pour
compenser le déficit de production dû à
l'arrêt des anciennes centrales suisses et à
l'échéance de certains contrats d'importation avec la
France et pallier l'augmentation de la consommation
d'électricité, il faudra au moins deux nouvelles
centrales nucléaires en Suisse.
- Pourtant, le responsable financier du groupe Alpiq a
estimé qu'il n'y a pas la capacité financière, en
Suisse, de conduire deux projets pour un total de quelque
16 milliards de francs…
- Les propos de Kurt Baumgartner ont été mal
interprétés. Il n'a pas voulu dire que c'était
impossible, mais que mener plusieurs projets en parallèle
multiplie les risques de gestion, au niveau administratif, politique et
financier. Pour les maîtriser, la branche électrique
devrait pouvoir compter sur des conditions-cadres stables, ce qui n'est
jamais garanti pour ce genre d'installations. Il est donc raisonnable
d'envisager des constructions échelonnées sur quelques
années. C'est d'autant plus logique que l'arrêt des
centrales existantes se fera probablement aussi en décalage.
- Faut-il comprendre que Mühleberg II sera la
première installation à remplacer Mühleberg I?
- Je ne parle pas de substitution physique, mais de
substitution
de capacité de production nucléaire. Ce transfert peut
bien entendu se produire à un autre endroit qu'au lieu
d'arrêt de la première centrale.
- En quoi, selon vous, le projet Nieder amt (SO), est-il
mieux
positionné que Mühleberg II défendu par les Forces
motrices bernoises, ou celui de Beznau III défendu par Axpo?
- Le projet Niederamt est bon, à la fois au plan
technique
et politique. Techniquement il a notamment pour avantage de pouvoir
être facilement relié à un réseau de
distribution de très grande capacité. Le type de
réacteur et le système de refroidissement seront
basés sur les derniers développements technologiques. Au
plan politique, le parlement du canton de Soleure a donné un
mandat très clair au Conseil d'Etat pour qu'il s'engage en
faveur de la construction d'une nouvelle centrale nucléaire dans
le canton.
- Les treize communes riveraines du site de Niederamt sont
pourtant dans le camp des opposants. Est-ce que cela vous
inquiète?
- Non. Les communes du Nieder amt ne sont pas contre le
projet.
Elles ont par contre des questions et oppositions au nouveau plan
directeur cantonal. Ce mouvement fait finalement partie du processus
d'analyse et de décision démocratique voulu par la loi.
La Suisse possède, dans le domaine nucléaire, des
règles uniques au monde. Mais si le peuple approuve le projet,
l'investissement obtient alors une forte légitimité qui
réduit les risques pour les promoteurs.
- Certains prétendent que les progrès
techniques et
une lutte active contre le gaspillage permettent, par des
économies d'énergie, d'éviter la construction
d'une nouvelle centrale nucléaire. Pourquoi la branche
électrique exige-t-elle au moins deux nouveaux réacteurs?
- Regardons la réalité en face. Depuis les
années 1960 la consommation d'électricité augmente
chaque année de 0,5 à 2%. Ce mouvement ne s'est jamais
inversé malgré les progrès techniques. De plus, on
va assister, dans le cadre de la lutte contre les émissions de
CO2 produites par les énergies fossiles, à un report sur
l'électricité, énergie nettement plus propre, qui
représente aujourd'hui un quart seulement de la consommation
d'énergie par personne. L'électrification du
système, encore accru par le développement des voitures
électriques, est en route. Le Conseil fédéral est
également d'avis que la Suisse a besoin de deux nouvelles
centrales nucléaires pour combler les mégawatts (MW)
manquants à moyen terme.
- Mais électricité n'est pas synonyme de
nucléaire…
- Je suis d'accord qu'à très long terme il
faudra
parvenir à remplacer les énergies fossiles par des
énergies renouvelables.
Mais durant la phase de transition, qui s'annonce longue,
on aura
encore besoin du nucléaire pour faire face à
l'augmentation de la consommation d'électricité.
- En quoi Alpiq est-il concerné par l'importation
de
barres de combustibles du site russe pollué de Mayak?
- Du combustible de la région de Mayak est parvenu
de
manière indirecte à la centrale de Gösgen, dont
Alpiq détient 40%. Alpiq n'achète pas d'uranium, mais la
centrale de Gösgen s'en est procuré auprès de la
société française Areva qui, elle-même, a
sous-traité avec la société russe MSZ Elktrostal.
- Le Conseil fédéral vient d'accorder un
régime de faveur au projet de centrale à gaz de Chavalon
malgré son rendement énergétique inférieur
à la norme. Quand sera-t-elle inaugurée?
- Alpiq a toujours dit que des centrales à gaz
comme
Chavalon constituaient une solution transitoire intelligente pour
garantir la sécurité de l'approvisionnement
électrique jusqu'à ce que de nouvelles grandes centrales
soient mises en service. Le Conseil fédéral partage cet
avis.
Le projet de Chavalon est développé par EOS
Holding, et la décision de construire lui incombe. Cette
décision dépendra surtout du niveau de rentabilité
de cette centrale thermique, impossible à déterminer
avant la conclusion, avec l'Office fédéral de
l'énergie, d'un contrat de compensation des émissions de
CO2 qui doit être réalisé à 70% en Suisse.
- Les conditions d'acheminement du courant
nucléaire
français via des contrats à long terme sont au centre des
négociations entre la Suisse et l'Union européenne. Si
elles sont favorables, cela évitera-t-il la construction d'une
centrale nucléaire en Suisse?
- Certainement pas. Le problème de la
sécurité d'approvisionnement se posera de toute
manière un jour ou l'autre. La France sera aussi contrainte de
mettre hors service ses anciennes centrales nucléaires. Nous
n'aurons alors peut-être plus accès à du courant
nucléaire étranger excédentaire.
- Alpiq dispose, en Suisse, de seulement 6
mégawatts (MW)
de puissance dans des installations produisant des nouvelles
énergies renouvelables (éolien, solaire, biomasse).
Etes-vous pronucléaire?
- Nous désirons diversifier nos installations de
production d'électricité afin d'obtenir un mélange
de toutes les formes d'énergies.
- Les projets de ce type fleurissent en Bulgarie, avec 20
éoliennes à 200 km à l'est de Sofia,
ou en Italie. On a l'impression qu'il vous est plus facile d'investir
dans les énergies renouvelables à l'étranger qu'en
Suisse. Est-ce vraiment le cas?
- C'est le cas, car en Suisse il faut investir
énormément d'argent simplement pour obtenir un permis de
construire. Je constate que les pouvoirs publics désirent
promouvoir les énergies renouvelables, mais qu'Alpiq se heurte
à de nombreuses résistances des autorités et des
organisations de protection de l'environnement lorsqu'il s'agit de
faire aboutir un projet. Pour chaque projet, il faut trouver des
compromis entre les intérêts divergents. Je ne m'en plains
pas. Cela fait partie d'un processus inhérent à notre
système politique de démocratie directe qui a l'avantage
de garantir la réalisation d'un projet une fois que le peuple
l'a accepté. La Confédération s'est fixé
pour objectif la production, d'ici à 2030, de 5,4
milliards de kWh d'électricité provenant du "nouveau
renouvelable". Alpiq a décidé de contribuer au tiers de
cette quantité. Cela se fera principalement dans le domaine de
la petite hydraulique où il existe encore un fort potentiel, et
dans l'éolien.
--
Le flair latin
Giovanni Leonardi, 50 ans, né à Bodio (TI),
est
à la tête de la plus grande entreprise électrique
suisse, issue de la fusion du groupe romand EOS et de la
société soleuroise Atel. Alpiq, créé
début 2009, dispose d'une place privilégiée sur le
marché avec l'héritage des barrages valaisans
apportés par EOS, qui fournissent de l'énergie de pointe,
et des installations d'Atel, qui produisent de l'énergie de
ruban, notamment via la centrale nucléaire de Gösgen.
Giovanni Leonardi, patron d'Atel dès 2004, a su se profiler
comme le leader naturel du groupe fusionné. L'entregent et le
flair latin de cet ingénieur diplômé de l'EPFZ lui
ont permis de gravir les échelons d'Atel dès 1991. Ces
qualités lui seront d'une grande utilité au moment
d'affronter l'opinion à propos du lancement d'une nouvelle
ère nucléaire en Suisse.
--
"Le niveau des investissements sera ajusté"
La crise financière et économique n'a pas
épargné le groupe
Le Temps: Lors de la publication des résultats
à
fin septembre, Alpiq a déclaré que le chiffre d'affaires
2010 sera inférieur à celui de l'an dernier qui
était de 14,8 milliards de francs. Comment expliquer ce
recul?Giovanni Leonardi: La crise financière et
économique n'a pas épargné le groupe qui souffre
de la dépréciation de l'euro et d'une baisse de la
consommation, qui ont conduit à une pression sur les prix. La
situation me semble aujourd'hui stabilisée.
- Maintenez-vous la prévision, faite en juin, de
croissance moyenne annuelle du bénéfice EBITDA de 3
à 4% entre 2010 et 2014?
- Nous sommes en train de revoir la planification. Je ne
dispose
pas, en ce moment, de données suffisamment précises pour
répondre à cette question.
- La fusion, il y a deux ans, entre EOS et Atel pour
former Alpiq
a entraîné un programme modéré de
restructuration. Allez-vous le renforcer?
- L'intégration se déroule parfaitement. Je
suis
agréablement surpris de la vitesse de réalisation,
supérieure à ce que je prévoyais il y a deux ans.
Les frais de la fusion ont cependant fait temporairement augmenter nos
coûts, ce qui oblige Alpiq, comme n'importe quelle autre
entreprise, à optimiser ses résultats.
- La dette nette du groupe se monte à environ 4
milliards
de francs. Pensez-vous la réduire par la vente de certaines
activités à l'étranger?
- Il n'y a, en ce moment, aucun projet de
désinvestissement. La dette sera progressivement réduite
par l'utilisation d'une partie du cash-flow annuel.
- En juin, vous annonciez la planification de 4 milliards
de
francs d'investissements jusqu'en 2014. Ce programme est-il maintenu?
- Toutes les installations en cours de réalisation,
notamment en France, en Italie, en Bulgarie et en Suisse, seront
achevées comme prévu. Le niveau des investissements
à moyen terme dépendra du cash-flow
généré chaque année et sera ajusté
en conséquence. L'objectif d'Alpiq consiste toujours à
investir une dizaine de milliards de francs jusqu'en 2020.
- Le prix de l'électricité en Suisse est-il
trop
élevé, comme le prétendent un grand nombre
d'industriels?
- Le prix du courant pour les gros clients industriels en
Suisse
se situe dans la moyenne européenne. Précisons que le
prix de l'électricité est plus bas aujourd'hui que dans
les années 1990. Les clients affichant une consommation
supérieure à 100 000 KWh sont libres de
s'approvisionner sur le marché international.
- Le marché de l'électricité est-il
vraiment
ouvert en Suisse?"
- En raison d'un compromis politique, le marché
n'est pas
encore ouvert, puisque 1% seulement de la consommation provient
effectivement du marché libre. Les dispositions légales
qui font que les gros clients peuvent constamment obtenir le meilleur
prix, entre celui du marché international et celui de revient de
la production en Suisse, fausse le système qui doit être
corrigé par le parlement.
---
24 Heures 27.11.10
Les Vaudois voteront sur des centrales nucléaires
Joëlle Fabre
La Confédération demande l'avis des cantons
sur
trois nouvelles installations. Attendra-t-elle le vote vaudois?
Casse-tête
Le Conseil d'Etat vaudois a retenu la leçon de
Mühleberg. On se souvient des circonstances chaotiques du scrutin
sur la prolongation de cette centrale nucléaire: le gouvernement
avait répondu à la consultation sur l'exploitation des
installations bernoises, avant que la justice ne lui rappelle qu'il
avait l'obligation constitutionnelle de consulter le peuple sur toute
question nucléaire. Qui avait dit non.
En 2011, les Vaudois se prononceront donc sur quatre
consultations fédérales nucléaires,
vraisemblablement en mai. Il s'agit de la construction de trois
nouvelles centrales, à Niederamt (SO), Mühleberg (BE) et
Beznau (AG), ainsi que sur une sélection de sites pour
entreposer des déchets. Encore faut-il que l'avis des Vaudois
parvienne à temps à la Confédération, qui
attend le préavis des gouvernements pour fin mars 2011 et a
refusé la demande du canton de Berne de prolonger ce
délai.
Or, le Conseil d'Etat ne peut donner son préavis
sans vote
populaire et juge impossible d'organiser un scrutin avant fin mai.
