MEDIENSPIEGEL 29.11.10
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Rössli)
- Schützenmatte: Pizzamensch will nicht Polizeispitzel sein
- Zaffaraya: Abstimmung über alternatives Wohnen
- Stadtrat-Sitzung 2.12.10
- RaBe-Info 29.11.10
- Müslüm: Samichlaus aus Südtürkei
- Ausschaffungen: Pfyn TG 91.4% JA; Demos & Aktionen BE, ZH, VD;  Müsllüm; Historisches
- Anti-SVP: Angriff auf SVP-Büro BE; SVP-Odysee VD; Grundrechte SVP
- Sans-Papiers: Demo nach Polizei-Provos gegen Autonome Schule ZH
- Big Brother Sport: Hooligan-Zwangsmassnahmen-Gericht in BL
- Police CH: Polizei-Akademie Savatan VD
- Drogen: Kokain-Tauchboote Kolumbien; Gehirnschäden durch Koks & Meth; Bussenmodell SG
- Rauschknast: Bald auch in LU?
- Squat GE: Critical Mass & Grange-Canal-Squat; Rhino-Besitzer will 2 Mio
- Transmurder Monitoring Project gegen transphobe Gewalt
- Gefangenen-Info: Interview mit Thomas Meyer-Falk
- Rechtsextremismus: Die Hintermänner des Auschwitz-Raubs
- Migration Control: Gegen EU-Unterstützung für Libyen
- Anti-Atom: Ausstieg BE + SG; Dorf-Wünsche; Tiefenlager; Gösgen mit Majak-Uran; Atommüll-Entschärfung; Endlager Niederamt; Tschernobyl-Theater; Investitionsrisiken AKW-Bau BE

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REITSCHULE
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Di 30.11.10
20.30 Uhr - Tojo - Lustiger Dienstag 49. Mehr als Variété. LuDi-Crew und Gäste

Fr 03.12.10
19.00 Uhr - Tojo - Cousin Ratinet. Théâtre de la grenouille. Regie: Charlotte Huldi. Ab 6 Jahren
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: RUSSKAJA (AUT/RUS) & DJ Rane. - Ska, Russendisko

Sa 04.12.10
15.00 Uhr - Tojo - Cousin Ratinet. Théâtre de la grenouille. Regie: Charlotte Huldi. Ab 6 Jahren

So 05.12.10
15.00 Uhr - Tojo - Cousin Ratinet. Théâtre de la grenouille. Regie: Charlotte Huldi. Ab 6 Jahren

Infos:
http://www.reitschule.ch
http://www.reitschulebietetmehr.ch

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kulturstattbern.derbund.ch 29.11.10

Von Gisela Feuz am Montag, den 29. November 2010, um 06:30 Uhr

Kulturbeutel 48/10

Frau Feuz empfiehlt:
Besuchen Sie am Mittwoch das Rössli. Dort stellen Al & The Black Cats ihr neues Album "Through Thick N' Thin" vor, was so viel bedeutet wie Rockabilly mit Punk-Rock Attitüde und Geschwindigkeit gespielt. Am Freitag lädt die Halbzeit einmal mehr zur lustigen Fussball-Lesung ein. Mit von der Partie dieses Mal Ex-YB-Schätzchen Thomas Häberli und Christian Wandeler.

(...)

Herr Sartorius empfiehlt:
Das Konzert von Disco Doom am Donnerstag im Rössli. Die Band - im Kern Anita Rufer und Gabriele De Mario - tourten mit Built To Spill durch die Staaten und veröffentlichten eben ihr neues (Mini)-Album "Trux Reverb", das den Hall- und Drone-Drogen-Gitarrensounds düster und frei huldigt. Sehr, sehr gut.

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SCHÜTZENMATTE
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BLICK 29.11.10

Pizza-Wagen versprayt

 "Ich bin kein Polizeispitzel!", wehrt sich Stefan Mischler. Genau das wurde auf seinen mobilen Pizza-Holzofen gesprayt.

 Vorne auf dem Pizza-Wagen steht in Grossbuchstaben "Bullen Snitch" - englisch für Spitzel. Seitlich ist mit rotem Farbspray "Pass auf!" hingeschmiert. Vandalen haben Stefan Mischler (39) übel mitgespielt.

 Kopfschüttelnd steht der Mann vor seinem mobilen Pizza-Holzofen auf der Schützenmatt in Bern. "Es ist eine Katastrophe", sagt Mischler. "Mit so einem Wagen kann ich nicht an die Fasnacht in Thun und auch nicht an den Weihnachtsmarkt auf dem Waisenhausplatz in Bern."

 Der Pizzaiolo ist verzweifelt. "Den Schaden bezahlt mir keine Versicherung. Ich habe keine Ahnung, was das soll. Ich habe niemandem etwas getan. Und ich bin auch kein Polizeispitzel."

 Die Vandalen kamen in der Nacht. Um 22 Uhr war der Wagen noch sauber, um 23 Uhr war er verschmiert. Blitzschnell sprühten die Chaoten alles voll.

 Pizzaiolo setzt ein Kopfgeld von 500 Franken aus

 Mischler sucht jetzt Zeugen: "Wer mir sagen kann, wer das getan hat, erhält 500 Franken Belohnung."

 Vor 20 Jahren hat sich der gelernte Koch auf Pizzas spezialisiert, seit vier Jahren ist er mit einem mobilen Pizza-Ofen unterwegs. Vor zwei Jahren hat er sich den aktuellen Wagen gekauft. Mischler arbeitet hart. "Die Grafik kostete 4800 Franken. Das muss ich jetzt noch einmal machen lassen. Ich kann nicht verstehen, wie jemand so gemein und gedankenlos sein kann."

Beat Michel

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ZAFFARAYA
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20 Minuten 29.11.10

Abstimmung ums Zaffaraya

 BERN. Die Berner könnten bald über alternatives Wohnen abstimmen. Dies geht aus einer Antwort des Gemeinderates zu einem Vorstoss von Stadtrat Jimy Hofer hervor. Ihm ist die seines Erachtens illegale Wohnsituation des alternativen Kollektivs ein Dorn im Auge. Die Stadt solle dem Zaffaraya innert zwei Jahren einen legalen Platz zuweisen. Die Regierung hat sich nun bereit erklärt, die Planung für eine entsprechende Nutzungszone in die Hand zu nehmen und vors Volk zu bringen. Zudem wolle sie Alternativen prüfen.

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20min.ch 28.11.10

Abstimmung um Zaffarya

Die Berner könnten bald über alternatives Wohnen abstimmen. Dies geht aus einer Antwort des Gemeinderates zu einem Vorstoss von Stadtrat Jimy Hofer hervor.

Ihm ist die seines Erachtens illegale Wohnsituation des alternativen Kollektivs ein Dorn im Auge. Die Stadt solle dem Zaffaraya innert zwei Jahren einen legalen Platz zuweisen. Die Regierung hat sich nun bereit erklärt, die Planung für eine entsprechende Nutzungszone in die Hand zu nehmen und vors Volk zu bringen. Zudem wolle sie Alternativen prüfen.

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bern.ch/stadtrat 9.12.10

23 Motion Fraktion SVPplus (Jimy Hofer, parteilos): "Zaffaraya" legalisieren (PRD: Tschäppät) 10.000128
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000128/gdbDownload

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10.000128 (10/266)
Reg. 75/-00
Motion Fraktion SVPplus (Jimy Hofer, parteilos): "Zaffaraya" legalisieren

In der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 19. November 2009 (Protokoll Nr. 32 Gesch. Nr. 09.000353) gibt der Gemeinderat offen zu, dass der Zustand der "Zaffaraya" Siedlung nicht Zonenkonform ist und keine Bewilligung zum Bau erteilt wurde, respektiv keine erteilt werde konnte. Der derzeitige Standort und die jetzige Situation sind somit als Illegal zu bezeichnen.
Gegenüber "normalen" Antragstellern von Baugesuchen in der Gemeinde Bern, ist dies ein untragbarer Zustand. Eine seriöse Arbeit in der PVS ist vor diesem Hintergrund nicht möglich.
Da es in einer freien Gesellschaft solche Freiräume geben sollte, ist der Gemeinderat zum handeln aufgefordert.

Daher die Forderung an den Gemeinderat:

Es ist innert einer Zwei-Jahresfrist ein geeignetes Grundstück auszuweisen, auf dem alternatives Wohnen (z.B. Zaffaraya, Stadttauben, Stadtnomaden usw. ) möglich ist und die diesbezügliche Planung an die Hand zu nehmen. Sollte dies in der geforderten Zeitspanne nicht realisierbar sein, sind die illegalen "Siedlungen" zu räumen und anschliessend nicht mehr zu dulden.

Bern, 08. April 2010

Motion Fraktion SVPpIus (Jimy Hofer, parteilos), Peter Bühler, Martin Schneider, Ueli Jaisli, Thomas Weil, Peter Wasserfallen

Antwort des Gemeinderats

Die Gemeinschaft Zaffaraya ging aus der Berner Alternativszene rund um das 1982 geschlos-sene autonome Jugendzentrum "Zaff" hervor. Nach der Räumung der Hüttensiedlung auf dem Gaswerkareal und diversen Zwischennutzungen wurde dem Zaffaraya anfangs 1989 ein Ter-rain beim Autobahnanschluss Neufeld als Notstandort zur Verfügung gestellt. Verhandlungen zwischen Stadt und Kanton führten dazu, dass Zaffaraya ein Verbleiben auf Zusehen hin ge-währt wurde.

Im Jahr 2007 wurde der Standort der Gemeinschaft Zaffaraya wegen des Baus des Neufeld-tunnels innerhalb des Nationalstrassenareals im Neufeld verlegt. Das Gelände wurde model-liert, dass es befahrbar ist, und es wurden Dämme aufgeschüttet, die helfen sollen, den Lärm der umliegenden Strassen zu minimieren. Daneben wurde lediglich der Grundanschluss für Wasser, Abwasser und Elektrizität bereitgestellt. Die Aufwendungen zur Bereitstellung des neuen Standorts von Fr. 260 000.00 wurden von der Stadt vorfinanziert. Die Stadt hat mit dem Verein Zaffaraya für den derzeitigen Standort Nutzungs- und Kostenvereinbarungen ab-geschlossen.

Am 1. Januar 2008 ist die Eidgenossenschaft Eigentümerin der Nationalstrassen geworden und damit auch des Areals im Neufeld, wo Zaffaraya angesiedelt ist. Nachdem der Kanton als ehemaliger Grundeigentümer Zaffaraya über viele Jahre geduldet hatte, erklärte sich das zuständige Departement für Umwelt, Verkehr und Kommunikation bereit, die Ansiedlung von Zaffaraya auf der Nationalstrassenparzelle im Neufeld bis auf weiteres zu dulden, allerdings ohne Garantien bezüglich einer allfälligen Dauer.

Der Gemeinderat ist bereit, den geduldeten Zustand von Zaffaraya innerhalb der Verkehrsflä-che durch eine Planung für eine entsprechende Nutzungszone an die Hand zu nehmen und einer Volksabstimmung zuzuführen. Eine andere gesetzliche Lösung, um den Standort so weit wie möglich zu legalisieren, oder sonst zumindest mittelfristig eine Lösung ausserhalb des Nationalstrassenareals zu suchen, wird ebenfalls geprüft. Die geforderte Räumung der Sied-lung Zaffaraya nach Ablauf einer Zweijahresfrist hingegen ist nicht im Zuständigkeitsbereich des Gemeinderats.

Antrag

Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion abzulehnen; er ist jedoch bereit, den Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen.

Bern, 25. August 2010

Der Gemeinderat

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STADTRAT
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Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 02. Dezember 2010 17.00 bis 19.00 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus

NEUE LISTE////Die Traktandenliste ist öffentlichen zugänglich (Besuchertribüne)
Traktanden

(...)
 
4. Interfraktionelles Postulat GB/JA!, SP/JUSO (Lea Bill, JA!/Cristina Anliker-Mansour, GB/Miriam Schwarz, SP): Lehrstellen auch für Sans-Papiers (SUE: Nause) verschoben vom 25. November 2010 10.000044
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000044/gdbDownload

(...)
 
12.     Postulat Fraktion GB/JA! (Natalie Imboden, GB): Was tut die Stadt Bern, um die Bevölkerung vor dem altersschwachen Schrottreaktor Mühleberg zu schützen? (SUE: Nause)     10.000106
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000106/gdbDownload

13.     Interpellation Luzius Theiler (GPB-DA): Wo bleibt das längst versprochene Nutzungskonzept für den öffentlichen Raum? (SUE: Nause)     10.000139
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2010/10.000139/gdbDownload

(...)

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RABE-INFO
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Mo. 29. November 2010
http://www.rabe.ch/uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_29._November_2010.mp3
http://www.rabe.ch/nc/webplayer.html?song_url=uploads/tx_mcpodcast/RaBe-_Info_29._November_2010.mp3&song_title=RaBe-%20Info%2029.%20November%202010
- " ich geniere mich für die Schweiz"- Stimmen zur Annahme der Ausschaffungs- Initiative
- " ich bin kein Gay- Aktivist; ich bin ich"- der chinesische Jazzsänger Coco Zhao

Links:
http://www.myspace.com/cocozhao

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MÜSLÜM
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Blick am Abend 29.11.10

Müslüm national

 Markus Ehinger  und  Roman Neumann

 NEU

 Radio, TV und Blog: Müslüm startet national durch. Wir zeigen exklusiv sein neues Video.

 Angefangen hat der Berner Vorzeigetürke mit seinen Scherztelefonaten beim alternativen Radio Rabe. Mit dem Reithallen-Song "Erich, warum bisch du nid ehrlich?" landete er in der Hitparade - seither kennt ihn die ganze Schweiz. Jetzt startet er durch: Die Sendung "Echo der Zeit" auf "DRS 1" strahlte ein Porträt über den Komiker aus, in der Weihnachtszeit schreibt er regelmässig im Blog von "Kulturplatz" auf "sf.tv", und am 7. Dezember tritt er im Club Spezial des Schweizer Fernsehens im Berner Progr beim "Talk der Generationen" auf.

 Und seit heute ist Müslüms neuster Streich auf dem Markt. "Ich bin der Samichlaus; ich schaffe alle schwarzen Schäfli aus", singt er passend zum gestrigen Abstimmungsresultat im neuen Song "Samichlaus". Müslüm meint, es sei nur Zufall, dass sein Nachbar im Videoclip "Herr Mörgeli" heisse. Er wolle keine politische Botschaft anbringen, ihm gehe es ums Miteinanderleben. "Ob Ausländer oder Schweizer, wir müssen miteinander klarkommen." Warum heisst der neue Song "Samichlaus"? Müslüm erklärt: "Wir haben beide grosse Nüssli und wollen Gutes tun."

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bernerzeitung.ch 29.11.10

Müslüm: "Der Samichlaus kommt aus der Südtürkei"

Martina Maurer

 Am Montag kommt "Samichlaus" in die Läden, die neue Single von Müslüm. Im Interview sagt der Vorzeigetürke der Schweiz, was er dem Berner SVP-Politiker Erich Hess schenken will.

 Freust Du Dich auf Weihnachten? Müslüm*: Letschtes Jahr war ich noch arbaitslos, dieses Jahr hab ich dank Weihnachten eine Stelle als Samichlaus bechomme. Und glaubt mir, die Anstellungsbedingungen sind perfecht auf mich zugeschnitten. 1 Tag im Jahr arbeiten und dann de ganse Jahr Ferien. Da chan man sich nur auf Weihnachten freuen.

 Du bist doch Muslim, weshalb machst Du einen Song über Weihnachten? Sowait ich mich erinnern chan, hab ich ein Lied über den Samichlaus geschrieben und nicht über Weihnachten. Der Samichlaus chomt geografisch gesehen aus der Südtürchai und hat dort viel gutes getan, er hat den armen Leuten geholfen und hat de Menschen geliebt. Und um Menschen zu lieben muss man nicht Muslime oder Katholik sein, man muss zuerst Mensch sein.

 Was haben Müslüm und der Samichlaus gemeinsam? Wir haben beide grosse Nüssli und wollen gutes tun. Dazu kommt, das wir aus der gleichen Gegend chommen. Da gibt es dann auch noch die Rute die uns verbindet, aber ich bevorzuge lieber die Faust oder den Ellbogen.

 Welche Erinnerungen hat Müslüm an Weihnachten und an den Samichlaus? Einmal habe ich meine neuen Stiefeli vor die Türe gestellt, weil mein Vater mir sagte, dass der Samichlaus über die Nacht vorbei chommen würde und ich dann am nächschten Morge Geschenkli in meinen Stiefeli habe. Am nächschten Morge hatte ich dann weder ein Geschenkli noch waren meine Stiefeli vor der Tür. Vielleicht hat der Samichlaus mein Briefli nid bechomme oder er hat bei uns im Plattenbau vergebens nach dem Cheminee gesucht.

 Die Melodie klingt mehr nach Ballermann-Hit als nach Weihnachten. Weshalb? Meine Musik mit einem Ballermann-Hit zu vergleichen wäre das gleiche, als würde ich sagen die Berner Zeitung liest sich wie das Bravo-Heftli. Sie chönnen mich mit solchen Fragen nicht provosieren, ich bin viel zu fescht intergriert auf das ich mich auf so was einlasse und eine Anzeige riskiere.

 Im neuen Song will der Samichlaus die "schwarzen Schäfli" ausschaffen. Was ist der Clou der Geschichte? Der Chlou der Geschichte ist, das wir chaine schwarsen Schäfli finden, die wir ausschaffen könnten. Im Gegenteil, ich und mein Schmutzli werden überall herzlich empfangen. Schweizer und Ausländer scheinen sich, entgegen der Polemik gewisser Parteien, gut zu verstehen. Wir feiern gemeinsam Weihnachten. Nur der Herr Mörgeli, ehrenamtlicher Hobbypolizist von nebenan, scheint sich von unserem geselligen Beisammensein gestört zu fühlen. Es kommt zum Showdown!

 Die Single kommt am Montag in die Läden. Wie geht es Müslüm so kurz vor dem grossen Tag? Manchmal sitz ich auf dem Sofa und spür noch ein Chribele im Bauch. Aber dann schaue ich neben mich hin und stelle fescht, das Roswitha mit meinem Bauchnabel spielt. Ja, ich denke, auch meine Freundin chans chaum erwarte das der Samichlaus endlich chommt.

 In welchem Zusammenhang stehen der Abstimmungssonntag und die Veröffentlichung der Single ein Tag später? In meinem Leben gibt es generell wenig Zusammenhänge, daher chan man davon ausgehen, dass die Veröffentlichung eher zufällig auf den Tag nach dem Abstimmungssonntag fällt.

 Hast Du ein spezielles Ritual, um mit dem Rummel um Deine Person umzugehen? Am Morgen ein Gascho Bier und am Mittag einen Dürüm, glauben Sie mir, da chan chommen was will, da wird man mit allem fertig.

 Du hast Deinen Radiojob aufgegeben, soviel ich weiss. Weshalb? Willst Du nun Karriere als Musiker machen? Eigentlich wollte ich Radio machen, aber chainer will das Risicho mit mir eingehen. Stellen Sie sich vor, wenn ich den Menschen Direkt und ohne Filter meine Botschaft verkünden würde, das würde viele Hörer hier draussen irritieren. Aber falls jemand interessiert isch, mal was Innovatives zu machen was den Rahmen sprengen könnte und dem Zeitgeits entspricht, dann bin ich für Angebote offen.

 Wie sieht die Zukunft von Müslüm aus? Letschte Woche hatte ich ein tiefgründiges Telefongespräch mit Mike Shiva. Der sagte immer "Grissi, ich bins Maichel Shiva, du bisch in der Warteschlaufe, su dainer Informasion jede Minute chostet Dich 4.80.-, aber chaine panich weil du willsch ja wissen was Dir deine Zukunf bringt." Dann hab ich ihn gefragt, "werde ich den Schwaiser Pass bechome Shiva?" Dann hat er mir mit der genau gleichen Stimme geantwortet: "Grissi, ich bins Maichel Shiva, du bisch in der Warteschlaufe su dainer Informasion jede Minute chostet Dich 4.80.-, aber chaine Panich, weil du willsch ja wissen was Dir deine Zukunf bringt." Das heisst wahrscheinlich bechomme ich bald den Schwaiser Pass über.

 Was schenkst Du Erich Hess zu Weihnachten? Ein Buch von seinem Namensvetter Erich, nicht Hess, sonder Fromm, "Die Kunst der Liebe". Da chan der Erich die Liebe mal in der Theorie studieren. Vielleicht wird er dann in der Praxis zugänglicher. Erich maine Chollege, chom und hol dir dein Geschenckli!

* Müslüm hat die Fragen schriftlich beantwortet und bestand darauf, dass sie nicht redigiert werden.

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AUSSCHAFFUNGEN
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20min.ch 29.11.10

Rekord in Pfyn

91,4 Prozent für Ausschaffungs-Initiative

von Simon Städeli - Die Thurgauer Gemeinde Pfyn hat die Ausschaffungsinitiative am Sonntag mit 91,4 Prozent angenommen. Kriminelle Ausländer kennt man dort aber keine.

"Bei uns gibt es gar keine kriminellen Ausländer", sagt eine 48-jährige Pfynerin. Wie so viele in der 2000-Seelen-Gemeinde hat sie keine genaue Erklärung für das schweizweit eindeutigste Ja zur Ausschaffungsinitiative der SVP. Auch die höchste Pfynerin, Frau Gemeindeammann Jacqueline Müller, war überrascht, glaubt aber, dass der Grund bei den vielen Einbürgerungen in den vergangenen Jahren zu finden ist. "Es wurden auch Familien eingebürgert, die wenig Integrationsbemühungen zeigten", sagte Müller. Trotzdem habe die Gemeinde aber nie ernsthafte Probleme mit den rund 200 Ausländern gehabt.

Dass dies kein Widerspruch ist, zeigt die Erst-Analyse des Forschungsinstitut GFS. Die Zustimmung für die Initiative war demnach auf dem Land viel stärker als in den Städten, wo der Anteil krimineller Ausländer grösser ist. Der Grund: Auf dem Land wollten die Menschen die Vorrechte der Schweizer gegenüber den Ausländern verstärkt bewahren.

Im Restaurant Krone im Dorfzentrum von Pfyn bestätigt dies ein Gast: "Hier an der Grenze gibt es mehr Ausländer. Die nehmen uns die Arbeit weg." Auch wenn in Pfyn selber keine Probleme bestehen, "liest man doch sehr oft von kriminellen Ausländern in den Medien", hiess es zudem am Stammtisch in einer Dorfbeiz.

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Tagesschau 29.11.10

Demos gegen SVP-Initiative

Die Ausschaffungsinitiative gibt zu Protesten Anlass. In Basel haben heute mehrere 100 Personen gegen das Ja zur Initiative demonstriert.
http://videoportal.sf.tv/video?id=fe92bb1b-fe58-4129-b9d5-aa644ea623af

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Blick am Abend 29.11.10

Saubannerzug durch die Altstadt

 SCHADEN

 Frustrierte Chaoten verübten einen Anschlag auf das SVP-Generalsekretariat.

 Zertrümmerter Hoteleingang, verschmierte Wände und eingeschlagene Scheiben: Linksextreme Chaoten veranstalteten nach dem Ja zur Ausschaffungsinitiative gestern einen Saubannerzug durch Bern. In der Marktgasse kletterte ein Demonstrant eine Fassade hinauf und zündete mit einer Fackel eine Schweizer Fahne an. Auf dem Bundesplatz bewarfen Chaoten die Polizei mit Flaschen, anschliessend zerstörten sie die Eingangstüre des Hotels Bristol. Gegen 19.30 Uhr zog sich der harte Kern der Demonstranten in die Reitschule zurück.

 Nach Mitternacht verübten Vandalen einen Anschlag auf das SVP-Generalsekretariat an der Brückfeldstrasse.

 Die Chaoten schlugen mehrere Scheiben ein, beschädigten drei parkierte Autos und verschmierten die Mauern. ehi

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sf.tv 29.11.10

Attacke auf Berner SVP Sekretariat

sda/bosy

 Nach den gestrigen Abstimmungen haben Unbekannte in der Nacht in Bern am Sekretariat der SVP Schweiz Scheiben eingeschlagen, Storen beschädigt und Mauern verschmiert. Die Berner Kantonspolizei spricht von "erheblichem Sachschaden". Die Protestaktionen gehen indes weiter: In Basel wird am Abend eine weitere, offiziell bewilligte, Demonstration stattfinden.

 Auch drei parkierte Autos vor dem Gebäude des SVP Sekretariats im Berner Länggassquartier wurden in Mitleidenschaft gezogen, wie das Untersuchungsrichteramt Bern-Mittelland und die Polizei mitteilten.

 Nur wenige Stunden zuvor waren gemäss Polizeiangaben 500 Personen durch die Berner Innenstadt gezogen, um gegen das Resultat der SVP-Ausschaffungsinitiative zu protestieren. Schon damals kam es zu Sachbeschädigungen, vor allem an der Türe zum Hotel, wo die SVP-Spitze die Abstimmung verfolgte.

 Weitere Kundgebung in Basel

 Bereits am Abend des Abstimmungstages kam es in Bern, Zürich und Lausanne zu Demonstrationen mit hunderten Teilnehmern, in Bern und Zürich kam es ebenfalls zu Randalen mit Sachbeschädigungen.

 Die linke Gruppierung "Bleiberecht für alle" hat in Basel zu einer weiteren Kundgebung aufgerufen.

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20min.ch 29.11.10

SVP und FDP kritisieren Polizei

von Roman Hodel - Die Polizei habe bei der unbewilligten Demo vom Sonntag viel zu lange zugeschaut, ärgern sich SVP und FDP. Die SP sieht dies anders.

Eine Spur der Verwüstung hat die unbewilligte Demo nach der Abstimmung vom Sonntag in der Zürcher City hinterlassen: Bei mehreren Zunfthäusern sowie weiteren Gebäuden waren Fenster eingeschlagen und Fassaden verschmiert. Allein bei der NZZ beträgt der Sachschaden laut Sprecherin Bettina Schibli bis zu 100 000 Franken. "Die Polizei hat viel zu spät eingegriffen", kritisiert SVP-Fraktionschef Mauro Tuena. Er frage sich, wie man mit dieser Deeskalations-Strategie den nächsten 1. Mai meistern wolle. Die FDP wartet "gespannt auf die Erklärung des grünen Polizeivorstehers Daniel Leupi, weshalb es nur bei einer Deeskalation blieb". Richtig reagiert hat die Polizei hingegen für SP-Co-Präsidentin Beatrice Reimann: "Die meisten demonstrierten ja friedlich." Es sei aber himmeltraurig, dass ein paar wenige die gute Idee der Kundgebung zunichte machten. Reimann: "Die Juso versuchtesogar, Sachschäden zu verhindern."

Stapo-Medienchef Marco Cortesi hält den Einsatz derweil für angemessen: "Unter den 2000 Demonstranten waren höchstens 100 Chaoten - ein früheres Eingreifen hätte viele Unbeteiligte getroffen." Dennoch seien die Sachschäden bedauerlich. Cortesi: "Man kann sicher darüber diskutieren, ob man die Demo vor der City hätte stoppen sollen - doch dann hätten sich die Friedlichen mit den Chaoten solidarisiert und es wäre im Kreis 4 zu schweren Ausschreitungen gekommen." Polizeivorsteher Daniel Leupi wollte sich gestern nicht äussern.

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tagesanzeiger.ch 29.11.10

"Ich sehe schwarz für unsere Stadt"

Tina Fassbind

 Die SVP übt harsche Kritik am Vorgehen der Polizei an der Kundgebung vom Sonntagabend. Die Stadtpolizei selbst bezeichnet den Einsatz hingegen als Erfolg.

 Zehntausende Franken Sachschaden und eine Verhaftung: So sieht die Bilanz der Ausschreitungen vom Sonntagabend statt, an der rund 2000 Demonstranten ihre Wut über den Ausgang der Abstimmungen zum Ausdruck brachten.

 Mauro Tuena, Fraktionschef der SVP im Zürcher Gemeinderat, ist empört, dass man die Chaoten während knapp drei Stunden einfach gewähren liess. "Ich verstehe nicht, wie man so lange zusehen und all die Sachbeschädigungen an privatem Eigentum tolerieren kann", sagt er gegenüber Tagesanzeiger.ch. Er ist der Meinung, dass die Polizei eine unbewilligte Kundgebung von Anfang an zu stoppen hat. "Spätestens nach der ersten Sachbeschädigung hätte die Polizei eingreifen müssen - aber der Wille zum Handeln war am Sonntag offensichtlich nicht da."

 Abwarten statt Tränengas

 Tuenas Kritik richtet sich an Stadtrat Daniel Leupi. Er hätte der Polizei von Anfang an klare Anweisungen zur Nichtduldung dieser Demonstration geben müssen, glaubt der SVP-Politiker. "Wenn der grüne Polizeivorsteher solche Demos auf diese Weise handhabt, dann sehe ich schwarz für unsere Stadt am kommenden 1. Mai."

 Ähnlich argumentiert die Zürcher FDP am Montag in einem Communiqué. Sie "wartet gespannt" auf die Erklärung des Polizeivorstehers Leupi. Gleichzeitig fordert sie die Stadtregierung dazu auf, die Verursacher der Verwüstungen zur Kasse zu bitten.

 Schützenhilfe bekommt die Polizei von Links. "Ich bin ein Anhänger der Taktik, erst abzuwarten und nicht gleich mit Tränengas vorzugehen", verteidigt der grüne Gemeinderat Balthasar Glättli, Präsident der Spezialkommission Polizeidepartement, die Einsatzstrategie. "Macht sie das nicht, kommt nämlich sofort der Vorwurf auf, die Polizei hätte provoziert und dadurch für eine Eskalation der Situation gesorgt."

 "99 Prozent der Demonstranten waren friedlich unterwegs"

 Auch Polizeisprecher Marco Cortesi betont gegenüber Tagesanzeiger.ch, dass es zunächst keinen Grund gab, den Tross zu stoppen - selbst dann nicht, als er sich in Richtung Altstadt bewegte. "99 Prozent der Demonstranten waren friedlich unterwegs. Unter ihnen gab es lediglich zwei Dutzend vermummte Randalierer. Wenn wir gegen sie mit Tränengas vorgegangen wären, hätten wir Personenschaden in Kauf nehmen müssen. Dann hätten wir das nötige Augenmass verloren."

 Dass bei dem Einsatz trotz zahlreicher Vandalenakte nur eine Person verhaftet wurde, erlärt Cortesi mit dem Mangel an Beweisen. "Es ist für uns schwer zu belegen, wer aus einem grossen Umzug heraus eine Scheibe eingeschlagen hat. Verhaftungen können wir so kaum vornehmen." Den Vorwurf, die Stadtpolizei sei am Sonntag nicht mit genügend Beamten im Einsatz gestanden, weist Cortesi ebenfalls von sich. Man habe schon früh von der Kundgebung gewusst und sei gut vorbereitet gewesen. "Ich würde den Einsatz sogar als Erfolg bezeichnen: Obwohl es zu Sachbeschädigungen kam, wurden keine Personen verletzt."

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20 min.ch 29.11.10

Nach der Annahme: Schmierereien, Gewalt und geklaute Urnen

 Die Proteste gegen die Annahme der SVP-Ausschaffungsinitiative haben erheblichen Sachschaden hinterlassen. In Zürich steht die Polizei in der Kritik.

Ronny Nicolussi

 Die Spuren der Ausschreitungen waren auch am Montagmorgen in Zürich und Bern noch deutlich sichtbar. Auf zahlreichen Gebäuden hinterliessen Chaoten Schmierereien und politische Parolen. Zudem zeugten eingeschlagene Scheiben vom sonntäglichen Saubannerzug durch die Innenstädte.

 In Zürich spricht die Stadtpolizei von Sachschäden in der Höhe von mehreren 10 000 Franken. In Bern konnten die Behörden die Schäden noch nicht beziffern. Die Polizei schreibt von erheblichen Sachschäden.

 Besonders in Zürich stellt sich die Frage, weshalb die Polizei erst so spät eingriff und den unbewilligten Demonstrationszug in die Innenstadt ziehen liess. Polizeisprecher Marco Cortesi rechtfertigt sich gegenüber 20 Minuten Online: "Es wäre absolut unverhältnismässig gewesen, wenn wir den bis dorthin friedlichen Protestzug auseinandergetrieben hätten."

 Angekündigte Demonstration

 Rund 100 Demonstranten hatten sich gegen 20.00 Uhr auf dem Helvetiaplatz im Zürcher Kreis 4 getroffen. Autonome Kreise hatten bereits im Vorfeld der Abstimmung zu einer unbewilligten Demonstration für den Fall aufgerufen, dass die Ausschaffungsinitiative angenommen werden sollte.

 Nachdem sich die Demonstranten in Richtung Innenstadt in Bewegung gesetzt hatten, schlossen sich ihnen immer weitere Personen an, wie Cortesi sagt. Bis zum Central sei die Manifestation, an der mittlerweile bis zu 2000 Personen teilnahmen, unproblematisch verlaufen. Die Polizei sei mit einem grösseren Aufgebot vor Ort gewesen.

 "Kleinere Sachbeschädigungen toleriert"

 "Am Limmatquai kam es wenig später zu ersten kleineren Sachbeschädigungen", erzählt Cortesi. Diese wurden vorerst toleriert. Erst als die Beschädigungen immer massiver wurden und sich viele friedliche Demonstranten entfernten, griff die Polizei mit Gummischrot und Reizstoffen ein. "Um die Chaoten an weiteren Sachbeschädigungen zu hindern, musste auch der Wasserwerfer eingesetzt werden", so Cortesi.

 Nachdem es der Polizei gelungen sei, die Demonstranten davon abzuhalten, via Münsterbrücke auf den Paradeplatz zu gelangen, habe sich die Kundgebung gegen 23.00 Uhr aufgelöst. Lediglich eine Person wurde wegen Landfriedensbruch verhaftet.

 Angriff auf das SVP-Sekretariat

 Bereits zuvor war es in Bern zu Ausschreitungen gekommen. Rund 500 Menschen zogen dort aus Protest gegen das Abstimmungsresultat durch die Innenstadt, wie die Kantonspolizei Bern mitteilte. Es habe "zahlreichen Kreideleien und vereinzelte weitere Sachbeschädigungen" gegeben. Polizisten wurden mit Flaschen und Schneebällen beworfen. Wie hoch die Sachschäden in Bern sind, mochte die Polizei auf Anfrage noch nicht abschätzen.

 Erheblicher Sachschaden entstand später bei einem Anschlag auf das Sekretariat der SVP. "Die Täterschaft hatte mehrere Scheiben eingeschlagen, Storen beschädigt und die Mauern verschmiert", schrieb die Kantonspolizei Bern am Montagvormittag in einer Mitteilung. Drei parkierte Autos seien ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Tat müsse sich zwischen 00.15 Uhr und 00.45 Uhr ereignet haben, heisst es.

 "Farbanschlag auf das Migrationsamt"

 Die Sachbeschädigungen beschränkten sich nicht auf Proteste nach dem Ausgang der Wahl. Noch vor Bekanntwerden der ersten Resultate gab es vereinzelte Aktionen. In Zürich-Oerlikon wurde auf das Migrationsamt ein Farbanschlag verübt. In Schlieren (ZH) legten Unbekannte einen Brandsatz vor ein Abstimmungslokal. Die Polizei konnte diesen jedoch sicherstellen, ohne dass jemand verletzt wurde. Auf die Abstimmung hatte dieser Vorfall keinen Einfluss. Ein Bekennerschreiben lag der Kantonspolizei Zürich bis Montagmittag nicht vor.

 Sehr wohl Einfluss hatte eine Aktion von einem halben Dutzend Vermummter in Allschwil (BL). Diese stürmten am Samstagabend ein Abstimmungslokal, schnappten sich die Urne mit den 20 darin enthaltenen Wahlzetteln zur Ausschaffungsinitiative und zündeten diese im Freien an. Von den Tätern fehlte vorerst jede Spur.

 Keine Auswirkung auf Abstimmungsresultat

 Susanne Studer, Präsidentin des Wahlbüros, erkundigte sich in der Folge bei der Landeskanzlei, wie sie mit der Auszählung fortfahren müsse. "Man sagt mir dann, ich solle die Zettel einfach nicht zählen - also, wie wenn diese gar nicht abgegeben worden wären", so Studer auf Anfrage von 20 Minuten Online. Auf das Abstimmungsresultat hatte die Aktion keine Auswirkung. Der Kanton Basel-Landschaft nahm die Initiative mit einem Unterschied von über 6500 Stimmen an.

 Am kommenden Mittwoch wird der Allschwiler Gemeinderat besprechen, wie man bei künftigen Abstimmungen vorgehen will. "Ich erwarte aber keine übermässigen Reaktionen", sagt Gemeindepräsident Anton Lauber (CVP) auf Anfrage. Möglicherweise werde jemand den Antrag stellen, künftig nur noch eine briefliche Stimmabgabe zu ermöglichen. "Diese Diskussion haben wir schon einmal geführt. Allerdings nicht aus Sicherheitsgründen, sondern weil mittlerweile sowieso 90 Prozent der Stimmbürger brieflich abstimmen", erklärt Lauber. Eine Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen hält der Gemeindepräsident nicht für nötig.

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BZ 29.11.10

Hoteltüre zertrümmert

 Demos Aus Wut über den Ausgang der Ausschaffungsinitiative haben Demonstranten die Türe des Berner Hotels Bristol eingeschlagen.

 500 Demonstranten besammelten sich gestern Abend um 18 Uhr vor der Heiliggeistkirche in Bern. Unter ihnen 50 Vermummte, Studenten und Sympathisanten der Berner Menschenrechtsorganisation Augenauf. Sie demonstrierten gegen die Annahme der Ausschaffungsinitiative. Beim anschliessenden Marsch durch die Altstadt mit SP-Fahnen skandierten die jungen Männer und Frauen gegen die SVP. So trugen sie Transparente mit Aufschriften "Mut und Solidarität statt Blut und Boden" oder "Die SVP sind Faschos".

 Beim Rückmarsch über den Bundesplatz wurden Knallkörper gezündet. Und die Demonstranten schrieben mit Kreide Anti-SVP-Parolen an Dutzende von Fassaden. Vor dem Bundeshaus postierte Polizisten wurden mit Flaschen beworfen. Vor dem Hotel Bristol, wo die SVP-Spitze die Abstimmungen verfolgt hatte, eskalierte die Demonstration: Vermummte zertrümmerten die Eingangstüre und rissen den Weihnachtsschmuck von der Fassade. Um 19.30 Uhr löste sich die Demo auf der Schützenmatte auf. Ungefähr 50 Vermummte zogen sich in die Reithalle zurück. In Zürich setzte die Polizei Tränengas und Gummischrot gegen 2000 Demonstrantinnen und Demonstranten ein.

 Jürg Spori

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Bund 29.11.10

Überfall auf Abstimmungslokal

 Unbekannte haben am Samstagabend in Allschwil BL eine Urne mit Stimm- zetteln mitgenommen und sie draussen angezündet.

 Sechs bis sieben maskierte Personen seien in das Lokal in einem Schulhaus eingedrungen und hätten eine Abstimmungsurne entwendet, bestätigte die Polizei Basel-Landschaft gestern eine Meldung von Radio Basel. Sie seien gezielt auf die Urne mit den Abstimmungszetteln für die Ausschaffungsinitiative zugegangen.Nachdem sie das Gebäude rennend verlassen hatten, öffneten sie die Urne und setzten die Abstimmungszettel in Brand. Danach flüchteten sie. Die Polizei geht davon aus, dass sich 20 Stimmzettel in der Urne befanden. Mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" handle es sich um eine politisch motivierte Tat, hielt die Polizei weiter fest. Wer die Täter sein könnten, lasse sich derzeit nicht sagen.

 Allschwil nahm die Ausschaffungsinitiative der SVP mit 268 Stimmen Unterschied deutlich an. Im Moment habe der Vorfall politisch keine Auswirkungen auf die Volksabstimmung, hiess es bei der Baselbieter Landeskanzlei.(sda)

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Tagesanzeiger 29.11.10

Anfänglich friedliche Demo eskalierte vor dem Rathaus

 Die Stadtpolizei setzte Gummischrot und Tränengas ein.

 Von Stefan Hohler

 Schlieren/Zürich - Rund 2000 Personen sind dem Aufruf des Revolutionären Aufbaus gefolgt und haben am Sonntagabend an einer Demonstration "gegen Rassismus und reaktionäre Hetze" teilgenommen. Damit machten sie ihrem Unmut über den Ausgang der Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative Luft. Sie versammelten sich am Helvetiaplatz. Die Stimmung war zuerst friedlich, nur die Vermummten an der Umzugsspitze skandierten Parolen und zündeten Feuerwerk. Die Teilnehmer zogen die Langstrasse hinunter und marschierten durch die Lagerstrasse in Richtung Bahnhof. Beim Zigarrengeschäft Dürr warfen Jugendliche erste Scheiben ein, weitere folgten am Limmatquai.

 Zimmerleuten im Visier

 Beim neu aufgebauten Zunfthaus zur Zimmerleuten warfen Chaoten Steine in die Scheiben, zudem versprayten Vermummte die Wände entlang des Limmatquais. Auch ein Uhren-und-Schmuck-Laden auf Höhe Helmhaus war Ziel der Demonstranten. Die Chaoten verursachten massive Sachbeschädigungen am NZZ-Gebäude, wo sie Glasscheiben im Eingangsbereich mit Hämmern einschlugen. Auf dem Rückweg via Limmatquai eskalierte die Situation gegen 22 Uhr vollends. Die Polizei setzte Tränengas und Gummischrot ein, nachdem das Zunfthaus zur Zimmerleuten erneut mit Steinen und das Rathaus mit Farbbeuteln beworfen wurde. Die Demonstrationsteilnehmer zerstreuten sich auf alle Seiten. Eine Minderheit zog sich auf den Helvetiaplatz zurück, wo gegen 23 Uhr die Demonstration als Erfolg gefeiert wurde. Der verursachte Schaden dürfte ersten Schätzungen zufolge mehrere Zehntausend Franken betragen.

 Noch unklar ist, ob die Stadtpolizei mit ihrer Zurückhaltung eine Eskalation vermeiden wollte - oder ob sie nicht genügend Einsatzkräfte aufgeboten hat. Ungewöhnlich war, dass sie den Demonstrationsumzug ungehindert vom Kreis 4 in die Innenstadt marschieren liess. In den letzten Jahren wurde dies bei unbewilligten Demonstrationen immer unterbunden.

 Brandsatz in Schlieren

 Schon im Vorfeld der Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative haben Unbekannte einen Brandsatz vor ein Abstimmungslokal in Schlieren gelegt. Ein städtischer Mitarbeiter entdeckte am Sonntagmorgen um 9.15 Uhr vor der Stadtverwaltung eine Einkaufstasche mit verdächtigem Inhalt und informierte die Kantonspolizei. Die Polizisten sperrten den Bereich vorsorglich ab und überprüften die Tasche. Dabei entdeckten sie einen Brandsatz mit Brandbeschleuniger; die Tasche wurde sichergestellt und abtransportiert. Verletzt wurde niemand.

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20 Minuten 29.11.10

Demos und Brandanschläge am Abstimmungssonntag

 BERN. Nach dem Ja zur Ausschaffungsinitiative zogen zerstörungswütige Demonstranten durch die Städte. Schon der Urnen-gang war durch Brand-anschläge gestört worden.

 Kaum war das Ja zur Ausschaffungsinitiative bekannt, riefen linksalternative Kreise zu Gegendemonstrationen auf. In Bern zogen 450 Personen, davon 50 Vermummte, durch die Stadt. Chaoten zündeten pyrotechnische Gegenstände und schlugen Scheiben ein. In Zürich waren rund 500 Demonstranten unterwegs. Die Kundgebungsteilnehmer trugen Fahnen mit sich und Transparente mit Aufschriften wie "Gegen das Konstrukt von Nation und Masse". Mehrere Schaufensterscheiben gingen zu Bruch. Die Polizei war mit einem grossen Aufgebot vor Ort und setzte Tränengas und Gummischrot ein. Auch in Lausanne gab es Proteste.

 Schon der Urnengang war nicht überall friedlich abgelaufen: In Allschwil BL stürmten sieben Maskierte ein Wahllokal und fackelten die rund 20 Stimmzettel zur Ausschaffungsinitiative ab. In Schlieren ZH stiess ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung kurz vor der Öffnung des Stimmlokals auf eine verdächtige Tasche. Darin befand sich ein Brandsatz, der laut Werner Schaub, Sprecher der Kantonspolizei Zürich, "voll funktionsfähig" war.

 Staatsrechtsprofessor Rainer Schweizer von der Uni St. Gallen verurteilt die Anschläge als "schrecklichen Angriff auf die Demokratie": "Wenn sich der Hass derart entlädt, dass geregelte Abstimmungen nicht mehr möglich sind, wird an den Grundlagen unserer Demokratie gerüttelt." Bürger könnten eingeschüchtert werden und den Urnen fernbleiben.  DAW

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 "Schweiz ist das schwarze Schaf"

 "Ohne rassistische Brandstifter und Schreibtischtäter und deren publizistischen und finanziellen Einsatz hätte die Initiative keine Mehrheit erhalten."
 taz.de

 "Dass der Souverän diese Frage nicht durch selbstverantwortliche Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien beantwortet hat, ist ebenso bedauerlich wie der Inhalt des Volksentscheids."
 Die Welt

 "Die Schweiz ist nun das schwarze Schaf: Mehrheit für schärfere Ausländerregelung."
 News.at

 "Xenophobie in der Schweiz: Die Schweizer sprachen trotz aller Bedenken der Menschenrechte wegen auf die fremdenfeindliche Kampagne der SVP an."
 Le Monde

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 BERN. Der hitzige Wahlkampf lockte die Bürger in Scharen an die Urnen: Die Stimmbeteiligung lag bei den Ausschaffungs-Vorlagen bei rund 53 Prozent - gleich hoch wie bei der Minarett-Abstimmung. Einzelne Stimmlokale wurden regelrecht überrannt: In Bern konnte deswegen das Lokal im Bahnhof statt um 12 Uhr erst um 12.30 Uhr schliessen. Rund 10 verspätete Personen wurden weggewiesen.

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Indymedia 29.11.10

Flugblatt: Von unten links nach oben rechts ::

AutorIn : reader        

Flugblatt vom Rev. Aufbau an der Demo gegen die SVP in Zürich. Gefunden hier:
http://www.aufbau.org/index.php?option=com_content&task=view&id=917&Itemid=2
   
Flugblatt als PDF
http://ch.indymedia.org/media/2010/11//78977.pdf

Wenn die Klasse sich streitet, lachen die Banker

Mit der Ausschaffungsinitiative wurde eine weitere Etappe der Entsolidarisierung eingeläutet. Sie ist Ausdruck der zunehmend reaktionären Stimmung und heizt diese weiter an. Das Proletariat wird angegriffen und der Grossteil der Klasse merkt es nicht und wehrt sich auch nicht. Im Gegenteil, die meisten lassen sich willfährig darauf ein. Steuergerechtigkeit? Pfui - Keine Nachteile den Reichsten! IV-BezügerInnen und Arbeitslose? Sozialschmarotzer! Ausländer? Alle kriminell! Ausser meiner Oma natürlich, die ist zwar auch eingewandert, aber damals war noch alles anders und ausserdem hat sie sich anständig aufgeführt!
Niemand lügt so profitabel wie die SVP

Krise und Perspektivlosigkeit haben ein Klima der Angst geschaffen, in welchem sich die SVP wie ein Fisch im Wasser bewegt. Fremdenfeindlichkeit ist ein Kernthema, mit dem sie immer punktet. Dass Rassismus eine Waffe ist, welche die Klasse spaltet, ist eine alte Weisheit. Doch selten wird diese Waffe so unverfroren und ungeniert rein taktisch eingesetzt, wie von der SVP. Die Abwahl Blochers konnte die SVP lange nicht verdauen. Im denkbar schlechtesten Moment kam dann die Bankenkrise, in der die SVP loyal zur UBS halten musste, im Sinne ihrer tiefen Verbundenheit mit dem Kapitalismus. Am Stammtisch stiess dies sauer auf - ein durchschlagender Erfolg musste her, der sie wieder auf der Seite des "kleinen Mannes" ins Bild rücken würde. Also ist die SVP zu Altbewährtem zurückgekehrt. Immer, wenn sie davon ablenken will, dass sie eigentlich einzig und alleine die Interessen der Herrschenden vertritt, greift sie auf das Feindbild "Ausländer" zurück. Und sie tut es hinterhältiger, als ihre Vorgänger: Schwarzenbachs Überfremdungshysterie und die 18%-Initiative lösten den Widerstand der Wirtschaftsverbände aus, welche alles Interesse daran hatten, ihre billigen Arbeitskräfte im Land zu behalten. Wenn es aber gegen Vergewaltiger, Raubmörder und Drogendealer geht - und genau das suggerieren ja die Plakate der SVP - ist der gesellschaftliche Konsens eindeutig. Da lässt die Economiesuisse grosszügig die Finger davon. Schliesslich wird sich nicht viel ändern: Die Schweiz war, ist und bleibt ein Land aus dem rausgeschmissen wird, wer dem Kapitalismus nicht passt.

Ausser wir erkennen, dass die Grenze nicht zwischen den Nationen, sondern zwischen oben und unten verläuft. Nur gemeinsam sind wir stark. Greifen wir sie an! Von unten links gegen oben rechts.
Solidarisch für eine lebenswerte Zukunft - für den Kommunismus

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Indymedia 29.11.10
http://ch.indymedia.org/de/2010/11/78968.shtml (mit Fotos)

Communique zur Grossdemo in Zürich 28.11.2010 ::

AutorIn : antirassista        
   
Heute Sonntag abend demonstrierten gegen 5000 Menschen gegen die SVP und das rassistische Klima. NIcht nur in Zürich sondern auch in Genéve, Bern, Basel und Luzern gingen Menschen auf die Strasse. Schon im Vorfeld der Abstimmung gab es zahlreiche Aktionen und eine Demo mit 800 Personen am 13. November.    
   
Entschlossen, wütend und selbstbestimmt ging es vom Helvetiaplatz los. Von dort ging es über die Langstrasse zum Löwenplatz, Hauptbahnhof, Central, Limmatquai, Bellevue, Paradeplatz, Sihlporte, Stauffacher zurück zum Helvetiaplatz. An mehreren Stellen haben die Demonstrantrierenden die Bullen zurückgedrängt. Am Limmatquai haben wir den feiernden Bonzen in den Zunfthäusern einen Schrecken eingejagt. Die NZZ haben wir auf unsere Art würdig gegrüsst.

Diese Demo war ein starkes Zeichen gegen Rassismus, Ausgrenzung und Kapitalismus.
DER KAMPF GEHT WEITER und wir kommen wieder. Ob gegen die Rechtsentwicklung, gegen das WEF, am 8. März und am 1. Mai; nehmen wir uns die Strasse zurück!

Bis zum nächsten Mal!


Aussschaffungen abschaffen!
Rassistische Tendenzen bekämpfen!
Flüchtlinge bleiben - Bonzen vertreiben!


Zürich, 28. November 2010

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Indymedia 29.11.10

Respekt wiedererlangen ::

AutorIn : Topfchopf

Gedanken zur heutigen Situation. Und ein Track dazu..

http://soundcloud.com/topfchopf/topfchopf-klar-bini-dumm

Ein weiteres bitteres Wahlwochenende ist vorbei. Damit auch ein Wahlkampf, der mir noch jetzt zu denken gibt. Wir leben in schwierigen Zeiten, wo sich die Unfähigkeit des Kapitalismus, den Bedürfnissen weiter Teile der Bevölkerung dieser Erde gerecht zu werden, immer stärker zeigt. Auch in der Schweiz spürt man das klar. Der Arbeitsmarkt ist weitgehend beschissen, die daraus entstehenden Arbeitsbedingungen für viele Menschen auch so und man fühlt sich in ernsthaften Bemühungen, die Probleme dieser Gesellschaft wirklich anzugehen, schon fast als psychisch krankgeschrieben. Zwei zumindest symbolisch sehr wichtige Initiativen sind nun verabschiedet. Die Ausschaffungsinitiative steht dabei für eine Politik der Manipulation der Massen durch das Fokussieren auf die Oberfläche gesellschaftlicher Randprobleme. Das Stimmvolk sagte "Ja". Die Steuerinitiative steht für einen sehr zaghaften Versuch, die soziale Ungleichheit zum Thema zu machen und pragmatische Schritte zu einer faireren Verteilung des Reichtums zuzulassen. Das Stimmvolk sagte "Nein". Bemühungen um eine gerechtere Welt scheinen durch eine Propagandalawine plumpester Assoziationen überrollt zu werden. Zurück bleibt das Gefühl, in einer politisch zunehmend gespalteneren Gesellschaft zu leben. Die Fronten scheinen sich zu verhärten. Dialog wird immer schwieriger, man fühlt sich immer mehr als Vertreter einer bestimmten Identität von SVP-feindlich "links" und bodenständig SVP-nah "rechts". Das Eine Lager beruft sich auf ihr moralisches Recht als VerteidigerInnen der Unterdrückten, während sich die andern als pragmatische "Realisten" im Kampf gegen Vergewaltiger, Diebe und für den starken Wirtschaftsstandort Schweiz selber auf die Schulter klopfen. Man schmeisst Farbeier gegen ein Haus und feiert den ersten kleinen Sieg auf dem Weg zur Revolution. Man fühlt die Meinungsfreiheit und die Demokratie gefährdet und fordert striktes Vorgehen gegen solche Aktionen. Eine Flasche fliegt gegen eine Reihe PolizistInnen und schon liegt das Tränengas für diejenigen in der Luft, welche das Weinen sonst verlernt haben. Man will nichts mehr mit den Anderen zu tun haben. Will selbst auswandern, seinen eigenen Pass verbrennen oder wünscht sich, dass ein paar Mitschweizer mehr so wären, wie die paar Ausländer beim Buurezmorge, die das Ganze genauso sehen wie man selbst. Dazwischen ein tiefer Graben. Irgendwo im Hintergrund sitzen die Marionettenspieler, für heute mal mit einem hämischen Lachen beschenkt und zerbrechen ihren Kopf schon wieder darüber, in welche Finanzblase sie ihre überquellenden finanziellen Mittel stecken sollen. Es hört sich an wie Popcorn, wenn man den Träumen der Massen lauscht. Der Alltag ist grau, kalt und man dreht die Farbsättigung am HD-Fernseher etwas auf und stellt um, wenn die neuesten Opferzahlen von Afghanistan bekannt werden. Hauptsache das System funktioniert. Hauptsache man funktioniert selbst. Isoliert in der Nische, die man erhofft sich zu erhalten. Haben wir es verlernt, zusammen eine Gesellschaft zu bilden? Haben wir es verlernt, uns gemeinsam und konstruktiv um unsere Probleme zu kümmern? Oder müssen wir es gar von Grund auf neu erlernen? Wir sind die Gesellschaft. Wir sind diejenigen, welche tagtäglich mit gesellschaftlichen Problemen konfrontiert werden. Nur wir können uns von diesen befreien. Und nur zusammen...    