"Tous les services concernés ont adopté la clause
d'urgence", assure Henri Rollier, chef du Service vaudois des
énergies. Mais à l'heure actuelle, Berne n'a pas
envoyé tous les documents nécessaires. Officiellement,
certains sont même sous le sceau de la confidentialité
jusqu'en juin 2011, ce qui ne facilite pas le débat public… Le
gouvernement devra ensuite émettre son préavis, consulter
le Grand Conseil, puis convoquer la consultation populaire. Le Conseil
d'Etat va donc tenter sa chance, après Berne, et demander une
prolongation du délai.
Laure Pingoud
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sf.tv 26.11.10
Längere Laufzeit für deutsche AKW - Analyse der
Krebsfälle von Asse
agenturen/bosy
Die Atomkraftwerke in Deutschland können rund 12
Jahre
länger am Netz bleiben als bislang geplant. Der Bundesrat billigte
das Energiekonzept der Bundesregierung. Dadurch wird auch eine
Brennelemente-Steuer eingeführt und ein Fonds zur Förderung
erneuerbarer Energien aufgelegt. Gleichzeitig sollen die vermehrt
aufgetretenen Leukämiefälle in der Gemeinde Asse, wo ein
Atommülllager steht, genauer untersucht werden.
Die Bundesregierung hatte den Ländern zuvor
zugesichert, die
Einnahmeausfälle durch die Brennelemente-Steuer zu kompensieren.
Einige Bundesländer haben in letzter Minute mit einem
Aufstand gegen die Steuer im Bundesrat gedroht, weil sie
Einnahmeausfälle fürchten. Der Bund verlangt von den
Atombetreibern von 2011 bis 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro.
Da diese Steuer die Gewinne der Unternehmen
schmälert,
werden Steuereinbussen bei Ländern und Kommunen von
schätzungsweise 500 Millionen Euro befürchtet. Letztlich
verzichteten die Länder aber darauf, den Vermittlungsausschuss von
Bundestag und Bundesrat anzurufen.
SPD will klagen
Die Bundesregierung begrüsst, dass die neue Steuer
auf
Atombrennelemente wie geplant am 1. Januar in Kraft treten kann.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, im Gegenzug sei den
Bundesländern zugesagt worden, bis zum 30. Juni 2012
festzustellen, welche Auswirkungen die Steuer auf die
Länderhaushalte hat.
Die SPD-geführten Länder bekräftigten im
Bundesrat, mit einer Verfassungsklage gegen die längeren
Laufzeiten vorzugehen.
Einspruchsgesetz statt Zustimmungsgesetz
Aus ihrer Sicht erfordern die Laufzeiten ein sogenanntes
zustimmungspflichtiges Gesetz. Dieses muss der Bundesrat durchwinken,
damit es in Kraft treten kann. Da Schwarz-Gelb in der Länderkammer
keine Mehrheit hat, wären in diesem Fall die Laufzeiten nicht
verlängert worden.
Die Bundesregierung hat jedoch die längeren
Laufzeiten in
einem Einspruchsgesetz formuliert. Bei dieser Gesetzesform muss sich
eine Mehrheit finden, die es ablehnt, sonst gilt es als gebilligt.
Wie Union und FDP haben allerdings auch SPD, Grüne
und die
Linkspartei keine Mehrheit in der Länderkammer. Die Gründe
dafür liegen in Koalitionen wie die schwarz-grüne in Hamburg
oder das Bündnis von CDU, FDP und Grünen im Saarland. Diese
Länder enthalten sich in koalitionsintern strittigen Fragen der
Stimme, um keine Regierungskrise heraufzubeschwören.
Die Anträge der SPD-geführten Länder, ein
Einspruchsgesetz sei bei den Laufzeiten nicht zulässig, fanden
erwartungsgemäss nicht die notwendige Mehrheit von mindestens 35
Stimmen. Die SPD-geführten Länder wollen nun in Karlsruhe
eine Normenkontrollklage anstrengen.
Hierbei geht es nur um die Frage, ob der Bundesrat den
längeren Laufzeiten mit einer Mehrheit hätte zustimmen
müssen anstatt sie mangels Einspruch zu billigen. Es geht hier
nicht darum, ob sie grundsätzlich zulässig sind.
Bevor die Klage offiziell eingereicht werden kann, muss
jedoch
das Laufzeitengesetz von Bundespräsident Christian Wulff
unterschrieben werden.
Patienten nur anonymisiert erfasst
Gleichzeitig will das niedersächsische
Sozialministerium
nach Bekanntwerden von erhöhten Leukämieraten in der Umgebung
des Atommülllagers Asse nun möglichst detaillierte Angaben
über die Krebspatienten einholen.
Im Epidemiologischen Krebsregister seien die Erkrankten
lediglich
anonymisiert erfasst. "Wir wissen also bislang nichts Genaueres
über den Wohnort oder die Tätigkeit der Betroffenen", sagte
ein Sprecher des Sozialministeriums in Hannover.
Das Ministerium will etwa herausbekommen, ob unter den
Betroffenen auch Menschen sind, die in dem Atommülllager
arbeiteten, wodurch eine Krebserkrankung eher erklärbar wäre.
Im Atommülllager Asse nahe Wolfenbüttel lagern seit 1978 rund
126'000 Fässer mit schwach und mittel radioaktivem Atommüll.
Zunahme von Schilddrüsenkrebs bei Frauen
Nach Angaben des Ministeriums war die Rate der
Leukämieerkrankungen in der Gemeinde Asse im Zeitraum von 2002 bis
2009 doppelt so hoch wie statistisch zu erwarten. Statt der zu
erwartenden 8 Fälle gab es insgesamt 18 Erkrankungen, darunter 12
Männer und 6 Frauen.
Die Erkrankungsrate für Schilddrüsenkrebs bei
Frauen
hat sich den Angaben zufolge im untersuchten Zeitraum sogar
verdreifacht. Dass Radioaktivität eine Ursache für eine
Leukämieerkrankung sein kann, ist nach Angaben des
Sozialministeriums "unbestritten".
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Landbote 26.11.10
Erste Stimmungstests zur Atomenergie
Am kommenden Wochenende stimmen die Städte Bern und
St.
Gallen über die Abkehr vom Atomstrom ab. Parteien und Lobbyisten
erhoffen sich daraus Rückschlüsse für die nationale
AKW-Abstimmung.
Bern - In den nächsten Jahren werden die
Schweizerinnen und
Schweizer an der Urne über den Bau neuer AKWs entscheiden. Der
Ausgang ist offen. In den Städten aber zeichnet sich ein
deutlicher Trend ab: Richtung Atomausstieg. Basel hat ihn bereits
umgesetzt, Zürich per 2044 beschlossen, und am kommenden Sonntag
stimmen die Städte St. Gallen und Bern über eine langfristige
Abkehr vom Atomstrom ab.
In Bern verlangt eine Initiative des Grünen
Bündnisses
einen Ausstieg bis 2030, die Regierung will sich mit einem
Gegenvorschlag bis 2039 Zeit lassen. Bei einem Wegfall von Atomstrom
hat Bern durchaus eine grosse Lücke zu schliessen: Das stadteigene
Elektrizitätswerk EWB beliefert seine Kunden derzeit mit 60
Prozent Atomstrom, der grösstenteils aus den AKWs Gösgen und
Fessenheim (F) stammt, an denen EWB beteiligt ist. Doch EWB hat
vorgerechnet, dass es anders geht: Bis 2039 will das städtische
Werk den billigen Strom aus den Beteiligungen an alten, abgeschriebenen
AKWs nutzen und so die Investitionen in erneuerbare Energien
finanzieren. Die neue städtische Kehrichtverbrennungsanlage, in
der künftig nebst Kehricht auch Holz und Gas verbrannt und so
Energie produziert wird, geht 2012 ans Netz. Zudem soll Strom aus
Biomasse, Sonne, Wasser und Wind zugebaut oder zugekauft werden, auch
ein Geothermiekraftwerk gilt als Option.
Ein Umstieg bis 2030 wäre zwar laut EWB möglich,
aber
mit erheblichen finanziellen Verlusten im dreistelligen
Millionenbereich verbunden. Vorwiegend mit finanziellen Argumenten
machen denn auch FDP und SVP grundsätzlich gegen den geplanten
Atomausstieg mobil: Die Strompreise würden sich verdoppeln und die
Gewinne des Elektrizitätswerkes zugunsten der Stadtkasse sinken.
EWB-CEO Daniel Schafer hingegen sagt, eine exakte Prognose zur
langfristigen Entwicklung von Strompreisen wäre unseriös.
"Sicher aber ist, dass erneuerbare Energien in Zukunft günstiger
werden, bei der Kernenergie ist vom Gegenteil auszugehen."
Gegenvorschlag hat Chancen
Es ist wahrscheinlich, dass die rot-grüne Stadt Bern
zumindest den Gegenvorschlag annimmt und somit den Atomausstieg, dem
sie im Grundsatz schon 1999 zugestimmt hat, konkret besiegelt. Selbst
CVP und BDP stehen hinter einem Ausstieg bis 2039. Das heisst
allerdings noch lange nicht, dass sie auch national ihre AKW-Haltung
überdenken. Mehrere Mitte-Politiker haben angedeutet, dass sie den
Bau neuer AKWs befürworten. Dennoch wertet der
AKW-Befürworter und Solothurner Ständerat Rolf Büttiker,
der im Verwaltungsrat des AKW Leibstadt sitzt, das Resultat der Stadt
Bern als "nicht unerheblichen Fingerzeig" für kommende
Auseinandersetzungen.
AKW-Befürworter Rolf Schweiger, Zuger FDP-Ständerat
und
Aves-Präsident (Aktion für vernünftige Energiepolitik
Schweiz), verfolgt mit Spannung, wie unterschiedlich in Bern die
städtische und die kantonale Abstimmung ausfallen werden. Denn
schon im Februar 2011 folgt der nächste bernische
AKW-Stimmungstest vor dem nationalen Volksentscheid. In einer
konsultativen Abstimmung werden die Berner im ganzen Kanton nach ihrer
Meinung zu einem neuen AKW in Mühleberg gefragt. Schweiger
interessiert, wie unterschiedlich die rot-grünen Städter und
die eher konservative Landbevölkerung abstimmen werden. Er ist
auch gespannt, wie sich das Abstimmungsverhalten von einer "eher
theoretischen, langfristigen" Abstimmung in der Stadt Bern zu einer
"konkreteren" über den Bau eines neuen AKW verändert.
Auf der gegnerischen Seite misst man bereits dem
Stadtberner
Entscheid eine grosse Bedeutung zu. Beat Jans, Basler SP-Nationalrat
und Ko-Präsident von "Nie wieder Atomkraftwerke" sagt: Ein
deutliches Ja der Berner wäre ein "Signal für die Schweiz"
und ein Statement gegen die vielbeschworene Stromlücke.
"Schliesslich stehen auch die Städte, die sich für den
Ausstieg entscheiden, in der Verantwortung und müssen die
Stromversorgung gewährleisten." Sabine von Stockar von der
Schweizerischen Energiestiftung erachtet einen allfälligen
Atomausstieg der Berner als Bestätigung für eine Entwicklung,
die sich von Genf bis Schaffhausen abzeichne: "Städte und
Gemeinden wollen eine unabhängige und saubere Stromversorgung."
Alle diese Beispiele könnten gut für den nationalen
Abstimmungskampf 2013 oder 2014 genutzt werden, meint von Stockar.
BARBARA SPYCHER
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BZ 26.11.10
AKW-Gegner spannen die Wirtschaft ein
Atomkraft. Rund zwei Dutzend Berner Firmen schalten sich in den
Abstimmungskampf um ein neues AKW in Mühleberg ein - und
kämpfen gegen die Kernkraft-Lobby.
Wer erwartet hätte, dass sich nur die
Umweltverbände
und links-grüne Politiker für den Atomausstieg starkmachen,
hat sich getäuscht: Rund 25 Firmen aus dem Kanton Bern haben sich
zur "Gruppe Neue Energie Bern" zusammengeschlossen und steuern Geld
für eine Anti-AKW-Kampagne bei.
Das primäre Ziel ist es, das Stimmvolk dazu zu
bewegen, am
13. Februar Nein zu einem neuen AKW in Mühleberg zu sagen.
Später will sich die Gruppe bei den Abstimmungen über das
kantonale Energiegesetz und zur Volksinitiative "Bern erneuerbar"
für die Förderung der erneuerbaren Energien einsetzen.
150000 Franken im Pot
Die Mitgliederfirmen stammen praktisch alle aus der
Energiebranche: Die Jenni Energietechnik AG aus Oberburg etwa ist
ebenso mit dabei wie die Pumpenherstellerin Biral aus Münsingen.
Eine der bekanntesten Firmen der Branche fehlt allerdings in der
Mitgliederliste: Die Solarsägen-Herstellerin Meyer Burger aus Thun
unterstützt die Kampagne gemäss Auskunft von Kampagnenleiter
Stefan Batzli nicht finanziell.