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Indymedia 29.11.10

Luzern: Weil auch weisse Schafe blöken

AutorIn : transmitter

Wie in Zürich, Bern, Biel, Lausanne und Basel ... kursierte auch in Luzern in den letzten paar Tagen eine Einladung, sich am Abend der Abstimmung zur Ausschaffungsinitiative zu versammeln. Rund 300 Leute kamen heute um 18.00 zum Bahnhof, um anschliessend zwei Stunden lang durch die Stadt zu ziehen. Hier ein paar Eindrücke.    
   
Luzern, 28.11.2010. Im Dunkeln, um das freistehende Bahnhofsportal herum, eine Menschenansammlung - muss wohl die Demo sein. Ich schätze so um die 300 Leute werden es gewesen sein, die meisten eher jung als alt oder auch nur mittelalt.

Auf der Busfahrt zur Demo konnte ich mir passenderweise auf den digitalen Schautafeln die SVP Werbung zur Ausschaffungsinitiative anschauen. Schwarzes Schaf wird - pling! - von weissem Schaf aus dem Bildschirm getreten.

Auch hier am Bahnhof gab's schwarze und weisse Schafe, allerdings in fröhlicher Umarmung, tanzend, und auch mal mit Herzchen, aufgemalt auf grosse Pappschilder, die hochgehalten wurden. Dazu ein Trommelkonzert und später eine Blechblascombo, die Beschwingtes spielte. Weiter hinten ein Soundsystem, oder eher eine Art Multifunktionsinstrument, das nicht nur Musik machte, sondern auch per Beamer in schneller Folge minimalistische Grafiken an das Bahnhofsportal warf. Brandt Bauer Frick heissen sie, glaube ich.

Auf einem grossen Transparent stand "weil Zukunft zählt und nicht Herkunft" - eine deutliche Absage an die diskrimierende Doppelbestrafung von Nicht-SchweizerInnen. Andere in der Menge äusserten sich persönlicher. Einer hatte sich einen Zettel auf den Anorakrücken geklebt: "Halber Bayer - welche Hälfte muss raus?" Zwei Frauen hatten sich ähnliche Schilder gemacht, auf einem stand "Ivan S.", auf dem anderen "Ivana S." Wir erinnern uns, der Vergewaltiger, mit dem uns die SVP im Fall einer Ablehnung ihrer Initiative bedroht. Einer hatte sich die Bitte "mich bitte auch abschieben" auf die Jacke geklebt, ein anderer den Stoßseufzer: "ein einig Volk von Schafen". Und dann gab's ein Transparent, das kurz und bündig erklärte: "Zum Kotzen".

Nach und nach trudelten auch die Sprechblasen ein, die seit diesem Sommer von Leuten aus der Luzerner Kulturoffensive gelegentlich auf die Strasse gebracht werden. Da hiess es zum Beispiel: "... weil weisse Schafe nicht weniger blöken" oder "weil meine Pizza italienisch ist und mein Kebab türkisch" oder nochmal "weil Zukunft zählt und nicht Herkunft". Aber auch Klassiker konnte man lesen, etwa "Wo Unrecht Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht".

Man stand in der Kälte, manche hatten sich Thermoskannen mitgebracht, zwei Frauen präsentierten eine Feuer-Show, andere fingen an, viele kleine Teelichter anzuzünden. Eine schob einen Einkaufswagen herbei, in dem sie unter anderem ein Bidon mit warmem Tee transportierte. Ein paar skandierten per Megaphon die internationale Solidarität und den Slogan vom pueblo unido, das nicht unterzukriegen ist. Einer mit einem "kein Mensch ist illegal" T-shirt lief herum und fotografierte.

Ich plauderte mit ein paar Bekannten. Es war zwar nicht der angenehmste Anlass für einen Schwatz und auch empfindlich kalt, aber diese kleinen Demos hier in Luzern sind für mich doch immer eine willkommene Gelegenheit, mich auf dem Laufenden zu halten. Zwei verabschiedeten sich und beauftragten mich, sie sozusagen 'im Geiste' auf die Demo mitzunehmen. Also war ich jetzt drei.

Es wurde unruhig. Ein paar riefen "Demo jetzt", das Soundsystem setzte sich in Bewegung, so auch Transparente und Sprechblasen und binnen 2 Minuten waren wir unterwegs. Über den Bahnhofsplatz, mitten auf die grosse Pilatusstrasse, rein in den hübschen, älteren Teil der Neustadt, unter der Weihnachtsbeleuchtung durch, und wieder auf die Hauptstrasse zurück zum Pilatusplatz. Kaum jemand auf der Strasse ausser uns.

Inzwischen war Polizei aufgetaucht, die sich dankenswerterweise darauf beschränkte, den Verkehr zu regeln - und das, obwohl die Demo wohl nicht angemeldet war. Gelegentlich ein Feuerwerksknaller, ein paar Parolen, die Musik von mittlerweile drei kleinen fahrbaren Soundsystemen und ausserdem einem kleinen Akkordeon, ein bisschen tanzen vertreibt die Kälte. Überraschend eigentlich, daß die Stimmung recht gelassen war - im Vergleich zu den extrem wütenden, also wirklich kochenden, Studierenden und Schülern, die zur Zeit in Großbritannien gegen die massive Verschärfung der Studiengebühren auf die Strasse gehen, war diese Demo wirklich freundlich. Dies obwohl einige dabei waren, die Abschiebungen im engsten Freundeskreis erlebt haben.

Mittlerweile war ich mit einer Frau mit Kinderwagen und einem sehr freundlichen Baby vor dem Bauch ins Gespräch gekommen, sie war zufällig auf der Demo gelandet, hatte von einer Freundin davon gehört, erzählte von ihrer Familie, in der Leute aus, wenn ichs richtig gezählt habe, drei Ländern zusammenkommen.

Die Demo stand eine Weile auf der grossen Kreuzung rum, irgendwer redete ins Megaphon, die Autos mussten warten, wenn auch nicht lange, und zog dann weiter Richtung Neutstadt, Bundesplatz, und schliesslich wieder zum Bahnhof. Und weiter - über die Seebrücke, zum Schwanenplatz, und plötzlich rannten alle los, stürmten die Seebrücke entlang zurück zum Bahnhof. Noch eine kurze Sitzblockade an der Ausfahrt vom Busbahnhof, und eine rasche Spontanperformance, bei der ein irrsinnig schneller Abzählreim eine Rolle spielte, den ich leider nicht ganz verstand, irgendwas mit weisse Schafe drinnen bleiben und du und du und du musst raus, und wir waren wieder am Ausgangspunkt der Versammlung, unter dem Bahnhofsportal.

Dort hatte jemand einen riesigen Suppentopf auf eine Gas-Wärmeplatte gestellt, Kartons mit Brot standen auch bereit, und wer wollte, konnte sich bedienen.

So war das. Eine kleine Demo in einer kleinen Stadt, sonntagabends, wo kaum jemand auf der Strasse ist, ein paar Autofahrer waren genervt, weil sie eine Weile warten mussten, erstaunlicherweise gab es aber auch einige, die der Demo zujubelten. Eine Demo, der man vorwerfen könnte, es seien ja nur die Überzeugten gewesen - die Alternativszene, die rebellischen Jungen und Junggebliebenen. Aber meine Gesprächspartnerin mit dem Kinderwagen passt eigentlich nicht recht in dieses Bild, und der ein- oder andere Hochschuldozent, der mitlief, auch nicht. Hätten wir zuhause bleiben sollen?

Inzwischen sind die Stimmen ausgezählt. In Luzern Stadt haben 'nur' 42.35% für die SVP Initiative gestimmt. Schweizweit befürworteten 52,9% der abgegebenen Stimmen den SVP Vorschlag. Das ist nicht gut. Aber immerhin 41.7% der abgegebenen Stimmen waren dagegen. Von denen werden einige den Gegenvorschlag befürwortet haben, nicht wenige wohl nicht aus Überzeugung, sondern aus taktischen Überlegungen heraus. Aber immerhin, das ist fast die Hälfte der Stimmen. Das heisst, es wird ein Gesetz gegen ihren erklärten Willen gemacht. Auch wenn die Abstimmung durch ist, ist es wichtig, dass diese Ablehnung öffentlich bleibt. Denn die Ausschaffungen fangen erst an, der Konflikt über die Schweizer Migrationspolitik ist nicht gegessen. Das demonstrierende Häuflein, das heute abend durch Luzern zog, gleichzeitig mit anderen Häuflein in anderen Schweizer Städten, legte Zeugnis ab für die stille Ablehnung vieler SchweizerInnen gegen rassistische Politik. Ich finde, das war es wert - nicht nur Massenkundgebungen zählen.

Daß es in der Schweiz eine starke Zustimmung für die populistische und fies rassistische Stimmungsmache der SVP gibt, ist nicht zu übersehen. In den Wochen vor der Abstimmung waren zumindest in Luzern die SVP-Parolen allgegenwärtig, ganz einfach durch bezahlte Anzeigenkampagnen auf elektronischen und nicht elektronischen Werbetafeln, im städtischen Raum und in der Zeitung. Gegen dieses gekaufte Aufgebot ist schwer anzustinken - aber diejenigen, die sich gegen zweierlei Recht in der Schweiz wenden und sich für einen zeitgemässen Umgang mit Migration, Differenz und gesellschaftlichen Konflikten einsetzen, haben andere Möglichkeiten als gekaufte Werbekampagnen. In diesem Sinn sehe ich die Luzerner Nach-Abstimmungs-Versammlung ebenso wie die in anderen Städten als wichtige Korrektur eines Schweiz-Bilds, in dem eine bieder-brave weiss-schweizer Bevölkerung einmütig damit beschäftigt ist, Minarette zu verbieten, schwarze Schafe zu treten und alle, die in irgendeiner Weise nicht in die behäbige Swissness passen, zu denunzieren und zu deportieren.

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Indymedia 28.11.10

Communiqué zur Demonstration gegen die Ausschaffungsin

AutorIn : 3XNein        

Heute demonstrierten knapp 500 Menschen gegen den Faschosstaat Schweiz. Erfolgreich wurden gezielt Aktionen durchgeführt.

Heute wurde mit der Annahme der Ausschaffungsinitiative alle Befürchtungen der letzten Monaten bewahrheitet. Ein weiterer Schritt in Richtung faschistoider Staat ist getan. Nach einer rassistischen Hetzkampagne und zunehmenden Diskriminierungen gegenüber Menschen ohne Schweizerpass hat die menschenverachtenden Politik der rechten Kräfte neue Stärke gefunden. Die Vergangeheit hat bewiesen, dass solche Schritte früher oder später zu totalitären Verhältnissen führen!

Um 18 Uhr fanden sich knapp 500 Personen bei der Heiliggeistkirche in Bern ein, die ihren Unmut über die Zunahme des salonfähigen Faschismus lautstark bekundenten. Die anfangs gedrückte Stimmung verbesserte sich durch Pyros, spontane Schneebälle auf Zivilbullen und angezündete Schweizer-Fahnen. In der Schauplatzgasse wurde das Hotel Bristol, in welchem die SVP den Abstimmungskampf verfolgte, mit Farbe verschönert. Zudem wurden die Eingangstüren eingeschlagen.
Auch die UBS-Hauptfiliale beim Baldachin wurde mit Farbe und Hämmer bearbeitet.
Beim Bahnhof wurden einige NeofaschistInnen energisch weggewiesen, sie nahmen die Beine in die Hand. Beim Treffpunkt des Hauptbahnhofes wurden ebenfalls SVP-Propaganda-Plakate vernichtet. Nach diesem kurzem Zwischenhalt grüssten wir unseren Genossen Billy, der seit einigen Wochen im Knast sitzt. Ein grosser Teil des Amtshauses wurde ebenfalls entglast. Die Demonstration löste sich nach einer Schneeballschlacht mit der Polizei auf der Schützenmatte auf.

Alle Aktionen wurden gezielt durchgeführt, nicht involvierte Personen wurden nicht beeinträchtigt. BuhruferInnen aus den Demoreihen verurteilen wir, denn wir zwingen niemanden an unserer Prostestform teilzunehmen. Die SpalterInnen hätten gerne eine eigene Kundgebung durchführen können, wir hätten sie sicher nicht daran gehindert.

Der Kampf gegen faschistoide, rassistische und menschenverachtende Politik wird aber heute nicht zu Ende sein. Wir werden nicht ruhen!

"Als sie die ersten Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; denn ich war kein Kommunist. Als sie die ersten Juden holten, habe ich geschwiegen; denn ich war kein Jude. Als sie die ersten Katholiken holten, habe ich geschwiegen; denn ich war kein Katholik. Als sie mich holten, war niemand mehr da, der seine Stimme hätte erheben können."
(Martin Niemöller)

Wir schweigen nicht! Wir wollen keinen Faschostaat!

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tagesanzeiger.ch 28.11.10

Demonstration eskaliert vor dem Zürcher Rathaus

Christoph Landolt, Felix Schindler

 Nach dem Ja zur Ausschaffungsinitiative flammten in Zürich Proteste auf. Rund 2000 Personen zogen durch die Innenstadt - bis die Polizei den Umzug mit Tränengas und Gummischrot beschoss.

 Aufgeheizt war die Stimmung bereits zu Beginn, als sich die Demonstranten am Helvetiaplatz versammelten. Doch erst nachdem die rund 2000 Personen quer durch die gesamte Innenstadt gezogen sind, kam es vor dem Rathaus zu ersten Scharmützeln zwischen der Polizei und den Demonstranten. Während die Demonstranten Flaschen gegen das Zunfthaus zur Zimmerleuten warfen, begann die Polizei den Umzug mit Tränengas und Gummischrot zu beschiessen. Der Marsch löste sich auf und es begann während einiger Minuten ein Katz- und Mauspiel zwischen Einsatzkräften und kleineren Gruppen Demonstranten.

 Begonnen hatte der Umzug friedlich. Mobilisiert durch die Annahme der Initiative begaben sich ab 20 Uhr mehrere hundert Personen zum Helvetiaplatz. Ersten Schätzungen zufolge versammelten sich rund 2000 Initiativgegner - eine Minderheit der Initiativgegner war vermummt, feuerte Böller und skandierte die Parole der linksautonomen Szene "Hoch mit der internationalen Solidarität".

 Marsch vom Kreis 4 bis zum Opernhaus

 Nach einem Marsch durch den Stadtkreis 4 sind die Demonstranten kurz vor 21 Uhr in der Innenstadt angekommen. Sie zogen über die Bahnhofstrasse bis zum Opernhaus und anschliessend wieder zurück Richtung Bahnhof. Geendet hat die Demonstration um 23 Uhr am Helvetiaplatz - wo die Rädelsführerin der linksautonomen Szene Andrea Stauffacher den Umzug als Erfolg bezeichnete.

 Es kam früh zu ersten Sachbeschädigungen. Bei einem Tabakgeschäft am Bahnhofplatz wurden die ersten Scheiben eingeschlagen - auf dem Weg Richtung Bellevue folgten weitere. Beim Gebäude der Neuen Zürcher Zeitung schliesslich gingen die meisten Scheiben im Erdgeschoss in Bruch. Das frisch renovierte Zunfthaus zur Zimmerleuten nahmen die Demonstranten gleich zwei Mal ins Visier. Auf dem Hinweg zündeten sie einen Christbaum an und warfen Mobiliar um, auf dem Rückweg bewarfen sie das Gebäude mit Flaschen - daraufhin löste die Polizei den Umzug mit Tränengas, Gummischrot und Wasserwerfern auf.

 Polizei: "Begleitet und überwacht"

 Die Polizei hat lange nicht eingegriffen, sondern liess den Marsch durch die Innenstadt gewähren. Gegenüber Tagesanzeiger.ch wollte sich der Sprecher Marco Bisa nicht dazu äussern, ob die Polizei mit ihrer Zurückhaltung eine Eskalation vermeiden wollte - oder sie wie im Februar dieses Jahres von dem Demonstranten düpiert worden sind. "Wir haben die Demonstration mit dem entsprechenden Mannschaftsaufgebot von Anfang an begleitet und überwacht", sagt Bisa.

 Angekündigt wurde die Demonstration auf Internetseiten linksautonomer Gruppierungen bereits vergangene Woche als "Demonstration gegen Rassismus und die Ausschaffungsinitiative der SVP".

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sf.tv 28.11.10

Demos in Bern, Zürich und Lausanne gegen die SVP

sda/fasc

 Rund 500 Personen haben im Nachgang zur Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative in der Berner Innenstadt eine Kundgebung durchgeführt. In Zürich gingen am Abend ebenfalls hunderte Demonstranten auf die Strasse. Auch in Lausanne demonstrierten rund 100 Personen. In Bern kam es zu Sachbeschädigungen.

 In Bern blockierten die teilweise vermummten Personen bei der Heiliggeistkirche in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs den öffentlichen Verkehr. Sie entzündeten Fackeln und brannten pyrotechnische Gegenstände ab.

 Sachbeschädigungen in Bern

 Während der Kundgebung skandierten sie Parolen gegen die SVP. In der Marktgasse kletterte ein Kundgebungsteilnehmer eine Fassade hinauf und zerstörte mit einer Fackel eine Schweizerfahne. Vor dem Bundeshaus wurden Polizisten vereinzelt mit Flaschen und Schneebällen beworfen, wie die Kantonspolizei Bern am Sonntagabend mitteilte. Eine Person wurde vorübergehend festgenommen.

 Gegen Ende der Kundgebung kam es zu Sachbeschädigungen. Einzelne Vermummte schlugen die Eingangstüre zu einem Hotel ein und warfen die Scheibe der Berner Niederlassung einer Grossbank ein. Viele Kundgebungsteilnehmer quittierten diese Gewalt mit Buhrufen. Eine junge Frau stellte sich schützend vor die Hoteltür.

 Um 19.30 Uhr ging die Polizei, die mit einem grossen Aufgebot präsent war, auf der Schützenmatte gegen den harten Kern der Demonstranten vor, worauf sich diese ins alternative Kulturzentrum Reitschule zurückzogen. Der Sicherheitsdirektor der Stadt Bern, Gemeinderat Reto Nause, sagte, die Behörden hätten mit einem solchen Szenario gerechnet. Die Polizei sei vorbereitet gewesen.

 "Stinkende" SVP-Plakate

 In Zürich versammelten sich die Demonstranten um 20 Uhr am Helvetiaplatz und zogen durch die Innenstadt in Richtung See. Die zunächst friedliche Kundgebung eskalierte nach ca. 21.30 Uhr. Die Polizei schritt im Bereich Bellevue, Limmatquai und Bahnhofplatz mit Gummischrot und Tränengas ein.

 In Lausanne gingen am Sonntagnachmittag rund 100 junge Leute aus der linken Anti-SVP-Szene auf die Strasse, um gegen die Annahme der Ausschaffungsinitiative zu protestieren. Die bürgerlichen Parteien hätten im Vorfeld der Abstimmung kaum Präsenz gezeigt und das Feld den "stinkenden" Plakaten der SVP überlassen. Auf Spruchbändern standen Slogans wie "Wir sind alle kriminelle Ausländer" oder "Die Schafe stimmen SVP".

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tagesanzeiger.ch 28.11.10

Heftige Proteste in Lausanne und Bern

sda / raa

 Rund 400 Menschen haben nach dem Ja zur Ausschaffungsinitiative in Bern eine Kundgebung durchgeführt. Vereinzelt kam es zu Sachbeschädigungen. Auch in Lausanne wurde demonstriert.

 In Bern blockierten die teilweise vermummten Personen bei der Heiliggeistkirche in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs den öffentlichen Verkehr. Sie entzündeten Fackeln und brannten pyrotechnische Gegenstände ab. Während der Kundgebung skandierten sie Parolen gegen die SVP. In der Marktgasse kletterte ein Kundgebungsteilnehmer eine Fassade hinauf und zerstörte mit einer Fackel eine Schweizerfahne.

 Gegen Ende der Kundgebung kam es zu Sachbeschädigungen. Einzelne Vermummte schlugen die Eingangstüre des Hotels "Bristol" ein, in dem SVP-Vertreter anwesend waren, und warfen die Scheibe der Berner Niederlassung einer Grossbank ein. Viele Kundgebungsteilnehmer quittierten diese Gewalt mit Buhrufen. Eine junge Frau stellte sich schützend vor die Hoteltür.

 Polizisten im Einsatz

 Um 19.30 Uhr ging die Polizei, die mit einem ziemlich grossen Aufgebot präsent war, auf der Schützenmatte gegen den harten Kern der Demonstranten vor; daraufhin zogen diese sich in das alternative Kulturzentrum Reitschule zurückzogen. Der Sicherheitsdirektor der Stadt Bern, Gemeinderat Reto Nause, sagte auf Anfrage, die Behörden hätten mit einem solchen Szenario gerechnet. Die Polizei sei vorbereitet gewesen.

 "Stinkende" SVP-Plakate

 In Lausanne gingen am Sonntagnachmittag rund 100 junge Leute aus der linken Anti-SVP-Szene auf die Strasse, um gegen die Annahme der Ausschaffungsinitiative zu protestieren. Die bürgerlichen Parteien hätten im Vorfeld der Abstimmung kaum Präsenz gezeigt und das Feld den "stinkenden" Plakaten der SVP überlassen. Auf Spruchbändern standen Slogans wie "Wir sind alle kriminelle Ausländer" oder "Die Schafe stimmen SVP".

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police.be 28.11.10

Stadt Bern: Sachbeschädigungen anlässlich von Kundgebung

28. November 2010

pkb. Bei einer Kundgebung ist es am Sonntagabend in der Berner Innenstadt zu Sachbeschädigungen gekommen. Die Polizei nahm eine Person vorübergehend fest. Wegen des Umzugs kam es auch zu Behinderungen des öffentlichen Verkehrs.

Am Sonntag, 28. November 2010, besammelten sich kurz vor 1800 Uhr ca. 50 Vermummte und weitere ca. 450 Personen vor der Heiliggeistkirche, um gegen die Annahme der SVP-Initiative zu demonstrieren. Beim anschliessenden Umzug durch die Altstadt kam es zu zahlreichen Kreideleien und vereinzelten weiteren Sachbeschädigungen. Die Polizei begleitete den Umzug auf Distanz. Vor dem Bundeshaus postierte Polizisten wurden vereinzelt mit Flaschen und Schneebällen beworfen.

Der Umzug löste sich gegen 1945 Uhr auf der Schützenmatte auf. Die Polizei nahm eine Person vorübergehend fest.

Während des Umzugs kam es zu Behinderungen verschiedener Tram- und Buslinien von BernMobil.

(fm)

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20min.ch 28.11.10

Müslüm mit Song zur Ausschaffungsinitiative

Der Berner Musiker und Komiker hat blitzschnell reagiert: Noch am Abstimmungssonntag hat er den Song "Samichlaus" veröffentlicht.

"Ich bin der Samichlaus, ich schaffe alle schwarzen Schäfli aus": Wie man Müslüm kennt, verpackt er das Abstimmungsresultat in einen ironischen Song. "Ich bin kein Politiker, Politik ist viel weniger wichtig als Liebe", so Müslüm zu 20 Minuten.

Auch wenn er sich weder als links noch als rechts bezeichnet, hat er sich ein anderes Abstimmungsresultat erhofft: "Auch wenn nicht alle so eine grosse Rute wie ich haben - jetzt sitzen wir alle im gleichen Schlitten."

Müslüm, "Samichlaus":
http://www.20min.ch/news/dossier/abstimmresultat/story/21701681

Der Song ist ab Montag auf Exlibris.ch und iTunes erhältlich.

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Sonntag 28.11.10

Ausschaffung ist ein alter Hut

 Heute stimmt die Region Nordwestschweiz über die Ausschaffungsinitiative und den Gegenvorschlag ab. Eine historische Einordnung

Von Bojan Stula

 Landesverweis selbst für geringfügigere Vergehen entspricht einer langjährigen Rechtstradition der Alten Eidgenossenschaft, sagt der Basler Rechtshistoriker Stefan Suter.

 Früher herrschte noch Zucht und Ordnung: Dieben wurde die Hand abgehauen, Mörder um einen Kopf kürzer gemacht und Kindsmörderinnen im Rhein ersäuft. Und das gemeine Volk konnte das Strafmass nach dem alttestamentarischen Prinzip "Auge um Auge" erst noch besser nachvollziehen. Glaubt man den Leserbriefspalten, geht die heutige "Kuscheljustiz" viel zu sanft mit Straffälligen um - seien diese Raser vom Balkan, muslimische Schläger oder dunkelhäutige Vergewaltiger. Gleichzeitig wird es der muslimischen Welt als besonderes Zeichen von Rückständigkeit angelastet, wenn sich diese auf archaisch-religiöse Rechtsformen wie die Scharia beruft.

 Das gespaltene Verhältnis zum Strafrecht und zu dessen Auslegung dürfte so alt sein, wie es Gesetze gibt. In Bezug auf die Ausschaffungsinitiative nennt der Basler Rechtsanwalt und Rechtshistoriker Stefan Suter eine verblüffende historische Komponente: "Im 17. und 18.Jahrhundert war der Landesverweis die mit Abstand häufigste Strafe." Viel häufiger etwa als die verhältnismässig selten ausgesprochene Todesstrafe (siehe Bericht unten). Bis 1798 zo-gen die Basler Inquisitionsgerichte bei schweren Delikten wie Diebstahl, Raub, Tötung, Gotteslästerung, Fälschung oder Sittlichkeitsdelikten so genannte "Stadtconsulenten" zurate, die strafrechtliche Gutachten zum Fall erstellten.

 Ob Ehebruch, Diebstahl oder Körperverletzung: Die Richter des Ancien Régime griffen besonders gerne zur lebenslänglichen Verbannung krimineller Subjekte. Nicht aber ohne diese zuvor brandmarken und zum Beispiel körperlich bestrafen zu lassen. Suter erklärt sich diese von den Stadtconsulenten gestützte Praxis mit praktischen Überlegungen: "Zum einen gab es keine Gefängnisse im heutigen Sinne, in denen Straftäter über längere Zeitdauer hätten gehalten werden können." Bis 1821 wurden Strafgefangene in die Türme der Stadtbefestigung gesperrt. Da war es natürlich einfacher und billiger, Missetäter gleich ausserhalb der Kantonsgrenzen zu vertreiben. Zum anderen war die Wegweisung die damals gängige Massnahme in der Armutsbekämpfung. Bettler wurden aufgegriffen und den Behörden ihres Heimatortes überstellt, damit sie nicht der fremden Stadt auf der Tasche lagen. Diese hatte an ihren eigenen Armen in der Regel schwer genug zu tragen. Das Prinzip "Aus den Augen, aus dem Sinn" schien also nur schon aus ökonomischen Überlegungen zwingend zu sein.

 Für das Jahr 1818 vermerken die Statistiken, dass in Basel-Stadt und auf der Landschaft insgesamt 2694 "Gesindel" eingefangen und "zum Theil" ausgeliefert wurden; dies bei einer Stadtbevölkerung von rund 20000 Personen. Folgerichtig nennt Suter die Ausschaffung eine juristisch "antiquierte Methode". Eine kontraproduktive dazu. Aus dem Kanton weggewiesene Verurteilte machten fortan als Wegelagerer und Räuberbanden die Wege im Elsass und Südbaden unsicher und schädigten die Basler Wirtschaft in nicht unerheblichem Masse.

 Im Gegensatz zur heutigen Ausschaffungspraxis konnten damals auch Basler Bürgerinnen und Bürger mit einem Landesverbot belegt werden. Ihrer Existenzgrundlage beraubt, blieb diesen dann oft kein anderer Ausweg, als sich mittels krimineller Aktivitäten über Wasser zu halten. Erst mit dem Bau ordentlicher Strafanstalten wurden die Ausweisungen durch andere Strafformen in den Hintergrund gedrängt. Laut Stefan Suter gebührt gerade den Basler Stadtconsulenten das Verdienst, dass sie in vielen Fällen auf eine Humanisierung des Strafrechts hingewirkt haben. Ganz verschwunden ist die Idee der Ausschaffung aus der schweizerischen Rechtspraxis indes nie. Noch 1850 erliess der Kanton Baselland Verordnungen, welche die Ausschaffung von "Bettlern und Vaganten" regelten (siehe Box unten).

 Natürlich unterliegt das Strafrecht bis auf den heutigen Tag der ewigen Auseinandersetzung "zwischen Intellekt und Emotion", wie es Suter ausdrückt. Wer wüsste das besser als das Schweizer Wahlvolk, das immer wieder zwecks strafverschärfenden Gesetzesvorstössen an die Urne gerufen wird? Wie bei der Ausschaffungsinitiative werden solche Vorlagen meist besonders heftig diskutiert und der Abstimmungskampf besonders gehässig geführt.

 Aber auch die Gerichtspraxis ist den gesellschaftlichen Einflüssen von Volksmeinung und Politik ausgesetzt. Suter nennt ein aktuelles Beispiel: "Soeben wurde in Liestal ein Kokaindealer zu14 Jahren Gefängnis verurteilt. So eine hohe Strafe für ein Rauschgiftvergehen wäre vor zehn Jahren keinem Staatsanwalt und Gerichtspräsidenten in den Sinn gekommen." Ohne den medial aufgebauschten Umgang mit ausländischen Straftätern hätte die Ausschaffungsinitiative, deren Wurzeln sogar in die Al-te Eidgenossenschaft zurückreichen, wohl keine Chance. So viel zur Emotion.

 Literaturhinweis: Stefan Suter, Die strafrechtlichen "Bedenckhen" der Basler Stadtconsulenten, Zürich 2006.

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ANTI-SVP
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Indymedia 29.11.10

Angriff auf das SVP-Büro in der Länggasse, Bern

AutorIn : Kommando Nie wieder SVP

In der Nacht auf den 29.Nobember haben wir das SVP-Büro in der Länggasse in Bern angegriffen.
Wir haben die Storen runtergerissen, die Scheiben zerstört und das Gebäude mit ein bisschen Farbe verziert.
Wäre das Büro nicht im Parterre eines mehrstöckigen Wohnhauses untergebracht, hätten wir es runtergebrannt.    
   
Wir wollen uns rächen für die faschistische und rassistische Politik der SVP, welche jedes Jahr tausende von Menschen in den Tod befördert. Mit der Annahme der Ausschaffungsinitiative wird die AusländerInnenpolitik erneut verschärft. Ein weiteres Mal müssen Minderheiten für Propagandazwecke hinhalten: sie werden zu Feindbildern hochstilisiert, während die wirklichen Probleme vertuscht werden. Und ein weiteres Mal fallen die weissen Schafe im Land auf die millionenschwere Kampagne rein, die in Wirklichkeit Wahlkampf ist. Und hat die SVP erstmal die Zweidrittelmehrheit, werden sie merken, dass sie lieber doch keinen Faschostaat gewollt hätten.

Nieder mit der Faschisto-Demokratie!
Die Schweiz muss sterben, damit wir leben können!
Wir bilden Banden.
Wer Hass säht, wird Hass ernten!

Kommando Nie wieder SVP

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police.be 29.11.10

Stadt Bern/Zeugenaufruf: Sachbeschädigungen an SVP-Sekretariat

29. November 2010

pkb. Bei einem Anschlag auf das SVP-Sekretariat ist in der Nacht von Sonntag auf Montag erheblicher Sachschaden entstanden. Die Kantonspolizei sucht Zeugen.

Am Montag, 29. November 2010, um 0045 Uhr, erhielt die Kantonspolizei Bern Kenntnis von Sachbeschädigungen am Gebäude Brückfeldstrasse 18 in Bern. Der Anschlag galt offensichtlich dem sich dort befindenden SVP-Sekretariat. Die Täterschaft hatte mehrere Scheiben eingeschlagen, Storen beschädigt und die Mauern verschmiert. In Mitleidenschaft gezogen wurden ebenfalls drei parkierte Autos. Die Vandalen konnten unerkannt flüchten. Zum Vorfall muss es zwischen 0015 Uhr und 0045 Uhr gekommen sein. Die Polizei stellte Täterwerkzeug sicher.

Allfällige Beobachtungen und Hinweise nimmt die Kantonspolizei in Bern, Telefon 031 634 41 11, entgegen.

(fm)

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NZZ am Sonntag 28.11.10

SVP im welschen Stresstest

(brk)

 Der Generalsekretär der SVP Waadt hat eine Odyssee hinter sich. Als Veranstalter des SVP-Programmparteitags vom 4. Dezember hat Claude-Alain Voiblet jede Mehrzweckhalle seines Kantons abgeklappert. Turnhallen, Theater- und Singsäle in zwanzig Gemeinden hat er in Augenschein genommen. Doch niemand konnte oder wollte so kurzfristig Platz für rund 700 Delegierte der Volkspartei machen. Schliesslich blieb nur die Option "en plein air"; der Kantonsparlamentarier Jean-Marc Sordet bot der Partei seine Wiese in Coinsins (VD) als Freiluft-Variante an.

 "Die Stadt wäre uns lieber gewesen", seufzt Voiblet. Doch dort, in Lausanne, wollte man sie nicht haben. Der ursprünglich angepeilte Veranstaltungsort im Palais de Beaulieu war insofern eine unglückliche Wahl, als die Gewerkschaft Unia just zum gleichen Zeitpunkt dort tagen wollte. Die Unia, behauptet Voiblet, habe keinen Geringeren als Charles Poncet - "l'avocat de Monsieur Ghadhafi" - engagiert, um die SVP zu vertreiben. Die nächste Absage kam von der Universität Lausanne, die zuerst Räumlichkeiten in Aussicht stellte und schliesslich - angesichts der von linksstehenden Studenten angekündigten Störaktionen - zu anderen Einsichten kam. Schliesslich, nachdem Voiblet die Türklinken unzähliger Gemeindevertreter poliert hatte, kam das rettende Angebot von Bauer Sordet.

 Der Generalsekretär wollte gerade aufatmen, als sich ihm das vorläufig letzte Hindernis in Form einer warzigen Kreatur in den Weg stellte. Die Erdkröte, unter Amphibiologen liebevoll bei ihrem lateinischen Namen Bufo Bufo genannt, lebt ausgerechnet im Naturschutzgebiet neben Sordets Acker. Das geschützte Tier figuriert auf der Roten Liste des Bundes und braucht seinen Winterschlaf, damit es pünktlich zur Paarungszeit im Frühling der Erhaltung seiner Art frönen kann. Die Behörden weigerten sich partout, den Anlass zu bewilligen, so lange nicht gewährleistet sei, dass die Tiere unbehelligt bleiben würden.

 Nachdem die SVP zugesichert hat, das Schutzgebiet weiträumig zu umzäunen und Parkplätze abseits zu placieren, kann die Veranstaltung über die Bühne gehen. Es sind zugige Aussichten für die Parteianhänger, die während dreier Stunden stehend auf der Wiese ausharren müssen. Einzig eine Schicht von Holzschnitzeln soll verhindern, dass die Delegiertenversammlung in corpore auf dem Brachland anfriert. Katharina Bracher

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Zentralschweiz am Sonntag 28.11.10

Delegiertenversammlung

 SVP will Schutz der Freiheit

 adm. Morgen beginnt die Wintersession. Sogleich will die SVP eine dringliche Interpellation einreichen. Ziel: Der Bundesrat soll erklären, wie er in Zukunft die Rede- und Versammlungsfreiheit in der Schweiz garantiere. Mehrmals klopfte die SVP Schweiz in der Waadt auf der Suche nach einem Versammlungsort an geschlossene Türen. Der erste Versammlungsort, die Universität Lausanne, hatte sie wegen Drohungen wieder ausgeladen. "Das ist inakzeptabel und wird ein politisches Nachspiel haben", sagt Präsident Toni Brunner.

 Die Delegiertenversammlung vom 4. Dezember findet deshalb als eine Art Landsgemeinde unter freiem Himmel auf einer Wiese im Waadtländer Ort Gland statt. Allerdings mussten laut Generalsekretär Martin Baltisser nochmals Hürden aus dem Weg geschaffen werden. Weil die Wiese Wohn- und Lebensraum verschiedener Amphibien ist, musste die Partei für die Versammlung mit gegen 1000 Teilnehmern strenge Auflagen einhalten, wie Toiletten fernab des Schutzgebiets. Und wer mit dem Auto anreist, muss sich auf einen längeren Anmarsch einstellen.

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SANS-PAPIERS
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20min.ch 29.11.10

Zürich

Unbewilligte Demo ohne Zwischenfälle

Nach der Annahme der Ausschaffungsinitiative vom Sonntag fand eine weitere Demonstration statt. Es kam zu keinerlei Beschädigungen.

Im Verlauf des Montagnachmittags wurde im Internet zu einer unbewilligten Demonstration aufgerufen. Gegen 19:30 Uhr fanden sich rund 100 bis 150 Personen beim Helvetiaplatz ein.

Nach einer Rede setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung und zog via Stauffacherstrasse, Tramhaltestelle Stauffacher und Kasernenstrasse bis zur Kaserne der Kantonspolizei Zürich. Nach wenigen Minuten liefen die Demonstranten weiter und begaben sich via Militärstrasse und Langstrasse zurück zum Helvetiaplatz.

Nach einer Schlussrede löste sich die Kundgebung um 20:45 Uhr auf. Um mögliche Sachbeschädigungen zu vermeiden, waren Stadt- und Kantonspolizei Zürich mit einem grösseren Aufgebot vor Ort und überwachten den Demonstrationszug. Es kam während der ganzen Demonstration zu keinen Zwischenfällen.

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Facebook 29.11.10
http://www.facebook.com/profile.php?id=100000996236299

Autonome Schule Zürich

WEITERE POLIZEIPROVOKATIONEN GEGEN DIE ASZ!! Die rassistischen Angriffe der Stadtpolizei gegen die ASZ kennen keine Grenzen. Nach dem Vorfall letzten Mittwoch, als ein Kursteilnehmender der ASZ verhaftet wurde, kommen heute gegen 14h die gleichen Beamten von letztem Mittwoch und führen Personenkontrollen an die Haltest...elle Güterbahnhof, vor der ASZ, durch. Mindest drei Kursteilnehmende sind verhaftet worden.ES REICHT! DEMO: 19:30 Helvetiaplatz

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Indymedia 29.11.10

Zureich: Cops attackieren schon wieder Deutschkurse ::

AutorIn : njnp        

heute nachmittag haben die Bullen erneut Schüler des autonomen Deutschkurses in der Baracke an der Hohlstrasse verhaftet. Die 3 Bullen, die schon vergangenen Mittwoch provozierten, waren erneut beteiligt.
Soll wohl eine Rache für gestern sein.    

Es sind 4 oder 5 Leute an der Tramhaltestelle Güterbahnhof verhaftet worden, sie waren auf dem Weg zur ASZ-Baracke.
Zur Zeit wird dort diskutiert was zu tun. Unterstützung ist auf jeden Fall gefragt, besonders wenn die Kurse um 17uhr fertig sind.

ES SCHREIT NACH DEMO!!!

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BIG BROTHER SPORT
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Basellandschaftliche Zeitung 29.11.10

Für Hooligans ändert die Gerichtsinstanz

Thomas Dähler

 Kantonale Abstimmung Der Polizeigewahrsam gegen Hooligans wird künftig durch eine neue Gerichtsinstanz überprüft. Dagegen stimmten weniger als 5 Prozent.

 Beschwerden wegen Polizeigewahrsams gegen Hooligans werden in Baselland künftig vom Zwangsmassnahmengericht überprüft: Die dazu nötige Änderung der Kantonsverfassung wurde mit 84642 zu 4052 Stimmen angenommen. Die Stimmbeteiligung lag bei 48,82 Prozent.

 Der Polizeigewahrsam ist eine Massnahme, die das Hooligan-Konkordat vorsieht. Ausgesprochen wird er gegenüber Personen, die wiederholt an Sportveranstaltungen Gewalt ausgeübt haben und sich zuvor nicht durch weniger weit gehende Massnahmen eines Besseren belehren liessen.

 Von niemandem bestritten

 Wird eine solche Massnahme angeordnet, muss sich die betroffene Person vor einer fraglichen Sportveranstaltung bei einer Polizeistelle melden und dort bleiben, bis die Veranstaltung zu Ende ist. Die Massnahme ist auf 24 Stunden beschränkt.

 Gegen den Polizeigewahrsam können Betroffene eine richterliche Überprüfung verlangen. Zuständig dafür war im Baselbiet bisher ein Abteilungspräsidium des Kantonsgerichts. Übertragen wird diese Aufgabe nun nach dem Volksentscheid dem neuen Zwangsmassnahmengericht. Weil die Kompetenzverschiebung eine Verfassungsänderung erforderte, war dazu ein Urnengang nötig. Die Vorlage war jedoch von niemandem bestritten. Die ebenfalls erforderliche Änderung des kanto- nalen Polizeigesetzes hatte zuvor schon der Landrat ohne Gegenstimme verabschiedet.

 Schon 2009 beschlossen

 Den Beitritt zum "Konkordat gegen Gewalt an Sportanlässen", wie das Hooligan-Konkordat heisst, hatte das Baselbieter Volk schon 2009 mit über 92 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen. Der Polizeigewahrsam ist eine von mehreren Massnahmen, die im Rahmen des Konkordats vorgesehen sind. Weil der Polizeigewahrsam von maximal 24 Stunden eine besonders einschneidende Massnahme darstellt, muss zwingend eine richterliche Überprüfung vorgesehen werden.

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nzz.ch 28.11.10

Neue Gerichtsinstanz für Hooligan-Gewahrsam in Baselland

 (sda) Beschwerden wegen Polizeigewahrsams gegen Hooligans werden in Baselland künftig vom Zwangsmassnahmengericht überprüft: Die dazu nötige Änderung der Kantonsverfassung wurde mit 84'642 zu 4052 Stimmen angenommen. Die Stimmbeteiligung lag bei 48,82. Prozent.

 Gegen Polizeigewahrsam konnten Betroffene im Baselbiet bisher ein Abteilungspräsidium des Kantonsgerichts anrufen. Übertragen wird dies nun dem neuen Zwangsmassnahmengericht. Weil die Kompetenzverschiebung eine Verfassungsänderung erforderte, war dazu ein Urnengang nötig. Die Vorlage war jedoch unbestritten.

 Die ebenfalls erforderliche Änderung des kantonalen Polizeigesetzes hatte zuvor schon der Landrat verabschiedet. Den Beitritt zum Konkordat gegen Gewalt an Sportanlässen ("Hooligan- Konkordat"), das als eine der Massnahmen einen bis zu 24-stündigen Polizeigewahrsam vorsieht, hatte das Baselbieter Volk 2009 mit über 92 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen.

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POLICE CH
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admin.ch 29.11.10

Arbeitsgruppe befasst sich mit der Zukunft der Polizei-Akademie Savatan

Bern, 29.11.2010 - Der Chef des Eidg. Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), Bundesrat Ueli Maurer, hat eine gemischte Arbeitsgruppe Bund/Kantone eingesetzt, die sich vertieft mit der zukünftigen Ausgestaltung der Polizei-Akademie Savatan befasst.

Auf dem Waffenplatz St. Maurice-Lavey, Standort Savatan, betreiben die Kantone Waadt und Wallis gemeinsam mit der Armee (Militärische Sicherheit) eine Polizei-Akademie. Die Zusammenarbeit basiert auf einem bis Ende 2014 befristeten Vertrag. Die beteiligten Partner anerkennen die wertvolle Aufbauarbeit, welche seit Gründung dieser Akademie im Jahr 2004 geleistet wurde und wollen gestützt darauf eine vertiefte Überlegung über die mittel- und langfristige Zukunft dieser Institution vornehmen.

Die verantwortlichen Regierungsmitglieder von Bund und Kantonen (Bundesrat Ueli Maurer, Staatsrätin Jacqueline de Quattro, Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten) sind demnach übereingekommen, für die Vorbereitung dieser Entscheide eine gemischte Arbeitsgruppe mit Vertretern von VBS sowie den Kantonen Waadt und Wallis einzusetzen.

Die Arbeitsgruppe hat den Auftrag erhalten, gestützt auf die Ausbildungsbedürfnisse der beteiligten Partner Varianten für die Zukunft der Polizei-Akademie Savatan aufzuzeigen. Die Arbeitsgruppe wird von Yves Bichsel, Chef Stab Chef VBS, geführt und wird ihre Arbeiten bis Ende Februar 2011 abschliessen.

Savatan - eine Schweizer Premiere

Die Polizei-Akademie Savatan hat eine Grundausbildung entwickelt, welche erstmalig in der Schweiz eine pädagogische Ausrichtung berücksichtigt und für den zweisprachigen Sprachraum (deutsch-französisch) konzipiert ist. Dies erlaubt es, den Polizeiaspiranten/Polizeikandidaten die bestmöglichsten Voraussetzungen zur Erlangung des eidgenössischen Fähigkeitsausweises für Polizeibeamte zu schaffen.

Ausserdem bietet die Akademie die Möglichkeit, alle Polizisten der Korps, die Partner der Polizeiakademie sind, bei Änderungen der Rechtsgrundlagen und anderer Aspekte der öffentlichen Sicherheit weiterzubilden.

Zudem haben alle Organisationen, die mit Fragen der Sicherheit konfrontiert sind (Banken, Post, Versicherungen, Öffentliche Verwaltung etc.), die Möglichkeit, Kurse zu buchen, welche Sicherheitsthemen am Arbeitsplatz behandeln (Aggressionen, Überfall, allgemeine Gewalt, Krisenmanagement, usw.).

Die Polizei-Akademie Savatan pflegt, ausgehend von einem breit ausgelegten Sicherheitsansatz, Partnerschaften mit ähnlichen Institutionen in der Schweiz und im Ausland.

In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 21. April 2010 haben sich die Regierungen der Kantone Waadt und Wallis dazu verpflichtet, alles zu unternehmen um ihre Zusammenarbeit mit dem Bund weiterzuführen und zu vertiefen. Auch über den 31. Dezember 2014 hinaus soll eine qualitativ hoch stehende Grundausbildung für Polizeiangehörige in Savatan sichergestellt werden.

Adresse für Rückfragen:
Martin Bühler
Sprecher VBS
Tel. 031 324 50 86

Herausgeber:
Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
Internet: http://www.vbs.admin.ch

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DROGEN
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Spiegel 29.11.10

KOLUMBIEN

 Drogenkrieg zu Wasser

 Kolumbien: Das Geschäft mit den KokainTauchbooten - ein Aussteiger berichtet

Bühler, Alexander

 Die südamerikanische Drogenmafia rüstet auf. Sie lässt große Mengen an Kokain in selbstgebauten Tauchbooten transportieren. Oftmals unbemerkt von Radar und Küstenwache, bringen sie die Ware tonnenweise nach Mexiko.

 Der Tag, an dem Gustavo Alonsos Leben als Drogenkurier endete, begann mit dem dumpfen Rattern eines Hubschraubers. Der Helikopter flog genau über ihm, er kam rasch näher, das hörte Alonso, irgendwann blieb der Hubschrauber einfach in der Luft stehen.

 Unten, im Rumpf eines Tauchboots, das 600 Seemeilen vor der mexikanischen Küste lag, saß Alonso, zusammen mit drei anderen Besatzungsmitgliedern und einem Bewacher der kolumbianischen Drogenmafia, auf knapp 15 Quadratmetern zusammengepfercht. An Bord hatten sie 3,5 Tonnen Kokain, Einkaufspreis etwa 8 Millionen Dollar, auf den Straßen Miamis oder Washingtons war die Ware über 60 Millionen wert.

 Die mexikanischen Kontaktleute, an die sie das Kokain übergeben sollten, waren bereits vier Tage überfällig. Ihr Schiff habe technische Schwierigkeiten, hatten sie gemeldet. Zwölf Tage schon war die Besatzung unterwegs in dem kleinen Tauchboot, in dem man kaum stehen und kaum gehen kann. Eine Glaskuppel, die dauernd von Wellen überspült wird, war der einzige Sichtkontakt zur Außenwelt. Ständig drückten sie sich aneinander vorbei, spielten Karten oder dösten vor sich hin.

 Gegen zehn Uhr dann hörten sie auf einmal einen trockenen Knall: Der Bordschütze des Helikopters über ihnen hatte ein Stahlnetz abgeschossen, das sich um die Schiffsschrauben wickelte und das Boot am Weiterfahren hinderte.

 Sie hörten Lautsprecherdurchsagen, sie wussten, dass schwere Waffen auf sie gerichtet waren, dass sie keine Chance hatten. Sie stellten die Maschinen ab, gingen hinaus und ergaben sich der US-Küstenwache.

 "Zuerst wollte ich mich umbringen", sagt Alonso, "doch dann begriff ich, dass ich so den Narcos, den Drogenhändlern, endlich entkommen konnte." Im US-Gefängnis würden sie keine Macht mehr über ihn haben. Ihn nicht mehr abholen können für den nächsten Transport wie in den vergangenen Jahren.

 Er wird wegen Drogenhandels verurteilt, verbringt Jahre im Gefängnis, die ersten zwei in Isolationshaft. Seit seiner Entlassung lebt er wieder in seiner Heimatstadt, sein altes Leben hat er hinter sich gelassen. Die Menschen, mit denen er im Drogenhandel zu tun hatte, sind entweder tot oder hinter Gittern.

 Gustavo Alonso, 53, ist ein stämmiger kleiner Mann, er steht auf der Terrasse des Hotels Estación in der kolumbianischen Hafenstadt Buenaventura, er blickt auf die Bucht vor ihm. Ein Labyrinth aus Inseln mit verschlungenen Mangrovenwäldern und Flussmündungen.

 Alonso heißt nicht Alonso, sein wahrer Name darf nicht genannt werden. Die Drogenmafia mag es nicht, wenn ehemalige Angestellte anfangen zu plaudern. Und hier in Buenaventura, dem Zentrum der Drogenhändler an der Pazifikküste, ist das besonders gefährlich. Drogenbanden wie die Rastrojos und die Aguilas Negras führen in der Stadt seit Jahren einen Krieg um die Vorherrschaft über die Transportrouten.

 Die Armenviertel Buenaventuras mit ihren schäbigen Holzhütten, an deren Wänden grauer Schimmel blüht, sind ihre Rekrutierungsgebiete. Viertel, in denen es kaum Arbeit und nur gelegentlich Strom und Wasser gibt. Viertel, die die Drogenmafia kontrolliert und in denen sie ihre Fußsoldaten findet.

 Vor wenigen Wochen gab es hier Tote, eine Frau wurde ermordet, zwei andere verschwanden spurlos, ein Racheakt der Narcos nach einem fehlgeschlagenen Transport. Ein Schmugglerboot war vor der Küstenwache geflohen und hatte dabei Fracht abgeworfen. Wenige Tage später konnte die Polizei der Presse stolz die beschlagnahmte Ladung präsentieren. Für die Narcos ein Verrat, dem Vergeltung folgen muss.

 Es gebe zwei Wege, in den Drogenhandel hineinzugeraten, erklärt Alonso. Entweder weil man das schnelle Geld wolle, den Coup seines Lebens, der das eigene Haus, die Rente oder die Ausbildung der Kinder ermöglicht. Oder aber, weil man erpresst wird, nachdem die Drogenmafia einem zuvor geholfen habe - so wie bei ihm.

 Alonso hat das Kapitänspatent, er arbeitete jahrelang auf großen Fischereischiffen, bevor er Kokainboote durchs Meer steuerte. Zusammen mit Frau und drei Töchtern lebte er in Buenaventura, dann, so erzählt er, bekam seine Frau eine schwere epileptische Erkrankung. "Die Ärzte sagten, sie müsse dringend operiert werden, aber die Operation sollte 40 000 Dollar kosten."

 Das Geld hatte er nicht. Ein Bekannter habe ihm damals zugesichert, man würde sich darum kümmern, er solle sich keine Sorgen machen. Nach der Operation kam der Freund wieder auf ihn zu und bat ihn nun selbst um einen Gefallen. Alonso ahnte, worum es ging. Und sagte trotzdem zu. Hätte er ablehnen können? "Dann stünde ich heute nicht hier", sagt er.

 Es beginnt eine zweijährige Laufbahn als Drogenschmuggler, vier Trips unternimmt er insgesamt. Zunächst mit einem Kutter, der von den Drogenhändlern bereitgestellt wird: Fünf Tonnen Kokain lagern bei dieser allerersten Reise versteckt unter Fischen. Alonso, der bekannte Kapitän, kommt unbehelligt an allen Kontrollen vorbei. Am vereinbarten Treffpunkt vor der Küste Mexikos übergibt er die Ware und kehrt nach Hause zurück.

 Noch hat er die Hoffnung, dass die Narcos ihn nun in Ruhe lassen. Doch als er anlegt, warten sie schon auf ihn. "Sie lassen dich nie in Frieden, es sei denn, die Polizei schnappt uns, oder wir kommen beim Transport um." Sie drücken ihm ein paar Geldscheine in die Hand und bringen ihn nach Hause. Er soll sich bereit- halten für die nächste Mission, das Haus nicht verlassen. Wochenlang traut er sich nicht rauszugehen.

 Als er eines Nachts schließlich abgeholt wird, ist er fast erleichtert. Im Morgengrauen, nach stundenlanger Fahrt mit Auto und Motorboot, erreicht die Truppe ihr Ziel: eine Insel im Mangrovendickicht der Küste. Vom Boot aus sieht Alonso eine jener Werften, von denen man sich in Buenaventura immer wieder erzählt hat. Hier werden aus Fiberglas Tauchboote zusammengebaut, für den Kokaintransport, im Dschungel unter freiem Himmel konstruiert.