Die Gegner holen auf
Batzli koordiniert mit seiner Agentur cR Kommunikation die
Geschicke der "Gruppe Neue Energie Bern". Er hofft, dass für den
Abstimmungskampf rund 150 000 Franken zusammenkommen werden. Einen
Drittel davon steuerten im Sinn einer Anschubfinanzierung bereits
Greenpeace, WWF Schweiz und die Schweizerische Energiestiftung bei. Den
Rest sollen die Firmen selbst beisteuern. Die Inseratekampagne startet
im Januar. Hauptgrund für die Firmen, die Anti-AKW-Kampagne zu
unterstützen, ist der Glaube an die erneuerbaren Energien.
Biral-Chef Roger Weber sagt etwa: "Das Potenzial ist so gross, dass wir
keine neuen AKW brauchen."
Mit den rund 150 000 Franken, welche die
Firmen-Vereinigung in
den Abstimmungskampf einschiesst, holen die AKW-Gegner kräftig
auf: Sie verfügen damit insgesamt etwa über die gleichen
Mittel wie das bürgerliche Pro-Lager des Kantons - also rund 350
000 Franken.
Philippe Müller
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Beobachter 26.11.10
Leben in der Todeszone
Schweizer Atomkraftwerke produzieren sauberen Strom -
sagen ihre
Betreiber. Ein Augenschein im Südural, wo das dafür
notwendige Uran herstammt, zeigt ein anderes Bild.
Text: Thomas Angeli; Fotos: Tomas Wüthrich
Wir werden nichts anfassen, was wir nicht unbedingt
anfassen
müssen. Sollten wir irgendwo eingeladen werden, werden wir Essen
und Getränke höflich ablehnen, frische Milch wird sowieso
niemand trinken. Und sobald die Tagesdosis von 0,1 Millisievert
erreicht ist, verschwinden wir. Notfalls ohne unsere Schuhe. Die
würden wir vor unserem Bus stehenlassen und wegfahren.
Wir sind da, wo wir hinwollten, obschon uns allen beim
Gedanken
ein wenig mulmig war. Wir stehen auf der schweren, schlammigen Erde von
Musljumovo, 55 Grad 36 Minuten Nord, 61 Grad 38 Minuten Ost,
zweieinhalb Flugstunden von Moskau entfernt. Weil wir erfahren wollen,
was Schweizer Atomkraftwerke mit einer ökologischen und sozialen
Wüste im Südural zu tun haben.
"Wir", das sind zwei Journalistinnen und drei
Journalisten, drei
Fotografen, drei Atom-Campaigner von Greenpeace, ein Reiseleiter, ein
Übersetzer. Und Heinz Smital, Strahlenschutzexperte von
Greenpeace, der leicht erstaunt auf den Monitor seines Detektors
schaut. Am Morgen im Hotel in Tscheljabinsk, 60 Kilometer entfernt,
hatte der Zeiger bei unbedenklichen 15 Einheiten gestanden. Jetzt
schwankt er zwischen den Zahlen 5 und 10, nicht mehr als in jedem
beliebigen Ort in der Schweiz. "Hier ist nichts", sagt Smital, "nur
Hintergrundstrahlung." Wir atmen auf und sind zugleich überrascht.
Nur natürliche Strahlung an einem der angeblich am stärksten
radioaktiv verseuchten Orte der Welt, das hatten wir nicht erwartet.
Noch ahnen wir nicht, dass sich der atomare Schrecken nicht bloss an
der Skala eines Geigerzählers manifestiert.
Bewohner waren Stalins Versuchskaninchen
Wir sind hierhergekommen, weil wir nicht in den
abgeriegelten
Atomkomplex von Majak können, um den es auf der Medienreise
eigentlich geht, die Greenpeace organisiert hat. Die Umweltorganisation
hat in den vergangenen Monaten mit hartnäckigen Recherchen
nachgewiesen, dass in Schweizer AKWs Brennelemente im Einsatz sind, die
Uran aus dem "Föderativen Einheitsbetrieb
Produktionsgenossenschaft Majak" enthalten. Für das Image der
Schweizer Atomindustrie ist das Gift: Was im riesigen, hermetisch
abgeriegelten Atomkomplex mit seinen 14000 Angestellten in den
vergangenen Jahrzehnten geschehen ist und vermutlich immer noch
geschieht, passt so gar nicht ins Bild der angeblich sauberen
Atomenergie. Hier im Südural, wo das Uran für die Schweizer
Atomkraftwerke aufbereitet wird, zeigt sich die schmutzige Seite.
Die Katastrophe, an deren Folgen Musljumovo mit seinen
knapp 2000
Einwohnern bis heute leidet, begann mit einer Geheimoperation. Auf
Geheiss Stalins wurde 1948 in Majak innert 18 Monaten ein
Plutoniumreaktor aus dem Boden gestampft, um die sowjetische Atombombe
zu bauen. Im beginnenden Kalten Krieg drängte die Zeit derart,
dass man während der ersten zwei Jahre die flüssigen
hochradioaktiven Abfälle ungefiltert in die Tetscha ableitete. Am
Fluss aber, der durch Musljumovo und viele andere kleine Dörfer
floss, weideten Kühe, es wurde gefischt, und Kinder badeten darin.
Die Tetscha war die Lebensader in einer kargen Steppenlandschaft.
Während man die umliegenden Dörfer entlang der
Tetscha
evakuierte, liess man Musljumovo, 70 Kilometer flussabwärts von
Majak, stehen. "Man brauchte uns als Versuchskaninchen, um die
langfristigen Folgen der Strahlenbelastung zu untersuchen", sagt Gosman
Kabirov. Er und seine Frau Milya sind in Musljumovo aufgewachsen, heute
wohnen sie in Tscheljabinsk. Im Körper des Taxifahrers steckt die
dreifache Maximaldosis an radioaktiver Strahlung, die ein Mensch
aufnehmen kann. "Ich lebe auf Kredit", sagt er. Milya Kabirova leidet
unter der Strahlenkrankheit. Kinder kann sie keine bekommen.
Zwei weitere Katastrophen werden publik
Die Gräber von Mylias Eltern stehen ganz am Rand
eines der
fünf Friedhöfe in Musljumovo in einem Birkenwald. Milyas
Vater Murmuchamet Schagiachmetow wurde bloss 44 Jahre alt. Er hatte
1961 eine Stelle als Aufseher an der Tetscha angetreten und musste
Kinder und Vieh vom Ufer des verseuchten Flusses fernhalten. Kein Jahr
später starb er. Sein Blut sei gelb gewesen, erzählt Gosman.
Heute weiss das Paar, dass Schagiachmetow vermutlich an einer akuten
Leukämie starb, obschon auf dem Totenschein eine
unverfängliche Krankheit angegeben war. Krebs als Todesursache zu
nennen war verboten. Was in Majak vor sich ging, durfte niemand wissen.
Erst 1989, als sich Russland gegenüber dem Westen zu
öffnen begann, erfuhr die Welt von zwei weiteren Atomkatastrophen,
die sich in der Anlage ereignet hatten. 1957 war ein Tank mit 250000
Litern einer plutoniumhaltigen Flüssigkeit explodiert und hatte
eine Fläche von rund 10000 Quadratkilometern im Nordosten der
Anlage verseucht. Zehn Jahre später, im heissen Sommer 1967,
trocknete der Karatschai-See aus, den die Majak-Verantwortlichen ab
1951 als atomare Müllkippe verwendet hatten. Die radioaktiven
Substanzen, die sich am Seegrund abgelagert hatten, wurden vom Wind
aufgewirbelt und verstreut. Beide Gebiete, zusammen halb so gross wie
die Schweiz, gelten heute als "Naturschutzgebiet", mit Stacheldrahtzaun
und Bewachern.
In Musljumovo hingegen leben weiterhin Menschen. Venera
Gaynetdinova ist eine von ihnen. Noch wohnt sie mit ihren zwei
Söhnen und der Schwiegertochter in ihrem alten Haus im
ursprünglichen Ort nahe am Fluss. Bald soll die Familie in eins
der neuen Häuser in Novomusljumovo einziehen, bloss zwei Kilometer
entfernt. 60 Jahre nachdem die radioaktiven Abwässer den Fluss
verseucht haben, lässt die Regierung das Dorf an der Tetscha
räumen.
Venera Gaynetdinovas neues Daheim steht am Ende einer
Strasse aus
zäher, schwarzer Erde und grobem Schotter, an der alle Häuser
gleich aussehen. Wie auch in der nächsten und
übernächsten Strasse, wie überall in Novomusljumovo:
gelb angestrichene Einheitskisten mit rotem Dach, drei Zimmern,
Küche und Badezimmer. 200 solche Häuser haben die
"Produktionsorganisation Majak" und die Regionalregierung hingestellt,
300 sollen es am Schluss sein. Im Prospekt, den man über das neue
Dorf hat drucken lassen, sieht man zufriedene Menschen vor schmucken
Häusern und lachende Kinder, die einen Gemüsegarten anlegen.
Der Kontrast zur Tristesse der Wirklichkeit könnte nicht
grösser sein.
"Untersuchungsergebnisse erfahre ich nie"
Venera Gaynetdinova musste sich zwischen einem neuen Haus
und
einer Abfindung von einer Million Rubel (etwa 32000 Franken)
entscheiden. "Es war gar keine Wahl", sagt sie, "ich musste das Haus
nehmen." Für eine Million Rubel finde man keine Wohnung. Nun
drängen die Behörden sie, noch vor Wintereinbruch umzuziehen.
Unmittelbar danach soll ihr altes Heim geschleift werden. In Venera
Gaynetdinovas neuem Haus jedoch sind weder Gas- noch Stromleitungen
montiert, in der Badewanne stehen Gipssäcke. Die Aussenwände
sind keine zehn Zentimeter dick und kaum isoliert, und für die
Heizung war nur das billigste Modell aus China günstig genug.
Dabei kann die Temperatur hier auch mal auf minus 40 Grad fallen.
Venera Gaynetdinova gilt offiziell als "Betroffene" der
Kontaminationen durch das Atomwerk Majak. Sie erhält im Monat 78
Rubel - knapp drei Franken - als "Kompensation", wie die Behörden
das offiziell nennen. 200 Rubel bezahlt der Staat an die Medikamente
für ihre Herzprobleme. Alle drei Monate muss sie sich in
Tscheljabinsk untersuchen und die Strahlenbelastung in ihrem
Körper messen lassen. "Die Resultate erfahre ich nie", sagt sie.
Venera Gaynetdinovas Kuh grast im Sommer täglich am
Ufer der
Tetscha. Sie wird das auch weiterhin tun, unabhängig vom Wohnort
ihrer Besitzerin, denn frisches Gras gibt es nur am Fluss. Venera
Gaynetdinova weiss, dass sie diese Milch nicht trinken sollte, weil sie
sich sonst selber vergiftet. Mit jedem Schluck nimmt sie Radionuklide
auf, die sie innerlich verstrahlen - um ein Vielfaches stärker als
die äussere Strahlung, die sie abbekommt, wenn sie ihre Kuh am
Fluss abholt.
Denn hier an der Tetscha ist sie plötzlich da, die
Strahlung, die Greenpeace-Experte Heinz Smital am Anfang unseres
Besuchs im neuen Musljumovo ungläubig vermisst hat. Je näher
wir dem Fluss kommen, desto schneller wird das Knattern seines
Szintillationsdetektors. Die Nadel, die im Dorf noch zwischen 5 und 10
schwankte, steht plötzlich bei 50, ein paar Schritte später
bei 100 - Zeit für Massnahmen. Wer keine Bilder von Smitals
Messungen am Wasser machen muss, geht nicht mehr weiter. Die Fotografen
weist der Strahlenschutzexperte an, nichts anzufassen, nicht in die
Hocke zu gehen und nichts auf den Boden zu stellen. 25 Minuten bleibt
er mit der Gruppe an einem kleinen Tümpel an einem Seitenarm der
Tetscha, dann bläst er zum Rückzug. Das Personendosimeter,
das Smital auf sich trägt, zeigt am Ende des Tages 0,9
Mikrosievert an. Das ist rund 100-mal weniger als das, was er noch am
Morgen als Grenzwert für die Tagesbelastung definiert hat, und
doch: "Da ist eindeutig ein erhöhtes Strahlungsfeld."
"Der soll das bitte erst mal beweisen"
Welche radioaktiven Elemente dieses Strahlungsfeld
bewirken, kann
Smital aufgrund seiner Messung nicht sagen, und auch nicht, wann diese
in den Fluss eingeleitet wurden. Noch eine Woche vor der Reise in den
Südural, am Rand einer Tagung der Schweizer Atombranche, hat sich
Axpo-CEO Manfred Thumann überzeugt gezeigt, dass die radioaktive
Kontamination, die um Majak herum die Menschen krank werden lässt,
eine "Altlast" sei: "Mit der aktuellen Produktion hat das nichts zu
tun."