 Ein bewährtes System der Narcos: Auf dem Meer sind die Boote kaum zu sehen, das Radar kann sie nicht erfassen. Nur aus der Luft sind ihre Umrisse zu erkennen. Einzig Wärmebilder der Luftüberwachung können sie verlässlich orten. Doch auch dieses Problem beheben die Drogenhändler schnell: Sie versehen die Boote mit dicken Rohren am Rumpf. So werden die Abgase nach außen geführt, wobei sie durch das Meerwasser abkühlen. Ein Drittel des Kokains für den US-Markt wird inzwischen mit Tauchbooten transportiert.

 "Ich hatte Angst, als sie mir das Boot zeigten", sagt Alonso. Mit Schiffen kannte er sich aus, da konnte er immer wieder aufs Deck treten, aufs Meer schauen. Nun aber sieht er, wie klein das Tauchboot ist, wie zerbrechlich, wie eng es darin werden würde. Im Rumpf lagern schon zehn Tonnen Treibstoff, Dosenessen, Wasserkanister. Und dreieinhalb Tonnen reines Kokain. Gegen Einbruch der Nacht muss die gesamte Besatzung einsteigen.

 Das Boot ist dreigeteilt: Die Luke im Bug führt in den kaum meterhohen Laderaum. Auf Knien robbt die Mannschaft an den Rauschgiftpaketen vorbei, weiter zum Steuerstand und den Schlafstellen. Alonso stellt sich ans Steuerrad, neben ihm ein GPS-Gerät zur Navigation und ein Funkgerät. Unter den Bettgestellen liegen die Dieseltanks. Hinter ihm befindet sich der Maschinenraum mit zwei Turbodieselmotoren. Kein Licht, keine Toiletten, gerade mal genug Platz, um zu stehen oder zu schlafen.

 Um 20 Uhr ist die Flut hoch und die Nacht dunkel genug. Das Meerwasser zerrt am Tauchboot. Ein Schnellboot schleppt sie vor die Küste, dort werfen sie die Motoren an. Sie beschleunigen auf zwölf Knoten, Kurs 270 Grad, Richtung Westen, gen Hochsee. An der Tür zum Maschinenraum steht der Bewacher, den die Drogenmafia bei jedem Transport der Besatzung zur Seite stellt, bewaffnet mit einem Revolver und einem Sturmgewehr. Im Tauchboot herrscht eine unglaubliche Hitze durch die Motoren, die der Luft den Sauerstoff entziehen und sie mit Kohlenmonoxid anreichern - trotz Lüftungsrohren. "Man hat ständig das Gefühl zu ersticken", sagt Alonso. "Alle vier Stunden verringerten wir die Geschwindigkeit von zwölf auf sechs Knoten. Dann machten wir genau für eine Minute die Luke vorn auf, ließen frische Luft hinein und beschleunigten sofort wieder."

 Schichtweise wechselt sich die vierköpfige Besatzung ab, immer wieder kontrolliert Alonso die Route. Auf hoher See hat ihm der Mann mit dem Sturmgewehr einen Zettel gegeben, auf dem die Zielposition verzeichnet ist. Zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Tag, müssen sie dort ankommen.

 Nach seiner Schicht versucht jeder zu schlafen - doch der Geruch und die Geräusche an Bord machen das unmöglich. Nur trinken müssen alle. Literweise läuft ihnen der Schweiß den Körper hinunter. Ihr Hauptnahrungsmittel ist konzentrierte Milch, die peruanische "Leche Gloria". Durch die Fäkalien, die während der Fahrt nicht entsorgt werden können, entsteht ein unglaublicher Gestank.

 Hunderte solcher Boote hat Kolumbiens Drogenmafia in den vergangenen Jahren bauen lassen, nur 53 davon konnte die Polizei dingfest machen, 20 allein im vorigen Jahr. Der Transport ist äußerst lukrativ: Etwa eine halbe Million Dollar kostet der Bau eines Tauchboots, der Marktwert der Ladung kann mehr als das Hundertfache betragen. Oft versenken die Drogenschmuggler ihr Boot nach erfolgter Lieferung, Dutzende der Einweg-Schiffe sollen am Meeresboden vor der Küste von Mexiko liegen.

 Der Bau und die Nutzung der Boote wird mittlerweile mit hohen Geldstrafen geahndet. Findet die Küstenwache auch noch Drogen an Bord, kommen die Schmuggler 8 bis 14 Jahre ins Gefängnis. Transporteure zu finden ist trotzdem nicht schwer.

 Es ist eine gefährliche Mission, auf die sie sich einlassen. Der kleinste Konstruktionsfehler kann tödlich sein, schließlich befindet sich das Boot in der Regel 1500 Kilometer von der Küste entfernt. Wenn die dünne Hülle breche, sei alles vorbei, sagt Alonso. Er hat von mehreren Besatzungen gehört, die als Drogenkuriere unter Wasser ihr Leben ließen, erstickten oder ertranken. "Selbst wenn man es durch die Luke an die Meeresoberfläche schafft, man ist mitten auf dem Meer, ohne Schwimmweste oder Rettungs-boot."

 Alonsos erste Fahrt mit dem Tauchboot dauert fünf Tage, ohne Zwischenfälle erreicht er das Ziel. Er schleicht sich unter dem Radar und an den Sonargeräten der Kolumbianer vorbei. Alonso kennt die Lücken der Überwachung. Nach zehn Tagen treffen sie am Zielort vor der mexikanischen Küste ein. Per Funk senden sie auf einer vereinbarten Frequenz die Codewörter. Als die Sportyacht der mexikanischen Narcos anlegt, öffnen sie die Luke und stürzen sich ins Wasser, um den Gestank der vergangenen Tage loszuwerden.

 Danach verladen sie vier Stunden lang die Kokainpakete auf das andere Schiff, 20 bis 40 Kilogramm ist jedes einzelne schwer. Im Gegenzug erhalten sie 40 Ballen Geldscheine, insgesamt acht Millionen Dollar in 20-Dollar-Noten. Geld, das sie ihrem kolumbianischen Auftraggeber übergeben müssen. Ihr eigener Lohn für die Überfahrt liegt irgendwo zwischen 30 000 und 100 000 Dollar. Auch Alonso bekommt Geld, aber weit weniger, weil seine alten Schulden verrechnet werden. Für ihn haben sich die Transporte nie gelohnt.

 Geld ist der Treibstoff in diesem Geschäft, viel Geld. In Kolumbien kostet ein Kilogramm Kokain etwa 2500 Dollar, in Europa sind es 30 000 Dollar. Allein bei der Durchsuchung eines einzigen Geldverstecks des Drogengangsters "El Loco" Barrera fand die Staatsanwaltschaft vor einigen Monaten 29 Millionen Dollar und 17 Millionen Euro.

 Geschätzte fünf Millionen Kolumbianer sollen direkt oder indirekt mit dem Drogenhandel zu tun haben. Der Kampf wird deshalb an vielen Fronten geführt gegen die Rebellen der Farc, die nicht nur politischer Gegner der Regierung, sondern auch größter Drogenlieferant des Landes sind. Mit Hubschraubern der Polizei, die aus der Luft durch den gezielten Abwurf von Brandgranaten Kokainküchen im Dschungel niederbrennen. Und mit Flugzeugen, die das Pflanzengift Glyphosat in blauen Wolken auf Coca-Anbaufelder ausbringen. 7500 Hektar Anbauflächen haben die Kolumbianer allein in einem Gebiet der Farc seit November 2009 so vernichtet.

 Seit Jahren kooperiert die Regierung mit der amerikanischen Drogenfahndungsbehörde DEA. Die Amerikaner haben dem Land Amts- und Finanzhilfe in Milliardenhöhe zukommen lassen. Die Fortschritte bei der Drogenbekämpfung in Kolumbien seien unübersehbar, sagt Jay Bergman, regionaler Leiter der DEA. Die Kolumbianer seien mittlerweile so gut, dass die Drogenmafia ihre Produktion demnächst wohl nach Bolivien, Peru und Ecuador verlagern werde: "In diesen Ländern haben die Behörden noch nicht genügend Erfahrung mit den Methoden, der technischen Ausrüstung und der Raffinesse der Drogenschmuggler."

 Eine Razzia im benachbarten Ecuador bestätigte vor kurzem Bergmans Prophezeiungen. Im Juli fand die Polizei dort in der Nähe der kolumbianischen Grenze ein echtes U-Boot: 30 Meter lang, mit Periskop und Elektromotoren, wohl bis zu 20 Meter Tiefe tauchfähig. Ein Boot, das im Gegensatz zum Tauchboot Alonsos von Ingenieuren gebaut wurde und nur von ausgebildeten U-Boot-Fahrern gesteuert werden kann. Geschätzte Baukosten: vier Millionen US-Dollar.

 Er habe alles verloren durch den Drogenschmuggel, sagt Alonso heute, seine gesamte Existenz. Er lebt von der Rente seines 80-jährigen Vaters. In seinem Haus in Buenaventura sind die Dachbalken faul, sie müssten ausgetauscht werden, aber Alonso kann sich das nicht leisten. Er knüpft jetzt Netze, er will Fischer werden. Das wäre dann sein drittes Leben, nach dem des Kapitäns und des Drogenkuriers unter Wasser.

 An die angeblichen Erfolge der Anti-Drogen-Einheiten seines Landes glaubt er nicht. "Solange jemand konsumiert, gibt es jemanden, der Kokain produziert. Jemanden, der es transportiert, jemanden, der es verkauft", sagt er. "Und Idioten wie mich, die sich für diesen Dreck hergeben."

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Sonntagszeitung 28.11.10

Ein Höllentrip für das Hirn

 Wer extensiv Kokain und Methamphetamin zu sich nimmt, schadet sich gewaltig - das zeigt eine neue Studie

 Wer regelmässig Drogen wie Kokain oder Methamphetamin (Meth, Crystal) konsumiert, der zermatscht seine Birne. Und je länger die Abhängigkeit besteht, desto stärker lassen sogenannte exekutive Funktionen wie das Planen, die Impulskontrolle oder die Aufmerksamkeitssteuerung nach. Dies ist das ernüchternde Fazit einer Studie mit knapp 300 Drogenkonsumenten, die letzte Woche an der Jahrestagung der Society for Neuroscience in San Diego präsentiert wurde.

 Schon seit einiger Zeit weiss man, dass der Konsum von Stimulantien wie Koks oder Meth gewisse Hirnfunktionen beeinträchtigt. Unklar war aber, ob diese "exekutiven Dysfunktionen" schon vor der Abhängigkeit bestanden und möglicherweise den Drogeneinstieg gefördert hatten oder ob sie eine Konsequenz des Missbrauchs sind.

 Noch ist nicht klar, ob die Schäden irreversibel sind

 Ein Team um die Psychologin Martina Reske von der University of California San Diego verglich deshalb drei verschiedene Gruppen von Drogenkonsumenten: gelegentliche Nutzer, Kurzzeit- und Langzeit-Abhängige.

 Für ihre Studie liess Reske alle Probanden drei verschiedene neuropsychologische Untersuchungen absolvieren: den Trail-Making-Test, bei dem man möglichst schnell zufällig angeordnete Zahlen und Buchstaben in der richtigen Reihenfolge verbinden muss; den Karten-Sortiertest, bei dem man Spielkarten mit verschiedenen Musterformen, Farben und Anzahl der Muster richtig sortieren muss; und den Farben-Wörter-Interferenz-Test, bei dem man die Farben der Buchstaben und nicht die geschriebenen Wörter benennen muss.

 Praktisch keine Schwierigkeiten hatten die gelegentlichen Konsumenten mit den drei Prüfungen; einzig beim Farben-Wörter-Interferenztest machten sie mehr Fehler (bei gleicher Geschwindigkeit) wie eine Kontrollgruppe. Beim gleichen Test waren die erst seit kurzem Abhängigen langsamer und machten deutlich mehr Fehler als die Vergleichspersonen. Das deutet laut Reske auf eine verminderte kognitive Flexibilität hin. Die Langzeit-Abhängigen schnitten bei allen drei Untersuchungen schlecht ab. Beim Trail-Making-Test sank die Leistung dieser Gruppe sogar mit der kumulierten Dosis: Je länger von Koks und Meth abhängig, desto mieser die Leistung.

 Generell gilt: In den ersten fünf Jahren verlieren extensive Kokain- und Methamphetaminkonsumenten rund 20 Prozent ihrer kognitiven und exekutiven Fähigkeiten. Bei fortgesetztem Missbrauch verschlechtert sich die Leistung weiter und erreicht erst nach rund 16 Jahren ein Plateau. Der Verlust der kognitiven und exekutiven Fähigkeiten, folgert Reske, sei also die Konsequenz des exzessiven Drogenkonsums und nicht dessen Ursache.

 Ungeklärt ist die Frage, ob die kognitiven Defizite rückgängig gemacht werden können, wenn ein Langzeitkonsument von den Drogen wegkommt, oder ob die Schäden irreversibel bleiben. Genau dieser Frage will Reske, die nun am Forschungszentrum Jülich bei Aachen arbeitet, in einer nächsten Studie nachgehen: "Es ist aber unglaublich schwierig, eine genügend grosse Gruppe von Ex-Konsumenten zu finden."

Nik Walter

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Südostschweiz 28.11.10

Kanton St. Gallen als Cannabis-Labor

 St. Gallen. - Seit zehn Jahren werden jugendliche Kiffer im Kanton St. Gallen, die erwischt werden, nicht verzeigt, sondern nur gebüsst. Die schweizweit einzigartige Regelung stiess der Jugendanwaltschaft sauer auf. Darum fordert sie, minderjährige Kiffer wieder zu verzeigen, um Problemfälle frühzeitig zu erkennen. Per 1. Januar 2011 treten nun härtere Regeln in Kraft. Junge Cannabis-Konsumenten, die ertappt werden, erhalten eine Verzeigung und müssen mit ihren Eltern bei der Suchtfachstelle zu einem Gespräch erscheinen. Seite 7

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Härtere Zeiten für jugendliche Kiffer

 Wer Cannabis raucht, soll nur eine Busse zahlen: Was schweizweit diskutiert wird, ist in St. Gallen Standard. Jetzt werden minderjährige Kiffer wieder verzeigt - um Problemfälle früh zu erkennen.

 Von Urs-Peter Zwingli

 St. Gallen. - Volksdroge Cannabis: In der Schweiz zünden sich - je nach Erhebung - zwischen 300 000 und 500 000 Personen regelmässig einen Joint an. Eine nicht unerhebliche Bevölkerungsgruppe also, die bisher mit einem Strafverfahren rechnen musste. Jetzt hat die Politik umgeschwenkt: Die Gesundheitskommission des Nationalrats hat sich Mitte Oktober dafür ausgesprochen, Kiffer zukünftig wie Falschparkierer zu bestrafen. Das heisst, dass eine Ordnungsbusse bezahlt, wer mit einer kleinen Menge Cannabis erwischt wird. Weiter aber passiert nichts: keine Verzeigung, keine Strafverfolgung.

 St. Gallen als Cannabis-Labor

 Was schweizweit als neu gilt, ist im Kanton St. Gallen längst Standard. "Seit dem Jahr 2000 haben wir eine entsprechende, kantonal einheitliche Regelung", sagt Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen. Demnach werden banale Verstösse gegen Bundesrecht - dazu gehören etwa das Betäubungsmittelgesetz, das Ausländergesetz und weitere Gesetzestexte - vom Kanton mit Ordnungsbussen sanktioniert. "Wir sparen uns dadurch viel Aufwand", lautet Hansjakobs Begründung.

 Wenn man so will, war St. Gallen das Labor für die Cannabis-Regelung, die nun für die ganze Schweiz eingeführt werden soll. Gespannt auf die Ergebnisse dieses 10-jährigen "Versuchs" waren anscheinend auch Journalisten der Sendung "10 vor 10". Sie begleiteten vergangene Woche Stadtpolizisten, die jugendliche Kiffer filzten und mit einer Busse abfertigten. Ein Suchtexperte der Uni Zürich kritisierte im Beitrag, dass so Minderjährige, die einen problematischen Cannabis-Konsum aufweisen, durch die Maschen des Präventionsnetzes fielen.

 Laut Hansjakob können heute tatsächlich Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren von der Bussenregelung profitieren - sie zahlen, müssen sich aber nicht vor der Jugendanwaltschaft und auch nicht vor der Suchtfachstelle verantworten. Esther Beyeler, Jugendanwältin des Kantons St. Gallen, ist "nicht glücklich" damit, dass diese Altersgruppe deswegen kaum greifbar ist. "Auch Jugendliche in diesem Alter sind durch Drogen noch immer in ihrer Entwicklung gefährdet", sagt sie. Die Jugendanwälte begrüssen es, dass auch Kiffer von 15 bis 18 Jahren wieder standardmässig verzeigt werden - wie es bei unter 15-Jährigen (oder bei minderjährigen Konsumenten harter Drogen) bereits heute der Fall ist.

 "Polizisten haben Kompetenz"

 Diese neue, härtere Regelung für minderjährige Cannabis-Konsumenten tritt per 1. Januar 2011 in Kraft. Sie wird Bestandteil der kantonalen Verordnung zur neuen Strafprozessordnung (StPO) sein.

 Hansjakob lässt im Gespräch durchblicken, dass er die bisherige Regelung als ausreichend erachtet. "Bisher entscheiden die Polizisten an der Front, ob ein Jugendlicher verzeigt wird, also einer genaueren Abklärung unterzogen werden muss." Die Polizisten verfügten dafür über genügend "Kompetenz und Menschenkenntnis", sagt Hansjakob.

 Eine solche Verzeigung hat in der Regel auch heute kein Strafverfahren zur Folge. Die Jugendlichen und ihre Eltern erhalten eine Einladung, auf der Suchtfachstelle St. Gallen zu einem Gespräch zu erscheinen. Wer nicht auftaucht, wird strafrechtlich belangt. Der Suchtfachstelle werden im kommenden Jahr von den Behörden, durch die härtere Regelung viele Jugendliche mehr zugeführt. Für einen allfälligen Ansturm sei man aber gerüstet, sagt Leiterin Barbara Hausherr. Zudem hätten Jugendliche, die bei der Suchtfachstelle einen entsprechenden Präventionskurs absolvieren, eine "sehr tiefe Rückfallquote".

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RAUSCH-KNAST
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Blick am Abend 29.11.10

Hotel Schwips

 PROST

 Betrunkene könnten bald in einer speziellen Zelle aufwachen. Mit teuren Folgen.

 michael.graber@ringier.ch

 Über 400 Personen im Kanton mussten im letzten Jahr wegen Alkoholvergiftungen behandelt werden. Darum prüft der Kanton Luzern nun, zentrale Ausnüchterungszellen einzuführen.

 "Für das Kantonsspital wäre das eine grosse Entlastung", schreibt die Luzerner Regierung in einer Antwort auf einen Vorstoss von Lathan Suntharalingam (SP).

 Dies, weil die betrunkenen Patienten "sehr grosse Unruhe in den Betrieb bringen, häufig aggressiv sind und andere Patienten belästigen". Es komme auch immer wieder vor, dass die Trunkenbolde gefesselt werden müssen, da sie das Personal bedrohen. In der Tendenz gebe es immer mehr Problemfälle. Eine eigene zentrale Ausnüchterungsstelle hat der Kanton Zürich bereits eingerichtet. Luzern will nun den Schlussbericht dieses Pilotprojekts abwarten und dann entscheiden, ob und wo man das auch in der Zentralschweiz umsetzen könnte.

 Ebenfalls soll abgeklärt werden, wer das Ausnüchtern bezahlen soll: "Es scheint uns richtig, die Kosten den Betrunkenen in Rechnung zu stellen", so die Luzerner Regierung. Eine Überwälzung der Kosten auf die Partyveranstalter lehnt der Regierungsrat hingegen ab.

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SQUAT GE
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Tribune de Genève 29.11.10

Le cortège des cyclistes affronte la police

Thierry Mertenat

 La Critical Mass s'est mal terminée vendredi soir. Quatre gendarmes blessés et deux interpellations

 La tradition veut que le défilé des cyclistes, chaque dernier vendredi du mois, achève son parcours au centre-ville, du côté du parc des Bastions. Les quelque 300 participants ont vécu une fin en cul-de-sac le 26   novembre sur le coup de 20 h. En tête de peloton, un groupe de meneurs désireux de dérouter la manif aux abords de l'ancien squat de Grange-Canal, sur la commune de Chêne-Bourg, dans le but apparemment de le réinvestir.

 C'est là, non loin du chemin des Tulipiers, que commence la confrontation avec les forces de l'ordre. Jets de pierres et de bouts de bois. La police fait front et engage son canon à eau. Quatre gendarmes, touchés par des projectiles, doivent recevoir des soins. D'autres chargent. Dix jeunes interpellés, deux ramenés au poste, poursuivis pour émeute.

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20 Minutes 29.11.10

Des alternatifs genevois tentent un putsch

 Des militants de Critical Mass, un groupe issu de la mouvance alternative genevoise, ont tenté de reprendre possession d'un ancien squat du quartier de Grange-Canal, vendredi soir. Aussitôt délogés par la police, les militants se sont rebellés. Ils ont lancé des pierres et d'autres objets sur les forces de l'ordre. Ces dernières ont directement répliqué au moyen d'un canon à eau et de gaz lacrymogène.
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20 Minutes 29.11.10

Rhino l'emporte

Squat. Les propriétaires de Rhino, squatté pendant vingt ans, exigeaient 21 millions de francs à l'Etat pour cause d'"expropriation matérielle". La justice a rejeté leur demande, selon une information de la "Tribune de Genève".

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TRANSMURDER
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Radio Corax (Halle) 29.11.10

Transmurder Monitoring Projekt - Gespräch mit Jan Hutta

Das Transmurder-Monitoring Projekt erfasst seit 1 1/2 Jahren Morde an Transmenschen. Allein in diesem Zeitraum sind über 400 Menschen Opfer transphober Gewalt geworden. Oft sind diese Morde Hassverbrechen, denen als Motive Homophobie, Machotum, Rassismus oder religiöse Intoleranz zu Grunde liegen. Sie gehen häufig mit Folter einher. Das wissenschaftliche Projekt Transmurder-Monitoring versucht diese Morde zu dokumentieren. Radio Corax sprach mit Jan Hutta, er ist Forscher im Transmurder-Monitoring Projekt.
http://www.freie-radios.net/mp3/20101129-transmurder-37638.mp3

Mehr Infos: http://www.transrespect-transphobia.org/

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GEFANGENEN-INFO
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Indymedia 29.11.10

Interview mit den Gefangenen Thomas Meyer-Falk

AutorIn : Thomas Meyer-Falk: http://www.gefangenen.info    

Thomas Meyer-Falk, seit 1996 in der BRD eingesperrt ist, wurde mit der Redaktion des Gefangenen Info (GI) zu Knastarbeit und -privatisierung interviewt.

Mehr: http://ch.indymedia.org/de/2010/11/79004.shtml

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http://www.freedom-for-thomas.de

thomas meyer-falk

zur zeit
c/o jva bruchsal
schönbornstrasse 32
d 76646 bruchsal
deutschland

am 15. mai 1971 geboren, sitze ich seit der festnahme 1996 in haft, erst in isohaft in stuttgart stammheim bis frühling 1998, dann etwas "gelockert" im bayrischen straubing, seit herbst 1998 in isohaft in bruchsal. verurteilt wurde ich 1997 wegen eines bankraubs mit geiselnahme, anlässlich dessen geld für legale und illegale linke politische projekte organisiert werden sollte. ich bin ein so genannter red-skin / rash = red & anarchist skinhead und da ich mich mitunter deutlich ausdrücke, erfolgten 2000 und 2004 weitere verurteilungen wegen nötigung, beleidigungen, bedrohungen - wie die juristen es nennen - "zum nachteil" von vollzugsjuristen, richtern, staatsanwälten, sowie ein paar politikern (u.a. bundeskanzler schröder, bayrischer innenminister beckstein, hessischer ministerpräsident koch).

insgesamt stehen 16 jahre 9 monate und drei wochen freiheitsstrafe an (ende 2013) und danach sicherungsverwahrung, d.h. eine entlassung ist unabsehbar.

ein wort zu der geiselnahme an dieser stelle: auch wenn es schlussendlich darum geht für eine bessere, eine freiere welt einzutreten, letztlich also eine gesellschaftsform die ohne gewalt auskommt, sehe ich keinen anlass das was ich getan habe zu bereuen, so schockierend das erlebnis für die geiseln in der bank auch war (physisch wurden sie nicht verletzt, aber die bedrohung mit schusswaffen über einige stunden hinweg, war unzweifelhaft ein psychischer schock). es ist nicht leicht die richtigen worte zu finden (zumal alles was ich schreibe erst über die zensur der gefängnisleitung geht); es geht weder um die marginalisierung der seelischen verletzungen der geiseln, noch um eine heroisierung dessen was ich getan habe. das ich nicht "bereue" warf mir schon 1997 das gericht vor, das mich verurteilte ... am ende bleibt vielleicht nur - schweigen!?

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RECHTSEXTREMISMUS
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Spiegel 29.11.10

POLEN

 Eine bizarre Tat

 Polen: Die Hintermänner des Auschwitz-Raubs

Puhl, Jan

 Vor einem Jahr raubten Kriminelle den Schriftzug "Arbeit macht frei" aus dem KZ Auschwitz. In Krakau kommen nun ein schwedischer Ex-Nazi und ein polnischer Bauunternehmer vor Gericht.

 Zehntausende sind unter diesem zynischen Schriftzug hindurch in den Tod gegangen - und jetzt streift sich Aleksandra Papis, die Chefkonservatorin im Museum Auschwitz, OP-Handschuhe über, bevor sie die Lettern aus Blech berührt. Behutsamkeit ist bei ihr das oberste Gebot.

 Papis und ein Kollege heben das erste Fragment aus einer Holzkiste: "ARBEIT". Es ist angekratzt. Das zweite Bruchstück - "MACHT" - ist schwer verbogen, beim "FREI" ist das I abgebrochen.

 Papis überwacht die Reparatur des Schriftzugs. Ausgerechnet zwei Gasrohre hatte der polnische Häftling Jan Liwacz 1940 zurechtgebogen und dazwischen die 15 aus Blech gestanzten Buchstaben geschweißt. Das B brachte er falsch herum an, ein winziger Akt des Widerstands.

 70 Jahre später haben Diebe sein Werk zerstört: Vier Kleinkriminelle brachen vor fast einem Jahr nachts in die KZ-Gedenkstätte Auschwitz ein, rissen den Torbogen aus der Fassung über dem Haupteingang, zersägten ihn und schafften ihn davon. Eine bizarre Aktion. Drei der Täter sitzen bereits verurteilt im Gefängnis.

 Nun geht es um die Drahtzieher. Ein Bauunternehmer aus der Nähe von Toruń und ein Schwede haben gestanden, die Organisatoren des Diebstahls zu sein. Die Staatsanwaltschaft in Krakau teilte vergangenen Donnerstag mit, sie habe Anklage erhoben.

 Was treibt Menschen an, solch eine Tat zu begehen? Sind es Neonazis, Sammler von NS-Devotionalien oder Geschäftemacher? Und steckt tatsächlich ein Millionär aus der rechtsradikalen Szene Schwedens hinter allem?