Die Aussage war im besten Fall gewagt. Ausser den
Verantwortlichen des Werks Majak selber weiss niemand, ob wie behauptet
tatsächlich seit Jahrzehnten keine atomar verseuchten
Abwässer mehr in die Tetscha gelangen - und diese Verantwortlichen
sind äusserst schweigsam.
Das gilt auch für Sergei Baranow, den wir am
nächsten
Tag in Tscheljabinsk besuchen, am Rand eines Forums mit dem Titel
"Atomproduktion, Gesellschaft und Sicherheit". Baranow ist ein grosser,
mächtiger Mann: der Chef über die "Produktionsorganisation
Majak". Und Baranow sagt, was die Verantwortlichen von Majak stets
sagen, seit sie die Verschmutzung der Tetscha, die Explosion 1957 und
die Verseuchung aus dem Karatschai-See 1967 zugeben mussten:
Flüssige radioaktive Abfälle würden in speziellen
Reservoiren aufbewahrt und gelangten nicht in die Tetscha. Und wenn
Umweltschützer behaupteten, es gebe Lecks in den Dämmen, die
diese Reservoire vom Fluss abtrennen, dann stimme das schlicht nicht.
Er jedenfalls würde in der Tetscha sogar schwimmen gehen,
"vielleicht im Sommer". Bei allen übrigen Auswirkungen auf die
Umwelt, fährt Baranow schnell weiter, befinde man sich "innerhalb
der Grenzwerte". Und wer behaupte, Majak gebe weitere Radionuklide wie
Tritium und Plutonium in die Umwelt ab, der soll das bitte erst mal
beweisen.
Es ist der Punkt, an dem sich Forscher und
Umweltorganisationen
die Zähne ausbeissen. Denn unabhängig erhobene Messresultate
gibt es praktisch keine, offizielle Zahlen etwa zur Belastung durch die
hochgefährlichen Radionuklide Plutonium-239 und Tritium - zwei der
wichtigsten Produkte, die neben der Wiederaufbereitung von Uran und dem
militärischen Programm in Majak hergestellt werden - fehlen fast
ganz. Eine unabhängige Studie von 1996 geht davon aus, dass
aufgrund der Plutoniumspuren in der Luft selbst die 60 Kilometer
entfernte Millionenstadt Tscheljabinsk teilweise evakuiert werden
müsste.
Dort, im medizinischen Museum der Universität, stehen
in
Gestellen in Formaldehyd eingelegte Föten. Bilder, die man
eigentlich nicht sehen will: Totgeborene mit offenen Rücken oder
ohne Hirn, in Gläser gepresst. Ein direkter Zusammenhang mit
Emissionen von Majak ist in der Industriestadt Tscheljabinsk mit ihren
dreckigen Metallurgiewerken wissenschaftlich nicht haltbar. Indizien
hingegen, dass dem so ist, gibt es durchaus: die Anzahl der
Geburtsanomalien etwa, die das Anderthalbfache des russischen
Durchschnitts beträgt. Dass diese mit Plutoniumverseuchung
zusammenhängen können, zeigte sich nach dem
Reaktorunglück in Tschernobyl: Nachdem grosse Mengen Plutonium
ausgestossen worden waren, stellte man eine signifikante Häufung
dieser Missbildungen fest.
Schweizer AKW-Betreiber verunsichert
Zwei Tage später, Zollstrasse 62 in Zürich, bei
der
Medienstelle der Axpo. Im Verlauf der Woche haben die Betreiber aller
Schweizer AKWs eingeräumt, Uran aus Majak einzusetzen oder
eingesetzt zu haben. Bei der Axpo sagt CEO Manfred Thumann
plötzlich, man werde alles daransetzen, um die Produktion in Majak
mit eigenen Augen begutachten zu können: "Ich befürchte, dass
wir Dinge sehen werden, die uns nicht gefallen." Und Stephan
Döhler, Chef der Nukleardivision, spricht davon, dass man sich
überzeugen wolle, "dass in Majak eine Betriebs- und
Sicherheitskultur herrscht, die wir verantworten können".
In Musljumovo wird Venera Gaynetdinova davon nichts
mitbekommen.
Sie wird weiter täglich die Milch ihrer Kuh trinken, und sie wird
Gemüse aus dem Garten essen, den sie mit Flusswasser giesst, denn
viel anderes kann sie sich gar nicht leisten. Und so wird Venera
Gaynetdinova bis an ihr Lebensende täglich ein wenig mehr
vergiftet sein.
Wenn sie am Abend ihre Kuh zum Melken vom Ufer der Tetscha
holt,
wird sie dort auch andere Kühe antreffen und andere Bewohner, die
deren Milch trinken. Nur Sergei Baranow, den Direktor von Majak, der
"vielleicht" einmal dort schwimmen gehen will, den wird sie am Ufer der
Tetscha sicher nie antreffen.
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NZZ 26.11.10
Winterthurer Skepsis zum Endlager Benken
Stadtrat fordert mehr Mitsprache
flo. · Der Winterthurer Stadtrat äussert sich
kritisch zur Möglichkeit eines Atomendlagers in Benken. Er
verlangt, künftig in den regionalen Partizipationsprozess
einbezogen zu werden. Die Stadt macht in einer Mitteilung geltend, bei
der Standortsuche sei den übrigen Belastungen der Regionen
angemessen Rechnung zu tragen; so habe der Kanton Zürich bereits
landesweit das grösste Verkehrsaufkommen zu bewältigen. Es
sei anzunehmen, dass die Transportroute zu einem allfälligen
Tiefenlager im Zürcher Weinland sowohl auf der Strasse als auch
auf der Schiene durch Winterthurer Stadtgebiet führen würde.
Die Forderung nach mehr Mitsprache begründet Winterthur mit seiner
engen Verflechtung mit dem Weinland. So verfüge die Stadt
über eine Konzession zur Nutzung des Grundwasserstroms, zudem
falle die Bedeutung des Weinlandes mit seinen stadtnahen
Erholungsräumen ins Gewicht.
Der Winterthurer Sicherheitsvorstand Michael Künzle
räumt ein, im Grundsatz befürworte der Stadtrat den Einsatz
des Bundes für eine sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle.
Dabei müssten aber alle denkbaren Standorte mit der gleichen
Sorgfalt überprüft werden; vor allem gelte es zu verhindern,
dass Benken vorschnell politisch favorisiert werde.
--
Bericht zu Tiefenlager-Kenntnissen
dsc. · Der jetzige geologische Kenntnisstand
erlaube
"eindeutige quantitative Aussagen" zu den möglichen
Standortgebieten für ein Tiefenlager für radioaktive
Abfälle - so lautet das Fazit eines neuen Berichts der mit dem
Projekt betrauten Genossenschaft Nagra. Allerdings werden weitere
Untersuchungen in den nächsten Jahren in Aussicht gestellt. Im
Juni dieses Jahres hatte der Ausschuss der Kantone (AdK) im
Tiefenlager-Verfahren gefordert, dass die Kenntnisse über die
Standortgebiete auf ein vergleichbares Niveau gehoben werden. In den
nächsten Monaten wird das Eidgenössische
Nuklearsicherheitsinspektorat wie auch der AdK den Nagra-Bericht
prüfen.
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Landbote 26.11.10
Stadtrat: "Benken ist der falsche Ort"
Felix Reich
Winterthur - Die Gegner des Endlagers für
Atommüll
erhalten Unterstützung aus Winterthur: Der Stadtrat hält in
einem Schreiben an den Bund und die Städteinitiative fest, dass er
Benken nicht für einen geeigneten Standort hält. Das Weinland
sei ein wichtiges Erholungsgebiet und dürfe nicht belastet werden.
Zudem trage der Kanton Zürich bereits genug Lasten im Dienst des
Landes: Er zahle am meisten in den Finanzausgleich ein und müsse
mit dem grössten Verkehrsaufkommen im ganzen Land leben.
Das dreistufige Verfahren, das der Bund eingeleitet hat,
lobt der
Stadtrat zwar. Er fordert aber, dass Winterthur in den
Evaluationsprozess eingebunden wird. Weil der für Benken bestimmte
Atommüll durch Winterthur transportiert würde, wäre die
Stadt "unmittelbar betroffen". (fmr) lSeite 13
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Support für die Gegner des Atomendlagers
Felix Reich
Der Stadtrat will zwar, dass der radioaktive Müll in
der
Schweiz entsorgt wird. Ein Atomendlager in Benken ist ihm aber ein
Graus: Zürich trage schon genug Lasten für die Schweiz, und
das Weinland sei ein wichtiges Erholungsgebiet.
Es ist ein "Ja" mit einem sehr gewichtigen "Aber", das der
Stadtrat an den Bund und den Städteverband verschickt hat. Die
Regierung anerkennt zwar, dass die atomaren Abfälle in der Schweiz
entsorgt werden müssen, und auch mit dem in drei Etappen
gegliederten Vorgehen des Bundes, der auf der Suche nach einem Standort
für die Lagerung des strahlenden Mülls ist, erklärt er
sich einverstanden.
Weil keiner das Endlager will
Einem möglichen Atomendlager im Zürcher Weinland
steht
der Stadtrat jedoch "sehr kritisch gegenüber". Weil er das
Verfahren lobt, sei der Zeitpunkt, Position zu beziehen, noch nicht
reif, sagt Stadtrat Michael Künzle (CVP), Chef des Departements
Sicherheit und Umwelt. Er tut es trotzdem. Denn mit einem Endlager in
Benken wird sich der Stadtrat kaum anfreunden, egal was die Evaluation
ergibt. "Es werden sich alle in Frage kommenden Standortgemeinden
wehren." Deshalb sei es legitim, schon jetzt Bedenken anzumelden, sagt
Künzle.
Der Stadtrat befürchtet, dass die Nationale
Genossenschaft
für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) das Verfahren
am Ziel anpasst und die Suche so steuert, dass sich am Ende der bereits
jetzt feststehende Favorit als idealer Standort erweist. Um dieser
Gefahr vorzubeugen, müsse nochmals wissenschaftlich geprüft
werden, ob sich das in Benken vorhandene Gestein gut eigne. Zudem
kritisiert der Stadtrat das vorliegende Entsorgungskonzept und befindet
sich damit auf einer Linie mit den Gegnern des Atomendlagers, die sich
letzte Woche in Laufen am Rheinfall zu Wort gemeldet haben ("Landbote"
vom 18. November): Die radioaktiven Abfälle "sollen jederzeit aus
dem geologischen Tiefenlager zurückgeholt werden können,
falls neue wissenschaftliche Erkenntnisse dies nahelegen", verlangt die
Regierung. Bei einem Endlager, wie es jetzt geplant ist, werden die
Behälter definitiv verschlossen, sobald sie gefüllt sind.
Atomverlad am Hauptbahnhof
Der Stadtrat will in den Prozess, der die Partizipation
der
betroffenen Gebiete ermöglicht, eingebunden werden. Er
rechtfertigt seine Forderung damit, dass Winterthur als
"bevölkerungsreiche Stadt mit überregionaler
Zentrumsfunktion" eng mit dem Weinland verflochten sei. Und: Es sei
absehbar, dass die Transportroute zu einem allfälligen Endlager in
Benken über Stadtgebiet führen und der Atommüll auch
durch die Stadt gefahren werde. Daraus ergebe sich "eine unmittelbare
Betroffenheit", sagt Künzle.
Für den Umweltminister der Stadt wäre es auch
ein Gebot
der Fairness, wenn der atomare Abfall nicht im Kanton Zürich
gelagert würde: Zürich sei nämlich der grösste
Nettozahler im Finanzausgleich und müsse zugleich "das landesweit
mit Abstand grösste Verkehrsaufkommen mit all seinen
umweltschädlichen Immissionen bewältigen". In der
Lastenverteilung sei deshalb "ein gewisser Ausgleich" nötig, sagt
Künzle. lFELIX REICH
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NLZ 26.11.10
SP ist gegen das Atomendlager
Obwalden
jvm.
jvm. "Wir wollen, dass der Wellenberg aus der Liste der
möglichen Lagerstandorte gestrichen wird", sagt Ruth Koch,
Fraktionspräsidentin der SP Obwalden. Die SP Obwalden und die SP
Engelberg wollen nichts von einem Atomendlager im Wellenberg wissen,
deshalb haben die beiden Parteien eine entsprechende Stellungnahme an
das Bundesamt für Energie geschickt. Der Wellenberg sei für
eine sichere Entsorgung nicht geeignet, und zudem gefährde ein
Endlager in der Region die Tourismusdestination Engelbergertal.
Eine volkswirtschaftliche Studie wies die zu erwartenden
Ausfälle im Tourismus durch ein Lager für radioaktive
Abfälle in der Region als erheblich aus. "Ein Atomendlager im
Wellenberg ist für den Tourismus in der Region nicht tragbar", ist
Elisabeth Brun, Präsidentin der SP Engelberg, überzeugt.