 Aleksandra Papis erinnert sich noch genau an den Morgen des 19. Dezember vor einem Jahr. Es war kalt, Schnee lag im Eingang zum Stammlager Auschwitz I, eine Trittleiter stand herum. Die Bande, es waren vier Männer aus der Umgebung von Czernikowo bei Toruń, hatte leich-tes Spiel gehabt. Nachts ist es stockdunkel zwischen den ehemaligen Lagergebäuden.

 Zwei Schrauben mit Sechskant-Muttern hielten den Torbogen in der Fassung, er ist leicht abzumontieren: Das Eingangstor ist bis heute die einzige Zufahrt für die Feuerwehr. Nur gelegentlich patrouillierten Wachleute. Bis zu jener Dezembernacht schien es absurd, dass jemand hier einbrechen würde - in diese Anlage mit dem allgegenwärtigen Stacheldraht, den Wachtürmen, der Erschießungswand bei Block 11, dem Galgen gleich am Eingang rechts und der Gaskammer neben dem Hauptgebäude.

 Als Papis den Tatort erreichte, war die Spurensicherung schon da: "Das ist kein Diebstahl, das ist eine Entweihung", sagte ein Museumssprecher.

 Papis ist eine schlanke Frau von 32 Jahren, sie hat in Krakau Restaurierung studiert. "Auschwitz ist eine besondere Herausforderung", sagt sie: "Wir haben gelernt, Kunstwerke zu erhalten. Hier müssen wir alte Schuhe, Koffer oder Zahnbürsten konservieren."

 Ein großer Teil des Stammlagers waren zunächst Kasernen, später wurden viele Gebäude von halbverhungerten Zwangsarbeitern und Häftlingen errichtet. Die Ziegel und Dachpfannen sind Billigprodukte aus jener Zeit.

 Den Torbogen mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" hatten die Diebe über den Boden geschleift, rund 50 Kilogramm ist er schwer und gut fünf Meter breit. Sie knickten ihn, bis er brach, und bugsierten ihn dann durch eine Lücke in der Betonmauer, hinter der heute die Schnellstraße nach Krakau verläuft.

 Papis hat sich an verschiedene Technische Universitäten gewandt, um Hilfe bei der Restaurierung zu bekommen. Das Metall zu schweißen und wieder in die alte Form zurückzubiegen ist nicht einfach, es ist im Lauf der Zeit bröcklig geworden. Die Krakauer Bergbau-Akademie fertigte eine Röntgenanalyse an, um die Zusammensetzung des Stahls zu bestimmen.

 Die Täter konnte ein mobiles Einsatzkommando 70 Stunden nach dem Einbruch in Czernikowo festnehmen: die Brüder Lukasz und Radoslaw M. sowie Andrzej S., der wegen seiner dicken Brille den Spitznamen "Linse" trägt, und einen Mann, den seine Kumpane "Lerche" rufen.

 Alle vier waren in Czernikowo als Trinker und Einbrecher bekannt. Der kleine Ort ist überschaubar. Ein Dorfplatz mit einem Denkmal, das an die 750-Jahr-Feier erinnert, ein künstlicher Weiher, ein Restaurant, auf Hochzeiten spezialisiert. Gleich daneben liegt ein Waldstück, Trampelpfade durchziehen das Gehölz. Hier hatten die Diebe die Beute versteckt. Ihre Schuld war so eindeutig, dass die Verteidigung einen Prozess vermied und das Strafmaß akzeptierte: zwischen 18 und 30 Monaten. Nur gegen Linse wird noch verhandelt.

 Wer aber waren die Auftraggeber? Einer von ihnen wohnte nicht weit vom Wäldchen entfernt, in seinem dreistöckigen, weiß verputzten Haus: Marcin A. Dessen Vater hütet jetzt das Anwesen, auch um die Enkeltochter kümmert er sich, während sein Sohn in Krakau im Gefängnis sitzt.

 "Marcin war immer ein guter Junge", sagt der Alte. Und überhaupt: "Was ist eigentlich passiert? Die haben doch nur Altmetall gestohlen."

 Die Idee war wohl in Schweden gereift. Dort hatte A. Arbeit gesucht. Ins Ausland gehen viele aus Dörfern wie Czernikowo. Von 5000 Einwohnern jobben 1200 fern der Heimat, schätzt der Pfarrer.

 A. kam mit einer Geschäftsidee aus Skandinavien zurück: Er kaufte in Polen billig Beton, Bauholz und Fliesen und exportierte das Material nach Schweden. Außerdem stellte er Arbeitsbrigaden zusammen, die er von Swinemünde oder Danzig aus nach Stockholm verschiffte. Die Firma hatte 25 Angestellte, sogar die Eltern bezogen vom Sohn Gehalt. Seine Ehefrau ist die Tochter des pensionierten Polizei-Kommandanten von Czernikowo, seine Schwiegermutter leitete früher das örtliche Postamt. Eine polnische Provinzkarriere mit standesgemäßem Familienhintergrund.

 Als zweiter mutmaßlicher Drahtzieher sitzt der Schwede Anders Högström in einem Krakauer Gefängnis. Er galt einst als einer der führenden Männer in Schwedens rechter Szene, schien später aber bekehrt. Richtig gelöst von den Nazis hat er sich wohl nie. Polen ließ ihn im Februar von der schwedischen Polizei verhaften und später per Hubschrauber nach Krakau bringen.

 Kennengelernt hatten sich A. und Högström vor etwa zwei Jahren in Schweden, und irgendwann haben die beiden gemeinsam Auschwitz besucht. "Für wie viel kann man das wohl verkaufen?", soll A. den Schweden gefragt und auf den Schriftzug über dem Lagereingang gezeigt haben. Geld brauchten beide: der junge, ehrgeizige polnische Unternehmer und sein schwedischer Freund, der angeblich geläuterte Nazi.

 Högströms Lebensweg beginnt in Karlskrona, Südschweden, einer malerischen Festungsstadt. Sie war vor mehr als zehn Jahren eine Hochburg der Neonazis. Auf dem Markt marschierten junge Männer in Bomberjacken auf, unter ihnen Anders Högström, damals ein 18-Jähriger mit Hitler-Scheitel. Er besaß keinen Schulabschluss, war aber Mitbegründer der "Nationalsocialistisk Front" und schwedischer Jugendmeister im Gewichtheben. 1998 führte ihn das Stockholmer "Aftonbladet" als einen der vier gefährlichsten Neonazis des Landes.

 Doch Anders Högström stieg aus, heiratete, wurde Vater. Aber die Ehe zerbrach. Einer neuen Liebe wegen zog er nach Stockholm. Die Freundin, die Högström vor fünf Jahren in einer Kneipe kennengelernt hatte und die ihn in die Hauptstadt führte, heißt Sofie Lindgren. Sie stammt aus Sri Lanka, wurde von schwedischen Pflegeeltern adoptiert und ist heute eine zierliche Schönheit von 26 Jahren. Sie hat Psychologie studiert und ist Jobvermittlerin im Arbeitsamt.

 In Stockholm suchte Högström Kontakt zu einem alten Bekannten: dem Millionär Lars-Göran Wahlström. Der ist in Nazi-Kreisen Schwedens eine Autorität. Wahlström stellte dem Paar eine Wohnung im schicken Stadtteil Kungsholmen zur Verfügung.

 Högström und Freundin waren oft in Wahlströms gelber Villa auf der Schäre Vaxholm zu Gast, in Schwedens teuerster Wohngegend. Die Fassade strahlt Idylle aus, doch drinnen soll der Besitzer Nazi-Nippes, Dolche und Uniformen horten.

 Über den Millionär lernte Högström auch Marcin A. kennen, der für Wahlström Wohnungen renovierte. "Anders und er mochten sich", sagt die Freundin. Wahlström war bei Behördengängen behilflich - dem Polen etwa, wenn er eine Arbeitserlaubnis brauchte.

 Högström hat ausgesagt, dass er und A. im Auftrag Wahlströms den Diebstahl eingefädelt haben. War Wahlström also der eigentliche Planer des Diebstahls von Auschwitz, wollte er den Schriftzug "Arbeit macht frei" für seine Sammlung haben? Hat er die beiden sogar zu der Tat getrieben?

 Schwedische Medien haben viel darüber spekuliert, der Krakauer Staatsanwalt hat Wahlström von der Stockholmer Sicherheitspolizei verhören lassen. Haftbefehl wurde bisher aber nicht erlassen.

 Wahlström weist alle Vorwürfe zurück. Er meidet die Öffentlichkeit, ab und an schreibt er eigenartige E-Mails: Sein Anwesen werde von "KZ-Häftlingen in gestreiften Uniformen" belagert, heißt es da. Und: "Der Terror hört nie auf."

 Und Högström? In Stockholm hofft Sofie Lindgren seit neun Monaten auf die Rückkehr ihres Freundes. Sie glaubt noch immer nicht wirklich an seine Schuld. "Es gibt keine harten Beweise", sagt sie: "Er wurde enorm unter Druck gesetzt."

 Vermutlich suchen beide Angeklagte einen Deal mit der Staatsanwaltschaft, um den Prozess noch zu vermeiden.

 Nach dem Urteil wird Högström wieder in ein schwedisches Gefängnis verlegt - und Sofie Lindgren will weiter auf ihn warten. Das allerdings könnte dauern: Für die Tat drohen bis zu zehn Jahre Haft.

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MIGRATION CONTROL
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Radio Dreyeckland (Freiburg) 29.11.10

"Die EU finanziert ein Haftregime in Libyen wo es zu Misshandlungen, Folter und Todesfällen kommt" - Karl Kopp (ProAsyl) anlässlich des EU-Afrikagipfels

(ANMOD) Am 29. und 30. November findet in Libyen der EU-Afrikagipfel statt. Anlässlich dieses Gipfels sprachen wir mit Karl Kopp, dem Europareferenten der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Im Interview kritisiert er die Politik der EU scharf für die finanzielle Unterstützung Libyens bei der Bekämpfung der Einwanderung trotz vielfach dokumentierter und auch vom Europäischen Parlament im Juni anerkannter Menschenrechtsverletzungen in diesem Land, das nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hat. Karl Kopp sieht nun Handlungsbedarf von Seiten des Europäischen Parlaments um die derzeitige "schäbige Kooperation" zu beenden.
http://www.freie-radios.net/mp3/20101129-quotdieeu-37648.mp3

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ANTI-ATOM
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Bund 29.11.10

Bern beschliesst AKW-Ausstieg bis 2039

 Das Stadtberner Volk hat gestern in der Volksabstimmung den Gegenvorschlag zur Initiative "Energiewende Bern" mit über 60,6 Prozent Ja-Stimmen deutlich angenommen. Das stadteigene Werk Energie Wasser Bern (EWB) muss demnach bis im Jahr 2039 aus Beteiligungen an Atomkraftwerken aussteigen.

 Die Volksinitiative "Energiewende Bern", die einen Atomausstieg bis 2031 verlangte, wurde mit 51,2 Prozent Nein-Stimmen verworfen.

 Auch in der Stadt St. Gallen hat das Volk einen AKW-Ausstieg beschlossen. Es hat zudem einem Erdwärme-Kraftwerk klar zugestimmt.(st) — Seite 21

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Stadt will aus Atomstrom aussteigen

 Bis 2039 steigt das städtische Werk EWB aus der Atomenergie aus: Das Stadtberner Volk stimmt mit 60,6 Prozent Ja für den Gegenvorschlag, aber lehnt "Energiewende Bern" mit 51,2 Prozent Nein ab.

 Simon Thönen

 Energiedirektor Reto Nause (CVP) war gestern im Erlacherhof "hocherfreut" über das deutliche Ja zum gemeinderätlichen Gegenvorschlag zur grünen Volksinitiative "Energiewende Bern". Das Stadtberner Volk hat den Gegenvorschlag deutlich mit 60,6 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Die "Energiewende Bern" lehnte es mit 51,2 Prozent Nein-Stimmen relativ knapp ab.

 "Das Resultat ist ein klares Votum für Energieeffizienz und erneuerbare Energien", betonte Nause. Ab 2039 darf das stadteigene Werk Energie Wasser Bern (EWB) nur noch Strom aus erneuerbaren Energien produzieren, kaufen und verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt wird auch die letzte AKW-Beteiligung von EWB an Gösgen auslaufen. "Energiewende Bern" hatte dies bereits innerhalb von zwanzig Jahren, bis 2031, erreichen wollen. Der Gemeinderat und EWB hatten erfolgreich davor gewarnt, dass ein früheres Aufgeben der Beteiligung am abgeschriebenen AKW Gösgen die Stadt Bern insgesamt gut 350 Millionen Franken kosten könnte. Das Abstimmungsresultat ist für Nause deshalb in erster Linie ein "Vertrauensbeweis für die Investitionspolitik von EWB".

 Dies sah natürlich auch EWB so. "Wir wollen den Umstieg auf erneuerbare Energien sorgfältig vorbereiten und umsetzen", erklärte EWB-Chef Daniel Schafer in einer Medienmitteilung, "nun wissen wir, dass die Bernerinnen und Berner uns dabei unterstützen."

 EWB wird in den drei Jahrzehnten bis 2039 total rund 940 Millionen Franken in erneuerbare Energie investieren - und so den Atomausstieg umsetzen, der schon seit zehn Jahren in der Gemeindeordnung der Stadt verankert ist.

 Bern gliedert sich damit in die Reihe jener Städte ein, die via die eigenen Elektrizitätswerke aus dem Atomstrom aussteigen. So hat gestern auch die Stadt St. Gallen den Ausstieg beschlossen (siehe Text rechts unten), Zürich und Basel hatten dies bereits zuvor getan.

 Die CVP der Stadt Bern, die sich zusammen mit der BDP und wie der Gemeinderat für den Gegenvorschlag und gegen die Initiative "Energiewende Bern" engagiert hatte, bezeichnete sich in einer Medienmitteilung als "Siegerin". Die Stadtberner hätten sich gegen "linke Zwängerei", aber für "den geordneten Umstieg auf erneuerbare Energien" ausgesprochen.

 Initianten auch zufrieden

 Trotz der Ablehnung von "Energiewende Bern" zeigten sich auch die Initianten zufrieden. "Ich bin sehr erfreut, dass die Stadt Bern aus der Atomenergie aussteigt", sagte die grüne Grossrätin Natalie Imboden. Zwar sei die Volksinitiative gescheitert, doch habe erst sie den Gemeinderat und EWB dazu gebracht, einen konkreten Fahrplan für den Ausstieg festzulegen. Wie Energiedirektor Nause betonte sie, dass die Stadt Bern mit dem Termin 2039 immer noch rascher aus dem Atomstrom aussteigen werde als Zürich und St. Gallen. Imboden: "Für einmal sind wir bei den Schnellsten." Einzig Basel ist bereits frei von Atomstrom, weil es sich gar nie an AKW beteiligt hat.

 "Natürlich bin ich enttäuscht", sagte Bernhard Eicher, Fraktionschef der FDP im Stadtrat, im Namen des Komitees "2 x Nein zu Energiewende Bern und Gegenvorschlag". Der Volksentscheid "zieht eine unsichere Energiezukunft nach sich", verlautete das Komitee in einer Mitteilung. Immerhin habe das Volk mit dem Nein zu "Energiewende Bern", so Eicher, "auch links-grünen Träumereien eine gewisse Abfuhr erteilt".

 Signal für Mühleberg-Votum?

 Die spannendste Frage ist nun natürlich, ob und wie sich das Ja des Stadtberner Volkes zum Atomausstieg auf die kantonale Abstimmung über ein neues AKW in Mühleberg auswirkt, die bereits am 13. Februar stattfinden wird. "Das sind für mich zwei Paar Schuhe", sagte Eicher. Es sei einfacher, Ja zu einem Ausstieg in dreissig Jahren zu sagen als Nein zu einem neuen Kernkraftwerk. "Da sieht man konkreter, dass die Angestellten im Werk ihren Job verlieren könnten, wenn man gegen ein Kernkraftwerk stimmt."

 Im AKW-kritischen Lager sieht man dies anders. Sie blicke "sehr zuversichtlich" auf die kantonale Abstimmung, sagte Flavia Wasserfallen, Co-Präsidentin der SP der Stadt Bern. Gerade weil es nun um ein neues, viel grösseres AKW in Mühleberg gehe, wüssten die Berner, was auf dem Spiel stehe. "Da geht es dann wirklich ans Eingemachte." Das Grüne Bündnis sieht im klaren Ergebnis der Stadtabstimmung ein "deutliches Zeichen" für die Mühleberg-Abstimmung: "Die Kantonshauptstadt will den Ausstieg aus der Atomenergie."

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Kommentar

 Städtische Anti-AKW-Haltung ist nun glaubwürdig

Simon Thönen

 Bis 2039 wird die Stadt Bern aus der Atomenergie aussteigen - so haben es gestern die Stimmberechtigten mit einer deutlichen Mehrheit von über 60 Prozent beschlossen. Die Bedeutung des Entscheids liegt weniger im fernen Zeitpunkt des Ausstiegs, sondern darin, dass das städtische Werk Energie Wasser Bern (EWB) seine Investitionspolitik nun wie geplant umpolen kann: weg vom Atomstrom und hin zur Produktion erneuerbaren Stroms.

 Das deutliche Ja zum Gegenvorschlag und das knappe Nein zur Volksinitiative "Energiewende Bern" ist denn auch in erster Linie ein Vertrauensbeweis für EWB. Die EWB-Verantwortlichen haben glaubwürdig dargelegt, dass sie eine realistische Strategie für den Ausstieg haben, auch wenn deren Umsetzung in den nächsten drei Jahrzehnten noch nicht im Detail klar sein kann.

 Beim knappen Nein zur Initiative "Energiewende Bern" mit ihrem ehrgeizigeren Ausstiegsfahrplan dürfte die Erkenntnis wichtig gewesen sein, dass das AKW Gösgen nicht früher abgestellt wird, bloss weil EWB seine kleine Beteiligung an diesem AKW aufgibt. Auch etliche Sozialdemokraten bevorzugten deshalb aus finanziellen Gründen den Gegenvorschlag.

 Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung. Bereits am 13. Februar stimmt das Volk im Kanton Bern ab, ob in Mühleberg ein neues AKW gebaut werden soll. Der Kanton ist ein grösseres Spielfeld für den Kampf um die Atomenergie als die Stadt Bern. Und der Heimvorteil wird im Kanton auf der bürgerlichen Seite liegen. Dennoch ist das Spiel nicht gelaufen. Das Thema Atomkraft wurde in den letzten Wochen so intensiv diskutiert wie zuletzt wohl in den 1980er-Jahren.

 Der gestrige Ausstiegsentscheid der Stadt hat in dieser Auseinandersetzung vor allem deshalb Gewicht, weil die Stadt Bern die bedeutendste Nachbargemeinde des AKW-Standorts Mühleberg ist. Das Stadtberner Volk hat sich in der Vergangenheit mehrfach gegen AKW ausgesprochen - mit dem Ja zum konkreten Ausstieg wird diese Grundhaltung nun auch glaubwürdig. Wenn sich die Stimmberechtigten im Kanton in den kommenden Wochen ihre Meinung bilden, werden sie sich deshalb auch überlegen müssen, ob sie der eigenen Hauptstadt gegen deren Willen für weitere Jahrzehnte ein AKW vor die Stadttore setzen wollen.

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Atomausstieg

 St. Gallen will ebenfalls aussteigen

 Die Gallus-Stadt hat gestern den Atomausstieg bis 2050 und den Bau eines Erdwärme-Kraftwerks beschlossen.

 Die Stadt St. Gallen hat in einer Volksabstimmung gestern ebenfalls einen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Sie will sich dafür allerdings bis ins Jahr 2050 Zeit lassen, also deutlich länger als die Stadt Bern.

 Wie in Bern wurde in St. Gallen ein Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative deutlich mit 13 000 zu 8000 Stimmen angenommen. Und ebenso wurde in St. Gallen eine linksgrüne Initiative abgelehnt, die ein höheres Tempo für den Atomausstieg vorgab. Gemäss der Initiative der St. Galler SP hätte die Stadt bereits 2018 aus laufenden Atomstrom-Verträgen aussteigen müssen. Die Volksinitiative scheiterte in der Stadt St. Gallen mit 13 000 zu 9000 Stimmen allerdings sehr viel deutlicher als die Initiative "Energiewende Bern".

 Haushohes Ja zu Geothermie

 Gleichzeitig bekannte sich das Volk in St. Gallen aber klar zur Gewinnung von alternativen Energien: Es stimmte mit über 80 Prozent Ja einem 159-Millionen-Kredit für den Bau eines Erdwärme-Kraftwerks zu. Es soll dereinst über die Hälfte der städtischen Energieversorgung sicherstellen.

 Die Erdwärme-Vorlage ist der bisher grösste städtische Kredit in St. Gallen. 76 Millionen Franken kosten die Tiefenbohrungen und der Bau des Kraftwerks; für 83 Millionen wird das bestehende Fernwärme-Netz ausgebaut. Mittelfristig sollen bis zur Hälfte der Wohnhäuser mit Geothermie geheizt werden.

 Unter der Stadt St. Gallen wird in einer Tiefe von 4000 bis 5000 Metern heisses Wasser von bis zu 170 Grad erwartet. Seismische Messungen lieferten gute Vorzeichen.(ac/sda)

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BZ 29.11.10

Bern wird 2039 atomstromfrei

 Abstimmung Die Bernerinnen und Berner wollen den Atomausstieg. Aber sie befürworten eine gemächlichere Gangart: Während die links-grüne Energiewende-Initiative keine Mehrheit fand, sagten zum Gegenvorschlag des Gemeinderats 60 Prozent Ja.

 5:0 und 2:1 - kein Wunder, war der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) gestern Nachmittag hochzufrieden: Direkt vom YB-Sieg gegen Sion kommend, konnte er im Erlacherhof vor den Medien vom fünffachen politischen Erfolg des Gemeinderats berichten: Das Volk ist der Regierung in allen fünf städtischen Abstimmungsvorlagen gefolgt (vergleiche Artikel rechts). "Die gemeinderätliche Politik wurde allen Unkenrufen zum Trotz bestätigt", durfte Tschäppät vermelden.

 Die mit Abstand wichtigste Frage waren natürlich die Energiewende-Initiative und der Gegenvorschlag dazu. Ihm sei ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, sagte Energiedirektor Reto Nause (CVP): "Das Volk hat sich für den zahlbaren und machbaren goldenen Mittelweg entschieden." Tatsächlich lehnten die Stimmberechtigten die links-grüne Initiative ab. Diese hat den Atomausstieg innert 20 Jahren verlangt, was dem städtischen Energieversorger EWB laut Nause teuer zu stehen gekommen wäre. Das Volk folgte aber auch den Argumenten der Bürgerlichen nicht, die für ein doppeltes Nein und damit grundsätzlich gegen den Atomausstieg waren.

 Für Nauses Mittelweg, den Gegenvorschlag, hingegen konnten sich 60 Prozent der Stimmenden erwärmen. Dieser sieht den Atomausstieg innert 30 Jahren vor - "auch damit sind wir immer noch unter den Schnellsten".

 Ausstieg bereits begonnen

 Der Gegenvorschlag entspricht der Strategie von EWB. Zufrieden zeigte sich darum auch EWB-Chef Daniel Schafer: "Wir wollen den Umstieg auf erneuerbare Energien sorgfältig vorbereiten und umsetzen." Nun könne EWB den bereits begonnenen Umbau der Stromproduktion im eingeschlagenen Tempo fortführen.

 "Ängste waren unbegründet"

 Trotz dem Nein zur "Energiewende" zeigte sich das Initiativkomitee hochzufrieden: "Ohne unsere Initiative stünde die Stadt Bern heute nicht da, wo sie nun ist", sagte Natalie Imboden (GB) vom Initiativkomitee. Das Volk habe sich zum Atomausstieg äussern können - mit einem deutlichen Signal: "Die Angst vor einer Stromlücke und vor einer Verdoppelung des Strompreises war offenbar unbegründet."

 Mit diesen Argumenten hatten die Bürgerlichen gegen den Atomausstieg geworben. Man akzeptiere das Verdikt selbstverständlich, sagte FDP-Fraktionspräsident Bernhard Eicher. Die Bürgerlichen würden sich nun dafür einsetzen, dass möglichst viele Investitionen im Inland blieben und nicht an "obskure Projekte" im Ausland flössen.

 Adrian Zurbriggen

 Resultate: Energiewende-Initiative: 48,8 % Ja; 51,2 % Nein. Gegenvorschlag: 60,6 % Ja; 39,4 % Nein. Stichfrage: 44,1 % für die Initiative; 55,9 % für den Gegenvorschlag.

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20 Minuten 29.11.10

Stadt St. Gallen will den Atom-Ausstieg bis 2050

 ST. GALLEN. Das Aus für den Atomstrom: Das St. Galler Stimmvolk sagt Ja zum Gegenvorschlag. Ab 2050 soll nicht mehr Strom aus Atomkraft-werken genutzt werden.

 Mit 13 142 zu 9297 Stimmen ist gestern zwar die SP-Initiative "Stadt ohne Atomstrom" vor dem St. Galler Stimmvolk abgeblitzt - der Gegenvorschlag des Stadtparlaments wurde aber mit 58,6 Prozent Jastimmen klar angenommen. "Ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis", so Stadtrat Fredy Brunner. Das Ziel sei nun, im Rahmen des Energiekonzeptes bis 2050 "unter Wahrung der Versorgungssicherheit" den Anteil des Atomstroms auf null zu reduzieren. Bedauert wird dies vom überparteilichen Komitee 2xNein zum Atomstrom-Ausstieg: "Wir sind skeptisch, ob bis 2050 Atomstrom vollends durch andere Energien ersetzt werden kann", so Projektleiter Sven Bradke.

 Mit der gestrigen Annahme des 159-Millionen-Franken- Kredits für ein Erdwärme-Kraftwerk in St. Gallen ist die Stadt einem Atom-Ausstieg aber bereits näher gekommen. 82,9 Prozent der Stimmbürger sprachen sich für den Kredit aus. Damit sei ein grosser Schritt in der Entwicklung der städtischen Energiepolitik gemacht, so Brunner.

 Über eine ähnliche Vorlage entschied gestern auch das Stimmvolk der Stadt Bern. Dort wurde ebenfalls ein Gegenvorschlag zur Initiative angenommen. Dieser sieht den Atom-Ausstieg bis ins Jahr 2039 vor. 

Tobias Bolzern

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Schweizer Illustrierte 29.11.10

AKW

 "Ein Kernkraftwerk? Ja, gern!"

 Text  LUKAS EGLI  Fotos HERVÉ LE CUNFF

 Wer will schon EIN AKW IN SEINEM DORF? Mühleberg BE will! Döttingen AG will! Und Däniken SO will! Zu Besuch bei drei Gemeindepräsidenten, die miteinander um die neuen Kernkraftwerke rangeln.

 Mühleberg - das ist eine schöne, ländliche Gemeinde im Osten von Bern: 30 Dörfer und Weiler, viel Wald, 70 Bauernhöfe, 2700 Einwohner. Die Bundesstadt ist keine Viertelstunde entfernt, der Steuerfuss tief, in der Nacht herrscht Stille. Mühleberg ist ein kleines Paradies. Wenn nur das AKW nicht wäre.