Zusätzlich fürchtet die SP Obwalden die Gefahr von Erdbeben.
Das Engelbergertal ist auch heute noch von der Alpenfaltung betroffen -
wie sich ein Erdbeben auf ein Endlager auswirkt, ist nicht absehbar.
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Le Temps 26.11.10
"Nous désirons diversifier nos installations de
production
d'électricité"
Propos recueillis par Willy Boder
Giovanni Leonardi, patron du groupe
d'électricité
Alpiq, défend la construction de deux nouvelles centrales
nucléaires en Suisse. Il estime que le projet du Niederamt,
près de la centrale actuelle de Gösgen, est le mieux
positionné, notamment car il a le soutien politique du
Législatif du canton de Soleure. Entretien
Le Temps: L'inspection fédérale de la
sécurité nucléaire a avalisé trois dossiers
de nouvelles centrales, dont celui de Niederamt, à
proximité du réacteur de Gösgen, qui concerne
directement Alpiq. Etes-vous satisfait?
Giovanni Leonardi: Cette approbation marque le
début d'un
long processus administratif et politique clairement
réglementé par la loi. La branche électrique
décidera sans doute au début de l'année 2012, soit
avant la publication du message du Conseil fédéral, quels
projets il convient de réaliser. Conformément à la
nouvelle stratégie énergétique du Conseil
fédéral, qui s'appuie aussi sur l'énergie
nucléaire, la branche électrique est d'avis que pour
compenser le déficit de production dû à
l'arrêt des anciennes centrales suisses et à
l'échéance de certains contrats d'importation avec la
France et pallier l'augmentation de la consommation
d'électricité, il faudra au moins deux nouvelles
centrales nucléaires en Suisse.
Pourtant, le responsable financier du groupe Alpiq a
estimé qu'il n'y a pas la capacité financière, en
Suisse, de conduire deux projets pour un total de quelque
16 milliards de francs…
Les propos de Kurt Baumgartner ont été mal
interprétés. Il n'a pas voulu dire que c'était
impossible, mais que mener plusieurs projets en parallèle
multiplie les risques de gestion, au niveau administratif, politique et
financier. Pour les maîtriser, la branche électrique
devrait pouvoir compter sur des conditions cadres stables, ce qui n'est
jamais garanti pour ce genre d'installations. Il est donc raisonnable
d'envisager des constructions échelonnées sur quelques
années. C'est d'autant plus logique que l'arrêt des
centrales existantes se fera probablement aussi en décalage.
Faut-il comprendre que Mühleberg II sera la
première
installation à remplacer Mühleberg I?
Je ne parle pas de substitution physique, mais de
substitution de
capacité de production nucléaire. Ce transfert peut bien
entendu se produire à un autre endroit qu'au lieu d'arrêt
de la première centrale.
En quoi, selon vous, le projet Niederamt, est-il mieux
positionné que Mühleberg II défendu par les Forces
motrices bernoises, ou celui de Beznau III défendu par Axpo?
Le projet Niederamt est bon, à la fois au plan
technique
et politique. Techniquement il a notamment pour avantage de pouvoir
être facilement relié à un réseau de
distribution de très grande capacité. Le type de
réacteur et le système de refroidissement seront
basés sur les derniers développements technologiques. Au
plan politique, le parlement du canton de Soleure a donné un
mandat très clair au Conseil d'Etat pour qu'il s'engage en
faveur de la construction d'une nouvelle centrale nucléaire dans
le canton.
Pourtant les treize communes riveraines du site de
Niederamt sont
dans le camp des opposants. Est-ce que cela vous inquiète?
Non. Les communes du Niederamt ne sont pas contre le
projet.
Elles ont par contre des questions et oppositions au nouveau plan
directeur cantonal. Ce mouvement fait finalement partie du processus
d'analyse et de décision démocratique voulu par la loi.
La Suisse possède, dans le domaine nucléaire, des
règles uniques au monde. Mais si le peuple approuve le projet,
l'investissement obtient alors une forte légitimité qui
réduit les risques pour les promoteurs.
Certains prétendent que les progrès
techniques et
une lutte active contre le gaspillage permettent, par des
économies d'énergie, d'éviter la construction
d'une nouvelle centrale nucléaire. Pourquoi la branche
électrique exige-t-elle au moins deux nouveaux réacteurs?
Regardons la réalité en face. Depuis les
années 1960 la consommation d'électricité augmente
chaque année de 0,5 à 2%. Ce mouvement ne s'est jamais
inversé malgré les progrès techniques. De plus, on
va assister, dans le cadre de la lutte contre les émissions de
CO2 produites par les énergies fossiles, à un report sur
l'électricité, énergie nettement plus propre, qui
représente aujourd'hui un quart seulement de la consommation
d'énergie par personne. L'électrification du
système, encore accru par le développement des voitures
électriques, est en route. Le Conseil fédéral est
également d'avis que la Suisse a besoin de deux nouvelles
centrales nucléaires pour combler les mégawatts (MW)
manquants à moyen terme.
Mais électricité n'est pas synonyme de
nucléaire…
Je suis d'accord qu'à très long terme il
faudra
parvenir à remplacer les énergies fossiles par des
énergies renouvelables. Mais durant la phase de transition, qui
s'annonce longue, on aura encore besoin du nucléaire pour faire
face à l'augmentation de la consommation
d'électricité.
En quoi Alpiq est-il concerné par l'importation de
barres
de combustibles du site russe pollué de Mayak?
Du combustible de la région de Mayak est parvenu de
manière indirecte à la centrale de Gösgen dont Alpiq
détient 40%. Alpiq n'achète pas d'uranium, mais la
centrale de Gösgen s'en est procuré auprès de la
société française Areva qui, elle-même, a
sous-traité avec la société russe MSZ Elktrostal.
Le Conseil fédéral vient d'accorder un
régime de faveur au projet de centrale à gaz de Chavalon
malgré son rendement énergétique inférieur
à la norme. Quand sera-t-elle inaugurée?
Alpiq a toujours dit que des centrales à gaz comme
Chavalon constituaient une solution transitoire intelligente pour
garantir la sécurité de l'approvisionnement
électrique jusqu'à ce que de nouvelles grandes centrales
soient mises en service. Le Conseil fédéral partage cet
avis.
Le projet de Chavalon est développé par Eos
holding, et la décision de construire lui incombe. Cette
décision dépendra surtout du niveau de rentabilité
de cette centrale thermique, impossible à déterminer
avant la conclusion, avec l'Office fédéral de
l'énergie, d'un contrat de compensation des émissions de
CO2 qui doit être réalisé à 70% en Suisse.
Les conditions d'acheminement du courant nucléaire
français via des contrats à long terme sont au centre des
négociations entre la Suisse et l'Union européenne. Si
elles sont favorables, cela évitera-t-il la construction d'une
centrale nucléaire en Suisse?
Certainement pas. Le problème de la
sécurité
d'approvisionnement se posera de toute manière un jour ou
l'autre. La France sera aussi contrainte de mettre hors service ses
anciennes centrales nucléaires. Nous n'aurons alors
peut-être plus accès à du courant nucléaire
étranger excédentaire.
Alpiq dispose, en Suisse, de seulement 6 mégawatts
(MW) de
puissance dans des installations produisant des nouvelles
énergies renouvelables (éolien, solaire, biomasse).
Etes-vous pronucléaire?
Nous désirons diversifier nos installations de
production
d'électricité afin d'obtenir un mélange de toutes
les formes d'énergies.
Les projets de ce type fleurissent en Bulgarie, avec 20
éoliennes à 200 km à l'est de Sofia, ou en Italie.
On a l'impression qu'il vous est plus facile d'investir dans les
énergies renouvelables à l'étranger qu'en Suisse.
Est-ce vraiment le cas?
C'est le cas, car en Suisse il faut investir
énormément d'argent simplement pour obtenir un permis de
construire. Je constate que les pouvoirs publics désirent
promouvoir les énergies renouvelables, mais qu'Alpiq se heurte
à de nombreuses résistances des autorités et des
organisations de protection de l'environnement lorsqu'il s'agit de
faire aboutir un projet. Pour chaque projet, il faut trouver des
compromis entre les intérêts divergents. Je ne m'en plains
pas. Cela fait partie d'un processus inhérent à notre
système politique de démocratie directe qui a l'avantage
de garantir la réalisation d'un projet une fois que le peuple
l'a accepté. La Confédération s'est fixé
pour objectif la production, d'ici 2030, de 5,4 milliards de kWh
d'électricité provenant du "nouveau renouvelable". Alpiq
a décidé de contribuer au tiers de cette quantité.
Cela se fera principalement dans le domaine de la petite hydraulique
où il existe encore un fort potentiel, et dans l'éolien.
---
Bund 25.11.10
Grosser Rat stimmt erneut für ein neues AKW in
Mühleberg
Gestern sprach sich der Grosse Rat für Mühleberg
II
aus. Das Volk stimmt im Kanton Bern am 13. Februar über ein neues
AKW ab.
Simon Thönen
In wenigen Tagen stimmen die Stadtberner darüber ab,
ob die
Bundesstadt aus der Atomenergie aussteigt. Bereits am 13. Februar folgt
dann auf kantonaler Ebene die Volksabstimmung, ob in Mühleberg ein
neues Atomkraftwerk gebaut werden soll. Der Grosse Rat sprach sich
gestern mit 91 zu 53 Stimmen bei 7 Enthaltungen für ein neues
Kernkraftwerk in Mühleberg aus. Weiter beschloss er mit 148 zu 1
Stimmen bei einer Enthaltung, diesen Entscheid dem obligatorischen
Referendum zu unterstellen.
Überraschend ist der Entscheid nicht. Der Grosse Rat
hatte
sich bereits im Juni dafür ausgesprochen, dass der Kanton Bern dem
Bund mitteilen soll, dass er ein neues AKW in Mühleberg
befürwortet. Der Anlass für die Stellungnahme ist die
Vernehmlassung des Bundes zur Rahmenbewilligung für neue AKW.
Eggers engagiertes Plädoyer
Wie schon im Juni überstimmte das mehrheitlich
bürgerliche Kantonsparlament gestern erneut die rot-grün
dominierte Regierung. Energiedirektorin Barbara Egger-Jenzer (SP), die
sich im Juni noch mit einer eher knappen Stellungnahme begnügt
hatte, hielt gestern eine ausgesprochen engagierte Rede gegen ein neues
AKW in Mühleberg.
"Das rechnerische Risiko eines grossen AKW-Störfalls
ist
zwar sehr klein", sagte Egger, "seit Tschernobyl und Harrisburg wissen
wir jedoch, dass solche Unfälle nicht nur möglich sind,
sondern auch geschehen." Sie rief die "lieben Grossrätinnen und
Grossräte" dazu auf, sich vorzustellen, "dass die Bundesstadt und
der grösste Teil der Agglomeration evakuiert werden müssten".
Der Regierungsrat wolle und könne die Bevölkerung diesem
Risiko nicht weitere fünfzig Jahre aussetzen.
Atomenergie sei wenig wirtschaftlich, warnte Egger, die
zuständige Behörde in den USA sei "klar zum Schluss gekommen,
ohne staatliche Unterstützung würde sich der Neubau von AKW
nicht lohnen". Die Stromlücke, vor der die Befürworter von
neuen AKW warnen, bezeichnete Egger als "Gespenst". Im liberalisierten
Strommarkt könnten Versorger jederzeit Strom kaufen. Auch
volkswirtschaftlich würden, so Egger, erneuerbare Energien mehr
Sinn machen als AKW. Studien zeigten, dass sich so 20 bis 80 Prozent
mehr Arbeitsplätze schaffen liessen. Sukkurs erhielt Egger
natürlich von den rot-grünen Fraktionen, den
Grünliberalen und einem Teil der EVP. "Atomenergie ist das
grösste anzunehmende Klumpenrisiko", sagte etwa die Grüne
Natalie Imboden.
Bürgerliche: Standortvorteil
Ebenfalls nicht überraschend plädierten alle
Sprecher
der bürgerlichen Parlamentsmehrheit für Mühleberg II.
"Es kann niemand mit Euphorie für Kernenergie sein, aber man darf
sie auch nicht einfach aus emotionalen Gründen ablehnen", sagte
BDP-Grossrat Mathias Tromp. Die Energieeffizienz greife noch nicht.
"Wir können doch nicht sofort alle unsere Geräte wegwerfen
und neue A-Geräte kaufen."
Wirtschaft und Bevölkerung brauchten Energiepreise,
die
bezahlbar sind, sagte SVP-Sprecher Fritz Ruchti. "Alternative Energie
ist subventioniert." Man könne von der Wirtschaft jedoch nicht
verlangen, dass sie Energie subventioniere. Ruchti räumte
allerdings ein, dass die Entsorgung des Atommülls "noch nicht zu
Ende gedacht ist".
Für FDP-Sprecher Peter Flück ist ein neues
Kernkraftwerk in Mühleberg ein Standortvorteil für den Kanton
Bern. Es sei eine Bruttowertschöpfung von mehreren Hundert
Millionen Franken zu erwarten. Der rot-grünen Ratseite warf er
vor, sie würde nicht nur AKW, sondern auch Wasserkraftwerke
bekämpfen. "Es beelendet mich, dass Energieeffizienz und
erneuerbare Energien gegen die Kernenergie ausgespielt werden", sagte
sein Fraktionskollege Ruedi Sutter. Man brauche alle CO2-armen
Technologien, um den Klimawandel zu bekämpfen.
Im kommenden Abstimmungskampf wird nun der Grosse Rat
gegen die
Regierung stehen. Sie werde wie üblich an Podien auftreten und
eine Medienkonferenz zur Vorlage abhalten, sagte Egger auf Anfrage.
"Dabei werde ich die Haltung des Grossen Rates darlegen - aber
selbstverständlich werde ich auch die regierungsrätliche
Haltung nicht zurückhalten."
--
Grosser Rat
Das Problem der radioaktiven Abfälle "umgehend
lösen"
Der Regierungsrat muss beim Bund eine Standesinitiative
einreichen, die verlangt, dass das Problem der Entsorgung radioaktiver
Abfälle "umgehend gelöst" wird. Der Grosse Rat überwies
gestern eine entsprechende Motion von Christoph Grimm (Grüne,
Burgdorf) in diesem Punkt ohne Gegenstimme. Das Parlament sprach sich
aber recht klar gegen weitere Forderungen aus, die Grimm in der
Initiative unterbringen wollte. (sda)
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BZ 25.11.10
Ein AKW-Ja wider Willen
Kanton Bern. Die Berner Bevölkerung wird im Februar
über ein neues AKW in Mühleberg befinden. In der
Stellungnahme des Kantons gegenüber dem Bund muss sich die
Regierung auf Geheiss des Parlaments für ein neues Atomkraftwerk
aussprechen - gegen ihren Willen.
Nun ist es definitiv: Im Februar kann die
Berner
Bevölkerung zu einem neuen Atomkraftwerk in Mühleberg
abstimmen. Dies hat gestern der Grosse Rat des Kantons Bern
entschieden. Das Resultat dieser Konsultativabstimmung wird
anschliessend dem Bund vorgelegt.
Ebenfalls entschieden hat das Kantonsparlament in der
gestrigen
Sitzung, in welcher Form die Stellungnahme dem Bernervolk vorgelegt
wird: Sie wird atomfreundlich abgefasst - obwohl dies dem rot-grün
dominierten Regierungsrat gründlich gegen den Strich geht.
Zwar handelt es sich bei der Abstimmung am 13.Februar 2011
wie
erwähnt nur um eine Konsultativabstimmung. Doch ihr Resultat wird
allgemein als Stimmungsbarometer für die nationale AKW-Abstimmung
im Jahr 2013 angesehen. Der Kanton Bern ist nämlich der einzige
der vorgesehenen Standortkantone, der die Bevölkerung dazu
befragt, ob sie mit dem Bau eines neuen Atommeilers auf ihrem Gebiet
einverstanden ist oder nicht.
Neben Mühleberg stehen noch zwei Ersatzwerke in
Beznau AG
und Gösgen SO zur Diskussion. Das Eidgenössische
Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) kam vor zwei Wochen zum Schluss,
dass grundsätzlich alle Standorte für den Bau von Atommeilern
der neuesten Generation geeignet sind. Spricht sich das Bernervolk in
drei Monaten gegen Mühleberg II aus, stehen praktisch nur noch
Gösgen und Beznau zur Diskus-sion. sda/pasSeite 12 + 13
--
Nur zwei AKW-Gegner
Grosser Rat8 der 12 Oberaargauer Grossräte sind
für ein
neues AKW in Mühleberg.
Am 13. Februar 2011 wird das Bernervolk über die
Stellungnahme des Kantons zu einem neuen Atomkraftwerk (AKW) in
Mühleberg zuhanden des Bundes abstimmen. Gestern hat sich der
Grosse Rat damit befasst. Er sprach sich mit 91 gegen 53 Stimmen bei 7
Enthaltungen für eine positive Stellungnahme aus. Die zwölf
Oberaargauer Grossratsmitglieder haben folgendermassen abgestimmt:
Ja: Christian Hadorn (SVP, Ochlenberg), Jürg
Schürch
(SVP, Huttwil), Käthi Wälchli (SVP, Obersteckholz), Monika
Gygax (BDP, Obersteckholz), Dieter Widmer (BDP, Wanzwil), Hans
Baumberger (FDP, Langenthal), Katrin Zumstein (FDP, Bützberg),
Daniel Steiner (EVP, Langenthal).
Nein: Nadine Masshardt (SP, Bern/Langenthal), Adrian
Wüthrich (SP, Huttwil).
Enthalten: Markus Meyer (SP, Roggwil).
Abwesend: Thomas Rufener (SVP, Langenthal).
drh
Berichterstattung zur Grossratsdebatte siehe Seite 12 und
13.
--
Das Kantonsparlament setzt auf ein AKW in Mühleberg
Der Grosse Rat des Kantons Bern empfiehlt dem Stimmvolk
wenig
überraschend, sich am 13. Februar für den Bau eines neuen
Atomkraftwerks in Mühleberg auszusprechen. Die Ratslinke unterlag
deutlich, selbst die mahnenden Worte von SP-Energiedirektorin Barbara
Egger halfen nichts.
"Wollen Sie die zustimmende Stellungnahme des Kantons Bern
zu
einem Ersatz-AKW in Mühleberg akzeptieren oder ablehnen?" Diese
Frage wird den Stimmberechtigten des Kantons Bern am 13. Februar 2011
vorgelegt. Falls ein Ja resultiert, nimmt der Kanton zuhanden des
Bundesamts für Energie zustimmend Stellung zum Rahmengesuch
für ein neues AKW in Mühleberg.
Falls sich eine Mehrheit der Stimmenden für ein Nein
ausspricht, wird die Regierung dem Bund dieses Resultat mitteilen und
schreiben, Bernerinnen und Berner lehnten ein neues Kernkraftwerk 14
Kilometer westlich der Bundesstadt ab.
Der Grosse Rat verabschiedete die zustimmende
Stellungnahme
gestern mit 91 zu 53 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Das deutliche Resultat
widerspiegelt klar die geltenden Fronten und
Mehrheitsverhältnisse: Rot-grün sprach sich vehement gegen
eine atomfreundliche Stellungnahme aus, der Bürgerblock tat dies
ebenso überzeugt dafür.
Egger mahnte vergebens
Verloren hat gestern die rot-grüne Regierung. Sie hat
nie
einen Hehl daraus gemacht, dass sie ein neues Atomkraftwerk ablehnt.
Energiedirektorin Barbara Egger-Jenzer (SP) wehrte sich bis zuletzt
gegen eine positive Stellungnahme und versuchte auch in der gestrigen
Debatte noch einmal, das Blatt zu wenden - vergeblich.
"Stellen Sie sich vor, Stadt und Agglomeration Bern müssten bei
einem Störfall evakuiert werden", sprach sie den Parlamentariern
ins Gewissen. Dies sei ein Szenario, das kein Politiker in Kauf nehmen
könne. Nun biete sich Gelegenheit, "der überholten, teuren
und gefährlichen Technologie" abzuschwören und die Zukunft
auf erneuerbaren Energien aufzubauen. Die Technologien dazu seien
vorhanden. "Die Regierung will nicht nur eine gesicherte, sondern auch
eine sichere Stromversorgung", rief sie ins Plenum. Doch die Meinungen
waren längst gemacht. Und auch Eggers Argument, dass das hiesige
Gewerbe viel mehr von Solar-, Wasser-, Wind- und Biomassenenergie
profitieren würde als von der Atomenergie, wurde von
bürgerlicher Seite nicht gehört.
Die Sprecher von SVP, FDP, BDP, EDU sowie Teilen der EVP
wiederholten, dass der Schweiz ohne neue Grosskraftwerke eine
Stromlücke drohe. Denn der Energiehunger steige stetig und sei mit
Sparmassnahmen und dem Einsatz von alternativen Energien schlicht nicht
wettzumachen.
Schliesslich wiederholte sich das, was bereits im Juni
passiert
war: Damals zwang die bürgerliche Mehrheit im Kantonsparlament die
Regierung, dem Grossen Rat eine zustimmende Stellungnahme zur Beratung
vorzulegen. Nun wird im kommenden Jahr eine ebenso positiv formulierte
Stellungnahme dem Stimmvolk vorgelegt.
Trotz der Emotionen, welche das Thema Atomenergie bei den
Politikern weckte, verlief die Diskussion im Rathaus aber weitgehend
sachlich. Wohl auch darum, weil das Resultat vorhersehbar war.
Allgemein wird erwartet, dass das Berner
Abstimmungsresultat vom
13. Februar entscheidende Bedeutung hat für die Pläne der
Energiekonzerne, ihre Atomkraftwerke zu ersetzen.
Nur Bern befragt das Volk
Die weiteren Schritte in der AKW-Diskussion sind
vorgezeichnet:
2011 will der Bund die Vernehmlassung eröffnen. Alle Kantone
sollen Stellung zu den drei Gesuchen für Neubauten in
Mühleberg BE, Beznau AG und Gösgen SO nehmen. Bern ist dabei
der einzige Standortkanton, der das Volk vorgängig befragt. Das
Resultat wird darum als wichtiger Stimmungsbarometer genommen.
2012 wird der Bundesrat voraussichtlich über die
Gesuche
entscheiden. Anschliessend kommt die Vorlage ins Parlament. Das
Referendum gilt bereits als sicher, sodass Ende 2013 die Schweizer
Stimmberechtigten das letzte Wort sprechen würden.
Nach rund zehn Jahren Bauzeit könnte 2025 das erste
neue
Atomkraftwerk in der Schweiz den Betrieb aufnehmen und während
rund 50 Jahren Energie produzieren.
pas/sda
--
"50 Jahre Nuklearstrom konsumieren und so radioaktiven
Abfall
für 10 000 Jahre anhäufen: Das geht nicht auf."
Flavia Wasserfallen, SP/Bern
"In Entwicklungsländern gibt es Krawalle, wenn das
Brot
fehlt, in Industrieländern, wenn die Energie ausgeht."
Erwin Burn, EDU/Adelboden
"Wenn neue KKW gebaut werden, dann in Bern - zum
volkswirtschaftlichen Nutzen des Kantons."
Peter Flück, FDP/Brienz
"Die Reduktion des Treibhausgases CO2 hat eine höhere
Priorität als der Ausstieg aus der Atomenergie."
Mathias Tromp, BDP/Bern
"Wir müssen immer mit Risiken leben. Auch bei einem
Wasserkraftwerk kann mal eine Staumauer brechen."
Fritz Ruchti, SVP Seewil
"Ein neues AKW kostet Milliarden von Franken. Ohne
staatliche
Hilfe ist das nicht zu finanzieren."
Nadine Masshardt, SP/Bern
"Dann sitzen wir bis 2075 auf einem veralteten
Monster-AKW, das
teuren, umweltschädlichen Strom produziert."
Andreas Hofmann, SP/Bern
"AKW sind das grösste anzunehmende Klumpenrisiko -
finanziell, wirtschaftlich und für die Umwelt."
Natalie Imboden, Grüne/Bern
---
Langenthaler Tagblatt 25.11.10
Jetzt ist die Meinung des Volkes gefragt
Atomstrom Der Grosse Rat unterstützt deutlich den
Ersatz des
Berner Atomkraftwerks in Mühleberg
Bruno Utz
"Der Kanton Bern ist an einer sehr wichtigen
Weichenstellung zur
Zukunft des Atomstroms beteiligt. Wir treffen einen Vorentscheid zur
schweizerischen Abstimmung in einigen Jahren." So versuchte Andreas
Hofmann (SP/Bern) die Bedeutung der Stellungnahme des Kantons an die
Bundesbehörden zum Ersatz des Atomkraftwerks Mühleberg ins
nationale Licht zu stellen. Er warnte vor dem von der BKW Energie AG
geplanten "Monsterkraftwerk", das dreimal mehr Strom produzieren
würde, als im gesamten Kanton verbraucht werde. Bei einer
Inbetriebnahme im Jahr 2025 und einer Produktionsdauer von 50Jahren
wäre der Kanton bis 2075 energiepolitisch handlungsunfähig.