 1972 ging das Kernkraftwerk Mühleberg unterhalb des Wohlensees in Betrieb. Es war ein Bote einer hoffnungsvollen energietechnischen Zukunft, gekleidet in einen massiven Mantel aus Beton und Stahl. Vierzig Jahre später steht die Kernenergie in Bern am Scheideweg. Im Februar stimmt der Kanton darüber ab, ob das bestehende Kraftwerk durch ein neues ersetzt werden soll. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat hat entschieden, dass für den Bau neuer Kernkraftwerke drei Standorte infrage kämen: Beznau AG, Gösgen SO und Mühleberg BE. Die politischen Mehrheiten in Bern lassen erwarten, dass sich der Kanton bald von der Kernenergie verabschiedet.

 Nicht, wenn es nach dem Willen der Mühleberger geht!

 Die hübsche Gemeinde zwischen Saane und Aare will die Atomkraft. "Wir leben seit 38 Jahren mit dem Kraftwerk", sagt Kurt Herren, Gemeindepräsident von Mühleberg, "wir hatten nie Probleme."

 Kurt Herren, 66, war 30 Jahre Swissair-Pilot. 1988 zog er in seine Heimatgemeinde zurück. Er habe das Fliegen gelernt, ohne einen Rappen zu bezahlen, erzählt er im modernen Gemeindehaus, einem Verwaltungsbau aus den 1990er-Jahren. Als man ihn nach seiner Pensionierung 2002 fragte, ob er Gemeinderat werden wolle, fand er, dass er der Gesellschaft etwas zurückgeben könne. Seit 2004 ist Herren Gemeindepräsident. Und SVP-Mitglied. Ohne Überzeugung, wie er betont. "Ich bin kein Parteigänger." Auf Gemeindeebene stehe die Parteizugehörigkeit nicht im Vordergrund.

 Kurt Herren fährt einen Toyota Prius, lässt an seinem Haus eine Erdsonde bauen und sagt Sätze wie: "Die beste Energie ist jene, die wir nicht brauchen." Dennoch sei unbestritten, so Herren, dass die Schweiz ein, zwei neue Grosskraftwerke brauche. Der Bundesrat setzt zwar auf die Förderung der erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz, betont aber auch die Notwendigkeit neuer Kernkraftwerke. Geht es nach Herren, wird eines in Mühleberg stehen.

 Dabei macht ein AKW das Dorfleben nicht einfacher: Seit 2000 beteiligt die BKW die Standortgemeinden von Kraftwerken an ihrem Gewinn; davor bezahlte der halbstaatliche Berner Energiekonzern nur Liegenschaftssteuer. Seit 2000 bestreitet die BKW in Mühleberg rund einen Drittel des Mühleberger Gemeindehaushalts von 6,5 Millionen Franken - in guten Jahren. Erzielt der Stromgigant keinen Gewinn, geht die Gemeinde leer aus. Eine pauschale Standortabgeltung gibt es nicht. "Das macht die Budgetplanung sehr schwierig", sagt Herren.

 Niemand will ein AKW in seinem Dorf.

 Würde man meinen. Doch Mühleberg ist keine Ausnahme. Auch für die Gemeinde Döttingen, in der die ältesten Schweizer Kernkraftwerke stehen, Beznau I und II, ist klar: Das Ersatzkraftwerk gehört auf Döttinger Boden! "Die ganze Region steht dahinter", sagt Gemeindeammann Peter Hirt. "Gegner habe ich noch keine gefunden."

 Döttingen ist eine mittelgrosse, malerische Gemeinde im unteren Aaretal, dort, wo die Aare in den Rhein fliesst. Auf gut einem Drittel der Gemeindefläche wird Wein angebaut - Blauburgunder, Garanoir und Pinot Gris. Atomkraft und Agrarwirtschaft scheinen gut zusammenzugehen. Wie Kurt Herren sieht sich auch Peter Hirt nicht als Politiker: "Für mich steht das Gemeindewohl zuoberst", sagt der Parteilose. Er trägt dunkle Jeans und eine dunkle Windjacke. Peter Hirt, früher Heizungsund Sanitärmonteur, ist kein Strahlemann. "Meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass es uns gut geht", sagt er. Dazu gehört hier auch die Kernenergie.

 Döttingen hat gute Arbeitsplätze.

 Ist schuldenfrei. Ist die steuergünstigste Gemeinde im Kanton. Der Anteil der Gewinne aus der Kernenergie am Gemeindehaushalt beläuft sich auf stolze 8 Mio. Franken - von insgesamt 13 Mio. Doch wie Mühleberg hat auch Döttingen Mühe, neue Einwohner anzuziehen. Wer mit dem AKW aufgewachsen ist, stört sich nicht daran. Fremde indes schrecken die Reaktoren ab.

 Auch im solothurnischen Gösgen will man die Atomkraft nicht mehr missen.

 Und dies obwohl das Ersatzkraftwerk in der Nachbargemeinde Gretzenbach gebaut würde. "Ich habe lieber das Kernkraftwerk hier bei mir in Däniken, wo ich die Anlage kenne, als weit weg in Frankreich", sagt Gemeindepräsident Gery Meier, 55. "Diese Nähe gibt mir ein Gefühl von Sicherheit."

 Die Zahlen gleichen sich: Auch Däniken hat 2700 Einwohnern, beste Infrastruktur, gesunde Gemeindefinanzen. In allen Abstimmungen über die Kernenergie habe seine Gemeinde mit 80 Prozent zugunsten der Kernenergie gestimmt, sagt der FDP-Politiker, der eine kleine Marketingagentur betreibt. "Unseren Wohlstand haben wir weitgehend dem Kernkraftwerk zu verdanken", sagt er unverblümt. Gery Meiers Dorf geht es so gut, dass es Steuereinnahmen und Abgaben des KKW freiwillig teilt: Ein Drittel der rund 4 Millionen Franken jährlich fliesst in die Kassen von neun Nachbargemeinden.

 Meier ist sicher: Von den drei AKWProjekten hat "seines" die besten Chancen. "Gösgen ist für den Strom, was Olten für die Bahn ist: das Zentrum", sagt der Kommunikationsfachmann. "Zudem ist bei uns genug Platz vorhanden", sagt er. Meier kann mit viel Unterstützung rechnen: Die KKW-Betreiberin Alpiq ist auch für Solothurn der beste Steuerzahler.

 "Ich gehe davon aus, dass mindestens zwei neue Kernkraftwerke gebaut werden", kontert Peter Hirt aus Döttingen. "Eines wird bei uns stehen!" Kurt Herren wiederum argumentiert: "Die anderen beiden Kraftwerke stehen zu nah beieinander." Bern sei schon immer ein wichtiger Brückenkanton in die Westschweiz gewesen.

 Wie Tourismusdirektoren preisen die Kommunalpolitiker die Vorzüge ihrer Gemeinden, spielen ihre Standorttrümpfe aus. Es ist ein Poker, bei dem der Berner die schlechtesten Karten hat: Die rot-grüne Kantonsregierung ist gegen die Kernenergie und hat nie das Gespräch mit Mühleberg gesucht. "Ich finde das schade", sagt Herren. Man könne in der Kernkraftfrage zweifellos anderer Meinung sein. "Aber die Regierung sollte den ganzen Kanton vertreten."

 Der Regierungsrat bringt die BKW, die zu 52 Prozent dem Kanton gehört und Mühleberg II zügig vorantreiben möchte, in eine verzwickte Lage. Bereits mahnte er den Stromproduzenten, nicht so offensiv in den Abstimmungskampf einzugreifen.

 Patrick Miazza, Leiter des Kernkraftwerks Mühleberg, zeigt sich unbeirrt. "Im Hinblick auf die drohende Stromlücke ist es dringend notwendig, dass die Schweiz einen energiepolitischen Konsens findet", sagt er. Was das für ihn heisst, ist klar: Mühleberg II muss kommen! "Dem Umstand, dass die Schweizer Bevölkerung jährlich um 100 000 Menschen wächst, hat noch kaum jemand Rechnung getragen."

 Stolz zeigt Miazza "seine" Anlage.

 Seit Inbetriebnahme versorgt sie rund eine halbe Million Menschen mit Strom. Dafür werden jährlich 36 Brennelemente, rund 7 Tonnen kraftwerkfähiges Uran, benötigt. Der Betriebsabfall entspricht einem Joghurtbecher pro Haushalt und Jahr. "Der Entsorgungsnachweis ist erbracht", sagt er. "Der Bundesrat hat das 2006 bestätigt."

 Er selbst ist in einer Kernkraft-kritischen Umgebung aufgewachsen und hat bei einem Professor studiert, der schon in den 1980er-Jahren auf den Zusammenhang von CO2 und Klimaerwärmung aufmerksam gemacht habe. Es sind Leute wie Patrick Miazza, die unter anderem für die hohe Akzeptanz des Kraftwerks in der Region sorgen. "Opposition?", fragt Herren. "Gibt es hier nicht!"

 Widerstand erwächst dem neuen Kraftwerksprojekt erst jenseits der Gemeindegrenze. In Frauenkappelen etwa. "Man kann sich seine Nachbarn nicht aussuchen", sagt Christian Minder, Wortführer der IG Salzweid. Der Bauer lebt an der Grenze zwischen Frauenkappelen und Mühleberg. Dort bewirtschaftet er ein Feld - die Salzweid eben. "Top Ackerland", sagt Minder. "Nur leider auch gut erschlossen."

 Hier soll dereinst ein Infrastrukturplatz für die Grossbaustelle Mühleberg II errichtet werden. Neun, zehn Jahre lang würden hier tagein, tagaus Lastwagen an- und abfahren. "Wenn das Kraftwerk kommt, werden wir überrollt", sagt Minder. "Dieser Mist ist geführt."

 Je weiter weg vom AKW die Leute, desto grösser die Opposition, ist Kurt Herren überzeugt. "Sie wissen halt auch weniger darüber", meint der Gemeindepräsident. Wer, ausser die Mühleberger, geht denn auf dem Energiepfad, den die BKW eingerichtet hat, spazieren?

 "Wenn ich denke, wie sich die Leute jeweils ärgern, wenn einmal eine halbe Stunde kein Pfuus aus der Dose kommt …", sagt Kurt Herren und verdreht die Augen. Er sieht sein Engagement zugunsten des Kernkraftwerks auch als Dienst an der Gemeinschaft.

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 MÜHLEBERG BE

 In Betrieb seit 1972 Laufzeit ca. 50 Jahre Leistung 373 MW (versorgt ca. 500 000 Haushalte) Personal 350 Mitarbeiter Leistung des geplanten Ersatzkraftwerks 1100 bis 1600 MW (rund viermal mehr als bisher)

 GÖSGEN SO

 In Betrieb seit 1979 Laufzeit ca. 60 Jahre Leistung 1020 MW (versorgt ca. 1,2 Millionen Haushalte) Personal 400 Mitarbeiter Leistung des geplanten Ersatzkraftwerks 1100 bis 1600 MW (bis eineinhalb Mal mehr als bisher)

 BEZNAU I & II AG

 In Betrieb seit 1969, 1971 Laufzeit ca. 50 Jahre Leistung 730 MW (versorgt ca. 1 Million Haushalte) Personal 350 Mitarbeiter Leistung des geplanten Ersatzkraftwerks 1200 bis 1600 MW (gut doppelt so viel wie bisher)

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 "STROMIMPORT IST BESSER ALS EIN NEUES AKW!"

 Energiekonzerne warnen, dass es zu einer "Stromlücke" kommt, wenn die bestehenden AKW vom Netz müssen. Wie wollen Sie die Versorgungssicherheit gewährleisten?

 Die Stromlücke ist eine leere Drohung der Stromkonzerne. Die Schweiz muss auf den Megatrend erneuerbare Energien und Energieeffizienz aufspringen. Das Bundesamt für Energie zeigt in seinen Energieperspektiven, dass so die Versorgungssicherheit besser gewährleistet ist als mit neuen AKW. 1990 hatten wir weltweit am meisten Fotovoltaikanlagen, heute hat uns Europa längst überholt.

 Aber aus Fotovoltaikanlagen kommt keine Bandenergie wie aus Kernkraftwerken.

 Das Konzept der Bandenergie ist überholt. Nur noch die Stromwirtschaft redet davon, weil ihr die Grosskraftwerke viel Marktmacht verleihen. Künftig wird unser Kraftwerkpark aus dezentralen Windparks, Fotovoltaik- und Biogasanlagen und Geothermiekraftwerken bestehen. Sie werden das Band legen.

 Die SBB ist auf immense Mengen Bandenergie angewiesen. Was sagt der SBB-Chef, wenn Sie ihm Ihre Idee skizzieren?

 Er sagt: "Spannend! Aber vielleicht sind wir noch nicht ganz so weit." Ich bin überzeugt, dass wir in 30 Jahren dort sein werden. Auch die SBB wissen, dass Uran endlich ist und die Atomenergie teurer wird, während die Erneuerbaren jedes Jahr billiger werden.

 Mittelfristig bedeutet das, dass die Schweiz deutschen Gas- und Kohlestrom importieren muss.

 Das tut sie heute schon in rauen Mengen. In Zukunft soll sie Wind- und Sonnenstrom importieren. Stromimport ist immer noch besser, als sich weitere 80 Jahre auf Atomkraft festzulegen. Neue AKW sind ein Klumpenrisiko.

 Die CO2-Bilanz von Kohle- und Gasstrom ist nicht eben vorteilhaft.

 Man darf Klimaproblem und Atomkraftrisiken nicht gegeneinander ausspielen. Wir müssen beide Probleme gleichzeitig lösen. Was nützt uns ein stabiles Klima, wenn die Atmosphäre verstrahlt ist?

 Müsste das Gebot der Stunde nicht heissen: Das eine tun, das andere nicht lassen?

 Nein. Sie können das Geld nur einmal ausgeben. Entweder Sie investieren 30 Milliarden in neue AKW, Hochspannungsleitungen und Pumpspeicherwerke. Oder Sie stecken sie in die Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Zudem haben nicht regulierbare Grosskraftwerke in einem Anlagenpark von erneuerbaren Energien nichts mehr verloren.

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 STROMFAKTEN

 Strommix
 Schweizer Strom stammt heute zu 55 Prozent aus Wasserkraft, zu 40 Prozent aus Kernkraft, zu 5 Prozent aus fossilen Brennstoffen. Erneuerbare Energien machen rund 0,6 Prozent aus.

 Zunahme
 Der Stromverbrauch in der Schweiz hat sich seit 1950 mehr als versechsfacht. Seit 1990 ist er um über 20 Prozent angestiegen.

 Rekord
 2008 erreichte der Stromverbrauch mit 59 Milliarden Kilowattstunden einen neuen Rekordwert.

 Stromlücke
 Die Kernkraftwerke Mühleberg und Beznau I und II müssen altershalber bald vom Netz. Die Energiekonzerne warnen, dass dadurch eine Versorgungslücke entstehen könnte.

 2013
 Das Schweizer Stimmvolk wird voraussichtlich in zwei Jahren über den Bau neuer Kernkraftwerke abstimmen.

 2025
 Ein neues AKW wird frühestens in fünfzehn Jahren ans Netz gehen.

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Aargauer Zeitung 29.11.10

"Dieser Standort ist nicht geeignet"

 "Lägern ohne Tiefenlager" "Wir sind ein wenig das Gewissen der Nagra"

lukas bertschi

 Der Verein Lägern ohne Tiefenlager (Loti), beurteilt im Gegensatz zur eidgenössischen nuklearen Sicherheitsbehörde (Ensi) den Standort Nördlich Lägern als "nicht geeignet". Problematisch seien neben der Sicherheit für Mensch und Umwelt die mangelnde Vergleichbarkeit zwischen den Standorten sowie die Auswirkungen auf die Gesellschaft in der Region.

 "Es braucht mehr Zeit"

 "Es wird zu schnell geschossen, es braucht mehr Zeit", so Astrid Andermatt, Co-Präsidentin des Vereins Loti und Grossrätin des Kantons Aargau. Heute gebe es noch keinen vergleichbaren Wissensstand über die drei vorgeschlagenen Gebiete. "Zurzeit ist es bei den Standorten ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen", sagt Andermatt. Im Gebiet Nördlich Lägern seien noch Bohrungen nötig, da dieses Gebiet tektonisch instabil sei und starke Verformungen und Zergliederungen aufweise.

 Des Weiteren fordert Loti, dass die Auswirkungen auf die Gesellschaft in der Region untersucht werden. Zum Beispiel wären der Gesundheitsbereich in Bad Zurzach sowie der Tourismus im grenznahen Schwarzwald sensible Sektoren. "Wer will sich noch im Thermalbad entspannen, wenn direkt nebenan Atommüll vergraben ist?", fragt Andermatt. Die Region sei schon jetzt stark durch die Atomkraftwerke belastet.

 Loti will Mitspracherecht

 "Man spricht oft von einer Scheinpartizipation", so die Grossrätin. Es sei aber wichtig, dass der Verein bei den Gesprächen mitwirken könne. Insbesondere sei ein Mitspracherecht bei der Vergebung von Aufträgen für "neutrale" Studien unerlässlich. "Wir sind ein wenig das Gewissen der Nagra", so Andermatt. Dafür sei es notwendig, unabhängige Expertisen zu erhalten und dass die Wissenschaft ihre Interessenvertretungen klar deklariert. Dem Verein Loti ist es ein Anliegen, dass, wenn es schon ein Tiefenlager geben muss, es zumindest am sichersten Ort erstellt wird.

 Aus der vor einem halben Jahr gegründeten Gruppe solle eine breite Bewegung entstehen. "Man muss nicht gegen Kernkraft sein, um im Verein mitzumachen", so Andermatt. Das Ziel von Loti ist ein überparteiliches Komitee, das über die Debatte informiert und das Unbehagen in der Bevölkerung in konkrete Forderungen umsetzt. "Nur auf Widerstand aus der Bevölkerung reagiert die Politik", sagt Loti-Vorstandsmitglied Ambros Ehrensperger.

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 Endlager für Atommüll

 In den kommenden Jahren soll geklärt werden, in welchen Regionen Lager für die atomaren Abfälle gebaut werden. Die nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hält die Standortgebiete Zürich Nord-Ost, Nördlich Lägern und Bözberg für geeignet. Mit dem Wirtsgestein Opalinuston würde sich der Boden durch eine einfache und stabile geologische Situation auszeichnen. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) hat den Standorten aus Sicht der Sicherheit und der technischen Machbarkeit zugestimmt. Die Genossenschafter der Nagra sind die Besitzer der Kernkraftwerke und die Schweizerische Eidgenossenschaft. (lb)

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Sonntag 28.11.10

Auch Gösgen kauft Uran aus Majak

 Wie die beiden AKW in Gösgen und Mühleberg zu ihrem atomaren Brennstoff kommen

Von Andreas Toggweiler

 Auch das Kernkraftwerk Gösgen bezieht über seinen Lieferanten Areva Kernbrennstäbe, die teilweise Material aus der umstrittenen russischen Atomfabrik Majak enthalten. Das AKW Mühleberg verwende Natururan, heisst es dagegen zum bernischen Meiler.

 Als die Stromfirma Axpo behauptete, ihre Atomkraftwerke hätten eine CO-Bilanz fast wie Wasserkraftwerke, schaute die Umweltorganisation Greenpeace genauer hin und fand "Dinge, die uns möglicherweise nicht gefallen", wie ein Axpo-Vertreter vorletzte Woche einräumen musste. Dieser kündete sogleich einen eigenen Augenschein des Schweizer Konzerns in der russischen Fabrik an. Unbestritten ist, dass dort in den 1950er-Jahren die Umwelt auf beispiellose Art mit Strahlung verseucht wurde, insbesondere bei einem Unfall im Jahr 1957. Offen ist, wie gut dort die heutigen Umweltstandards eingehalten werden. Der russische Atomkonzern Rosatom gibt sich diesbezüglich zugeknöpft. Die französische Atomfirma Areva, die die Axpo mit Brennstäben beliefert, ist auch die (heute einzige) Lieferantin der Brennstäbe für das Kernkraftwerk Gösgen, wie Unternehmenssprecher Bruno Elmiger auf Anfrage sagt. Gösgen habe zwar von der Areva zertifizierte Lieferanten für das Uran verlangt. Diese Zertifizierung sei mit dem russischen Lieferanten Elektrostal auch erbracht, sagt Elmiger. "Die Unterlieferanten der Lieferanten wurden uns jedoch verschwiegen." Und so kommt es, dass ein Teil des Urans laut Greenpeace-Recherchen auch hier in Majak verarbeitet wird.

 Oft ist der Weg des rezyklierten Kernbrennstoffs kompliziert. In Wiederaufbereitungsanlagen wie Sellafield (England) wird wiederverwertbares Material aus den Brennstäben isoliert, nach Russland geschickt und dort mit Material aus russischen Reaktoren (AKW oder Antrieben von U-Booten) vermischt und auf den für zivile Nutzungen nötigen Anreicherungsgrad von 5% gebracht. Ein Teil dieses Prozesses findet in Majak statt. Nicht verwendet werde dafür hochangereichertes Uran aus der Abrüstung. "Dies ist eine Sache zwischen den USA und Russland", erklärt der KKG-Sprecher, der aber auch einräumt, dass im Zusammenhang mit der Beschaffung von Kernbrennstoff in der Vergangenheit vor allem Fragen der Non-Proliferation im Zentrum gestanden seien. Will heissen: Alle interessierten sich für die Verwendung des Urans und dass es nicht in falsche Hände gerät, nicht aber für dessen Herkunft.

 Für Elmiger ist klar, dass von der Schweiz her vor allem der Druck auf den Endverkäufer Areva ausgeübt werden muss, der seinerseits bei seinen Lieferanten für Ordnung zu sorgen hat. Lieferungen aus Russland, insbesondere Majak, ganz zu boykottieren, sei zwiespältig. "Majak ist heute ein Komplex aus Anlagen mit modernem Standard und heruntergekommenen Apparaturen, ja sogar Altlasten." Im Sinne einer Sanierung sei es womöglich besser, mit den Russen im Geschäft zu bleiben. "Allerdings klar verbunden mit den Auflagen, dass die Gewinne für die Sanierung der Altlasten eingesetzt werden."

 Ähnlich äusserte sich Bruno Pellaud, ehemaliger Mitarbeiter der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), im Rahmen eines Hintergrundgesprächs des Kernkraftwerks Mühleberg, das über sein "Brennstoffmanagement" orientierte. Dabei konnte man sich als Saubermann in Szene setzen. Zwar hat es vor neun Jahren einmal eine Lieferung gegeben, deren Spuren nach Majak zurückverfolgt werden konnten. Die BKW beziehe ihr Uran aber inzwischen aus der westlichen Hemisphäre, sagt BKW-Sprecher Antonio Sommavilla auf Anfrage. Zurzeit werde im Mühleberg-Reaktor Natururan aus einer australischen Mine verwendet. Das Uran kommt auch hier von Areva, die Brennstäbe werden vom US-Konzern GE (General Electric), dem Erbauer des Mühleberg-Reaktors, produziert.

 Die BKW betont, dass sie im Gegensatz zu Axpo und Alpiq (KKW Gösgen) kein wieder angereichertes Uran und auch kein Mischoxid verwende. Die BKW setze bei der Auswahl ihrer Geschäftspartner auf international anerkannte Unternehmen mit hohen sozialen und ökologischen Standards. Dazu meint Antonio Sommavilla: "Wir wissen viel, aber nicht ganz alles." In diesem Sinne plädiere die BKW auch für die Weiterentwicklung von Zerti-fizierungsstandards. Der Einfluss der BKW sei aber als kleiner Player beschränkt.

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Sonntagszeitung 28.11.10

Atommüll unter Beschuss

 In Belgien planen Forscher eine Anlage, die hoch radioaktiven Abfall entschärft

 Von Joachim Laukenmann

 Alchemisten hätten ihre helle Freude daran. In der belgischen Stadt Mol planen Forscher den Bau einer Anlage, die chemische Elemente in andere chemische Elemente verwandeln kann. Nur geht es nicht um die Transmutation von billigem Metall in teures Gold, woran sich Alchemisten vergebens die Zähne ausgebissen hatten. Vielmehr wollen Forscher den hoch radioaktiven Abfall aus Atomkraftwerken in vergleichsweise harmlose Substanzen transformieren - und dabei erst noch Strom erzeugen. Sie planen quasi eine Kehrichtverbrennungsanlage für Atommüll.

 Myrrha (Multi-purpose Hybrid Research Reactor for Hightech Applications) wurde die 1,3 Milliarden Franken teure Anlage getauft. Sie soll demonstrieren, dass moderne Alchemisten das Atommüll-Problem lösen können: "Die Menge an Atommüll aus Kernkraftwerken liesse sich mittels Transmutation um einen Faktor 100 reduzieren", sagt Hamid Aït Abderrahim vom belgischen Studienzentrum für Kernenergie (SCK-CEN), auf dessen Gelände Myrrha gebaut werden soll. Und dieser Rest müsste nicht für die halbe Ewigkeit von rund 500 000 Jahren sicher gelagert werden, sondern nur für überschaubare 500 Jahre - ein Faktor 1000 kürzer. Gelingen soll das Kunststück dank der Kombination eines Teilchenbeschleunigers mit einem neuartigen Atomreaktor.

 Über die Transmutation von Atommüll wird zwar schon seit vielen Jahrzehnten nachgedacht. So propagierte der Physik-Nobelpreisträger Carlo Rubbia vor rund 15 Jahren mit dem Rubbiatron ein ähnliches Konzept, das dann aber im Sande verlief. "Durch die öffentliche Debatte und den Fortschritt der Technik ist es nun geboten, eine Alternative zum heutigen Konzept der Endlagerung ins Auge zu fassen", sagt Joachim Knebel vom Karlsruher Institut für Technologie, der an einer von der OECD in Auftrag gegebenen, unabhängigen Evaluation von Myrrha beteiligt war.

 Die Transmutation erfolgt in zwei Schritten. In einer ersten Etappe werden langlebige Spaltprodukte wie Jod und Technetium und Transurane wie Plutonium und Americium ähnlich wie bei der heutigen Wiederaufbereitung aus den verbrauchten Brennelementen herausgelöst. Nach dieser Partition werden die Substanzen zu neuen Brennelementen für den Transmutationsreaktor verarbeitet. Der Anteil Atommüll im neuen Brennelement kann bis zu 50 Prozent betragen.

 In einem zweiten Schritt wird dieser Brennstoff im Reaktor durch Neutronenbeschuss gezielt in harmlosere Substanzen umgewandelt. Das radioaktive Jod 129 mit einer Halbwertszeit von 15,7 Millionen Jahren geht zum Beispiel durch den Einfang eines Neutrons über in Jod 130, das rasch in das stabile Edelgas Xenon 130 zerfällt. Bei der Spaltung von Transuranen wie Plutonium und Americium wird Energie frei. Rund fünf Prozent des erzeugten Stroms schluckt der Betrieb des Beschleunigers, der Rest geht ins Netz.

 Paul-Scherrer-Institut spielt eine wichtige Vorreiterrolle

 "Die Partition und Transmutation reduziert aber nicht nur die Radiotoxizität des Abfalls, sondern ermöglicht es gleichzeitig, den gesamten Energieinhalt des Spaltmaterials auszubeuten", sagt Aït Abderrahim. "Mit heutiger Technologie reichen die Uranreserven nur für ein bis zwei Jahrhunderte. Mit Transmutation würden sie für Jahrtausende reichen."