Antonio Bauen (Grüne/Münsingen) bezeichnete das neue
Atomkraftwerk als "gigantisches Klumpenrisiko". Weder die Uranabfall-
noch die CO2-Problematik seien gelöst. Mit der Energiestrategie
2006 habe der Regierungsrat den Weg in eine langfristig sichere
Stromversorgung aufgezeigt. "Setzen wir nicht aufs falsche Ross. Es
gibt nur einen Weg, und der heisst Ausstieg aus der Atomenergie." Ins
gleiche Horn stiess Franziska Schöni (GLP/ Bremgarten). Atomstrom
sei längst nicht so preisgünstig wie behauptet. "Wir
müssen auch die nicht versicherbaren Risiken berücksichtigen."
Für die Grünen mahnte Natalie Imboden (Bern):
"Wir
spielen ‹russisches Roulette› mit unseren Kindern und Kindeskindern."
Auch Christine Häsler (Grüne/Burglauenen) zeigte sich besorgt
ob der Langfristigkeit der Betriebs- und Endlagerrisiken: "Um uns geht
es nicht, aber um all die, die nach uns kommen." Flavia Wasserfallen
(SP/Bern): "Wir profitieren 50 Jahre lang von der Stromproduktion,
hinterlassen aber für 100000 Jahre radioaktiven Abfall. Das ist
unverantwortlich."
Hans-Jörg Rhyn (SP/Zollikofen) verwies auf
Erfahrungen in
Deutschland mit Alternativenergien. "Die sind dort ein Job-Motor." Dank
des Booms von Solar- und Windenergie seien 170000 neue Jobs entstanden.
Josef Jenni (EVP/Oberburg) verglich auch mit Deutschland: "Was vor
wenigen Jahren fast niemand möglich hielt, ist Tatsache: Heute
decken erneuerbare Energien 17 Prozent des deutschen Strombedarfs."
Neue Schweizer Atomkraftwerke seien daher völlig überholt,
wenn sie einmal in Betrieb gehen. Jennis Empfehlung: "Der Kanton Bern
soll sich für Pumpspeicherwerke einsetzen und so die erneuerbaren
Energien fördern und Geld verdienen.
"Niemand kann mit Euphorie für Atomenergie
eintreten",
räumte Mathias Tromp (BDP/Bern) ein. "Aber die Versorgungslage mit
Energie ist zu ernst." Die BDP unterstütze einstimmig den
"Mühleberg"-Ersatz. Auch daher, weil die BDP hinter der
Energiepolitik des Bundes stehe, die auf den vier Säulen
Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Ersatz und Neubau von
Grosskraftwerken und Energieaussenpolitik basiere. "Erneuerbare
Energien sind nötig, können Atomenergie aber nicht
rechtzeitig ersetzen."
Bürgerliche setzen Kontrapunkte
Er sei zwar kein Atom-Turbo, aus heutiger Sicht bleibe der
Atomstrom aber unverzichtbar, sagte Erwin Burn (EDU/Adelboden): "Auch
da Strom immer mehr zur Schlüsselenergie wird." Fritz Ruchti
(SVP/Seewil) mahnte, der Strom müsse bezahlbar bleiben: "Heute
werden die erneuerbaren Energien stark subventioniert. Es ist aber
unmöglich, den gesamten Strombedarf von Industrie und Gewerbe zu
subventionieren." Die SVP sei bereit, die mit einem Atomkraftwerk
verbundenen Risiken zu tragen. Ruchti: "Auch Staumauern können
brechen." Der Inhaber einer Schreinerei, Ueli Lehmann
(BDP/Zäziwil), sagte, er traue den Versprechen nicht, mit
erneuerbaren Energien könne die Versorgungssicherheit
gewährleistet werden. "Für KMUs ist jedoch eine sichere und
bezahlbare Stromversorgung überlebenswichtig." Deshalb, und weil
der Energieverbrauch stetig wachse, müsse "Mühleberg" ersetzt
werden, sagte Peter Flück (FDP/Brienz). Die FDP befürworte
erneuerbare Energien. Leider wehrten sich die Atom-Gegner jedoch auch
gegen Bewilligungen für neue Wasser- und Windkraftwerke. Ein
Atomkraftwerk zu haben, sei für den Kanton auch
volkswirtschaftlich interessant. Flück: "Das neue ‹Mühleberg›
bietet 800 Arbeitsplätze und bringt 70 Millionen Franken
Steuereinnahmen." Laut der Mühlebergerin Anita Herren (BDP) ist
das neue AKW im Dorf im Westen Berns willkommen: "Bei einer Umfrage
sprachen sich 55 Prozent der Bevölkerung dafür aus."
Im Gegensatz zur Regierung (vgl. Text unten) ist
"Mühleberg"
auch beim Grossen Rat willkommen: Nach einer mehrstündigen
Auslegeordnung hat sich das Parlament mit 91 zu 53 Stimmen bei 7
Enthaltungen für eine positive Stellungnahme des Kantons an die
Bundesbehörden ausgesprochen.
Ob Berns Atom-Weichen tatsächlich auf Grün
stehen,
entscheidet das Stimmvolk am 13. Februar. Für das Referendum
stimmten 148 Räte.
--
Barbara Egger: "Stromlücke kann es gar nicht mehr
geben"
"Obwohl sich technologisch viel geändert hat,
diskutieren
wir heute dieselbe Frage wie vor vierzig Jahren: Nein, wir brauchen
kein neues AKW, inzwischen haben wir bessere Alternativen", so
Energiedirektorin Barbara Egger in der gestrigen AKW-Debatte. Der
Regierungsrat nehme Ängste zur Versorgungssicherheit ernst. Doch
es gehe "nicht nur um gesicherten Strom, sondern auch um eine sichere
Versorgung". Zwar sei Tschernobyl längst nicht mehr Thema in den
Medien; der GAU sei jedoch in ihrer Erinnerung geblieben: "Es ist nicht
ausgeschlossen, dass ein solcher Unfall in Mühleberg passieren
kann." Versicherbar sei nur ein Tausendstel der Schäden: "Die
Regierung kann und will ihre Bevölkerung nicht nochmals 50 Jahre
diesem Risiko aussetzen." Dazu komme die offene Frage der Entsorgung.
Den Mühleberg-Neubau mit der Forderung nach dessen
unverzüglicher Lösung zu verknüpfen, wie es Christoph
Grimm (Grüne/Burgdorf) forderte, wollte das Parlament jedoch
nicht. Auch punkto Arbeitsplätze stehe es nicht so gut um einen
AKW-Neubau. Auf einen Vorstoss von Nadine Masshardt (SP/Bern) sagte
Egger, erneuerbare Energien hätten einen
Beschäftigungseffekt, der 20 bis 80 Prozent höher liege als
bei Grosskraftwerken. "Eine Stromlücke kann es gar nicht mehr
geben", so Egger. "Strombezüger können ja überall
einkaufen." Wer trotzdem noch von Stromlücke spreche, glaube nicht
an den Markt. "Fakt ist: Nach allen Energieszenarien des Bundes wird
2035 ohne neue AKWs genug Strom produziert werden, um unseren Bedarf zu
decken." (sat)
---
20 Minuten 25.11.10
Atomkraftwerk statt Energiespargesetz?
BERN. Die Atomtechnologie sei gefährlich, das Problem
der
radioaktiven Abfälle ungelöst und ein neues AKW bringe kaum
Arbeitsplätze: Diesen Standpunkt vertrat Energiedirektorin Barbara
Egger Jenzer gestern vehement vor dem Berner Kantonsparlament.
Vielleicht muss sie bald ganz andere Töne anschlagen: Das Volk
wird am 13. Februar an der Urne entscheiden, welche Haltung der Kanton
zum Neubau des Kernkraftwerks Mühleberg künftig offiziell
vertritt. Die bürgerliche Ratsmehrheit setzte gestern sogar eine
Abstimmungsempfehlung zugunsten des AKWs durch. Eine Niederlage musste
die Linke auch bei der Stellungnahme zum neuen Energiegesetz
einstecken: Der Rat empfiehlt dem Volk, bei der Abstimmung über
das Energiegesetz den Volksvorschlag anzunehmen, also jene Version, die
auf Gebäudeenergieausweis und Förderabgabe verzichtet. sda/mar
---
20 Minuten 25.11.10
Atomausstieg: Schweiz schaut auf St. Gallen
ST. GALLEN. Am Sonntag stimmen die St. Galler über
den
Ausstieg aus der Atomenergie ab. Atomlobby und AKW-Gegner warten
gespannt auf das Resultat.
Neben den nationalen Abstimmungen wird das Augenmerk am
Sonntag
auch auf St. Gallen gerichtet sein: Die Stimmbürger entscheiden,
ob die Stadt ab 2018 aus der Atomenergie aussteigt. Weil bald auch in
anderen Städten darüber abgestimmt wird, ist das nationale
Interesse gross. "Ich erhoffe mir durch ein Ja in St. Gallen einen
Dominoeffekt für das ganze Land", so Geri Müller, Nationalrat
der Grünen und Präsident der Schweizerischen Energiestiftung.
Er ist zuversichtlich, weil er in der Bevölkerung einen klaren
Trend zu erneuerbaren Energien spürt.
Optimistisch ist aber auch das überparteiliche St.
Galler
Komitee gegen den Atomstrom-Ausstieg. "Erneuerbare Energien können
den heutigen Stromverbrauch nicht abdecken", sagt Projektleiter Sven
Bradke. Mit grossen Plakaten und Inseraten setzt sich das Komitee
für ein Nein ein. Wie viel die Atomlobby mitzahlt, will Bradke
nicht bekannt geben. "Die Kampagne wird von Sponsoren aus der
Stromindustrie unterstützt", sagt er bloss. Auch die Fachgruppe
Swiss Nuclear wollte sich dazu nicht äussern. Dass bezahlt wird,
steht für Müller fest. Aber: "Obwohl die Atomlobby Millionen
in Gegenkampagnen investiert, haben wir schon ähnliche
Abstimmungen gewonnen."
Simon Städeli
---
Basler Zeitung 25.11.10
Fricktaler Frauen sehen offene Fragen bei Atommüll-Endlager
Rheinfelden. Gruppierung fordert vor allem Sicherheit
Franziska Laur
Auch im unteren Fricktal wird das Endlager für
Atommüll
immer mehr zum Thema: Dort informierten Fachfrauen eine Gruppe
politisch aktiver Frauen. Diese bestehen auf ihrem demokratischen
Mitspracherecht.
Ann-Kathrin Leuz, Vertreterin des Eidgenössischen
Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi), und Sabine von Stockar von der
Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) informierten in Rheinfelden die
Gruppierung "Frauen und Politik" im Fricktal bezüglich
Standortsuche für ein Atommüllendlager. Die Gross- und
Gemeinderätinnen sowie die weiteren politisch aktiven Frauen
zeigten sich hoch interessiert an den Ausführungen bezüglich
Standortsuche und politisches Begleitverfahren.
"Das Thema wurde engagiert diskutiert", sagt Brigitte
Rüedin, Vizeammann von Rheinfelden. Dabei sei deutlich geworden,
dass die Thematik nicht nur im oberen Fricktal nahe dem Bözberg,
sondern auch im Bezirk Rheinfelden zunehmend an Bedeutung gewinne. Der
Bözberg gilt als einer der potenziellen Standorte für ein
Atommüllendlager.
Die Diskussion zeigte, dass unabhängig von der
Standortfrage
noch Fragen offen sind. Aus Sicht des Ensi stellen die offenen Punkte
die grundsätzliche Machbarkeit eines geologischen Tiefenlagers
nicht infrage. Doch die SES weist den Ergebnisbericht des Bundesamtes
für Energie zurück: Das Lagerkonzept scheint ihr
unausgereift, die Standortsuche sei verfrüht und der
Ergebnisbericht verharmlosend. Der Sachplanprozess erscheint der
Stiftung als Alibi-Übung, weil die wirklichen Fragen der
Atommüllentsorgung nicht diskutiert werden, hiess es.
Auseinandersetzung
Auch aus der Gruppe der Fricktaler Frauen waren viele der
Meinung, dass
zu wenig Demokratie in diesem Prozess stecke. Sie möchten kein
Lager am Bözberg, bloss weil die Zuständigen hier eine
willige Bevölkerung vorfinden. Die Sicherheit müsse beim
Entscheid zum Standort an oberster Stelle stehen, so die einhellige
Meinung. Auch sollten sämtliche noch offenen Fragen beantwortet
werden. Und die Bevölkerung müsse die nötige Zeit
für eine kritische Auseinandersetzung erhalten. Erst dann
dürften die schwerwiegenden Entscheide getroffen werden, welche
viele kommende Generationen betreffen.
---
Aargauer Zeitung 25.11.10
Noch kein Ansturm gegen Tiefenlager
Anhörung Bisher bescheidenes Echo aus Aargauer
Regionen,
Frist endet am 30. November
Hans Lüthi
Jetzt geht die erste Etappe der aufwendigen Standortsuche
für je ein geologisches Tiefenlager zur Entsorgung der schwach-
und der hochaktiven Abfälle dem Ende zu. Der Aargau ist stark
gefragt: Von den tangierten rund 200 Gemeinden in acht Kantonen liegen
88 Gemeinden bei uns. Die Hälfte davon in der Region Bözberg,
die von Döttingen bis Wittnau reicht und von Birmenstorf bis zum
Rhein. "Aus dem Raum Bözberg haben wir auch die meisten
Reaktionen", sagt Projektleiter Leonhard Zwiauer von der
Raumentwicklung im Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU). Insgesamt
aber sei "das Echo der Bevölkerung eher bescheiden", meint er zur
Anhörung, die bis zum 30. November dauert.
Fristerstreckung für Zurzibiet
Im Osten und Westen ist der Aargau ebenfalls von den
Abklärungen des Bundesamtes für Energie (BFE) und der
Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver
Abfälle (Nagra) tangiert. Primär auf Zürcher Gebiet
liegt die Region Nördlich Lägern, ragt aber in einem Streifen
von Ehrendingen über Endingen und bis Rekingen über die
Kantonsgrenze. Die Reaktionen aus dem Zurzibiet fehlen noch, der
Planungsverband hat auf Gesuch hin vom Bund ein paar Tage
Fristerstreckung erhalten. "Das Treffen der Gemeindeammänner
findet am 2.Dezember statt, dann werden wir den Entwurf für unsere
Reaktion diskutieren und verabschieden", erklärt
Repla-Präsident Felix Binder. Und die Gemeinden warten in der
Regel ab, was der Planungsverband fordert, um auf der gleichen Linie zu
liegen. Im Westen reicht der Perimeter für die Region
Jura-Südfuss weit in den Aargau hinein, bis Küttigen,
Lenzburg, Seon, Oberkulm, Staffelbach, Oftringen und bis Rothrist. Von
den insgesamt 47 Gemeinden liegen 28 im Aargau und 19 im Kanton
Solothurn.
Komplizierte, abstrakte Materie
Die im September durchgeführten
Informationsanlässe
waren zwar gut besucht, aber die Möglichkeit zur Stellungnahme
benutzen vor allem Planungsverbände und Gemeinden. Kein Wunder:
"Die Dokumente sind komplex, das Thema ist noch immer relativ weit
entfernt", begründet Zwiauer die zahlenmässig schwachen
Reaktionen. Denn noch ist es ja offen, welche Standortregionen ganz aus
dem Rennen fallen und welche später in die engere Wahl kommen
werden. Das Bundesamt für Energie will sich nicht in die Karten
blicken lassen, "wir geben zu den eingegangenen Stellungnahmen
grundsätzlich keine Inhalte bekannt", antwortet Mediensprecherin
Marianne Zünd vom BFE auf Anfrage. Und sie verweist auf den
Auswertungsbericht, wenn einmal die gesamte Anhörung vorliegt und
ausgewertet ist.
Sofern ein Doppel der Eingaben an den Kanton geht, sammelt
Projektleiter Zwiauer diese für die Stellungnahme der Aargauer
Regierung. Deren Frist ginge bis Ende Jahr, aber über die Festtage
will sich die Regierung nicht mit radioaktiven Abfällen
herumschlagen. "Darum werden wir unsere Stellungnahme Mitte Dezember
nach Bern schicken", betont der Fachmann. Derzeit liege der
Beschlussder Regierung noch nicht vor.
Wichtige Phase ab Mitte 2011
Für die relativ schwache Teilnahme der
Bevölkerung gibt
es einen weiteren Grund: Nach den Sommerferien 2011 beginnt die zweite
Etappe, in deren Zentrum die regionale Partizipation steht. Dann
rücken eigenständige Regionalkonferenzen ins Zentrum der
Mitwirkung, in die laut BFE "alle wichtigen Interessen und
Gruppierungen einbezogen werden". In der zweiten Etappe wird das
Tiefenlager konkreter, weil es um die Oberflächenanlagen geht.
Gemäss Fahrplan entscheidet der Bundesrat Mitte des nächsten
Jahres, ob alle sechs Standortregionen im Rennen bleiben.
Für die in der dritten Etappe verbleibenden Gebiete
braucht
es zusätzliche Bohrungen. Das Lager für schwachaktive
Abfälle muss laut Planung des Bundes frühestens 2030, jenes
für hochaktive Abfälle nicht vor dem Jahr 2040 bereit sein.
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be.ch 25.11.10
Entsorgung radioaktiver Abfälle: Es braucht konkrete
Lösungen
Der Regierungsrat des Kantons Bern hat die erste Etappe des
Sachplans
geologische Tiefenlager für die Entsorgung radioaktiver
Abfälle zur Kenntnis genommen. In seiner Anhörungsantwort an
den Bund begrüsst er das schrittweise Vorgehen und den Einbezug
aller betroffenen Kreise. Die Ergebnisse des Sachplans seien
transparent und plausibel. Für den Regierungsrat ist die Suche
nach einem geologischen Tiefenlager von grosser Bedeutung, weil es in
den nächsten Jahren um die Frage gehen wird, ob in der Schweiz
neue Atomkraftwerke bewilligt werden sollen. Der Regierungsrat ist
überzeugt, dass es für die Entsorgung radioaktiver
Abfälle konkrete Lösungen geben muss, bevor über die
Bewilligung neuer Atomkraftwerke entschieden werden kann.
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admin.ch 25.11.10
Geologische Tiefenlager: Nagra-Bericht zum geologischen
Kenntnisstand
für Etappe 2
Bern, 25.11.2010 - In Etappe 2 der laufenden Standortsuche muss
die
Nagra quantitative provisorische Sicherheitsanalysen und einen
sicherheitstechnischen Vergleich der potenziellen Standorte
durchführen. In ihrem Bericht zuhanden des Eidgenössischen
Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) legt die Nagra den aktuellen
geologischen Kenntnisstand dar. Sie kommt zum Schluss, dass dieser
eindeutige quantitative Aussagen zu allen Standortgebieten erlaubt und
damit zuverlässige sicherheitstechnische Beurteilungen und
Vergleiche möglich sind. Neben anderen Arbeiten plant die Nagra in
Etappe 2 das regionale seismische Messnetz in den potenziellen
Standortgebieten für ein Lager für hochradioaktive
Abfälle zu verdichten. Der Nagra-Bericht wird nun vom ENSI
geprüft.
2011 wird der Bundesrat über die definitive Festlegung der
Standortgebiete im ,Sachplan geologische Tiefenlager" entscheiden
(siehe Medienmitteilung des BFE vom 23.08.2010). Danach beginnt Etappe
2 der Standortsuche (Infobox), in der die Nagra mindestens je zwei
Standorte für ein Lager für hochradioaktive Abfälle
(HAA) und ein Lager für schwach- und mittelradioaktive
Abfälle (SMA) vorschlagen muss. Höchste Priorität hat
dabei die langfristige Sicherheit von Mensch und Umwelt. Zu diesem
Zweck muss die Nagra in Etappe 2 quantitative provisorische
Sicherheitsanalysen und einen sicherheitstechnischen Vergleich der
Standorte durchführen. Dazu braucht es einen ausreichenden
Kenntnisstand über die geologischen Gegebenheiten an den
Standorten. Gemäss ,Sachplan geologische Tiefenlager" muss die
Nagra zuhanden des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats
ENSI vor Beginn von Etappe 2 aufzeigen, ob der aktuelle Kenntnisstand
dafür ausreichend ist oder ob in Etappe 2 zusätzliche
Untersuchungen, beispielsweise auch bewilligungspflichtige
Sondierbohrungen, notwendig sind. Der vorliegende Bericht dokumentiert
den aktuellen Kenntnisstand und beinhaltet die Schlussfolgerungen der
Nagra zu dieser Frage.
Umfangreiche Datenbasis vorhanden
Gemäss Nagra-Bericht liegen für jedes Standortgebiet
umfangreiche Informationen zu Geometrie, Strukturen, Wirtsgesteinen,
hydrogeologischen Verhältnissen sowie zur tektonischen
Langzeitentwicklung (Hebung, Erosion, etc.) vor. Diese Daten stammen
aus seismischen und geophysikalischen Untersuchungen, aus Bohrungen,
Oberflächenaufschlüssen, aus Tunneln, aus der geologischen
Kartierung oder auch aus Felslaboren.
Die Nagra hat geprüft, ob mit der vorhandenen Datenbasis
quantitative Aussagen zur Sicherheit und technischen Machbarkeit, zur
Charakterisierung der Wirts- und Rahmengesteine, zur Hydrogeologie, zu
den Mechanismen der Radionuklidausbreitung (Dosisverlauf), zu den
geochemischen Bedingungen und zur Biosphäre gemacht werden
können.
Zuverlässige quantitative Beurteilungen und Vergleiche sind
möglich
Aufgrund der dazu durchgeführten Testrechnungen kommt die
Nagra
zum Schluss, dass sie aufgrund des aktuellen Kenntnisstands und der
vorhandenen Datenbasis in Etappe 2 eindeutige und belastbare
quantitative Aussagen zu allen Standortgebieten machen kann. Nach
Abschluss der bereits laufenden oder in Planung befindlichen
Untersuchungen, könne die sicherheitstechnische Eignung und der
Vergleich der geologischen Standortgebiete zuverlässig beurteilt
und durchgeführt werden. Die Nagra will den vorhandenen
Kenntnisstand in Etappe 2 mit weiteren Untersuchungen zu Geometrie,
Wirtsgesteinen, Rohstoffvorkommen, hydrologischen Verhältnissen,
der geologischen Langzeitentwicklung, zur Lagerauslegung oder zur
Gasbildung und -freisetzung ergänzen. Zudem plant die Nagra, sich
an Bohrungen Dritter zu beteiligen (z.B. Bohrungen für
Erdwärmesonden) und das regionale seismische Messnetz in den
potenziellen Standortgebieten für ein HAA-Lager in Etappe 2 zu
verdichten.
Weiteres Vorgehen
Der Bericht und die darin enthaltenen Schlussfolgerungen der
Nagra
werden nun durch das ENSI und die KNS geprüft und zusätzlich
den Standortkantonen zur Stellungnahme unterbreitet. Das ENSI wird
seine Ergebnisse im 1. Quartal 2011 publizieren. Im Verlauf von Etappe
2 wird der dann erreichte Kenntnisstand von den Behörden nochmals
überprüft. Auf dieser Basis soll festgelegt werden, an
welchen Standorten die Nagra in Etappe 3 weitere, auch
bewilligungspflichtige Felduntersuchungen (Sondierbohrungen)
durchführen muss, um die definitive Standortwahl zu treffen und
die Rahmenbewilligungsgesuche für das SMA- und HAA-Lager
auszuarbeiten.
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INFOBOX
Der Sachplan geologische Tiefenlager wurde vom Bundesrat im
April 2008
verabschiedet. Er definiert ein transparentes Auswahlverfahren mit
klaren Regeln: In drei Etappen soll dieses in zehn bis zwölf
Jahren zu Standorten für je ein Lager für schwach- und
mittelradioaktive sowie für hochradioaktive Abfälle
führen. Denkbar ist auch ein Kombilager für beide
Abfalltypen. Oberstes Ziel ist dabei stets die Sicherheit von Mensch
und Umwelt.
Im Zentrum von Etappe 2, die voraussichtlich von Herbst 2011 bis
2015/16 dauern wird, stehen zwei Ziele:
1. Partizipation: Die Standortregionen haben die
Möglichkeit, bei
der Konkretisierung der Oberflächeninfrastruktur der Lager sowie
den Untersuchungen der sozioökonomischen und raumplanerischen
Auswirkungen mitzuarbeiten.
2. Sicherheitstechnische Analysen und Vergleiche der Standorte:
In
Etappe 2 muss die Nagra die in Etappe 1 vorgenommene qualitative
Bewertung von Sicherheit und Geologie durch quantitative provisorische
Sicherheitsanalysen und einen sicherheitstechnischen Vergleich der
Standorte erhärten.
Im Verlauf von Etappe 2 muss die Nagra auf Basis der bis dahin
vorliegenden Erkenntnisse mindestens je zwei geeignete Standorte
für SMA- und HAA-Lager vorschlagen.
Diese Standorte werden von der Nagra in der letzten Etappe 3,
voraussichtlich von 2015/16 bis 2019/2020, vertieft untersucht, so dass
sie für beide Lagertypen ein Rahmenbewilligungsgesuch erarbeiten
und einreichen kann. Aufgrund dieser Gesuche wird der Bundesrat
über die Erteilung der Rahmenbewilligung für je einen
Standort für ein SMA- und ein HAA-Lager oder für einen
Standort für ein Kombilager entscheiden. Nach dem Entscheid des
Bundesrats folgt die Genehmigung durch das Parlament, die dem
fakultativen Referendum unterliegt.
Adresse für Rückfragen:
Marianne Zünd, Leiterin Kommunikation BFE, 031 322 56 75 /
079 763
86 11
Herausgeber:
Bundesamt für Energie
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