 Ein weiterer Vorteil des Konzepts ist die Sicherheit: Der mit den Müll-Brennstäben gefüllte Reaktor kann von selbst keine Kettenreaktion in Gang bringen. Es fehlt an Neutronen, die es für die Spaltung der Atomkerne braucht. Daher wird dieser Reaktortyp als "unterkritisch" bezeichnet. Ein Unfall, wie er sich in Tschernobyl ereignet hat, ist prinzipiell ausgeschlossen.

 Damit die Kettenreaktion für die Energiegewinnung in Gang kommt, müssen im Reaktorkern zusätzliche Neutronen erzeugt werden. Dies geschieht mithilfe des Beschleunigers. Dieser schiesst Protonen auf einen mit flüssigem Blei-Wismut gefüllten Behälter im Reaktorkern, das sogenannte Spallationstarget. Dabei verdampft eine grosse Menge an Neutronen aus dem Target und setzt die atomare Kettenreaktion in Gang. Wird der Beschleuniger abgestellt, bricht die Kettenreaktion ab.

 Am Paul-Scherrer-Institut (PSI) in Villigen AG wurde im Jahr 2006 mit dem weltweit leistungsfähigsten Protonenbeschleuniger ein wichtiger Teilerfolg erzielt. "Wir wollten zeigen, dass man ein solches Target aus flüssigem Blei-Wismut für die Transmutation nutzen kann", sagt Kurt Clausen, Leiter des Bereichs "Forschung mit Neutronen und Myonen" am PSI.

 Die Entwicklung des Beschleunigers stellt eine der grössten technologischen Hürden dar. Heutige Beschleuniger fallen regelmässig aus. "Für die Transmutation muss er so ausfallsicher sein, dass er im Grunde ein ganzes Jahr kontinuierlich läuft", sagt Knebel. Denn bei einem Ausfall würde der Reaktorkern wegen der raschen Abkühlung enormen thermischen Spannungen ausgesetzt. Auch die Herstellung der Transmutations-Brennstäbe stellt eine grosse Herausforderung dar. Die Transurane wie Americium müssen mit einer Reinheit von 99,9 Prozent aus dem Atommüll separiert werden. "Im Labor funktioniert das", sagt Knebel. "Das muss aber noch in den industriellen Massstab überführt werden."

 Weltweit einzigartiges Projekt, was radioaktiven Müll angeht

 Der grösste Nachteil der Partition und Transmutation sind die hohen Kosten. "Mehrere Studien deuten an, dass der ganze Brennstoffzyklus 20 Prozent teurer wird als bei einem herkömmlichen Atomkraftwerk", sagt Knebel. Auch ist der ganze Prozess enorm komplex - noch sind nicht alle technologischen Probleme gelöst. "So eine Anlage zu bauen und zu betreiben, ist gigantisch", sagt PSI-Forscher Clausen. "Nur Länder mit einer aktiven Nuklearindustrie und Fabriken zur Aufbereitung des Atommülls könnten solche Anlagen betreiben."

 Das Hauptziel von Myrrha ist es, die Komponenten des Reaktors - Beschleuniger, Spallationstarget und Reaktorkern - zu kombinieren, allerdings noch ohne den echten Brennstoff aus Atommüll einzusetzen. "Dieser dürfte erst um das Jahr 2030 zur Verfügung stehen", sagt Knebel.

 Im März 2010 beschloss die belgische Regierung, 40 Prozent der Kosten von Myrrha zu tragen. Den Rest sollen die Projektpartner beisteuern. 2016, so der Plan, beginnt die dreijährige Bauphase. Nach mehrjährigen Tests könnte die Anlage um 2023 mit dem regulären Experimentierbetrieb starten.

 Der unabhängige OECD-Expertenbericht sieht in Myrrha ein weltweit einzigartiges Projekt, das eine bedeutende Rolle für das Management des radioaktiven Mülls spielen könne. Aber "Myr-rha ist so innovativ", heisst es in dem Bericht, dass punkto Planung und Finanzierung "substanzielle Risiken bleiben." Auch moderne Alchemisten haben offenbar ein schweres Los.

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 So funktioniert der Transmutationsreaktor

 Der Beschleuniger schiesst einen Protonenstrahl auf ein mit flüssigem Blei-Wismut gefülltes Gefäss, das Spallationstarget . Dort werden Neutronen erzeugt, mit deren Hilfe die Kettenreaktion im Reaktor in Gang kommt. Dabei wird der in den Brennstäben vorhandene Atommüll unter Energiegewinn in kurzlebige und weniger giftige Substanzen transmutiert.

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Sonntag 28.11.10

Keine Lust, das "Nuclear Valley" der Schweiz zu werden

 Die Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) will nicht primär für oder gegen ein neues Kernkraftwerk Stellung nehmen. Aber sie ist klar gegen ein Endlager im Niederamt. Das betont der frühere Gretzenbacher Gemeindepräsident Hanspeter Jeseneg im Interview.

 Hanspeter Jeseneg ist Energieverantwortlicher im Gemeindepräsidentenverband Niederamt (GPN) und Präsident der Plattform Jura-Südfuss (PJS). Damit laufen bei ihm die Diskussionsfäden rund um eine neues Kernkraftwerk und ein Endlager im Niederamt zusammen.

 Von Beat Wyttenbach

 Herr Jeseneg, das Niederamt steht zur Diskussion als Standort für ein Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle. Die Plattform Jura-Südfuss (PJS) nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Wie setzt sie sich zusammen?

 Die PJS, 2009 gegründet, setzt sich zusammen aus meiner Wenigkeit als Präsident. Weiter gehören ihr an: Hans Fehlmann (Gemeindeammann Gränichen), Beat Rüetschi (Gemeindeammann Suhr), Kurt Henzmann (Gemeindepräsident Niedergösgen), Heinz Rütter (Moderator) und Geschäftsstellenleiter Hans Beer, Gretzenbach. Als Berater haben wir zudem den Geologen Mark Eberhard hinzugezogen. Zum erweiterten Kreis gehören ferner Leonhard Zwiauer als Vertreter des Kantons Aargau, Rolf Glünkin als Vertreter des Kantons Solothurn sowie Repräsentanten des Bundesamts für Energie (BfE).

 Welches ist die Rolle der PJS?

 Die PJS als "Startteam" bildet den Anfang für die Partizipation der Region an einem Endlager. Sie existiert nur, bis ihr Zweck, der Aufbau der Partizipation, erfüllt ist, also bis etwa Mitte oder Ende des kommenden Jahres. Danach koordiniert sie die Partizipation. Der Perimeter des Standortgebietes Jura-Südfuss umfasst nicht nur die Gemeindepräsidentenkonferenz Niederamt (GPN) und den Planungsverband Region Aarau (PRA), sondern auch den Regionalverein Olten Gösgen Gäu (OGG), den Regionalverband Suhrental, den Regionalplanungsverband Wynental, den Regionalplanungsverband Lenzburg-Seetal und den Regionalverband zofingenregio. Im Sachplanverfahren können die Gemeinden partizipieren. Das BfE sieht sie als basisdemokratischen Prozess, bei dem sich alle interessierten Kreise einbringen können. Wir befürchten bei diesem Vorgehen - etwas pointiert ausgedrückt - ein "Palaver" mit kaum fassbaren Resultaten. Was wir hingegen wollen, ist eine klar strukturierte Partizipation, so dass Interessenvertreter, legitimierte Gemeindevertreter, mitwirken können, die ein Gremium bilden, in dem Entscheidungen getroffen werden. So hätte man "Fleisch am Knochen".

 Wie läuft das Sachplanverfahren eigentlich genau ab?

 Mit dem neuen Kernenergiegesetz wurde bestimmt, dass die radioaktiven Abfälle in der Schweiz entsorgt werden müssen. Das Verfahren definiert den Weg, wie man auf technischer, gesellschaftlicher und politischer Ebene zu einem Endlager kommen soll. Es besteht aus drei Stufen. Wir befinden uns derzeit am Ende der Stufe 1, in der man in der ganzen Schweiz nach potenziellen Endlagern für schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle gesucht hat. Gefunden hat man die bekannten Standorte Zürcher Weinland, Südranden, Nördlich Lägern, Bözberg, Jurasüdfuss und Wellenberg. Dabei wurde immer gesagt, dass die radioaktiven Stoffe am sichersten Ort eingelagert werden sollen. Und dies ist klar das Zürcher Weinland. Mittlerweile spricht man aber nur noch von relativer Sicherheit, die man anstrebt. Man hat aber nicht jeden Standort gleich gut untersucht. Über das Zürcher Weinland beispielsweise weiss man alles, über die Region Jurasüdfuss hingegen nur 20 bis 30 Prozent. In Phase 2 dann werden die sozioökonomischen Komponenten untersucht sowie die Einflüsse auf Umwelt und Gesellschaft. An allen Standorten wird die Nagra bis Mitte 2011 je zwei Standorte für Oberflächenanlagen vorschlagen. Phase 3 (ab zirka 2018) umfasst die Suche nach dem endgültigen Standort.

 Inwiefern kann die PJS Einfluss nehmen?

 In der jetzigen Phase nur auf die Partizipation. Die PJS selbst partizipiert zwar noch nicht, aber die Gemeinden und die Planungsverbände mussten sich bereits zur Endlager-Thematik äussern. Sie kamen zu uns und baten uns, ihnen mit einer Stellungnahme zu helfen. Das haben wir auch getan, obschon wir noch gar nicht dazu legitimiert waren. Das ist ja das Unbefriedigende. Wir haben die Stellungnahmen ausgearbeitet und sie den Gemeinden und Verbänden zur Verfügung gestellt. Sie haben sie dann teilweise übernommen.

 Wechseln wir das Thema: Kommen wir zu einem allfälligen neuen Kernkraftwerk im Niederamt (KKN). Was erwartet die GPN inhaltlich von der laufenden sozioökonomischen Studie?

 Sie kommt im Januar auf den Tisch. Derzeit kann man noch nicht viel dazu sagen. Ihre Präsentation hat sich verzögert, weil die Materie komplexer ist, als anfänglich erwartet. Zudem war es sehr schwierig, an Datenmaterial heranzukommen - so etwa im Fall des Kernkraftwerks Gösgen und der Alpiq. Aber nun ist alles beisammen.

 Ein Wort zu den weiteren Zeitplänen?

 Im März 2011 muss der Kanton dem BfE seine Stellungnahme einreichen - mit allen Richtplananpassungen. Diese kann er erst einfliessen lassen, wenn die von uns in Auftrag gegebene sozioökonomische Studie vorliegt. Der Kanton hat uns dies auch zugesichert.

 Im Januar kommt die Studie heraus, im März muss der Kanton seine Stellungnahme einreichen - wie soll das gehen?

 Dieses Problem muss der Kanton selber lösen.

 Wie stellt sich die GPN eigentlich generell zu einem neuen Kernkraftwerk?

 Wir sagten von Anfang an, dass wir dazu Stellung nehmen wollen, das führte auch zur Gründung der GPN im Jahr 2008. Aber wir wollten nicht primär pro oder kontra Kernenergie Stellung beziehen, sondern uns interessierten die sozioökonomischen Auswirkungen eines neuen Kernkraftwerks oder eines Endlagers für das Niederamt. Deshalb die Studie. Den ökologischen Teil liessen wir dabei weg, weil innerhalb des Rahmenbewilligungsverfahrens für ein KKN diese Abklärungen ohnehin getroffen werden. Wir wollten diese Arbeit nicht zweimal machen. Ein weiterer Grund für die Studie war abzuklären, wer und wie finanziell von einem neuen KKN profitieren würde. Man hat die Studie so angelegt, dass man für jede Gemeinde Aussagen treffen kann. Die Betroffenheit der einzelnen Gemeinden wiederum soll als Basis dienen, um über den Verteiler sprechen zu können. Erst wenn die Studie auf dem Tisch liegt, können wir demzufolge Stellung pro oder contra KKN beziehen.

 Was sagen Sie zu einem allfälligen Parallelbetrieb von KKG und KKN von voraussichtlich 15 bis 20 Jahren?

 Auch dies ist Teil der sozio-ökonomischen Studie. Man hat die Geschichte des KKG aufgearbeitet und probiert so, anhand einer Zeitachse Aussagen zum Betrieb des KKN sowie zu einem Parallelbetrieb zu machen, und man versucht aufzuzeigen, was nach einer Abschaltung des KKN geschehen kann. Und wir wollen sehen, welche Auswirkungen es hätte, wenn zusätzlich zu KKG und KKN noch ein Endlager hinzukäme. Aber da sprechen wir von einem Zeitraum von drei Generationen. Je weiter die Zukunft entfernt ist, desto unsicherer werden die Prognosen.

 Zurück zum Tiefenlager: Wie ist die diesbezügliche Haltung der GPN?

 Die GPN ist gegen ein Tiefenlager, weil wir sonst schon fast so etwas wie das "Nuclear Valley der Schweiz" würden. Wir haben nicht das Gefühl, dass wir die Energieprobleme der Schweiz lösen müssen.

 Welches sind die nächsten Schritte, die die GPN unternehmen wird?

 Zunächst warten wir die Studie ab, aber etliche Vorarbeiten wurden bereits geleistet. Zu nennen sind etwa die Bildung von Arbeitsgruppen über Abgeltungen und Verteiler oder die Festlegung der Verfahrensschritte. Die weiteren Handlungen hängen davon ab, wie die Studie ausgefallen ist und wie man mit der KKN AG, einer 100-prozentigen Alpiq-Tochter übrigens, diskutieren kann.

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 Zur Person

 Hanspeter Jeseneg (57) ist verheiratet und Vater dreier erwachsener Kinder. Nach einigen Semestern Physikstudium liess er aich zum Bezirkslehrer ausbilden. Er unterrichtet an der Bezirksschule Schönenwerd Phil-II-Fächer. Von 1993 bis 2007 war er Mitglied des Gretzenbacher Gemeinderates, 1997- 2009 als Präsident. Jeseneg ist Energieverantwortlicher beim GPN und Präsident der PJS.  (bw)

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Zentralschweiz am Sonntag 28.11.10

Theater

 Das Geheimnis "Tschernobyl"

Stefan Christen

 Der grösste anzunehmende Unfall als Theaterstoff: Regisseur Livio Andreina erklärt, weshalb er die Katastrophe von Tschernobyl auf der Bühne verhandelt.

 Livio Andreina, der nukleare Super-GAU, der sich im April 1986 im Kernkraftwerk von Tschernobyl ereignete, ist schon oft reflektiert und dokumentiert worden. Weshalb nehmen Sie sich als Theaterregisseur des Themas an?

 Livio Andreina: Als ich mich damit zu befassen begann, interessierte mich vor allem die scheinbare Omnipotenz des Menschen: Er glaubt, alles im Griff zu haben, und dann passiert doch etwas - ohne dass er für die Folgen auch nur ansatzweise die Verantwortung übernehmen kann.

 Warum lässt sich diese Problematik moderner Technologien am Beispiel Tschernobyl besonders gut zeigen?

 Andreina: Der Unfall hat die Illusion der Omnipotenz erstmals für alle sichtbar gemacht, darum ist er ins kollektive Bewusstsein der Menschen eingegangen. Tschernobyl ist ein Zeichen, ein Symbol - und ist mit anderen grossen Technikkatastrophen nur schwer zu vergleichen. Denn mit der Ausbreitung von radioaktiven Strahlen geschah etwas, was es zuvor noch nie gegeben hatte. Man sieht die Gefahr nicht, man riecht sie nicht. Die Natur scheint sogar aufzublühen - und doch ist die Strahlung tödlich. Und ihre Folgen werden erst in Tausenden von Jahren getilgt sein.

 Welche Erinnerungen haben Sie selber an die Katastrophe von 1986?

 Andreina: Die Zeit um mich herum schien stillzustehen. Im Lago Maggiore durfte man nicht mehr baden, man durfte keinen Salat mehr essen, Babys sollten mit nicht verseuchter Milchpulvernahrung versorgt werden. Es war ein Erzittern, das auch in der Schweiz spürbar war. Irgendwann flachte der Schrecken wieder ab, auch bei mir, das Thema verschwand aus dem öffentlichen Bewusstsein. Andererseits stelle ich in Gesprächen immer wieder fest, wie wach die Leute reagieren, wenn sie auf Tschernobyl angesprochen werden.

 Gerade jetzt wird auch in der Schweiz wieder heftig über die Zukunft der Kernkraft gestritten. Sehen Sie Ihr Stück als einen Beitrag zur politischen Debatte?

 Andreina: Als ich vor zwei Jahren mit der Arbeit am Thema begann, gab es diese Debatte noch nicht. Das Stück macht keine politische Aussage, nimmt keine Haltung ein. Die Inszenierung ist keine Polemik und kommt ohne Pathos oder Moral aus. Aber sicher: Im Umfeld der aktuellen Debatte wird das Stück spielerisch zu einer Art "Hot Spot". Doch der Zuschauer wird selber den Link herstellen zur aktuellen Problematik. Wir versuchen einfach, die Gefühle von Menschen zu rekonstruieren, die dem Ereignis damals direkt ausgesetzt waren und vor dem Unfassbaren standen. Das Stück gibt den Betroffenen eine Stimme - und will gleichzeitig die allgemeine Befindlichkeit zeigen, die sich ergibt, wenn eine Katastrophe dieses Ausmasses geschieht. Es geht um menschliche Abgründe, um Angst, um Liebe, um die Zukunft.

 Tschernobyl sei mehr als eine Katastrophe, "ein Geheimnis, das wir lösen müssen", haben Sie zum Projekt festgehalten. Welches Geheimnis?

 Andreina: Man müsste sich mit solchen Katastrophen viel genauer auseinandersetzen, viel weniger leichtfertig, als es bisher geschehen ist. Letztlich weiss niemand, auch die Wissenschaft nicht, was diese Strahlung letztlich bewirkt, was für Folgen zum Beispiel auch die Kleinststrahlung hat. Darüber wird bis heute hinweggedacht. Das Stück kann dieses Geheimnis natürlich auch nicht lüften. Wir beleuchten es nur.

 Und wie wird aus einem so komplexen Stoff Theater?

 Andreina: Zunächst macht die Inszenierung bewusst, dass wir selber Beobachter sind. Wir befinden uns hier nicht in der verstrahlten Zone. Das Stück arbeitet mit Versuchsanordnungen, die Einblick geben in die Ereignisse und wie sie erlebt wurden. Etwa mit monologartigen Berichten, die von Einzelschicksalen erzählen, oder mit nachgespielten Dialogen von Spezialisten, Physikern, die mit dem Geschehenen nicht umgehen können. Wir kreisen gewissermassen in einer Abfolge von Nahaufnahmen in Wort, Bild und Ton um dieses Ereignis. Der Text und die Bewegung empfinden die menschliche Erfahrung nach. Die Videoarbeit setzt dokumentarisches Bildmaterial um, die Musik liefert die Geräuschkulisse, und Ausstattung und Licht spüren ihrerseits der Technik in der Natur nach.

 Auf welche Quellen greift das Stück zurück?

 Andreina: Das Stück soll durchaus einen dokumentarischen Hintergrund haben, es musste aus Dokumenten herauswachsen - und ist letztlich doch eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema. Eingeflossen sind Textfragmente, Dialoge, Zitate, Fakten und Bilder, die sich direkt oder indirekt mit Tschernobyl befassen. Auch Essays, journalistische Bild- und Reisereportagen etwa von Swetlana Alexijewitsch und Alexander Kluge waren eine Inspiration.

 Hinweis: Werkstatt für Theater: "Störfall - Nahaufnahme: Tschernobyl". Regie: Livio Andreina. Mit Judith Koch, Michael Wolf, Bruno Amstad (Musik), Anna Maria Gaudemans (Ausstattung), Florian Olloz (Video), Martin Brun (Licht). Premiere: Donnerstag, 2.12., 20 Uhr, Südpol, Luzern. Weitere Aufführungen 4. 12., 6. 12., 7. 12., 8. 12., je 20 Uhr. VV: www.sudpol.ch

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be.ch 3.11.10
http://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-9d3c97d769ad4fd29812ab00cad45f5f.html

Kanton Bern
Canton de Berne
Parlamentarische Vorstösse
Interventions parlementaires

Geschäfts-Nr.: 2010-9491 Seite 1/3
Vorstoss-Nr: 138-2010
Vorstossart: Interpellation
Eingereicht am: 06.09.2010
Eingereicht von: Brunner (Hinterkappelen, SP) (Sprecher/ -in)
Weitere Unterschriften: 0
Dringlichkeit: Ja 09.09.2010
Datum Beantwortung: 03.11.2010
RRB-Nr: 1562
Direktion: BVE

Wie will die Regierung wirtschaftliche und Investitionsrisiken eines AKW-Baus handhaben?

Die grossen Verbundunternehmen der schweizerischen Strombranche gehen wider besseres Wissen davon aus, dass im Jahr 2035 in der Schweiz zwischen 25 und 30 TWh des nachgefragten Stroms fehlen werden. Die in swisselectric organisierten Unternehmen haben im März 2007 angekündigt, bis zum Jahr 2035 rund 30 Mia. CHF zur Sicherstellung der Stromversorgung zu investieren. Vorgesehen sind Investitionen in Kernkraftwerke, erneuerbare Energien, Gaskombikraftwerke, Netzausbauten und Pumpspeicherkraftwerke.

Kantone und Verbände haben bei Infras und TNC Consulting AG eine Studie in Auftrag gegeben, die die Wirtschaftlichkeit von Grosskraftwerken gegenüber Stromeffizienz und erneuerbaren Energien untersucht. Verglichen wurden die Investitionen für den Mehrstrombedarf, der sich laut Prognosen der Stromunternehmen bis 2035 ergibt. Ergebnis: Stromeffizienz und erneuerbare Energien sind volkswirtschaftlich interessanter. Während die energetische Wirkung bei den beiden Szenarien Grosskraftwerke und Stromeffizienz und erneuerbare Energien bis ins Jahr 2035 gleich hoch ist (30TWh), erreicht das Szenario Stromeffizienz und erneuerbare Energien über den Zeitraum 2006 bis 2035 eine kumulierte energetische Wirkung, die im Jahr 2035 rund 10 Prozent über der Wirkung des Szenarios Grosskraftwerk liegt. Die Grosskraftwerke schneiden schlecht ab: Mit den Investitionen in solche würde die Schweizer Volkswirtschaft einen Verlust einfahren. Die Investitionen in Stromeffizienz und erneuerbare Energien hingegen hätten eine höhere Wertschöpfung, mehr Arbeitsplätze und eine Dynamisierung des Sektors zur Folge - besonders, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien nicht aus dem Ausland importiert, sondern hier erzeugt wird. Bei den Banken haben wir die Erfahrung mit "too big to fail" gemacht. Diese Erfahrung müssen wir im Energiebereich vermeiden. Stromeffizienz und erneuerbare Energien sind eine wirtschaftliche Alternative zu Grosskraftwerken.

1. Wie gedenkt die Regierung mit den wirtschaftlichen Investitionsrisiken bei einem allfälligen Ausbau des Ersatzkraftwerks AKW Mühleberg umzugehen?

2. Wie verhindert sie, dass das wirtschaftliche und technische Risiko beim Bau neuer AKWs bei den Steuerzahlenden liegt?

3. Wie weit kann und will der Regierungsrat Einfluss nehmen, dass auf Bundebene den Ergebnissen der Infras-Studie Beachtung geschenkt wird?

4. Die erforderlichen Massnahmen zur Ausschöpfung des Stromeffizienzpotenzials sollten möglichst rasch ergriffen werden. Was gedenkt die Regierung diesbezüglich im Kanton Bern über die bisherigen Massnahmen hinaus zu tun?

Es wird Dringlichkeit verlangt.

Antwort des Regierungsrates

Der Regierungsrat teilt die Einschätzung der Interpellantin, wonach der Bau neuer Atomkraftwerke in der Schweiz mit hohen Investitionsrisiken verbunden wäre. Hinzu kämen die Störfallrisiken beim Betrieb, die grösstenteils nicht versicherbar sind. Aus diesen und weiteren Gründen lehnt die Regierung den Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg ab. Die Energiestrategie von 2006 zeigt, wie die Energieversorgung des Kantons nach einem Ausstieg aus der Kernenergie mit erneuerbaren Energien und Energieeffizienz sichergestellt werden kann.

Zu den Fragen 1 und 2:
Sollte das Ersatzkernkraftwerk Mühleberg erstellt werden, würde es als Partnerwerk erbaut. Die BKW würde demnach das Grosskraftwerk gemeinsam mit anderen Partnern errichten. Dabei hätte jeder Partner die Risiken seinem Anteil entsprechend zu tragen, wobei die Haftung der BKW, wie bei allen Aktiengesellschaften, auf das Aktienkapital beschränkt bliebe. In diesem Sinn hätte der Kanton die Wertverminderung für das Aktienkapital in Staatsbesitz zu tragen. Deshalb kann der Regierungsrat nicht abschliessend verhindern, dass sich aus dem Bau und dem Betrieb eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg Investitionsrisiken ergeben würden, welche bei den Steuerzahlenden verbleiben könnten. Hinzu kommen die Risiken für die öffentliche Hand bei einem Störfall. Es ist davon auszugehen, dass bei einem grösseren Störfall nicht alle Schäden aus den Haftpflichtversicherungen der Anlagebetreiber und aus dem Nuklearschadenfonds des Bundes gedeckt werden könnten. Gemäss Artikel 12 Kernenergiehaftpflichtgesetz (SR 732.44) versichert der Bund den Haftpflichtigen gegen Nuklearschäden bis zu einer Milliarde Franken je Kernanlage oder je Transport, zuzüglich 100 Millionen Franken für anteilsmässige Zinsen und Verfahrenskosten, soweit diese Schäden die Deckung durch den privaten Versicherer übersteigen oder von ihr ausgeschlossen sind. Für Schäden, die darüber hinausgehen, haftet dann das Unternehmen lediglich noch mit seinem Vermögen beziehungsweise maximal mit seiner Konkursmasse. Bei einem solchen schweren Störfall müsste daher der verbliebende Rest - der voraussichtlich einen grossen Teil der Schäden ausmachte - von der öffentlichen Hand getragen werden, das heisst von den Steuerzahlenden auch des Kantons Bern.

Zu Frage 3:
Der Regierungsrat hat die Ergebnisse der Studie mit Interesse zur Kenntnis genommen. Er ist der Ansicht, dass diese wichtigen Fragen im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeit von Atomkraftwerken thematisiert werden müssen. Der Regierungsrat wird diese Themen bei seiner Kommunikation im Abstimmungskampf aufnehmen. Er geht davon aus, dass die Studie auch auf Bundesebene gebührend zur Kenntnis genommen wird. Der Regierungsrat hat keine direkten Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Bundesebene.

Zu Frage 4:
Die Stromeffizienzziele der Energiestrategie sind langfristig angesetzt und die Massnahmen zu deren Umsetzung werden planmässig kontinuierlich gesteigert. Konkret soll als nächster wesentlicher Schritt das vom Grossen Rat verabschiedete, revidierte Energiegesetz in Kraft gesetzt werden.

An den Grossen Rat